Tho m a» Ur edrr chs (AraMern, N ^?s,rs'^/r' />, -/? kW 7^^-LN^ X' /^>X^/F ^-6/?^. M Predigten, gehalten von D-ornas Fr*iebr*i(A, Domprediger in Laibach. Nach seinem Lode he r ansgege ben. Erster Theil. SonnLagöpredlgten. Lai-rch, Gedruckt bei Joseph BlaSnik. 1833. Verlegt und zu haben bei Adam Heinrich Hohn, am alten Markt« Nro. 1S7. Vorrede. Hier crschcmt der erste Theil der vom sest Thomas Friedrich größtentheils in der hiesigen Domkirche ge¬ haltenen Predigten. Dieser Theil enthält auf jeden Sonntag des kath. Kirchenjahres eine geistliche Rede, mit Ausnahme des ersten Sonntages nach Pfingsten, an welchem das Fest der allerh. Dreieinigkeit gefeiert wird, und wovon die Predigt im zweiten Theile un¬ ter den Festpredigten vorkommt. Was die Veranlassung zur Herausgabe dieser Pre¬ digten betrifft, muß bemerkt werden, daß sie mit allge¬ meinem Veifalle der Gläubigen gehalten worden sind. Daher entstand gleich nach dem vor 2 Jahren erfolg¬ ten Hinfcheiden des gefeierten Redners unter dessen Freunden und Verehrern allgemein der Wunfch, eine Auswahl von dessen sorgfältig geschriebenen Predigten möchte der Presse übergeben werden, um den Hochver¬ ehrten im Andenken zu erhalten, vorzüglich aber um Gelegenheit zu haben, die mit Wonne angehörten Lehren von Zeit zu Zeit im Gedächtnisse zu erneuern. Der tobte Buchstabe ergreift zwar nicht so mächtig den Leser, als die lebendige Rebe den Zuhörer, weil lv jedoch diese Predigten zunächst für jene bestimmt sind, die dieselben bereits mündlich gehört haben, so wird man sich beim Lesen derselben der lieblich eindringen¬ den Stimme und des ernstlichen Nachdruckes, wie sie gehalten worden, fast unwillkürlich erinnern. Da der Verblichene gleich nach absolvirten theol. Studien zuerst zu St. Jakob, und bald darauf in der Domkirche zu Laibach, als Kooperator und deutscher Prediger angestellt, und überdieß durch dritthalb Jahre mit der Supplirung der Lehrkanzel der Dogmatik be¬ schäftiget wurde: so wird der Kenner vom Fache in dieser Auswahl nicht lauter Driginal-Reden erwar¬ ten, obwohl versichert werden kann, daß der Selige als Ljefdenkender Mann, mehrere ohne Benützung ei¬ ner fremden Arbeit niedergeschrieben habe. Mögen da¬ her diese Predigten um so mehr mit Nachsicht beur- theilt werden, als es gewiß ist, daß sie der verstor¬ bene Verfasser, bei feiner bekannten Bescheidenheit, dem Drucke nicht übergeben haben würde, ohne sie sorgfäl¬ tig umgearbeitet und verbessert zu haben. Der zweite Theil, enthaltend ausgewählte Predig¬ ten auf alle Feiertage des kath. Kirchenjahres, nebst zwei Jahrgängen von Fastenpredigten, ist bereits un¬ ter der Presse, und wird nach einigen Monaten er¬ scheinen. » c l 1 Am ersten Sonntage im Advente. »Alsdann wird man des Menschen Sohn auf einer Wolke mit grosser Macht und Herrlichkeit kommen sehen.« Luk. 21/ 27. Eingang. Wir haben mit dem letztversiossenen Sonntage das Kirchenjahr beendet, und treten nun in eine erfreuliche Zeit — in die h. Ad¬ ventzeit, ein, in welcher wir das Andenken der Ankunft und Ge¬ burt unsers göttlichen Erlösers Jesu Christi erneuern und unsere Herzen zu dessen geistigem Empfange vorbereiten sollen. — Un¬ schuldig und rein, von Ehrfurcht und Liebe ganz durchdrungen müssen aber unsere Herzen scyu, wenn Jesus, und mit ihm Heil und Segen zu uns kommen und bei uns bleiben soll. — Sind aber unsere Herzen auch so beschaffen? — sind wir wohl würdig uns mit Freuden wie die Belhlehemitischen Hirten, hin zur Krip¬ pe des Welterlösers zu drängen? sind wir ernstlich entschlossen, ihn !o unverdrossen und sehnsuchtsvoll zu suchen, so demüthig und lieberfüllt anzubethen, wie die Weisen aus dem Morgen¬ lande? — Wollte es der Himmel meine Lieben, daß wir voll¬ kommen vorbereitet wären dem kommenden Heilande entgegen zu gehen, ihn würdig zu begrüssen und zu empfangen! — Aber wie Wenige besitzen jenes reine Herz und jenen bußfertigen Sinn, den der kommende Heiland fodert! — Die Kirche wünscht wohl eifrigst, jenes reine Herz und jenen bußfertigen Sinn in ihren Kindern zu schaffen; darum führt sie dieselben auch beim Eintritte in die h. Adventzeit zur Betrachtung einer Glaubenswahrheit, die, wenn man sie lebhaft zu Gemiithe führt, ganz geeignet ist, die Herzen hartnäckiger Sünder zu erweichen, sie nut einer heil¬ samen Furcht vor der Sünde zu erfüllen, zu einem reumüthigen 1 » »>-» 2 «««« Bekenntnisse ihrer Vergehungen und zur standhaften Lebcnsbesse- rung anzuspornen. Und diese Glaubenswahrheit ist keine andere als die vom letzten oder allgemeinen Gerichte, welches der In¬ halt des h- Evangeliums ist. Jene von dieser Glaubcnswahrheit begleitete Furcht, die dem Tugendhaften wie dem Sünder from¬ met, weil sie das Heil des Einen kräftig sichert und das Heil des Andern mächtig wirket — jene heilsame Furcht wünschte ich eben in die Herzen meiner Zuhörer zu verpflanzen, und darum will ich beute die im letzten Vortrage angefangene Betrachtung von dem letzten Gerichte fortsetzcn, und mit dem Beistände Got¬ tes in den folgenden Sonntagen nach Möglichkeit ausführen. Im gegenwärtigen Vortrage will ich daher nur die tiefe Beschä¬ mung und Bestürzung anschaulich zu machen suchen, die dem un¬ gebesserten Sünder am Tage des Gerichtes Vorbehalten ist, wenn seine geheimsten Vergehungen geoffenbaret und zwar im Angesichte der ganzen Welt geoffenbaret werden.— Folget mir, die ihr noch am Arme der Tugend wandelt und insbesondere ihr, die ihr auf der breiten Strasse des Lasters eurem Untergänge entgegen eilet, folget mir in Gedanken in das Thal Josaphat, wo Jesus der Sohn Gottes die Völker der Erd» richten wird; lernet, welches das Schicksal des ungebesserten Sünders feyn werde, um demsel¬ ben schon hienieden vvrzubeugen und auszuweichen. Abhandlung. „Wir Alle, schreibt der h- Paulus 2. Cor- 5, 10. werden vor dem Richterstuhle Gottes erscheinen müssen, damit ein Jeder empfange, je nachdem er in diesem Leden Gutes oder Böses ge¬ wirkt hat." Oder wie sich der Heiland selbst ausdrückt: „Es kommt die Zeit, in welcher Alle, die in den Gräbern sind, die Stimme des Sohnes Gottes hören, und die Gutes gethan ha¬ ben, werden auferstehen zum ewigen Leben, die aber Böses ge- than haben zum Gerichte", Zoh. 5, 28 — 30. — Wenn also jener Schreckcnstag anbrechen, wenn die Gerichtsposaune durch das verwüstete Weltthal ertönen, wenn die Stimme des En¬ gels in alle vier Winde schauerlich rufen wird: Stehet auf ihr Todten, und kommet zum Gerichte! — dann meine lieben Zuhörer, dann werden sich augenblicklich die zerstreuten Gebeine sammeln und ihr verwefeter Staub, durch allmächtigen Hauch zufammengesührt » » »>- 3 «««« und belebt, wird wieder vollkommene Körper bilden. Dann wer¬ den sich hier die niedcrn Grabhügel der Armen öffnen — dort die prachtvollen Särge der Könige aufspringcn, hier gemeine Todtenhäuser die Gebeine des Bettlers, dort kostbare Urnen die Asche des Neichen ausschütten, hier das-Meer seine verschlunge¬ nen Leichen — dort das Schlachtfeld seine vermoderten Krieger von sich geben, damit alles Fleisch sich versammle im Thale Jo¬ saphat, wo der Herr zu Gericht sitzen, die Schafe von den Bö¬ cken d. i. die Guten von den Bösen absondern, und jene zu seiner Rechten, diese zu seiner Linken stellen wird. Bleiben wir in unserer Betrachtung einen Augenblick bei dieser Absonderung und Trennung der Guten von den Bösen stehen. — Wie schauderhaft ist nicht diese Trennung meine Lie¬ ben! — Es ist eine schreckliche, eine schimpfliche und eine ewige Trennung! Ich sage eine schreckliche Trennung; denn es wird nach Verschiedenheit des Lebenswandels und des darüber ge¬ fällten Urtheiles — der Sohn vom Vater, die Tochter von der Mutter, der Bruder von der Schwester, der Gatte von der Gattin, der Freund vom Freunde grausam getrennt, die engsten und heiligsten Bande der Natur und Religion, womit die Sterb¬ lichen hier auf Erden untereinander geknüft waren, — werden aufgelöst und vernichtet. Ich sage, eine schimpfliche Trennung; den sie wird jenen eitlen Unterschied zwischen Menschen und Men¬ schen aufhcben, aus dem einst die Welt soviel Wesens gemacht, auf den sie sich so thöricht gesteift hat- Da, am Tage des Ge¬ richts, (merket es euch wohl ihr eitlen und hochmüthigen Welt- menfchen,) da wird aus Geburt und Stand, auf Reichthum und Ansehen, auf Vorzüge und Macht keine Rücksicht genommen — weil bei Gott kein Ansehen der Person gilt. Darum wird der verachtete Bettler dem stolzen Reichen, der emsige Knecht dem treulosen Herrn, der niedrige Untcrthan dem mächtigen Fürsten, der stille Selbstüberwinder dem berühmten Städteeroberer, der einfältige Fromme dem selbstsüchtigen Wcltwcisen, vorgezogen, oder wie der göttliche Heiland sich ausdrückt — die Ersten wer¬ den die Letzten und die Letzten werden die Ersten werden. Und diese grosse unerwartete Veränderung wird schon im Augenblicke der Auferstehung sichtbar; denn die vollendeten Tugendhaften werden mit einein himmlischen, verklärten Leibe auferstehen, und Ee es in der geh. Offenbarung heißt, gleich den Sternen des 1 * 4 « «.<« Himmels glänzen, während die Sünder in ihrer häßlichen kör¬ perlichen Gestalt vor ihrem eigenen Anblicke zu vergehen und nochmals zu sterben wünschen werden; denn wer hienieden in sei¬ nem Leibe d. i. nach seinen sinnlichen Lüsten gesäet hat, der wird auch von seinem Leibe Verderben ärnten, schreibt der heilige Apostel Paulus. Ich sage ferner — eine ewige Trennung. Auch hienieden gibt es schmerzliche Trennungen. — Böse Menschen zerreissen ost die freundschaftlichsten Verhältnisse guter Familien, ein unvor¬ gesehenes Unglück stürzt den Einen in den Staub, während das Glück den Andern erhebt und führt durch diese Ungleichheit des Standes nicht selten eine Scheidewand zwischen sonst treuen und aufrichtigen Seelen auf; Berge und Meere trennen manchen auf Jahre und Jahre von seinem Vaterlande und seinen geliebten Angehörigen; oder cs ruft der Krieg den hoffnungsvollen Sohn aus der väterlichen Heimath, d^r Tod reißt die geliebte Tochter aus den Armen der Mutter, den Gatten von der Seite der Gat¬ tin , die Aeltern aus dem Kreise hilfloser Kinder, den Freund von der Nähe des Freundes — aber diese Trennung ist doch nur zeitlich, nicht bleibend und ewig, denn der Lod selbst überläßt den Ge¬ trennten noch immer die Hoffnung, daß sie sich wieder finden, wieder sehen und wieder vereinigen werden- — Allein die Tren¬ nung, welche der Richter der Lebendigen und Tobten an jenem Lage aussprechen wird, diese ist und bleibt unwiderruflich, hoff¬ nungslos und ewig! Nimmer mehr werden die Bösen in Gemeinschaft, in Vereinigung mit den Guten kommen können, weil die nicht getilgte und nicht vergebene Sünde eine ewige Scheidemauer zwischen beide aufgeführt hat, weil dem grossen Aerntetage nur der Waizen in die Scheuern des Herrn aufbewahrt, das Un¬ kraut aber in Büschel gebunden und dem Feuer wird übergeben werden. Diese schreckliche, schimpfliche und ewige Trennung also — diese schon wird die Sünder mit ticfestcr Scham und mit nah- menlosen Schmerzen erfüllen. Aber wie groß wird ihre Scham, wie unsäglich ihr Schmerz erst seyn, wenn der gerechte Richter das Buch des Todes auffchlagen und ihnen alle ihre Vergehun¬ gen und Schulden kund machen wird! wenn sie selbst ihren gan¬ zen Lebenswandel von dem ersten Fehltritte bis zum letzten Ver¬ brechen, mit allen Ursachen, Wirkungen, mit allen strafwürdigen »»»» 5 «««« d i- N' ie n t s s S f 1 l Umstanden nut einem Blicke überschauen werden; wenn jeder sünd¬ hafte Gedanke, jedes unehrbare, lügenhafte und verläumderische, ja sogar jedes unnütze Wort, jede unordentliche Regung des Her¬ zens, jede in geheim gehaltene böse Absicht, jede Unterlassung des Guten, jede saumselige Erfüllung der Pflicht, jede Nichtver- hinderung und Abmahnung des Bösen ohne Bemäntlung und Entschuldigung im Angesichte der ganzen Welt aufgedeckt wird? — Der Sünder, heißt es in den Psalmen, wird es sehen, mit den Zahnen knirschen und erbleichen. Denn die Erkcnntniß des Sünders in jenem Leben, wird so wie jene der Auserwählten ungleich grösser und vollkommener seyn als hienieden. Die Un¬ wissenheit, mit welcher hienieden mancher Sünder seine Verbre¬ chen entschuldiget, wird ihm am Tage des Gerichtes nicht retten, weil er sich in seinem Leben aus Starrsinn oder Nachlässigkeit um Erleuchtung und Belehrung nicht bekümmert hatte; darum wird ihm jenseits ein Licht angezündet, das seine ehmaligen Wer¬ ke dec Finsterniß fürchterlich beleuchten wird. — Die Eigenliebe, die jetzt so sinnreich ist, alles Böse zu bemänteln und zu beschö¬ nigen, aus geringcrn Fehltritten gar keine oder wohl gar Lu¬ genden, aus Verbrechen Schwachheiten zu machen, das Böse gut, das Gute bös zu nennen; die warnende Stimme des Gewissens durch seine Wendungen und listige Einsprechungen zum Schwei¬ gen zu bringen — die Eigenliebe sage ich, wird am Tage des Gerichtes auf ewig verstummen, alle ihre Ausflüchte und Vor¬ wände werden verschwinden — das Laster wird da stehen in sei¬ ner abscheulichen Blösse und der Sünder wird, wie der Heiland sagt in seiner tiefen Scham und Verzweiflung rufen: Stürzet über mich zusammen ihr Berge, und ihr Hügel bedecket mich! — Aber kein Berg wird über ihn Zusammenstürzen, kein Hügel ihn bedecken, keine Finsterniß ihn verhüllen, kein Retter ihm nahen; weil der Allmächtige Höchstheilige und Ewige selbst wider ihn zu Gerichte sitzet. Dann ihr eitlen Christen, wird eure thörichte Begierde vor den Menschen zu glänzen, der Welt zu gefallen und fremdes Lob zu erschleichen aufgedeckt; dann ihr stolzen und hoffärtigen Christen, werden die Kunstgriffe die ihr angewendct um euerm Ehrgeitze Nahrung zu verschaffen, und die Ungerechtigkeiten, die ihr ausgcübt um den Mitmenschen zu stürzen, enthüllt; dann ihr ruhnflüchtigen Christen, werden die verborgenen krummen Wege, »»»» 6 «««« auf welchen ihr euch zu Ehrenstetten und zum Ansehen hinangc- wunden hattet, gcoffcnbaret. — Alles wird offenbar werden vor der ganzen Welt; denn nichts ist so verborgen, schreibt der h. A. Paulus i. Cor. ä, 5. was nicht kund werden, nichts so geheim, das nicht an das Licht gezogen würde. — Dann ihr sinnlichen und wohllüstigen Menschen wird aufge¬ deckt werden die Abscheulichkeit jener geheimen sündhaften Genüsse und Vergnügungen, die ihr jetzt für unschuldig, für erlaubt oder höchstens für Wirkungen menschlicher Schwachheit haltet. — Dann wird jeder unkeusche Gedanke, jede wilde Begierde, jeder unrei¬ ne Blick, jeder der Unschuld in Geheim gelegte Fallstrick, jeder noch so verborgene sündhafte Umgang, jede Untreue und Ver¬ letzung des h. Ehebandes und jede viehische Lust, die ihr vor Euch selbst schon hienieder zu verbergen suchet, vor der Welt auf- gedeckt. — Alles wird offenbar werden, was verborgen war. Dann ihr geißigen Christen, ihr Wucherer und ungerechte Besitzer fremden Eigcnthumes, dann wird eure blinde Leidenschaft, die euch zu Götzendienern des Geldes und irdischer Schätze, zu Tyrannen eurer Mitbrüder machte — dann wird diese eure blinde Leidenschaft in ihrer ersten Duelle und in ihren entferntesten traurigen Folgen beleuchtet und enthüllet werden — alle gehei¬ men Triebfedern eures Handelns, alle verborgenen Wege des Be¬ truges, alle schändlichen Eingriffe in fremde Rechte, alle Erpressun¬ gen und Bedrückungen, die ihr unter dem Deckmantel der Ge¬ rechtigkeit ausgeübt, werden offen vor der Welt da liegen. Alles wird offenbar werden, was verborgen war. Dann ihr unversöhnlichen, rachsüchtigen Menschen wird auf¬ gedeckt werden euer verdorbenes schwarzes Innere, eure geheimen Tücken und boshaften Ränke; alle Mittel und Wege durch wel¬ che und auf welchen ihr Rache zu nehmen gesucht habet, an eu¬ ren Mitmenschen, um eure, scheinbar verletzte Ehre zu retten, oder um den vermeinten Nebenbuhler eures Glückes auf die Seite zu schaffen, oder den Unschuldigen was immer für einer Leidenschaft auf¬ zuopfern. Nein, nicht die mindeste vorsätzliche Beleidigung und Kränkung des Mitmenschen wird verborgen bleiben, so wenig wie eine rachsüchtige gräuliche Verletzung seines guten Namens, sei¬ nes Vermögens und Lebens. Mit einem Worte, wer du immer bist verhärteter Sünder, was immer für Verbrechen du seit dem ersten Augenblicke deiner erwachten Vernunft bis auf den letzten »»»» 7 « « « « Hauch deines Lebens wirst begangen haben, wie verborgen du sie auch immer vor der Welt möchtest begangen haben — sie werden alle am Tage des Gerichtes offenbar werden im Ange¬ sichte der ganzen Menschheit; denn der, der deinen Wandel un¬ tersucht, ist der allwissende Gott, vor dessen Blicke Alles offen und aufgedcckt da liegt. Wahrlich, wenn etwas im Stande ist uns vor der Sünde abzuschrecken, so müßte die schreckliche Be¬ schämung, die uns am Tage des Gerichtes bcvorstehet, uns von der Sünde abschrecken! Wie viele Vorsicht braucht der Sünder nicht jetzt schon um seine Vergehungen und Laster vor den Augen der Menschen zu verbergen und so einer Kittern Beschämung zu entgehen, wie erfinderisch ist er nicht um dem Laster durch Schein¬ gründe eine schönere Außenseite zu verschaffen oder ihm wohl gar den Mantel der Lugend umzuhängen! Schließen Sie daraus meine Zuhörer auf die unendlich schmerzhafte Beschämung des Sün¬ ders am Tage des Gerichtes; schließen Sie dieses aus der Scham, die Sie selbst oft zurückhalten könnte ihren verborgenen Seelenzu¬ stand dem Priester zu enthüllen, obschon Sie wissen und überzeugt sind, daß er nur an Gottes Statt aus Liebe Ihren Seelenzu¬ stand untersucht und aus Liebe zu heilen wünscht, obschon Sie über¬ zeugt sind, daß ihn sein Amt nach göttlichen und menschlichen Gesetzen zu einem ewigen Stillschweigen verbindet; schließen Sie dieses aus der Beschämung, die Sie befallen würde, wenn alle Ihre Handlungen nur einigen Perfonen, die Sie hochachten und lieben, deren Zutrauen Sie zu verlieren fürchten, bekannt wür¬ den; schließen Sie dieses nur aus der Beschämung, die sich jedes Einzelnen aus ihnen bemeistern würde, wenn Gott in diesem Au¬ genblicke alle Gedanken seiner Seele, alle geheimen und unor¬ dentlichen Neigungen seines Herzens der ganzen gegenwärtigen Versammlung offenbaren würde. Können wir aber diese Beschä¬ mung in einen Vergleich bringen mit der Beschämung die den Sünder wartet am Lage des Gerichtes, wo seine inneren und äußeren Vergehungen nicht vor einem einzigen Menschen wie hier vor dem Priester, nicht vor einer kleinen Versammlung, wie vor der gegenwärtigen, nicht vor den Einwohnern einer Stadt oder eines Landes, sondern vor so vielen Zeugen werden gcoffenbaret werden, als Menschen von Anbeginn der Welt bis zu ihrem Ende gelebt haben? >->-»» 8 «««« Zu der niedcrschlagenden Beschämung, die dem Sünder die Bekanntmachung seiner eigenen Sünden verursachen wird, wird sich dann die noch weit nicderschlagendere gesellen, die aus der Enthüllung fremder Sünden entspringt, deren er sich thcil- haftig machte. Denn es werden alle "Unglücklichen, die er durch Wort und Beispiel zur Sünde verleitet, denen er das Gift sei¬ ner Bosheit mitgetheilt, die er an den Rand des Verderbens gezogen hat, wider ihn aufstehcn als seine Kläger und Richter. Darum kann man nicht genug staunen über jene Frechheit, die manche gvttesvergessene Christen an den Tag legen, wenn sie um Andern, besonders Einfältigen und Unschuldigen Muth zur Sünde einzuflössen, so in einen Lag hin sprechen: Fürchte nichts, diese Sünde nehme ich auf mein Gewissen. — O ihr Thoren ihr! ihr habt jetzt wohl ein sehr weites und breites Gewissen, ihr machet euch ohne Bedenken anheischig die Last fremder Sün¬ den zu tragen, obschon euch die Last der eigenen zu Boden drü¬ cket — aber wisset, ohne es zu wollen sprechet ihr die Wahr¬ heit, denn ihr nehmet die Sünde, die euer Mitmensch auf euer Anrathen, auf euern Befehl oder mit eurem Zuthun begehet, ihr nehmet sie wirklich auf euer Gewissen; sie wird einstens schrecklich auf euch lasten und der durch eure Schuld unglückliche Mitmensch wird euer Ankläger und Richter seyn. — Sein Blut will ich aus deiner Hand fodern, spricht der Herr! — Väter und Müt¬ ter, die ihr euern Kinder, anstatt sie in den Lehren des Chri- stenthums zu unterweisen, ihnen Gottesfurcht und Liebe zur Tu¬ gend einzuflössen, vielmehr durch Wort, Lhat, Acrgerniß und bö¬ ses Beispiel gebet — Väter und Mütter, zittert vor dem Tage des Gerichts, denn eure Kinder werden wider Euch aufstchen, eure Kläger und Richter seyn. Ihr Blut will ich aus euern Händen fodern, spricht der Herr. — Ihr Hausherrn und Haus¬ frauen zittert, wenn ihr auf eure Dienstbothen nicht ein wach¬ sames Auge habet, sie nicht belehret, ermahnet und warnet — euch um ihr Seelenheil nicht bekümmert, sondern sie wohl selbst noch zur Sünde und Laster verleitet oder zu Opfern eurer Lei¬ denschaften machet, zittert vor dem Tage des Gerichts. Die Dienstbothen werden eure Ankläger und Richter seyn. — Ihr Blut will ich aus euern Händen fodern, so spricht der Herr! Ihr Vorgesetzten, wessen Standes und Ranges ihr immer seyd — zittert! wenn ihr, denen Gott Macht und Gelegenheit ge- » »>-» 9 « « « « geben, mehr Gutes zu befördern und zu wirken, euer Licht feuch¬ ten zu lassen vor den Menschen und sie zur Nachahmung des Guten anzueifern; wenn ihr — durch euern Lebenswandel den Untergebenen und Niedern zum Steine des Anstosses seyd, geisti¬ ge Blindheit und geistiges Verderben unter denselben verbreitet — zittert vor dem Tage des Gerichtes! — denn die Unterge¬ benen und Mindern werden 'eure Ankläger und Richter seyn. — Ihr Blut will ich aus euern Händen fodern — spricht der Herr! — Bereiten wir uns demnach meine Lieben, so lange es noch Zeit ist, so lange Christus der Herr mit seiner Ankunft zum Gerichte verweilet — bereiten wir uns, durch eine aufrichti¬ ge Busse und ein reumüthiges Sündenbekenntniß die schwere Last eigener und fremder Schulden abzuschütteln und hienieden Gna¬ de zu erlangen, damit eigene und fremde nicht getilgte Sünden am Tage des Gerichtes nicht die traurige Ursache unserer tie¬ fen Beschämung und eines schrecklichen Verdammungsurtheils wer¬ den. Amen. Am zweiten Sonntage im Advente. »Ich bin mir zwar nichts bewußt, aber darum noch nicht gerecht- fertiget, denn der mich richtet, ist der Herr.« i. Corinth. 4, Eingang. E>lst du derjenige, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen Andern warten? — So fragten die abgesandten Schüler des Johannes den Heiland. Doch anstatt auf ihre Frage zu antworten, wies Jesus hin auf seine wundervollen Lhaten, von denen sie selbst Zeugen seyn konnten, und die ihnen den Zweck seiner Sendung beurkunden mußten; den Blinden gab er das Ge¬ sicht, Tauben das Gehör, Stummen die Sprache, Lahmen gerade Glieder, — Aussätzige wurden gerciniget, Lodte zum Leben er¬ weckt. — Auf diese Lhaten wies Jesus bei seiner ersten Ankunft hin um sich als den verheißenen Messias zu erkennen zu geben. »>-))» 10 «««« So wird er auch bei seiner zweiten Ankunft Hinweisen, auf seine Lehre, die er vom Himmel gebracht und der Welt verkündet, auf die Wunder, die er zu seiner Beglaubigung gewirkt, und auf den schmählichen Lod, den er für die Sünden der Welt am Kreuze gestorben ist. Aber er wird es thun, nicht um sich als vom Vater gesandten Wclterlöscr, sondern als vom Vater bevoll¬ mächtigten Weltrichter zu beurkunden. Wer ihn als Messias nicht erkennen wollte, der wird ihn dann als seinen Richter er¬ kennen müssen; denn wenn er zeigen wird, was er gethan um dem Sünder das Erbe des Himmels zu erkaufen, so wird er auch zeigen, was der Sünder gethan um dieses Erbtheiles verlustig zu werden, oder wie er die ihm erworbene Gnade gemißbraucht habe, da er der Sünde und dem Laster diente. — Zesus wird aber auch zeigen und offenbaren, was der Sünder nicht gethan um sich seine Seligkeit zu sichern, oder wie nachlässig er mit der ihm verliehenen Gnade mitgewirkt habe — also nicht nur das ausgeübte Böse, sondern auch das unterlassene Gute wird am Lage des Gerichtes ein Gegenstand der Untersuchung, Offenba¬ rung und Verurtheilung — ja noch mehr, selbst das wirklich ausge¬ übte Gute wird in die Wagfchale des Richters gelegt und nach der Absicht, nach den Beweggründen, nach denen es gewirkt wurde, abgewogen; hiemit werden auch die guten Werke der Scheinhei¬ ligkeit geprüft, geoffenbarct und gerichtet. Damit wir nun besser angeeifert werden, so lange wir auf dieser kurzen Wanderschaft uns befinden rechst viel Gutes zu wirken und aus den reinsten Beweggründen es zu wirken: so wollen wir heute den Sün¬ der vor dem Richterstuhle Christi betrachten in seiner Beschämung wegen der Unterlassung guter Werke, und dann in sei¬ ner Beschämung wegen scheinheiliger Ausübung guter Werke. Ich verspreche mir hiebei Ihre geneigte Aufmerksamkeit. Erster Theil. Ich bin mir zwar nicht bewußt, aber darum noch nicht ge- rechtsertigct, denn der mich richtet ist der Herr. So schreibt der h. Apostel Paulus von sich — der eifrigste Diener Gottes, der von dem Tage seiner Bekehrung und seines h. Berufes an, mit unermüdetem Eifer im Weinberge des Herrn gearbeitet, Ver¬ achtung und Verfolgung, Mißhandlungen und Widerwärtigkeiten >- >->- 11 « « « « e aller Art erduldet und dakei alle irdischen Schaße, alle Macht, , alles Ansehen dieser Welt, dem Kothc gleich geachtet hatte, um > Christum zu gewinnen, d. i. um sich der Gnade seines Heilandes l zu versichern. Dieser treue Diener Gottes gesteht es also am Ende seiner rühmlich zurückgelegtcn Laufbahn, ungeachtet er das seligste Bewußlseyn für sich hatte, daß er dem Gesetze des Herrn treu geblieben war — er gesteht es, daß er darum noch nicht gcrechtfertigct sey; — denn nicht ich, sprach er, sondern der Herr ist es, der mich richtet. Wenn aber der grosse Apostel, der seit seiner Bekehrung nur für seinen Heiland lebte, so außer¬ ordentlich viel zur Ehre Gottes und zum Besten seiner Mitmen¬ schen wirkte, — wenn dieser grosse Apostel nicht ohne gänzliche Furcht für sein Seelenheil war, weil er die Ueberzeugung hatte, daß Gott ein gerechter und strenger Richter ist, — wie können dann diejenigen i» ruhiger Sicherheit leben, die, wenn sie schon von auffallend groben Lastern frei sind, doch nur wenig oder nichts Verdienstliches für den Himmel aufzuweisen haben? Ist es denn, um vor den Augen Gottes gerechrfcrtiget zu seyn, schon genug, daß man nur das Bose meide? Wird nicht das Gute und nur das Gute, das wir gewirkt haben, uns den Besitz des Reiches Gottes sichern? — Ja, nur das Gute! Der Knecht im Evan- gelio, der fein Talent zwar nicht verschwendet, aber auch nicht auf Zinsen gegeben, sondern müssig vergraben hatte, — der Gast, der ohne ein hochzeitliches Kleid anzuhaben, beim Gastmahle des Herrn erschien, beide wurden verurtheilet: Bindet ihn Hände und Füsse und werfet ihn hinaus in die äußersten Finsternisse, da wird Heulen und Zähnklappern seyn — so lautete das Urtheil über den unnützen Knecht, wie über den ohne hochzeitliches Kleid erschienenen Gast. So wird auch das Urtheil des Sohnes Got¬ tes lauten über alle jene, die dem unnützen Knechte oder jenem unberufenem Gaste gleichen; die das ihnen anvertraute Talent vergraben — d. i. die Zeit und die verliehenen Gaben nicht zum Gutesthun, nicht für die Ewigkeit angewendet haben, und arm an guten Werken vor dem Richterstuhle Christi erscheinen. Sie werden gleich dem Baume, der keine Früchte gebracht hat, aus¬ gehauen und in das Feuer geworfen. —> Man sollte hoffen, meine Lieben, wenn man die meisten Menschen betrachtet, wie sic im Schweiße ihres Angesichtes von Früh Morgens, bis auf den späten Abend arbeiten und sich in »»»» 12 « « « « beständigen Sorgen verzehren — man sollte hoffen, daß sie auch das Ewige als das Erste und Wichtigste nicht versäumen, und sich in gleichem Grade Schaße für den Himmel sammeln werden; aber leider, sie arbeiten, doch nicht für den Himmel, sondern für die Erde, nicht für die Ewigkeit, sondern für die Zeit, nicht für Gott sondern für die Welt. — Betrachten wir den Eeißigen und Habsüchtigen, was thut, was leidet er nicht um seine Lei¬ denschaft zu befriedigen! Mancher durchschifft die Meere und wagt sich in alle Stürme, mancher durchwacht ganze Nächte, achtet seine Gesundheit nicht, spart sich an seinem eigenen Munde ab und wird von beständigen Sorgen gequält. — Und wenn er dann Alles hat, so hat er Nichts. Wieviel würde er nicht haben, wenn er mit diesem Schweiße, mit dieser Mühe und Sorge sich unsterb¬ liche Schätze gesammelt hätte, und diese Schätze hätten ihn auch nicht mehr, ja ungleich weniger Schweiß und Mühe gekostet, ihm weniger Leiden und Sorgen verursacht, als die irdischen. Der Tod kommt und ruft ihn ab — die gierigen Nachkommen ver¬ zehren das unter tausend Sorgen zufammengescharrte Gut und vergessen des armseligen Eigenthümers. Am Lage des Gerichtes wird der Herr Rechenschaft von seiner Haushaltung fodern. — Was wird er aufweisen? Einen Schatz, den die Motten ver¬ zehrt, oder die Diebe ausgegraben, oder die Erben vergeudet ha¬ ben, aber für die Ewigkeit nichts! — Betrachten wir so manchen Hausvater. Er ist auch löblich bekümmert, sein Haus gut zu bestellen, seinen Wohlstand zu vergrössern, seine Familie zeitlich zu versorgen — aber die Sorge für eine gottesfürchtige Erziehung, für das Heil seiner Kinder, diese kennt er nicht; genug daß er ihnen ein ansehnliches Ver¬ mögen auf die Seite gelegt — damit glaubt er alle Vaterpflich- ten erfüllt zu haben und hat im Grunde keine erfüllt, weil er die erste und wichtigste die Kinder für Gott zu erziehen und sie jenseits glücklich zu machen, verabsäumt hat. — Die Kinder wür¬ den ihm nicht minder dankbar, ja dankbarer noch gewesen seyn, wenn er ihnen außer einem rechtmässigen Vermögen auch schöne Beispiele der Lugend hinterlassen hätte — sie würden sein An¬ denken im Grabe noch segnen. So aber werden sie am Tage des Gerichtes wider ihn zeugen, daß er nur für ihren Leib, aber nicht für ihre Seele gesorgt und sie unglücklich gemacht hat. » » » » « « « « So macht es auch manche Mutter. Sic verzehrt sich in Sorgen — M eine Tochter für die Welt zu bilden, und ihr wie man zu sagen pflegt, ein besseres Glück zu verschaffen. Die Tochter mag dieses Glück erreicht haben — aber wie, wenn sie von der Mutter die Furcht Gottes, Eingezogenheit und Demuth nicht erlernet, wenn sie die Unschuld des Herzens, Reinigkeit der Seele und somit ihr ewiges Glück verloren hat? Eines nur, be¬ sorgte Mutter, war nothwendig, und dieses Eine die Sorge um das Seelenheil deiner Tochter, dieses Eine hast du außer Acht gelassen und darum wirst du strenge Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichtes. Betrachten wir die irdisch Gesinnten überhaupt. Jahre und Jahre lassen sie vorüber fließen im Dienste der Welt, und am Ende des Lebens sind sie so arm an Verdiensten für Gott und ihre Seele, als ob sie nie gelebt hätten. Sie haben keine Stun¬ den finden können, um für ihr Seelenheil zu wirken, da sie doch so viele Jahre fanden, um ihren Untergang zu befördern. Ihre zeitlichen Geschäfte hätten doch darum nichts gelitten, sondern vielmehr gewonnen, wenn sie dieselben mit stettem Hinblicke auf Gott und ihre Seligkeit verrichtet hätten. Sie hätten die Welt so zu sagen nicht ganz verloren, wenn sie auch in der Welt nur Gott gesucht und ihm gedient hätten. Aber leider unter tausend Nebengeschäften, vergessen sie das Hauptgeschäft — das Geschäft ihres Seelenheils, und zwar so lange bis der Herr kommt und sagt: Lege Rechnung von deiner Haushaltung, denn von nun wirst du derselben nicht mehr verstehen. Und wie schwer wird dann die Rechnung besonders für Christen, die ungleich mehr Mittel und Gelegenheit hatten, Gutes zu wirken, und ihr See¬ lenheil zu sichern. Denn das Christenthum, zu dem wir beru¬ fen sind durch besondere Gnade des Himmels — dieses erleuchtet mit seinen göttlichen Lehren den Verstand, tröstet mit seinen Ver¬ heißungen das Herz, stärket mit außerordentlichen Gnadenmitteln die Seele, gibt die kräftigsten Beweggründe zur Tugend, und zeigt an Jesu das Vorbild der höchsten Vollkommenheit, und muntert mächtig auf demselben nachzustreben. — Wenn wir uns aber um eine immer genauere Kenntniß des Christcnthumes nicht bekümmern, wenn wir seine Lehren nicht auf unser Leben anwen- dcn, unser Herz durch seine Wahrheiten nicht erwärmen, seine Hoffnungen und Verheißungen geringschäßen, die dargebothenen >-»>-)- 14 « « «s: Gnadcnmittel nicht gebrauchen, — Jcsum das Vorbild der Hei¬ ligkeit nicht nachzuahmen suchen, dann wartet uns auch ein stren¬ geres Gericht als jene, die dieses himmlische Geschenk nie gekannt haben. — Wäre ich nicht gekommen, sprach Jesus zu den Juden, und hätte ich nicht gelehrt und Wunder unter euch gewirkt, die kein Anderer wirkte, so wäre euch keine Sünde, so aber werdet ihr am Tage des Gerichtes keine Entschuldigung haben. So ver¬ hält es sich mit aller Unterlassung des Guten; so z. B. wissen wir, daß das Geboth der Nächstenliebe die Fülle des Gesetzes ist, wenn wir also die Werke der Barmherzigkeit, die uns die Näch¬ stenliebe zur Pflicht macht, unterlassen, so sind wir schon gerich¬ tet: Weichet von mir, ihr Verworfenen, wird Jesus sagen; den ich war hungrig, und ihr habt mich nicht gesättiget, ich war dur¬ stig, und ihr habt mich 'nicht getränkt, bloß, und ihr habt mich nicht bekleidet, krank, und ihr habt mich nicht besucht, fremd, und ihr habt mich nicht beherberget, — denn, was ihr dem ge¬ ringsten aus meinen Brüdern nicht gcthan habet, das habt ihr mir nicht gethan. Wollen wir nun diesem Urtheile entgehen, so müssen wir gut hauszuhalten, die Pflichten unscrs Standes getreu zu erfüllen, und die Werke der Barmherzigkeit, zu denen uns die Nächstenliebe verpflichtet, eifrig auszuüben suchen, denn diese sind eine schöne Aussaat zur reichlichen Aernte am Tage des Gerichtes. Nur warnet uns das Christenthum bei Ausübung guter Werke vor der Eigenliebe, vor eigennützigen und unedlen Absichten überhaupt, weil wir in diesem Falle nicht nur keine Aernte zu hoffen hätten, sondern ein fürchterliches Verdammungs- urtheil von Seite des Richters vernehmen würden, wie wir hö¬ ren werden im zweiten Theile. Wehe dem löblichsten Wandel, sagt der h. Augustin, wenn ihn Gott nach der Schärfe richten wird. Wenn aber der löb¬ lichste Wandel in den Augen Gottes noch seine Flecken hat, wenn die vollkommenste Tugend noch Einmal in der Wagfchale der göttlichen Gerechtigkeit abgewogen wird, was wird dann mit der falschen heuchlerischen Tugend geschehen? Ach meine Lieben, wenn Gott und nur Gott es ist, der die Herzen und Nieren seiner vernünftigen Geschöpfe prüfet und erforschet, — so wird auch er »»»» 15 « « «-» » » 16 « « « « der Barmherzigkeit, um eure Großmuth glänzen zu lassen vor der Welt, um den Sold des fremden Lobes zu verdienen. Wohl, ihr habet euern Lohn empfangen. Ich aber weiß eure Werke fagt der Herr, ihr führet den Namen der Lebenden, aber ihr seyd todt. — Höret cs ihr thörichten Heuchler, die ihr den Schein des Guten an euch schimmern lasset! Man erhebt eure schönen Lhaten, man lobt eure Menschentugenden, man räuchert euch als besondere Wesen, — aber die verblümten Tugenden, die heimlichen Trieb¬ federn und Beweggründe eurer Handlungen, — die Eitelkeit die sie begleitete, die Hoffart, der Eigennutz, —> alle diese Tugend¬ würmer mit ihrem Blendwerke, werden zum Vorscheine kommen. Ich weiß eure Werke, spricht der Herr, ihr führet den Namen der Lebenden, aber ihr seyd todt. Höret es, ihr falschen Büsser und Büsserinen, die ihr dem Priester des Herrn so oft aufrichtige Reue geheuchelt, und ernste Lebensbesserung versprochen, um eine kraftlose Lossprechung eurer Sünden zu erschleichen, — eure verborgene Unbußfertigkeit wird am Tage des Gerichtes beleuchtet, und alle Segnungen und Los¬ sprechungen des betrogenen geistlichen Richters werden euch nicht retten können vom Untergange. So auch ihr unglückliche Beicht¬ kinder , die ihr aus sträflicher Schamhaftigkeit eure Sünden, wenn nicht verschweiget, doch so beschöniget, entschuldiget und verklei¬ nert, daß oft gerade die häßlichsten Flecken an eurer Seele kle¬ ben bleiben, sie werden einst zum Vorscheine kommen diese ver¬ borgenen Flecken, die verkleisterten Sünden, und ihr werdet euch schrecklich betrogen sehen, durch euch selbst. — Ich kenne eure Werke, spricht der Herr, — ihr führet den Namen der Leben¬ den, aber ihr seyd todt. Ihr führet den Namen dec Lebenden, aber ihr seyd todt — wird der Herr auch zu jenen Dienern des Evangeliums sagen, die entweder das Heilige den Hunden vor¬ warfen, d. i. alle Sünder ohne Unterschied, reuige und unbuß- sertige an den heiligen Geheimnissen, an dem Tische des Herrn Lheil nehmen ließen, oder aber, für das Haus Gottes einen fal¬ schen bittern Eifer zeigten; die entweder aus Unwissenheit oder Gleichgültigkeit cs dem Gläubigen am Brode des Lebens gebre¬ chen ließen, oder aber die heiligsten Lehren und Geheimnisse mit einer scheinheiligen Miene ohne wahrer Kraft, ohne belebendem Geiste verkündeten und ansspendeten^ wenn sie weiß übertünchten Gräbern gleichten, ein Moosdampf und kein Licht, ein Rauch aber »>-» » 17 «««« >r s, it n n e e i l kein Feuer waren. Mit einem Worte die heuchlerischen Tugen¬ den jedes Geschlechtes, Alters und Standes werden am Tage des Gerichtes mit dem Lichte der ewigen Wahrheit beleuchtet und zu Schanden gemacht; Viele die sich jetzt voll Verdienste für den Himmel wähnen, werden dünn aus dem Munde des Wcltrichterä ein ähnliches schreckliches Urtheil vernehmen müssen, wie es König Balthasar vernahm: Deine Werks sind gezählt, gewogen, zu leicht befunden, und darum gerichtet. Schreckliche Untersuchung, meine Lieben, die allezeit selbst die größten Heiligen über ihre Gerechtigkeit zittern machte, und schon den reumüthigen Büsser David wehmütig auszurufen zwang: Ach Herr, gehe nicht zu Gericht mit deinem Diener, denn vor deinen Angesichte wird kein Lebender gerechtfertigt! Wahrlich wenn wir uns diese Wahrhei¬ ten recht zu Gemüthe führen wollten, wir würden uns nicht zu¬ frieden geben, die Sünde zu fliehen, oder nichts Böfcs zu thun, sondern wir würden uns eifrig bestreben, in der Zeit unserer ir¬ dischen Haushaltung so viel Gutes zu wirken, als wir nur immer mit der Hülfe des Herrn wirken können; und selbst bei Ausübung des Guten würde uns niemals die Eigenliebe, sondern nur die reinsten und heiligsten Beweggründe leiten. Dann nur dürften wir die Hoffnung in uns nähren, daß unsere geistige Aerndte dereinst segenreich ausfallcn, daß unsere guten Werke auf der h. Wagschale des ewigen Richters ihren entschiedenen Werth be¬ haupten werden. — Wohl uns, wenn wir es so weit gebracht haben werden. Selig ist der Mann schreibt der h. Apostel Ja¬ kob — der die Prüfung besteht, denn wenn er genugsam geprüft ist, so wird er die Krone erlangen, die Gott allen denjenigen versprochen hat, die ihn lieben. Amen. 2 »)) >-» 18 « « « « Am dritten Sonntage im Advente. »Es steht Einer mitten unter euch, denn ihr nicht kcnnet.« Joh. i, 26. Eingang. Es steht Einer mitten unter euch, den ihr nicht kennet! — Diesen Vorwurf machte Johannes der Läufer den Priestern und Leviten, die von der Synagoge abgefchickr wurden um ihn zu fragen, wer er scy, weil sie ihn für den Messias ansehen woll¬ ten. — Die blinden Schristverständigcn! sie suchten den Messias, der schon mitten unter ihnen wandelte allenthalben mit einem scheinheiligen Eifer — selbst in der Wüste, und fanden ihn doch nicht, weil sie die Weissagungen und Merkmale, an denen sie ihn hätten erkennen können, und die in den h. Schriften klar und bestimmt angegeben waren, nicht verstanden oder nicht ver¬ stehen wollten. — Mitten unter euch ist er, den ihr suchet, sagte ihnen daher Johannes, allein ihr kennet ihn nicht und werdet ihn auch nicht erkennen, weil ihr ihn mit einem verblen¬ deten Verstände und verdorbenen Herzen suchet. Darum, er mag auch alle Weissagungen der Propheten erfüllen und die er¬ habensten Wunder zu seiner Beglaubigung wirken, ihr werdet ihn doch nicht erkennen und aufnehmen wollen. Und könnte man nicht auch den Christen jetziger Zeit denselben Vorwurf ma¬ chen den Johannes seinen jüdischen Zeitgenossen machte? Ja, lei¬ der! Viele oder die Meisten wollen Jesum und seine Lehre nicht mehr kennen, obschon sie in derselben von der Wiege an aufcr- zogen waren oder wenigstens auferzogen zu seyn scheinen. Wa¬ rum wollen sie aber Jesum oder seine Lehre nicht kennen? Weil sie der Sinnlichkeit und der Befriedigung ihrer Leidenschaften im Wege steht. Aber vcrläugnet und verachtet jetzt cuern Heiland, wie ihr wollet — ihr werdet ihn doch einst erkennen müssen; freilich nicht mehr als euern Heiland, sondern als eucrn Richter nicht zu eurer Rettung sondern zu eucrm Verderben. — Wenn das Zeichen des Kreuzes an den Wolken des Himmels erglän¬ zen wird, da werdet ihr ihn erkennen als den einstigen Lehrer; Gesetzgeber und Erlöser der Menschen, ihr werdet ihn erkennen, 19 «c« « « den ihr hieniedcn verachtet und verworfen, aber zu spät, denn dann wird er euch nicht kennen wollen. Nur, die ihn hier auf Erden gesucht, erkannt und geliebt haben, diese wird er als die Seinigen aufnehmen, und eben diese werden dann mit ihm das Urtheil über euch sprechen. — „Er ist mitten unter euch gewe¬ sen, werden sie sagen die verherrlichten Freunde Gottes, und ihr habt ihn nicht erkannt." Also werden selbst die Heiligen den Sünder verdammen, um so mehr weil er aus ihren Beispiele sehen wird, daß sie dem Heilande und seiner Lehre oft unter grossem Beschwerden treu geblieben sind. Nicht genug, auch die Verworfenen werden den Sünder verdammen, weil er aus ihrem Beispiele sehen wird, daß sie oft weniger Gelegenheit und Mit¬ tel hatten Zefum und seine Lehre kennen zu lernen, und wegen geringem Sünden unglücklich geworden sind. - Der Sünder ge¬ richtet durch das Beispiel der Heiligen, die unter grofsern Be¬ schwerden selig geworden sind, und der Sünder gerichtet durch das Beispiel der Verworfenen, die wegen geringem Sünden ewig unglücklich geworden sind. — Diese beiden Betrachtungen sollen heute unsere Aufmerksamkeit beschäftigen, und unfern geisti¬ gen Nutzen befördern. Erster Theil. Nicht die Grolle und Menge der Sünden, sondern die Un- bußfcrtigkeit meine Lieben, diese ist eigentlich die Ursache und das sichere Kennzeichen der Verwerfung. Denn der Zahl und Schwere der Sünden will Gott nicht gedenken, sobald der Sünder sich zu ihm bekehrt, — wären deine Sünden roth wie Scharlach oder Purpur, so sollen sie weiß wie der Schnee, und weiß wie die Wolle werden, diese Verheissung macht Gott selbst dem Sünder,— ich will dein Vater seyn, und du wirst mein Kind heißen, sagt er, von dem Tage an da du dich zu mir bekehren wirst. Wenn also der Sünder am Tage des Gerichtes verworfen wird, so wird er wegen seiner Unbußfertigkeit verworfen, und das Urtheil der Verwerfung wird desto schrecklicher lauten, je grösser seine Unbu߬ fertigkeit war. Die Grösse der Unbußfertigkeit und ihre Straf¬ würdigkeit wird aber dem Sünder einleuchtend und fühlbar wer¬ den, sobald sein Lebenswandel mit dem Lebenswandel der Heili¬ gen verglichen wird, denn da wird der Sünder es mit Schmer- 2 * »»»» 20 «««« zen einschcn, daß die Heiligen meistenthciks grössere Beschwerden un und Hindernisse, als ihm im Wege standen, zu überwinden hat- be ten, um selig zu werden. Sie hatten grössere Feinde von außen, R und doch haben sie dieselben überwunden; grössere Hindernisse von gc innen, und doch Haden sie dieselben gehoben, grössere Prüfungen ur von oben, und doch haben sie dieselben bestanden. «) Ich sage; die meisten Heiligen hatten grössere Feinde von iss außen. Werfen wir z. B. einen Blick in die ersten Zeiten des " Christenthums, — die Geschichte wird uns sagen, wie traurig D cs da um die Bekenner des christlichen Glaubens aussah, wie er- finderisch die Tyrannen waren, ihnen unerhört grausame Martern zu bereiten, um ihren Glauben und ihre Tugend zu erschüttern. — Doch ihre Schwerter wurden eher stumpf, ihre Räder gingen eher in Trümmer) ihr siedendes Oehl wurde eher kalt, ihre Feuer- offen erloschen früher, ihre Henker wurden eher matt oder bc- zwungen, ihre wilden Lhiere eher zahm, als der Muth und Glaube der Christen wankend, — zu Lausenden wurden gemordet, und aus dem Blute der Gemordeten, erwuchsen gleichsam wieder Tausende neuer Bekenner Christi, oder wie ein Kirchenlehrer sagt: — das Blut der Märtyrer war der Same der Christen. — Wir bewundern jetzt den Heldenmuth jener Glaubensbrüdcr, — aber wenn z. B. jene schrecklichen Zeiten der Christenverfolgungcn plötzlich wiederkehreten, was würden wir thun für Gott und den Glauben, unter den blutigen Schwertern der Tyrannen, da wir jetzt in ruhigen, fröhlichen Tagen, unter einem beglückenden Zepter und sanften Hirtenstabe, das wohlthätige Joch des Glaubens so ungerne tragen, so oft abzuschütteln suchen, und den Heiland ver- laugnen. Darum werden jene verfolgten und gemordeten Glau- bensbekenncr, deren Heldenmuth wir bewundern, die wir aber selbst in friedlichen Lagen in der treuen Bewahrung des Glaubens nicht nachahmcn, — darum werden sie einst unsere Richter seyn. Hatten diese Heiligen grössere Feinde von Seite des Glau- , bens, so hatten Andere grössere Feinde von Seite der Unschuld. List, Gewalt und Verheißungen, brauchten oft schändliche Ver- § führer und wohllüstige Tyrannen, um die Unschuld gottergebener § Seelen zu besiegen und zu verderben. Bald lockte man sie mit < den glänzendsten Aussichten, mit dem schmeichelhaftesten Glücke, — mit Reichthum, Macht und Ansehen, — bald drohete man ihnen mit Hohn und Verachtung, oder schreckte sie mit Banden )) >-»>- 21 « « « « und Kerker. Aber taub für die Stimme der Verführung, un¬ bestechbar durch den Schein, des Glückes, uugebleudet von den Reizen des Lasters, unerschütterlich in den heftigsten Verfolgun¬ gen, blieben sie dem Herrn getreu, bewahrten ein reines Herz, und folgen nun, wie es in der geheimen Offenbahrnng heißt, in weißen Kleidern der Unschuld dem unbefleckten Lamme, wohin cs geht. Selige Menschen, die keinen Authcil an der Welt haben wollten, aber auch keinen Antheil an ihrem Untergänge haben. Die Gerichtsposaune erschreckt sie nicht, freudig gehen sie einst aus ihren Gräbern hervor, und springen nach dem Ausdrucke des Propheten, wie die Heerde von einem angenehmen Lage erquickt. Die Welt verachtete sie als einfältige Geschöpfe, die ihre Freu¬ den nicht mit ihr theilen wollten, die das Leben, wie man heut zu Tage zu sagen pflegt, nicht zu genießen wußten; die Welt verachtete sie als schwache Geister, die vor dem Schatten der Sünde flohen, als zaghafte Reisende, die bei jedem Schritte um ihr Seelenheil zitternd durch das Leben wanderten. Wohl, mei¬ ne Lieben, diese schwachen einfältigen, aber unschuldigen Geschöpfe, diese schwachen aber reinen Geister, diese zaghaften, überglücklich zu ihrem Ziele angelangten Reisenden, werden einst unsere Rich¬ ter seyn. b) Hatten ferner diese und jene Heiligen grössere Feinde von außen, so hatten wieder Andere grössere Feinde von innen, als viele aus uns sie haben. — In einem schwächern Alter, das auch zu grösser» Unbesonnenheiten und Fehltritten geneigt ist, bei einer verwahrlostem Erziehung, die auch leichter zu Zrrthümern verleitet, bei einem schlimmem Temperamente, das auch heftigere Leidenschaften zu erzeugen vermag, in einem gefährlichem Stande, der auch mehr Gelegenheiten und Reize zum Laster anbicthet, unter allen diesen Gefahren haben sie sich rühmlich zu beherrschen gewußt, indem sie ihrer aufgeregten Sinnlichkeit Abbruch gethan, ihr wildes- Temperament gezügelt, ihre unbändigen Leidenschaften mit Kraft bezähmt, ihre bösen Neigungen zum Guten gelenkt, ihre verdorbene Natur veredelt, und so durch ein fortwährendes Streben nach Wahrheit und Lugend, sich selbst verlängnct haben. Andere aber, die lange nach der Welt und ihren bösen Lüsten gelebt haben, nachdem sie zur Erkenntniß gelangt sind, plötzlich den Weg der Busse betreten, wahrend wir vielleicht nicht ein-- mahl an dieselbe dachten, sie haben eine aufrichtige Busse gewirkt, » »>-» 22 «e<« < während es uns nie recht Ernst war, der Tugend zu dienen, sie haben eine ausharrende Busse gewirkt, wahrend wir nach einer kurzen Sinnesänderung zu dem alten Leben zurückkehrten. Darum werden aber auch die Lhränen mit welchen die Büsserin Magda¬ lena, die Füsse des Heilandes benetzt, das reuige Klapsen des Publikans an seine Brust, die Rückkehr des verlornen Sohnes, das bittere Weinen des Petrus, und die selbst nach der Begna¬ digung bis an das Ende des Lebens fortgesetzte Busse dieser Freunde Gottes, — diese wird uns verurthcsten, — die starken Selbstüberwinder, und die ausharrendcn Büsser, werden unsere Richter seyn. e) Nicht genug daß die Heiligen von äußern und innern Feinden, auf ihrer irdischen Wanderschaft bekriegt waren, — sondern sie mußten sich oft auch den schwercsten Prüfungen von Oben, den Prüfungen des Himmels unterziehen, damit ihr Glaube und ihre Lugend bewährt, und ihr Verdienst verherrlicht würde. Wir werden Heilige sehen, die hienieden Jahre und Jahre auf dem Krankenbette schmachteten, ohne-ein Wort des Unwillens wider Gott und die Menschen zu verlieren, als Opfer der Ge¬ duld lebten sie gleichsam mehr dem Geiste nach, da ihr Leben vielmehr ein langsamer Tod, als ein Leben zu nennen war; wir werden Heilige sehen, die von ungerechten Menschen verfolgt, nicht wieder verfolgten, die von Gottlosen gelästert, nicht wieder lästerten, von Uebcrmüthigen verachtet, nicht wieder verachteten, von Treulosen verlassen, keine Klage wider ihre Untreue erhoben; wir werden Heilige sehen, die von beständigen Lebenssvrgcn ge¬ quält, in tiefester Armuth und Dürftigkeit ihre Tage durchseufzt, und außer ihren guten Bewußtseyn keine' Freude hienieden nie kannten, keine frohe Stunde genossen haben. Aber sie ergaben sich vertrauungsvoll in den Willen des Herrn, und trugen jede harte Züchtigung mit Dcmuth, weil sie wußten, daß sic von der väterlichen Hand Gottes komme. Mit einem Worte, es hat die Heiligen die nämlichen und grosseren Opfer, grössere Ueberwindung gekostet, als uns, um den Glauben treu zu bewahren, einen gu¬ ten Kampf auszukämpfen, die Laufbahn glücklich zu vollenden, und die Krone der Gerechtigkeit zu erringen. — Das Fleisch, die Welt, der Satan hat sie versucht, und Gott hat sie geprüft, und sic sind Seiner würdig befunden, sie sind wie das Gold im Feucrofen gereiniget worden , und zu seiner Zeit wird der Herr auf sie sehen. Und diese Zeit, ist die Zeit des allgemeinen Ge¬ richtes. Da werden die gekrönten Freunde Gottes nach dem Aus¬ drucke des Heilandes mit ihm zu Gerichte kommen, und mit ihm zugleich die Völker der Erde richten. Ihr Glaube wird unser» Unglauben, ihre Lugenden unsere Laster, ihr Heldenmuth un¬ sere Feigherzigkeit, ihre Buße, unsere Verstockung beschämen und richten. Kurz die Sünder werden dann cinsehen, daß sie den nämlichen oder noch einen leichtern Weg zum Himmel hatten, aber ihn nicht betreten wollten, daß ihnen dieselbe unvergängliche Krone Vorbehalten war, die sie aber trotzig ausgeschlagen haben. Darum werden sie, wie es im Buche der Weisheit heißt, vor Schrecken erstarren, und staunen über das unverhoffte Glück, das ihren verherrlichten Mitbrüdern zu Theil war, von bitterer aber zu später Reue gequält, werden sie aus dem Innersten der Seele seufzen und zu einander sagen: Sehet, diese sind es, die wir im Leben zum Gespötte hatten, die wir den Thoren gleich gehal¬ ten, — wir Unsinnige! ihr Leben hielten wir für Thorhcit, und ihr Lebensende für schandvoll — aber wie sind sie jetzt unter die Söhne Gottes gezählt, und das Los seiner Heiligen ist ihnen zu- gefallen. So werden also am Lage des Gerichtes die verstockten Sünder sich selbst in dem Beispiele der Heiligen verurtheilcn und vcrurtheilt werden. Doch nicht genug, daß das Beispiel der Hei¬ ligen sie richtet, auch das Beispiel ihrer Mitverurtheiltcn wird sie richten, weil sie sehen werden, daß diese oft weniger Mittel hat¬ ten, und weniger lasterhaft lebten als sie, und doch unglücklich geworden sind — davon im 2ten Theile. Zweiter Theil. Billig sollten wir um unser Seelenheil zittern, meine Lie¬ ben! wenn wir bedenken, daß am Lage des Gerichtes, nach der Versicherung des Heilandes selbst, Menschen wider uns als Rich¬ ter aufstehen werden, die weniger Gelegenheiten und Gnadenmit¬ tel hatten zur Seligkeit zu gelangen als wir, die auch weniger »'öscs gethan, als wir, und doch auf ewig verworfen wurden. Denn viele sind einer einzigen Todsünde wegen, die sie nicht be¬ reut und abgcbüßt hatten, Viele, sind einer geringer» Todsünde wegen, und Viele im ersten Augenblicke der Todsünde von der göttlichen Gerechtigkeit vernichtet worden. Diese schreckliche Wahr- »>-» » 24 «««« keit bestätigen uns unzählige Beispiele, die uns der alte wie der neue Bund liefert, und die uns auf die Strenge der göttlichen Gerechtigkeit schließen lassen. Die Söhne des Aron, die als Prie¬ ster vor der h. Bundeslade räuchern mußten, legten einst aus Nachlässigkeit ein fremdes, und nicht das geheiligte Feuer in das Rauchfaß, — und siehe! auf der Stelle wurden sie von dem geheiligten Feuer ergriffen und verzehrt. — Als die h. Bundes¬ lade, welche David in die Stadt führen ließ, auf dem Wege dahin, vom Wagen zu fallen drohcte, — wollte sie Oza zurück¬ halten, — und er fiel sogleich todt zur Erde, und starb neben der Arche, weil er als Laie mit frecher Hand das Heiligste be¬ rührt hatte. — Core, Dathan und Abiron, murrten wider ihren Anführer Moses — und die Erde öffnete sich mit Feuerflammen unter ihnen und verschlang sie. — Anamas verheimlichte dem Petrus den ganzen Geldbetrag des verkauften Ackers, und er fiel auf sei¬ ne Frage: Warum hat Satan dein Herz versucht dem h. Geiste zu lügen, — er fiel auf der Stelle todt zu leinen Füssen, — das nämliche widerfuhr dessen Weibe Saphira. — So schrecklich hat sich oft die Gerechtigkeit Gottes schon hieniedcn in der Zeit der Barmherzigkeit an den Sündern geoffenbaret, wie schrecklich wird sic sich nicht offenbaren zur Zeit der Vollendung am Lage des Gerichtes! — Wahrlich, wir würden nicht so sorglos um unser Seelen¬ heil seyn, meine Lieben, wenn wir diesen Wahrheiten öfters nachdenken wollten! wir würden nicht so leichtsinnig mit der Sünde tändeln, wenn wir bedächten: wie schwer es sey die Gränzen zwischen der läßlichen und der Todsünde, in jedem Falle zu bestimmen, und doch macht uns jede Sünde, sobald sic tödtlich wird, zu Kindern des Zornes Gottes, und hiemit zu Verworfe¬ nen. Wir würden nicht so ruhig uns zu Bette legen, wenn wir bedächten, wie leicht wir uns in Gedanken, Worten oder Wer¬ ken versündigen können, ohne es selbst zu wissen, und doch kön¬ nen die verborgenen Sünden, die wir nicht beachten, und nicht verlassen wollen, die Ursache unserer Verwerfung seyn. Wir würden selbst bei dem frömmsten und tugendhaftesten Leben, nie' » ohne Furcht einhergehen, wenn wir bedächten, daß Viele, die ein tugendhaftes Leben geführt, aber von dem Lode in einer Todsünde, die sie nicht bereut haben, überrascht — ewig unglücklich gewor¬ den sind. Wir würden selbst auf dem Wege der Busse nicht 25 ohne Sorge seyn, da wir nicht wissen können ob wir für unsere Sünden genugsam Düsse wirken: Denn, sey wegen der vergebe¬ nen Sünde nicht ohne Furcht, und häufe nicht Sünde auf Sünde (heißt es im Buche des Predigers:) sage auch nicht die Erbar- mung des Hehrn ist groß, er wird die Menge meiner Sünden gnädig verzeihen, denn fein Zorn ist fo schnell wie seine Barm¬ herzigkeit. Wir würden endlich um so weniger in Sorglosigkeit um unser Seelenheil dahin leben, da uns als Christen die Reli¬ gion Jesu zu einem vollkommcrn Wandel verpflichtet, und uns auch mehr Gnadenmittel an die Hand gibt, als Jene hatten die nie Kenntniß von dem beseligenden Glauben befassen und besitzen konnten. Wehe dir Korozain, wehe dir Dcthsaida, fo rief einst Je¬ sus über diese lasterhaften Städte aus, — wenn Tyrus und Si¬ don, sprach er, diese Wunder gesehen hätten, so würden sie Busse gethan haben, weil ihr aber nicht Busse thut, so wird euch här¬ ter ergehen am Tage des Gerichtes. Um so härter noch wird es uns Christen ergehen an jenem Lage. Auch wider uns werden die Einwohner von Lyrus und Sidon, von Sodoma und Gomorha, alle barbarischen und abgöttischen Völker werden wider uns auf- stchen und uns richten, daß wir lasterhafter und strafbarer sind als sie. Denn wenn wir die Wunder gesehen oder gehört hät¬ ten, werden sie sagen, die unter euch geschehen oder bekannt ge¬ worden sind, wenn uns das Evangelium geprediget, wenn uns jene Gnadcnmittel zu Thcil geworden wären: wir hätten härene Kleider angezogen, unser Haupt mit Asche bestreut und Busse ge¬ wirkt. So werden also die Verworfenen selbst unsere Richter seyn. Darum meine Lieben.' folgen wir hienieden noch dem Bei¬ spiele der Einwohner von Ninive, — diese haben auf die Pre¬ digt des Propheten Jonas Busse gewirkt, — wer war aber Jo¬ nas gegen Christus? die Königin von Saba kam von Weiten her um die Weisheit Salomons zu hören, wer war aber Salomon gegen Christus? Wird nicht das Wort des Evangeliums, das gleich einem zweischneidigen Schwerte bis in das Innerste der Seele dringt, auch unsere Herzen erweichen; wird nicht die gött¬ liche Weisheit, die aus dem Evangelio spricht, auch unscrn Ver¬ stand erleuchten? Wohlan denn! so nehmen wir bußfertige Gesin¬ nungen an, verlassen wir die Sünde, und huldigen wir der Tu¬ gend, — denn die Vollziehung des fürchterlichen Urtheils über » » » » 26 c<« « « uns, wenn wir ass Christen nicht besser und vollkommener zu werben suchen, die Vollziehung des fürchterlichen Urtheils über uns hängt nur an dem schwachen Faden der Zeit, so wie einst bei den Niniviten; diese Zeit ist festgesetzt von dem Schöpfer und Niemand aus uns kann aus eigener Kraft sie -verlängern. Viel¬ leicht haben wir nur mehr wenige Jahre, vielleicht nur wenige Monate, vielleicht auch nur wenige Tage wie die Niniviten, die uns zur Rettung gegeben sind. Benützen wir also die kurze und ungewisse Zeit der Gnade auf das eifrigste zu unserm Seelenheile, damit das schreckliche Loos der Verworfenen nicht auch das Unsrige werde. Auch diesen wurde ihr trauriges Ende vorausgesagt wie uns, — aber sie achteten es nicht, wie wir, auch diese wurden ost durch die Drohungen des Himmels erschreckt, wie wir, aber sie vergassen selbe wie wir, auch diese verließen sich bei ihrer Un- dußfertigkcit auf die Gnade des Herrn wie wir, aber sie haben keine gefunden; auch zu ihnen sprach Gott: Ich rufe heute Him¬ mel und Erde zu Zeugen an, daß ich euch Leben und Tod, Se¬ gen und Fluch vorgelegt habe, — und auch zu uns spricht er cs: Wollen wir nun Fluch und Lod, so wählen wir die Sünde, wollen wir aber Segen und Leben, — so wählen wir die Busse. Nein Herr, wir wählen nicht die Sünde, denn schrecklich ist der Tod des Sünders, und ewig dein Fluch der die Verworfenen nie- dcrschmcttcrt, — den Weg der Busse wählen wir, damit dein Vatcrsegen uns beglücke, damit ein ewiges Leben uns zu Theil werde. Amen. Am vierten Sonntage r'm Advente. »Er kam in alle Gegenden Jordans, und predigte die Bußtaufe zur Vergebung der Sünden.-- Luk. 3, 3, Eingang. d?ach den Worten des heutigen Evangeliums kam Johannes der Täufer in alle Gegenden Jordans, predigte die Bußtaufe » » »>- 27. «««« zur Vergebung der Sunden, und verkündete den Menschen die nahe Ankunft des Messias, indem er Allen von einem heiligen Eifer entflammt, zurief: Bereitet den Weg des Herrn und ebnet seine Pfade; alle Thaler sollen ausgcfüllt, die Hügel erniedriget, was krumm ist, soll gerade, was ungleich ist, soll geebnet werden. — Was aber Johannes seinen Zeitgenos¬ sen zurief, das ruft auch die Kirche noch heut zu Tage in dieser heil. Adventzeit ihren Kindern zu: „Bereitet den Weg des Herrn — ebnet seine Pfade." d. i. bereitet eure Herzen durch eine hei¬ lige Sinnesänderung, durch eine aufrichtige Buße zum würdigen Empfmige des kommenden Heilandes, den wir im Geiste erwar¬ ten. — Damit wir nun unsere Herzen desto lieber durch eine heilige Sinnesänderung oder durch eine aufrichtige Buße für Je¬ su dem kommenden Heilande vorbereiten möchten, so werfen wir früher noch einen Blick auf Jesu den kommenden Richter. Denn wollen wir uns des Heilandes würdig zeigen, so müssen wir so vorbercit, so gebessert, so vollkommen zu seyn trachten, daß wir ihm einst als unserm Richter eben so freudig wie jetzt als unserm Heilande entgegen gehen können. Wir versetzen uns also heute mit unfern Gedanken noch cinmahl hinein in die zweite Ankunft Jesu, und betrachten ihn als unfern Richter, als Rich¬ ter aller Menschen, und insbesondere der Sünder. Daß der Sünder am Tage des Gerichtes durch sich selbst, d. i. durch sein eigenes Gewissen und die vollkommenste Kenntnis, seines bösen Wan¬ dels, dann durch das Beispiel der Heiligen, und durch das Bei¬ spiel der Verworfenen gerichtet werde, — das haben wir die ver¬ flossenen Sonntage hindurch bereits gehört, cs bleibt uns also nur noch zu hören übrig: daß, und wie Jesus, der Sohn Gottes selbst den Sünder richten werde, um seine Gerechtigkeit ihm selbst und der ganzen Welt zu offenbaren. — Das Verwerfungs- urthcil über den Sünder, ausgesprochen von dem Sohne Gottes, und die Vollziehung dieses Urtheiles an dem Sünder, — das sey der Schluß unserer Betrachtun¬ gen, vom letzten oder allgemeinen Gerichte. — Mochten sich die, in diesen Betrachtungen vorgekommenen erschütternden Wahrhei¬ ten tief dem Verstände und den Herzen meiner verehrten Zuhörer eingraben, und nie mehr aus denselben verwischt werden, damit sie so eine starke und beständige Gegenwchre gegen die » » » » «c<« « 28 Sünde, und ein mächtiger, bleibender Antrieb zur Lugend wür¬ den. Vernehmen Sie mich also auch heute, mit williger Aufmerk¬ samkeit. Erster Theil. So schrecklich auch immer der Tag des Gerichtes seyn wird wegen der fürchterlichen Naturereignisse, die ihm Vorgehen und die ihn begleiten werden, wegen der schmerzlichen Absonderung der Bösen von den Guten, wegen der strengen Untersuchung des ganzen Lebenswandels jedes Einzelnen, wegen der tiefen Beschä¬ mung des Sünders vor der ganzen Welt nach der Offenbarung seines bösen Lebens, wegen der schmerzlichen Verurtheilung des¬ selben von Seite der Auserwählten und der Verworfenen, so schrecklich der Tag des Gerichtes in allen diesen Rücksichten für den Sünder seyn wird; so wird doch sein Schrecken erst dann den höchsten Grad erreichen, wenn der ewige Richter selbst, wenn der Sohn Gottes über ihn sein Vcrwerfungsurtheil sprechen, und ihn mit andern Verworfenen, mit den Worten des Evange¬ liums: Weichet von mir ihr Verfluchten, in das ewi¬ ge Feuer! — von sich stossen wird. — Damit wir uns einen schwachen Begriff nur von dem Schrecken machen, der den Sün¬ der befallen wird, wenn der ewige Richter in seinem gerechten Zorne mit ihm spricht: so erinnern mir uns an den Schrecken der Israeliten in der Wüste, als Gott auf dem Berge Sinai ihnen sein heil. Gesetz verkündigte. — Ein wunderlich schauerli¬ cher Schall, wie der Schall der Posaunen ertönte, je länger je stärker in das tiefe Thal hinab, — ein fürchterlicher Rauch ver¬ hüllte den Berg mit dichten Wolken, — Donner und Blitze ver¬ kündeten die Ankunft des Gesetzgebers. Die zitternden Israeliten standen von Ferne und glaubten vor Furcht zu vergehen; denn sie hörten die Stimme nicht, sie sahen den Herrn nicht, sondern nur die rauchenden und blitzenden Wolken die ihn verhüllten, und von Schrecken betäubt, sprachen sie zu Moses: Rede du mit uns und wir wollen dich anhvrcn, der Herr aber soll nicht mit uns reden, damit wir nicht etwa sterben. 2. Moses 20, iy. — So bebten die Israeliten in Gegenwart des unsichtbaren Gottes, da er ihnen als Gesetzgeber seinen heil. Willen verkündigte, wie wer¬ den nun erst die Sünder zittern beim wirklichen Anblicke Gottes, »»»ri 29 «««« wenn er als Rächer des Gesetzes ihnen sein Verwerfungsurtheil verkündigen wird. Denn da wird es ihnen nicht mehr wie den Israeliten gegönnt seyn, daß Menschen oder Engel mit Ihnen reden dürsten, nein, der Herr selbst, der Sohn Gottes selbst wird mit ihnen reden, — er wird als Gesetzrächende, über sie sein Urtheil sprechen, und sie sind gerichtet. Und wie wird dieses Ur- theil lauten? Wir wissen es schon meine Lieben, der Heiland hat uns dasselbe zur heilsamen Warnung schon vorausgcsagt: Wei¬ chet von mir, ihr Verworfenen in das ewige Feuer, welches dem Satan und seinem Anhänge bereitet ist: so lautet das Urtheil des ewigen Richters über ungebesserte Sün¬ der. Und wie ist es beschaffen dieses Unheil? Daß ich es mit Zittern sagen muß! — es ist ein gerechtes, ein strenges und ein unwiderrufliches ode,r ewiges Urtheil. Ich sage: cs ist ein gerechtes Urtheil, — denn wie Gott gütig ist, so ist er auch gerecht. Weil er gütig ist, so kann er Gnade wiederfahren lassen, wem er will, sagt der heil. Augustin; aber weil er gerecht ist, so verdammt er auch Nie¬ manden, der es nrcht vollkommen verdient. Das wird der Sün¬ der am Tage des Gerichtes selbst gestehen, und seine eigene Ver¬ werfung gerecht nennen müssen; Denn er wird in sich selbst schon die Ursache seiner Verdammung lesen; sein von der Eigen¬ liebe und von Leidenschaften nicht mehr irre geführtes Gewissen wird ihm sagen, was er gethan, wie er gelebt habe um sich die Verwerfung zuzuziehen, — daß er nämlich oft liebreich belehrt, der Wahrheit kein Gehör gegeben, vom Umgänge mit dem Ge¬ nossen des Lasters wohlmeinend gewännet, denselben nicht aufgeho¬ ben, zur Erstattung fremden Gutes aufgefodert, dasselbe nicht zu- rückgegcben, zur Versöhnung mit seinem Feinde angeeifert, seinen Haß nicht erstickt, zur Ablegung böser Gewohnheiten angctrieben, dieselben nicht verlassen, — kurz die Gebothe des Herrn verach¬ tet, und nach seinem bösen verderbten Willen gelebt habe, — darum wird er auch gegen das Urtheil des Richters nichts Vor¬ bringen, und wie es im Buche der Weisheit heißt keinen Trost haben können am Tage des Gerichtes. — Aber auch der Sohn Gottes Jesus selbst wird ihm zeigen,, daß er von seiner Seite Alles gethan habe, um ihn dem Verderben zu entreißen, und sein Seelenheil zu sichern. Und wenn er dem Sünder auch die vielen und großen Gnaden nicht vorhalten würde, die er vom 50 « « « « Himmel empftrngen aber mißbraucht hat, wenn er ihm auch Hei¬ lige, deren Tugenden unter großem Beschwerden ihn beschämen, nicht verführen, wenn er ihm auch Verworfene, deren Untergang b.i geringem Lastern ihn verurthcilt, nicht zeigen würde: so wird es zu seiner Verurtheilung hinrcichen, ihm das Kreuz vorzuwei¬ sen, an welches er seines Heiles wegen geschlagen wurde. — Gleichwie Einer, sagt der heil. Chrisostomus, gleichwie Einer, der, um für die Mißhandlung, die er erlitten, von dem Richter Recht zu fordern, den Stein womit er getroffen wurde, oder seine mit Blut gefärbten Kleider in der Hand tragen würde, und so ein Zeugniß wider seine Mordet ablegen: eben so wird Jesus Christus bei der Vorweisung seines Kreuzes dem Sünder die ganze Strafwürdigkeit seines Wandests vor die Augen stellen. —- Denn mit dem Kreuze und mit seinen Wunden wird Jesus zu Ge¬ richte kommen; das sagten schon jene zwei Engel den Jüngern, als diese ihren zum Himmel auf den göttlichen Meister nachsahen: Dieser Jesus, sagten die Engel — wird einst wieder so kom¬ men, wie ihr ihn jetzt auffahren sehet. Mir ist schon jetzt, als hörte ich den Richter Jesus zu den Verworfenen sagen: Blicket her auf dieses Kreuz, an welches mich die schwere Schuld eurer Sünden geschlagen, — sehet was es mich gekostet, euch zu erlösen, sehet da meine durchbohrten Hände und Füsse, sehet meine für euch durchstochene Seite, aus welcher der letzte Tropfen meines Blutes zu eurer Rettung geflossen. — Allein, ihr habet euch die Verdienste meines Blutes, die Ver¬ dienste meines schmählichen Todes nicht zu Nutzen machen wollen, darum zwinget ihr mich euch nach euren Sünden und nach mei¬ ner Gerechtigkeit zu richten. — So wird also Jesus der künftige Richter die Gerechtigkeit seines Urtheilcs über die Sünder kund machen; und die Sünder werden wider ihren Willen die Billig¬ keit dieses Urtheiles bekennen müssen: Herr du bist gerecht, wer¬ den sie sagen, wie es in den Psalmen heißt, — du bist ge¬ recht und billig ist dein Urtheil. Das Urtheil des Sohnes Gottes über die Verworfenen ist ferner ein strenges Urtheil, ein Urtheil ohne Barmherzigkeit. Diese war wohl hienieden eine Trostquelle für Sünder; ein ein¬ ziger Seufzer eines zerknirschten demüthigen Herzens, eine einzige Thräne aufrichtiger Reue reichte ost hin den Zorn Gottes zu be¬ sänftigen und dem Sünder die verlorne Gnade wieder zu erkau- 51 « « « sc fen. Aber nun ist die Zeit der Barmherzigkeit verstrichen. — Jesus Hot den Sünder ost liebreich zu sich geladen, wie eine Henne, die ihre Jungen unter die Flügel versammeln will, al¬ lein er wollte die Zeit seiner Heimsuchung nicht erkennen und hat den Tag des Heils vorüber gehen lassen; einst floß wohl das Blut Jesu Christi zu seiner Rettung vom Kreuze herabjetzt aber schreit es um Rache wider ihn, einst war wohl das Kreuz des Erlösers auf dem Lebensmeere für den, der es anblickte ein sicherer Wegweiser zum Hafen des ewigen Friedens — jetzt aber ist cs zu einer feindlichen Kriegsfahne geworden, deren bloßer Anblick den Sünder zu Boden wirft. Mit einem Worte, je größer die Barmherzigkeit Gottes in diesem Leben war, desto strengere Rache wird sie am Lage des Gerichtes fodern, so, daß die göttliche Gerechtigkeit niemals schrecklicher seyn wird als um der Barmherzigkeit willen, d. i. je mehr Gnade der Sünder hie- nieden empfangen, desto strenger wird das über ihn gefällte Ur- theil lauten.—Wenn derjenige, der das Gesetz des Moses über¬ tritt, schreibt der h. Apostel Paulus, auf die Aussage von zweien oder dreien Zeugen, sterben muß; Heb. 10, 28, eine umwieviel schärfere Strafe Verdient nicht derjenige, der den Sohn Gottes mit Füssen tritt, das Blut des Bundes, wodurch er gereiniget wurde, für unrein hält, und den Geist der Gnade schändet? — Wir kennen den, der da gesagt hat: die Rache ist mein, ich will es vergelten. — Er ist der lebendige Gott; schrecklich ist es aber in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen und nicht anders vermögen wir seiner gerechten Rache zu entfliehen, als wenn wir uns selbst nach aller Strenge richten; wenn wir uns selbst richteten, sagt der h. Augustin, so würden wir nicht ge¬ richtet. Das Urtheil des Richters ist endlich ein ewiges unwider¬ rufliches Urtheil. Der Sünder ist in der Ewigkeit unverbesser¬ lich, der Richter unveränderlich—mithin auch das von ihm aus¬ gesprochene Urtheil unwiderruflich oder ewig. — Diese Wahr¬ heit mag uns so schrecklich wie immer vorkommen, sie ist und bleibt doch immer Wahrheit. Menn die Zeit der Aussaat vor¬ über ist, so folgt die Aernte, hienieden ist die Zeit der geistigen Aussaat — jenseits die Zeit der geistigen Aernte; denn wie wir in dieser vergänglichen Zeit nur für die Ewigkeit gesäct haben, so werden wir auch nach dieser vergänglichen Zeit nur in der 32 Ewigkeit ärnten, füglich werden wir in der Ewigkeit das seyn, wozu wir uns hieNieden selbst gemacht haben. — Der vollendete Tugendhafte, wird durch alle Ewigkeit ein Freund Gottes und Lheitnehmer seiner Seligkeit — dec ungebesserte Sünder hinge¬ gen durch alle Ewigkeit ein Feind Gottes, und der Gegenstand seiner Rache bleiben. „Kommet zu mir ihr Gebcnedeiten meines Vaters! — so spricht Jesus zu den Auserwählten," — weichet von mir ihr Verfluchten! so spricht Jesus zu den Sündern, und der Eine wie der Andere Ausspruch ist und bleibt unwiderruflich von dem Augenblicke seiner Bekanntmachung. Wir zittern vor dem lctztern Urtheile über die Verworfenen, und mit Recht, aber zittern wir vielmehr jetzt vor unfer selbst, denn der Grund jenes fürchterlichen Urthciles liegt nur in uns selbst, er heißt: Unbuß- fertigkeit. Noch hängt es von uns ab den Grund jenes ewigen Verwerfungsurtheiles — die Unbußfertigkeit nämlich, und mit dieser das Urtheil selbst aufzuheben, noch hängt es von uns ab zum Vater der Erbarmung als reuige Söhne zurückzukehren, und statt des ewigen Todes ewiges Leben zu gewinnen, — das sicherste Mittel und auch das Einzige ist die Busse, wenn wir aber diese nicht kennen oder kennen wollen, so ist das Urtheil über uns schon gefällt: Wenn ihr nicht Busse thut, spricht der Heiland, so werdet ihr Alle auf gleiche Weise zu Grunde gehen. —> Ein gerechtes, ein strenges und ewiges Urtheil erwartet also die un¬ gebesserten Sünder am Tage des Gerichtes von Seite Jesu Christi des Sohnes Gottes. Aber auch die Vollziehung dieses Urtheiles hat sich der Sohn Gottes Vorbehalten, — denn mein ist die Rache, spricht er, ich will es vergelten. — Davon im 2ten Lheile. Zweiter Theil. Kommet ihr Gesegneten meines Vaters! wird also Jesus zu den Gerechten sagen: kommet und empfanget die unvergängliche Krone, die euern Tugenden Vorbehalten ist, — kommet und ge¬ nießet mit mir eine Seligkeit, die kein irdisches Auge gesehen, kein irdisches Ohr gehört, und kein menschliches Herz empfunden hat, und die ich denen bereitet habe, die mich lieben. Denn ich bin derselbe Jesus, außer dem ihr auf Erden nichts gesucht, nichts gekannt, und nichts geliebt, — ich bin es, den ihr in euern dürftigen Mltbrüdern gesättiget, getränkt, bekleidet, besucht und 23 «««« ' beherberget habet, dem ihr als euerem Vorbilde eifrig nachgestre-- t bet habet. —- Kommet auch ihr verlorne aber wiedergefundene Sohne, die ihr euch noch zu rechter Zeit ausgemacht, und reuig ° in die Arme des himmlischen Vaters zuriickgekchrt seyd, —- auch ) ihr seyd Gesegnete meines Vaters, auch ihr seyd Erben des Him- mels und meine ewigen Freunde und Brüder. — So spricht Je- t sus zu den Auserwähltcn — er hat gesprochen und schon ish auch sein Ausspruch vollzogen; die Seligen gehen ein mit ihm in das > ewige Leben und genießen den Lohn ihrer Arbeiten durch alle Räume der Ewigkeit. >— „Weichet von mir ihr Verfluchten, wird die Stimme des Sohnes Gottes den Sündern entgegendon- l nern, weichet von mir in das ewige Feuer, welches dem Satan und ' seinem Anhänge bereitet ist! weichet von mir, denn ich bin es, den > ihr in eurem Leben verachtet, vcrliiugnet, gelästert und verfolgt habet. — Ich bin es, das ist das Kreuz an welches ich euretwe- ' gen geheftet worden bin, welches den Juden ein Aergerniß, den ' Heiden eine Lhorheit und lasterhaften-Christen ein Gegenstand des Gelächters war — das sind die Wunden, die ich für euch - empfangen, das ist das Blut, das ihr über euch und eure Kinder gefordert habet. — Ich bin es auch, der ich mir diesen Lag der gerechten Rache Vorbehalten habe — darum weichet von mir in das ewige Feuer!" Wie schrecklich, wie vernichtend wird diese richterliche Stimme im Munde des Sohnes Gottes scyn, meine Lieben! Als Jesus im Garten Getsemane von bewaffneten Fein¬ den umrungen wurde, und sie ihm auf seine Frage: wen suchet ihr? antworteten: Jcfum von Nazareth — da sprach er die we¬ nigen Worte: Ich bin es, und seine Feinde stürzten zur Erde; dreimal sagte er zu ihnen: Ich bin es! und dreimal fielen sie wie vom Blltze getroffen auf ihr Angesicht nieder. — Was wird nun, so fragt der h. Augustin, was wird nun diese allmächtige Stimme im Munde des Richters für einen Nachdruck haben, del sie, wo er selbst sollte gerichtet werden — Alles zu Boden warf? Ja diese allmächtige Stimme des Richters wird sie niederschmet- tern die unglücklichen Verworfenen, und in demselben Augenblicke hat sich ihnen auch schon der Himmel auf ewig zugefchlvssen —> sie sind getrennt auf ewige Zeiten von Gott — von Gott, der sie doch für sich erschaffen, der für sie seyn Blut dahingegeben, der für sie und seine h. Kirche gestiftet, die h. Sakramente ein¬ gesetzt und ihnen bloß zur Sicherung ihres Heiles alle Gnaden- 3 >- -) » » 24 «««« mittel dargcbothen hatte — von Gott ihrem letzten Ziele, ihrer einzigen Glückseligkeit, außer dem es keinen Frieden, keine Liebe, keine Belohnung gibt — von Gott sind sie getrennt, dessen Ver¬ lust unendlich schmerzet, weil er selbst ein unendlich liebenswürdi¬ ges Gut ist. Zwischen Gott, seinen Auserwähltcu und reinen Geistern und zwischen den Verworfenen haben sich also die Pfor¬ ten der Ewigkeit geschlossen und es gibt so wie es dann nur ei¬ nen ewigen Himmel gibt, so gibt cs auch eine ewige Hölle, diese erwartet jeden ungebesserten Sünder, wenn er als solcher von der Welt scheidet. Wenn nur Einer unter uns wäre, der zu der Zahl der Ver¬ worfenen gehörte, meine Lieben, würde er wohl den Muth ha¬ ben, zu fragen: „Bin ich es o Herr," und wenn nur Einer un¬ ter uns wäre der zu der Zahl der Auscrwählten gehörte, würde er sich erkühnen zu fragen: „Bin ich cs o Herr!" Aber es stehe mit uns so oder so — Jedermann denke jetzt schon an die schreck¬ liche Vollziehung des Urthcilsspruches über die Gottlosen am Tage Les Gerichtes: Weichet von mir ihr Verworfenen! und wohin? — in das ewige Feuer oder in die Hölle. — Da sehe ich die un¬ gläubigen Christen unserer Zeit, die starken und leichtsinnigen Schöngeister jetziger Welt selbstgefällig lächeln und fragen: Gibt es denn ein ewiges Feuer, gibt es eine Hölle? und ich frage sie wieder: Gibt es einen Gott? gibt es einen Gott, der ewig die Wahrheit redet, gibt es einen Gott, der die Gerechtigkeit hand¬ habet? gibt es einen Gott der mächtig genug ist die Lugend zu belohnen und das Laster zu bestrafen! — gibt es eine h. Schrift, ein Wort Gottes das unfehlbar ist und nicht trügen kann? Wohlan läugnct zuerst alle diese Wahrheiten ab, läugnet einen Gott aus der Schöpfung, läugnet einen Gott aus eucrm Innersten, aus der Stimme des Gewissens, läugnet einen Gott aus den Wun¬ dern der h. Geschichte der h. Schrift hinweg und dann versuchet zu sagen: es gibt keine Hölle. Aber ihr werdet es auch nur versuchen, ihr werdet es auch nur im Widerspruche mit einer in- nern Stimme sagen, weil ihr einen Gott aus der Schöpfung hinwegzuläugnen nie vermögen werdet. — Bemühet euch wie ihr wollet einen strafenden Richter eurer Lasterthaten zu vergessen, weil ihr einen belohnenden Vergelter der Lugend nicht hoffen dür¬ fet; so wird euch doch, wenn ihr durch euer ganzes Leben mit dem Gedanken: es gibt keinen strafenden Gott, gespielt habet, -)» »)) 35 «««« so wird euch am Sterbebette die Wahrheit: cs gibt einen stra¬ fenden Gott mit denselben Höllenpeinen anfallen, wie alle jene, die euch als Muster des Unglaubens vorangegangen find. Nein, meine Lieben! erwarten Sie nicht von mir, daß ich Ihnen die Ohren kitzeln werde, gleich jenen falschen Propheten von denen Gott durch Jeremias dem jüdischen Volke sagt: Deine Propheten haben dir betrügerische und thörichte Erscheinungen ge¬ predigt und dir deine Miffethat, dich zur Buße zu bewegen, nicht gcoffenbart, sondern sie Haden dir falsche Weissagungen gepredigt, worauf dein Untergang erfolgt ist. Klagl. 2, 14. — erwarten Sie also nicht von mir, daß ich Sie mit den Wahrheiten von denen die jetzige verkehrte Welt so ungerne hört, verschonen, daß ich Ihr Gewissen mit schönen aber schwachen Trostgründen beruhi¬ gen, die seichten und elenden Grundsätze leichtfertiger Christen mit sanfter Hand streicheln und neben einem offenen Himmel, den selbst die Bösewichter noch glauben wollten, obgleich sie ihn nicht hoffen dürfen, daß ich Ihnen neben einem offenen Himmel — die Hölle in Vergessenheit begraben werde. Zwar habe auch ich zu fürchten, daß, während ich andern predige, ich selbst verworfen scyn könnte, allein ich predige als Diener des Evangeliums, und wehe mir, muß ich mit dem Apostel sagen, wenn ich es nicht thäte — ich predige als Diener des Evangeliums — die Worte des Evange¬ liums. Das find aber die Worte des Evangeliums: Fürchtet nicht diejenigen die den Leib tödten, der Seele aber nicht schaden können; sondern fürchtet vielmehr den, der Leib und Seele in die Hölle stür¬ zen kann.' So hat Christus, so hat der Sohn Gottes die ewige Wahr¬ heit selbst gesprochen. — Es gibt also eine Hölle, es gibt eine ewige Strafe für die verworfenen Sünder, zerbrechet euch den Kopf nicht ihr starken Geister unserer Zeit, über die Beschaffen¬ heit dieser Strafe — und verschanzet euch bcy eucrm Lasterleben nicht hinter die schwache Vormauer eures ungläubigen Witzes. Denn, der Macht hat, den Sünder zu richten und zu strafen, hat auch wohl die Macht die Art der Strafe zu bestimmen — eine ewige Strafe ist cs, das sagt der Heiland selbst, das sey cuch genug, sorget vielmehr dafür derselben zeitlich zu entfliehen, als über ihre Beschaffenheit zu witzeln. Die nun verherrlichten Freunde Gottes haben die Worte des Hcilandos verstanden, darum fürchteten sie den strafenden Gott. Der h. Hieronymus ruft in seiner Einöde, bey der strengsten Lebensart, schmerzlick aus: Alle 77 -k » » » » 36 Augenblicke glaube ich den zerschmetternden Ton der Posaune zu hören, die uns Alle vor das Gericht ruft; Tag und Nacht er, tönt sie in meinen Ohren und mein bestürzter Geist weiß sich nicht zu saßen. Darum ist meine evangelische Ermahnung jetzt am Schlüsse unserer Betrachtungen — an mich wie an Sie, diese: Betrachten wir das göttliche Gericht oft, um uns mit ihm ver¬ traut zu machen, denn wir müssen einst Alle ohne Ausnahme davor erscheinen; fürchten wir das göttlich Gericht von ganzer Seele; denn es kann für uns unglücklich ausfallen; bereiten wir uns eifrig vor zum göttlichen Gerichte, denn von diesem wird unser ewiges glückliches oder unglückliches Los abhängen. Hat aus den vorgetragenen Wahrheiten nur eine einzige in unserm Ver¬ stände ein helleres Licht angezündet, hat nur eine einzige unser Herz getroffen, hat nur eine einzige Wahrheit unser Inneres er¬ schüttert, so werden wir uns gewiß mit aller Sorgfalt auf den Lag des allgemeinen Gerichtes vorbereiten. Amen. Am Sonntage zwischen der Lctave der Beschneidung. »Mache dich mit dem Kinde auf, und ziehe in das Land Israel; denn die ihm nach dem Leben strebten, sind gestorben.« Math. 2, so. Eingang. Merodes, nachdem er vergebens auf die Rückkehr der morgen¬ ländischen Weisen gewartet hatte, beschloß den neugebornen Hei¬ land in der Wiege zu tödten; in der Furcht aber, daß er ihm entgehen könnte, befahl er alle Kinder in Bethlehem und in der Umgegend von zwei Jahren und darunter zu ermorden. — Je¬ sus als der wahre Sohn Gottes, kannte wohl die grausame Absicht dieses ehrgeitzigen Königs, und hätte dieselben vereiteln können; er that es aber nicht, sondern überließ die Sorge um seine Rettung seinem himmlischen Vater; und des allmächtigen Vaters Höchstweise Vorsehung lenkte auch wirklich Alles zum »»»» 57 «««« Besten des vielgeliebten Sohnes. Denn vor Kurzem noch wur¬ de der kaum geborne Heiland zum Tode aufgesucht, und nun berichtet ein Engel des Herrn dem Joseph im Schlafe, daß die Gefahr vorüber scy; — vor Kurzem wüthcte noch der herrsch¬ süctige Tyrann auf dem Throne, und nun ist er eine öde Leiche, und der verfolgte Heiland lebt noch; vor Kurzen mußte dec Heiland in's Elend fortziehen und jetzt darf er wieder in sein Vaterland zurücklehrcn; — derselbe Bothe des Himmels, der die traurige Flucht angekündiget hatte, erscheint nun mit dem fröh- ligen Auftrage zu Joseph: Mache dich auf mit dem Kinde und ziehe in das Land Israel wieder, denn die ihm nach dem Leben strebten, sind gestorben. Wie rührend und trostreich zugleich ist nicht die Geschichte des heutigen Evangeliums, m. L.! besonders für jene Chri¬ sten, die das harte Schicksal getroffen hat, von leidenschaftli¬ chen, böfen Menschen angeseindet, vor unverschuldeten Leiden nie- dergebeugt zu werden. — Ohne Zweifel wird diesen, bei der Erinnerung an ihre eigenen Leiden, das traurige Los des neu- gebornen göttlichen Heilandes, so wie seine wunderbare Rettung zu Herzen gehen, ohne Zweifel werden sie den verfolgten Jelus auf seiner beschwerlichen Flucht eben so bemitleiden, als sie sich über seine baldige sichere Rückkehr in sein Vaterland freuen werden. Das wäre nun Alles recht und gut; aber dem Heilande selbst genügt cs noch nicht; denn er will nicht sowohl daß man ihn bemitleiden, oder sich mit ihm freuen, als vielmehr, daß man mit ihm leiden soll; man leidet aber nur dann mit ihm, wenn man ihn bei den eigenen Leiden soviel möglich nach- zuahmcn sucht. — Was findet man aber Nachahmungswürdiges in den Leiden des kleinen Heilandes? — Seine vollkommene Ergebung in den Willen des himmlischen Vaters, sein unbegränz- tcs Vertrauen auf ihn, seinen tiefen Frieden, in Mitte der ge¬ gründetesten Ursachen zur Beunruhigung, und sogar seine sichtba¬ re Freude sich schon so früh den heftigsten Verfolgungen aus Liebe für das Menschengeschlecht und aus Gehorsam gegen sei¬ nen himmlischen Vater ausgesetzt zu sehen. — Das sind die nachahmungswürdigen Eigenschaften des verfolgten und leidenden Eottmenschen Jesus Christus — und die Nachahmung dieser Eigenschaften ist die eigentliche Bedingung, unter welcher das unschuldig verfolgte jedoch glücklich gerettete Jesus- » » » » 38 « « «r< Kind zugleich der stärkste und erhabenste Trost für unschuldig leidende Christen wird. Diesen Trost und die Bedingung des Trostes will ich nun denselben heute etwas naher an das Herz legen, wobei ich mich Ihrer willigen Aufmerksam¬ keit vertröste.- — Abhandlung. Um dem augenscheinlichen Schutz des himmlischen Vaters über seinen gleich beim Eintritte in die Welt leidenden Sohn, recht cinzusihcn, muß man zuerst die schwere Verfolgung, die über ihn ausbrach, etwas tiefer erwägen. — Wer war es also, der den menschgewordenen Sohn Gottes so frühzeitig, schon in der Wiege zu verfolgen anfing? — Hcrodes war es, ein Jdumäer, der durch kaiserliche Gunst aus den unsichern Thron des jüdischen Landes erhoben worden war — ein Wütherich, in dem die heftigsten Leidenschaften die Stimme des Gewissens und der Natur gänzlich unterdrückt" hatten; denn Stolz, Herrsch¬ sucht, Willkühr und Grausamkeit, fassen mit ihm auf dem Thro¬ ne, auf dem er sich verewigen wollte. Diesen herrschsüchtigen und grausamen Tyrannen waren nun die Hoffnungen der jüdi¬ schen Nation, von einem Messias, oder Befreier des Volkes nicht unbekannt; jedoch hielt er diese Hoffnungen noch immer für leer und abergläubisch, bis die drei Weisen aus dem Morgcnlande zu Jerusalem erschienen, und nach dem neugebornen Könige der Ju¬ den nachzuforschen anfiengen. — Jetzt erschrack Hcrodes! — Er kannte den meuterischen Geist des jüdischen Volkes, das er be¬ herrschte, so wie dessen sehnsuchtsvolle Erwartung eines Messias. Darum berief er in aller Eile die Schriftgelchrten zusammen und fragte, wo eigentlich der Messias geboren werden solle? — Die Antwort war: zu Bethlehem! — Diese Antwort machte den Tyrann argwöhnisch; er verbarg indessen seinen Argwohn wie seine Mordgier unter dem Scheine der Frömmigkeit und gab den drei Weisen nicht nur die Weisung den neugebornen Juden¬ könig aufzusuchen, sondern auch ihm selbst, auf der Rückreise davon Kunde zu geben, damit er auch hingehe und ihn anbethe. So weit ging seine teuflische Verstellungskunst. — Allein die Weisen, mittelst einer göttlichen Offenbarung über die wahre Ab¬ sicht des Hcrodes belehrt, kehren nicht nach Jerusalem zurück. — 39 « « « « r Hemdes sieht sich nun getäuscht und in der peinigendsten Unge- e gewißheit über dem neugcborncn Könige der Juden, der ihn nach r smer Meinung vom Throne stürzen würde. — Was thut nun - de: Wütherich, damit ihm das unschuldige Opfer, das er seiner Herrschsucht ausersehen hatte, nicht entgehen möchte? — Er gibt den grausamen Befehl zu dem bekannten bcthlehemitischen Kinder-- lnorde, um so mit einem Male alle Hoffnungen des Volkes und zugleich alle aufrührerischen Bewegungen desselben wider ihn im Kenne zu ersticken. — Seine Kriegsleute werden ausgeschickt, alle zweijährigen Knaben umzubringen, um so desto sicherer den, den er suchte unter der Zahl zu tödtcn; die Gassen Bethlehems wim¬ meln von Mördern — die Wiegen unschuldiger Kinder schwimmen im Blute — und die trostlosen Mutter erfüllen die Lust mit kläglichsten Heulen und Weinen. Wer, meine Lieben! verabscheuet nicht den herrschsüchtigen Herodes, wie seine an den unschuldigen Kindern verübte Grau¬ samkeit? — um so mehr, weil diese Grausamkeit eigentlich da¬ hni zielte, dem mcnschgewordenen Sohn Gottes selbst, den Hei¬ land der Welt, schon bei seinem ersten Erscheinen dem Tode zu opfern? — wer würde da nicht um Rache und um Feuer vom Hmunel herabrufen über den Verfolger und Mörder der Unschuld? — Allein gerade Jesus der unschuldigste verfolgte Sohn Gottes hat uns anders denken und handeln gelehret. Nach seiner Lehre gab nämlich Gott den Menschen einen freien Willen, sie sollten Gutes und Böses üben können; hätte Gott den Menschen diese Freiheit nicht gegeben, so wäre zwar sehr viel Böses, aber auch unendlich viel Gutes in der Welt unter¬ blieben. — Das Böse zu thnn konnte Gott freilich den Men¬ scher nie befehlen, vielmehr verboth er es ihnen nach seiner höch¬ sten Heiligkeit und Gerechtigkeit auf das Nachdrücklichste, unter Androhung zeitlicher und ewiger Strafen. — Wenn aber demun- geachtet in der Welt viel Böses von Menschen verübt wird, wenn vernünftige Geschöpfe sich von ihren Leidenschaften Hinreisen lassen, wenn sie den schwächern Mitmenschen gefühllos unterdrücken, die Unschuld auf das Empörendste verfolgen, und über dem Untergange des Gerechten frohlocken — so geschieht cs nur darum, weil sic die Stimme der Vernunft und des Gewissens nicht hören wollen, weil sie den Willen Gottes außer Acht lassen, und sich folglich wider Gott den Höchstheiligen selbst auflehnen. — Gott laßt es ?»r>» 40 « « « « aber nach seinen höchstheiligen, weisen und unerforschlichen Ab sch¬ ien oft zu, daß sie über den Unschuldigen und Gerechten eine Zeit triumphiren, um dadurch ihm und andern Frommen, ab¬ schreckende Beispiele des Lasters und seiner häßlichen Ausbrüche vor die Augen zu stellen, um den Gerechten zu prüfen in der Treue gegen ihn, um ihn zu üben im Kampfe mit dem Laster, um ihn desto mehr zu verherrlichen im Siege wider das Laster. So z. B. ließ Gott den ägyptischen Joseph von seinen Brü¬ dern als Sklaven verkauft und von einem frechen Weibe in den Kerker geworfen werden; er ließ den David von Semei gelästert, vom Saul und seinem eigenen Sohne Abfalon verfolgt werdm, um einerseits das Laster in seiner abscheulichen Blöße, andererseits die Tugend in ihrem hellcsten Glanze der Mit- und Nachwelt zu zeigen. — So ließ er auch seinen menschgewordcnen Sohn den Gegenstand der Eifersucht und der Mordgier eines graufamm Wüthcrichs und die Kinder zu Bethlehem wirkliche Opfer seiver Mordgier werden — damit es uns nicht befremde, wenn bsse Menschen auch uns, ohne allen gerechten Anlaß, anfeinden und Verfolgen, und ihre Bosheit an uns in Ausübung bringen wollen daüiit wir zugleich sehen, daß er, daß Gott cs ist, der alle unsere auch die widrigsten Schicksale zu unserm Besten leitet. Denn Gott verhält sich in dieser Hinsicht besonders gegen den Frommm, wie der liebevollste Vater gegen sein geliebtes Kind; Leiden und Drangsale sind in seiner Hand eben so viele Mittel den Frommen im Guten zu läutern, zu veredeln, zu stärken und standhaft sort- zuführen auf dem allein beseligenden Wege der Tugend -- sie sind folglich ein heiliges Unterpfand der Vaterliebe Gottes, die den Frommen zur Vollkommenheit und somit zur Seligkeit heran¬ zieht. — Es regen sich nämlich auch in dem Frommen oft mhei- lige Triebe, es steht auch er nicht selten in Gefahr , seines Got¬ tes zu vergessen, und den Reizen des Lasters zu huldigen; de eilt nun Gott der besorgte Vater herbei und schickt dem schwankenden Kinde unvermuthet eine harte Prüfung, und weckt es so a»f aus seiner Betäubung, daß es des Abgrundes gewahr werde, in dem es sich stürzen wollte, daß es erkenne die Vaterhand, die das¬ selbe noch zu rechter Zeit durch einen schmerzlichen Schlag rettete. — Wieviel aus jenen unserer Brüder, die sich nun bey Gott einer rmaussprechlichen Seligkeit erfreuen, wären eine Beute des Lasters »>-» » 41 « « «» » 43 « «c<« Will, De- ' be- eyii, mit eine fln- Il!I- ^ei- lcrz sich igc r't- ein n n >ir l- ei t- II e gen, nicht Ursache haben mit uns selbst vollkommen zufrieden zu scyn, um uns nämlich immer klein in unsern Augen zu machen; denn nichts ist geeigneter Stolz einzuflößen, als wenn man sich billiger Weise über die Art, wie man sein Kreuz trägt, loben könnte. — Wer nun bei allen seinen, besonders bei unverschuldeten Leiden, den verfolgten Sohn Gottes, das verfolgte Jesus-Kind auf besagte Art treulich nachahmt — für den wird dann auch das gerettete Jesus-Kind ein Gegenstand des süßesten Trostes. — Gott weiß und kann zu rechter Zeit helfen — er rettet gewiß die un¬ schuldig Leidenden, die auf ihn vertrauen, so wie er auch seinen menschgewordenen Sohn gerettet, ehe noch Herodes seine blutdür¬ stigen Anstalten zum bethlchemitifchen Kindcrmorde getroffen hatte. — Er ließ die Weisen durch seinen Engel ermahnen, nicht mehr an den Hof des Herodes zurückzukehren; er ließ auch den Joseph ebenfalls durch seinen Engel die Gefahr des göttlichen Kindes und das Mittel seiner Rettung anzeigen: Mache dich mit dem Kinde auf! sprach der Bothe des Himmels, und fliehe nach Aegypten! — dorr halte dich auf, bis ich dir's sage, denn Herodes wird das Kind suchen um es zu tödtcn! — Wie wunderbar sind die Füh¬ rungen Gottes, nach welchen er sich des Gerechten annimmt.' er ist ungleich besorgter die Unschuld zu beschützen, als die Bosheit der Menschen eifrig ist, sie zu verfolgen. — Durch eine schnelle Flucht nach Aegypten sollte das göttliche Kind seinem Lode ent¬ gehen — ein sicheres, obschon auch ein sehr beschwerliches Mittel für die h. Familie! Denn die h. Aeltern müssen mit dem göttlichen Kinde aufbrcchcn in finsterer Nacht, müssen an¬ treten eine weite beschwerliche Reise auf ungebahnten Wegen durch unwirthbare Gegenden, ohne menschlichen Wegweiser — in ein unbekanntes, feindlich gesinntes Land, ohne zu wissen, wie lange ihre traurige Verbannung daselbst dauern sollte. Indessen mur¬ ren und klagen die armen Vertriebenen nicht, sondern unterwer¬ fen fick) allen diesen unverschuldeten Leiden mit unerschütterlicher Standhaftigkeit im Vertrauen auf den mächtigen Schutz des Al¬ lerhöchsten! — Und wirklich der Allerhöchste nahm die frommen Unschuldigen in seinen mächtigen Schutz und gab ihrem harten Schicksale bald eine erfreuliche Wendung; denn nicht lange, so sandte er seinen Engel wieder zu Joseph mit der freudigen Nach¬ richt: daß die Verfolger des Kindes nicht mehr sind und er nun ))»»» 44 « « « « wieder mit der Mutter und dem Kinde in sein Vaterland heim- ha kehren könne. — So mußte nach dem Willen Gottes die verfolgte B Unschuld gerettet werden, ungeachtet aller menschlichen Hindernisse bc — Herodcs mochte seinen Mordplan noch so schlau angelegt, sich di auf seinem Throne noch so sehr zu erhalten gesucht haben — Got- te tes Absichten konnten nicht vereitelt werden; — die Hilfe kommt, l< der Tyrann muß einer höhern Macht weichen, der verfolgte Mes- C sias kehrt in feine Vaterstadt zurück. —- So endiget sich eine ei grausame Verfolgung des neugeborenen Heilandes, noch ehe L man es vermachet. n Gleicher Trost, gleiche Freude, gleiche Hilfe wartet auch auf a alle unschuldig leidende Jünger des einst in dec Wiege verfolg- r ten Heilandes, wenn sie nur ihre Leiden so ertragen, wie sie ihr s Herr und Heiland zu tragen durch Wort und Beispiel gelehrt < hatte, wenn sie nur auch fest auf den vertrauen, ohne dessen < Willen kein Haar von unscrm Haupte fallen kann, wenn sie nur alle ihre Sorgen auf den Herrn werfen, und ihm die Zeit der Rettung mir christlichen Gesinnungen anheimstellcn; denn der Herr unser Gott ist wahrhaft, und trüget nicht, — der Bedrängte, spricht er, wird zu mir rufen, und ich will ihn erhören, ich bin mit ihm in der Trübsal, ich will ihn retten und verherrlichen. Lasse also den Muth nicht sinken lieber Christ, wenn dich viel¬ leicht auch unverschuldete Leiden aller Art drücken, — wenn dich deine Freunde verlassen, wenn boshafte Feinde auf dein Unglück sinnen, wenn Neid und Mißgunst der Böfen deine Ruhe unter¬ graben wollen, wenn dein guter Name verdunkelt, und dein gu¬ ter Wille wie deine Verdienste vor der Welt verkannt werden, — richte deinen Blick zum Himmel! oben lebt noch dein mäch¬ tigster Beschützer dein' treuester Freund und licbreichester Vater — mag sich alles Unglück über deinem Haupte zusammenziehen, der Herr dein Gott ist es der über dich wachet, der dir in der Stunde der Prüfung mit seiner Hilfe am nächsten ist. — Wahr ist es, der Herr schickt dir eben keinen Abgesandten vom Him¬ mel, der dir in seinem Namen Heil und Rettung verkündigen würde, — aber du findest in der heil. Schrift, die sein Wort ist, Versicherungen genug, daß Gott die Unschuldigen und auf ihn Vertrauenden nicht zu Grunde gehen lasse. „Die Augen des Herrn fagt David sind auf die Gerechten gerichtet, und feine Ohren stehen immer zu ihren Seufzern offen." — Die Gerechten 45 « « « « haben gerufen, der Herr hat sic erhört, und aus allen ihren Beängstigungen herausgerisscn. — Der Herr schützt alle ihre Ge¬ beine, und keines derselben wird zerschlagen werden, — er wird die Seelen seiner Diener erlösen. — Und noch theurer und kräf¬ tiger muß dem unschuldig leidenden Christen das Wort des Hei¬ landes selbst seyn. „Sollte Gott, sagt der Heiland, sollte Gott seine Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen nicht erretten, wenn er auch verzieht ihnen Recht zu verschaffen? — Ich versichere euch, daß er ihnen bald Recht schaffen wird." Ja wahrlich, Gott kennt die Noch der Seinigen und hat nicht Freude an dem Unrechte, das sie leiden, darum ist er zu rechter Zeit be¬ reit-ihren Leiden einen glücklichen Ausgang zu verschaffen, und sollte es auch nicht allezeit schon in diesem Leben geschehen, so geschieht es gewiß in dem künftigen, wo sich Gottes Macht und Gerechtigkeit in ihrer ganzen Grösse zeigen wird. Warum also übermässig trauern und zagen leidender Christ, besonders wenn du eine gerechte Sache und vor Gott ein gutes Gewissen hast? — Ist nicht schon dieses ein gutes Gewissen näm¬ lich, bei einem festen Glauben an einen allwissenden höchstheili¬ gen und gerechten Gott hienieden einstweilen der schönste und süsseste Trost? Oder ist es nicht Ehre genug für dich, daß du dem schon in der Wiege verfolgten Sohne Gottes, dem unschul¬ dig leidenden Heilande ähnlicher werden kannst? daß dir die Bos¬ heit der Menschen und unverschuldete Drangsale Gelegenheit ver¬ schaffen, dich im kindlichen Sinne gegen Gott, in der Ergeben¬ heit in seinen heiligsten Willen, in der Tugend und Rechtschaffen¬ heit üben zu können? Und bleibt nicht Gott auch dann wenn er uns Trübsale schickt unser Vater, der alles nur zu unfern wah¬ ren Besten leitet? Wer aber unter dem Schirme des Höchsten stht, und unter dem Schalten des Allmächtigen bleibt, sagt Da¬ vid, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott bist du, auf den ich hoffe, — der Herr ist meine Zu¬ versicht, der Höchste ist meine Zuflucht! — So wollen wir denn, wenn uns was immer für Leiden unverschuldet treffen sollen, uns getrost den Führungen unseres Gottes überlassen, — der Tag unseres Unglückes kann unter seiner weisen Vorsehung vielleicht der Anfang unseres bessern dauerhaftem Glückes werden; denn laßt uns auch der Herr hienieden die Lage unscrs Lebens leiden, s» haben wir doch als Christen die untrügliche Hoffnung: im » »r>» 46 « « « « Lande der Unsterblichkeit einen desto größer» Ersaß zu empfangen, je unermüdeter in der Zeit der Prüfung unsere Geduld und Standhaftigkeit war; dort werden wir uns der ausgestandenen Leiden freuen, und in alle Ewigkeit den Ausspruch des Apostels bewahrt finden: daß alle Leiden dieser Zeit in keinen Vergleich kommen mit jener Herrlichkeit, die Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. Amen. Am ersten Sonntage nach der Erscheinung des Herrn. d 2 u 8 r c ! i »Wisset ibr denn nicht, daß ich mich mit den Dingen, die meinen Vater betreffen, beschäftigen muß.« Luk. 2, Eingang. Entgangen war das Kind Jesus durch besondere Fügungen Got¬ tes der Mordwuth eines grausamen Herodes, — Maria und Jo¬ seph hatten auf Befehl des Engels Aegypten verlassen, und wohn¬ ten in unbekannter Stille zu Nazareth, und nichts besonders Wichtiges, das unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen konnte, kommt in der Geschichte der heil. Familie vor, bis aus den Zeit¬ punkt, da Jesus bereits das zwölfte Lebensjahr erreicht hatte. Als zwölfjähriger Knabe aber ist er uns wieder ein Gegenstand der Bewunderung und auch der Nachahmung. In diesem Alter reiste nämlich Jesus mit seinen Aeltern nach Jerusalem zu dem allgemeinen Feste, und blieb, nachdem dieses beendet war, und jede Familie wieder ihre Rückkehr nach der Heimath antrat, seinen Aeltern unbewußt im Tempel zurück. Die guten Acl- tern glaubten der göttliche Knabe befinde sich im Gefolge der übrigen Verwandten und Bekannten, und bemerkten dem thcuern Verlust erst nachdem sie bereits eine ganze Tagreise zurückgelegt hatten, und in die Herberge getreten waren. Man kann sich ihre tiefe Bestürzung denken, als sie ihr Kind vermißten, und nirgends fanden! — Sie reisten zurück nach Jerusalem und nach- » » »>- 47 «««« m, nd e,< ls Ä ie dem sie ihn lange vergebens gesucht, fanden sie ihn endlich im Tempel unter den Schriftgclehrtcn wie er ihnen Fragen vorlegte und die ihrigen beantwortete, so, daß Alle über seinen hohen Verstand und seine Antworten staunten. Kaum ersähe ihn hier die liebende Mutter, so konnte sie sich nicht enthalten, ihm den großen Kummer zu erkennen zu geben, den ihr sein Zurückbleiben verursacht hatte. Mein Sohn sprach sie, warum haft du uns dieses gethan? Sich' dein Vater und ich haben dich mit Schmer¬ zen gesucht. Und mit einer Würde, die von seiner göttlichen Ab¬ kunft zeigte, entgegnete der kleine Heiland: Warum habet ihr mich gesucht? Wisset ihr denn nicht, daß ich mich mit den Din¬ gen, die meinen Vater betreffen, beschäftigen muß? So sprach der zwölfjährige Jesus. Wie wichtig mußten ihm nicht die Geschäfte seines Vaters, wie angenehm der heil. Dienft feyn, dem er sich so frühzeitig gewidmet hatte, da er selbst den zärtlichen Kummer seiner Aeltern, denen er sonst in allen unterthänig war, nicht zu be¬ achten schien, sobald er im Dienste Gottes seines Vaters begrif¬ fen war! Ein schönes Beispiel der Nachahmung für uns meine Lieben! Der zwölfjährige Heiland lehrt uns schon, es gebe kein wichtigeres Geschäft als die Erfüllung der Pflichten gegen Gott, und keinen angenehmern Dienst als den Dienst Gottes. Aber wir sinnliche Menschen sehen ost.das Erhabene und Angenehme im Dienste Gottes nicht, wohl aber schlagen wir das Beschwer¬ liche, was der Sinnlichkeit entgegen ist, hoch an, und dienen so lieber der Welt, die uns mit trügerischen Verheißungen und nich¬ tigen Vortheilen blendet. Vergleichen wir indessen einmal die Vor¬ theile des Dienstes Gottes oder der Beobachtung göttlicher Ge- bothe, mit den Vortheilen, die uns im Dienste der Welt und des Lasters erwachsen, damit wir sehen welcher Dienst erhabener und angenehmer sey, der Dienst Gottes oder der Dienst der Welt, — die Ausübung der Tugend, oder die Ausübung des Lasters? Die¬ sen Vergleich wollen wir also gegenwärtig in etwas anstellen, — vernehmen Sie mich mit geneigter Aufmerksamkeit. Abhandlung. Wer Gott seinem Schöpfer noch nie ernstlich gedient, oder wer das Erhabene und Beseligende der Lugend noch nie recht an sich selbst erfahren und gekostet hat, dem geht es bei ihrem An- blicke so wie jenen Kundschaftern, welche Moses abgesandt hatte, sZ um das einzunehmende gelobte Land Canaan in Augenschein zu G nehmen, und von dem was sie gesehen, Bericht zu erstatten. d> Die zwölf abgeschickten Männer kehrten nämlich, nachdem sie d< das Land wohl besichtiget zu haßen glaubten, zurück in das di israelische Lager, und, erzählten die abentheuerlichsten und ab- w schreckendsten Dinge: Das Land ist zwar wirklich sehr fruchtbar, d sagten sie, aber es verschlingt auch seine Einwohner, und diese a selbst sind ein kriegerisches Volk von fürchterlichem Aussehen. Wir e sahen die Söhne Enacs — sie sind wahre Ungeheuer, aus dem e Geschlechte der Riesen, wir waren im Vergleiche mit ihnen wie Heuschrecken. Ihre Städte sind äußerst groß und mächtig, rings- d herum von starken Festungsmauern umgeben, und gegen Mittag k hin, in den gebirgigen Gegenden und an den Ufern des Jordans, ( sind eben die stärksten und tapfersten Geschlechter des Landes ge- l lagert. — So erzählten die Kundschafter. Das Volk durch solche ! Nachrichten erschreckt, fieng an wider Moses zu murren, und sich I der weitern Reise zu widersetzen. Wir streiten nicht wider ein Volk, sagten die Israeliten , das stärker ist als wir — in Palä¬ stina das Lager aufschlagen wollen, heißt sein Grab suchen. Aber als die Israeliten unter ihrem Anführer Josua das Land Canaan wirklich erobert und betreten hatten, da sahen sie, daß die Fe¬ stungen nicht unzerstörbar, die Einwohner keine Riesen waren, das Land keine Abgründe hatte sie zu verschlingen; wohl aber fanden sie einen Rcichthum von Früchten aller Art, die reinsten Duellen, das angenehmste Klima, kurz ein gelobtes Land im eigentlichen Sinne, das gleichsam von Milch und Honig floß. — So wie es nun jenen Kundschaftern und dem israelischen Volke vor der Einnahme des gelobten Landes ging, so geht es auch allen, die zwar im Reiche der Tugend herrschen möchten, aber diese nur Miner von einer traurigen und abschreckenden Seite kennen; auf ihrem Wege nur Dornen, unübersteigliche Hindernisse, ein Leben voller Kamps, voll Gefahren und Aufopferungen sehen. Gott verheißt ihnen ein Reich der Seligkeit, — die Welt aber, die sie gerne in ihrem Dienste haben möchte, macht ihnen im Dienste der Tugend ein Leben voll Mühe und Bitterkeit vor, und so sind sie unschlüssig, was sie wählen sollten, oder sie werfen sich nach kurzen Bedenken in die Arme der Welt und des Lasters. Würden sie sich aber fest entschließen, und ernstlich bemühen, die »»»» 49 «««« e, ju n. 'ie is i- -» st Ir n le e > scheinbar großen Hindernisse auf dem Wege der Tugend mit der Gnade des Herrn auf die Seite zu räumen, und vollends einzu¬ dringen in ihr Heiligthum, so würden sie sich zu ihrer Verwun¬ derung und Freude überzeugen, daß die Beschwerden minder groß, der Lohn aber ungleich großer sey als die Beschwerden. Denn was sind die Gebothe des Herrn, wenn man sie nur beim Lichte der Vernunft betrachtet, — was sind sie anders als Liebe? Kann aber das, was die Liebe unsers Gottes uns zur Pflicht macht, etwas anders beabsichtigen als unsere wahre Ruhe und unser ewiges Glück? Nehmen wir einige Gebothe des Herrn in Betracht, z. B. du sollst nicht falsches Zcugniß geben wider deinen Nächsten. Hier wird also der falsche Eidschwur, die Lüge, die Verleumdung und Ehrabschneidung verbothcn. Was will dieses göttliche Vcrboth bezwecken? Nichts als unser eigenes geistiges und leidliches Wohl. Die Liebe zur Wahrheit macht uns ja Gott, der die ewige Wahr¬ heit ist, ähnlich, und versichert uns seines Wohlgefallens, begrün¬ det aber nicht minder unsere zeitliche Wohlfahrt; denn die Liebe zur Wahrheit stärket das gegenseitige Vertrauen, befestiget die Treue, knüpfet fester und fester das Band der Freundschaft, und macht uns so hienieden ichon das gesellschaftliche Leben angenehm und schätzbar: Da hingegen der salschschwörende Lügner, Ver¬ leumder und Ehrabschneider seinem eigenen Glücke entgegen arbeitet, und vor Gott und den Menschen verächtlich ist. Denn aus dem Frevel falsch zu schwören, aus dem ungezäumtcn Willen die Feh¬ ler des Mitmenschen aufzudecken, aus der bösen Neigung seine gute Ehre zu schmälern, aus der niederträchtigen Lust ihn durch erdichtete Vergehungen herabzuwürdigen in den Augen gutgesinn¬ ter Menschen, entspringet Mißtrauen, Verachtung, Haß und bit¬ tere Verfolgung. Allen diesen Uebeln aber macht das Geboth Got¬ tes, welches die Wahrheitsliebe zur Pflicht macht, starken und sichern Einhalt. Du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren deines Näch¬ sten Gut — heißt es im Gesetze des Herrn. Was bezwecken wohl diese beiden Verbothe? Nichts anders als unser eigenes Wohl. Fm ersten Verbotst wird jede ungerechte Besitznahme fremden Ei- gcnthuines, durch Gewalt, List oder Betrug untersagt, und so- nüt für äußere Ruhe und Sicherheit in der menschlichen Gesell¬ schaft, für einen ungestörten Genuß des rechtmäßigen Eigcnthn- »>-»>- 50 « « « k< mes gesorgt. Und so wird im zweiten Verbothe dem Neide, der h Mißgunst, der Habsucht Einhalt gethan, und das Herz von dem s Irdischen und Vergänglichen abgezogen, somit auch unsere innere Seelenruhe befördert, weil Anhänglichkeit an das Irdische nur Sorgen, Kummer und Ucberdruß erreget, und den Menschen ver- gessen macht, daß er nicht für das Zeitliche, sondern siir das , Ewige geschaffen, daß diese Erde nicht sein wahrer Bestimmungs¬ ort sey, sondern daß ein anderes ewiges Vaterland seiner warte. So lange der Mensch an dem Irdischen klebet, wird er im größten Ucberffusse nicht glücklich seyn, denn sein unersättliches Herz er¬ zeugt unersättliche Wünsche, die ihm auch die ganze Welt nicht befriedigen kann. Ein redendes Beispiel hievon liefert uns der alte Bund an Achab dem Könige von Israel. Er hatte auf sei¬ nem Throne Alles, was sein Herz verlangte, nur sähe er einst - unglücklicher Weise den Weingarten seines Unterthans Naboth, und dünkte sich schon arm, weil er ihn nicht besaß. Naboth wollte ihm den Weingarten als ein väterliches Erbgut nicht abtretcn, und das war genug, dem Könige seine Ruhe zu rauben, und ihm jeden Lebensgenuß zu verbittern. Er nahm weder Speise noch Trank zu sich, und rnhcte nicht bis er den Weinberg an sich ge¬ bracht hatte, — Naboth mußte darum ein Opfer des Todes wer¬ den. Eine solche Unruhe, einen solchen Kummer und solche Sor¬ gen, kennen Jene nicht, die dem Irdischen die ewigen Güter vor¬ ziehen, das Zeitliche nur als Mittel betrachten, ihre Bestimmung leichter zu erreichen, und daher, wie der Apostel sagt, irdische Güter so besitzen, als befassen sie selbe nicht, so gebrauchen, als gebrauchten sie es nicht. Zm Gesetze des Herrn wird die Fcindesliebe zur Pflicht ge¬ macht. Ein hartes Geboth für jene die nur sich selbst oder ihre Freunde lieben; aber wie wohlthätig ist sein Zweck, wie herrlich die Vortheile, die aus der Feindesliebe entspringen! Es gibt keinen schönem Sieg über seinen Beleidiger, als den Sieg der Liebe, es gibt keine Gottes und des Menschen würdigere Oberherrschaft als jene über seinen Widersacher, als jene die in der Liebe gegründet ist. Da beweist der Mensch sich als ein Abkömmling Gottes, als Kind des ewigen Vaters. Wer wird wohl mit dem Siege der Liebe den Sieg der Rache in einen Vergleich bringen? der Rache, jener Furie, die in ihrem Gefolge den schwarzen Verdacht, den giftigen Neid, die abzehrende Furcht, die wilde Begierde zu scha- » » » » 51 - «««« der cm ere ur w- as s- te. en r- ht er i- st 'e n den, die blinde Wnth zu verderben, einhcrschlcppt? Zst der Rach¬ süchtige nicht der größte Thor, daß er sich solchen innern grau¬ samen Feinden preisgibt, die an seiner Ruhe ungleich schreckli¬ cher nagen, als der äußere Feind, den er versolgt. Und ist auch die Rache abgekühlt, hört darum ihre Geißel auf den zu züchti¬ gen, der sie geschwungen hat? Keineswegs. Das böse Gewissen zehrt dann fort an dem Herzen des Rachsüchtigen. So erzählt die Geschichte vom Kaiser Constans, der in seinem Hasse wider seinen Bruder, einen Priester Gottes, so weit ging, daß er die¬ sen Bruder ermordete. — Die Geschichte erzählt, der Kaiser habe in einer immerwährenden Angst seine Lage gelebt, und nirgends eine bleibende Stätte gehabt. Wo er sich auch im n»r befand glaubte er seinen Bruder zu sehen, in priesterlicher Kleidung mit dem Kelche in der Hand, den er ihm mit diesen schrecklichen Worten darboth: Trink' mein Bruder! Ehemals reichte ich dir das Blut Jesu Christi zur Nachlassung der Sünden, jetzt aber reiche ich dir das Meinige zur Bestrafung deiner verwegenen That. Im Gesetze des Herrn wird die Bestreitung böser Neigungen, die Bezähmung des Fleisches, der Kampf mit sich selbst zur Pflicht gemacht. Dieser Streit mit sich selbst und seiner bösen Natur scheint dem Menschen der schwcreste zu seyn, und wirklich hat er seine großen Schwierigkeiten, weil der Mensch sich selbst zu sehr liebt, und so gerne alles thut, wozu ihn die Sinnlichkeit auf¬ fordert. Hingegen gibt es aber auch keinen größern Sieg, als den über sich selbst und die Gnade des Herrn ist Niemanden "so nahe als dem der sich selbst zu beherrschen suchet, die Früchte der Selbstbeherrschung sind auch die schönsten und wohlthätigstcn, denn Menschen, die ihre Unschuld und Reinigkeit des Herzens un¬ verletzt erhalten haben, oder zu erhalten suchen, sind zugleich die frömmsten, dcmüthigsten und glücklichsten, sie fühlen sich durch das gute Zeugniß ihres Gewissens unendlich belohnt für alle Opfer, die sic der Tugend bringen, sie tragen einen Hsinmel in ihrem Herzen, dürfen das Licht nicht scheuen, weil sie Söhne des Lich¬ tes sind, und blicken überall getrost zum Himmel auf, wo der Heiligste, wo ihr Vater thronet, der ihre Unschuld kennet, sie schützet und einst nach ihrer Würde belohnet. — Nicht so glück¬ lich ist der lasterhafte Wohllüstling ; dieser seufzet unter der Knecht¬ schaft des Lasters, während er die Freiheit sucht, und weil er nicht Muth hat, seine Fesseln zu zerbrechen, so bleibt er sort- 4 * »»»» 52 ««« « während ein Sklave seiner wilden Leidenschaft, die ihm weiter be nichts gibt, als elende Freuden, die ihn nicht sättigen, die sich al noch während des Genusses in Gift verwandeln, welches allmäh- he lich Leib und Seele zu Grunde richtet. Oder findet der sinnliche ar McnM wohl etwas anders im Dienste seiner Leidenschaft, als ke eine thierische Lust, ein unruhevolles Herz, und ein strafendes N Gewissen? Muß er sich nicht selbst verachten und ungliicklich füh- w len im Vergleiche mit Jenen, denen eine himmlifche Unschuld an ft der Stirne glänzt, deren reines Herz eine reichhaltige Quelle z> der Beruhigung, des Trostes und der Zufriedenheit ist? g So ist der Dienst der Welt und des Lasters in aller und jeder a Rücksicht härter, als der Dienst Gottes und der Tugend, und in aller d Wahrheit konnte der Heiland sagen: Mein Joch ist süß, und s meine Bürde leicht. Denn Gott dienen heißt herrschen, sein Le- t den für ihn verlieren heißt dasselbe gewinnen; Gott fodert ja l von uns nichts seinetwegen oder zu feinem Nutzen; er bedarf ! unser nicht, ist an sich schon der Seligste, und wäre cs nicht ! minder, wenn wir ihn auch nicht als unfern Herrn erkennen, ihn ' nicht lieben, seine Gebothe nicht halten wollten; nur unser eigene Vorthcil, unsere Seligkeit ist es, wenn wir ihm dienen. Selig, sagt dec Psalmist sind jene, die den Herrn fürchten, die auf dem Wege seiner Gebothe wandeln, sie werden die Früchte ihrer Arbeit genießen, und mit Wohlthaten gesegnet werden. Warum aber? Weil Gott so groß in seinen Belohnungen, als getreu in seinen Verheissungen ist; als Forscher und Prüfer der Herzen ver¬ gilt er uns nicht allein das Gute, was wir in den Augen der Welt ausüben, sondern auch das, wovon er als der Allgegen¬ wärtige und Allwissende allein Zeuge ist, und er vergilt uns in seinem Dienste nicht nur jenes Gute, dessen Ausübung mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, sondern jede geringste Mühe, je¬ des unbedeutende Opfer, jeden geringfügigen Kampf, — ein Trunk küblcn Wassers dem Armen aus Liebe dargereicht, die Entsagung eines kleinen Vergnügens, die geduldige Uebertragung eines kur¬ zen Leidens, — wird seinen vielfältigen Lohn empfangen, im Reiche der Ewigkeit. Sind wir also nicht thöricht, wenn wir uns einem Herrn zu dienen weigern, dessen Gebothe nichts als unendliche Liebe, und deren Befolgung nur unser eigenes zeitliches und ewiges Glück ist? — einem Herrn, der uns für den kleinsten-Dienst unendlich »»»» 55 «« « « belohnen will, weil er allgütig ist, und belohnen kann, weil er allmächtig ist. Was gibt uns aber die Welt und das Laster? höchstens einen Rauch von Ehre, ein vergängliches Gut, eine augenblickliche Lust, und hintennach doch keine Zufriedenheit und kein wahres Glück, sondern Unruhe, Schmerz, bittere Reue und Leiden aller Art. Darum sagt König .David, nachdem er Alles was die Welt Reizbares aubicthet, verkostet, und alles eitel ge¬ funden hatte; darum sagt er: Ein Tag im Dienste des Herrn zugcbracht, ist besser als tausende, die im Dienste der Welt ver¬ geudet werden. Denn innere Seelenruhe, Vertrauen auf Gott, gänzliche Ergebung in seine heil. Anordnungen, und eine Freude des Geistes, die jedes andere sinnliche Vergnügen weit übertrifft, genießen jene, die dem Herrn treulich dienen, und sitzen sic gleich hienieden nicht im Schovße des Glückes, so sind sie doch überzeugt, daß ihnen Gott, den sic lieben, jenseits eine bessere und dauer¬ hafte Glückseligkeit bereitet hat. Und wollen wir sie auch errin¬ gen, diese bessere und ewig dauernde Glückseligkeit, so müssen wir auch um so lieber und eifriger Gott und nicht der Welt und dem Laster dienen, da seine Gebothe nichts als Liebe sind, und der Beistand seiner Gnade uns die Hindernisse überwältigen hilft, die sich von Seiten unserer Sinnlichkeit der Erfüllung unserer Pflich¬ ten entgegensetzen. Amen. Am zweiten Sonntage nach der Erscheinung deö Herrn. »Jesus und seine Jünger wurden auch zur Hochzeit geladen.« Joh. «, 2. Eingang. Heute wollen wir einmal unsere Herzen der Freude ausschließen, denn ein großer wichtiger Umstand fvdert uns mächtig dazu ans- Wir stndeu nämlich nach der Erzählung des Evangeliums den liebevol- N'n Jesus unfern Heiland niit seiner Mutter und mit seinen Jün- flcrn in einer fröhlichen Gesellschaft, im Kreise heiterer Menschen >-»)»» 54 « « « bei — einer Hochzeit. Der Schöpfer nimmt hier auf eine sicht¬ bare Weise Theil an dem Lebensglücke seiner vernünftigen Ge¬ schöpfe, und während er durch seine Gegenwart das Band der neugefchlosfenen Ehe heiliget, heiliget er nicht minder durch seine Gegenwart den Genuß irdischer Freude und des geselligen Ver¬ gnügens. Ja., er wirkt bei dieser Gelegenheit sogar das erste uns bekannte Wunder seiner Allmacht, indem er sechs Krüge Wassers in Wein verwandelt, sich so vor den Anwesenden als den göttlichen Gesandten bestätiget und zugleich durch seine wun¬ dervolle Mildthätigkeit die Freude der guten aber armen Braut¬ leute und ihrer Gäste erhöht. Aus dem Benehmen Jesu bei diesem Hochzeitmahle dürfen wir aber ganz richtig schließen, daß er, der Sohn Gottes, der Stifter imserer h. Religion irdische Freuden und gesellige Ergötzlichkeiten weder gemißbilliget noch ver- bothcn, sondern vielmehr dadurch, daß er selbst cm denselben so lebhaften Antheil genommen, zu verstehen gegeben habe, daß sich ein heiterer Genuß sinnlicher Freuden, so lange sie der Vernunft und dem Willen Gottes nicht entgegen sind, gar wohl mit seiner Religion vereinbaren lasse, und der Christ demselben nicht voll¬ kommen entsagen müsse. Das Beispiel unseres göttlichen Heilan¬ des berechtiget uns also, uns des Lebens und der Wohlthaten Gottes zu freuen, und eben dieses Beispiel des Heilandes berech¬ tiget auch mich Sie heute zum Genüsse irdischer und geselliger Freuden aufzumuntern, indem ich Ihnen erstens die Beweggründe hierzu näher angebe und auseinandersetze, zugleich aber auch die Art und Weise zeige, wie der Christ irdische Freuden und Er- götzlichkeiten genießen solle. Ich ersuche Sie hiebei um Ihre willige Aufmerksamkeit. Erster Theil. i. Einer der ersten und kräftigsten Beweggründe, der uns zu einem frohen und heitern Genüsse des Lebens anspornet —> stießt aus der Güte und Liebe unseres Schöpfers. Denn, wenn Gott ein Gott der Güte, der Urquelle aller Liebe ist, wie uns sein Sohn Jesus lehret, so kann seine Absicht nicht gewesen scyn uns in ein freudenloses kummervolles Daseyn zu rufen; und wenn dieier Gott der Güte und Liebe zugleich unser Vater ist, wie uns auch lein Sohn Jesus lehrte, so dürfen wir um so mehr Hessen, 55 t- daß er uns, seinen Kindern, keinen Freudengenuß vorenthält, der e- mit seiner Heiligkeit und mit unserer Bestimmung im Einklänge w ist. Er selbst, der Schöpfer, legte ja den Trieb nach Glückselig- >e kcit in unser Herz, mithin kann er nicht wollen, daß wir diesen - Trieb ersticken, sondern nur, daß wir ihn der Leitung der Ver- e nunft und seinem h. Gesetze unterwerfen; auch hat er die Erde e unfern gegenwärtigen Wohnsitz so scbön, so weise und wohlthätig eingerichtet, daß sie uns die mannigfaltigsten und schönsten Freu- ' den zum Genüsse darbiethct, und uns gleichsam mit lauter Stimme auffodert: Freuet euch der Güte und Liebe eures Gottes! — Inniges Mitleid verdienen daher jene Menschen, die diese Erde immer nur als einen Verbannungs - und Aufenthaltsort des Jammers, und das gegenwärtige Leben nur als ein Leben voll Gramm und Bitterkeit betrachten, und somit ihr Herz allem und jedem Freudcugenusse verschließen. Solchen Menschen fehlt es an reinen und richtigen Begriffen von Gott, sie verkennen die Güte und Liebe des Schöpfers, und sehen ihn nur als einen grausamen, gcbietherischen Herrn an, der von seinen Geschöpfen nur Unter¬ würfigkeit und knechtische Furcht fodert, und durch diese nur geehrt und verherrlichet werden will. -— Bemitleidenswerth sind wirklich solche Menschen; nicht genug, daß sie selbst ein düsteres freuden¬ loses Leben führen, so pflegen sie gewöhnlich auch Andern einen beständigen trüben Ernst anzuempfehlen, und die Fröhlichkeit hei¬ terer Gemüthec zu tadeln; ihr verstimmtes Herz möchte die ganze Umgebung in derselben Verstimmung sehen, damit nicht für sie allein diese Erde ein Jammerthal wäre. — Doch derlei Menschen gibt es doch nur wenige, sie machen eine Ausnahme in der Mehrzahl der fröhlichem Geschöpfe Gottes, und man darf sagen, daß, wenn man schon solche ganz lebenssatte Menschen findet, gewöhnlich spätere und ganz eigene Ursachen ihrem Trübsinne zu Grunde liegen. Ich bin gegenwärtig nicht gesonnen diese Ursachen näher zu untersuchen und zur Duelle des Nebels hinaufzusteigen, sondern sage nur soviel, daß, wer eine reine und richtige Kenntniß von Gottes Eigenschaften besitzt, wer sich bei einem guten Bewußtseyn getrost unter die Kinder Gottes zählen darf, wer dessen Wohl- thaten zu schätzen und sich ihm durch einen guten und heiligen Gebrauch derselben dankbar zu bezeigen weiß -— der hat gewiß allen Grund sich seines Dasevns kindlich zu freuen. Ein Gott voll ewiger Liebe schuf diese Welt, sie kann also kein bloßer >>»»» 56 Aufenthalt der Trübsal scyn — ein Gvtt voll ewiger Liebe setzte uns in diese Welt, mithin kann er nicht wollen, daß wir das Daseyn nicht freudig empfinden sollten, das wir von ihm erhalten haben. Gleich dem ersten Menschen wies ja der Schöpfer einen Garten des lebendigen Vergnügens an, ein Paradies, wie ihn die Schöpfungsgeschichte nennt, wo der Mensch unter den schönsten und mannigfaltigsten Gaben der Natur Gott seinen Schöpfer immer besser kennen, ihm kindlich dienen und sich in dessen Liebe seines Lebens freuen sollte. Gott die unendliche Güte und Liebs will also von seinen vernünftigen Geschöpfen nicht durch Jammer und Trübsal, sondern durch eine immer vollkommene Keuntniß Seiner selbst, durch einen kindlichen Gehorsam, durch einen fröh¬ lichen Genuß seiiier Gaben — kurz durch das Glück seiner Ge¬ schöpfe verherrlichet werden. Darum ruft uns im alten Bunde schon der königliche Prophet zu: Schmecket und sehet, wie freund¬ lich der Herr ist; und im neuen Bunde muntert der h. Apostel Paulus die Christen auf zu einem heilig frohen Genüsse des Le¬ bens : Freuet euch, meine Brüder/ schreibt er, ich wicderhohle cs euch, freuet euch allzeit in dem Herrn! — Die Güte und Liebe des Schöpfers berechtiget uns hiemit uns seiner Wohlthatcn und unseres Lebens zu freuen. 2. Aber auch die Beschränktheit unserer Natur und unserer Kräfte fodcrt ein gewisses Maaß von Freuden und Ergötzungen, damit Körper und Geist unter mannigfacher Anstrengung nicht er¬ liegen, sondern ihre Munterkeit und Lcbensthätigkeit behalten. Darum hat der Schöpfer, damit der Mensch in seiner Thatigkeit sich nicht selbst ausreibe, es weislich so eingerichtet, daß allzeit ein Trieb durch den entgegengesetzten beschränkt wird; so z. B. nach anhaltender körperlicher Arbeit ist süß die Ruhe, nach län¬ gerem Wachen erquickt der wohlthätige Schlaf, nach schwerer gei¬ stiger Anstrengung erheitert eine leichte Beschäftigung, den bittern Schmerz heilet eine folgende Freude. Dieser wohlthätige Wechsel ist also schon in unserer Natur gegründet und ein Werk der weisen Vorsehung Gottes. Wer daher seine Tage der Thräncn gehabt hat, der genieße mit dankbarem Herzen die Stunden der Freude, die ihm geschenkt sind, wer im Schweiße seines Ange¬ sichtes gearbeitet hat, der koste die Wohlthat der Ruhe, der schmecke die Früchte seiner Bemühung mit hcitcrm Eemüthe. » » » » 57 « «e<« Denn Alles hat seine Zeit, sagt der weise Sirach — es gibt eine Zeit znm Trauern, und es gibt eine Zeit zum fröhlich scyn. 3. Ferner sind einige sinnliche Freuden und Ergößlichkei- tcn von der Art, daß sie nur durch gegenseitige Teilnahme recht genossen, erhöht und veredelt werden. Dahin gehören die gesell¬ schaftlichen Freuden, die nicht nur besser geeignet sind zur Erhöh¬ ung und Stärkung des Geistes und Körpers, sondern auch zur Beförderung manches guten wohlthätigen Zweckes. Zm Kreise guter froher Menschen, da schließt sich das Herz so gerne den schönsten edelsten Gefühlen auf, z. B. dem Gefühle der Freund¬ schaft, der Nächstenliebe, des Mitleids, der Wohlthätigkeit und Dankbarkeit. Darum muntert auch der Apostel Paulus auf zu trauern mit den Traurigen, aber auch sich zu freuen mit den Fröhlichen. Und wahrlich, der vergnügte Mensch kann cs nicht leicht ertragen, Andere mißvergnügt, er kann es nicht übers Herz bringen, Andere leiden zu sehen, sondern er wünscht, wenn cs in seinen Kräften stünde, seine angenehmen Empfindungen, Allen was ihn umgibt mitzutheilcn, aller Herzen emporzurichtcn, ^alle Thränen, die geweint werden, abzutrocknen. Wie mancher Arme, Unglückliche und Leidende hat nicht sein besseres Fortkommen, seine glücklichere Lage und Gcmüthsstimmung einem lebensfrohen Augen¬ blicke seines Mitmenschen zu verdanken! Wie oft hat nicht eine heitere Stunde Menschen, die sich in den Lod gehaßt haben, ausgesöhnt und ein festes Band der Freundschaft unter ihnen ge¬ knüpft! Wie ost wurde nicht so mancher Feind der Wahrheit und Tugend, durch eine zur Zeit des geselligen Vergnügens auf eine edle Art angebrachte Belehrung und Zurechtweisung zum Nach¬ denken gebracht und für Wahrheit und Tugend gewonnen. So können also sinnliche besonders in Gemeinschaft genossene Freuden sogar Mittel zur Beförderung tugendhafter Zwecke, zur Ausübung gottgefälliger Handlungen werden. Und wahrlich, wenn wir Je- snm unfern Heiland selbst bei einem Hochzeitmahle finden, so wird sich wohl Niemand aus uns erkühnen zu behaupten, daher, dem die ganze Natur zu Gebothe stand, nur aus Eß- oder Trin- lust bei dem Mahle erschienen sey, sondern er nahm Thcil an dem Mahle und an der Freude der Gäste höherer und edlerer Zwecke wegen, z. B. um das Band der Ehe durch seine Gegen¬ wart zu segnen und zu heiligen, um durch Verwandlung des Wassers in Wein den Anwesenden eine leibliche Wvhlthat, einen » » »>- 58 «««« Beweis seiner Menschenfreundlichkeit und noch mehr einen Beweis seiner Gottheit zu geben, um ihnen manche Heilswahrheit zu offen¬ baren, manche beseligende Lehre an das Herz zu legen. Solche und ähnliche heilige Absichten hatte Jesus so oft er sich im Kreise fröhli- c cher Menschen einfand, und unter fröhlichen Menschen fand er sich i öfters ein, so z. B. erschien er auch bei cher Mahlzeit eines vor- i nehmen Pharisäers an einem Sabathe, setzte sich bei Simon dem Aussätzigen, einem sehr vcrmöglichen Manne, zu Äsche, nahm die freundliche Einladung der beiden Schwestern Martha und Maria an, lud sich bei dem Zöllner Zachäus selbst als Gast ein, und kehrte sich nicht an das heuchlerische Aergcrniß der Pharisäer, die ihn einen Vielfraß und Volltrinker nannten, sondern beruhigte ganz gelassen noch seine Jünger darüber, indem er sagte: Johannes mein Vorläufer führte ein strenges Leben, trank weder Wein noch starkes Getränke und nährte sich bloß von wildem Honig und Heu¬ schrecken, und es hieß: er ist ein wahnsinniger Mensch und ein Schwärmer; des Mcnschensohn kommt, ißt und trinkt, und sie sagen: sehet einen gefrässigen Menschen, einen Volltrinkcr. Waren nun sinnliche und gesellige Freuden an sich unchrbar und dem Wil¬ len Gottes entgegen, so hätte Jesus der Heiligste, der Lehrer der Wahrheit dergleichen Aergernisse gewiß vermieden, aber er that cs nicht, er mißbilligte einen weisen Genuß sinnlicher Freuden nicht nur nicht, sondern er nahm selbst an denselben lebhaften Antheil. 4. Und endlich besteht auch die Tugend selbst nicht in ei¬ nem düstcrn und traurigen Zustande des Menschen, sondern viel¬ mehr in einem fröhlichen heitern Streben aus Liebe zu Gott seine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen. Mangel an Gemüthsruhe oder Traurigkeit der Seele ist der Tugend gefährlich, und führt den Menfchen nur zu leicht in die Versuchung seine Pflichten entweder zu vernachlässigen oder zu verletzen; hingegen ist eine beständige stille Heiterkeit des Gemüthes die schönste Anlage zur Lugend, so daß eine auf die andere wohlthätig wirket — die Tugend erzeugt Heiterkeit'und Zufriedenheit, und Heiterkeit und Zufriedenheit be¬ fördert die Lugend. Weit entfernt also, daß der Christ allen irdischen Freuden entsagen müßte, muntert ihn vielmehr die Ver¬ nunft, die Religion und das Beispiel ihres göttlichen Stifters auf, sich seines Dafeyns auf eine Gott und den Menschen würdige Weise zu freuen. Wie aber dieses geschehen könne und solle — davon im »-»»» 59 «««« ?eis en- lnd li- -ch w- 'ie ia b ie z s i zweiten Theile. Daß wir sinnlichen Freuden und Ergötzlichkeiten vollkommen entsagen müßten, dazu verpflichtet uns, wie wir gehört haben, weder Vernunft noch Religion; aber wohl verbindet uns sowohl Vernunft als Religion zu einem heiligen und weisen Genüsse der¬ selben, und das geschieht s) Wenn wir als Christen nur er¬ laubte und unschuldige Freuden zum Genüsse wählen, solche nämlich, die dem Geiste der Religion Jesu, der Heiligkeit Got¬ tes und der Würde unserer unsterblichen Seele entsprechen. Uner¬ laubt und sündhaft sind daher jene Freuden und Ergötzungen, die schon ihrer Natur nach entweder der Ehrbarkeit, oder der Gerech¬ tigkeit, oder der Nächstenliebe, kurz der Tugend nachtheilig sind, und nicht anders als zum Nachtheile für Leib und Seele, folglich mit Verletzung des Gewissens genossen werden können. Ein sol¬ cher Freudengenuß ist darum auch kein wahrer, sondern nur ein Scheingenuß, dem die Reue auf dem Fuße nachsolgt; der Böse¬ wicht kann wohl ausgelassen lustig aber nicht froh und heiter seyn; der Lasterhafte kann sich eines gelungenen bösen Streiches freuen, aber die Vorwürfe seines erwachten Gewissens verwandeln seine Freude in Bitterkeit; sie ist kein reiner Himmel seine Freude, sondern nur ein augenblickliches Wetterleuchten zwischen schwarzen Wolken. Denn die wahre christliche Heiterkeit und Freude ist eine Gefährtin der Unschuld und Lugend. Wollten wir uns von dieser Wahrheit auf die einfachste Art überzeugen; so erinnern wir uns zurück auf unsere Kinderjahre; warum nennen wir denn diese die schönsten, die glücklichsten, die goldenen Jahre unseres Lebens? warum seufzen wir denn noch immer nach den harmlo¬ sen Tagen der ersten Jugend? warum wünschen wir uns den so oft, wenn schon die Kindheit nicht, doch gewiß den ungetrübten Le¬ bensgenuß der Kindheit zurück? Warum das? Wir kannten da¬ mals das Laster und die trüben Sorgen der Leidenschaften noch nicht — darum waren wir so glücklich, so lebensfroh, darum blühte uns die Gottes Erde so schön, darum rührten unser Herz so mächtig) die unschuldigen Freuden der Natur, darum dachten wir uns Gott immer nur so gerne als einen guten liebevollen Vater. — So war uns in den Tagen der Unschuld, und in einer solchen glücklichen lebensfrohen Stimmung sehen wir noch immer die unverdorbene Jugend; ihr freies Herz, ihr unbefangenes » » »)) 60 ) Wollen wir uns ferner unseres Daseyns ans eine hei¬ lige und weise Art freuen, so müssen wir selbst erlaubte und ganz unschuldige Freuden so genießen, daß wir dabei weder un¬ sere höhcrn Pflichten verletzen, noch andern zum Aergernisse werden. Darum muß bei erlaubten und unschuldigen Ergötzungen immer auch auf Zeit und Ort, ans Stand und Umgebung Rücksicht ge¬ nommen werden. Sich zu einer Zeit ergötzen, wo man wichtigere Pflichten zu erfüllen hat, auf einem Orte, der nicht dem Genüsse der Freude, sondern ernsthaftem und erhabenem Dingen geweckt ist, auf eine Art, die sich mit dem Alter und mit der Würde des Standes nicht verträgt, und in Gegenwart solcher Personen, denen man nicht wegen einer pharisäcischen Heuchelei, sondern wegen ihrer Schwachheit und ihrem Zartgefühle zum Steine des Anstoßes werden könnte — alles dieses ist Sünde, macht uns straffällig vor Gott. Darum ermahnet auch der Apostel: Freuet euch, aber sehet wohl auf, daß eure erlaubte Fröhlichkeit den Schwachen nicht zum Anstoße werde. a) Endlich dürfen wir sinnliche Freuden und Ergötzlichkci- tcn überhaupt und daher auch die erlaubten und unschuldigen nicht als Zweck, sondern als Mittel betrachten, um unsere allseitigen Pflichten desto lieber und leichter zu erfüllen, und mit unermüde¬ tem Eifer unsere Kräfte der Lugend zu weihen. Daher sollen irdische Freuden und Ergötzungen immer mit jener Mäßigkeit ge¬ nossen werden, die uns die Religion Jesu zur Pflicht macht, und gerade in einem mäßigen Freudengcnuffc zeigt sich die christliche Weisheit in ihrem schönsten Glanze. Die Erfahrung lehrt näm¬ lich, daß es vielen oder den meisten Menschen leichter sey, stand¬ haft und entschlossen im Unglücke zu bleiben, als Maaß zu halten bei Anlässen' der Fröhlichkeit. Im Unglücke fassen wir nämlich unsere Kräfte zusammen, und gebiethen mit aller Vorsicht über sie, in der Freude aber überlassen wir uns gar zu gerne dem Strome des Vergnügens, in welchem wir eben so leicht und noch » » )- )) 61 « « « « " leichter untergehcn kennen als im Strome des Unglücks. Der ' wahrhaft weise und fromme Christ aber behält auch in den ' Stunden der Fröhlichkeit dieselbe Würde und Besonnenheit, die ihn in den Stürmen des Lebens begleitet. — Ihn reisset die Gewalt des Vergnügens nicht fort, er bleibt Herr seiner selbst, er fühlt es lebhaft, daß der Geist sein edlerer Lheil sey, daß diesem die Oberherrschaft über die Sinnlichkeit gebühre; darum meistert auch nicht die Freude ihn, sondern er führt die Freude an seiner Hand. Während der ganz sinnliche Mensch im Tau¬ mel der Zerstreuungen unter seine Würde herabsinkt, erhebt und veredelt sich der wahre Christ im Genüsse glücklicher Stunden; während den Freuden des sinnlichen Menschen gewöhnlich Erschö¬ pfung, Ueberfättigung und Reue folgen, fühlt der wahre Christ nach dem Genüsse der Freude noch em heilig stilles Entzücken der Erinnerung, die seinen Geist so verschönert und verklärt, wie nach einem schönen Tage die schöne Abendröthe eine stille Landschaft verschönert und verklärt. Eine solche reine, wahrhaft beseligende und bleibende Heiterkeit der Seele werden wir empfinden, meine Lieben, wenn wir allezeit nur erlaubte, unschuldige und anständige Freuden und Ergötzungen suchen, sie zu rechter Zeit und mit christ¬ licher Mässigkeit genießen; dort wo aber diese nicht ist, oder wo sinnliche Freuden zum nothwendigen Bedürfnisse werden, da raubt uns selbst das unschuldigste Vergnügen die Freiheit des Geistes, führt uns auf Abwege, und verleitet uns zur Verletzung der heiligsten Pflichten. Im beständigen Vollgenusse sinnlicher Freu¬ den hört man gewiß auf gut und tugendhaft und somit glücklich zu feyn. Wichtig und unvergeßlich sey uns hierin der Ausspruch des Apostels, der da sagt: Alles ist mir zwar erlaubt, aber lucht alles nützet und erbauet, alles ist mir erlaubt, aber nichts soll die Herrschaft über mich erhalten. Amen. » » » » 62 « « « « Am dritten Sonntage nach der Erscheinung. »Herr, mein Knecht liegt zu Hause gichtbrüchig und leidet große f Schmerzen.« Math. 8, 6. ' > Eingang. ^Dehr merkwürdig und lehrreich in mannigfacher Hinsicht ist der Inhalt des heutigen Evangeliums. Aber nichts ist Rührender und Nachahmungswürdiger als das Benehmen des Hauptmanns, der sich dem Heilande vertrauungsvoll nähert, und ihm seine Bitte um Heilung seines kranken Knechtes vorträgt. — Herr, sagt er, vom Mitleide ganz durchdrungen, Herr, mein Knecht liegt zu Hause an der Gicht und leidet große Schmerzen! Jesus der in das mitleidsvolle lieberfüllte Herz des Hauptmannes fah, wollte seiner Bitte, ehe er selbe noch ausfprach, liebreich zuvor¬ kommen, — ich werde kommen, sprach er und deinen Knecht ge¬ sund machen. Aber mit seltener Demuth lehnt der Hauptmann die zuvorkommende Menschenfreundlichkeit des wunderthätigen Hei¬ landes ab, —> Herr, sagt er, ich bin nicht würdig, daß du in mein Haus gehest, sondern sprich nur ein einziges Wort und mein Knecht wird gesund. Was soll man nun an diesem Menschen mehr bewundern, — seine mitleidige Liebe gegen seinen kranken Knecht, oder seine tiefe Demuth, oder sein unbegränztes Ver¬ trauen auf den Heiland. Jesus selbst lobte zwar vor den An¬ wesenden nur den grossen Glauben, des Menschen; wahrlich sprach er, einen solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden; aber er fand dessen übrige Lugenden nicht minder lobenswcrth, darum ließ er ihm auch schnelle Gewährung seiner Bitte werden, — sein Knecht wurde in derselben Stunde gesund. Wahrlich so schöne, edle Züge, wie wir sie in dem Charakter dieses Haupt¬ mannes finden, verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit, wir wollen darum heute einen vorzüglich heraus heben, — und wel¬ chen? Gleich den von seiner mitleidigen Liebe gegen seinen Knecht; diese wollen wir auch den christlichen Hausherren ancmpfehlen, und zur Nachahmung aufstellen, oder noch besser, wir wollen von den Pflichten der Herren gegen ihre Dienstbothen überhaupt reden, und wahrlich, es wird besonders in unsern La- »»»» 65 «««« gen nicht überflüssig seyn, davon zu reden, da die Herren ihre Pflichten gegen Dienstbothen, so ost zu vergessen und zu verletzen pflegen; — ich wünschte Sie also an dieselben zu erinnern, sie Ihnen kräftig an das Herz zu legen. Ein gutes nützliches Wort ie für arme und gewöhnlich verachtete Menschen, dergleichen die Dienst¬ bothen sind, zu sprechen, ist ja jedes Christen heilige Pflicht, um , somehr die meinige. Vernehmen Sie mich also heute im Nah¬ men Jesu mit williger Aufmerksamkeit. r Abhandlung. e Gott, dessen weise Vorsehung in allen ihren Werken so , unerfvrfchlich als anbethungswürdig ist, hat zwar den Aermern t und Niedrigem das Loos zugetheilt, ihren vermöglichern Mitbrü- ; dcrn zu dienen, sich im eigentlichen Sinne im Schweiße ihres An- , gesichtes ihr Brot zu erwerben. Aber so wie darum Gott nicht aushört, Vater der Armen und Niedrigen zu seyn: so ist auch sein ausdrücklicher Wille, daß man diese als seine Kinder be¬ trachte und als solche behandle. Darum legt er auch den Haus¬ herren und Hausfrauen gewisse Pflichten auf, die sie gegen ihre Dienstbothen gewissenhaft zu erfüllen haben, wenn sie sich seines Wohlgefallens versichern wollen. Daß die Erfüllung jener Pflich¬ ten groß und wichtig sey, erhellt zur Genüge aus den Worten des h. Apostels Paulus, indem er lagt: Wer für die Seinigen, vor¬ züglich für seine Dienstbothen keine Sorge trägt, der hat seinen Glauben verlaugnet, und ist ärger als ein Heide. — Worin be¬ stehen nun die Pflichten der Herren gegen ihre Dienstbothen? Sie bestehen in Wesentlichen darin: daß sie gegen Dienstbothen Gerechtigkeit ausüben, selbe mit Liebe behandeln, und zur Got¬ tesfurcht oder Lugend anlciten. Was nun die erste, die Pflicht der Gerechtigkeit betrifft, so verbindet diese, die Hausherren ihren Dienstbothen den vcr- tragmässigen Lohn, und eine geziemende Verpflegung zu geben! denn mit dieser Bedingung treten Dienstbothen in das Haus und opfern dem Dienste ihrer Herren mit der Freiheit und Ruhe, nicht selten ihre Gesundheit und ihre Kräfte auf. Es ist daher eme schwere Versündigung nicht nur wider die göttliche, sondern auch menschliche Gerechtigkeit, wenn man den Dienstbothen und Arbeitern entweder den verdienten Lohn entzieht, oder ihnen das , » » » » 64 «««« sauer erworbene Brot schmälert, und nur mit Unwillen unter bittern Vorwürfen darreicht. — Schon im alten Bunde wurde dergleichen Ungerechtigkeiten durch ein ausdrückliches göttliches Gcboth Einhalt gcthan, und die Uebertreter dieses Gebolhes wurden nicht selten auf die abschreckendste Weise bestraft. So lautete aber das Geboth: Du sollst weder deinem armen und dürftigen Mitbruder, noch auch einem Fremdlinge, der im Lande wohnt, den verdienten Lohn entziehen, sondern du sollst ihn den¬ selben noch am nämlichen Tage vor Sonnenuntergang reichen, weil er arm ist und davon leben muß; denn sonst wird er zum Herrn rufen und es wird dir zur Sünde gerechnet werden. Dieses göttliche Geboth schärfte auch der alte Tobias seinem Sohne am Sterbebette nachdrücklich ein: Sohn, sprach er, wenn dir Jemand gearbeitet hat, so gib ihm alsogleich den verdienten Lohn. Tob. 4, 15. Wenn nun im alten Bunde schon die bloße Vorent¬ haltung des Verdienstes der Dienstbothen und Arbeiter, so strenge untersagt und geahndet wurde, um wie viel mehr muß jenes Ge¬ both nicht im neuen im vollkommenem Bunde sein volles Gewicht haben, um wie viel mehr muß nicht eine ungerechte Schmälerung oder gänzliche Entziehung des Dienstbothcnlohncs die Herren strafwürdig machen in den Augen Gottes. Die Größe und Straf¬ würdigkeit einer solchen Ungerechtigkeit erhellet auch deutlich aus den Worten des Apostels Jakob 5, 4. Sehet, sagt er, der Lohn, um den ihr diejenigen betrogen, die in eucrn Feldern gear¬ beitet haben, schreit mit kläglicher Stimme, und dieses Geschrei ist bis zu den Ohren des Herrn des Gottes Sabaoth gedrungen. Den Dienstbothen und Arbeitern ihren verdienten Lohn entziehen ist also eme himmelschreiende Sünde, die strenge Rache federt von der Gerechtigkeit Gottes. — Indessen, was die Pflicht der Ge¬ rechtigkeit gegen Dienstbothen von dieser Seite betrifft, so hätte man sich darüber, daß den Dienstbothen ihr verdienter Lohn vol¬ lends entzogen wird — in unscrn Tagen weniger zu ereifern, weil solchen Ungerechtigkeiten auch weltliche Gesetze starken Einhalt machen. Aber den Dienstbothen ihren Lohn nicht zu gesetzter Zeit verabreichen, oder ihnen denselben lieblos schmälern unter dem Vorwande einer Saumseligkeit, oder eines im Dienste verursachten Schadens, wobei man den wahren Stand der Dinge nicht untersucht, sondern sich zum Richter in seiner eigenen Sache aufwirft — eine solche Verletzung der Gerechtigkeit gegen Dienstbothen findet man » »>-)- 65 « «s<« wohl noch hin und wieder unter christlichen Hausherren; und fände man sie wo immer, so ist sie eine schwere Verletzung des göttlichen Gebothes und strafwürdig im Angesichte Gottes. Eine zweite nicht minder wichtige Pflicht der Herren gegen ihre Dienstbothcn, ist eine liebreiche Behandlung derselben. Die Liebe verpflichtet uns ja schon, uns eines dürftigen Fremdlingcs der uns keinen Dienst geleistet hat, und von dem wir auch keinen zu hoffen haben, menschenfreundlich anzunehmen; um wie viel mehr verpflichtet uns die Liebe nicht, einem armen Dienstbothcn seine Lage angenehmer und erträglicher zu machen, da er die Last und Hitze des Tages trägt, sich unter Arbeit und Sorgen er¬ schöpfet, und alle seine Kräfte der Erfüllung schwerer Pflichten aufvpfert. Um so grosser ist die Pflicht einer liebreichen Behand¬ lung gegen solche Dienstbothcn, welche entweder eine niedrige Geburt, eine unverschuldete Armuth, ein unvorgeschcnes Unglück, oder die Ungerechtigkeit böser Menschen in den harten Stand des Dienens und Gehorchens versetzt hat. Solchen Armen und Un¬ glücklichen soll man vorzüglich ihre Lage zu erleichtern suchen, ihre Schwachheiten mit Geduld übertragen, ihnen wo möglich an die Hand gehen, sie zur Zeit eines Unglückes vorzüglich in der Krankheit und im Alter nicht verlassen, besonders wenn sie ihre Gesundheit unter der Last der Arbeit eingcbüßt, oder ihre Kräfte durch treue Erfüllung ihrer Pflichten in einem vieljäbrigcn Dienste aufgezehrt haben. Aber das ist cs eben, worin sich in unfern Tagen so manche Hausherren und Hausfrauen versündigen! Wenn der Dienstboth auch durch ein unverschuldetes Unglück, durch Krank¬ heit oder Alter unbrauchbar wird, so ziehen sie gleich Herz und Hand von ihm, überlassen ihn seinem Elende und fremden Men¬ schen. Solchen Hausherren und Hausfrauen möchte ich wohl vor allen den evangelischen Hauptmann als nachahmungswürdiges Muster aufstellen. Dieser Herr hatte auch einen kranken Diener im Hause, und daß dieser Diener nicht auf eine kurze Zeit, son¬ dern vielleicht auf immer unbrauchbar war, schließen wir leicht aus der Art seiner Krankheit — er lag, heißt cs an der Eicht darnieder, also an einem besonders im Morgenlande fast unheil¬ baren Uebel. Nichts desto weniger behielt ihn der Herr in seinem Hause und ließ ihn nicht nur liebreich verpflegen, sondern war selbst um dessen Heilung am meisten besorgt; darum suchte er in eigener Person Jesus den wuuderthätigm üuf, und trug ihm, wie wir 5 »»»» 66 « gehört, nichts angelegentlicher als die Bitte um Gesundmachung seines kranken Knechtes vor; im Ausdrucke des innigsten Mitlei¬ des, dessen sein menschenfreundliches Herz fähig war, sprach er zu dem Heilande: Herr! mein Knecht liegt bei mir ist meinem Hause an der Gicht und leidet große Schmerzen! Wie rührend ist nicht schon der Eingang dieser Bitte! Wenn es doch mehr solche lieb¬ reiche mitleidige Dienstherren gäbe, wie dieser Heide war — und unter Christen sollte cs ja recht viele, ja lauter solche menschen¬ freundliche Hausherren geben; besonders wenn diese bedächten: daß die Dienstbothen einen und denselben Herrn und Vater mit ihnen zugleich im Himmel haben, daß diese auch Kinder Gottes, Er¬ löste Jesu Christi und Erben der ewigen Seligkeit sind, und daß sie ihrer unsterblichen Seele nach auch im groben Kleide, in ihrem niedrigen und verachteten Stande dieselbe Würde besitzen, wie ihre Dienstherren in ihrer weltlichen Macht, in ihrem irdischen Glanze. Wenn christliche Herren diese Wahrheiten lebhaft cinse- hen und fühlen wollten: so würden sie ihre Dienstbothen gewiß auch als ihre Kinder und Brüder in Christo betrachten, sie daher nie mit Härte und Verachtung behandeln, sondern, ohne sie ihrer billigen Pflichten zu entheben, ihnen dieselben möglichst erleichtern, ohne sich mit ihnen zu ihrem Nachtheile gemein zu machen, sie doch immer schätzen, ihres guten Namens schonen, ihre Mängel und Unvollkommenheiten willig übertragen, und sic auf eine sanfte liebreiche Art belehren. Ihr, die ihr geistreich und vernünftig seyd, schreibt der Apostel, gebet cucrn Dienstbothen Ermahnungen im Geiste der Sauftmuth, und betrachtet euch selbst in ihren Schwachheiten, in welche ihr fallen könnet, wie sie, übertraget mit Geduld und Demuth, was ihr nicht ändern könnt, so wer« det ihr das Gesetz Jesu Christi erfüllen. Die dritte und wichtigste Pflicht der Herren gegen ihre Dienst- bothen ist, daß sie diese zur Gottesfurcht anleiten und in derselben erziehen, also nicht nur für ihr leibliches, sondern auch für ihr Scelcnwohl die größte Sorge tragen. Der Apostel schärft christ¬ lichen Dienstbothen vorzüglich aus dem Grunde Gehorsam und Treue gegen ihre Herren ein, weil diese, wie er sagt, über sie wachen und Gott für ihr Seelenheil Rechenschaft geben müssen. Wie sollen nun christliche Herren für das Seelenheil ihrer Dienst¬ bothen Sorge tragen und über selbes wachen? vorzüglich durch einen christlichen Unterricht, durch Zurechtweisung und durch ei- »»»» 67 « « «- ß n d n i genes gutes Beispiel. — Was den Unterricht betrifft, so ist des¬ selben ost Niemand bedürftiger als die Dicnstbothen; denn ge¬ wöhnlich sind dieses Menschen, die wenig oder gar keine Erzie¬ hung erhalten haben, weil sic entweder in Armuth geboren, oder von ihren Aeltern verlassen, oder von ihnen frühzeitig getrennt und genöthiget worden sind Andern zu dienen, ihr Brot bei frem¬ den Menschen zu suchen. Selche Unwissende und Arme am Geiste in den Lehren des Heils unterweisen, sie mit göttlichen Dingen bekannter zu machen, ihnen Liebe zur Tugend cinzuflösscn, ist da¬ her eine der heiligsten Pflichten, eines der größten und schönsten Liebeswcrke, welches Gott noch unendlich mehr belohnen wird als jedes andere leibliche Werk der Barmherzigkeit. Wahrhaft christ¬ liche Hausherren und Hausfrauen werden sich also außer dem leiblichen auch das geistige Wohl ihrer Dicnstbothen mit Eifer angelegen seyn lassen, werden ihnen bei jeder schicklichen Gelegenheit auch das Brot des göttlichen Wortes brechen, sie mit den Wahr¬ heiten und Pflichten des Christenthums bekannt machen, und so ibre Erkenntlich zu vermehren und zu vervollkommnen suchen. Und können schon die Hausherren und Hausfrauen nicht selbst in ei¬ gener Person es thun, so werden sie wenigstens ihren Dienstbo- thcn Gelegenheit verschaffen, sich das Brot des geistigen Lebens, die Erkenntlich Jesu Christi und seiner Lehre in der Kirche im Haufe Gottes zu holen, also weit entfernt dieselben vom Gottes¬ dienste abzuhalten, werden sie selbe noch ancifetn, es ihnen ge¬ wissenhaft einschärfen, an Sonn- und Festtagen oder auch zu andern Zeiten, durch einen ordentlichen und soviel möglich fleißi¬ gen Besuch des Gottesdienstes für ihre Seele zu sorgen. Aber leider! daß dieses von vielen Hausherren nicht geschieht, daß diese ihre Dicnstbothen vom Kirchenbesuche, wo nicht zurückhaltcn, ihnen doch denselben so verleiden, beschränken und erschweren, daß die armen Dicnstbothen den Samen des göttlichen Wortes, wenn ich mich so ausdrücken darf, stehlen müssen, und gleich flüchtigen Reisenden- dem h. Meßopfer, dem Genüsse der h. Sakramente, dem Gottesdienste überhaupt nur im Vorbeigehen beiwohnen kön¬ nen, das ist es, worüber sich heut zu Lage rechtschaffene christ¬ liche Dicnstbothen mit Recht zu beklagen hätten, -— Von lieder¬ lichen und ausschweifenden Dicnstbothen ist hier nicht die Rede; diesen ist hier wohl nichts Erwünschter, als solche Dienstherren ju bekommen, wo sie zu nichts Göttlichen angecifert werden, son- 5 * » » » » 68 «««« dem nach ihrer eigenen Willkühr und zügellosen Freiheit dahin leben können. Ich bitte und beschwöre Sie bei allem, was Ihnen heilig ist, meine Lieben, hüthcn Sie sich einerseits vor solchen bösen lasterhaften Dienstbothen, ahmen Sie aber auch andererseits das böse Beispiel jener Herren nicht nach, die ihren Dienstbothen das Höchste, das Heiligste und Nothmendigste entziehen. — Das Brot der Seele, das Wort Gottes und die Heilsmittel der Re¬ ligion! belasten Sie Ihr Gewissen nicht mit dieser schrecklichen fremden Sünde, die Ihnen und den Ihrigen einen gewissen Un¬ tergang bereitet, und glauben Sie mir, nein nicht mir, sondern dem Evangelio, daß Ihnen verwahrloste, gottvergessene Dicnst- bothen kein Glück und Segen in das Haus bringen, sondern ihn aus denselben verscheuchen; daß hingegen, je frömmere und christ¬ lichere Dienstbothen Sie aufnehmen oder erziehen, desto treuere, arbeitsamere und geduldigere Menschen Sie an ihnen haben wer¬ den, so daß Sie mit Recht von jedem Ihrer Dienstbothen, wie Laban von seinem Knechte Jakob, werden sagen können: Ich er¬ kenne es, daß Gott mein Haus gesegnet hat, seitdem du bei mir bist. Mit dem christlichen Unterrichte sollen ferner die Hausherren auch die christliche Zurechtweisung verbinden, welche darin besteht, daß sie an ihren Dienstbothen alles Unehrbare, Aergerliche, der Gerechtigkeit und Nächstenliebe, kurz der Lugend Nachthcilige zuerst mit Güte und brüderlicher Schonung, dann aber auch mit weisem und festen christlichen Ernste hintanzuhalten und zu ver¬ bessern suchen; und um dieses desto leichter thun zu können dafür sorgen, daß die Dienstbothen von bösen Gesellschaften zurück¬ gehalten, und ihnen jeder fündhaftc Umgang, sowohl unter sich, als mit Fremden, besonders in müßigen Stunden und an unbe¬ wachten Orten, abgeschnittcn werde. Vor allem aber ist, was den Umgang zwischen Dienstbothen und Kindern betrifft, die größte Wachsamkeit und Sorge notbwendig. Eine zu große Gemeinschaft und Vertraulichkeit zwischen Kindern und Dienstbothen ist fast allezeit gefährlich, und nur zu oft die unselige Klippe, an welcher die Lu¬ gend des Einen oder des Andern scheitert. Wahrlich Niemand richtet eine größere Verwüstung in einer christlichen Familie an, als ein böser ausschweifender Dicnstboth. Die Ursache ist leicht einzusehen; die Kinder halten sich nämlich öfter und gewöhnlicher, auch lieber bei Dienstbothen auf, als bei den Aeltern, und haben »»»» 69 « « « « »'n en en ts en >s e- 'N i- n n gegen jene um so mehr Vertraulichkeit, je weniger Ehrfurcht; daher kommt es, daß die Kinder so leicht und so bald alle Unarten und Ausschweifungen annehmcn, die sie an den Dienst- bothen bemerken. Darum ist es auch nicht nur rathfam, sondern durchaus nothwendig, bei Aufnahme der Dicnstdothen sich wohl zu erkundigen, was es für Leute sind, bei welchem Herrn und wie sie gedient haben, weil man sonst Gefahr laust, Menschen in das Haus aufzunehmcn, die, nachdem sie aus einem Dienste in den andern, von einem Orte zum andern gewandert haben, überall wenig oder nichts Gutes, wohl aber alles Möse und Schädliche angenommen haben, welches sie dann auch überall, wo sie hinkommen, verpflanzen und ausbreitelw Lassen Sie sich also keine Mühe verdrießen, um gute christ¬ liche Dienstbothen zu erhalten, oder sie gut und tugendhaft zu machen. Zu diesem Ende wird außer dem christlichen Unterrichte und der Zurechtweisung am meisten noch Ihr eigenes gutes Bei¬ spiel fruchten. . Denn dieses ist der stärkste Antrieb zur Lugend; wenn Sie in Gegenwart Ihrer Dienstbothen von Gott und gött¬ lichen Dingen allezeit mit wahrer Ebrfnrcht, mit einer ungeheu- cheltcn Rührung sprechen, wenn Sie selbst dem Gottesdienste oft und mit sichtbarer Andacht beiwohnen, wenn Sie den Vorschrif¬ ten des Christenthumes in Ihrem häuslichen Leben in Kreise Ihrer Familie gewissenhaft nachzukommcn suchen, so werden die Dienst- bothcn ohne erst von Ihnen aufgefodert zu werden, gerne alles das Gute thun und nachahmen, was sie an Ihnen selbst bemer¬ ken werden. — Aber mit schwerem Herzen muß ich hier die Be¬ merkung machen, daß es nur wenig solche christliche Hausherren und Hausfrauen gibt, die ihren Dienstbothen mit eigenem guten Beispiele vorlcuchtcten. Vielmehr gehen Manche so weit, daß sie ihre Dienstbothen nicht nur durch ein unsittliches Betragen ärgern, sondern sie sogar durch böse Rathschläge, durch Verheißungen, List und Gewalt zur Sünde verleiten, und nicht selten zu Opfern ihrer strafwürdigen Leidenschaft machen. Unselige Hausherren und Hausfrauen! arme Dienstbothen! '— doch, ich schweige, Sie verstehen mich. Es kommt einst der Tag der gerechten Rache, an welchem Gott fürchterlich zu Ge¬ richte gehen wird, mit Jenen, welche fremde Unschuld an das Laster verkaufen. Damit Sie jenen Tag nicht zu fürchten haben werden, so erfüllen Sie die heil. Pflichten, die Sie heute kcn- >-» »>- 70 « « « e< nen gelcrnct Haien, mit größter Gewissenhaftigkeit, so werden Sie keinen von denen, die Ihnen anvertraut worden sind verlie¬ ren, sondern sie zu seiner Zeit alle dem Herrn, der sie Ihnen übergeben hat, freudig zurückstellen. Amen. Am vierten Sonntage nach der Erscheinung. »Er stand auf, geboth den Winden und dem Meere, und sogleich war Alles ruhig.< Math, ä, 26. Eingang. Nach der Erzählung des heutigen Evangeliums begab sich Je¬ sus, ermüdet vom anhaltenden Lehren, mit seinen Jüngern auf ein Schiff, und fuhr von der westlichen Seite des galiläischen Sees, auf die östliche hinüber. — Auf dieser Fahrt erhob sich nun ein heftiger Sturm. Das Schiff, auf welchem sich Jesus und seine Jünger befanden, und einige andere Schiffe, die ihnen nachfolgten, geriethcn in die größte Gefahr, da der Wind je län¬ ger je heftiger, und die Wellen so ungestüm wurden, daß sie die kleinen Fahrzeuge beinahe bedeckten. — Alles war in der größten Angst, nur Jesus lag ruhig, gleich einem müden Arbeiter, an einer Hauptlehne auf dem Vordertheile des Schiffchens, und schlief. Seine Gegenwart hätte den Jüngern wohl alle Furcht benehmen sollen, um so mehr, da sie unlängs so erstaunliche Proben seiner Macht gesehen hatten; allein die Bestürzung und das Angstgeschrei der Mitschiffenden, vergrößerte den Anschein der Gefahr. Mit Ungestüm weckten die Jünger den Heiland, und riefen: Rette uns Herr! wir gehen sonst zu Grunde! — Jesus erwacht, Er der sich qns menschlicher Schwachheit niedergclegt hat, steht mit göttlicher Krast auf, sieht ruhig um sich her, gibt den Jüngern einen Verweis über ihren Kleinmuth, — und befiehlt sodann dem Sturmwinde und den Wellen ruhig zu seyn. Auf der Stelle legt sich der Wind, die Wogen ebnen sich, und der überzogene Him¬ mel wird heiter. Allgemeines Erstaunen, folgt auf dieses erha¬ bene Wlilldex: Wer ist hxx, rufen die Schiffleute von Ehrfurcht »»»» 71 «««« ergriffen aus, — wer ist der, dem sogar Wind und Wellen ge¬ horchen.'? — Wir rufen bei Anhörung dieses Wunders nicht so aus, wir fragen nicht erst verwundernd: Wer ist wohl dieser mäch¬ tige Meister, dem auch Wind und Meer gehorchen? — Wir glauben es und sind überzeugt, daß er unser Gott und Herr, un¬ ser Heiland und Helfer ist, daß er uns mit seinem mächtigen Bei¬ stände in allen Bedrängnissen eben so gegenwärtig ist, wie er sei¬ nen Jüngern zur Zeit des Seesturmes gegenwärtig war; — wir wissen es auch als Christen noch viel besser als seine allerersten noch kleingläubigen Jünger, daß wir in was immer für einer Ge¬ fahr, auf ihn unser volles Vertrauen sehen, zu ihm jederzeit un¬ sere Zuflucht nehmen sollen. Es gibt aber für uns, auf dieser irdischen Lebensfahrt nicht mindere, ja wohl größere Gefahren noch, als jene war, in welcher sich seine Jünger auf dem galiläischen See befanden — Gefahren nämlich, die nicht nur unserem leibli¬ chen, sondern auch, und noch mehr, unserem geistigen Leben, oder unserer Seele den Untergang drohen. Und solchen Gefahren werden wir beständig ausgesetzt, durch Versuchungen zur Sünde. — Da sollten wir denn wohl einerseits um unsere Rettung sehr besorgt seyn, andererseits aber auch vertrauungsvoll zu Jesus anf- blickcn, der allein uns zu retten vermag. Aber nicht Alle, ja die wenigsten Christen kennen die mancherlei Versuchungen die der Seele Gefahr bringen, oder aber wollen dieselben nicht kennen, und eben so Wenige wissen es, wie sie sich zur Zeit der Versu¬ chung verhalten sollen. Ich habe mir darum vorgenommen, Sie heute, auf das Eine wie auf das Andere aufmerksam zu machen, indem ich Ihnen zuerst die mancherlei Gattungen der Versuchungen zur Sünde, und ihre Gefahr zeige, dann aber zugleich lehre, welche Gesinnungen der Christ zur Zeit der Versuchung annehmen, und wie er sich vorzüglich dagegen verwahren solle. Der buch¬ stäbliche Sinn des Evangeliums soll uns zum Leitfaden der gan¬ zen dießfälligen Sittenlehre dienen. Schenken Sie dem Gegen¬ stände Ihre Aufmerksamkeit. Erster Theil. Wenn man das Leben des Menschen hicnieden etwas auf¬ merksam betrachtet, so kann man es füglich mit jener Schifffahrt der Jünger Jesu auf dem Meere (See) vergleichen, von welcher das » »)) L) 72 « e<« heutige Evangelium redet. Unsere Seele, dieser unsterbliche, nach dem Ebenbilde Gottes geschaffene, durch den unendlichen Werth des Blutes Jesu Christi erkaufte, und für eine ewige Seligkeit be¬ stimmte Geist wohnt nämlich in diesem unserem sündigen, hin¬ fälligen Körper, wie in einem schwachen gebrechlichen Schiffe. — Die Welt ist jenes große, durch geistige Schiffbrüche aller Art bcrüchtete Meer, worauf wir von einem Gestade hin an das an¬ dere trachten, nämlich von der Arbeit zur Ruhe, von den Wider¬ wärtigkeiten zu den Freuden, aus der Fremde nach dem Vaterland, vom Genüsse vergänglicher, zum Besitze ewig dauernder Güter.— Sv ist unsere Lebcnsschifffahrt beschaffen; niemals gibt es auf derselben einen vollkommenen Stillstand, niemals anhaltende Ruhe. Kaum scheint die Seele einen Augenblick im stillen Gleichgewichte zu stehen, und eines süssen Friedens zu genießen; so ist es gleich der folgende Augenblick, der diese Stille unterbricht, diesen bese¬ ligenden Frieden stört, so daß wir auf unsere geistige Lebcnsfahrt recht oft dieselben Worte anwendcn können, die der h. Evange¬ list niederschrieb, als er die gefahrvolle Seereise der Jünger Zesu schilderte, nämlich: es erhob sich ein grosser Sturm, das Meer tobte, das Schifflein ward mit Wellen bedeckt. — «) Lud zwar ist das Erste was in unserer Seele den Frie¬ den stört und Unordnung erregt, — unsere Begierlichkeit, — diese traurige Folge der Erbsünde, die uns mit unserem Le¬ ben schon angeboren wird, und die nicht eher als mit dem zeitli¬ chen Tode aufhört, — dieses harte Gesetz in unfern Gliedern, wie es der Apostel nennt, das sich fortwährend wider unfern Geist empört und uns unter die Knechtschaft der Sünde erniedrigen will. Jeder, sagt der h. Jakob, wird von seiner eigenen Begierlichkeit ver¬ sucht, die ihn gleich einer Lockspeise zieht. Diese unselige Wurzel des Bösen, die Begierlichkeit ist demnach dem Heile unserer Seele am gefährlichsten; denn bald treibt sie uns an sündhafte Genüsse für unsere inneren und äusseren Sinne zu suchen; bald muntert sie uns auf, dem Lobe der Menschen, eitlen Ehren und Würden nach- zujagen, bald reizet sie uns Geld und Gut und irdische Schätze zu häufen; jetzt entflammt sie den Zorn in uns, jetzt erzeugt sie Neid und Eifersucht in uns, jetzt macht sie uns kühn, frech, wild und ungerecht, jetzt schlägt sie uns bis zur tiefesten Schwermuth darnieder. Ja ost bringt die Begierlichkeit zu ein und derselben Zeit, in einer und derselben Seele, doppelte Anfälle hervor. Da » » » » 73 e< d< « « haben wir also von Innen den Sturm sinnlicher Neigungen, da tobt das Meer aufgeregter Leidenschaften, da bedecken gleich¬ sam die Fluthen der Bersuchnngen die zagende Seele. I,) Das Andere, was die Ruhe der Seele stört und sie in Verwirrung bringt, oder wenn sie bereits in Verwirrung gesetzt ist, dieselbe noch vermehrt, — sind die Gegenstände außer uns, die äußern Reize und Lockungen zur Sünde, die eben so zahlreich und mannigfaltig als verführend sind. Alles, was unserer Begierlichkeit zusagt, hat auf unsere Sinne einen entschiedenen und überaus mächtigen Einfluß, und bringt unseren Geist nur zu leicht aus dem stillen Gleichgewichte einer vernünftigen Ucberlegung. Denn kaum haben die äußern Reize des Lasters unsere Sinne zu fesseln angcsangen, so wird schon unsere Aufmerksamkeit von der Stimme der Vernunft und des Gewissens abgezogen, die Einbildungskraft wird überaus geschäftig, — der Verstand von trüben Nebeln um- wvlkt, der Wille, wie ein schwaches Schilfrohr vom Winde hin und her getrieben, und die Begierde in Aufruhr gebracht; die Seele leidet Gewalt, und schwebt in offenbarer Gefahr, denn das Verderben der Sünde strebt durch die äußern Sinuc, als durch eben so viele Oeffnungen, einzudringen in das schwache menschliche Herz. Und so haben wir von Außen her, den Sturmwind ver¬ führerischer Gegenstände, da tobt das Meer der Lüsternheit, da bedecken die Wellen ungestümer Begierden die verwirrte Seele. — o) Nicht minder ist es auch' der allgemeine Menschenfeind der Satan, der unserer Seele Gefahr bereitet. Denn: er gleicht sagt der h. Petrus einem brüllenden Löwen, der nur umhergcht, auf Raub lauert, und sucht, wen er verschlinge. Diese alte Schlange, dieser Vater der Lüge, wie ihn die h. Schrift nennt, der schon unsere ersten Stammältern aus Neid um die Gnade Gottes gebracht, und sie um das irdische Paradies betrogen habe, hat seinen bösen Willen dem Mcnschcngeschlcchte zu schaden, seit der Zeit nicht abgelegt, denn ist auch seine Macht durch Christus unfern Erlöser gebunden, so sucht er mittelbar zu bewirken, was er unmittelbar zu bewirken nicht vermag. — Er spähet näm¬ lich unser Naturell aus, er entdeckt unsere schwache Seite, er be¬ dient sich unserer Neigungen, — ordnet nicht selten die Gelegen¬ heiten und erweckt den bereits vorhandenen Funken der Begierde zur Flamme. Zn dieser Hinsicht ermahnt der h. Apostel Paulus die Christen: Eph. 6, 11 — 13. Leget die Waffeurüstung Gvt- »»»» 74 «««« tos an, daß ihr bestehen könnet gegen die Nachstellungen des Leu- d< fcls. Denn wir haben nicht blaß zu kämpfen gegen Fleisch und tt Blut, d. i. nicht bloß gegen Feinde, die sterblich sind, und schwach Ü wie Menschenkinder, sondern wir haben, sagt der Apostel, auch zu 6 kämpfen gegen die Mächte und Gewalten, gegen die Welchen- l scher dieser Finsterniß, gegen die Geister der Bosheit im ' Ueberirdischen, d. h. gegen Feinde, die höher und mächtiger sind, gegen die Macht böser Geister, die uns durch ihre Einge¬ bungen und durch die Welt und durch unsere Gelüste versuchen und bekämpfen. An diese unsichtbaren Feinde unserer Seele schlie¬ ßen sich die sichtbaren, als Genossen der Erster» an; das sind nämlich böse, lasterhafte, ungläubige Menschen, die uns bald heimlich bald öffentlich, bald durch List, bald durch Gewalt, bald durch Lob, bald ^urch Tadel, bald durch Verheißungen, bald durch Drohungen, jetzt durch verführerische Reden, jetzt durch aufreizende Handlungen, jetzt auch durch giftige Bücher und Schriften von Gott unserem einzigen und höchsten Ziele abzulcn- kcn und in's Verderben zu stürzen suchen. Da erhebt sich denn oft plötzlich ein gewaltiger Sturm auf unserer Lebensfahrt, da tobt das Meer vielfältiger Versuchungen — da schlagen die Be¬ mühungen mächtiger Feinde wie die Fluthen zusammen, über die beängstigte Seele, — So betrübt ist also unsere Fahrt auf diesem unbeständigen Weltmeere. Der Fromme seufzt darüber, ist um seine Seligkeit besorgt, und ruft wehcmüthig mit dem h. Apostel Paulus aus: Ich unglücklicher Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Leibe, in welchem die Sünde als die Ursache des To¬ des wohnt! — Der Sünder hingegen achtet nicht auf den Sturm der Begierlichkeit, der verführerischen Gegenstände und gefährli¬ chen Feinde, weil er fast eben so schnell mit den Versuchungen einvcrständigct ist, und von ihnen hingerissen wird, als sie ihn befallen. Sind aber die Versuchungen schon für den Frommen gefahrvoll, so sind sie cs für den Sünder um so mehr. — Denn der Fromme wird zwar versucht, weil es eine Unmöglich- lichkcit ist, sagt der h. Hieronymus, daß eine menschliche Seele keine Versuchungen leiden sollte; allein wie das Ungewitter den Steuermann, so bewähret der Sturm der Versuchung die Treue des Gerechten, den für ihn ist die Versuchung nur mehr eine Prüfung des Glaubens, eine Gelegenheit seine Tugend zu ver¬ vollkommnen, ein Mittel sein Verdienst zu erhöhen, wenn er » » » » 75 « « « « derselben schon bei ihrem Entstehen begegnet und wider sie strei¬ tet, so weit er es mit seinen natürlichen Kräften vermag, wobei ihm der Herr gewiß zu Hilfe kommt, daß er nicht untergehe.— So lange auf dem galiläischen See, auf welchem die Jünger schifften, der Sturmwind brauste, das Meer tobte und die Ele¬ mente verwirrt durch einander stritten, so lange war zwar Gefahr des Todes da, aber noch keine unvermeidliche; denn noch konnten die Schiffleute manche Vorsorge treffen, ihre Kräfte anstrcngen das Schiff zu leiten und zu erhalten suchen, und der Gefahr Trotz biethcn; als aber die Wellen über das Fahrzeug zusammen¬ schlugen, als das Wasser gewaltsam in das Schiffchen eindrang und eö nach der Tiefe hinabzog, da war alle Mühe verloren, da war die Gefahr augenscheinlich und der Tod nahe. Und das ist der natürliche Zustand, in welchem die Seele des Sünders bei jeder Versuchung gcräth, und um so nothwcndiger gerathen muß, weil er sorglos ist, weil er nicht wacht, und nicht einmal wissen will, was Versuchung sey. Er merkt zwar den Sturm böser Neigungen in seinem Gemüthe, aber er begegnet ihm nicht, er leistet keinen Widerstand, sondern ergötzt sich vielmehr daran, und wird so ohne es zu wissen ein Spiel der Versuchung, denn sein Verstand wird geblendet, sein ohnedicß schwacher Wille wird hingerissen, und wilde Begierden bemächtigen sich seiner Seele, die ihrem Andrange so wenig mehr widerstehen kann, als das Schiffchen der Jünger, welches die Wellen bedeckten — und die traurige Wirkung des Sturmes der Versuchung für den arglosen Sünder ist der Tod der Seele; denn, wenn die Begierde em¬ pfängt, sagt der h. Jakob, so gebiert sie die Sünde, und die vollendete Sünde den Lod. — Ein schrecklicher Tod! weil schreck¬ licher als jener des Leibes! Menschen, die auf dem stürmischen Meere Schiffbruch leiden, können zwar ihr Leben, ihre Güter, oder beides zugleich verlieren, aber sie verlieren doch nicht mehr, als was sie ohnehin nicht für allezeit hätten behalten können, und sie sind doch noch im Stande, wenigstens, wenn sie die Ge¬ fahr vorausfehen, ihren besten Lheil, ihre Seele, durch aufrich¬ tige und vollkommene Bereuung ihrer Sünden zu retten. Oder sie verlieren nur ihre Güter und retten ihr Leben noch auf einem schwankenden Brete, und da können sic sich durch Fleiß und An¬ strengung wieder soviel Güter erwerben , als die Wellen verschlun¬ gen haben. Allein was verscherzt nicht eine Seele, die den Ver- »»»» 76 ««« « suchungcn unterliegt, deren Sturmen sic zuvorzukommcn nicht be- wo' flissen war? — Sic verliert die Taufgnade, die durch ein müh- der sames Leben erworbenen Verdienste, die Frcunschaft und Lick dm Gottes, das Recht der Kindschaft, den Anspruch auf das Erbe dcs Lic Himmels — kurz sie verliert alle Güter der Gnade Gottes und dci de§ ewigen Lebens, deren sie nichts verlustig machen konnte, wenn sei sie nicht selbst wollte, und deren Verlust durch nichts mehr kann da erseht werden, wenn er einmal vollkommen geschehen ist. — Wer sollte demnach die Versuchungen zur Sünde nicht fürchten, deren so das menschliche Leben so voll ist, die mit solcher Heftigkeit auf ui uns losstürmen, und die unsere Seele in den Abgrund eines ewi- fe gen Verderbens stürzen können? — Wer sollte nicht beständig auf z> seiner Huth scyn, und sich um eine mächtigere, um die göttliche d Hilse bewerben? — Wie nun dieses zu geschehen habe, wollen 8 wir sehen im d r zweiten Thcilc. . > Die Mittel, derer sich der Christ gegen Versuchungen bedie¬ nen muß, sind zweierlei Gattung; die Einen, die ihm vor der ' Versuchung, und die Andern, die ihm zur Zeit der Ver¬ suchung nothwendig sind. Zu den ersten gehört einmal die oftmalige und lebhafte Erinnerung und Vorstellung, daß man ein Jünger Zesu ist, und unter seiner h. Krcuzfahne bis an's Ende standhaft zu streiten angelobt hat. Dadurch macht man,die Seele auf die künftige Versuchung, die gewiß nicht ausbleiben wird, gefaßt, und hat zugleich die gegründete Hoffnung, daß Jesus, welchem zu dienen man sich ernstlich vorgenommen hat, in der Stunde des Kampfes gegenwärtig seyn, und durch seinen göttlichen Beistand demselben einen glücklichen Ausgang verschaffen werde. Diese Wahrheit finden wir in dem heutigen Evangelio vollkommen bestä¬ tiget. Wer waren denn diejenigen, welche Jesus vom Untergange rettete, da der Scesturm gewaltig brauste, die Wellen in das Schiffchen hineinschlugen und der Tod unvermeidlich schien? Es waren nicht nur begierige Hörer seiner Lehre, sondern auch treue Gefährten seines Lebens. Kurz vorher wohnten sie seiner Pre¬ digt auf dem Berge bei, und gingen darauf mit ihm zu Schiffe, um von ihm nicht getrennt zu werden. Wie hätten sic daher zu Gründe gehen können, da sie Jcfus nicht aus den Augen lassen » » » » 77 «««« wollten, und nur mit ikm und wegen seiner der Gcfabr (Kampfe der Elemente) entgegen gingen. Jesus bestieg ein Schifflein, sagt das Evangelium, und seine Jünger mit ihm. Das nämliche, meine Lieben! müssen auch wir thun, die wir uns ebenfalls unter die Zahl der Jünger Jesu rechnen; wenn wir einmal sein heiliges Wort, seme beseligende Lehre begierig und aufmerksam ausgenommen haben, dann dürfen wir auch nicht Zurückbleiben auf dein Wege, den uns Jesus vorgezeichnct hat, und den er vor uns hergewandelt ist, sondern wir müssen uns entschließen, ihm treu nachzufolgcn und unter seinen Augen, unter seiner Führung unsere irdische Neise fortzusctzen. Gesetzt auch, wir mußten, um von ihm nicht getrennt zu werden, auf eine Zeit das sichere Ufer verlassen, das ist, aus der Ruhe der Seele hiuaustretcn, und uns auf das Meer heftiger Versuchungen begeben, so werden uns doch ihre Anfälle nicht scha¬ den können, sobald wir uns wegen Jesus und mit Jesus eingeschifft und ihn in unserer Mitte haben, das ist, sobald wir uns schon vor der kommenden und über uns verhängten Prüfung dem Willen Gottes unterworfen, uns an Jesus angcschlosscn, ihn in unser Herz gerufen und ausgenommen haben. — Dann können wir jeder Gefahr Troß bicthen und mit dem Apostel Panlus sagen: Was wird wohl im Stande seyn uns von der Liebe Christi zu scheiden? — a) Das zweite Mittel, wodurch sich der Christ vor der Versuchung verwahren soll, ist eine weise Vorsicht und ein heiliges Mißtrauen aus seine eigenen Kräfte. Die Jünger Jesu haben sich bei jener Gelegenheit weder aus Lcicktsinn noch aus Muthwillcn auf den See gewagt — sie hätten sonst bei entstandener Gefahr nur sich selbst anklagen müssen; sondern sie hatten sich nur aus Liebe zu Jesu auf das Wasser begeben um von ihm nicht getrennt zu werden. Indessen sind sie doch bei dem ersten Ausbruche des gähe entstandenen Ungewittcrs heftig erschro¬ cken, was zwar einerseits wohl die Folge ihres noch schwachen Glaubens an die Allmacht Jesu, aber zugleich auch ein Beweis ihres Mißtrauens in ihre natürlichen Kräfte war. Dieses Letztere eben sollte bei uns Christen vor der Versuchung zum Bösen jederzeit und nm so mehr Statt haben, je schrecklicher die Gefahr ist, in welche dabei unsere Seele gerathcn muß. Diese Gefahr, ja den Schatten einer solchen Gefahr fürchten, ist weise christliche Vor¬ sicht, ist gar oft schon an sich ein wirklicher Sieg, da man hingegen, wenn man sich freiwillig und leichtsinnig unter Personen, an Orte » »--» 78 « « « « und Gelegenheiten begibt, wo sich offenbare Gefahr äußert, nicht unverletzt davon kommen, wo nicht gar seiner Seele eine tödtliche Wunde versetzen wird; denn, wer die Gefahr liebt, sagt der weise Sieach 3, 23. — wird in der Gefahr umkommen. Die h?S.chrift bestätiget diese Wahrheit durch Beispiele, die nicht oft genug ividcrholt und beherziget werden können; sie sagt uns: Unvor¬ sichtigkeit und zu grosses Vertrauen auf sich selbst habe David, den Mann nach dem Herzen Gottes, zu einem Ehebrecher und Meuchelmörder gemacht;— Unvorsichtigkeit und zu grosses Vertrauen auf sich selbst, habe Salomo, den Weisesten unter der Sonne, von thörichter Liebe verblendet und zum schändlichen Götzendienste verleitet; Unvorsichtigkeit und zu grosses Vertrauen auf sich selbst habe Samson, den Stärksten unter den Menschenkindern durch ein schwaches Weib entwaffnet, und zum Gespötte seiner Feinde, der Philister gemacht. Abschreckende und doch für viele Christen nichl genug warnende Beispiele! denn Mancher schmeichelt sich wohl die Lugend eines David zu haben, vergießt aber dabei- dessen nach¬ maligen plötzlichen Fall; Mancher rühmt sich wohl die Weisheit eines Salomo zu besitzen, vergießt aber dessen darauf folgende Thvr- heit; Mancher brüstet sich die Stärke eines Samson zu haben, vergießt aber dessen schnell herbei geführte Ohnmacht und Schwäche. Man spricht leichtsinnig von der Gefahr, und begiebt sich eben so leichtsinnig in die Gefahr: Ich gehe zwar, heißt es in eine Ge¬ sellschaft, die mir gefährlich scheint, an einen Ort, wo ich viel¬ leicht nicht hingehen sollte, in eine Gelegenheit, die eben nicht viel Gutes verspricht, — aber ich bin ja kein Kind mehr, ich habe keine so leichten Grundsätze, ich weiß es schon, wie ich mich zu verhalten habe, ich erlaube mir gewiß nicht zu viel, und werde nicht über die Schranken treten. Nein, nicht so mein lieber Christ! sage vielmehr, ich handle am weisesten und sichersten, wenn ich der Gelegenheit und Gefahr zur Sünde, da ich doch kann, ganz ausweiche, denn ich weiß cs: wer die Gefahr liebet, wird in der Gefahr umkommen, sagt die h. Schrift, — oder wenn du schon in der h. Schrift sogar unbewandert seyn solltest, so erinnere dich der uralten und doch immer neuen und tagtäglich bewährten Sprichwörter, die du ohne Zweifel mehr als einmal wirst gehört haben, nämlich: Böse Gesellschaften verderben gute Sitten. — Gelegenheit macht Diebe. — Mit was man umgehet, das klebt einem an! u. s. w. Das sind aus der Erfahrung ab-- gczv voll säh- Bei reiz smi lo Et sch «n fal lei st' g ir Z u i s r s » »>-» 79 <<««« gozogenc Lcbensrcgeln bei deren Befolgung man auf dem gefahr¬ vollen Meere der Welt, vor den vielen Klippen glücklich vorbei- fahrt, und vielen drohenden Stürmen zuvorkommt. — Oft braucht es jedoch eben keiner besondern Gelegenheit zur Versuchung. Denn, wenn wir auch von allen äußern uns an¬ reizenden Gegenständen entfernt sind, so bestürmen uns unsere sinnlichen Neigungen und Leidenschaften zuweilen so schnell und >o heftig, daß wir, wie die Jünger Jesu auf dem galiläischen See, fast den Muth verlieren unsere Seele zu retten, — es scheint uns überdies als wenn der Herr auf uns vergessen hätte, «nd unbekümmert um unser Heil von dem Sturme, der uns über¬ fallen, nichts wissen wolle, so wie Jesus, der mitten unter seinen Jüngern ruhig im Schiffe schlief, während über dasselbe die Wel¬ len zusammen schlugen. Was haben wir nun in einem solchen Zu¬ stande zu thun? — Wenn wir ohne unser Verschulden von ir¬ gend einer äußern oder innern Versuchung überfallen werden und in Gefahr kommen, so müssen wir zuerst unfern Glauben an Jesus und unsere Pflichten die wir gegen ihn haben erwecken, und dann mit einem kindlichen und festen Vertrauen zu ihm um Hilfe flehen. Wenn du noch so heftig versucht wirst, sagt der h. Kirchenvater Augustin, so schläft doch dein Jesus nicht, wenn nur dein Glaube nicht schläft; denn das Wanken des Schis¬ ses der Jünger, während Jesus schlief, bedeutet, daß die Christen wanken werden, wenn ihr Glaube zur Zeit der Versuchung nicht wach ist. Erwecke also deinen Glauben, uud du wirst deinen Hei¬ land aufwecken, der in deinem Herzen wohnt. Sv redet der h. Lehrer. Was heißt aber seinen Glauben aufwachen machen? Es heißt an die Gegenwart Gottes denken, sich erinnern, daß man unter seinem abstehenden Auge stehe, daß er alle unsere geheim¬ sten Gedanken, Wünsche und Begierden kenne, und unser Inner¬ stes durchforsche; es heißt sich lebhaft zu Gcmüthe führen, daß seine Freundschaft und Liebe, — daß seine Gnade alle irdischen Güter und Freuden unendlich überwiege, daß man diese Gnade einzig und allein durch die Sünde verliere, und eben darum lieber Alles leiden Alles aufopsern, als sich seiner Gnade verlu¬ stig machen solle. Auf diese Art haben schon die Heiligen des U- B. zur Zeit der Versuchung ihren Glauben im Herzen geweckt, und eben darum siegreich alle Gefahren bekämpft. „Wie könnte ich, rief der ägyptische Joseph als seine Unschuld in offenbarer Gefahr »-)»)- 80 «««« schwebte, wie kennte ich ein so grosses liebel thun, und vor den Augen meines Gottes sündigen!" — Es ist besser, sprach Su- sanna, in einer ähnlichen Gefahr, — es ist besser ich falle in die Hände dec Menfchen und sterbe unfchuldig, als daß ich vor dm Herrn sündige. Würden wir unserer aufgeregten Begierlichkeit, den Lockungen des Lasters, den Unfällen listiger und boshafter Verführer, jederzeit einen so lebhaften Glauben entgegenstellen, ge¬ wiß die Versuchung müßte sich an unserem festen Glauben brechen, wie die tobenden Wellen an den Seeklippen, und wir würden un- befchädiget der Gefahr entrinnen. — b) Haben wir nun zur Zeit einer gefahrvollen Versuchung unfern Glauben an Jesus in uns erweckt, dann müssen wir noch ein vertrauungsvollcs Gebeth zu ihm abfchicken. Und da unsere Versuchungen ganz jenem Sturme ähnlich sind, von welchem die Jünger auf dem See befallen wurden: so können wir uns derselben Worte im Gebethe bedienen, die sie an Jesus richteten: Herr, riefen sie ihm Alle zu, rette uns! wir gehen sonst zu Grunde. Nur darf unser Vertrauen nicht so schwach sevu, als Jenes der Jünger bei dieser Gelegenheit; denn sie glaubten, da Jesus schlief, so könne er ihnen nicht beistehen, es sey dann, daß sie ihn vom Schlafe aufweckten. Darum gab ihnen auch Je¬ sus den gerechten Verweis: Warum seyd ihr doch so furchtsam, ihr Kleingläubigen! — Wir also, wir müssen überzeugt scyn, daß Jesus unsere Noth kenne, Mitleid mit uns trage, uns ün Kampfe immer gegenwärtig sey, uns im Streite- beistehe, uns nach dem Streite krönen wolle, wir müssen folglich unsere Bit¬ ten an ihn mit einem solchen Eifer richten, als wenn wir ihn persönlich vor uns sehen; und wir müssen auch nicht verlangen, daß er uns niemals lasse versucht werden, sondern vielmehr day er uns der Versuchung nicht unterliegen lasse: Herr, müssen wir seufzen und sagen: rette uns! sonst gehen wir zu Grunde. — Rufen wir uns nun das Gesagte recht oft in das Gedächt- niß zurück. Seyn wir stets eingedenk, daß es keine geringe Sache um die Versuchungen sey, daß man sich gegen dieselben wohl verwahren müsse, um die gefahrvolle Fahrt auf diesem stür¬ mischen Meere der Welt gut fortzufetzen, glücklich zu vollenden, und in den Hafen einer ewigen Ruhe zu gelangen. Denn die Versuchungen sind vielfältig; sie entstehen in und außer uns, sie wachsen fast unter jedem unserer Schritte hervor, können uns in tai bei cif Ar si¬ nn le lu w dc II T L n e d d < » » »)> 81 « « « « tiUiscnd Bitterkeiten der Seele, und sogar in ein ewiges Verder¬ ben stürzen. Darum müssen wir, um uns davor zu verwahren, eifrig auf das göttliche Wort Jesu merken, ihn selbst nie aus den Augen lassen und in uns selbst und unsere Kräfte stets ein heili¬ ges Mißtrauen sehen. Der vorhandenen Versuchung aber müssen wir einen lebendigen Glauben an Aesus, und ein vertrauungsvol- lcs Gebet um seinen Beistand entgegen setzen. Dann wird der liebreiche Jesus in seiner göttlichen Macht aufstehen, dem Sturm¬ winde und den tobenden Wellen der Versuchu-ngen gebiethen, und das Ungcwitter wird schweigen, die Gefahr wird verschwinden. — Und der glückliche Ausgang der Versuchung wird die Seele mit Trost, Freude und Frieden erfüllen; das Lewußtseyn eine schnöde Lust besiegt, einen eitlen Gewinn verachtet, das Gesetz Gottes nicht übertreten, sein Seelenheil nicht verscherzt zu haben, noch ein Freund und Kind Gottes zu seyn, -— dieses Alles wird uns die Beschwerden des Kampfes vergessen machen, — sie uns in dec Zukunft erleichtern, die Siege verdoppeln, und unsere Tu¬ gend vervollkommnen. — Wir werden heldenmüthig über alle Hindernisse der Welt, des Fleisches und der Hölle siegen, — wir werden selbst am Sterbebette des Kampfes und Sieges schon gewohnt, die vorausgegangencn Siege auch noch durch den letzten und schönsten verherrlichen, und endlich dorthin gelangen, wo cs keine Stürme, keine Versuchungen, und keine Kämpfe mehr gibt, wo ewige Ruhe und unzerstörbarer Friede wohnt. Amen. Am fünften Sonntage nach der Erscheinung» »Herr hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gcsäct, wo¬ her kommt denn das Unkraut?« Math. i3, 27. E iln gang. Gleichnisse des h. Evangeliums ist die Rede von einem Haus¬ vater, der seinen Acker mir guten Samen besäet hatte; allein wahrend seine Leute schliefen, kam der Feind, säete Unkraut un¬ ter den Weizen, und ging davon. Das Unkraut wuchs im Stil¬ ls »-) -)» 62 len auf, und zeigte sich erst, als der Weizen schon Aehren gctric- d ben hatte. Als nun die Knechte dessen gewahr wurden, so ka- ,, men sie ganz erstaunt zu dem Hausherrn und sprachen: Herr hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesiiet, woher kommt denn das Unkraut? Der Herr aber löscte ihnen das Räthsel: das hat der Feind gethan, sprach er. Sogleich wollten nun die Knechte hingehcn, und das schädliche Unkraut ausreißen, allein j der Herr ließ es nicht zu. Nein, sprach er, damit ihr nicht mit dem Unkraute den Weizen zugleich ausreißet, so lasset beides mit einander wachsen bis zur Aernte; da will ich meinen Schnittern sagen: leset zuerst das Unkraut und bindet es in Büschel zum verbrennen, den Weizen aber sammelt in meine Scheuern. — Das ist das Glcichniß, welches Jesus in Gegenwart einer großen Menge Volkes vortrug, und dessen Sinn er dann seinen Jün¬ gern, als er mit ihnen allein war, und sie ihn darum fragten, vollständig angab. Der Hausvater, der guten Samen gesäct hatte, sprach Jesus, ist der Sohn des Menschen (nämlich Jesus selbst), der Acker ist die Welt, der gute Same sind die Kinder des Reiches Gottes, das Unkraut sind die Kinder des bösen Gei¬ stes, der Feind, der es gcsäet hatte, ist der Teufel, die Aernte ist das Ende der Welt, die Schnitter sind die Engel Gottes. Aus dieser Erklärung, welche der Heiland selbst gibt, sehen wir nun, daß der gute Same die Kinder des Lichtes oder die Tu¬ gendhaften, das Unkraut aber die Kinder der Finsterniß oder die Lasterhaften bedeute. Wie sich nun die evangelischen Knechte wun¬ derten, daß sse unter dem guten Samen soviel Unkraut fanden; so könnte es uns wundern, .daß man unter guten Menschen so viele, ja ungleich mehr, böse und lasterhafte findet, und noch mehr könnte es uns wundern, daß Gott so viele Lasterhafte un¬ ter den Frommen dulde, weil jene auch diese leicht anstecken und verderben könnten. Allein so gegründet diese Besorgniß seyn mag, so kommt es doch auf die Alles leitende Vorsehung Gottes, und auch auf den Willen des Menschen an, ob die Vermischung der Guten und Bösen den Guten gefährlich werde oder nicht. Ich habe mir vielmehr vorgenommen zu zeigen, daß die Vermischung der Guten mit den Bösen beiden nützlich seyn, beiden zum Heile gereichen könne; und zwar, daß die Vermischung der Bösen mit den Guten, den Guten selbst nützlich sey, werde ich zeigen im ersten Theile; daß die Vermischung der Bösen mit den Guten » » » » 85 « « « « den Bösen nützlich scy, werde ich zeigen im zweiten Thcile. Ver¬ nehmen Sie mich mit geneigter Aufmerksamkeit. Erster Theil. Weil die Zeit des Erdcnlcbens eine Zeit der Vorbereitung zum ewigen geistigen Leben, mithin eine Zeit ist, in welcher der böse Wille noch gut, und der gute besser werden kann, so findet auch hienieden keine vollkommene Absonderung der Guten von den Bösen Statt. Gott, der Herr des grossen Wcltackers läßt beide in Vereinigung entgcgenwachsen dem grossen Aerntetage, an welchem er beide von einander sondern und ihr ewiges Los bestim¬ men wird. Außerdem hat aber Gott noch andere weise und wohl¬ tätige Absichten, nach welchen er den Weizen mit dem Unkravte aufwachsen, d. i. die Guten unter den Bösen leben läßt. Er verschafft nämlich den Guten mehr Gelegenheit sich im Kampfe mit den Bösen zu vervollkommnen, sich so größere Verdienste und eine größere Belohnung auf den Tag der Aernte zu erwerben. Denn so wie sich die Tapferkeit des Kriegers in der Schlacht und die Geschicklichkeit des Steuermannes im Mceressturmc be¬ währt, so bewährt sich auch die Tugend der Frommen im Kampfe wider die Bosheit der Gottlosen. Manche schöne Tugend wür¬ den sich die Frommen nicht eigen, wenigstens nicht in einem hö¬ her« Grade der Vollkommenheit eigen machen können, wenn sie sich nicht oft schweren Prüfungen von Seite der Bösen unterzie¬ hen müßten. So ist es z. B. wohl leichter dcmüthig seyn, wenn man uns mit gebührender Achtung begegnet, unsere Ver¬ dienste anerkennet, sie nach Gerechtigkeit zu belohnen sucht und unfern Wünschen zuvorkommt; aber wenn sich der wirklich ver¬ dienstvolle Mann von hoffärtigen Kreaturen umgeben sieht, die unerträglich stolz auf eingebildete Verdienste Niemanden neben und über sich dulden, ihn nur zu ihren Füssen sehen möchten, ihn mit Verachtung, Hohn und Wegwerfung behandeln, da hat seine Demuth einen schweren Kampf, aber gerade da erscheint sie auch in ihrer wahren Würde, in ihrem größten Verdienste. — Es ist leicht sanftmüthig und friedfertig seyn gegen Menschen, die sich sorgfältig hüthen uns einen Augenblick des Lebens trübe zu machen, die unsere Schwachheiten und Fehltritte Mit brüderlicher Schonung übertragen, jeden Funken der Zwie- >?» »>, 84 « « « e< tracht sogleich zu ersticken suchen, wenn dieses auch nicht anders als durch Abtretung ihrer eigenen Rechte geschehen könnte, die allezeit bereit sind ihrem Feinde die Hand zur Versöhnung dar- zubicthen. Aber es ist nicht leicht sanftmüthig und friedfertig zu seyn gegK Solche, die sich gleichsam ein Hauptgeschäft daraus machen, Andern nur Unwillen, Ueberdruß, Bitterkeit und Schmerz zu bereiten, indem sic dieselben lieblos behandeln, ihre besten Absichten in ein gehässiges Licht stellen, an ihrem gu¬ ten Namen mit bissigem Zahne nagen, ihren geringsten Fehlern nachspüren, selbe noch vergrößern und ohne Schonung bekannt machen, ihr wirkliches Verdienst hingegen herabseßen und verdun¬ keln. —> Zn der Nahe solcher bvshaftcr Geschöpfe — da liegen Sanft nuth, Friedfertigkeit und Geduld auf glühenden Kohlen, aber sie werden auch gereimget, wie das Gold im Feucrofen, und erhalten einen desto grössten Werth, je schmerzlicher die Prü¬ fung ist. So ist es auch ein Leichtes Menschen lieben, die uns immer mit Liebe entgegen kommen, uns nie an unserer Ehre, an nnsern Rechten und Eigenthume kränken, sondern vielmehr bei jeder Gelegenheit bereit sind unser zeitliches und ewiges Wohl zu schützen und zu befördern, und in zweifelhaften Füllen, im Unglücke und Leiden mit Rath, Trost und Hilfe an die Hand zu gehen — solche Menschen lieben, solchen Gutes erwiedern, ist nichts Schweres und Grosses — das thun auch die Heiden. — Wenn man sich aber von feindlich gesinnten um¬ geben sicht, die dem Glücke seines Mitmenschen überall boshaft im Wegs stehen, ihn mit fortwährender Schadenlnst ver¬ folgen, seine edelsten Unternehmungen vereiteln, und keine Ge¬ legenheit versäumen, ihm bald da bald dort einen schmerzlichen Streich ihres Rachegeistes fühlen zu lassen — da ist eine aus- harrcnde Liebe ein schweres, aber auch ein erhabenes himmlisches Opfer, auf welches der Ewige, Erbarmer und Belohncr mit größtem Wohlgefallen herabsieht. Und so verhält cs sich mit allen Tugenden der Frommen, die mit den Lastern der Bosen im Kampfe stehen — sie erhalten grössere Stärke, grössere Vollkom¬ menheit und somit höhern Werth und höhere Belohnung. Von jeher haben sich die erhabensten Tugenden gottgefälliger Men¬ schen, von denen uns der alte wie der neue Bund unzählige Beispiele liefert, unter den schwersten Prüfungen von Seite » » » » 65 «««« der Gottlosen-gebildet und vervollkommnet. — Während z. B. die Zeitgenossen des Noe ganz von Gott abgewichen, und sich allen crsinnlichen Lastern ergeben hatten, wandelte Noe mit sei¬ ner Familie rein und gerecht vor den Augen Gottes in Mitte der verderbten Nation. Während die Einwohner von Sodoma und Gomorrha Sünde auf Sünde hausten, so daß ihre Grauel- thaten um Rache gegen den Himmel schrieen, wohnte Lot als ein unschuldiger, gerechter und gottesfürchtiger Mann unter den lasterhaften Bewohnern des Landes. >— Samuel führte auch unter den ausgelassenen gottlosen Söhnen des Heli ein reines und dem Herrn wohlgefälliges Leben. — David der fromme Hirtenknabe, von Saul überall verfolgt und dem Tode geweiht, gab diesem seinem rachsüchtigsten Feinde die größten Beweise von Eanftmuth und Liebe, und zwar gerade in jenen Zeitpunkten , wo er sich an ihm hätte rächen können. — Die drei-Jünglinge Ana- nias, Azarias und Misael behaupteten sich unter den ab¬ göttischen Chaldäern als treue Anbether des wahren Gottes, und sprangen freudig in den glühenden Feueroscn, der sie zu Asche verbrennen sollte, aus welchem sie aber die Allmacht Gottes rettete. Aehnliche Beweise, daß die Tugend in Mitte der Laster¬ haften mächtiger gedeihet, die Ehre Gottes kräftiger befördert die Wahrheit fester begründet wird — lesen wir auch in der Geschichte des neuen Bundes. Wann hat sich denn z. B. die Treue und Standhaftigkeit der Christen im Glauben am schönsten bewährt? wann wurde die Lehre Jesu am schnell¬ sten verbreitet, als gerade in jenen Zeiten, da wüthende heidni¬ sche Tyrannen mit den Bekennern des Glaubens den Glauben selbst auszurotten suchten? wodurch wurde den die Kirche Christi nur schönsten verherrlichet, als durch das Blut unzähliger Glau- bcnshelden, unzähliger Märtyrer, die wir sitzt bewundern und verehren, und die nun im Reiche der Seligkeit mit einer uuver-- welkcnden Krone ihres irdischen Sieges gezierct sind: Wann bewährte sich der Ausspruch Jesu Christi, daß seine Kirche auf einen Felsen gebauet sey„ den die Pforten der Hölle nicht überwältigen werden, — wann bewährte sich dieser Ausspruch des Heilandes am augenscheinlichsten, als gerade da, wo äußere und innere Feinde mit allen Künsten der Hölle wider die Kirche Christi losstürmten? Was gab die meiste Veranlassung, » » »>- 66 « «?< ?< daß die Wahrheiten des Glaubens deutlicher entwickelt, in cm Helles Licht gestellt und gegen weitern Jrrthum begründet wur¬ den, als der Jrrthum, der Unglaube und Aberglaube selbst, der sich wider die Wahrheit tvllkühn erheb und sie zu verdunkeln und zu untergraben suchte? Man kann also mit vollem Rechte sagen, daß selbst die Bosheit der Gottlosen viel, sehr viel beitrage zur Beförderung der Ehre Gottes, zur Begründung der Wahrheit und zur Vervollkommnung der Frommen, freilich wohl auf eine Art, die für die Gottlosen selbst entsetzlich traurig ist, weil sic ihren zeitlichen und ewigen Untergang beschleuniget Indessen, wenn Gott die Lasterhaften unter den Frommen lang- müthig duldet um diesen leßtcrn mehr Gelegenheit zu verschaffen, ihre Lugend in schweren Kämpfen verdienstlicher zu machen — so ist darum sein Wille nicht, daß das Unkraut den Weizen er¬ sticken, daß die Lasterhaften die Frommen verderben sollten, son¬ dern vielmehr läßt Gott nach seiner unendlichen Barmherzigkeit die Lasterhaften unter den Frommen leben, damit die Lasterhaften selbst aus einem geistigen Unkraute auch ein geistiger Weizen würden, damit sie dnrch dis Guten gebessert, veredelt, gut und tugendhaft und dereinst selig werden möchten, d. h. die Vermi¬ schung der Bösen mit den Guten soll auch den Bösen nützlich werden, und davon im zweiten Thcile. Wenn, wie wir gehört haben, die Bösen den Guten nütz¬ lich seyn können, so wird man um so weniger zweifeln, daß die Böfen aus dem Umgänge mit den Guten vielfältigen leiblichen und geistigen Nutzen ziehen, und den kräftigsten Beistand genießen, auch gut, tugendhaft und Gott wohlgefällig zu werden. Vor¬ züglich aber äußert sich der Nutzen, den die Lasterhaften von Seite der Frommen genießen, durch das Gebet, durch Belehrung und weise Rathschläge, und dnrch das gute Beispiel der Frommen. Was das Gebet der Frommen betrifft, so sind schon unzählige Sünder durch dasselbe von ihrem zeitlichen und ewigen Untergange gerettet und von der göttlichen Barmherzigkeit begnadiget wor¬ den ; denn viel vermag das anhaltende Gebet des Gerechten bei Gott, sagt der h. Apostel Jakob. So lesen wir von» Moses, daß, so oft er für den hartherzigen Pharao und fein gottverges- » » » » 87 « « « « in smeš Volk zum Herrn betete, Gott die Plagen aufgehoben habe, die er über das Land Aegypten verhängt hatte. Als die Zsrac- r liren in der Wüste das goldene Kalb anbetctcn, schien cs als i wollte Gott wegen dieses Gräuels das ganze Volk vertilgen — i ober Moses bath recht anhaltend und eifrig für dasselbe und —- - Gott erbarmte sich des Volkes. Und wie dringend und rührend bath nicht schon Abraham den Herrn, er möchte die lasterhaften Einwohner von Sodoma und Gomorrha nicht vertilgen. Herr, zürne doch nicht, sprach Abraham, wenn ich mich erkühne noch¬ mals mit dir zu reden : wenn es doch noch zehn Gerechte in So¬ doma gäbe, wirst du wohl mit den übrigen Lasterhaften auch die Gerechten verderben? Nein, sprach Gott, ich will die bösen Ein¬ wohner nicht verderben um der zehn Gerechten Willen. Allein weil in den Städten nicht einmal zehn Gerechte lebten, so wurden die lasterhaften Einwohner durch das göttliche Rachcfencr vertil¬ get. —> Auf gleiche Weise beteten die Apostel und die ersten Christen ohne Unterlaß für die Ungläubigen, Verirrten und La¬ sterhaften, daß ihnen Gott das Licht des Glaubens anzündcn und sie auf den Weg des Heiles führen möchte. Ohne Unterlaß erin¬ nere ich mich Eurer in meinem Eebethe, schreibt der h. Apostel Paulus an die neubekehrten Lhesaloniker, und überhaupt ermahnt er die Christen, daß sie für einander beten, und für alle Men¬ schen, auch für ihre bösen Herrn und lasterhaften Fürsten beten sollen. — Und wirklich, das Gebet der Gerechten ist es, das oft allein noch die erzürnte Gerechtigkeit Gottes besänftiget, und den strafenden Arm des Allmächtigen zurückhält, der den Sünder vernichten will — das Wohlgefallen, mit welchem Gott auf seine treuen Verehrer und Beobachter seiner Gebote herabsieht — die¬ ses ist oft die Quelle der Begnadigung frecher Uebertretcr des göttlichen Gesetzes. Ferner sind die Frommen ihren lasterhaj?en Mitbrüdern nütz¬ lich durch heilige Belehrungen und weise Rathschläge. Denn Gott, der es jedem Einzelnen aus uns zur Pflicht macht für das Heil seines Mitmenschen Sorge zu tragen — befiehlt vorzüglich den Gerechten ihre wahre Nächstenliebe dadurch an den Lag zu legen, daß sie Irrenden das Licht der Wahrheit leuchten lassen, und Sündern den Weg der Lugend weisen sollen; wenn sich nur diese auch der Lehren und Räthschläge der Tugendhaften zu ihrem eigenen Heile bedienen und selbe in das Werk setzen wollten' Aber weil » » » » 86 « « « « sic gewöhnlich jede bessere Belehrung, jede wohlmeinende Warnung, jeden heilsamen Rath trotzig verachten — so nähern sie sich frei¬ willig dem Rande deS Verderbens. Hätte König Nabuchodonoscr dem Ralhe Daniels Gehör gegeben, hätte er seine Sünden durch Almosen getilgt, und wäre von seinen Lastern abgestanden — ff würde ihn die schreckliche Strafe, nach welcher er mit den unver¬ nünftigen Thiercn hcrumkriechen und Gras essen mußte, nicht ereilt. — Hätte Pilatus nach dem Rathe seines Weibes gehandelt, die ihn vermöge einer Hähern Eingebung abhiclt die Klagen der Juden wider Jesum anzuhären und sich einzumengen in die Sache des Unschuldigen und Gerechten, so hätte er Jesum den Unschuldigsten nicht dem schimpflichen Kreuzestode überliefert. So ist der Rath die Belehrung des Gottesfürchtigen allezeit nützlich und heilsam und viele unglücklich Verirrte und Lasterhafte haben denselben das Licht der Wahrheit auf dem Wege des Lasters zu verdanken, viele sind durch Befolgung einer wohlmeinenden Belehrung eines tugend¬ haften Freundes von der breiten Strasse des Verderbens abgezogen, gebessert und zu Freunden Gottes gemacht worden. Wie aber die Frommen den Lasterhaften durch Gebet, Be¬ lehrung und weise Rathfchläge, so sind sie ihnen noch mehr durch ihr gutes Beispiel nützlich. Der Gottvergessene wie der laue Christ wird doch endlich gerührt und erwärmt beim ostern Anblicke von Menschen, die im Umgänge mit Gott ihre reinste Freude, ihre höchste Seligkeit finden. Man sieht z. B. einen frommen Beten¬ den , wie er ganz durchdrungen von den Gefühlen der Ehrfurcht, Demuth, Dankbarkeit und Liebe mit Gott die Sprache feines Her¬ zens redet, und in diesem schonen Augenblicke mehr ein Bürger des Himmels als ein Bewohner der Erde zu seyn scheint — man sieht einen solchen wahrhaft geistigen Anbeter Gottes, und man wird unwillkührlich hingezogen, feine Gedanken an Gott zu richten, auch sein Herz mit chm reden zu lassen. Der Rachsüchtige muß ja doch endlich bezwungen und zur Versöhnung gestimmt werden, durch die anhaltende Geduld, Sanftmuth und Liebe, die ihm der Ver¬ folgte entgegensetzt. Oder muß man nicht einen Menschen bewun¬ dern und lieb gewinnen, der bei aller Verachtung und Mißhand¬ lung, die ihn schmerzlich trifft, keine unbillige Klage wider feinen Gegner erhebt, sondern all seinen Trost in dem Bewußtfeyn feines guten Gewissens findet. Und eben auf diese Duelle des Trostes, die für seinen Gegner unversiegbar ist, wird der Ungerechte und »»»» 8l) «««« Feindselige zuletzt aufmerksam, er wünscht sie selbst zu besitzen, und hört auf den Unschuldigen zu vcrsvlgcn. — Den hartherzigen Filz r sollte ja doch endlich die sanfte Flamme der Nächstenliebe erwär- h men, wenn er Menschen um sich bat, die ihren nothleidenden Mit- ) brüdern bereitwillig Hand und Herz offnen, und ihm immer die - evangelische Wahrheit vorpredigen, daß Geben seliger sey als Neh¬ men ; wenn man dem Barmherzigen und Freigebigen die stille reine Freude des Wvhlthuns an dem Gesichte liest — so wird man ja mächtig angetrieben durch eine ähnliche Handlungsweise sich dieselbe himmlische Freude zu erringen. — Der Wohllüsiling muß doch den Dorn seiner wilden Leidenschaft schmerzlicher empfinden, wenn er länger unter Menschen lebet, die nichts höher schätzen als die Rcinigkeit des Herzens, nichts sorgfältiger bewahren als die Blume der Unschuld; er muß sich es ja doch gestehen, daß nur Menschen, die einen unbefleckten Wandel führen, Kinder Gottes und seine Lieblinge seyn können, daß sie daher einen Himmel in ihrem Herzen tragen, während er selbst schon hienieden die Dua¬ len der Hölle empfindet, die ihm seine Leidenschaft bereitet. — Wird ihn diese Vorstellung diese Wahrheit nicht bewegen, die Unschuld und Rcinigkeit lieb zu gewinnen und ihr für die Zukunft willige Opfer zu bringen? Mir einem Worte, wenn lasterhafte Menschen unter Gottesfürchtigen wohnen , die standhaft auf dem schmalen und dornigen Wege, der zum Leben führt, fortschreiten, denen keine Entsagung zu schwer, kein Opfer zu groß, keine Bußübung zu schmerz¬ lich ist, so wird doch mancher aus ihnen gezwungen, wie einst der noch unbckehrte Augustin, zu sich selbst zu sprechen : Wie, sollte ich nicht auch thun können, was diese und jene thun? Wollte es der Him¬ mel, daß nicht Einer oder der Andere, sondern alle Bösen und Lasterhaften, dix unter Guten und Gerechten leben, so zu sich sel¬ ber sprechen, und sich die guten Beispiele der Frommen zu Nutzen machen, d. i. sie eifrig nachahmen möchten. Bald gäbe es dann weniger Unkraut unter dem Weizen, bald würde das Unkraut selbst zu einem guten Samen werden, und die weisen Absichten der väterlichen Vorsehung Gottes, welche die Vermischung der Bösen mit den Guten zulaßt, würden erreicht werden zum Heile der Guten und zum Heile der Bösen. Amen. »»»» , 90 « « «e< Am sechsten Sonntage nach der Erscheinung des Herrn. »Das Himmelreich ist einem Senftkorne gleich, das ein Mensch nimmt und in seinen Acker säet. March. iZ, 3i.« Eingang. ä)ns Himmelreich, welches in der h. Schrift öfters soviel heißt als die Religion Jesu, das Christenthum, wird im heutigen Evacs gclio mit einem Senfkorne verglichen, welches die kleinste und unansehnlichste Gattung von Samen ist, aber sobald es in der Erde Wurzel gefaßt und hervorgetrieben hat, gleichsam zu einem Baume aufwächst, unter dessen schattigen Zweigen sich die Vögcl des Himmels lagern. Schön und treffend ist wirklich der Vergleich von diesem fruchtbaren Samcnkorne mit dem fruchtbaren Samen¬ korns des Christenthumes oder des Glaubens. Denn in einem klei¬ nen Winkel des jüdischen Landes streute Jesus das Senstkörnlein seiner göttlichen Lehre aus; unbedeutend, unansehnlich schien An¬ fangs der himmlische Same, Viele glaubten es nicht, daß er vom Himmel gekommen, Andere verkannten dessen wohlthatige Kraft und noch Andere suchten denselben schon im Keime zu ersticken und auszurotten; aber der unbedeutende Same, der still, und gleich¬ sam im Verborgenen aufkcimte, schoß bald zu einem Baume aus, unter dessen schattigen Zweigen nun selbst die Könige, die Großen und mächtigen Beherrscher der Erde und ganze Völker friedlich ruhen, und nicht mir friedlich ruhen, sondern sich auch an den schönen und wohlthätigen Früchten des Baumes mit dankbarem Herzen erfreuen. — Und dieser himmlische Baum, den einst dec Sohn Gottes gepflanzt, den seine Apostel und deren Nachfolger eifrig und mühsam gepflegt haben, dieser Baum, der gegenwärtig schon in seiner Grösse und Schönheit pranget, wird noch immer zunehmen an Grösse und Herrlichkeit bis er einst in seiner Vollen- düng da stehen, und alle Völker des Erdbodens unter seinen be¬ seligenden Schatten vereinigen wird. Wohl uns, meine Lieben, daß auch wir unter dem wohlthätigen Schatten dieses himmlischen Baumes, des Christenthumes nämlich, zu ruhen gewürdiget mor¬ d' fc st n d e k l i ? 1 ! » » » » 01 « « « « den sind, daß auch wir von seinen edlen Früchten genießen dür¬ fen; wohl uns, daß uns die überaus grosse Gnade des Himmels zu Theil wurde, die Lehre Jesu, ihre beseligende Kraft, ihre trö¬ stenden Verheißungen, ihre unvergänglichen Früchte kennen zu ler¬ nen, kurz wohl uns, daß wir Christen heißen. Doch nicht genug, daß wir Christen heißen, daß wir unter dem Baume des beseligenden Glaubens der Lehre Jesu ruhen, wir müssen diese Gnade besser benü¬ tzen, wir müssen die Früchte dieses Baumes, des Christeulhumes näm¬ lich durch eigenes Wirken und Handeln nach den Vorschriften desselben reichlich zu gewinnen suchen. Leider gibt es viele Christen, die die Fruchte des Christen'thumes nicht gehörig zu schätzen wissen, oder nicht im Ernste sich bestreben wollen, derselben theilhaftig zu werden. Wir wollen darum heute etwas näher kennen lernen erstens das Wohlthä- tige des Christenthumes, oder welch' grosses Geschenk des Himmels dasselbe sey, und zweitens wie wir dieses Geschenk benützen sollen. Vernehmen Sie mich hierüber mit geneigter Aufmerksamkeit. Erster Theil. Die Heiden, denen das grosse Geschenk des Himmels die Lehre Jesu, der Glaube nicht zu Theil wurde, waren zwar nicht alles Hähern göttlichen Lichtes beraubt, sie sehnten sch nicht bloß das höchste Wesen, den Urheber alles Erschaffenen kennen zu ler¬ nen, sondern dieses höchste Wesen, nämlich Gott, gab sich ihnen auch selbst auf mancherlei Weise zu erkennen, als z. B. durch die Werke der Natur, durch die Vernunft und durch einen inner» Rich¬ ter, nämlich durch die Stimme des Gewissens. Durch die Bctrach-. tung der Natur konnten sie auf einen allmächtigen und Höchstwei¬ sen Urheber der Schöpfung schließen — die Vernunft führte sie auf den Unterschied des Guten und Bösen, und die Stimme des Ge¬ wissens strafte sie mit bittcrn Vorwürfen, oder lohnte sie mit innerer Ruhe und Selbstzufriedenheit, je nachdem sie den Foderun- geu der Sinnlichkeit oder den Aussprüchen der Vernunft folgten. Ja Einigen aus ihnen wurden sogar hellere Strahlen des himmli¬ schen Lichtes zu Theil; sie ahneten nicht nur, sondern sie lehrten auch eine Unsterblichkeit der Seele, ein anderes Leben, einen Zu¬ stand der Belohnung und Strafe nach dem Lode — aber bei alle dem gelangten sie doch zu keiner überzeugenden Gewißheit, weil ihnen jenes reine Helle Licht mangelte, welches die unmittelbare 92 Offenbarung Gottes durch Iesum seinen Sohn in unserer Verminst Es und unserem Herzen anziindete. uni a) Eine grosse Gabe Gottes ist allerdings die Vernunft; auf wir ihr beruht der Vorzug, den wir vor allen übrigen Geschöpfen haben um — sie ist-eine treue Führerin auf unserer Lebensreise, die uns nicht Lic irre leitet, wenn wir nur ihr und nicht der Stimme der Sinnlich- ste keit Gehör geben — sie isi himmlisches Licht, welches uns viele du Wahrheiten anfhellet und die Kenntnisse des Guten erweitert. — Aber das Licht der Vernunft ist doch noch kein vollkommenes Licht, sx weil sie selbst nicht vollkommen; sondern beschrankt ist. Darum sic kann sie auch manche Liese nicht ergründen, manche Wahrheit nicht gc zur vollen Einsicht bringen, manchen Zweifel nicht aufhcben, mau- le chen Wunsch nach einer frohen jenseitigen Aussicht nicht befriedige». d Das thut aber das Christenthum in so weit, als es die Erreichung u unserer Bestimmung fodert, auf das Vollkommenste. Sein Licht nut d dem Lichte der Vernunft vereiniget erhellet das Reich der Wahr- u heit auf und führt in das Heiligthum der Lugend ein. Wo die f Kraft der Vernunft nicht mehr hinreicht, da kommt das Christen- ( thum oder der Glaube mit seinen Belehrungen und Aufschlüssen zu l Hilfe, wo die Aussichten, die die Vernunft uns öffnet, nicht beruhi¬ gen, wo die Hoffnungen, mit denen sie uns aufrecht zu erhalten sucht, nicht tröstend genug sind, da erscheint der Glaube als ein Bothe des Himmels in freundlicher Gestalt, und gießet Lrvst und süße Beruhigung in unsere Herzen. So z. B. erhebt uns die Ver¬ nunft wohl zu dem Gedanken, an einen Allmächtigen, allweisen und gütigen Schöpfer, wenn sie uns auf die Wunder der Natur, auf die Mannigfaltigkeit, Ordnung und Schönheit, die wir allent¬ halben in der Schöpfung erblicken, wenn sie uns auf die lieben Gaben und Freuden, die uns unaufhörlich zufließen, aufmerksam macht, aber — ungleich höher stellt unsere Einsichten und Kennt¬ nisse von Gott das Christenthum — die Offenbarung. Derselbe Gott, sagt uns diese, der sich deiner Vernunft in seinen Werken offenbaret, ist nicht nur ein allmächtiger, höchst weiser und güti¬ ger Gott, sondern auch ein höchst heiliger, gerechter und wahrhaf¬ ter; du bist nicht nur sein Geschöpf, sondern auch sein Ebenbild; er ist nicht nur dein Herr- sondern auch dein Vater, dein Er¬ zieher, Beschützer und Lenker deiner Schicksale — er umfaßt dich, sofcrne du ihm treu bleibst, mit ewiger unabänderlicher Liebe. Wie trostreich sind nicht diese Wahrheiten, meine Lieben! Äst >-» » » 95 « « « kNttüst ; auf habe» nicht llich- vielc licht, rum üicht inu- inig nul hr- die tN- z» bi- cn in td c- n e, n l Gvtt ein allmächtiger, höchst weiser und gütiger Vater, so kann uns nichts Uebels begegnen ohne sein Wissen und Willen; sind wir seine Kinder, so ist alles, was uns trifft, zu unserm zeitlichen und ewigen Wohle berechnet, weil er uns mit immer gleicher Liebe umfaßt; und sind wir seine Ebenbilder, so sind wir zur Un¬ sterblichkeit Vorbehalten, zu einem ewigen Genüsse jener Seligkeit, die in Gott ihren Ursprung hat. l>) Die Vernunft führt uns ferner, wenn wir auf ihre Aus¬ sprüche Acht haben wollen, zur Kennrniß des Wahren und Guten; sic zeigt uns den Weg der Tugend, und hellet uns die Täuschun¬ gen der Sinnlichkeit — den Abgrund des Lasters auf; wir füh¬ len cs durch sie, daß wir freie Wefen sind, d. h. daß wir nach dem was recht und gut ist handeln, und so immer freier, — nämlich immer besser und vollkommener werden; nicht aber wie das vcrnunftlose Thier blos unsern Gelüsten folgen sollen. Aber ungleich bestimmter und sicherer weiset uns das Christenthum den Weg zur Tugend und Vollkommenheit, indem es uns unmittelbar Gott selbst nachzuahmcn bestehlt. Seid vollkommen, wie der himm¬ lische Vater vollkommen ist. Damit wir aber den himmlischen Vater nicht nur nachznahmen wissen, sondern ihn auch uachah- men können, so kam der Sohn Gottes selbst auf die Erde, und bekräftigte seine Lehren durch sein Beispiel, indem er sich in sei¬ nem Denken und Handeln in seinen ganzen Leben als Vorbild der Heiligkeit darstellte, welches wir immer vor Augen haben dem wir immer nachstreben sollen. Und thun wir das, ahmen wir Ze- sum den Sohn Gottes nach, so ahmen wir auch den himmlischen Vater nach, und sind seine geliebten Kinder! Und was verheißt uns das Christenthum als Kindern Gottes? — Das Erbe des Himmels eine unvergängliche Seligkeit beim Vater und Sohlle. Wahrlich ein himmlisches Geschenk ist der Glaube! An feiner Hand werden wir geführt zur Tugend und immer grösserer Vollkommenheit, und haben wir diese an seiner Hand erreicht, ss öffnet er uns die schönste erfreulichste Aussicht in das ewige Reich der Belohnung. Mit den Waffen des Glaubens gerüstet, und durch seine grossen Verheissungen aufgemuntert, können wir demnach muthvoll kämpfen, gegen alle feindlichen Umgriffe der Sinnlichkeit, der Welt und des Satans. Unser Blick ist gegen den Himmel gerichtet, oben ist uns eine sichere Stätte des Frie¬ dens und der Seligkeit bereitet, wenn wir hicnieden unter den »»»» 94 «««« Fahnen des Glaubens muthig gestellten und gesiegt haben wer¬ den, — zwar belohnt sich die Tugend selbst schon hienieden auf mannigfaltige Art, besonders aber durch eine innere Selbstzufrie¬ denheit, die man außer ihr vergebens sucht, und ewig nicht fin¬ det; das Bewußtseyn gut und pflichtmäßig gehandelt zu haben, erhebt den Menschen über jedes Mißgeschick; aber wenn cs doch nur bei dem Beifalle des Gewissens, bei dieser innern Selbstzu¬ friedenheit bleiben sollte, wenn das Christenthum oder der Glaube nicht bessere Tröstungen reichte, uns nicht einen ewigen, allmäch¬ tigen, höchstheiligen und gerechten Vergelter der Tugend kennen lehrte, — o dann, meine Lieben, wäre der bloße Beifall des Ge¬ wissens lange nicht hinreichend uns vollkommen zu beruhigen, uns für die vielen und grossen Opfer, die die Tugend fordert zu ent¬ schädigen, im Gegenthcile wäre das Bewußtseyn gut gehandelt zu haben, und doch hienieden verachtet, verkannt und unglücklich zu seyn, — dieses Bewußtseyn wäre gerade das Martervolleste, das wir fühlen könnten. Der Bösewicht würde dann ungestört in den Genüssen des Lasters seine Glückseligkeit suchen, denn hätte er jenseits gleich nichts zu hoffen, so hätte er auch nichts zu fürch¬ ten, während oft der Tugendhafte schon hienieden unglücklich wä¬ re, lind auch Jenseits nichts zu hoffen hätte. Aber wie mächtig erheben den redlichen Tugendfreund die Wahrheiten des Chri- stenthums und seine Verheißungen! welche Kraft verleihen sie ihm im Kampfe wider die Sünde, welche Beruhigung in Leiden und Verfolgungen! Streite, entbehre und dulde, sagt ihm der Glaube, denn hienieden ist alles nur Aussaat zu einer künftigen reichlichen Freudenärnte, — hienieden flehst du nur wie in einem Näthsel, wie in einem Spiegel, — jenseits aber von Angesicht zu Ange¬ sicht. Dem Leib wird, zwar der Erde gegeben, weil er aus ihr gebildet, er wird Staub werden, weil er Staub ist, aber wer an Jesus glaubt, der stirbt nicht, sondern wird ewig leben. — Es kommt die Stunde, wo alle die in den Gräbern ruhen, die Stim¬ me des Sohnes Gottes hören, und jene, die Gutes gethan ha¬ ben werden, aufgeweckt werden zur Verherrlichung. — Jesus der Sohn Gottes wird kommen, um seine Freunde abzuhohlen, und sie werden eingehen mit ihm in das ewige Leben. Was uns nun den feurigsten Muth im Kampfe wider das Böse, den süssesten Trost in Leiden, die mächtigste Beruhigung im Lode, die Volleste Gewißheit von einer Fortdauer nach dem- » » » » 95 « « s< « sclbcn, von einer unaussprechlichen Belohnung in der Ewigkeit gibt, ist das nicht die größte Wvhlthat des Himmels, ist es nicht ein Geschenk, welches nur Gott den Menschen zukommen lassen konnte? Dankbar, unendlich dankbar müssen wir dem Vater im Himmel scyn, sür dieses erhabene Geschenk seiner Liebe. Dankbar werden wir uns aber beweisen durch einen weisen Gebrauch dieses Geschenkes, davon im zweiten Theile. Eine todte Kcnntniß der Lehre Jesu, des Christenthumes reicht nicht hin, meine Lieben, uns zur Erreichung unserer Bestim¬ mung zu führen; ja wir können von dem Wohlthätigen, Wahren und Erhabenen desselben, gar nicht mit Ueberzeugung sprechen, wenn wir dessen Vorschriften nicht zur Richtschnur unseres Den¬ kens und Handelns machen, d. i. sie so auf unfern Willen cin- wirkcn lassen, daß sie unsere verkehrten Neigungen lautern, unser Herz veredeln, und uns zu sittlich guten Menschen machen. — Darum verlangte auch Jesus nicht das bloße Wissen und Glauben seiner Lehre, sondern vorzüglich die Ausübung derselben. Wer den Willen meines Vaters thut, sprach er, der wird das Himmelreich erben. — Das nämliche foderten auch die Apostel von allen die sich zum Christenthume bekannten: Wandelt im Glauben an Je¬ su und nach den Vorschriften seiner Lehre. ^Wir sollen also wan¬ deln im Glauben, d. i. nach seinen Lehren und Vorschriften leben, dann wird derselbe ein wohlthätiges Geschenk des Himmels für uns werden, und uns selig machen. Wie sollen wir uns also der Vorschriften des Christenthumes bedienen zu unfcrm Heile? — Wem z. B. die Erfüllung seiner Pflichten schwer fallt, wer auf was immer für eine Art versucht wird sich von denselben zu befreien, oder sic kalt, und treulos auszuübcn, der muntere sich auf zur Anstrengung und Treue durch die Ermahnung Jesu: Se¬ lig der Knecht, den sein Herr zu jeder Stunde wachend findet, — er wird ihn über alle seine Güter setzen. — Wer von der Be¬ gierde nach schnödem Gewinne oder nach sündhaften Freuden ge¬ quält wird, der rufe die Worte Jesu in das Gedächtnis: Was hilft cs dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet, welchen Preis wird er für seine Seele geben? — Wen schmutziger Eigennutz und Habsucht be- 96 herrscht, der lasse sich den Rath des Heilandes gesagt seyn: Sa- mclt euch Schatze für den Himmel, wo weder Rost noch Motten sie aufzehren, und die Diebe nicht ausgrabcn. — Wen Stolz und Herrschsucht zu Ungerechtigkeiten verleiten, der höre, wes Jesus spricht: Sehet, ich bin Mitten unter Euch euer Knecht ge¬ worden , ich bin nicht gekommen um mich bedienen zu lassen, son¬ dern um zu dienen. — Wen die Reize der Wohllust gefangen halten, wer sich durch chre Genüsse sein Herz befleckt, dem ruft der Heiland zu: Selig die eines reinen Herzens sind, sie wer¬ den Gott schauen. Wer hart, unbillig und menschenfeindlich ist, — der höre den Erlöser: Lernet von mir sagt er, denn ich bin sanst- müthig und demiithig von Herzen. — Wer Beleidigungen und Unbilden nicht vergeben, sich mit seinem Feinde nicht aussödncn will, erinnere sich des sterbenden Heilandes wie er für seine Mör¬ der bethet: Vater verzeihe ihnen. Wer gewohnt ist, die Fehler seines Mitmenschen ohne Noth, schadenfroh aufzudeckcn, und zu vergrößern, ihn lieblos zu richten und zu verdammen, dem sagt Jesus: Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet. Wer sein Her; verhärtet gegen Arme, Nothleidende, Unglückliche, wer ihnen sei¬ nen Rath und seine Hilfe versagt, der sehe hin auf Jesum den allgemeinen Tröster, Wohlthäter und Beglücker der Menschen, wie er Allen freundlich zurust: Kommet zu mir alle, die ihr nut Mühe mit Widerwärtigkeiten beladen seyd, ich will euch erquicken; der vernehme seine Verheißung, daß kein Trunk frischen Wassers, den man Jemanden in seinen Namen darreicht, unbclohnt bleiben werde. Mit einem Worte, wer tugendhafter, vollkommener werden, und so seine Bestimmung erreichen will, der merke auf das erhabene Beispiel Jesu Christi, auf die Vorschriften seiner Lehre, vergleiche dann beide mit seinem Seelenzustande, mit seiner Denk- und Handlungsweise, und findet er sich beschämt, zur Kenntnisse seiner Fehltritte und Leidenschaften gebracht, dann fasse er den unerschüt¬ terlichen Vorsatz seinen Wandel zu bessern, und nach den Vor¬ schriften, nach dem Beispiele des Heilandes einzurichten, dann wird der Geist des Christenthumes der Religion Jesu in ihm zu leben und zu wirken anfangen, dann wird er umgcschassen zu einem ganz neuen Menschen, der nach Gott gebildet ist, in Gerechtigkeit und heiliger Wahrheit. Dann wird er fühlen das Wahre, Wohltä¬ tige und Heilige des Glaubens, und dankbar sich freuen, daß ihm dieses grosse Geschenk des Himmels zu Lhcil geworden ist, » » » » 97 8a- tteii tvlz was g!>- 0N- zeu Aft er- st- ii d cn r- er j» ej i- n e e r l daß er im Lichte wandeln könne als Kind Gottes Nach den Willen des Schöpfers. Und wenn wir so das wohlthätige Geschenk Got¬ tes — das Christenthum oder den Glauben auf Verstand und Herz wirken lassen, und getreu nach seinen Vorschriften leben, so wird uns auch der Glaube, wenn der letzte unserer Tage sich zum Abend neiget, die schönste erfreulichste Aussicht in das Reich der Ewigkeit aufschließen, und Zesus dessen treue Schüler und Freunde wir hienicden waren, welchem nachzuahmen wir uns eifrig bemüht haben, wird uns die tröstlichen Worte vernehmen lassen: Kommet ihr Gesegneten meines Vaters, und besitzet das Reich das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt. Amen. Am Sonntage Septuagesima. »Das Himmelreich ist gleich einem Hausvater, der am Morgen ausging Arbeiter zu miethen in seinen Weinberg. Matth, sv, i,- 08 «««« wählte man auch fünfzig, sechzig oder gar sicbenzig Tage zur Faste, weil man cs für geziemend hielt, in jedem Jahre eben so viele Tage zu fasten und zu bethen, als das gewöhnliche Menschenleben Jähre zählt; welches bekanntlich öfters kaum fünfzig oder sechzig Jahre erreicht, nur selten das sicbcnzigste übersteigt. — Endlich pflegten gerade um diese Zeit die Heiden ihre Fastnachts-Lust¬ barkeiten zu halten, wobei gewöhnlich außerordentliche Zügellosig¬ keit und grosse Ausschweifungen herrschten; die Christen aber, als zur Heiligkeit Berufene, sollten nicht nur daran keinen Theil haben, sondern eben jetzt ganz besonders von den Andern sich unterscheiden durch eine ernste Stille, durch eine eingezogene Le¬ bensweise, durch Gebet und strenge Enthaltungen. So wollte es die christliche Kirche. Darum zog sic selbst jetzt schon ihr Trauerkleid an, verboth sogar beim Gottesdienste alle Freudengcsänge und Frcudenzeichen, und ermahnte die Gläu¬ bigen, so wie nachher bei der Faste von 40 Tagen, dringend und ohne Unterlaß: Betraget euch in allem als ehrbare Kinder Got¬ tes. Folget nicht den sündlichcn Gelüsten, wie einst in den Ta¬ gen eurer Unwissenheit. Seyd heilig in eurem ganzen Wandel, wie auch der heilig ist, welcher euch aus Gnade berufen hat. 1. Petr. 1, 14. Nach uralter Sitte beginnt also eigentlich mit dem heutigen Lage ein neuer Abschnitt im christlichen Kir¬ chenjahre. Und welches Evangelium hatte für einen solchen Ab¬ schnitt und Anfang schicklicher gewählt werden können, als das von Gott — dem himmlischen Hausvater, und von den Men¬ schen seinen Arbeitern in seinem Weinberge? Ist ja doch eben das unsere wahre Bestimmung auf Erden, das ursprüngliche und unwandelbare Vcrhältniß Gottes zu den Menschen, und der Men¬ schen zu Gott! Lassen Sie uns darum heute das schöne und zweckmässige evangelische Glcichniß nach der Reihe durchgehen und beherzigen; wir werden in demselben über¬ aus viel Trost- und Lehrreiches für uns finden, und wenn es uns an Aufmerksamkeit und gutem Willen nicht fehlt, gewiß auch mit Frucht auf unser irdisches Leben übertragen. Abhandlung. Gott will: alle Menschen sollten selig werden — Keiner zu Grunde gehen; und Gott will es ernstlich und aufrichtig, und >-)>»» 99 thut seiner Seits Alles, was er, ohne den freien Willen des Menschen aufzuheben, thun kann, daß es so geschehe. Das, meine Lieben! ist die erste Lehre, die uns im Gleichnisse des heutigen Evangeliums vorgctragen, und wie leibhaft abgebildct, vor die Augen gestellt wird. Ein Hausvater, so beginnt das Glcichniß, ein Hausvater, der einen grossen Weinberg hat, geht in aller Frühe aus, Arbeitsleute aufzufuchen und zu dingen. Ein guter Laglohn soll ihnen werden; so verspricht er's ihnen upd schickt sic in seinen Weinberg. Um die dritte Morgenstunde, nach heb¬ räischer Tageseinteilung, oder nach unserer Zeitbestimmung um y Uhr Vormittags, kömmt er abermal, wirbt neue Arbeiter an, und verspricht auch diesen denselben Lohn. Eben das thut er um die sechste Stunde, oder um die Mittagszeit, und nachher um die neunte, oder nach unserer Rechnung um die dritte Nachmit-- tagsstunde, — er geht, geht abermal, sucht Arbeiter, und sendet sie in den Weinberg hin. Selbst noch um die cilfte Stunde, oder nach unserer Rechnung zur Zeit, wo der Abend schon zu grauen anfängt, eine kleine Stunde vor dem Feierabende kömmt der Hausvater noch einmal, findet da einige Müssiggänger, die den ganzen Tag über nichts gethan haben, und heißt auch sie noch in seinen Weinberg hingehen. — Soviel indeß von dem evangelischen Gleichnisse. Was ist nun der Sinn und die An¬ wendung desselben? Der Hausvater, der da Arbeiter für seinen Weinberg miethet, ist Gott der himmlische Vater; sein Weinberg ist die Kirche Christi auf Erden, in welcher man ihm durch rich¬ tige Erkenntniß und treue Erfüllung seines heiligen Willens die¬ nen , seinen Namen verherrlichen, das Reich der Lugend befördern und erweitern, sich selbst und seine Mitmenschen heiligen soll; die Arbeiter, die Gott als Hausvater in seinen Weinberg — in seinen Dienst rufet, sind wir Menschen; und der Tag, an wel¬ chem wir von ihm zu seinem Dienste gerufen werden, ist das ganze gegenwärtige Leben, welches im Vergleich mit der Ewigkeit nur ein sehr kurzer Tag ist; die verschiedenen Stunden aber, in welchen der himmlische Hausvater uns Arbeiter in seinen Wein¬ berg schickt, zeigen die verschiedenen Alter an, in welchen wir uns dem Dienste Gottes, unseres himmlischen Hausvaters/ wid¬ men sollen. In aller Frühe, schon in der ersten Morgenstunde der Kind¬ heit, sobald das Licht der Vernunft aufgegangen ist, und die 7 IM geistigen und leiblichen Kräfte sich zu entwickeln anfangcn — kommt nämlich Gott zu dem Menschen und spricht mittelst der Stimme der Vernunft, der Religion, der Acltcrn und Erzieher und des Gewissens, liebreich und einladend zu seinem Herzen: Sohn! Tochter! gehe sogleich in meinen Weinberg, und fange an darin zu arbeiten, lebe und handle nach meinen Gebothen, wende die Zeit deines Lebens recht gut und nützlich an, und diene mir getreu bis an's Ende, ich gebe dir dereinst den Zehner des ewi¬ gen Lebens dafür! Wieder kommt Gott der himmlische Hausvater zu dem Menschen, in den Vormittagsstunden der Jugend, und spricht zu ihm: Jüngling! Jungfrau! die Welt ist eitel — ihre Güter sind vergänglich, ihre Freuden bitter, ihre Ehren lästig, ihre Versprechungen trügerisch — ihr Dienst ist ein Sklaven¬ dienst — entsage der Welt! diene mir, gehe in meinen Wein¬ berg, arbeite und lebe für mich, deinen Schöpfer, deinen Herrn und Vergelter, ich allein gebe dir gewissen und unvergänglichen Lohn. Wieder kommt Gott der himmlische Hausvater zu dem Menschen, in der Mittagsstunde des männlichen Alters, und spricht: Mann! Frau! lasse dich nicht so sehr von zeitlichen Sor¬ gen hinreißen! Was hilft cs dir, wenn du auch die ganze Welt gewinnst, aber an deiner Seele Schaden leidest! — Nur Eines ist nöthig. Suche vor allen das Reich Gottes, mein Reich und ferne Gerechtigkeit! Sorge für deine Seele — gehe hin und ar¬ beite in meinem Weinberge — das nur kann dich glücklich ma¬ chen; denn ich zahle dich statt mit vergänglichen — mit ewig dauernden Gütern. — Wieder kommt Gott der himmlische Haus¬ vater zu dem Menschen, in den Nachmittagsstunden des zuneh¬ menden Alters, wiederholt noch dringender seinen Ruf an ihn, zeigt ihm auf das Einleuchtendste aus der täglichen Erfahrung, durch mannigfache Beispiele, durch vielfältige Einsprcchungen und Rührungen seiner Gnade — daß alles Irdische nichtig, daß der Weltdienst ein so harter, als undankbarer Dienst ist, daß er bis¬ her, weil er nicht für ihn, seinen Gott und Herrn, sondern nur für die Welt gearbeitet hat, ein müssiges Leben geführt, nichts gethan habe, und spricht ihm darum recht eifrig zu: Gehe doch auch hin in meinen Weinberg und arbeite darin — ich will dir zu deiner Zufriedenheit geben, was recht ist! Und sollte dann der Mensch auch als Knabe und als Jüng¬ ling, als Mann und als angehender Greis den Ruf Gottes, » » » » 101 « « « « seines himmlischen Hausvaters, nicht gehört, den ganzen Tag des Lebens mit Miissiggehen verscherzt d. i. für Gott seinen Schöpfer, für die Tugend und sein Seelenheil nichts gcthan ha¬ ben: so ermüdet oft die väterliche Fürsorge und Liebe Gottes des himmlischen Hausvaters noch nicht. Noch im hohen Greisen¬ alter — eine kleine Stunde gleichsam vor dem Feierabende des Lebens, wo der Mensch nur noch einige wenige Schritte zum Grabe zählen kann — noch jetzt geht Gott dem Menschen nach —> sucht ihn allenth.u'bcn auf, derselbe mag allein oder mit Andern seyn, verweist ihm mit wohlmeinendem Ernste den Verlust eines unnütz verträumten Lebens und spricht: Was stehst du da den ganzen Lag müssig? — Wohl ein erschütternder Verweis! der dem grauen Sünder das Herz im Leibe umkehrcn sollte. — Also den ganzen Lag seines irdischen Lebens ist er müssig gestanden, hat nichts gearbeitet für Gott und die Ewigkeit, und selbst jetzt in der späten Abendstunde seines Erdenlcbens, worauf eine ewige Nacht folgt, in der man nichts mehr wirken kann — selbst jetzt würde mancher abgelebte Sünder nicht daran denken >— seine, bereits von der Sünde gelähmte Hand, anzulegen an das Ge¬ schäft seines Heils, wenn der langmüthige Gott nicht noch einmal zu ihm hinausginge und ihm dringend zuriefe: Gehe doch auch hin in meinen Weinberg! — Sehr niederschlagend ist wohl schon der Anblick eines Jünglinges, wenn er in den Lagen seiner Ju¬ gend, in der Blüthe feines Lebens, seines Schöpfers vergißt, seinen väterlichen Ruf nicht mehr hört, und auf der breiten Strasse, wie ein Unsinniger seinem Verderben entgegen rennt. — Aber schauderhaft ist der Anblick eines Greises, der saft die ganze breite Strasse des Lasters zurückgelegt hat, und sich jetzt mit grauen Haaren, mit zitterndem Haupte, mit halberloschenen Augen, mit schwankenden Füssen, zur Erde gebogen, nur noch mühsam an seinem Stabe fortschleppt, nm noch die wenigen und letzten Schritte hin an den Rand eines ewigen Verderbens zu machen! — Bei alle dem, wenn ihm Gott dec himmlische Hausvater noch einige Augenblicke früher, ehe ihn die Nacht des ewigen Todes überfällt, mit aller Macht seiner Liebe zuruft: Warum stehst du den ganzen Lag bis auf den späten Abend deines Lebens müssig? — Bei alle dem bringt er oft noch eine Entschuldigung vor, in der sich seine ganze Sorglosigkeit gegen sein Heilsgcfchäst aus- 102 « « « « spricht: „Es hat mich," sagt er, gleich den müssigen Leuten im Evangelia, „es hat mich Niemand gedingt." — Verblendeter, unglücklicher Mensch! — Hat dich Gott der himmlische Hausva¬ ter nicht schon in der frühesten Kindheit in seinen Dienst ausge¬ nommen? Ist er nicht schon bei der heil. Taufe mit dir r.m den Lohn des künftigen Lehens eins geworden ? Hat er dich nicht schon am Morgen deines Lebens ausgcfodert, in seinen Weinberg zu gehen , und dem Versprechen gemäß zu arbeiten? Hat er dich nicht wiederholt am Vormittage, am Nachmittage, in den spä¬ tem Stunden bis an den Abend deines Lebens immer gerufen? Ja mehr als gerufen — hat er dich nicht überall mit der sanf¬ ten Gewalt seiner Gnade an sich gezogen, dich immer versichert: sein Joch sey süß und seine Bürde leicht? Hat er dir nicht bei jedem Rufe, bei jeder Einlaoung und Einsprechung seiner Gnade sein Versprechen erneuert und bekräftiget: Er wolle dir den be¬ stimmten Lohn geben — er wolle dir, wenn du auch zur Arbeit in seinem Weinberge später als Andere solltest erschienen scyn — dennoch geben, was recht ist? — Wie kannst du also sagen: Es hat mich Niemand gedinget? — Doch der gute himmlische Hausvater verzeiht dir diese thvrichte Entschuldigung, so wie dei¬ nen bisherigen Müssiggang, wenn du nur jetzt noch, eine kleine Stunde vor dem Feierabende deines Ledens, seinem Rufe sogleich folgest, und den Rest deines Lebens in seinem Weinberge desto eifriger zubringest. — Nein, meine Lieben, wer einst das fchrcck- hare Unglück haben sollte, ewig verloren zu gehen, der wird gewiß in Ewigkeit nie sagen können: Gott habe die Schuld daran; denn er ruft uns ja väterlich durch mancherlei Mittel und Wege unter beständiger Versicherung eines unvergänglichen Lohnes zu allen Stunden in seinen Dienst. In welcher Stunde haben wir aber doch angefangen Gott zu dienen? Um welche Stunde ist es jetzt bei uns ? — Sind wir gleich noch jung, so sind wir doch vielleicht von unserer letzten Stunde nicht weit entfernt. Lassen Sie uns darum ansangen, es sey um welche Stunde cs wolle; lassen Sic uns ernstlich arbeiten und die Sache nicht aufschicben. Ach! wir sind vielleicht nur mehr als zu lange müssig gewesen! Lassen Sie uns, die verlornen Stunden beweinen und befurchten, cs möchte uns der Abend überraschen, wie jene Arbeiter im Evan- sielio, die kaum eine Stunde gearbeitet haben! » » »)> 105 «««« Blicken wir nun wieder auf das evangelische Gleichm'ß zurück. Der Hausvater spricht zu den Berufenen: „Gehet hin in meinen Weinberg!" Er sagt nicht: gehet, suchet euch irgendwo eine Arbeit, damit ihr nicht müssig da stehet! Nein, ausdrücklich sagt er: Gehet in meinen Weinberg, da arbeitet, und wanns Zeit ist, dann gebe ich euch den Lohn. Gott, der hier unter dem Bilde eines Hausvaters vorgestellt wird, setzt also immer die unerläßliche Bedingung: Wir sollten arbeiten — für Zhn, um Seinetwegen, zu seiner Ehre, nach seinem Willen. Und wenn wir es recht nehmen, meine Lieben, so ist ja unser ganzes Leben auf Erden wirklich nichts anders als ein Tagwerk im Dienste des Herrn. Er allein ist ja unser aller Herr, wir nur seine Knechte. Seinen Willen zu thun, seine Befehle zu vollziehen, seinen Beifall zu verdienen, das ist unser Endzweck hienieden, und unsere Bestimmung. Denken und handeln wir anders, so verliert unser Hierseyn seine wahre Bedeutung, das ganze Leben wird unnütz, eitel und zwecklos. Wir mögen wohl arbeiten, aber wir verdienen doch nichts; wir mögen uns wohl bemühen, aber wir bringen nichts Bleibendes, Unvergängliches zu Stande; wir säen wohl aus, aber ohne Hoffnung dereinst etwas einzuernten. „Man lebt nicht recht," sagt der h. Augustin, „und man arbeitet um¬ sonst, wenn man nicht für Gott lebt, nicht wegen Gott arbeitet." Prüfen wir nach dieser Regel unser Leben; welches Urtheil über uns selbst werden wir fällen? Gott sollte überall unser erstes Au¬ genmerk, in Allem unser Beweggrund, das einzige und höchste Ziel seyn. Er ist auch überall bei uns — und doch sieht man nicht auf ihn, doch achtet man nicht auf ihn, denkt nicht einmal an ihn. Nein, man lebt nicht recht und man arbeitet umsonst, wenn man nicht für Gott lebt, nicht wegen Gott arbeitet. — Die Hand bei der Arbeit, das Gemüth bei Gott — das allein ist christliche Geschäftigkeit. So heiliget sich der Diener des Staates bei all' seinen verschiedenartigen Geschäften, so heiliget sich der Familienvater bei seinem Broterwerbe, so die Hausmut¬ ter bei dem Hauswesen, so der Handwerker in der Werkstätte, der Landmann auf dem Felde, der Dienstboth bei seinen niedri¬ gen Verrichtungen und der müde Arbeiter sogar bei der Mahlzeit und im Schlafe, denn: „Ihr möget essen oder trinken, oder etwas anders thun, sagt der Apostel, thut Alles zur Ehre Gottes, i. Korrith. ro, ö t." Unser Hierseyn auf Erden ist also ein Lage- »»»» 104 «««« »verk für Gott. Wer das versteht, und treu befolgt, der allem kann ein Weiser genannt werden; für alle Andere paßt nur du Klage des weisen Predigers: „Ich Thor, für wen arbeite ich den» zmd warum beraube ich meine Seele so vieler Güter? Leeles. 4,8." Verfolgen wir weiter das evangelische Gleichniß. „Als et nun Abend geworden war, heißt es, da ließ der Herr des Wein¬ berges die Arbeiter rufen, und ihnen den Lohn geben." Das iß nämlich die unwandelbare Ordnung in der Haushaltung Gottes mit den Seinen; so lange ihr Leben wahrt, dauert auch ihr: Arbeit — ihr Tagewerk. Aber wie, und sobald der Abend kommt, folgt auch der Lohn. Gott gibt ihn unaufgehalten, ganz und in reichem Maaße! — Vergleichen wir hier die Kinder Gottes mit den Kindern der Welt. Auch diese, die Kinder der Welt, legen sich pst ein gar schweres Tagewerk auf: bald um irgend eine gewünschte Ehrenstellx zu ersteigen, bald um eine sinnliche Lust zu genießen, bald um ein flüchtiges Erdengut zu sammeln. Aber nachdem sie sich lange abgemattet, tausend Schwierigkeiten erfahren, mit tau¬ send dornichten Sorgen sich verwundet haben — wie selten ent¬ spricht der Erfolg ihren Bemühungen! — Und sollten sie auch Alles erreicht Haden, was sie wollten, wie klein ist doch der Ge¬ winn! Wie unsicher sein Besitz! Wie bald kann ein unvcrmuthc- ter Zufall, ein Unglück, ein Schmerz alles Vergnügen untergra¬ ben, und wenn auch nicht, so müssen sie doch Alle am Ende mit Salomo in die Klage cinstimmcn und sagen: „Alles unter der Sonne ist Eitelkeit, und Bctrübniß des Geistes!" — Oder soll¬ ten sie auch des Irdischen eine zeitlang ungestört und freudetrun¬ ken genießen dürfen, wie der reiche Mann im Evangclio, so kommt doch bald, und oft ganz unvermuthet der Tod daher, und cs heißt: „Du Thor! heute noch, in dieser Nacht, wird man deine Seele von dir nehmen — und was du zusammcngerafft hast, — wessen wird es seyn? Luk. 12, 20." Nicht so nichtig und leer, meine Lieben, sind die Bemühun¬ gen der wahren Kinder Gottes. Was sie ernstlich wollen, das erreichen sie allemal gewiß; und haben sie cs aber einmal erreicht, so kann weder ein Zufall, noch ein Unglück, weder die Zeit, Noch die Ewigkeit mehr ihr Glück stören. Gewohnt, nicht nach vergänglichen, sondern nach unvergänglichen Gütern zu streben, betrachten sie sich jetzt, so lange der Lag des Lebens dauert, IMM W Haglohncr im Dienste Pes Herrn, thun immer eifrig, 1tt5 « « « « lem treu und unverdrossen semen h. Willen, und freuen sich des bi, Lohnes, der ihnen zugesagt ist. Nicht jetzt schon, während der ni; Arbeit wollen sie ihn haben, obschon der Herr sie fortwährend 8." erquickt und mit nie versiegendem Himmelstroste belohnt — aber et sie wissen cs wohl, daß ihnen der eigentliche Lohn jetzt noch nicht in- gereicht werden kann. — Genug: Es wird Abend werden, dann is: spricht der Herr des Weinberges zu seinem Verwalter: Rufe die es Arbeiter, und gib ihnen den Lohn! — Wenn uns demnach re manchmal die Last des Lebens und die Leiden der Zeit fast nie- l, verdrucken, meine Lieben! so denken wir an den kommenden h Feierabend, und wir werden uns neu gestärkt fühlen; wenn uns t mancherlei Sorgen und Bedrängnisse umringen, denken wir an i) den kommenden Feierabend, und wir werden uns erholen und e frischen Muth schöpfen; wenn es uns schwer fallt, uns in die i wunderliche Gemüthsart eines Andern zu fügen, unverdiente Un- i bilden stillfchweigcnd zu ertragen, und verkannt, verachtet, ver¬ folgt zu seyn, denken wir an den kommenden Feierabend, und wir werden nachgeben, schweigen und dulden können. Zn den Stun¬ den peinlicher Arbeit, unter den Gefahren mächtiger Versuchungen zum Lösen, bei der Trostlosigkeit des Geistes — in den Schmer¬ zen des Krankenlagers, Denken wir an den kommenden Feierabend — an das Ende dieses mühevollen und den Anfang eines bessern Lebens! >— Wie der müde Landmann auf dem Felde öfters gegen den Himmel aufblickt, und indem er aus dem Stande der Sonne berechnet, wie nahe schon der Abend scy, seine Kräfte gleichsam erneuet und sich beeilt, sein Tagewerk nicht unvollendet zu lassen, sondern es pflichtgemäß und gut zu beenden: so müssen auch wir in dem Gedanken an den ewigen Feierabend uns laben, stärken, aufmunlern bei allen Beschwerden des Lebens, bei aller Erfüllung unserer Pflichten. Wer aus uns, wenn er einen from¬ men Menschen nach vielen Mühseligkeiten, Leiden und Kämpfen sein irdisches Tagewerk freudig vollenden sieht, wer denkt da nicht, wer sagt nicht bei sich selber ihm glückwünschend: Wohl dir! du fleißiger Arbeiter im Weinberge des Herrn — Dein Feierabend ist endlich gekommen! Was uns jedoch im Gleichnisse dcS h. Evangeliums auffallen muß, ist das, es heißt: alle Arbeiter haben den ganzen und glei¬ chen Taglohn empfangen, ein Jeder einen Zehner, die, welche nur eine Stunde lang gearbeitet hatten, nicht minder, als die Andern » » » » 106 und sogar noch vor diesen. Wie! wird vielleicht Mancher bei sich denken: Soll's etwa auch im Himmel einst so Start habens — „»c Werden dann die Belohnungen der Seligen nicht nothwendig mi- gn gleich seyn müssen, je nachdem Einer mehr oder weniger Gutes D< im Leben gcthan hat? — Ohne allen Zweifel, meine Lieben! Zn- wc dessen, wenn m diesem Gleichnisse dem Anscheine nach das Gegen- stc rheil gesagt wird, so geschieht es nur, um uns eine andere E Wahrheit in Erinnerung zu bringen, die wir vielfältig in den ii> h. Büchern bestätiget finden, und die auch in der Lhat sehr tröst- je lich ist, besonders für gewisse Gattungen von Menschen. — Lei g der Austheilung der himmlischen Belohnungen wird es nämlich e nicht darauf ankommen: Wie lange, sondern wie gut, man t Gott gedient habe. Nicht bloß die Zahl und Vielheit der voll- i brachten guten Werke wird den Ausschlag geben, sondern noch > mehr ihre Gute und innere Beschaffenheit, d. i. der , höhere Grad der Treue, des Gehorsams, des Eifersund der Liebe, die der Mensch dabei bewiesen hat. Wer war denn Paulus, ehe er ein Apostel Jesu Christi geworden ist? Ein Ungläubiger und Halsstarriger in seinem bösen Sinne, ein wüthender Verfolger der Wahrheit und der heiligen Sache Gottes. Und doch verehren wir an ihm ein auserlesenes Gefäß der Gnade; der Mann Got¬ tes, der sterbend sagen konnte: Ich habe meine Laufbahn vollen¬ det und den Glauben bewahrt, nun ist mir nichts übrig, als die Krone der Gerechtigkeit, die mir der Herr, der gerechte Richter am Tage der Vergeltung zuerkcnnen wird. 2. Timoth. 4, 8. Wer war jenes Weib, von welchem der h. Ev. Lukas (7. c.) erzählt, daß sie, als Jesus bei einem Pharisäer zu Tische saß — hinging, sich zu Jesu Füssen niedersetzte, sie mit ihren Thräncn benetzte und mit ihren Haaren abtrocknete? — Eine öf¬ fentliche Sünderin in der Stadt war sie. Aber die Grösse ihrer Liebe hat ihr nicht nur Vergebung der Sünden, sondern auch die Freundschaft Jesu erworben: Ihr wird viel vergeben, sprach der Heiland, weil sie viel geliebt hat! — Und hat nicht der Gott¬ mensch Jesus Christus dem reumüthigcn Mitgekreuzigten noch am selben Tage das Paradies verheißen? Hat er nicht den Augustin, aus tiefer Verworfenheit gerettet und ihn zu einer der vornehm¬ sten Zierden seiner Kirche gemacht? Hat er nicht zu Allen, die sich ihrer Gerechtigkeit halber über Andere erhoben, gesagt: Ich versichere euch, Zöllner und Buhlerinnen werden noch vor euch 107 « «k< <-< emgchcn in daS Reich Gottes! — sobald fle nämlich die ihnen noch gegebene Leit der Gnade benutzen, und durch einen desto geössern Eifer der Busse zu ersehen suchen, was sie versäumten. Darum spricht auch Jesus im heutigen Gleichnisse: Die Letzten werden die Ersten und die Ersten werden die Letzten scyn! — Ein starker Sporn, sowohl die Einen als die Andern anzutreiben. Die Ersten, damit sie sich wegen Nachlässigkeit von den Letzten nicht übertreffen lassen; und die Letzten, daß sie den Muth nicht sinken lassen, weil sie durch ihren Eifer, diejenigen, die vor ihnen an- gefangen haben, noch immer einholen können. Aber immer auch ein starker Beweggrund für alle, demiithig zu seyn; für die letz¬ ten zwar, daß sie so spät angcfangen haben, und vielleicht doch noch wenig Eifer von sich blicken lassen, für die Ersten darum, weil, ob sie gleich das Glück gehabt eher anzufangen, sie doch noch nicht - gar zu weit gekommen sind. Und endlich eine Ursache, Nieman¬ den zu verachten. Denken müssen wir uns ost: Dieser neue bußfertige ist vielleicht eifriger als ich; dieser Sünder wird sich vielleicht bekehren, und heiliger sevn, als ich es bin. Was aber mich betrifft, wie groß ist nicht meine Trägheit und Nachlässigkeit! — Bin ich wohl auch recht bekehrt? — Ach,'es kann sich noch immer zutragen, daß ich auf Irrwege gerathe, daß ich den Glau¬ ben und die Gnade verliere, daß ich sterbe, ohne sie wieder er¬ langt zu haben, und daß ich nicht nur einer von den Letzten im Himmel bin, sondern wohl gar davon ausgeschlossen werde! Ähr also, die ihr erst kurz vor dem Abende des Lebens euch end¬ lich bekehrt habet, wie muß euch die Wahrheit aufmuntern, daß Gott euer langes, in Lhorheit und Sünde, und im geistigen Müssiggänge hingcbrachtcs Leben vergessen will, daß er nicht auf die Vergangenheit, sondern allein auf die Gegenwart sieht, nicht alle Werke des ganzen Tages von euch verlangt, sondern zufrieden ist, wenn ihr nur jetzt um so eifriger mit seiner Gnade mitwirket, je kürzer die Zeit geworden, die euch noch übrig ist. Zaget daher darüber nicht, daß ihr nur wenige Jahre noch, vielleicht nur et¬ liche Tage zu zahlen habet, in welchen ihr eure Sünden zu büssen, Früchte des ewigen Lebens zu wirken vermöget. — Ist eure Be¬ kehrung nur wahr und aufrichtig, so kommt sie vor Gott noch immer zu gelegener Zeit; wird euer Eifer, eure Lhätigkeit und Liebe den spät berufenen Arbeitern gleichen, so könnet ihr mit den früher Berufenen im Himmelreiche noch gleichen Lohn erwerben. » v » » 106 « « « « Endlich, meine Lieben! so wicH im heutigen evangelischen Gleichnisse vielerlei trostreiche Wahrheiten vorkommen, so enthalt dasselbe am Schlüsse auch eine schreckliche Wahrheit — furchtbar erschütternd sogar für die Gerechten. „Viele sind berufen," sagt der Heiland, „aber Wenige sind auserwählt." Wo liegt aber die Ursache? Zn Gott nicht, das haben wir bei der ganzen bisherigen Erklärung des Evangeliums unzweideutig gesehen. Also liegt ft nothwendig in dem Menschen selbst. Leider nur zu sehr! man vergleiche nur das Leben der meisten Menschen mit dem Evangelia Zcsu Christi, seine heiligen Vorschriften mit den Gesinnungen, Grundsätzen und Sitten dieser Christen, und urthcile: Wo finden wir denn überall Menschen in grosser Zahl, die dem Ebenbilde des¬ sen gleichen, den der Vater gesandt hat? Wo die christlichen Lu¬ genden Demuth, Sanftmuth, Unschuld des Herzens, Verläugnung seiner selbst, und den Glauben, der in Liebe vollkommen und durch Liebe wirfam ist. Werden die Menschen je hoffen dürfen in den Himmel einzugchen, ohne für den Himmel zu thun, was sie sollten. Es sind wohl viele zum Christenthume berufen, aber Wenige nehmen es an und folgen seinen Gesetzen; es sind Viele zu einem Stande der Vollkommenheit berufen, aber Wenige fol¬ gen ihrem Berufe, Wenige beharren dabei und leisten seinen Pflich¬ ten Genüge; Viele sind zur Busse berufen, aber Wenige thun sie, und unterwerfen sich ihrer Strenge; es sind viele zum Gebete, zur Andacht, zur Heiligkeit berufen, aber Wenige wollen die Mühe über sich nehmen. Mit einem Worte: es sind Viele zum Him¬ mel berufen, aber wenig Auserwählte, die dahin kommen, denn das sind nur Jene, die dem Rufe Gottes des himmlischen Haus¬ vaters getreu folgen, in seinem Weinberge, in seinem Dienste die Last des Tages und der Hitze beharrlich tragen, oder wenn sie -etwa später dahin gekommen, durch so grossem Fleiß und Eifer möglichst ersetzen, was ihnen an Länge der Zeit gebricht. Amen. » » r» 109 « « « « Am Sonntage Sezagesima. »Wer Ohre» hat, zu hören, der höre.« Luk. 8, 8. Eingang. Aic Stadt Capharnaum, am galiläischen See gelegen, war Je¬ su liebster Aufenthaltsort, wohin er nach länger» Reisen, die er als öffentlicher Volkslehrer durch das jüdische Land unternahm, gewöhnlich zurückzukchrcn pflegte, um auf eine Zeit auszuruhen. Einst ging er nun, da er sich wieder zu Capharnaum befand, aus dein Hause hinaus, gegen die Seeseite der Stadt, und setzte sich am Gestade nieder. Neugier und Hochachtung gegen seine Per¬ son, eine Folge so vieler Wunderwerke, machten, daß in kurzer Zeit das Gestade voll Menschen war, die ihn sehen und hören wollten. Jesus bestieg daher ein Schiff, setzte sich, und trug der am Gestade stehenden Volksmenge das Gleichniß vor, welches der Inhalt des h. Evangeliums ist. Ein Säcmann sprach Jesus, ging aus, seinen Acker zu besäen. Während er nun säete, fiel ein Lheil des Samens auf die offene Strasse, und wurde theils zertreten, theils von den Vögeln aufgezchrt; ein anderer Lheil siel auf felsigen Boden, und verdorrte, weil ihm die dünne und ausgebrannte Erdscholle über dem Felsen, zu wenig Feüchtigkeit zuführte; wieder ein anderer Lheil des Samens fiel zwischen Dor¬ nen und Gesträuch, und hier nahm das mit dem Samen auf- schicßende Gesträuch der Saat den besten Nahrungssaft, und ver¬ hinderte ihre Zeitigung; ein Lheil des Samens fiel endlich auf guten Grund und Boden, und brachte hundertfältige Früchte. Das ist das Gleichniß, welches Jesus am galiläischen See vor¬ trug, und mit dem Ausrufe schloß: Wer Ohren hat zu hören, der höre! — er wollte nämlich sagen: Was ich euch vorgctra- gcn ist wichtig in Bezug auf eure Seele, darum auch der Auf¬ merksamkeit eines Jeden werth, Jedermann forsche selbst dem Sin¬ ne meiner Worte nach. Jesus gab also bei dieser Gelegenheit dem Volke keine Erklärung des Gleichnisses, wohl aber gab er diese, seinen Jüngern als er mit ihnen allein war, und zwar so, wie sie im h. Evangelio haben. Aus dieser Erklärung ist aber Fol- 110 « « « « gendes ersichtlich: Daß der Same daS Wort Gottes, daß der Acker das menschliche Herz bedeute, und daß die Zahl derjenigen, bei denen der ausgestreute Same des göttlichen Wortes Frucht bringet, — die geringste Zahl sey, wovon die Ursache theils in der schlechten Beschaffenheit des Gemüthes, und in andern äußern Hindernissen, thcils auch in der schlechten Vorbereitung, zur Auf¬ nahme oder Anhörung des Wortes Gottes liegt. Wir wollen einstweilen die übrigen Hindernisse, die der Fruchtbarkeit des GoU- Wortes im Wege stehen, bei Seite lassen, und nur von diesem letzter«, nämlich von der schlechten Vorbereitung zur Anhörung desselben sprechen, oder besser wir wollen die Art und Weise an¬ geben, wie man das Wort Gottes anhörcn solle. Das ist der Ge¬ genstand meines heutigen Bortrages — wer Ohren hat, zu hö¬ ren, der höre. Abhandlung. Soll das Wort Gottes auf Verstand und Herz des Men¬ schen wohlthätig cinwirken, ihn bessern, veredeln und beseligen, so wird schon zur Anhörung desselben eine gute und würdige Gcmüthsverfassung erfordert, die man dann besitzt, wenn man dem Worte Gottes mit Ehrfurcht, Aufmerksamkeit und Bereit¬ willigkeit beiwohnt. — Was nun diese Ehrfurcht, Aufmerksam¬ keit und Bereitwilligkeit betrifft, mit der man dem Worte Got¬ tes beiwohnen solle, so hätte ich nicht eben nöthig Ihnen dafür einen andern Beweggrund anzugebcn, als den, weil es Gottes Wort ist, — Gottes Wort — d. h. Gott redet mit uns, der Schöpfer mit seinen sündhaften.Geschöpfen, der König aller Kö¬ nige mit seinen ohnmächtigen UnLtrthanen, der Herr aller Herren mit seinen unnützen Dienern, der beste aller Väter, mit seinen unwürdigen Kindern. Durch den Mund des Predigers seiner Diener, redet er mit uns, die obschon ünwürdig des erhabenen Amtes, Verkündiger seines h. Willens zu seyn, dennoch mit sei¬ nem Ansehen bekleidet, von ihm bevollmächtiget als seine Stell¬ vertreter erscheinen, und als solche angchört werden müssen. Wer euch höret, sprach Jesus zu seinen Aposteln, wer euch höret, der höret mich, wer euch verachtet, der verachtet mich. — And was ist es, das Gott durch den Mund seiner Diener zu uns redet? Aussprüche seiner höchsten Weisheit, Befehle seines h. Wil- »»»» 111 « « « « ^ns, Worte seiner unendlichen Liebes Verheißungen seiner ewigen Treue und Wahrhaftigkeit sind es. Denn durch dieses, durch das Wort Gottes, wird (der Sünder heilsam erschüttert, und auf den Weg des Lebens zurückgerufcu, der Gerechte zum ausharecndcii Kampfe ausgemuntcrt,) der Unwissende belehrt, der Schwache gestärkt, der Leidende getröstet, Jedermann zur Errei¬ chung seiner hohen Bestimmung angeleitet, mit den nöthigen Hcils- nüttcln bekannt gemacht, und durch grosse Verheißungen einer ewi¬ gen Belohnung im Reiche Gottes, mächtig angespornet alle Hin¬ dernisse standhaft zu überwinden, die ihn auf seiner Reise nach dem himmlischen Vaterlands aufhalten, und muthlos machen könnten. Welche Beweggründe, meine Lieben, das an sich über Alles erha¬ bene, ehrwürdige und wohlthätige Werk Gottes mit Ehrfurcht, mit Aufmerksamkeit und Bereitwilligkeit anzuhören. Und doch läßt man es bald an der Einen, bald an der Andern, bald an der Ehrfurcht, bald an der Aufmerksamkeit?, bald an der Bereitwil¬ ligkeit fehlen, wenn nicht an der äußern, so an der innern, indem man das gehörte Wort Gottes nicht auf sich und seinen Seelcnzustand anwendet, und somit dessen Anhörung unnütz und fruchtlos macht. So z. B. wenn die Aussprüche der göttlichen Gerechtigkeit, das böse Bewußtscyn erschüttern, so möchte man vielleicht für denselben Augenblick noch zu sich selber sprechen: das trifft mich, allein bald meldet sich die beleidigte Eigenliebe, und sucht die Schuld sammt der Strafe von sich weg, und auf Andere hinüber zu wälzen, und so erblickt man in der Schilderung dieses oder jenes Lasters und seiner Folgen nicht mehr sich selbst, sondern seinen Nächsten. Oder man wird an gewisse, wichtige und r.vth- weudige Pflichten gemahnt, die ost versäumt und verletzt zu wer¬ den pflegen, aber anstatt sich selbst darüber zu prüfen, und diewohl- thätige Ermahnung auf sich zu beziehen, ist man vielmehr sogleich gerüstet, sich zum Sittenrichter über Andere aufzuwerfen; oder wenn man sich schon seiner eigenen Pflichtverletzungen bewußt wird, so entschuldiget man sie mit der, wie man glaubt viel größern Pflichtverletzung seines Mitmenschen. Man wird zur Aneignung und Ausübung irgend einer christlichen Tugend aufgemnntert, z. B. der Geduld, Sanftmuth, Gerechtigkeit, Reinigkeit, Mäßigkeit u. s- w., und man schmeichelt sich entweder diese Lugend wirklich zu besitzen, wenn man nur den Schein von ihr besitzt; oder, man v » » » 112 « « « e< macht einen fluchtigen Seufzer. Ja, wäre ich so! und Sei diesem Mn flüchtigen Seufzer, bei diesem leeren Wunsche bleibt es, man hat nicht einmal den Muth ihn zu einem ernsten Entschlüsse zu erhe- ß ben, weil die Sinnlichkeit sogleich auch die Beschwerden überschaut, und die Hindernisse abwägt, die der Ausführung des Entschlusses im Wege stehen möchten. Mit solchen Gesinnungen wird oft das Wort Gottes angehört. Kann aber aus einer solchen Anhörung des Wortes Gottes ein wirklicher Nutzen hervorgchcn? Nicht im Mindesten. Das Wort Gottes hat in diesem Falle dieselbe Wir- kung, wie der Schall, wenn er an einen harten Felsen anschlägt, — er prellt zurück, und nach einem kurzen dumpfen Wiederhalls weiß man nicht wo er hergekommen, und wohin er gefallen ist.— M So wird das Wort Gottes wohl angchört, aber meil man es nicht mit innerer Aufmerksamkeit fest halten, und auf sich bezir- hen will, so fällt es von dem harten Herzen ab, und verhallet zm in der Luft. Aber wir wollen setzen, das Wort Gottes werde wirklich mit je- ner Ehrfurcht, Aufmerksamkeit und Bereitwilligkeit, die cs verdient, angehört, was ich auch an vielen meiner Zuhörer, zu meiner größten Freude und zu ihrem gerechten Lobe, bemerke, so wird doch außer diesem noch etwas mehr erfodert, meine Lieben, wenn das Wort Gottes sich tief in das Herz eingrabcn, feste Wurzel sx fassen, und dann zur Frucht emporkeimen sollte — nämlich ein frommes und öfteres Nachdenken über dasselbe. Ohne einem h frommen und eifrigen Nachdenken über das Wort Gottes würde h der gute Eindruck, den es für die Gegenwart auf Verstand und Herz gemacht hat, bald verdrängt und verflüchtiget werden durch § die Federungen der Sinnlichkeit, durch die Lockungen des Lasters, durch die Reize der Welt; weil der göttliche Same nur auf der äußersten Oberfläche des Gemüthes liegen geblieben, und nicht in das Innerste ausgenommen und aufbewahrt worden ist — so wird er bald verweht und weggcblafen, sobald sich der Sturm irgendeiner Leidenschaft erhoben hat, Oder woher kommt es denn, daß so viele Menschen, die der Verkündigung des Wor¬ tes Gottes mit geziemender Andacht, ja mit inniger Rührung beiwohnen, und während derselben die heilsamsten Vorsätze machen, ihr Leben nach den Vorschriften der Lehre Jesu einzurichten — woher kommt es denn, daß selbst diese ihren gemachten Vorsätzen untreu werden, und nicht selten der ersten Versuchung, dem ersten feind- » » » » 115 « « « « lichcn Anfalle auf ihre Tugend unterliegen? Woher anders kommt -diese Schwäche und Unbeständigkeit im Guten, als daher, weil sie über die rorgetragenen Heilswahrheiten nicht Nachdenken, sich dieselben nicht oft und nicht lebhaft genug in das Gedächtniß rufen, vergegenwärtigen und zu Gcmiithe führen. Solche Hörer des Wortes Gottes vergleicht darum der h. Apostel Jakob ganz treffend mit einem Menschen, der sein Gesicht in einem Spiegel beschaut, aber so wie er sich von diesem weggewendet, schon auch die Züge seines Gesichtes und seine ganze Gestalt vergißt. So er¬ blicken auch viele Zuhörer in dieser oder jener Schilderung des Predigers ihre ganze sündhafte Gestalt, den ganzen traurigen Zu¬ stand ihrer Seele, sie erschrecken vor sich selbst, und fassen den Entschluß sich zu ändern und zu bessern; aber wie lange dauert die heilsame Furcht und der Vorsatz der Sinnesänderung? viel¬ leicht kaum so lange als der Prediger redet, dann wischt man sich die reuige Thräne aus dem Auge, schöpft wieder leichter Athem, denkt sich den Weg zum Himmel nicht mehr so steil und dornig, und hat man vor Kurzem noch so ziemlich entschlossen zu sich selber gesagt: Heut, heute will ich anfangen so und so zu leben, so sagt man es bis man zur Thürfchwclle kommt schon immer leiser, immer leiser, und man ist kaum schon darüber getreten, so sagt mau ganz laut: Heute noch nicht, aber morgen, und dann ist es gewöhnlich immer morgen; denn weil man die ge¬ hörten Wahrheiten des Heils, die wohlmeinenden Ermahnungen, die angebothenen Mittel zur Besserung nicht zum Gegenstands des Nachdenkens und der Betrachtung macht, — so vergißt man auch nach und nach seine guten Vorsätze und deren Ausführung. Nein, meine Lieben! es ist nicht genug das Wort Gottes mit Ehrfurcht, Aufmerksamkeit und Bereitwilligkeit anzuhören, sondern man muß es, wie der Prophet David sagt, auch in sei¬ nem Herzen behalten, zu jeder Zeit darüber Nachdenken, und durch dieses Nachdenken der Seele neue Nahrung, den Vorsätzen neue Stärke geben. Das that vor allen andern die Mutter unseres Heilandes die seligste Jungfrau Maria. Sie behielt alle Worte ihres göttlichen Sohnes in ihrem Herzen, und dachte darüber nach, sagt das Evangelium. Und das nämliche müssen wir auch rhun, wenn wir Nutzen aus dem Worte Gottes ziehen wollen. Dieses ist ja die Nahrung der Seele, folglich um so 8 » v » » 114 « « « erhabener und nothwcndigcr vor jeder leiblichen Nahrung, elc- die Seele erhabener ist vor dein Leibe. Aber weder eine ehrfurchtsvolle, aufmerksame und bereitwil¬ lige Anhörung des Wortes Gottes, noch eine eifrige Betrachtung desselben ist für sich vermögend den Samen des göttlichen Wor¬ tes wirklich fruchtbar zu machen, wenn nicht auch der Wille des Menschen geneigt gemacht wird, seine Fruchtbarkeit durch treue Bearbeitung, d. i. durch treue Erfüllung der aufgenommencn Wahrheiten und Lehren zu befördern. Man muß also das Wort Gottes auch in das Leben übertragen, und in Ausübung zu brin¬ gen suchen, dann erst wird man sich von dessen Wahrheit und Wohlthätigkeit kräftig überzeugen können. Daß man das Wort Gottes in der rechten Gemüthsverfassung anhöre und darüber nachdcnke, das ist nur ein nothwcndigcs Erfordcrniß um demsel¬ ben den Weg zum Verstände und zum Herzen zu bahnen, aber hat man das gethan, so muß man es nicht todt darin liegen lassen, sondern bearbeiten und pflegen. Jesus sagt ja nicht bloß: Selig sind diejenigen, die das Wort Gottes hören, son¬ dern er setzt auch ausdrücklich hinzu: und die es behalten und in Ausübung bringen. Man muß somit das Wort Gottes in sich wirken lassen, nach den Lehren und Vorschriften des Christen- thumes seine Denk- und Handlungsweise cinrichten, sich durch dieselben zu bessern, zu veredeln und zu vervollkommnen suchen. Ist man z. B- über die Schändlichkeit irgend eines Lasters, über die Grösse der Beleidigung, die Gott durch dasselbe zugefügt wird, und über dessen leibliche und geistige Folgen überhaupt belehrt worden, und weiß man sich dieses Lasters schuldig, so muß mau sich ernstlich bestreben, dasselbe auszurotten, und alle mögliche Vorsicht, alle Mittel, die das Christenthunk angibt, gebrauchen, um nicht rückfällig zu werden, um nicht Sklave einer Leiden¬ schaft und der Gegenstand des Mißfallens Gottes zu bleiben. —- Hört man bei Verkündigung des Wortes Gottes von der Schön¬ heit, Liebenswürdigkeit und Nützlichkeit irgend einer christlichen Lugend reden, so soll man nicht bei der blossen Bewunderung und Rührung, bei dem blossen Wunsche stehen bleiben, diese Tugend zu besitzen, sondern man soll sogleich und bei allen Gelegenheiten, die sich anbiethcn, den Wunsch in Wirklichkeit übergehen lassen, und sich, was es auch immer kosten möge, jene Tugend anzueig- uen suchen. — Ist die Nede von den grossen und ewigen Beloh- 115 (L « « inmgen, von der unbegreiflichen Seligkeit, die Gott denen berei¬ tet hat, die ihn lieben: so ist es nicht genug sich nach jener Seligkeit, nach jenen grossen Belohnungen von ganzem Herzen zu sehnen, man muß sie auch kräftig zu verdienen suchen, und darum getreu den Weg wandeln, auf dem man zu densel¬ ben gelangen könne, nämlich den Weg der Selbstverläugnnng, Kreuztragung und Nachfolge Christi. Mit einem Worte, man muß Th eiter und nicht bloß Hörer des Wortes Gottes seyn; wir mögen es immerhin mit Ehrfurcht, Aufmerksamkeit und Be¬ reitwilligkeit anhören, wenn wir uns dasselbe nicht zu Nutzen machen, so gleichen wir der offenen Strasse, wie Jesus sagt, auf die zwar der göttliche Same gefallen, aber zertreten oder von den Vögeln aufgezehrt worden ist; oder wir mögen auch das Wort Gottes eifrig betrachten, wenn wir es aber nicht im Leben ausüben, so gleichen wir einem steinigen Grunde, auf dem der göttliche Same zwar Wurzel gefaßt, eine zeitlang gekeimet hat, und aufgeschossen ist, aber bald aus Mangel am kräftigen Nah- rungssafte verdorret. Mit der gebührenden Anhörung und eifri¬ gen Betrachtung des Wortes Gottes muß also vor allen andern eine trene Ausübung desselben in allen Lagen und Verhältnissen des Lebens verbunden seyn, dann wird der göttliche Same schon hicnicden, und noch mehr in der Ewigkeit hundertfältige Früchte bringen. Auren. Am Sonntage Qmnquagesima» »Lebet, wir reisen jetzt hinauf nach Jerusalem, uud es wird AlleS vollbracht werden, waS durch die Propheten von dem Sohne des Menschen geschrieben ist. Luk. r8, 3i.« Eingang. einem gewissen feierlichen Ernste tritt Jesus in Gesellschaft seiner Schüler die Reise nach Jerusalem an. Nnd was ist wohl der Zweck der Reise Jesu nach der prächtigen Königsstadt? —> Vielleicht, um endlich den grossen Erwartungen, welche die jüdi- o * »>-» » 116 « 6 « « schc Nation von ihrem Messias nährte, zn entsprechen? — Die stolzen Hoffnungen, die sie auf seine hohe Person baute, in Er¬ füllung gehen zu lassen? sich nämlich auf dem Throne David's seines Stammvaters zu setzen, sich zum Beherrscher des ganzen bekannten Erdkreises aufzuwerfcn, ein irdisches glanzvolles Reich zu stiften, die Feinde des Judcnvolkcs zu demüthigen und sie ihnen zu Füssen zu legen? Ach nein, aus dieser Absicht reiset Jesus nicht nach Jerusalem. Denn das waren nur vor¬ gefaßte Meinungen der jüdischen Nation, die sich auf falsche Be¬ griffe von dem Zwecke der Ankunft des Messias gründeten, und die Lieblingsgedankcn der Schüler Jesu selbst waren. Denn auch diese träumten sich eine schöne freudenvolle Zukunft; der Messias, jetzt unser Herr und Meister, wird sich bald zeigen als König aller Völker, wird uns seine vertrautesten Freunde zu den höchsten Eh¬ ren befördern, geehrt und gefürchtet werden wir herrschen an seiner Seite. — So dachten, angestcckt von den Vorurtheilen ihrer Lan- deslcute, die Schüler Jesu. — Allein gerade zu einer Zeit, wo ihnen derlei schöne Hoffnungen am lebhaftesten vorfchwebtcn, zeigt ihnen ihr göttlicher Meister Jesus bestimmt und ausdrücklich an, daß gerade das Gegcntheil von dem geschehen werde, was sie erwarten. Jesus, der nämlich die Stunde seiner Leiden immer näher rücken sah, und cs wohl wußte, daß diese seine Schüler nicht nur um alle ihre Ruhe, sondern auch um ihren Glauben könnten gebracht werden, wenn er sie auf seine Leidens- pcriode nicht vorbcreiten würde, machte ihnen eben auf dieser Reise nach Jerusalem die tiefe Erniedrigung, die ihm in dieser Stadt bevorstehe, mit allen Umständen bekannt. — Also nicht in ir¬ discher Grösse, sondern in Leiden sollen sic bald ihren Meister erblicken, nicht herrschen sollen sic an seiner Seite, sondern bald Zeugen seines Todes seyn. Was wir in den Propheten des alten Bundes von dem leidenden Messias lesen, meine Lieben, was Jesus selbst seinen Jüngern voraussagte, ist zwar schon längst in Erfüllung gegangen. Der Messias hat ihn schon längst ausgekampft den blutigen Kampf am Kreuzesstamme, aber konnten wir gleich nicht wie seine Schüler Zeugen seiner Leiden seyn, so können wir die¬ selben doch im Geiste betrachten, ja seine Leiden, die er unsertwegen duldete, sollen uns immer unvergeßlich seyn. Die an rücken de heil. Fastenzeit, die nach dem Geiste unserer Kirche diesen Be- »»»» 117 «««« ic trachtungcn vorzüglich geweiht seyn soll, biethct uns dazu die nächste Gelegenheit dar. Lassen Sic uns daher gleich heute beginnen, und s Nachdenken, was denn so viele Leiden ü b e r J e su m brachte, , und was ihn so standhaft und geduldig in denselben machte. Dieses .sey der' Inhalt meines heutigen Vortrages und : der Gegenstand Ihrer geneigten Aufmerksamkeit. Erster Theil. Belehrung, Besserung und Erlösung des durch den Fall des Stammvaters unglücklich gewordenen Menschengeschlechtes -- war der grosse Zweck der Ankunft Jesu auf die Erde. Jesus sollte den tief gesunkenen Menschen aufrichten, ihn fähig machen seine Bestimmung zu erreichen, die Tugend licbzugewinncn und aus- zuiiben. Ohne richtige Kenntniß des einzig wahren Gottes aber ist keine reine Tugend möglich; um diese Kenntniß unter die Menschen theils zu verpflanzen, theils zu berichtigen und wirksam zu machen, — kam Jesus auf die Erde. Er suchte da¬ her vor allem seinen Zeitgenossen richtige Begriffe von den Eigen¬ schaften Gottes beizubringen, besonders stellte er ihnen den Allmächtigen, vor dem sie bis dahin nur wie vor einem strengen Gebiethcr zitterten, recht liebenswürdig unter dem Bilde des zärt¬ lichsten Vaters vor; er lehrte, daß Gott ein Geist, und daher im Geiste und in der Wahrheit anzubetcn sey; aber dcmun- gcachtet fuhren die Menschen in ihrer Verblendung fort, sich vor ihrem Schöpfer nur sklavisch zu fürchten —ihm nur körperlich zu dienen. Jesus lehrte, das Wesen der Tugend bestehe darin, daß man aus Ehrfurcht gegen Gott und sein heil Gesetz alle seine Pflichten erfülle, — aber er fand an den Führern des Volkes selbst nur niedrige Heuchler und nach ihrem Beispiele die Meisten, die sich mit dem Scheine der Tugend begnügten. —- Jesus erinnerte die Menschen an ihre Fortdauer, an ihre hohe Bestimmung, die sich in ein zukünftiges Leben hinüber erstreckt, — aber die Menschen lebten geblendet von den Lockungen der Welt und den Reizen der Sinnlichkeit nur für die Erde, und kümmerten sich wenig um das Ewige. —> Diese tiefe Ver¬ blendung, wie sehr mußte sie Jesum schmerzen! er wünschte doch so sehnlich Alle recht gut und glücklich zu machen, so glücklich als es der Mensch nur immer werden kann. — Und doch waren » » »r» 118 « «c< t< seine Bemühungen bei den Meisten fruchtlos, ja sie wider¬ setzten sich mit sichtbarem Unwillen seiner göttlichen Lehre, weil sie der Stolz beherrschte, weil sie sich selbst schon weise genug diinkten und keiner höhern Belehrung bedürftig. Deßwcgcn wurden sie auf das empfindlichste beleidiget, als sie Jesus mit der Freimiithigkeit eines göttlichen Gesandten des Jrrthums beschul¬ digte: Wer ist dieser, sprachen sie, voll innerm Aer- ger, daß er uns lehren will? fingen an ihn zu hassen, und trieben ihren Haß so weit, daß das Licht der Wahrheit in ihre Herzen nicht mehr eindringen, daß sie das Göttliche seiner Thaten nicht mehr anerkennen konnten. So waren es denn Stolz, Eigensinn, Haß, Jrrthümer und Vorurtheile, die Jesu so viele Leiden herbciführtcn. O gewiß, darum betete er oft ganze Nachte hindurch, um sich in der frommen Unterre¬ dung mit seinem Vater zu stärken, sein niedergcbcugtes Gemüth aufzurichten, weil es ihn tief schmerzte, daß nur Wenige seinen wohlthatigcn, vom Himmel herabgebrachten Wahrheiten Verstand und Herz öffneten. Manche bittere Thranc des Mitleids entfiel dem Auge des Heilandes über den Unglauben seiner ver¬ blendeten Brüder! Wie oft haben vielleicht auch wir, meine Lieben, manchem wohlmeinenden Freunde der Wahrheit, der uns auf den rechten Weg leiten wollte, durch Stolz und Eigen¬ sinn Leiden verursacht! Wie oft haben schon Vorurtheile und Leidenschaften der Wahrheit den Eingang in unser Herz versperrt! O hüthen wir uns, Geliebte, vor solchen Fehlern! gestehen wir demüthig und aufrichtig ein, daß wir kurzsichtige, Zrrthümern und Fehlern ausgesetzte Geschöpfe sind, nehmen wir jedes Wort, das uns vor Jrrthum und Sünde bewahren und uns zur Kenntniß und Ausübung des Guten führen kann, mit offenem Gemüthe auf. Tief gesunken waren die Menschen, alle strafbar vor der unendlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes — Alle Sklaven der .Sünde und des Lasters, und wollten es doch nicht einmal ei »sehen, daß sie es waren. Sie mußten von der Sünde und dein Tode erlöst und mit Gott wieder vereiniget werden, von dem sie abgefallen waren. Aber wer anderer konnte wohl das thun als Jesus, den der Vater aus Liebe zu den Menschen zu ihrem Netter bestimmte? sind Jesus hat auch » » » » 119 « «k<« freiwillig für dir Menschen, seine Brüder, Blnt und Leben geopfert. — Die Sünde also, meine Lieben, Leidenschaften und Verstocktheit brachten so viele Leiden über Jefum und führ¬ ten ihn dem schmählichsten Tode entgegen — und er ging ihm freudig entgegen, weil er nichts so sehr liebte als die Men¬ schen. O wie sehr müßte uns die unendliche Liebe Jesu zur Gegenliebe ansporncn, wie sehr müßte unser Herz von der innigsten Dankbarkeit gegen ihn durchdrungen seyn! denn um seines Leidens und Todes Willen haben wir wieder Ansprüche auf alle Güter des Vaters, sind wieder seine Kinder und Mit- crbcn seines Reiches. So hat denn Jesus, wie wir sehen, Geliebte, unaussprechlich viel gelitten und unsertwegen um unsers Heils Willen hat er gelitten. Allein Jesus ist nun auch verherrlichet, er wird nicht mehr kommen für die Sünden der Welt zu leiden, wir aber, meine Lieben, wandeln noch im Thale der Zähren und cmpstndcn gar oft den Druck irdischer Leiden in seiner ganzen Schwere. Lassen Sie uns daher noch kurz untersuchen, wodurch sich Jesus seine Leiden erleichterte, um unser Betragen nach dem Seinigen einzurichten. Zweiter Theil. Wenn wir die Lebensgeschichte Jesu nur mit einiger Aufmerksamkeit überblicken, meine Lieben, so finden mir, daß unfern Heiland in allen widrigen Schicksalen, bei allen Beschwer¬ den, die mit seinem Lehramte verbunden waren, bei allen Leiden, die der Erlvfungsplan von ihm fodcrte, stets der Gedanke aufrecht erhielt: Ich vollziehe den Willen meines Vaters, der durch mich seine Kinder selig machen will. Daß ihm dieser Gedanke stets gegenwärtig, daß er ihm der liebste war, ihm Muth und Ausdauer gab, das bewies er ja selbst bei so mancher Gelegenheit. Schon als zwölfjähriger Knabe verweilte er am liebsten im Tempel, als in dem Hause seines Vaters, und als ihm seine Mutter nach dreitägigem ängstlichen Suchen mit Schmerzen den Vorwurf machte: Mein Kind ! warum hast du uns dieses gethan's brachte er zu seiner Entschuldigung nichts anders vor, als: Wußtet ihr denn nicht, daß ich in den Geschäften meines Vaters seyn müsse? — Meine Speise ist cs, daß ich den Willen meines Va- »»»» 120 «««« ters thue. — In der bangesten Stunde seines Lebens, als nämlich seine menschliche Natur vor dem blutigen Pfade der Leiden zurückschaudcrte am Lelberge, sprach er: Vater! nicht mein, sondern dein Wille geschehe! und im letzten Augenblicke seines Hiuscheideus war sein Vater noch sein letzter Gedanke, den er kaum hörbar aussprach: Vater in deine Hände empfehle ich meinen Geist! So lebte Jesus im steten Gedanken an seinen Vater, und in diesem Gedanken ver¬ schied er auch. Dieser Gedanke gab ihm Muth, stärkte ihn in Leiden, und versüßte ihm den Kittern Kelch des Todes — er trank ihn aus, bis auf den letzten Tropfen. Sehet hier, arme Leidende, das Beispiel Jesu, sehet das Stärkungsmittel in den Lagen des Kummers! — Der Gedanke an Gott, der auch Euer Vater ist, der nur Euer Bestes will, der Euch prüfet, um Euch dereinst nach bestandenem Kampfe die Siegeskronc aufzusetzen, der Euere Erniedrigung zu¬ läßt, um Euch glorreich zu erhöhen, der Gedanke an diesen gu¬ ten Vater soll Euch immer recht lebendig vorschweben; er weiß es ja besser als wir, was uns gut und nützlich ist, und das Kind, das sich von seiner Hand führen läßt, kann unmöglich seinem Untergänge entgegen gehen. Jesus konnte sich ferner mit vollem Rechte trö¬ sten, daß er nicht vergebens arbeite, nicht vergebens dulde; denn Viele, wenn auch nicht Alle, nahmen sein göttliches Wort an und verließen die breite Strasse des Lasters. Viele schöpften aus feinen Belehrungen kräftigen Trost und bleibende Ruhe des Gcmüthes — und erst der Gedanke, daß er an dem ewigen Heile der Menschen arbeite, daß seine Hin¬ gabe in den Tod, sie zu Kindern Gottes und zu Erben des Himmels mache, den sie durch die Sünde verloren hatten, o dieser Gedanke erfüllte ihn mit unaussprechlicher Freude und versüßte ihm seine bittersten Leiden. — Wieder ein schönes Beispiel der Nachahmung, meine Lieben! Richten wir unser Thun und Reden immer so ein, daß es für unsere Mitbrüder lehrreich und aufcr baulich werde, so wird uns auch, wenn wir auch von vielen verkannt, gering geschätzt und gelästert werden, der Gedanke aufhcitern; daß cs noch edle Menschen gebe, die uns besser kennen, unsere reinen Gesinnungen und uneigennützigen Absichten ehren, und uns in usi di kn L ft l 1 »»»» 121 «s, in unserer Geduld und Standhaftigkeit nachahmen. Und sind d« wir überdieß bereit, für das Wohl unserer Brüder Lei-- ^r! den und Verfolgungen zu erdulden, o dann dürfen wir mit en kindlichem Vertrauen zum Vater im Himmel aufblickcn und seines er Beifalls versichert feyn, weil wir seinen Sohn Jesum nach ie seinen edelsten Gesinnungen nachahmen. m Endlich sehen wir eben aus dem heut. Evange- - lko, daß Jesus nicht aufhorte seinen Brüdern wohl zu n thun, obgleich er nur Leiden von ihnen zu erwarten hatte, r Denn noch auf dem Wege zu seinen Leiden heilte er einen Winden, der ihn um Hilfe anflchte; der grobe Undank seiner Zeitgenossen konnte seinem Woblthun nicht Abbruch thun — ja selbst am Kreuze noch versprach der liebevolle Jesus einem reui¬ gen Sünder, daß er bald bei ihm im Paradiese seyn werde! — Denken Sie selbst nach, meine Lieben, wie edel muß der seyn, der in seinem eigenen Unglücke noch Andere beglücket, der das Herz seiner Brüder erfreuet, während er selbst des Trostes be¬ darf, der über der Freude seiner Mitmenschen seinen eigenen Kummer vergißt. Wohlan denn, meine Lieben! lassen Sie uns nicht muthlos seyn, wenn Leiden aller Art über uns cinbrechen. Stehen wir fest und unerschütterlich wie Jesus, gestärkt wie Je¬ sus durch den Gedanken: Was ich leide ist des Vaters h. Wille, ich bi» ja versichert, daß er auch mich wie alle seine Kinder lie¬ bet. Was ich dulde ist nicht vergebens geduldet; Gott hort meine leisesten Seufzer, er zählt meine Thränen und wird sie einst auf ewig abtrocknen. — Ich will das Wohl meiner Bi über befördern, und kann ich cs anders nicht als durch Leiden, wohlan ich will soviel ich kann meinen Heiland nachahmcn. >— Wenn wir in unfern Leiden so denken, Geliebte, so wird es uns nie an Trost und Stärke fehlen, und wir dürfen mit Zuversicht den ewigen Freuden entgegen sehen, die der Vater denen bereitet hat, die ihn lieben. Amen. » » » v 122 « « «c< Am ersten Sonntage in der Fasten. -»Auf Antrieb des Geistes wurde Jesus in die Wüste geführt, da¬ mit er vom Teufel versucht würde.-- Math, -s, i. Eingang. erhabener die Bestimmung ist, die Jemand erhielt, eine desto sorgfältigere Vorbereitung wird von seiner Seite ersodert, wenn er derselben vollkommen entsprechen soll. Wer erhielt aber wohl eine erhabenere Bestimmung als Jesus, welcher des gan¬ zen Menschengeschlechtes Erlöser werden sollte. Jesus kannte auch die Größe und Wichtigkeit seiner Bestimmung in ihrem gan¬ zen Umfange; deswegen ging seine erste Sorge dahin sich auf dieselbe aus das vollkommenste vorzubereiten. Er entfernte sich deshalb aus dem geräuschvollen Kreise der Menschen, suchte eine abgelegene Wüste, fastete dort durch 40 Tage und Nächte, und dachte in stiller Einsamkeit über das grosse Geschäft des Heiles nach, das ihm der Vater aufgetragcn. Doch siehe! schon nä¬ here ihm auch der abgesagte Feind des Menschen, die alte Schlange, der Vater der Lügen, wie ihn die h. Schrift nennt, der unsere Stammüttern um das Paradies beneidet, und sie zur Verletzung des wohlthätigstcn Gebothes verleitet hatte. Dreimal both er alle Künste der Hölle auf, um auch den Menschcncrlö- ser zum Falle zu bringen. Allein vergebens, Jesus widerstand seinen listigen Anfällen, — er sprach nach einer dritten Versu¬ chung das Machtwort: Hinweg Satan, aus, und beschämt und bestürzt floh der Versucher. — So wurde denn auch Jesus von Versuchungen nicht verschont? — Wie lehrreich ist dieses für uns meine Lieben! In alle menschlichen Lagen hat der Vater seinen Sohn hineingeführt, er mußte alles erfahren, in Allem versucht werden, alles tragen, was das Menschenleben Beschwerliches hat, damit die Menschen desto vertraulicher auf ihn als einen Ihres Gleichen Hinschauen können, damit er das reinste Vorbild, das untrüglichste Muster für Alle werde. — Wie trostreich ist zugleich dieses für uns! denn hat Jesus seiner menschlichen Natur nach, Alles Beschwerliche, dem unser Leben ausgesetzt ist, selbst erfahren, so dürfen wir auch hoffen, daß er 125 «««« immer Thcil nehmen werde an unserer mißlichen Lage, uns lieb¬ reich unterstützen, wenn wir auf ähnliche Art geprüft werden; aber freilich wohl nur unter der Bedingung, wenn wir uns selbst ernstlich bestreben, nach seinem Beispiele zu handeln. Darum lassen Sie uns gleich etwas über das Nachdenken, worin uns Jesus n. dem h. Evangclio ein Vorbild geworden ist. Jesus wurde in sei¬ ner Einsamkeit versucht und siegte. Wir wollen also nachdenken erstens über das Wohthätigc der Versuchung, und zweitens über die Mittel die Versuchung zu überwinden. Die Wichtigkeit des Gegenstandes spricht Sie um ihre geneigte Auf¬ merksamkeit an. Erster Lheil. So lange wir diesen in Sünden gezeugten und in Sünden empfangenen Leib mit uns herumtragcn meine Lieben' so lange sind wir auch verschiedenen Versuchungen zum Bosen aus¬ gesetzt. Denn bald droht unserer Seele Gefahr von unserem gemeinschaftlichen Feinde, der schon unsere Stammüttern zum Falle brachte, bald von Seite unserer eigenen sinnlichen Natur, bald von Seite der verführerischen Welt. Das sind die gewöhnlichsten und gefährlichsten Klippen, die uns auf nuferer geistigen Lebensfahrt bald in der Nahe, baldstn der Ferne schrecken, uns auf der Reise aushalten, oder wohl gar unsere Tu¬ gend scheitern machen. Allein sollen wir deshalb den Muth sin¬ ken lassen, und die Hoffnung aufgeben, unser vorgestecktes Ziel ju erreichen? Ist es doch wohl dem Schlffmannc nicht un¬ bekannt, daß es gefährliche Klippen und Sandbänke, daß cs reißende Ströme im Meere gebe, daß widrige Winde und feind¬ selige Stürme sich seiner Reife widersetzen können, und doch be¬ steigt er muthig das gebrechliche Schiff, nnd vertraut es dem tückischen Meere, in der süssen'Hoffnung, einst mit reichlichem Ge¬ winne in den sichern Hafen der Heimath cinzulaufen. Hat cs nicht mit unserer geistigen Lebensfahrt eine ähnliche Bewandt¬ nis meine Lieben! auf dieser sind die Versuchungen für die Tugend das, was auf dem Meere die Sccklippen, widrige Winde und feindselige Stürme für das schwache Schiff sind. Wollen wir nicht auch den Schisfmann nachahmen, und unsere Reise getrost fortsctzen, da wir wissen, daß auch uns der Hasen einer >)-» » 124 «««« ewigen Ruhe, cin schönes seliges Vaterland Vorbehalten ist. Wer¬ den wir nicht klein müthig in Versuchungen, weil sie uns ja en sich nicht schaden können, wenn wir nur selbst nicht wollen, wie uns der Apostel Paulus versichert, wenn er schreibt: Noch hat euch keine andere Versuchung getroffen, als eine menschliche, Gott ist aber treu, der euch nicht versuchen laßt - über eure Kräfte, und der vielmehr der Versuchung eine solche Wendung geben wird, daß ihr sie ertragen könnet. Betrach¬ ten wir daher die Versuchungen vielmehr, als eben soviele Mittel vorsichtiger, aufmerksamer auf uns zu werden, uns immer mehr zu veredeln, und im Guten zu wachsen. Denn die Versuchungen sind cs ja eben, die uns unsere Schwachheit und Hinfälligkeit kennen lehren, und uns so zur Demuth der ersten aller Lugenden eines Christen anleiten. Schon der grosse Apostel schreibt diese Lugend den Versuchungen zu. Denn er, der m seinem Apostelamte so eifrig und unermüdet gearbeitet, der so viele Leiden und Drangsale, so viele Verfolgungen von Seite der Juden und Heiden erfahren, so viele Todesgefahren zu Wasser und zu Lande bestanden, Hunger und Durst, Hitze und Kälte des Christcnthumcs wegen ertragen hatte, aber auch von Gott mit be¬ sonder» Gnaden und Offenbarungen schon hicnieden als sein treue¬ ster Diener ausgezeichnet, in den dritten Himmel entzückt wurde, und in diesem Wohnorte der Seligen, Dinge gesehen und gekört, die keines Menschen Zunge auszusprechen vermag, er hätte wohl leicht auf diese seine grossen Verdienste stolz werden können, wenn ihn nicht nach seinem eigenen Geständnisse die Versuchungen gcde- müthiget hätten, die der Herr zuließ, und von denen er ihn nach einem dreimaligen Gebethe nicht befreien wollte, um seine Tugend zu prüfen. — Und woher kommt es auch, daß die frömm¬ sten und tugendhaftesten Menschen, bei dem besten Bcwußt- seyn ihres sittlichen Verdienstes doch gegen andere fehlende Mit¬ brüder, wenn sich diese auch der abscheulichsten Vergehungen schul¬ dig machen, doch eine Schonung und Nachsicht zeigen, dieselben möglichst entschuldigen, und das lieblose Verdammungsurthcil An¬ derer zu mildern suchen, woher anders als von Versuchungen, die ihnen ihre eigenen Schwächen zum Bcwußtscyn bringen, wenn sie andere fallen sehen. Die Versuchungen sind es ferner, die unser Andenken an Gott beleben, unser Gemüth zu ihm erheben; denn wenn uns anders unser Seelenheil am Herzen liegt, so ' der na unl voi au V' wi tc n s l r »»»» 125 «««« ^er- a o» wie 'och in e laßt lche ch- en ?n, nn it h ir n e so werden wir nie eifriger und herzlicher bethen, als zur Zeit der Versuchung. So wie nämlich das schwache im Gehen nach ungeübte Kind, das bei jedem Schritte furchtsam hin nnd her wanket, seine Hände nach dem Vater ausstreckt, um von ihm unterstützt der Gefahr zu fallen auszuweichen: so nimmt auch der sich seiner Schwäche bewußte Christ, in der Stunde der Versuchung seine Zuflucht zu seinem himmlichen Vater, und ruft wie David: Herr komm mir zu Hilfe! Herr eile mich zu ret¬ ten! und der Vater bicthct ihm seine mächtige Hand dar, und sichert ihn vor dem Falle. Endlich sind es die Versuchungen, die uns zeigen, in wie weit unsere Lugend an Festigkeit zugenommen habe; durch Ver¬ suchungen wird erst die Tugend geläutert erhabener und verdienst¬ licher gemacht. — Unser Leben sagt der h. Angustin kann auf dieser Wanderschaft nicht frei sein von Versuchungen, denn Nie¬ mand lernet sich kennen, wenn er nicht versucht wird, er kann nicht gekrönt werden, wenn er nicht gesiegt, er kann nicht siegen, wenn er nicht gekämpft, er kann nicht kämpfen, wenn er nicht einen Feind und Versuchungen hat. Und eben so zeigt auch der Kirchenlehrer Origcnes die Nothwendigkeit und Nützlichkeit der Versuchungen gar schön an, wenn er sagt: So wie das Fleisch, wenn cs nicht mit Salz bestreut wird, mag cs noch so groß, oder gut und schön seyn — in Faulniß übergeht: so wird auch die Seele, wenn sie nicht mit Versuchungen gleichsam eingesalzcn wird, unthätig, verdorben und verschlimmert. Daß die Versu¬ chungen erst die Lugend in ihrer Starke in ihrem Glanze zeigen, davon liefert uns der alte und neue Lund unzählige Beispiele. Zch erinnere Sie an den Abraham. Dieser hätte sich wohl selbst kaum geglaubt, wie stark er seyn könne, wenn ihn Gott nicht versucht, das ist, wenn Gott seinen Glauben nicht einer so har¬ ten Prüfung unterworfen hätte. Gott gab ihm auch sein Wohl¬ gefallen zu erkennen, indem er zu ihm sprach: Ich habe nun er¬ kannt, daß du den Herrn fürchtest, weil du mir meinetwillen deines eigenen Sohnes nicht geschont hast. — So war Job Zwar auch in seinem Wohlstände, in seinen frohen und glücklichen Tagen ein frommer gottesfürchtiger Mann, ein Mann nach dem Willen Gottes, aber Gott wollte auch seine Standhaftigkeit prü¬ fen um seiner Tugend ein noch grösseres Verdienst zu geben. Er ließ die traurigsten Unfälle über ihn kommen; und gerade in » » »-) 126 « « « « diesen harten Schlagen, die den frommen Mann zwar nieders¬ ten, aber ihm sein Vertrauen auf Gott nicht rauben konnten, wurde seine Tugend geläutert, wie das Gold im Feucrofcn. E» bewährte sich die Lugend der Apostel, die Standhaftigkeit der Blutzeugen Christi, und so vieler nun verherrlichter Diener Got¬ tes am schönsten im Kampfe mit Versuchungen. — Wahrlich, meine Lieben, ohne Kampf gibt es keinen Sieg, ohne Sieg keine Tugend, ohne Tugend keine Belohnung, aber je mächtiger der Feind, je schwerer der Kampf, desto herrlicher der Sieg, desto grösser die Belohnung, mit einem Worte, die Versuchungen find, wie wir sehen, an sich nicht nur nicht schädlich, sondern sie sind vielmehr Mittel unserer sittlichen Vervollkommnung, wenn wir sie nur selbst als solche gebrauchen wollen, und uns von denselben nicht überwinden lassen. Weil es aber gewiß ist, daß man unmöglich Sieger werden kann, wenn man sich zum Kampfe nicht sorgfältig gerüstet hat, und die Waffen und Vortheile nicht kennt, die man dem Feinde entgegen setzen soll, so wollen wir noch über die Mittel nachdenken, durch deren rechten Gebrauch wir in Versuchungen die Oberhand behalten können. Zweiter Theis. Wenn man sich im Vergleiche zu seinem Gegner schwacher fühlt, so ist wohl das rathsamstc demselben soviel als möglich auszuweichen; deswegen sage ich: das erste und nothwendigste Mittel gegen was immer für Versuchungen ist Vermeidung dec Gelegenheit; denn wenn sich das alte Sprichwort: Wer die Ge¬ fahr liebt, wird in der Gefahr umkommen, schon bei natürlichen Ereignissen in der Außenwelt größtentheils bewährt, so bewährt cs sich vorzüglich bei Versuchungen. Was erzeugt aber am leich¬ testen die Gefahr, oder was gibt zu Versuchungen die nächste Gelegenheit, als der Müssiggang, der der Vater aller Laster ist, darum möchte ich Jedem, der nicht unterliegen will, recht freund¬ schaftlich zurufen: Meide den Müssiggang. Denn der menschliche Geist ist immer thätig, will immer thätig seyn, und gibt man seiner Lhätigkeit keine feste Richtung, so beschleicht ihn die Sinn¬ lichkeit wie ein Dieb, und leitet ihn auf die gesahrvollestcn Ab¬ wege. Ich will Ihnen diese Abwege nicht besonders Nachweisen. Ich schweige von gewissen Gesellschaften, in denen rcligionswi- »»»» 127 «««« Ucii, C° bcr )ot- 'ine bw sto >b, ste n ß e t beige Reden, Anspielungen und Scherze, die die Schamhaftigkeit verletzen, die Unschuld vergiften, die Ehre des Nächsten untergra¬ ben, zur Mode geworden sind; ich will Sie nicht erinnern an die unselige Lcsesucht Herz und Sitten verderbender Bucher, die gleich einer pestartigen Seuche unser Zeitalter befallen hat; ich wende meinen Blick weg von gewissen Lustbarkeiten und Zerstreuungen, die die unerfahrene Jugend gierig aufsucht, und von denen sie wie von einem reißenden Strome in das Verderbnis gezogen wird; ich will sie nicht aufmerksam machen auf jene gefährliche Men- schenklasse, die unter der Larve der Frömmigkeit guten einfältigen Christen Fallstricke legt; ich iibcrgche alle diese gefährlichen Klip¬ pen der Sittlichkeit, und berufe mich gegenwärtig nur auf das Selbstgefühl der Verdorbenheit unserer Natur, und frage, ob dieses ursprünglich feindselige dem Guten widerstrebende Gesetz, das wir, wie der Apostel sagt, in unfern Gliedern suhlen, nicht an sich schon Gelegenheit genug zur Sünde ist, ohne daß wir noch Gelegenheiten und Gefahren von außen aufsuchen? Darum sage ich, meine Lieben, wer nicht unterliegen will, der meide den Müssiggang und mit ihm die Gelegenheit zur Sünde, er meide das Gewühl der Menschen, stürze sich nicht unvorsichtig in den Wirbel menschlicher sthorheitcn, entferne sich aus dem Kreise bloß Jrdischgcsinntcr, und suche nach dem Beispiele Jesu öfters die Einsamkeit. Denn so wie die Blume an einem abgelegenen und emgezäunten Winkel des Gartens besser gedeiht, als an einer freien erhabenen Stelle, wo sie der Sturmwind entblättern oder der heiße Strahl der Sonne versengen kann; so wird auch der Mensch in der heiligen Stille der Einsamkeit, wo er sich schon im Voraus gegen drohende Gefahren wassncn kann, gewiß mit befserm Erfolge an seiner Veredlung arbeiten, als im Getümmel der Welt unter sinnlichen Zerstreuungen. Der fromme Christ, dem die Erreichung seiner Bestimmung am Herzen liegt, entfernt sich auch aus dem Kreife sorglos dahin lebender Menschen, er ent¬ sagt manchmal sogar ertaubten Vergnügungen, weil sie ihn zu sehr zerstreuen, er zieht sich mitten in der Welt in die Einsam¬ keit zurück, und denkt über sich nach und fragt sich, wozu bin ich da, was fodcrt der Schöpfer von mir, was ist die Erde und dieses kurze Leben für mich, wie kann ich meine Pflichten erfüllen, wie meine Bestimmung erreichen? Und so ist ihm die Einsamkeit »»»» 128 «««« selbst ein Verwahrungsmittel wider die Versuchungen der Welt kc> und ein Mittel zu seiner Veredlung. Iv, Ein anderes Schutzmittel wider Versuchungen ist die lebhafte V Erinnerung an die Allgegenwart Gottes. So wie nämlich ein Kriegsmann von grösstem Muthe beseelt ist, wenn er unter den k< Augen seines Anführers oder wohl gar im Angesichte seines Für- ii sten streitet, weil er auf alle nöthige Unterstützung bauen und s mit grösserer Zuversicht den Lohn seiner Tapferkeit erwarren r kann; so stärket auch den Christen in seinem geistigen Kampfe i der Gedanke an die Allgegenwart des allmächtigen, höchst heiligen l und gerechten Gottes, er streitet, will nicht unterliegen, und ruft sich zu wie der ägyptische Joseph: Wie könnte ich Böses thun im Angesichte des Herrn? und so kämpfet er mit Standhaftig¬ keit, Vertrauen auf die Unterstützung desjenigen, der ihm un¬ sichtbar nahe ist, und aus dessen Händen er einst die Krone der Unsterblichkeit zu empfangen hoffet. So wird auch den christlichen Streiter der öftere Gedanke an den Tod vor dem Falle sichern. Schon der weise Sirach gibt diesen vortrefflichen Rath: Denke o Mensch an deine letzten Dinge sagt er, und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen. Und wahrlich meine Lieben, wenn uns der Gedanke an den Lod öfters beson¬ ders zur Zeit der Versuchung beschäftigte, wenn wir die Worte, mit denen uns die Kirche erst die verflossene Woche an unsere Hinfälligkeit und Nichtigkeit erinnerte, indem sie uns bei der Be¬ streuung mit der Asche zurief: Gedenke Mensch, daß du Staub bist und wieder zu Staub werden wirst, wenn wir diese Worte recht ernstlich erwägen würden, so würden wir gewiß viel leichter der Sünde und der Sinnenlust entsagen. Nichts haltet so sehr von der Sünde ab, sagt der h. Augustin, als die oftmahligc Er¬ innerung an den Tod. — Denke du, der du zur Sünde versucht wirst: Vielleicht wird bald ein reges stilles Häuschen meine Woh¬ nung und Liegerstatt, ein Büschel Stroh mein Kopfkissen, die kühle Erde meine Decke, Würmer meine Wächter, die Fäulniß meine Erbschaft; denke Dir hiezu, ich werde vor dem heiligsten gerechtesten Richter erscheinen müssen, bei dem kein Ansehen der Person gilt, vor dem alles bloß und aufgedeckt da liegt, der je¬ de böse That, so heimlich ich sie auch begangen, ja jede sünd¬ hafte Begierde, jeden unreinen Gedanken, den ich mit Wohlge¬ fallen nährte, kund machen, und nach seiner heiligen Berechtig- »))» » 129 «««« >clt ste 'in en r- ib A 'e n t test mein ewiges Schicksal bestimmen wird, — und du müßtest wahrlich vollkommen blind und verstockt seyn, wenn dich diese Vorstellung nicht zur Besinnung brächte. Eben so gewiß ist es ferner, daß Nüchternheit und Mässig¬ keit treffliche Schutzwchren gegen Versuchungen sind. Nüchternheit ist die Mutter aller Lugenden, sagt der Kirchenlehrer Origenes. Im Gcgentheile ist Unmässigkcit der Zunder, an dem sich die un¬ reine Begierde entzündet, und zur Flamme wird. Wer also Herr über sich selbst bleiben will, der schwäche die Sinnlichkeit durch Entziehung und Enthaltsamkeit, denn man hat schon halb gesiegt, wenn man dem Feinde zuvorgekvmmen, und ihn den Posten weg¬ genommen hat, von welchem er den leichtesten und sichersten seiner Anfälle auf unsere Tugend machen konnte. Endlich meine Lieben, kann ich das Mittel nicht unberührt lassen, welches der in den Tod gehende Heiland seinen Jüngern dreimal so ernstlich anempfohlcn. Wachet und betet sprach er, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Und er selbst der Heiligste bereitete sich, wie wir aus dem h. Evangelio sehen, durch anhal¬ tendes Gebet auf die kommende Versuchung vor. Vergessen wir doch nie die liebreiche Ermahnung uusers Erlösers meine Lieben, folgen wir seinem Beispiele, wachen wir über uns selbst, unsere Neigungen, Wünsche und Begierden, beten wir ohne Unterlaß zum Vater der Lichter um Erleuchtung, Trost und Stärke, damit uns die Versuchung nicht übermanne. Das Gebet, sagt ein Kir¬ chenlehrer, erheitert das Herz, zieht es ab vom Irdischen, befreit es von der Sünde, erhebt es zum Himmlischen, macht selbes fä¬ higer und würdiger geistige Güter zu empfangen. Und wenn wir uns so sorgfältig wider die Versuchungen ausgerüstet, wenn wir unsere Lenden mit dem Schwerte der Enthaltsamkeit umgürtet, die Brust mit dem Schilde des Gebetes geschützt und das Haupt mit dem Helme des gläubigen Vertrauens bedeckt haben, so wird der Versucher beschämt und bestürzt die Flucht ergreifen, die Ver¬ suchung wird uns nicht nur nicht schaden, sondern uns vielmehr die Krone der Unsterblichkeit erwerben helfen. Amen. 9 » » v » 150 « « « « Am zweiten Sonntage in der Fasten. »Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurde« weiß wie der Schnee.« Math. »7, 5. Eingang. Vor Kurzem noch gingen die Schüler Jesu traurig und nieder¬ geschlagen an der Seite ihres geliebten Meisters, denn er hatte ihnen seine bevorstehenden Leiden vorausgcsagt, und sie somit der schönsten irdischen Hoffnungen beraubt. Nach dem heutigen Evan- gelio aber sehen wir den Petrus, Jakobus und Johannes, welche drei Jesus einer besonder» Liebe und Auszeichnung würdigte, wieder ganz außer sich vor Freude. Was ist wohl die Ursache dieser glücklichen Veränderung? — Jesus verklärt sich noch vor dem Anfänge seiner Leiden vor den Augen seiner Schüler. Sein Angesicht leuchtet wie die Sonne, seine Kleider sind weiß wieder Schnee; Moses der jüdische Gesetzgeber und Elias einer der grö߬ ten Propheten des alten Bundes erscheinen aus dem Lande der Un¬ sterblichkeit in einer lichten Wolke den staunenden Jüngern, und unterreden sich mit dem verklärten Jesus; eine Helle Stimme tönt aus den Wolken: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohl¬ gefallen habe, den höret! Diefe so erhabene und außerordentliche Scene nun, macht auf die anwesenden Jünger einen so starken an¬ genehmen Eindruck, daß Petrus in seiner seligen Entzückung aus¬ ruft: Herr! es ist gut für uns hier zu feyn; ja er ist schon be¬ reit Hütten zu bauen und auf diesem Berge des Vergnügens immer bei Jesus zu wohnen. — So selig fühlten sich die Jünger in der Anschauung des verklärten Jesus, meine Lieben! und doch schauten sie ihn nur mit ihren fleischlichen Augen in ihrem ge¬ brechlichen Leibe auf dieser vergänglichen Erde — und Jesus war noch nicht vollkommen verherrlichet, das war alles nur ein schwa¬ cher Abglanz jener Majestät und Herrlichkeit, die er von Ewig¬ keit her bei dem Vater hat. — Und mir, wenn ich mich so in die Lage der entzückten Jünger Jesu zu versetzen suche, mir dringt sich dabei ein Gedanke so unwiderstehlich auf, daß ich mich nicht enthalten kann, Ihnen denselben auch mitzntheilen. Ohne Zwei¬ fel hat dieser Gedanke schon Manchen aus Ihnen zuweilen beschäf- »--» » 121 rigct: Welcher Art wird wohl die Seligkeit der verklärten Freunde Gottes seyn? so fragt sich Mancher. Wahrlich, eine höchst wichtige, aber zugleich äußerst schwere, oder vielmehr gar nicht zu beantwortende Frage. Ferne sey die Anmassung von mir sie beantworten zu wollen, indessen, in so ferne einige Strahlen der göttlichen Offen¬ barung dieses Dunkel aufhellcn, wünschte ich doch diese lichten Strahlen mit ihnen heute zu verfolgen und die Frage: Zn wel¬ chem Verhältnisse werden die verklärten Tugendhaften zu Gott stehen? etwas aufzuhcllcn. Wir wollen die Aeußerungen der h. Schrift, die wir über diesen Gegenstand hin und wieder finden, ausheben und beherzigen. Vielleicht wird diese Betrachtung unser Gemüth vom Irdischen leichter abziehen und zum Himmlischen erheben, darum verspreche ich mir Ihre allseitige Aufmerksamkeit. Abhandlung. Die Offenbarung stellt uns den seligen Zustand der vollen¬ deten Gerechten unter einem dreifachen Gesichtspunkte dar. Sie sind erstens mit Gott auf das innigste vereiniget, genießen die Seligkeit der Anschauung und einer vollkommenen Erkenntlich Gottes und aller Geheimnisse, die in dieser Erkenntuch liegen.— Selig sind die, die eines reinen Herzens sind, sagt Christus, denn sic werden Gott schauen. Wir werden ihm ähnlich seyn, sagt der heil. Johannes, weil wir ihn sehen werden, wie er ist. Und Paulus schreibt: wir sehen jetzt noch wie in einem Spiegel, wie in einem Rathscl, dann aber von Angesicht zu Angesicht; jetzt erkenne ich nur zum Theile, dann aber werde ich erkennen, so wie ich erkannt worden bin. Welche Seligkeit, meine Lieben! liegt schon in dem Gedanken, mit Gott der Urquelle alles Guten und Schönen auf ewig vereiniget zu seyn, zu kennen, wie er ist, den, dessen Allmacht, Weisheit und Güte uns schon bei der Betrachtung seiner Werke in tiefes Staunen verletzt, dessen Grösse und Majestät die Schöpfung im Kleinen wie un Grossen verkün¬ det! Wer wird sich nicht auf das heißeste sehnen, bei dem zu wohnen, den anzuschaucn und zu kennen, auf dessen allmächtigen Wink dieses unermeßliche Weltall aus seinem Nichts heroorging? den zu kennen, dessen Schönheit das unbedeutendste Blümchen wie die stolze Ceder rühmet, dessen Güte das kleinste Würmchen wie der ungeheure Wallfisch preiset, dessen Grosse die rieselnde ».»»» 1^2 «««« Quelle wie daö stürmende Meer erhebet, dessen Herrlichkeit der w schwindende Regenbogen wie der mit Myriaden Sternen besacle st Nachthimmel verkündet? Was muß der tugendhafte gläubige «r Christ empfinden, wenn er zu der unermeßlichen Höhe aufblickt, u wo sich zahllose Himmelskörper auf ihren bestimmten Bahnen e fortbewcgen durch Jahrtausende, was muß er empfinden, wenn 8 ihm söin Glaube zuruft,- Ueber jenen Sternen wohnt der gute t Menschenvater, dessen Kind ich bin! ich werde einst zu ihm kom- > men, denn sein im Tode verherrlichter Sohn mein Heiland hat > mir eine Wohnung in seines Vaters Hause bereitet; ja ich werbe zu ihm kommen, ihn kennen in seiner Wesenheit, an ihm der Urquelle der Liebe werde ich immer neue Schönheiten, neue Voll¬ kommenheiten entdecken und ihn doch in alle Ewigkeit nicht er¬ schöpfen! Dort, sagt der h. Augustin, wird die größte Seligkeit seyn, zu sehen, was du liebst, zu lieben was du siehst, dort, wo die wahre Anschauung klar eröffnet wird, wirst du das selige Leben an der Duelle selbst trinken. — Dort wird erst unser Durst nach Erkenntniß vollkommen gestillt, dort wird uns klar und deutlich werden, was uns bisher tief verborgen oder nm- sparsam beleuchtet war. Denn unsere Erkenntniß, sagt der Apo- , stel, ist hier nur Stückwerk, aber wenn das Vollkommene erfol¬ gen wird, dann wird das Stückwerk aufhören. —> Selige para¬ diesische Gegend! nach welcher ich ans dem Thale der Lhränen seufze, sagt der heilige Bernhard; dort wird Weisheit ohne Thorheit, ein Gedächtniß ohne Vergessenheit, ein Verstand ohne Jrrthum, eine Vernunft ohne Verdunklung, glänzen. Durch diese Vereinigung mit Gott werden wir zugleich in Vereinigung mit Jesu und den höhern seligen Geistern, in die innigste Bekanntschaft aller verklärten Freunde Gottes treten. Ihr scyd gekommen zur Stadt des lebendigen Gottes, schreibt Paulus, zu dem unzählbaren Heere, zu den Chören der Engel und der Versammlung der Erstgebornen, die im Himmel unge¬ schrieben sind, zu den Geistern der vollendeten Gerechten; zu Jesu dem Mittler des neuen Bundes. Welche Seligkeit, meine Lieben! mit den Schaaren unzähliger reiner Geister, deren Haupt Christus ist, den Unendlichen zu preisen, zu preisen den Uncrschaf- senen mit den Cherubim, die an den Stufen seines Thrones da¬ hingesunken rastlos rufen: Heilig! Heilig! Heilig! Gott der Heerschaaren, der Alleinherrscher! Und wenn es wahr ist, daß »»»» 135 «««« )er rte ge 't, !N >n te t e wir schon hienicden unter Guten gut werden, wenn wahre Freund¬ schaft die Würze des Lebens ist, welches Wachsen im Guten, welches Wachsen an Seligkeit wird uns jene wahre, vollkommene, untrennbare Freundschaft mit den Auserwählten gewähren! Schon ein heidnischer Redner (Cicero) drückt sich hierüber mit diesen Worten aus: Ich brenne vor Begierde, Eure Väter, die ich verehrt und geliebt habe, zu sehen. Ich wünsche aber nicht bloß mit jenen in Verbindung zu treten, die ich selbst gekannt, sondern auch mit jenen, von welchen ich gehört, gelesen und geschrieben habe. Herrlicher Tag, an welchem ich zu der Versammlung, zu der Gemeinde der göttlichen Seelen reisen werde! Und der Mann, der so sprach, hatte gar keine Ucberzeugung von der Unsterblich¬ keit der Seele, sondern er ahnete sie nur, weil er sie wünschte; denn er gesteht es selbst: Wenn ich hierin irre, daß ich die Seelen der Menschen für unsterblich halte, so irre ich gerne, und diesen Jrrthum, der mir soviel reine Freude gewährt, wist ich mir, so lange ich lebe, nie rauben lassen. Und wie schön drückt sich hierüber der h. Cyprian aus: Wer eilet nicht, sagt er, wenn er in einem fremden Lande sich befindet, in sein Vaterland zurück zu kehren? wer wünscht nicht, wenn er zu den Seinigen bald zurückfchiffen wist, einen günstigen Wmd, um seine Geliebten desto eher umarmen zu können? Wir halten das himmlische Paradies für unser Vaterland, unsere Aeltern sind bereits schon die Pa¬ triarchen. Eine grosse Schaar geliebter Personen, erwartet uns daselbst. Mit Verlangen sieht uns eine zahlreiche Menge /von Aeltern, Brüdern und Kindern entgegen, die ihrer Unsterblichkeit sicher, nur noch um unser Heil bekümmert sind. Ferners, wird nach der Lehre und Versicherung der heiligen Schrift, in jenem Zustande der vollendeten Gerechten der Wider¬ spruch aufgehoben zwischen dem Verdienste der Frommen und der Glückseligkeit, die ihren Verdiensten gebührt. Nun hörte ich eine Stimme vom Himmel rufen, heißt cs in der geheimen Offenba¬ rung, schreibe: Selig sind die Tvdtcn, die im Herrn sterben. Fürwahr, spricht der Geist Gottes, von nun an sollen sie ausru¬ hen von ihren Leiden und ihre Werke folgen ihnen nach. Jede Thräne wird Gott abtrocknen von ihren Augen, der Lod wird nicht mehr seyn, ckufhörcn werden Trauer, Klage und Schmerz, denn das Vorige ist vorüber. — Kann wohl etwas trostreicher seyn, als cs diese Worte sind, meine Lieben? Beruhige dich »»»» 134 «««« armer Tugendhafter, wenn dich Leiden aller Art drücken, wenn du deine Tage in Krankheit, Verachtung und Niedrigkeit verlebest, wenn deine Verdienste, deine edlen Absichten verkannt werden; wenn dir alle Hoffnungen fehlschlagen, wenn dir kein Freund zur Seite steht, wenn dich die Welt von sich stoßt, wenn sie bei deinem Unglücke höhnisch lächelt, deinen frommen gerechten Wandel für Thorheit halt, — beruhige dich mit einem Hinblicke auf jene bessere Hcimath, wo du deinen elenden niedrigen Zustand nut einem ewig seligen Umtauschen wirst. Endlich, versichert uns die Schrift, wird in jenem Leben nicht nur aller Widerspruch zwischen Sittlichkeit und Glückselig¬ keit aufhörcn, sondern cs wird auch die vollkommenste Ueberein- stimmung zwischen Verdienst und Belohnung Statt finden: Gott wird Jedem vergelten nach seinen Werken, schreibt Paulus. Se¬ lig sind die, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättiget werden, versichert Christus; das ist, ihr guter Wille, den sie auf der Erde in dieser Vorbereitungsperiode in allem ihren Thun und Lassen geäußert haben, wird im Reiche der Vergeltung in allem erfüllt werden. Darum sagt Christus, der Herr werde zu dem treuen Knechte, der sein ihm anvertrau¬ tes Talent gut verwendete, sagen: Wohlan du guter und getreuer Knecht, weil du über Weniges treu warst, will ich dich über Vieles sehen. Ja dort, meine Lieben, wird jedem Verdienste die ihm entsprechende Belohnung zu Lheil, dort werden die verklär¬ ten Tugendhaften einsehen, die weisen Führungen Gottes, sie werden einfehen wie alles Leiden dieser Erde kurz und in seinem Eindrücke vorübergehend, wie jede Ucbcrwindung, jede Entsagung, jeder Kampf, den sie hienieden bestanden, überschweng¬ lich und ewig in seinen seligen Folgen war, sie werden Gott dafür danken, seine Weisheit und Vatergüte preisen. — Wahrlich, schreibt der h. Paulus, die Leiden dieser Erde sind nicht in Vergleich zu sehen mit jener Herrlichkeit, die an uns geoffenbarct wird. Und im ersten Briefe an lie Corinther schreibt der nämliche h. Paulus: Kein Auge habe es gesehen, kein Ohr gehört, in keines Menschen Herz sey cs gekommen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben, — eine Seligkeit also, die alle menschliche Vorstellung übersteigt, von der wir uns nach unserem beschränkten Verstände keinen Begriff machen können. Indessen dürfen wir bei dieser Betrachtung die Aeußerung der heil. Schrift nicht außer Acht lassen, daß nämlich »»»» «««« die Seligkeit der Auserwählten sich ganz nach ihren Verdiensten richten, und daher bestimmte Grade haben werde. — Jeder wird seinen besondcrn Lohn erhalten, schreibt Paulus, nach dem Maaße seiner Bemühungen; wer sparsam säet wird auch sparsam ärnten, wer in Segensfülle säet, wird in Segnungen, d. i. reichlich ärnten. —Jedoch aber wird die Seligkeit derjenigen, die weniger verherr¬ lichet sind, darum nicht minder groß scyn; denn wenn auch dem mindern Verdienste mindere Belohnung zu Thcil wird, so macht die Liebe die größere Belohnung zu einem Gcmeingute; so wird sich der Mindere der Krone des Höhern freuen, und das Verdienst des Höhern wird glänzen in der Krone des Mindern. — Dort, sagt der h. Bernhard, wird kein Neid einer ungleichen Verherrlichung Statt haben, denn cs wird Einheit der Liebe herrschen in Allem. — Zn so weit nun, meine Lieben, beleuchtet das Licht der Offenba¬ rung unsere Hoffnungen, die sich auf den seligen Zustand der Ver¬ herrlichung beziehen; eine nähere Kenntniß über jenen Zustand ist für uns hienicdcn theils nicht möglich, theils auch nicht nöthig, — und Verwegenheit wäre es, genauer wissen zu wollen, welche Anstalten zu unserer Verherrlichung Gottes Allmacht, Güte, Weisheit und Gerechtigkeit getroffen habe; Verwegenheit wäre cs, das, was Gott unserm Verstände hienieden verborgen, was er vor unfern Augen verhüllt hat, genauer erforschen zu wollen. Thun wir nup das Unsrige, bestreben wir uns durch einen frommen Lebenswandel jener Verherrlichung würdig zu werden, säen wir immer guten Samen aus, und säen wir reichlich, so werden wir auch reichlich ärnten, denn Gott ist mächtig genug, um uns ewig selig machen zu können, und gütig genug, um uns ewig selig machen zu wol¬ len. Amen. > » » » 156 « « « « Am dritten Sonntage in der Fasten. § - a j' »Wer nicht mit mir hält, der ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreuet.« Luk. n, ^3. Eingang. ^esus heilt einen Menschen von der Stummheit, welche der böse Geist in ihm bewirkte >— und beweiset sich so als den Stärken,, der gekommen ist dem Satan die Macht zu benehmen und sein Reich zu zerstören. —> Die Wahrheit des Wunders, die wirkliche Heilung des unglücklichen Besessenen, welche im Angesichte einer zahlreichen Menge Menschen geschah, konnten selbst die boshaftesten Feinde Jesu nicht läugncn; seine göttliche Macht bewundern, in seiner Person den verheißenen Messias erkennen, das wollten sie nicht. Was thaten sie nun um sein göttliches Ansehen herabzu¬ setzen'? Was sonst am Verstände verblendete und am Herzen ver¬ dorbene Menschen zu thun pflegen. Das offenbar Gute leiteten sie aus unreiner Duelle ab. Er treibt den Leusel durch Belzebub den Obersten der Leusel aus, sagten sie. — Welch' boshafter Unsinn! Jesus zeigt ihnen auch zu ihrer Beschämung das Ungereimte ihrer Behauptung in der Gegenfrage: Wenn der Oberste der Teufel' durch mich die andern Teufel austrcibt, so streiten ja die bösen Geister selbst gegen einander? Wie kann da ihr Reich bestehen? Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreuet. Er wollte sagen: wer nicht dieselben Gesinnungen und Absichten mit mit hat, Gottes Ehre und das Beste der Menschen, ihre Besserung und Bcseligung zu befördern, der wird mir und meinen Bemühungen entgegen semi; der böfe Geist sucht aber den Menschen vielmehr zu schaden, also kann er nicht mit mir zur Beförderung meiner guten Absichten wirken wol¬ len, er muß wider mich scyn, was ich sammle, muß er zerstreuen. Daß in diesen Worten Jesu mehr noch liege, als sic sagen, merken Sie selbst leicht, meine Lieben! Nicht der böse Geist allein ist wider Zesum, sondern auch der Mensch, der nicht dieselben Ge¬ sinnungen und Absichten mit Jesus hat, und so verhielt cs sich gerade mit den Pharisäern, welche die edelsten Bemühungen Jclu zu vereiteln suchten. Billig erfüllt uns ihre Gesinuungs- und » » »>- 137 ««»« Handlungsart mit Abscheu, wir wollen gewiß nicht zu ihrer Klasse geboren, sondern vielmehr als Christen mit Jesu seyn, ihm treu einhängen. Damit wir uns aber um so leichter und fester an ihn anschließen, wollen wir heute nachdenken, erstens: Was es denn heiße mit Jesu seyn oder ihm anhängcn, und zweitens: Was uns den gewöhnlich hindere oder hindern könnte ihm treu anzuhängen. In der festen llebcrzcugung, daß Sic sich Alle gerne an Jefum anschließeu, mache ich bei diesem Vortrage Anspruch auf Ihre mir wohlbekannte Aufmerksamkeit. Erster Theil. Wir sind zwar auf den Namen Jesu getauft, meine Lieben! wir nennen uns Christen, das ist, wir bekennen uns zu der Zahl jener Glücklichen, die Jesu beseeligende Lehre aus Kindern der Finsterniß zu Kindern des Lichtes, d. i. zu Kindern Gottes gemacht hat. Jesus erscheint uns darum auch recht liebenswürdig, mit gerührten Herzen denken wir an seine Liebe, mit welcher er nicht nur uns, sondern das ganze Menschengeschlecht umfasset, erheben im Gebete unsere Hande zu ihm, als unsern Mittler bei seinem Vater, und beugen unser Knie bei seinem heiligsten Namen. — Das ist zwar Alles gut und xsiichtmässig, aber noch kein hinläng¬ lich fester Beweis, daß wir ihm ganz anhangcn. — Den» auf¬ richtig müssen wir gestehen, daß, ungeachtet wir uns glücklich schätzen auf seinen Namen getauft zu seyn, wir doch oft vergeßen, was wir in der Laufe angclobt haben, gestehen müssen wir, daß, obgleich seine Liebe unser Herz rühret, wir uns doch oft sehr undankbar gegen ihn zeigen, und wahrend unser Knie sich bei feinen Namen beuget, reden und handeln wir oft so, als wenn uns Jesus, den wir doch äußerlich bekennen, ganz fremd wäre. Worauf kommt cs also vorzüglich an, wenn wir mit Recht hoffen dürfe», daß wir Jesu ganz aiihangen? Dieses zu erkenne», wird nicht schwer seyn, wenn wir Acht haben wolle» auf das, was wir thun, wenn wir einen Menschen nur ganz ergeben sind. Und was thun wir da? Wir beobachten seine guten Eigenschaften, nicht wahr? und geben uns alle Mühe, uns »ach denselben zu bilden. Nun, das Nämliche müsse» wir thun, wen» wir Jesu treu an¬ hangcn. Zu diesem Ende.muß uns die Lcbcnsgcschichte Jesu, das luchste Buch sepn, denn aus dieser lernen wir feine gute» Eigen- » » » » 158 « « «c< schäften kennen; da sehen wir ihn so schon und edel handeln, daß wir ihn licbgcwinnen, und zur Nachahmung angecifcrt wer¬ den müssen. Von ihm lernen wir den willigsten Gehorsam gegen seinen Vater. Meine Speise ist es, sagt er, daß ich den Willen mei¬ nes himmlischen Vaters thue, und wir sehen ihn auch auf eine recht vollkommene Weise Alles vollbringen, was ihm der Vater aufgetragen! Er war gehorsam seinem Vater, gehorsam bis in den Lod am Kreuze, sagt der h. Paulus. — Wir lernen von ihm Sanftmuth und Dcmuth. Lernet von mir, sagt er selbst, denn ich bin sanftmüthig und dcmüthig von Herzen, und wie schön bewies er, daß er es sey! Mit Sanftmuth und Liebe nahcte er sich den Sündern, mit Schonung und Milde behandelte er die Schwachen und Unwissenden; auf eine bewunderungswürdige Art dcmüthigte er sich vor Freunden und Feinden, vor Grossen und Kleinen, vor Gelehrten und Ungelehrten, ja sogar vor seinen eigenen Schülern. Wen rührt nicht das schöne Beispiel der Dc¬ muth, das er bei seinem letzten Abendmahle gab? wenn er, vor dem Cherubinen und Seraphinen im Staube dahinsinken, sich zu den Füssen seiner Jünger niedcrläßt, um ihnen dieselben zu wa¬ schen — ein Dienst, den sonst nur die niedrigsten Sklaven ihren Herren zu leisten pflegten. — Wir lernen von ihm ungehcnchcl- tes thätiges Mitleid gegen Unglückliche und Niedergeschlagene: Kommet zu mir alle, die ihr mit Mühe und Arbeit beladen seyd, ruft Jesus den Bedrängten und Leidenden zu, ich will euch erqui¬ cken! und siehe! er erquickte in der Lhat Alle, die sich ihm vcr- trauungsvoll näherten, er heilte, tröstete, half wo er hinkam, sein ganzes Leben war eine Reihe von guten segenreichen Hand¬ lungen. — Wir lernen von ihm gutmüthige Schonung gegen Hartherzige. Denn während seine Schüler Feuer vom Himmel begehren über die Einwohner eines Stäbchens von Samarien, von denen sic nicht ausgenommen wurden, blickt sie Jesus mit¬ leidig an und spricht: Ihr wisset nicht wessen Geistes ihr seyd! des Menschen Sohn ist nicht gekommen zu vertilgen, sondern zu retten, — so betrug sich bei angcthancncn Unbilden der größte Wohlthäter der Menschen. Wir lernen von ihm Geduld und Standhaftigkeit in Leiden und Dürftigkeit. Die Füchse haben ihre Höhlen , und die Vögel ihre Nester, nur des Menschen Sohn hat nicht, wohin er sein Haupt legen könnte, so sprach im Gc- » » » » 159 « « « « fühle seiner tiefsten Armuth — der Herr der Schöpfung. Ja wohl hatte er nicht so viel Eigenes der gute Jesus, denn arm und niedrig sehen wir ihn zu Bethlehem in der Krippe, arm und verlassen auf Golgatha am Kreuze. — Wir lernen von ihm die guthmüthigste Bereitwilligkeit seinen Feinden zu verzeihen. Denn nm Kreuze noch, während sein müdes Haupt auf die Brust hinab¬ sinkt, ruft er unter den gräßlichsten Schmerzen, die ihm seine Peiniger verursachen: Vater verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun. So schön, so edel sehen wir Jesum denken und handeln bis auf den letzten Athemzug seines Lebens, kurz er ist das einzige, wahre, untrügliche Muster geworden für Alle. Wollen wir also Jesu vollkommen anhängcn, ihm ganz ergeben seyn, so müssen wir uns Mühe geben uns ganz nach ihm zu bilden, d. i. wir müssen ihn in seiner ganzen Denk- und Handlungs¬ weise nach Kräften nachzuahmen suchen. Wenn wir Jemanden ganz ergeben sind, wenn wir ihn auf¬ richtig lieben , so werden wir ferner auch Alles schätzen und lieben, was ihn angeht, was ihm selbst lieb und theuer ist; hingegen werden wir alle Kraft und Einsicht anwenden, Alles, was ihm Kränkung oder Unchre bringen könnte, hintanzuhaltcn. —Das¬ selbe müssen wir auch thun, wenn wir Jesu in Wahrheit ergeben seyn wollen. Mit zärtlicher Liebe müssen wir alle unsere Mit¬ brüder umfangen, den Jesus liebte sie auch Alle, weil er für Alle sein Leben hingegeben. Nichts soll für uns Erfreulicher seyn, als wenn wir Jesu recht viele treue Verehrer gewinnen, oder einen unglücklichen verirrten Bruder wieder zu der Herde zurück- führcn können, deren Hirt Jesus selbst ist. Durch Wort und That müssen wir Jedermann beweisen , daß Jesu Lehre eine gött¬ liche Lehre, daß sie die größte Wohlthat für den verblendeten und verdorbenen Menschen fey, durch einen sanften liebreichen Un¬ terricht, durch möglichst thätige Hilfe, durch ein auferbanliches Beispiel müssen wir trachten diese Lehre Jesu immer mehr zu verbreiten und zu befestigen, das Reich Gottes, das Reich der Tugend zu erweitern. — Nichts aber muß uns so schmerzen, als wenn wir solche, die Christen seyn wollen, ohne Achtung von Jesu und feiner göttlichen Lehre sprechen hören, oder derselben entgegengesetzt leben sehen. Mit Wchmuth und Mitleid müssen wir solche zurechtweifen, sie aufmerfam machen auf das, was Jesus für sie gcthau, auf die frohe Aussicht, die er ihnen durch »» » » 140 « « ««c seinen Tod eröffnet, auf die grossen Verheissungen, die er seinen treuen Verehrern und Nachfolgern gemacht, auf die grosse Liebe, mit der er sich noch immer als Mittler zwischen Gott und den Menschen oben zur Rechten seines Vaters ihr^s Seelcnheiles an- nimmt; aber auch einst, wenn sie die Zeit einer aufrichtigen Rück¬ kehr zu ihm, die Zeit der Gnade und der Langmuth werden vorübergehen lassen, als ihr Richter erscheinen und nach seiner heiligen Gerechtigkeit ihr ewiges Schicksal bestimmen werde. So lheuer muß uns Jesu Lehre, so thcuer das geistige Wohl unserer Brüder seyn, wenn wir Jesu in Wahrheit ergeben sind. Wenn wir einem Menschen recht innig zugcthan sind, st leben wir gleichsam ganz in ihm und für ihn, wollen beständig um ihn herum seyn, und fürchten nichts so sehr, als feine Liebe zu verlieren, von ihm getrennt zu werden. Ebenso muß uns zu Muthe seyn, wenn wir Zesu ganz ergeben seyn wollen. Er muß uns immer vor den Augen schweben, der Gedanke an ihn muß uns der liebste seyn, wir müssen uns nach seinem Umgänge freu¬ dig sehnen, das heißr, uns dort, wo er uns besonders nahe ist, recht oft und bereitwillig einfinden. Nahe ist er uns im Gebete, denn da kommen wir ihm entgegen und er uns, da reden wir mit ihm; nahe ist er uns bei der Lesung seiner Lebensgefchichte und bei Anhörung seines Wortes, denn da spricht er selbst wie ein zärtlicher Freund zu unserm Herzen; besonders nahe ist er uns im allerheiligstcn Sakramente des Altars, denn da ist er wahrhaftig mit Fleisch und Blut unter den Gestalten des Brotes gegenwärtig, schaut liebreich auf uns herab, höret unsere Bitten, unsere frommen Entschließungen, sieht unser demüthiges Herz, nimmt den kindlichen Dank, den wir ihm stammeln, mit Wohl¬ gefallen auf; am nächsten aber ist er uns beim h. Abendmahle; denn da gibt er sich uns sogar zur Speise hin, da vereiniget er sich auf das innigste mit uns, kehret ein in unser Herz und will immerdar in demselben wohnen. Wenn wir also Jesu wahrhaft ergeben sind, so werden wir solche Gelegenheiten, solche hohe Augenblicke, in denen er uns selbst rufet und zu sich cinladct, gewiß nicht versäumen, wir werden seiner holden Hirtcnstimme gerne folgen, alles Irdische bei Seite lassen und mit seinen Jün¬ gern sagen: Siehe Herr! wir haben Alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Um nur seine Liebe, feinen Beifall nicht zu verlie¬ ren, werden wir nichts so sehr fürchten, als die Sünde, weil Z » » » 141 « « «e, durch einen reinen frommen Lebenswandel uns seiner Gnade im- 'n mer mehr zu versichern. — Jesum nach seiner Gefinnungs- und >- Handlungsweise eifrig nachahmen, seine göttliche Lehre nach Kräf- - tm unter den Menschen verbreiten und wirksam machen, das !i Reich der Tugend erweitern helfen, durch einen gerechten Wandel e nach dem Wohlgefallen Gottes streben — das heißt alfo mit > Jesu feyn, oder ihm getreu anhängen. Da uns aber leider oft mächtige Hindernisse im Wege stehen, Jesum so anzuhängen, wie wir sollten, so ist cs von höchster Wichtigkeit dieselben ken¬ ne» zu leruen, um sie leichter zu beseitigen, und davon im zweiten Theile. Woher kam cs denn, meine Lieben! daß, ungeachtet Jesus so untadelhaft, voll Anmnth und Liebe vor den Augen der Men¬ schen wandelte, doch Viele sich nicht entschließen konnten seine Schäler zu werden, ihm treu und aufrichtig anzuhängcn? — Unbezähmte Sinnlichkeit, Anhänglichkeit an irdische Gäter und Unglaube, meine Lieben! waren es von jeher und sind cs noch, , die den Menschen von Jesu abziehen. Wer gesteht es bei einem unparteiischen Nachdenken über sich nicht ein, daß die Sinnlichkeit, der angeborne Hang zum Bösen, der sich schon in den Kindes- jahren äußert, dem, was Jesus lehrte und foderte, mächtig wi¬ derstrebet Die Sinnlichkeit will nichts entbehren, sich nichts ver¬ sagen, sich nicht verläugnen, sucht nicht das, was recht und heilig ist, sondern das, was ihren Trieben, Neigungen und Be¬ gierden zusagt, sie will nicht untergeordnet scyn dem Geiste, son¬ dern über ihn herrschen, die Vernunft zu ihrer Dienerin machen. Von der Macht der Sinnlichkeit schreibt der grosse Apostel Pau¬ lus; Ich weiß (schreibt er) daß in mir, das ist in meinem Fleische, das Gute nicht wohnet, das Wollen ist zwar da, aber das Voll¬ bringen des Guten finde ich nicht. Denn nicht das Gute, was ich will, thue ich, sondern ich thue das Böse, das ich nicht will. Ja sckvn die heidnischen Weisen seufzten über diesen ihnen ohne Offenbarung freilich unerklärbaren Hang zum Bösen. So sagt Ovidius. Ich erkenne das Gute und billige es, aber ich folge dem Schlechtem. Mit einem Worte, die Sinnlichkeit ist es, meine Lieben, die uns von Jesu und der Befolgung seiner Lehre » » » v 142 « « « « mächtig abzicht, wir lieben uns selbst, das ist unsere sinnliche Natur mit ihren Lüsten, zu sehr. Wer aber sich selbst und sein Leben mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wcrth, sagt Christus. Ferner ist cs die Vorliebe für das Irdische, die Anhänglichkeit an die Welt, die uns von Jesu abzieht. Wir baschen oft mit einem solchen Eifer nach vorübergehenden Freuden, nach schim¬ mernden Vorzügen und Ehren, nach vergänglichen Gütern, als ob wir ausschließlich nur für diese Erde geschaffen wären. M' unser Dichten und Trachten geht nur auf zeitlichen Genuß hin, da lassen wir uns keine Mühe verdrießen, da wird uns kein Schweiß zu sauer, kein Leiden zu hart; wir vergessen über dem Irdischen das Ewige ganz, sind Kinder der Welt, aber nicht Kinder Gottes, nicht Brüder Jesu. Wie können wir mit einem getheilren Herzen Jesu anhängen? Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz, sagt Jesus. Niemand kann zweien Herren zu¬ gleich dienen, entweder wird er den Einen lassen und dem Andern anhängen, oder dem Einen anhängen, und dem andern untren werden. — Niemand kann Gott und dem Mammon zugleich dienen. Aber verdient wohl das, was auf einmal aufhören, was uns auf einmal geraubt werden kann, oder was wir im Lode gewiß verlassen müssen, verdient es wohl so heftig geliebt, und jenen Gütern vorgezogen zu werden, die noch jenseits des Grabes noch wahre Güter bleiben? Wir sollen und dürfen vorsichtig, mässig und gnt jede Freude, die uns Gott schenkt, genießen und ihm dafür danken, aber unser Herz frei behalten, und es nur dem ganz weihen, der uns durch sein Leiden und Sterben bessere un¬ vergängliche Güter erkauft hat. Der Unglaube stand endlich Vielen im Wege, daß sie Je¬ sus nicht als Messias, nicht als den Sohn Gottes anerkennen, und sich somit an ihn nicht anschließen konnten. Und leider ist cs auch heut zu Tage noch der Unglaube, der Viele von Jesu trennet. Größtentheils aber sind solche Ungläubige, entweder Menschen, die sich von früher Jugend an wenig oder nichts um Jesu und seine Lehre bekümmert, oder sie nur von einer abschre¬ ckenden, nie aber von ihrer wohlthätigen Seite kennen gelernt haben; oder es sind am Herzen verdorbene, lasterhafte Menschen, denen die Lehre Jefu nicht willkommen seyn kann, weil sie ihren dösen Lüsten den Krieg ankiindiget und Selbstverläugnung federt. »»»» 14H «««« üe Um also ihren Lieblingsncigungen und Licblingssnndcn nicht cnt- l'n stigm zu dürfen, entsagen sic lieber der göttlichen Lehre Jesu, U und suchen noch andere gläubige Seelen von ihr abwendig zu machen. Sie sind es, von denen Jesus im h. Evangclio sagt: t wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, sie stehen mit den t Feinden Jesu im Bunde, sie zerstreuen, was Jesus sammelte. - Aber wehe! solchen verirrten Ungläubigen; denn wer dem Sohne nicht glaubt, sagt der h. Johannes, der wird das ewige Leben nicht sehen, sondern Gottes Ungnade wird auf ihm lasten. Wol¬ len wir uns auch an solche schwache, irrthumsvolle, verdorbene Menschen anschließcn, und mit ihnen zugleich dem unvermeidlichen Untergänge entgegen eilen? Das sey ferne, meine Lieben! mit Zesu wollen wir seyn, ihm wollen wir treu anhängen, seiner Führung uns anvertrauen, da er dcßwegcn vom Himmel herab¬ kam, um uns an seiner Hand in denselben einzuführen; frei und offen wollen wir ihn überall bekennen, damit er uns auch beken¬ nen wird vor seinem himmlischen Vater, mit ihm wollen wir sammeln, damit unsere Acrntc freudig werde, damit wir einst, wenn er uns als seine treuen Schüler und Freunde, als seine Lieblinge aus dieser gebrechlichen Hülle zu sich ruft, mit jener heißen Sehnsucht, mit jener trostvollen Hoffnung auf die errun¬ gene Krone, wie Paulus sagen können: Wir verlangen aufgelöst zu werden und mit Christo zu seyn. Amen. Am vierten Sonntage in der Fasten. »Wovon werden wir Brot kaufen, damit diese zu essen Habcn.« Joh. 6, 5. Eingang. Das heutige Evangelium ist seinem ganzen Inhalte nach äußerst anziebend und lehrreich für uns. Eine zahlreiche Menge Volkes folget Jesum in eine wüste Gegend jenseits des galiläischen Meeres nach, scheuet, aus Begierde seine göttlichen Lehren zu hören, nicht »>>»» 144 «««« die Beschwerden eines weiten Weges nnd vergiß ganz hingerissen von der Kraft seines Wortes selbst die leiblichen Bedürfnisse. — Jesns, gerührt bei dem Anblicke so vieler tausend Menschen, die sich so heiß nach himmlischer Speise, nach seiner Lehre sehnten, daß sie den Abgang der leiblichen nicht zu beachten schienen, be. schließt auch für diese zu sorgen. Indessen stellt er noch vor der Ausführung seines Vorhabens an den nebenstehenden Jünger Phi¬ lipp eine auffallende, merkwürdige Frage. Wovon werden wir Brot kaufen, damit diese zu essen haben? so fragt er gleichsam als ob er sich selbst nicht zu helfen wüßte. — Jesus, der schon durch so viele Wunderthatcn seine göttliche Macht bewiesen hatte, scheint sich Raths erhöhten zu wollen bei einem seiner Schüler? Nichts weniger als das, denn sollte sich wohl die höchste Weis¬ heit und Allmacht selbst, bei einem kurzsichtigen, ohnmächtigen Erdwurme Raths erholen wollen? — Die Frage hatte einen be¬ sonder« Zweck. Auf die Probe nur, meine Lieben, will Jesus den Jünger stellen, ob er Vertrauen auf seine göttliche Macht habe, — vorbereiten will er die Anwesenden und aufmerksamer machen auf das Wunder, das er wirken wollte. Ein Knabe, sagt Andreas der Bruder des Petrus, ist hier, der fünf Gersten¬ brote und zwei Fische hat, aber was ist das für so Viele? Je¬ sus nimmt die Brote und Fische, dankte im Gebete seinem Vater, theilr sie den Anwesenden aus, und 5000 Mann wurden gesät- tiget, dergestalt, daß noch 12 Körbe Stücklein übrig blieben. — Das that Jesus, weil er allmächtig ist, das that er, weil er gütig ist; aber so wie Jesus hier als Gott für die Bedürfnisse so vieler Menschen sorgte, so sorget die Vorsehung Gottes jeden Augenblick noch für die Menschen. Darüber wollen wir heute etwas nachdenken, und die Frage: Was thut die Vorsehung Got¬ tes für die Menschen, in etwas zu beantworten suchen — ein Gegenstand, der Ihre Aufmerksamkeit um so mehr verdient, je mehr er geeignet ist, Ihr Vertrauen auf Gott zu stärken, und Ihnen Trost zu verschaffen. Abhandlung. Daß es eine Vorsehung gibt, die Alles erhält und regiert, ist eine Wahrheit, meine Lieben, auf die uns schon die gesunde Vernunft ohne Beihilfe der Offenbarung führet, (einleuchtend »»»» 145^ ««»« darstcllt, daß man wirklich nicht Mensch scyn müßte, wenn man sic bezweifeln wollte.) Denn was schließen wir, wenn wir uns le in der Schöpfung mit einiger Aufmerksamkeit umschcn und l' überall Schönheit, Mannigfaltigkeit und Ordnung finden? Wir ' schließen ganz der Vernunft gemäß, daß das Wesen, welches r alles Sichtbare hervorgcbracht hat, und welches wir Gott ncn- ° ncn, ein höchst weises, höchst gütiges und allmächtiges Wesen ' feyn müsse. Denn das Geschöpf hängt nothwendiger Weise seiner l Entstehung und seiner Erhaltung nach von seinem Schöpfer ab, oder vielmehr die Erhaltung selbst ist eine fortwährende Schöpfung; denn würde Gott nur einen Augenblick seine Sorge von seinem Geschöpfe abzichen, so müßte cs in sein voriges Nichts wieder zmückstnkcn, das heißt, es müßte aufhören zu seyn. Setzen wir z. B. das Blut, das sich in unfern Adern mit einer solchen Schnelligkeit fvrtbewegt, bliebe nur einen Augenblick in seinem Laufe ganz stehen — so hören wir schon auf zu leben, wir sind eine Beute des Todes. Wer erhält also das Blut in seinem Kreis¬ läufe? Nur der allein, der unfern Leib gebildet hat, und der eben darum allmächtig und höchst weise ist. — Za es gibt eine Vorsehung, die Alles erhält und regiert; das ruft uns vom Mor¬ gen bis zum Abend die Schöpfung zu, denn Schönheit, Mannig¬ faltigkeit und Ordnung herrscht «n der ganzen Natur. — Zn ei¬ nerlei Erde, von einerlei Regen befeuchtet, von einerlei Sonne erwärmet steht Alles gemischt untereinander — Blumen, Pflan¬ zen, Kräuter, Bäume — Alles am Gerüche, Farbe, Gestalt und Eeschmackc verschieden, es wächst, vermehrt sich, stirbt ab und keimet wieder auf, alles unverändert in seiner Natur. — Jede Jahrszeit ist gleichsam eine neue Schöpfung, denn jede erzeugt einen neuen Wechsel, und doch allezeit nach einer festen unabänderlichen Ordnung. So schenkt uns der Frühling die Zierde seiner Blumen, der Sommer den Ueberfluß seiner Aernten, der Herbst die Köst- f lichkeit seiner Früchte, und der Winter kommt und bringt Ruhe der müden, arbeitenden Natur. — Die nämliche Verschiedenheit und doch die nämliche Ordnung finden wir auch in dem lebendigen Reiche der Natur. Wir sehen da Lhiere am Körperbaue, an Kräften, am Alter und Dauer verschieden, Lhiere von ungeheurer Grösse, und Lhiere, denen ein Tropfen Wasser, das Blatt eines Baumes schon eine Welt ist, Lhiere, die aus der nämlichen Stelle sterben, worauf sic geboren wurden, und «ndere, die Jahrhunderte 10 »»»» 146 «««« leben, und Alles ist in seiner Art vollkommen, nach dem Baue des Körpers, nach seiner Bestimmung, nach seiner Nahrung, nach dem Elemente, worin cs lebt, mit einer nicht zu ergründenden Weisheit eingerichtet. Alles weiß für seine Nahrung, für seine Wohnung und Erhaltung mit einer Geschicklichkeit zu sorgen, die uns in Staunen setzt. — lind dieses Alles,, wer erhält cs? Der, der cs schuf, Gott! Und wozu ist dieses Alles da, meine Lieben? — Des Menschen wegen. Grosser Gedanke! fasse ihn wohl diesen erhabenen Gedanken, o Mensch, der du dich oft so weit vergessen kannst, deine hohe Würde in dir oder deinen Mitmenschen zu ver- läugnen und zu schänden! Bedenke es wohl, deinetwegen ist die schöne Schöpfung da, ohne dich wäre sie nur eine todte Schönheit. Der Weinstock genießt sich nicht selbst, die Blume empfindet ihre eigene Schönheit nicht, das Thier kennt seine Kräfte nicht. —Dir als vernünftiges Wesen ist Alles unterworfen. Diese Betrachtung zwang den König David auszurufcn: Was ist wohl der Mensch, o Herr, daß du seiner gedenkest! Nur um etwas Weniges hast du ihn unter die Enget gesetzt, mit Ruhm und Ehre hast du ihn ge¬ krönt, zum Herrn über deine Werke hast du ihm gemacht. — Wenn sich eine Vorsehung in der sichtbaren Natur so unver¬ kennbar äußert, daß sie die gesunde Vernunft nicht läugnen kann, ohne aufzuhören Vernunft zu scyn: so überzeugt uns noch die Of¬ fenbarung auf das lebendigste, daß die göttliche Vorsehung alles Erschaffene erhält und regiert, und daß sie ihre väterliche Sorg¬ falt auf den Menschen, als das Meisterstück der Schöpfung ins¬ besondere ausdehnet. Recht anschaulich zeigen uns diese Wahr¬ heit die Begebenheiten, die wir im alten Bunde lesen. Wir wollen uns nur einige in das Gedächtniß zurückrufcn. Der un¬ schuldvolle Joseph erzählt den Brüdern seine gehabten vielbedeu- tenden Träume — die Brüder fangen an ihn zu hassen, und be¬ schließen seinen Tod. Der sanftere, mitleidigere Ruben will sich nicht beflecken mit dem Blute des Unschuldigen, der sein Bruder ist; er gibt den Rath ihn in einen ausgetrocknetcn Brunnen zu werfen, mit dem geheimen Vorsätze ihn bei Gelegenheit wieder herauszuziehen. Allein in Abwesenheit des guten Ruben verkaufen die Brüder den armen Joseph ismaelitischen Kaufleuten, die ihn nach Aegypten in das Haus des Putipbars bringen. Er gewinnt sich bald das Zutrauen und die Liebe feines Herrn, aber die Pflichtver- geffenheit eines Weibes und feine Unschuld wirft ihn in das Ge- >>»»» 147 <<««« fan^niß. Die prophetische Auflösung eines seltenen Traumes, den der König hatte, schließt ihm den Kerker wieder auf, und setzt ihn zunächst an den Thron des Königs. Durch Joseph kommt die väterliche Familie nach Aegypten, bekommt das fruchtbarste Wei- dcnland Gosen und vermehrt sich in kurzer Zeit zu einem zahlreichen Volke. So wunderbar leitete die göttliche Vorsehung sogar die unbedeutendsten Umstände im Leben des unschuldigen Joseph zu feinem Besten und zum Besten seiner Nachkommen. Verfolgen wir die Geschichte dieser Nachkommen (der Israeliten) etwas weiter, und beachten wir die väterlichen Führungen Gottes in Ansehung der Israeliten. — Durch so viele und so merkwürdige Wunderzei¬ chen befreit sie Gott aus der Sklaverei der Aegyptier, führt sie trockenen Fusses durch das rothe Meer, nährt sie durch volle 40 Jahre in der Ungeheuern unfruchtbaren Wüste mit Manna vom Himmel, läßt ihnen aus kahlen Felsen frisches Wasser fließen, ihre Kleider nickt alt werden, ihre Schuhe nicht zerreißen, schützet sie gegen giftige Schlangen und wilde Raubthiere, kämpfet mit ihnen wider die Feinde, und führet sie ungeachtet der vielen Hin¬ dernisse, die nach menschlicher Art zu urtheilen unüberwindlich schie¬ nen, in das Land, das von Milch und Honig floß. — Den Pro¬ pheten Elias nährte die göttliche Vorsehung in jener schrecklichen Strafzeit, in der durch drei volle Jahre kein Tropfen Regen vom Himmel fiel und kein erquickender Thau die ausgebrannte Erde be¬ feuchtete, durch einen Naben, der ihm täglich zweimal Speise zu¬ tragen muß. Der fromme Daniel wird von Gott in einer Grube heißhungriger Löwen, denen er zur Speise vorgeworfen wurde, beim Leben erhalten. Die Wuth der Löwen legt sich auf den Wink der Vorsehung, schmeichelnd und sanft wie die Lämmer legen sie sich zu den Füssen des Jünglings. Drei Jünglinge werden auf Befehl des abgöttischen Königs Nabuchodonosor in einen glühenden Feuerofcn geworfen; aber die verzehrende Flamme kühlt gleich ei¬ nem sanften Lüftchen ihre Wangen und senget kein Haar ihres Hauptes — mitten in der prasselnden Flamme wandeln sie wie in einem Lustgarten und preisen mit Lobliedern ihren Gott, der sie rettete. Dem jungen Tobias schickt Gottes väterliche Sorgfalt einen Engel als Führer und Beschützer auf seiner langen und gefahr¬ vollen Reise; froh und unversehrt bringt ihn der Engel zu den Seinigen und eben so wieder zurück in das Haus seines Vaters. Itt " »»»» 1^8 «««« Sind das nicht lebendige Beweise einer besondcrn Sorge der gött- d lichen Vorsehung nm die Menschen? Oder wollen wir noch andere p Beweise haben? Ja wir können sie haben — in den Lehren, in den r Versicherungen Jesu finden wir sie. Jesus, die unendliche Wahr- l beit selbst, zeigt uns auf die faßlichste Art, wie groß die Sorg- > falt der göttlichen Vorsehung um die Menschen scy. Sehet, sagt er, die Vögel des Himmels, sie säen nicht, sie ärnten nickt und sammeln nicht in die Scheuern, und der himmlische Vater ernährt sie doch. — Betrachtet die Lilien des Feldes, wie sic wachsen; sie arbeiten doch nicht, sie nähen und spinnen nicht, und doch sage ich euch, daß auch Salomo in aller seiner Pracht nicht gekleidet war, wie eine aus ihnen. Wenn nun aber Gott das Gras, das heute auf dem Felde steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet, um wie viel mehr sorget er für euch? Ihr seyd doch vorzüglicher als die Vögel oder als das Gras am Felde. — Ich versichere euch, sagt Jesus ferner, sogar alle Haare eures Haup¬ tes sind gezählt, und es fällt keines von denselben auf die Erde, ohne den Willen eures himmlischen Vaters. — Seyd doch nicht bekümmert und fraget nicht: was werden wir essen, oder was wer¬ den wir trinken, womit werden wir uns bekleiden, denn euer Va¬ ter weiß es, daß ihr alles dessen bedürfet; Ihr Kleingläubigen! Ja, meine Lieben, der himmlische Vater kennet alle unsere Be¬ dürfnisse, Jesus sein eingcbvrner Sohn versichert es uns. Von Ewigkeit her sieht Gott alles voraus, was zu unscrm wahren Be¬ sten ist; alle Ursachen und Wirkungen, die der kurzsichtige Mensch oft für ein Ohngcfähr anzuschrn bereit ist, sind in den ewige» Rathschlüssen Gottes berechnet, beschlossen und zngelassen. Mit derselben väterlichen Güte nimmt sich Gott jeden Augenblick der Menschen an, mit der sich Jesus des lehrbcgierigen Volkes annahm; dasselbe Wunder der Vermehrung der Brode, was Jesus im An¬ gesichte so vieler Menschen wirkte, erneuert sich noch immer vor unser» Augen, nur daß wir darauf nicht aufmerksam sind, weil * es oft und nach einer festen Ordnung geschieht. Aber ist es darum weniger wunderbar, daß einige Körner Samen, die der Landmann in die Erde streut, eine ganze reichliche Arntc geben? ist es weniger wunderbar, daß ein unbedeutender Obstkern in die Erde gesenkt, in einen grossen schönen Baum aufgeht und hundert¬ fältige Früchte bringet? O verkennen wir doch die Allmacht der Vorsehung nicht, meine Lieben, in dem, was uns zunächst umgibt; » » » » 149 « « « « s ll- denn vergebens würde der Mensch ackern, säen, pflanzen und « pflegen, wenn Gott nicht Wachsthum erthcilte, wenn er der Erde en nicht befruchtenden Regen und milde Svniicnwärme schicken würde, r- Der himmlische Vater ist cs, der seine milde Hand öffnet, und I" Alles, was da Leben hat, mit seinem Segen erfüllet; mit wie fl vielen Wohlthaten überschüttete er uns von dem ersten Augenblicke d unseres Lebens bis auf den gegenwärtigen! Aus wie manchen und t vielen Gefahren, in denen unser leibliches und geistiges Wohl ! schwebte, rettete er uns auf eine oft wunderbare Weise! Wie oft ' wußten wir uns nicht zu rathen, nicht zu helfen, alle Hoffnung war verschwunden, jede Hilfe schien unmöglich, aber Gottes Vater¬ auge wachte über uns und führte uns auf unerforschlichen Wegen zu unserm Glücke. Darum scy dir auch der heißeste Dank gebracht, gütigster Vater, jeden Augenblick unseres Lebens; mitschuldiger Ehrfurcht beten wir deine unerforschlichm Rathschlüffe an, denn sie sind die Weisheit und Heiligkeit selbst, m tiefster Dcmuth unter¬ werfen wir uns deinen väterlichen Führungen, denn wir sind so schwache Geschöpfe, daß wir uns ohne deiner Hilfe nicht einen Au¬ genblick unser Leben erhalten können; aber zugleich wollen wir von nun an und immerdar all unser Vertrauen auf dich setzen, und mit dem königlichen Sänger David in jeder mißlichen Lage uusers Lebens sagen: Wandeln wir auch im Schatten des Todes, wie fürchten uns nicht, denn du bist mit uns. Amen. Am fünften Sonntage in der Fasten. »Wer qus euch wird mich einer LÜudc überweisen können ?^ Joh. L, .^6. E i n g a n g. ^bo ist wohl ein Sterblicher, der sich erkühnen würde, seine nachsichtigsten Freunde aufzufoedei n, ihn, wenn sie könnten, einer Sünde zu überweisen, ohne daß ihm sein inneres Bcwußtseyu die frechen Worte auf der Zunge ersterben machte? — Nur Einer konnte mit vollem Rechte eine solche Auffodcrung machen, weil auch » » » » 150 « « « nur Einer ohne Sünde auf Erden wandelte — Jesus der Gott- Mensch! —Und an welche Menschen richtet denn Jesus diese grosse Auffodcrung— vielleicht auch an seine innigen Freunde? Ach nein, an seine erklärtesten Feinde. Ein merkwürdiger Umstand! Men¬ schen, die mit bittcrm Grolle im Herzen alle Schritte Jesu sorg¬ fältig beobachteten, um nur den Schein eines Truges in seinem Charakter zu entdecken; Menschen, die Alles, was er lehrte und wirkte, auf die niederträchtigste Weise zu verdrehen und gehässig zu machen suchten; Menschen, die oft all'ihren Witz und Scharf¬ sinn zu Hilfe nahmen, um ihn durch verfängliche Fragen zu ver¬ stricken; Menschen, die ihre mörderischen Anschläge wider ihn bald unter der Larve der innigsten Freundschaft verbargen, bald sich tief vor Seiner demüthigten, bald ihn mit der verzogenen Miene eines Heuchlers lobten, um ihm nur die geringste Schwachheit abzulaucru, die sie zu seinem Verderben hätten benützen können — solche Menschen, oder besser gesagt, einen solchen Abschaum von Menschheit fodert Jesus öffentlich auf, ihn einer Sünde zu über¬ weisen. Wer würde wohl zweifeln, daß sie diese günstige Gele¬ genheit, die ihnen der so sehr verhaßte Jesus selbst anbicthct, mit beiden Händen ergreifen werden, ihre im Herzen kochende Rache gegen ihn auszuschüttcn, und ihn öffentlich als einen Bö¬ sewicht zu brandmarken? Doch wunderbar! sie schweigen als ob sie mit der Stummheit geschlagen wären. Ach, was hätten sie auch gegen den allcinheiligen Jesus aussagcn können, der uns in Allem gleich geworden ist, die Sünde ausgenommen. — Wie sehr wäre doch zu wünschen, daß auch Jeder aus uns mit solcher Zu¬ versicht seine Feinde auffodern könnte, ihn einer Sünde zu über¬ weisen! Aber wenn wir auch die ganze Welt bestechen und zum Schweigen bringen könnten, in uns selbst, in unserm Innern hören wir doch immer eine Stimme,, die sich nicht bestechen läßt und uns laut genug überführt, daß wir Sünder sind. — Diese Stimme, die wir die Stimme des Gewissens nennen, wollen wir heute besser kennen lernen und zuerst sehen, wie sie sich äußere im Leben eines sorglosen Sünders, und dann, wie sie sich äußere am Ende seines Lebens — eine Betrachtung, die der leichtsinnige Sünder immer fürchtet, der Tugendhafte aber immer gerne er¬ neuert. Ich hoffe, Sie werden einem Gegenstände, der, obschon unangenehm, aber doch allgemein nützlich ist, Ihre Aufmerksam¬ keit schenken. » » » » 151 « «« Erster Theil. Daß m unscrm Innern ein Richter wohnt, der unsere Ge¬ sinnungen und Handlungen billiget oder mißbilliget, je nachdem sie mit dem Gesetze Gottes iibercinstimmen oder nicht, daß er uns mit seinem Bestalle lohnt oder mir bittern Vorwürfen strafet, je nachdem wir gut oder böse gehandelt haben >— das lehrt Je¬ dem sein eigenes Bewußtseyn und die Offenbarung. Bei diesem inncrn Richter gilt so wenig ein Ansehen der Person wie vor Gott, denn er ist uns von Gott selbst in das Herz gepflanzt, er vertritt Gottes Stelle in uns, wir nennen ihn das Gewissen. — Es ist für den, der es gerne höret, ein redender Schutzgeist, er leitet uns sicher auf der Bahn der Tugend, auf der Bahn des geistigen Lebens, verkündet uns den Willen Gottes, seine Stim¬ me ist die Stimme des göttlichen Geistes und sie ist leicht zu erkennen diese Stimme. Versetzen wir uns auf einige Augenblicke in die goldenen Jahre der Kindheit zurück, rufen wir uns jene unfchuldvolle Zeit unseres Lebens in das Gedachtniß, jene nim¬ mer wiederkehreude Zeit, in der wir noch die verführerische Sprache der Welt, die Stimme des Bosen nicht kannten, wo wir nur im Genüsse unschuldiger Freuden glücklich und zufrieden lebten, wo wir noch mit einem reinen Herzen und heitcrm Auge zum Him¬ mel cmpordlicken und Gott recht kindlich unfern Vater neunen konnten — o, nicht wahr, meine Lieben! da war der erste Schritt zur Sünde wohl ein recht schwerer Schritt! Als wir das erstemal etwas zu denken, zu begehren oder zu thun im Begriffe waren, was dem Willen Gottes ausdrücklich entgegen ist, so wurde uns so sonderbar zu Muthe, so bange ums Herz, wir fiengen an uns vor uns selbst zu schämen, wir wünschten, daß uns Niemand sähe, Niemand unsere Gedanken crrathc, und wahrend uns das Herz unruhig pochte, während uns ein fieber- ähnlicher Frost überlief, schien uns aus unscrm Innersten herauf eine Stimme zuzurufen: was du vor hast, Unglücklicher, ist dose, ist lasterhaft — thue cs nicht. Das war die Stimme des Ge¬ wissens, das waren seine freundschaftlichen Anmahnungen, seine wohlthätigcn Warnungen. Folgten wir dieser Stimme, gingen wir den gefährlichen Schritt zurück — da war uns so wohl, wir athmeten so leicht und traten wieder mit offenem Heilern Gesichte Jedermann, am liebsten unfern Aeltern und Freunden vor die >»»» 152 ««««, Augen, und jene Seelenruhe, jene Selbstzufriedenheit, jenen stil¬ len Beifall des Gewissens hätten wir in derselben Stunde um alle Freuden der Welt nicht vertauscht. Wohl dem, der sich jener Zartheit des Gewissens, mit wel¬ cher es in seiner Kindheit zu ihm sprach, durch das ganze Leben hindurch freuen darf! Aber je öfter man wider die Warnungen des Gewissens denkt und handelt, desto stumpfer wird es, leise und immer leiser wird seine Stimme, man hört sie nach und nach nur in der Ferne gleich einem dumpfverhalleuden Echo, mir noch bei recht grobsinnlichen Lasterthaten — zu letzt schweigt cs ganz, wie ein tiefgekrankter Freund, dessen wohlmeinenden Rath man trotzig ausgeschlagen hat. Wehe dem Menschen jetzt! er hat seinen Schutzgcist von sich gestossen, seinen besten Lebcnsfüh- rer verloren, nun stürzt er sich von einem Laster in das andere, rennt nach der breiten Strasse fort, auf der wohl Viele, aber nur Verdorbene oder Verführte wandeln, und steht am Rande des Vcrderbnisses ehe er es vermuthet. — Das ist das gewöhn¬ liche Schicksal sorgloser Sünder; wacht auch von Zeit zu Zeit das verletzte Gewissen auf, so ist ihnen sein Zuruf lästig und verhaßt, sie suchen ihn zu übertäuben, stürzen sich in das Ge¬ wühl von Menschen ihres Gleichen, sprechen sich gegenseitig Muth zu, dadurch, daß sie Einer den Andern an Schandthatcn zu Übertreffen suchen, und überreden sich dabei: das Gewissen wäre nur ein Mährchen, womit man Kinder und Unwissende zu schrc» ckcn pflegt. Seliger Trostgrund! wenn er nur nicht so leicht, so hohl und luftig wäre wie eine schöne Seifenblase, die gerade damals, in der Luft zerstäubt, wenn sich das Auge an den schö¬ nen Farben zu ergötzen wünscht, die sie spielen sollte. Schade, daß dieser Lrostgrund nur ein Gemeingut der Bösewichter, nie aber der Rechtschaffenen ist. Wie viele leichtsinnige Sünder woll¬ ten schon über ihr Gewissen triumphiren, und wußten cs nicht, daß sie über ihren eigenen Untergang triumphirten; sie verfälsch¬ ten die innere göttliche Sprache, schufen sie um nach den Gesin¬ nungen des Fleisches, erschütterten die Grundfeste der Lugend, in¬ dem sie den einheimischen Lehrer, das Orakel der Wahrheit zu einem falschen Propheten machten, der das Böse gut, das Gute böse nennen mußte — so löschten sie das Licht, das in ihnen wohnte, aus, tappten in dichter Finsterniß herum und fanden in derfclhen ihren Untergang. — Freilich wohl, wenn etwas im » »))» 155 « sic « Stande wäre den Glauben an Tugend zu erschüttern, so wären cs am ersten Menschen, die bei einer erklärten Verworfenheit die Folgen eines verletzten Gewissens nicht zu kennen scheinen; allein daß dieses nicht geschieht, liegt eben darin, weil Bösewichter nur zufrieden und ruhig zu seyn scheinen, — gesetzt auch, sie hätten das warnende Gewissen auf Jahre und Jahre zum Schweigen ge¬ bracht — sie kommt doch einmal jene schreckliche Zeit für den sorglosen Sünder, in der das verletzte Gewissen aufwachen wird, denn es ist ein Wurm, sagt der Prophet Jsaias, der niemals ausstirbt; er legt sich mit dem Sünder nieder, und wacht mit ihm auf, stört ihn mitten im Genüsse seines sündhaften Vergnü¬ gens, führt ihm in der Einsamkeit alle seine Verbrechen unter fürchterlichen Gestalten vor, macht ihn überall unstätt und unru¬ hig, wie den Brudermörder Kain, denn überall glaubt er sich vcrrathen, seine geheimen Verbrechen aufgedcckt, seinen Untergang beschlossen. — David, dieser von Gott gesegnete, von seinen Un- terthanen geliebte und von allen benachbarten Völkern geschätzte und gefürchtete König, war nur einmal das Opfer seiner Schwach¬ heit geworden, aber welche marternde Unruhe trug er um in sei¬ nem Herzen! Ich bin recht elend und tief gebeugt, so klagt er selbst, den ganzen Tag über gehe ich traurig umher, es ist kein Friede in meinen Gliedern, denn mein Verbrechen .steht immer vor mir. — Nicht besser ergeht es noch heut zu Tage dem sorg¬ losen Sünder; wenn er auch Heiterkeit und Ruhe heuchelt, wenn er auch die Stimme des Gewissens mit aller Kraft zu ersticken sicht, er muß doch wider seinen Willen bei sich selbst sagen: Es ist kein Friede in meinen Gliedern, denn meine Verbrechen stehen immer vor mir. So äußert sich also das Gewissen im Leben des Sünders, so warnet, ermahnet und strafet es ihn mit Kit¬ tern Vorwürfen, um ihn zur Besinnung zu bringen und vom Untergänge zu retten. Aber wir wollen auch die Äußerungen des Gewissens am Ende des Lebens leichtsinniger Sünder hören, und davon im ' zweiten Theile. Der Sünder, meine Lieben, mag er auch noch so verblen¬ det und im Schlamme der Bosheit versunken seyn, kann doch den Gedanken an Lod und Ewigkeit zu seiner völligen Beruhigung » »)-» 154 « « « « nie ganz wegschcuchen. Daß ihm der Tod gewiß sei), lehrt ihn schon die tägliche Erfahrung. Der Seclcnzustand aber, in tm sich der sorglose Sünder befindet, kann ihm nur eine fürchterli¬ che Ewigkeit versprechen, — denn sein Verderben ist hieniedcn schon angefangen, und kann jeden Augenblick seines Lebens erfol¬ gen, — nur der Lod darf eintrctcn, und er ist auf ewig un¬ glücklich. Der sorglose Sünder ist also eben so nahe seinem Un¬ tergänge, als er dem Tode nahe ist, dieser aber kann ihn über¬ eilen, wenn er cs am wenigsten vermuthet. Der reiche Mann, von dem die h. Schrift spricht, dachte wohl auch nicht an den Lod, da er die alten Getraidekammern Niederreißen, und neue, grössere und weitere bauen ließ, um feinen Reichthum zu untcr- bringen, er dachte schwerlich an den Lod, als er sich zum üppi¬ gen Gastmahle fetzte, und zu sich selbst sprach: nun meine Serie jetzt iß und trinke, und sey fröhlich, — aber in derselben Nacht vernahm er noch die Schreckensstimme: Du Thor, diese Nacht noch wird man deine Seele von dir fordern, und was du ge¬ sammelt hast, wessen wird es seyn? — Freilich wohl, beruhiget sich mancher sorglose Sünder, wenn ihn sein Gewissen ängstiget, mit dem nichtigen Tröste: Ich bin ja noch in der Blüthc der Zahre, genieße eine feste Gesundheit, kann noch ein ziemliches Alter erreichen, und bis dahin wird es mir immer noch möglich seyn umzukchren, und Früchte der Busse zu bringen. — Unglück¬ licher Verblendeter! weißt du den nicht, daß Gott Herr über Le¬ ben und Lod ist? daß er deine Lage abkürzcn, deine Rechnung vor der Zeit schließen kann? Ist denn ein gäher Tod etwas so gar Ungewöhnliches? Getrauest du dir wohl, wenn du des Mor¬ gens aufwachest mit Gewißheit zu sagen: ich werde die Sonne noch untcrgehen sehen? oder wenn du Abends die Augen schließest, getraust du dir wohl mit Gewißheit zu behaupten, ich werde die Morgcnröthe wieder am Himmel erblicken? Wie viele Lausende legten sich Abends gesund und stark zur Ruhe, und erwachten hienieden nicht mehr, wohl aber in der Ewigkeit. — Es liegt zwar in dem Leichtsinne des weichlichen Sünders, daß er mit der möglichsten Vorsicht alle Gedanken ferne hält, die seine Seele er¬ schüttern, und ihn aus dem Laumcl des Erdcngcnusscs wecken könnten, er drückt ihn ganz weg den warnenden Todesgcdauken, — aber desto schlimmer für ihn. Durch seine Gedankenlosigkeit wird doch das Todesurtheil nicht verändert, das über das ganze »>- >-» 155 « « « « Menschengeschlecht verhängt ist. Du bist Staub und mußt wie¬ der zu Staube werden. Mitten im Freudeugcnussc schlägt für den Sünder oft die letzte Lcbensstunde; eben da sein trunkenes Herz sich an niedren Lüsten erfreut, da erschallt wie dem reichen Manne, in seinen Obren die fürchterliche Stimme: Du Lhor, diese Nacht noch wird man deine Seele von dir fordern. Nun reißt der annähernde Lod die Binde von seinen Augen hinweg, er sieht jetzt ganz anders als er jemahls in seinen Leben gesehen hatte. Mas für ihn ehmahls Vergnügen und Freude war, das verwandelt sich in eine unversiegbare Ouclle der bittersten Schmer¬ zen. — Denn jetzt erwacht das durch so viele Jahre hindurch schein¬ bar unterdrückte Gewissen wieder, und zwar mit desto grösserer Wuth, je länger es unterdrückt wurde. Schreckliches Erwachen des bösen Gewissens am Lodtcnbette! Denn hier erwacht es nicht mehr um als wohlmeinender treuer Freund zu warnen, nicht mehr um als redender Schutzgcist den Sünder vom Verderben zu ret¬ ten, sondern es erwacht als sein unerbittlich strenger Richter, um das Verdammungsurtheil über ihn zu fällen, und ihn mit Schlan¬ genbissen der Verzweiflung zu überliefern! so schrecklich das ist, so wahr ist es auch, — tausendjährige Erfahrungen meine Lieben, und das untrügliche Wort Gottes bestätigen cs. — Der Ungerechte freute sich einst fremdes Eigenthum mit of¬ fener Gewalt, oder durch heimliche Ränke an sich zu ziehen, selbst das Vermögen der Witwen und Waisen war ihm nicht heilig ge¬ nug. Mit ruhiger Freude verzehrte er den Schweiß seiner Brü¬ der und schwamm im Nebenflüsse, während die beraubte Ehrlich¬ keit in Lhränen zerfloß. Aber jetzt da ihn der Arm des Todes ergreift, wacht auch das rächende Gewissen auf, und führt ihm die ungerechten Mittel und Wege, deren er sich im Leben zu seinen habsichtigen Absichten bediente, nach der Reihe vor; schwer lastet das ungerechte Gut auf seiner Seele, er sieht daran das Blut seiner Brüder kleben, das ihnen seine Ungerechtigkeit ausgcpreßt, er sieht die Lhräne der gedrückten Witwen, die sie weinten, und die der Lodcsengel in die Wagschale seines Urtheils gesammelt. —- Er sieht verlassene Waisen ihre schuldlosen Hände zum Himmel aufheben, und um Rache schreien. Welche Augst, welche tödtende Bangigkeit muß ihn da befallen, wenn sich alles vereinigt, um über ihn das Lodcsurtheil zu fällen! — So windet sich auch der bedauerungswürdige Wüstling, dec einst keine grösseren Helden- >-»>-» 156 « « « « thaten kannte, als einen Sieg über fremde Unschuld und Tugend, — trostlos unter den Foltern des rächenden Gewissens am Ster, bebette. Seine schamlosen Gespräche, mit denen er tödtendes Gift in unschuldige und unbefangene Herzen spritzte, seine gottlosen Thaten, wodurch er sich selbst und seine Mitmenschen unglücklich gemacht, erscheinen ihn nun als die größten Verbrechen, — die schrecklichen Bilder jener Personen, an deren geistigen und leibli¬ chen Ruin er der Erste Hand angelegt hatte, schweben ihm be¬ ständig vor der Seele, und erfüllen sie mit nahmenloser Angst. — Das ist gewöhnlich das Ende sorgloser Sünder, die im Leben über ihr Gewissen triumphiren zu können glaubten, — so ver¬ wandelt der Engel des Todes alle sündhaften Freuden in ein Meer von Bitterkeit. Am Sterbebette verläßt der Sünder Alles, was ihm sonst dienen mußte um die innere göttliche Warnungsstimme, die er ost hörte, zu übcrtäubcn, selbst die Welt die ihn als ihren treuen Anhänger in den Siindenschlaf wiegte, zieht sich höhnisch zurück, und läßt ihn mit seinem Gewissen allein. — Damit uns nicht ein ähnliches schreckliches Loos treffe, meine Lieben, so über¬ hören wir die Stimme unsers Gewissens nicmahls, lassen wir uns willig leiten von ihr auf unserer Lebensbahn, werden wir nicht irre im Glauben an die Lugend, wenn wir Lasterhafte in einer glän¬ zenden Außengestalt sehen, denn ein Scheinglück ist ihr Glück, und schrecklich ihr Ende. Für uns aber wird, wenn wir im Le¬ ben dem innern Lichte des Gewissens und des Glaubens gefolgt sind, der letzte Abend ein schöner heiterer Abend werden, mit ruhiger Seele, werden wir auf unser vergangenes Leben zurück- blicken, als Friedensengcl wird uns der Tod freundschaftlich die Hand reichen, uns der irdischen Hülle entbinden, und unfern Geist hinüber begleiten in sein eigentliches Vaterland. Amen. » » »>- 157 « « « « Am Palmsonntage. »Saget der Tochter Sion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmüthig.« Math. 21, 5. Eingang. Aer siegreiche Einzug Jesu zu Jerusalem ist wohl das schönste Bild eines noch scheuern Einzuges, den Jesus in unsere Herzen hält, wenn er sich in einem würdigen Genüsse des h. Abendmah¬ les auf das innigste mit uns vereiniget. — Wir sind nun gerade jetzt nahe an der Zeit, in der Jesus, der Sohn Gottes, diesen herrlichen Einzug in die Herzen aller seiner Gläubigen feiern will, und die Kirche ruft jetzt jeden aus uns mehr als sonst die Worte des Propheten zu: Siche, dein König kommt zu dir — sanft- niüthig! — voll göttlicher Milde nämlich, voll Gnade und Lie¬ be; seine unendliche Majestät, die kein sterbliches Auge zu ertra¬ gen im Stande ist, sanft verhüllend unter die Gestalt des Bro- dcs, unter der er sich allen seinen Jüngern und Freunden auf das bereitwilligste mittheilet. — Wie aber sind wohl die Gläubigen alle bereit, den Gottmcnfchen Jesus seinen Einzug in ihre Herzen feiern zu lassen? — gehen sie ihm wohl entgegen, dem Sohne Davids, wie das Volk im h. Evangelio, voll Jubel und Her¬ zensfreude? — Mit betrübten Herzen muß ich cs sagen, daß cs unter denen, die sich Jesu Jünger nennen, daß cs unter den Christen Viele gibt, die selbst um die Zeit des herannahendcn Osterfestes, so wenig als sonst daran denken, dem Heilande ihr Herz zum Einzuge vorzubereitcn, sich mit ihm im h. Abendmahlc inniger zu vereinigen. — Warum aber das? >— die Furcht des Herrn ist verschwunden, die Liebe Gottes ist in ihnen erkaltet, — darum verschieben sie die Vereinigung mit Gott auf halbe und ganze Jabre, darum cckclt ihnen vor dem Vrodc der Engel, da¬ rum erscheinen sie beim Tische des Herrn, auch dann, wenn sic erscheinen ohne gehörige Vorbereitung, mehr ».us Gewohnheit oder Zwang, als ans wahrem Verlangen nach der himmlischen Seclcn- speise. — Aber vielleicht haben derlei Christen doch gegründete Entschuldigungen, durch die sie ihre so seltene Vereinigung mit Jesus und ihre laue und flüchtige Vorbereitung zur Lheilnahme ))»»» 158 « « « « an dem Genüsse des h. Abendmahles rechtfertigen können? — Gut, wir wollen also beute diese Entschuldigungen wenigstens die gewöhnlichen, einer grössern Aufmerksamkeit würdigen, und wo möglich ihre Nichtigkeit darzuthun suchen, damit wir desto leichter und sicherer zur Quelle des Uebels hinaufsteigen, und sie verstop¬ fen. —- Was sind also die gewöhnlichen Entschuldigungen lauer Christen, womit sie sich von einer öftern Theilnahme an dem Ge¬ nüsse des h. Abendmahles ausnehmen, und welcher Natur sind diese Entschuldigungen? Diese Frage werde ich heute in etwas zu beantworten suchen, wobei ich auf Ihre willige Aufmerksamkeit ge¬ gründeten Anspruch mache. Abhandlung. Unzählige Beweise seiner Liebe gegen das Menschengeschlecht hatte Jesus während seines Wandels auf Erden bereits gegeben; endlich rückte die ernste Stunde heran, in der seine Leiden begin¬ nen sollten. Da versammelte er mit sichtbarer Rührung seine Jünger zum letzten Abschiedsmahle, und stiftete dabei ein unsterb¬ liches Denkmahl seiner Liebe, sowohl für seine damahligcn Schü¬ ler als auch für alle seine künftigen Jünger und Freunde. Denn, gleichwie ein sterbender Vater, bei dem traurigen Abfchiede von seinen geliebten und ihn wieder liebenden Kindern, ihnen zum bleibenden Andenken seiner Liebe, das Beste und Kvstbareste gibt, was er in seinem Vermögen besitzt; so gab auch Jesus bei seinem Abschiede feinen damahligcn und künftigen Schülern das Beste und Kvstbareste, was er im ganzen Umfange seiner Allmacht be¬ saß — sich selbst, seinen eigenen Leib unter den Gestalten des Brodes hin, als ein ewiges Denkmahl, seiner bis zum Lode aus¬ dauernden Liebe. — Er nahm das Brot, dankte, brach es und sagte: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der für euch wird hingegcben werden. — Dieses thut zu meinem Andenken. —' Zn diesem göttlichen Liebesmahle sind nun auch wir meine Lieben, und zwar Alle gerufen, und recht dringend gerufen; denn Niemand kann das heiße Verlangen ausdrücken, welches Jesus hat, sich bei diesem h. Mahle mit uns zu vereinigen. — „Ich habe, sprach er zu seinen Jüngern, vor der feierlichen Einsetzung des geheimnißvvllen Denkmahlcs seiner Liebe, — ich habe die äußerste Begierde gehabt, dieses Osterlamm mit euch zu essen!" » »>-» 1Ü9 « « « « — Und wahrlich was thut der Heiland nicht Alles um diese seine äußerste Begierde, mit welcher er sich uns noch immer mitthcilcn will, gleichsam zu befriedigen! — Bald ladet er uns hiezu auf das freundlichste ein: Kommet zu mir Alle, die ihr elend und beladen seyd, ich will euch erquicken. — Bald wünschet er cs auf dns sehnlichste: Meine Freunde, sagt er, es ist mein höchstes Vergnügen zu wohnen unter den Menschenkindern. — Bald ge- bicthet er es ausdrücklich, indem er sich einem Könige vergleicht, der ei» grosses Gastmahl anstellet, und zu seinen Dienern spricht: Gehet hinaus auf die Gassen und Strassen und zwinget Alle, die ihr antrcffct, hercinzukommcn, damit mein Haus voll werde, — ja Jesus droht uns sogar mit dem Lode, und zwar mit einem ewigen Lode, wenn wir nicht bei dem uns von ihm berei¬ teten Liebesgastmahle erscheinen. Es sei denn, spricht er, daß ihr mein Fleisch essen, und mein Blut trinken werdet, sonst werdet ihr das Leben nicht in euch haben; denn wer mein Fleisch ißt, und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich in ihm. Sehen Sie meine Lieben, das ist die sanfteinladende Stim¬ me, das ist zugleich der dringende Ruf Jesu, unseres von der Welt scheidenden Freundes und Vaters, wodurch er uns Alle zur Thcilnahme an dem feierlichen Denkmahle seiner ewigen Liebe rüst! — Aber, o ewige Liebe! — wie Wenige deiner Jünger folgen deiner einladenden Stimme, deinem dringenden Rufe! — Die meisten Christen unserer ausgeartetcn Zeiten hören ihren gött¬ lichen Meister nicht, wollen ihn nicht hören, — tausend Ent¬ schuldigungen haben sie in Bereitschaft, um sich von dem Lische ihres Herrn und Heilandes entfernt zu halten, — aber Ent¬ schuldigungen, die aus lauter trüben und vergifteten Duellen ent¬ springen. — Ich bin Vorgesetzter sagt der Eine, — meine Ge¬ schäfte sind von solcher Wichtigkeit, daß sie mir zu wenig Stun¬ den zu einer ernstem Selbstprüfung, und zur Lheilnahme an dem Tücke des Herrn übrig lassen. — Ich habe mich den Wissenschaf¬ ten gewidmet, sagt ein Zweiter, meine Berufspflichten sind nicht minder wichtig, ihre treue Erfüllung fodert Zeit, und läßt sich nicht aufschieben, wann man wollte, darum kann ich an eine öftere Vereinigung mit dem Sohne Gottes im h. Abendmahle nicht den¬ ken. — Ich bin Handelsmann, sagt ein Dritter, und muß den Augenblick, in welchem sich mir das Glück günstiger zeigt, gut Zu benützen wissen, ich muß mich bewerben soviel ich kann, um » » »)> 160 «««« mein Vermögen in Ordnung, und meinen Kredit aufrecht zu er¬ halten, — und da ist man denn nicht so leicht und so bald ver¬ sammelt und geeignet, über seinen Seelcnzustand nachzudenken, und sich dem Tische des Herrn zu nähern. — Ich bin HandwerkÄ mann, sagt ein Vierter, wist ich mich mit meiner Familie ehrlich durchbringen, so muß ich mirs sauer werden lassen von früh Mor¬ gens, bis in den späten Abend, und da finde ich denn nicht so leicht die gehörige Zeit, um für eine öftere Nahrung der Seele zu sorgen. — Ich bin Hausfrau, sagt eine, um das Zeitliche allzubesorgte Martha, — ich kann nicht so müssig wie eine klö¬ sterliche Magdalena zu den Füssen des Heilandes sitzen. — Zch bin Dienstboth, sagt wieder eine Andere oder ein Anderer, bin fortwährend mit Arbeit belastet, kann meiner Herrschaft oft bei allem Fleiße nicht Genüge thun, und bin folglich nicht im Stande mich der Andacht zu widmen, meine Seele öfters durch den Ge¬ nuß des h. Abendmahles zu stärken. — Solche und ähnliche Ent¬ schuldigungen wissen viele Christen vorzubringcn, wenn sie aus was immer für eine Art erinnert werden, ihr Gewissen zu reini¬ gen, und sich dem Tische des Herrn zu nähern. — Aber, man erlaube mir eine Frage. — Sind denn diese Alle, die so reden nicht auch Reisende, die nach dem ewigen Va- tcrlande wandern, oder sind sie nur Bürger dieser Welt, und nicht auch einer zukünftigen? — Zwar, sie geben uns durch ihr ganzes Betragen zu verstehen, daß sie nur Bürger dieser Welt seyn, und als solche gelten wollen; denn bei allen, auch den dringendsten Geschäften, finden sie oft noch immer Zeit genug müssige Besuche zu geben und anzunehmen, Zeit raubende Spiele zu unterhalten, schwelgerische Gastmähler anzuordnen, stunden¬ langen Lustbarkeiten, beizuwohnen, Verstand verrückende, und Herz verderbende Bücher und Schriften zu lesen; und — doch wozu allen und jeden Zeitverlust aufzählen, — sie finden mit einem Worte immer Zeit genug zu sündigen, ihre arme Seele zu ent¬ ehren, zu schwächen und zu verderben; nur der kranken und ver¬ wundeten Seele göttliche Arznei zu suchen und zu reichen, sie zu heilen und zu stärken, — dazu hat man Wochen, Monate und Jahre lang nicht eine Stunde übrig. Die Welt darf, wie ich neulich schon gesagt habe, nur einen leisen Wink geben, so fin¬ det man sich ohne Verzug bei ihren Lhorheiten ein; alle Ge¬ schäfte müssen entweder beschleuniget, oder abgebrochen, und bei >-» » » 161 « « « « Scite gesetzt werden. Jesus aber, der zur Rettung der sündigen Welt am Kreuze sein Leben geopfert hat, der überdieß aus Liebe zu den sündhaften Geschöpfen, im h. Abcndmahle sich selbst zur Speise hingibt, er wird keiner Aufmerksamkeit gewürdigct, — seine freundliche Einladung findet kein Gehör, seine heiße Liebe, mit der er alle zu seinxr göttlichen Tafel zwingt, findet kaum eine viertelstündige Gegenliebe! — Es wird aber bei. alle dem doch häufig kommunicirt- wird man cinwenden? — Ja man geht häufig zum Tische des Herrn, aber wer geht häufig? höchstens das weibliche Geschlecht! — wie viel ficht man aber von dem männlichen Geschlechte hinzutreten? — äußerst selten erblickt man während des Jahres ein oder das andere Mannsbild beim h. Abendmahle. — Wunderbar! Unser Geschlecht war es ja doch, das Jesus in seiner Person geheiligt unser Geschlecht war cs, dem er sein Fleisch und Blut zuerst ausge- spendel, unser Geschlecht ist es, dem er beim letzten Abendmahle die Macht gegeben hat Brot und Wein in sein wahres Fleisch und Blut zu verwandeln und den Gläubigen auszuspenden; — und die vorzüglichsten Eiferer eines öftern Empfanges dieses allerhci- ligsten Sakramentes, waren in den ersten christlichen Jahrhunder¬ ten die Manner; jetzt aber überlasten die Männer diesen Eifer dem Frauengefchlechtc, und während sic sonst mit ihnen fast in jeder Hinsicht um den Vorzug streiten, überlassen sie ihnen den Vorzug, öfters zum Tifche des Herrn zu treten — ohne al¬ ler Beschämung! -— Aber die Kirche selbst, wenden wieder Andere ein, die Kirche selbst befiehlt ja nur einmal des Jahrs an den Sakramenten der Busse und des Altars Theil zu nehmen! — Ja, einmal befiehlt sie's- aber hundertmal wünscht sie es; denn sie befiehlt es einmal, nicht in dem Sinne, als ob sie einen ein¬ maligen Genuß der erhabensten Scelcnspeise für genügend und vollkommen entsprechend fände- sondern sie befiehlt es einmal nur- weil sie es manchen verderbten und lauen Christen zu ihrem grö߬ ten Herzensleide ausdrücklich befehlen muß. Ei was, sagen manche überweise Wcltleute, oft beichten- heißt oft lügen, weil man immer verspricht und doch nicht hält, was man versprochen, — ist es denn nicht genug, wenn man ein¬ mal, höchstens zweimal des Jahres seine Andacht verrichtet, (man schämt sich schon das Sakrament der Busse und des Altars beim eigentlichen Namen zu nennen) also ist es nicht genug, sagt man/ » »>-» 162 « «,<« ein - oder höchstens zweimal des Jahrs seine Andacht zu verrichten, und haben nicht jene, die öfters ihre Andacht verrichten, auch ihre Fehler? —- mithin, oft beichten — oft lügen. Darauf, meine Lieben, habe ich nur so viel zu antworten, daß jene noch öfter lügen, die selten oder gar nicht beichten und kommuniciren, weil sie durch ihre Werke noch öfter läugnen, was sie durch Worte sagen, daß sie nämlich deswegen, weil sie seltener beichten und kommuniciren, auch weniger sündigen. — Aber ich muß schon deutsch reden und die Sache durch ein einzelnes Gleichnis begreif¬ licher machen. — Wenn man ein Zimmer z. B. täglich auskehrt, was gewiß nichts Ungewöhnliches ist — was setzt man damit voraus? Ich glaube, man setzt voraus daß sich täglich etwas Staub im Zimmer ansetzt? — Wenn man nun ein Zimmer cin- höchstens zweimal des Jahres auskehrt, so wird es ganz natür¬ lich nicht mehr Staub nur, sondern einen Haufen Koth im Zim¬ mer geben, und diesen wird man dann nicht mehr auskchren kön¬ nen , sondern man wird ihn ausschaufeln müssen. — Wohlan also, haben jene, die ihren Seclenzustand öfters untersuchen, rei¬ nigen und sich durch den Genuß des h. Abendmahles zum Kam¬ pfe wider die Sünde stärken, haben auch diese ihre Fehler, sind selbst diese vor dem Falle, und zwar vor einem schweren Falle in die Sünde nicht gesichert, ja wenn sie sogar wirklich oft in schwere Sünden fallen — wie finster und verwirrt muß es nicht erst im Gewissen solcher Leute ausfehen, die dasselbe selten, kaum einmal des Jahres, oder noch einmal nicht, beleuchten und reini¬ gen! — wieviel Unkraut wird es da nicht auszujäten, wieviel Versäumtes nachzuholen, wieviel Unvollkommenes zu verbessern geben, wie schwach und erkaltet, ja wie todc muß nicht ihre Seele se»n, der es so lange an wahrer und stärkender Nahrung gebricht? ich finde es darum auch hier eben so natürlich, daß man da nicht mehr wird auskehren können, sondern man wird aus¬ schaufeln müssen, und dann wird man erst noch lange zu kehren haben. Indessen machen sich derlei Leute das Ausschaufeln des Scc- senunrathes hübsch bequem. Wenn sie ein ganzes Jahr nie einen ernstlichen Gedanken auf Gott gerichtet, nie einen forschenden Blick in ihre Seele und in ihr Gewissen geworfen, sich nie die min¬ deste Gewalt, die Sünde zu bekämpfen und abzulegen, angethan haben — so schnattern sie dann am Ende des Jahres unter den » » »r> 16l) « « « « fcmsten Verzierungen dem Beichtvater etwas von menschlichen Schwachheiten in die Ohren, klopfen ein paar Mal frostig an die eiskalte Brust, macken ganz verschämt ein flüchtiges Kreuz, imd jetzt — Wunder über Wunder! jetzt haben sie ihr Gewissen so weiß gcwascken, daß der Schnee nicht weißer seyn kann — in einer halben Viertelstunde war der ganze einjährige Sundcn- mist, rein ausgeschaufelt, und nun kann man auch, so neugebo¬ ren, wie man ist, zum Tische des Herrn treten, um sich mit dem Heiligsten und Reinsten zu vereinigen, oder vielmehr um den Hei¬ ligsten und Reinsten zu verunehrcn und zu schänden. O meine Lieben! glauben Sie mir doch, daß es ein bcwci- mmgswiirdiger, schrecklicher Jrrthmn ist, wenn manche Christen glauben: eine öftere Reinigung des Gewissens im Sakramente der h. Busse, eine öftere Stärkung durch das Sakrament des heil. Abendmahles — sey nicht gerade nothwendig oder wohl gar gleichgültig! — und wenn sie diesem Zrrthume dadurch Gewicht zu verschaffen suchen, daß sic sagen: Zene, die ost beichten und kommuniciren, haben auch immer ihre Fehler. — Wahr ist cs, daß auch diese ihre Fehler haben, und daß ihre Fehler gerade an ihnen leichter bemerkbar sind und gewöhnlich grösser erscheinen, als sie oft wirklich sind, eben darum, weil man auf sie auch ein wachsameres Auge hat als auf offenbar lasterhafte Menschen; denn so wie man in einem reinen Wasser jede, auch die kleinste Un¬ reinigkeit sogleich bemerkt, wo man hingegen in einem schon trübe gemachten Wasser selbst den größten Unrath nicht wahrnimmt: so ist es auch bei reinen und minder reinen, bei bessern und bei lasterhaftem Menschen. Wahr ist es ferner auch, daß das oft¬ malige Beichten und Kommuniciren, ohne ernstliche Besserung, wenigstens ohne ernstliches Verlangen, doch endlich einmahl Gott zu dienen anzufangcn — die Seele vom Untergange nicht nur nicht rette, sondern ihren Untergang wegen vielen gottesräube¬ rischen Kommunionen sogar befördere; — aber, ist es denn um Gottes Willen! bei alle dem, nicht doch ungleich wahrscheinlicher und sicherer, daß ein Mensch, der sein Innerstes öfters durch¬ forscht, sich seine Fehler und Mängel lebhafter vergegenwärtiget, sich seiner Schwäche im Guten deutlicher bewußt wird, sich dec Gefahren der Sünde öfters erinnert und überdieß häufigere Er¬ wähnungen, Lehren und Aufmunterungen zum Guten und die Mittel hiezu erhält — ist cs, frage ich, nicht ungleich wahr- 11 » » >1» 1 s»4 « « « L scheinlicher, daß ein solcher Mensch sich leichter vor dem Sünden- falle, wenigstens vor einem schweren Sündensalle hüthen werde, als ein Anderer, der in einem jahrelangen Gewissensschlummer dahinlebt, sich um die Freundschaft Gottes weniger kümmert, sel¬ ten vor Len Gefahren des Lasters gewarnt, selten zum Kampfe aufgcmuntcrt und gestärkt wird. Oder man sage mir, ob nicht gerade Jene, die sich selten oder nie das Sakrament der Buffe und des Altars zu Nutzen machen (ich red? aber von katholischen Christen) ob nicht gerade diese gewöhnlich die ungläubigsten und lasterhaftesten seycn? Und findet sich auch dann und wann das Gegenthcil, so sind es doch nur Ausnahmen, und zwar seltene Ausnahmen; aber in der gewöhnlichen Regel sind die Meisten dann erst ungläubig oder lasterhaft" geworden, nachdem sie sich von der lebendigen Ouelle der Gnaden, von dem Gebrauche des Sakramentes der Busse und des h. Abendmahles ganz entfernt haben. Sehen Sie, meine Lieben! so sind die Entschuldigungen, wodurch sich die Wcltmenschen von dem öftern Empfange des h. Abendmahles ausnchmen, wahrhaft nur leere Ausflüchte, durch die sie, der ohnehin erkalteten Liebe Gottes, die letzten Lebens¬ geister ausblafen. Es gibt zwar noch andere Entschuldigungen außer diesen, jene nämlich, die man hinter den Schein der De- muth versteckt. — Doch von diesen will ich zu einer gelegenem Zeit zu Ihnen sprechen. — Ich sage jetzt nur soviel noch: wer den ernstlichen Willen hat die Sünde zu fliehen, sich in der Freundschaft und Liebe Gottes zu befestigen, und mit Jesus stets vereiniget zu bleiben, der wird weder selbst Entschuldigungen da¬ gegen suchen, noch sich durch die Ausflüchte verderbter oder lauer Christen irre machen lassen. Wer Jefum wahrhaft liebt, wird trachten sich öfters mit ihm auf eine würdige Weise zu vereinigen, wer sich aber ost und innig mit Jesus vereiniget, dessen Willen fließt nach und nach mit dem Willen Jesu gleichsam in Einen zu¬ lammen, er wird so zu sagen mit Jesus ein Herz und eine Seele, denn das ist eben die Wirkung wahrer Liebe. Der grosse Weltapostcl Paulus, der ganz von Liebe zu dem Heilande glühte, sprach: Ich lebe zwar, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir. Und wer bewirkte zwischen Christus und Paulus eine so innige Vereini¬ gung, und wer soll auch in uns eine ähnliche bewirken! — der lie¬ bevolle Jesus selbst, der da gesagt hat: Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. Amen. »»»» 165 «««« Am OstersonnLage. »Ar suchet Jesum von Nazareth den Gekreuzigten; er ist aufer- standcn und ist nicht hier, sehet den Ort, wo sie ihn hingc- legt haben.« Mark. »6, 6, E i n g a n g. Äie Braut Christ, — die Kirche trauert heute nicht mehr um ihren verblichenen Bräutigam, — sie sind verklungen die düstern Kla¬ gelieder Jeremia's, — freudige Siegesgesänge verscheuchten die heil. Stille, die das Grab des Entschlafenen umschwebte — in ihrem heiligen Schmucke prangen wieder die verwaisten Altäre des Tem¬ pels — Engel und Menschen frohlocken dem grossen Tage entgegen; (selbst die leblose Natur verherrlichet ihn, und scheint mitzusühlen die allgemeine Freude, die Aller Herzen erfüllet) denn der Hei¬ land stieg glorreich herauf aus des Grabes Nacht, er hat zerrißen die Bande des Todes der Starke Israels — lächelnd ruft er ihm zu: Wo ist o Tod dein Sieg? wo ist o Tod dein bitterer Sta¬ chel! — Wo ist wohl ein wahrhaft christliches Herz, das bei dem freudigen Andenken an den siegreichen Erlöser kalt und gefühllos bleiben könnte? Unsere gute Mutter, die Kirche, muntert uns heute selbst zur Freude auf, indem sie in ihren Lobgcsängcn die Worte des königlichen Propheten David's wiederhohlet: Das ist der Tag, den der Herr gemacht, lasset uns fröhlich seyn und froh¬ locken. Jeden Tag hat Gott gemacht, meine Lieben! den Ersten, wie den Letzten, aber dieser Tag wird vorzugsweise ein von Gott gemachter genannt, weil er gleichsam ein neuer, herrlicher Schö- Psungstag ist; denn der auferstandene Heiland ist nicht nur Sieger für sich, er ist auch Sieger für uns — er bezwang auch unfern Feind, den Tod, und erhob so unsere Hoffnungen zur vollen Ge¬ wißheit, wir werden auch einstens wie unser Heiland nach kurzem Schlummer im Grabe auferstehn zum neuen, ewigdauerndcn Leben. 3« zweifacher Hinsicht also ist uns dieser Tag vorzüglich ein grosser, freudenvoller Tag: Jesus ist hervorgcgangen aus dem Grabe als. Sieger über seine Feinde, und hat bewiesen, daß er Gott und seine Lehre göttlich sei), — und Jesus ist hervorgegangen aus dem »»»» 166 « « « « Grabe um unsere eigene Auferstehung zu bekräftigen, 'uebcr diese beiden wichtigen Wahrheiten wollen wir heute etwas Nachdenken, damit unsere Freude vollkommen werde. Erster Theil. Man sollte glauben, die Feinde Jesu wären nach dessen Tode vollkommen beruhiget und außer aller Sorge gesetzt worden; allein ein Umstand brachte sie in eine neue Verlegenheit. Sie erinner¬ ten sich nämlich, daß Jesus öfters gesagt, er werde am dritten Lage aus dem Grabe wieder auferstehen, und obschon sie diese Weissagung Jesu in ihrem eigentlichen Sinne nicht verstehen woll¬ ten , weil sie ihn nicht als Messias anerkannten, so erregte sie doch bei ihnen die Besorgnis; eines möglichen Betruges. — Seine Jünger könnten kommen, seinen Leichnam stehlen und sagen: er sey auferstanden. So dachten sie und^ berathschlagtcn unter sich, wie sie einem solchen Betrüge Vorbeugen könnten. Sie gehen mit größtmöglichster Vorsicht zu Werke: stellen eine starke Wache zum Grabe, wälzen einen grossen Stein vor die Oeffnung des¬ selben und drücken das öffentliche Siegel darauf, und so glauben sie die Sache recht klug angestellt zu haben — und man muß sagen, sie stellten selbe wirklich recht klug an. — Aber wie eitel und fruchtlos sind nicht die Pläne der Menschen, wenn sic gegen die ewigen Rathschlüsse des Allmächtigen angelegt sind! — Ein heftiger Stoß erschüttert plötzlich die Erde — ein Engel schwebt vom Himmel herab, wälzt den Stein von der Oeffnung der Grabhöhle hinweg und setzt sich darauf; in seiner Schreckensge¬ stalt sitzt er da — sein Anblick ist wie der Blitz, seine Kleider glänzen wie Schnee; die römische Wache flieht bei dieser Erschei¬ nung im betäubenden Schrecken vom Grabe und Jesus steht auf, wie er es vorhergesagt und zeigt sich den geliebten Personen, die nach ihm trauerten. Der Maria Magdalena wurde zuerst das unaussprechliche Glück zu Theil den erstandenen Heiland zu sehen. Sie war schon früh Morgens in Begleitung mit andern Frauen beim Grabe ge¬ wesen, um dem Herrn die letzte Ehre der Einbalsamirung zu er¬ weisen , aber sie fanden den grossen Stein schon weggewälzt und die Grabhöhlc ganz offen. Zn größter Bestürzung eilt Maria in die Stadt zu Petrus und Johannes und berichtet mit »»»» 167 « « « « ivchmüthigen Geberden, was sie gesehen: Man hat uns den Herrn weggenommen, sagt sie, wer will uns sagen, wo man ihn hmgclegt hat? Den beiden Jüngern scheint die Sache sehr wich¬ tig; sie eilen selbst mit ihr zum Grabe, und Johannes, der dem Petrus zuvorgekommen ist, findet es, so wie Maria berichtet, den Umstand ausgenommen, daß er auch die Tücher, in welche der Leichnam Jesu eingehüllt war, ordentlich zusammcngewickelt La liegen sieht, Der angekommene Petrus, dem Johannes mit Verwunderung die Tücher zeigt, will sich noch mehr überzeugen, geht ganz in die Gruft hinein und bemerkt, daß das Hauptuch an einem besonder» Orte zusammengelegt da liegt. — Es hat vollkommen das Ansehen, daß dem Leichname die Binden und Tücher Eins nach dem Andern, wie wenn man sich auskleidet, abgenommen worden waren; aber von wem und warum? --- Die Jünger können sich die Sache nicht erklären, und da sie in und außer der Gruft weiter nichts bemerken, das ihnen Licht hätte verschaffen können, so begeben sie sich in die Stadt zurück. Maria Magdalena aber blieb bei dem Grabe zurück. Ein¬ sam stand sie da vor der Grabhöhle und weinte, denn selbst der letzte Trost, ihrem Herrn die Ehre der Eiubalfamirung erweisen zu können, war ihr versagt. Jetzt erinnert sie sich an die bei Seite gelegenen Tücher, über welche sich die beiden Jünger so sehr wunderten; um auch diesen Umstand zu untersuchen, bückt sie sich gegen das Grad hin, und wird auf einmal zwei Jüng¬ linge in weißen Kleidern in der Gruft gewahr, da doch vorher Niemand zugegen schien. Doch das erschreckt sie nicht und zieht ihre Aufmerksamkeit von dem Hauptgegenstande nicht ab — sie hat nur einen Gedanken, nur einen Wunsch; daß ihr Jemand sagen möchte, wo der Leichnam ihres geliebten Lehrers hingckom- men. — Warum weinest du? fragen die Engel. Sie haben mir meinen Herrn aus dem Grabe genommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelcgt haben, und hiemit kehrt sie wieder das Ge¬ sicht weinend weg vonp Grabe. — Jetzt erblickt sie Jemanden im Garten, der so eben hereingckommen zu seyn schien, aber tief in ihren Schmerz versunken und ganz nur mit dem Gedanken an den grossen Verlust beschäftiget, vermuthet sie nichts Außerordent¬ liches in dem Manne, sieht ihn für Josephs Gärtner an und geht ihm entgegen. Warum weinest du? Wen suchest du? fragt sie der vermeinte Gartner. Herr, sagt sie, hast du ihn wegge- »»»» 168 «««« nominell, so sage mir doch, wo du ihn hingelegt hast, ich M ihn zur Grabstätte bringen! Sie wendet das Gesicht wieder wei¬ nend weg und erwartet zwischen Furcht und Hoffnung die Art¬ wort des Fremden — als Jesus sdenn er war es selbst, den ft für den Gärtner angesehen) mir der ihr bekannten liebreichen Stimme ihren Namen — Maria rief. — Sie kehrt sich um, sicht ihn an, erkennt ihn und ruft wie aus einem Traume er¬ wacht— mein Lehrer! Und in diesem seligen Augenblicke der Ent¬ zückung will sie vor ihm niederfallen und seine Knie umfassen, aber Jesus stimmt ihr Entzücken sanft wieder herab und bereiter sie schon vor auf die baldige Trennung: Rühre mich nicht an, sagt er, denn noch bin ich nicht aufgefahren zu meinem Vater, gehe aber zu meinen Brüdern und sage ihnen: ich fahre auf zu meinem Vater und zu euerm Vater, zu meinem Gotte und zu euerm Gotte, und wahrend er dieses sprach, verschwand er. Aber sie hatte ihn gesehen, gehört und eilt nun zu den Jüngern um ihnen die Freudennachricht mitzutheilen. Der Anferstanbene erschien dann auch den Schülern bei verschiedenen Gelegenheiten an verschiedenen Orten, .selbst bei verschlossener Lhüre; bewill- kommte sie mit seinem gewöhnlichen Grusse: Friede sey mit Euch! er aß sogar mit ihnen, zum Beweise, daß er kein Geist sey, sondern einen wirklichen obschon verherrlichten Körper habe, kurz, durch 40 Lage erschien er von Zeit zu Zeit in ihrer Mitte und belehrte sie über die Anstalten des Reiches Gottes. — Wir keh¬ ren nun wieder zu den Feinden Jesu, zu den Schriftgelehrten und jüdischen Priestern zurück. Diese gcriethen bei der Nachricht dessen, was sich mit Jesus zugctragen, in die äußerste Bestür¬ zung, denn sie mußten das Schlimmste für sich befürchten, wenn die Sache so, wie sie sich zugetragen, dem Volke bekannt würde, welches so fest an Jefum hing, und doch erst vor Kurzem Zeuge des ungerechten Urtheils über ihn und Zeuge seines schmählichen Todes gewesen war. — Die Wächter vor ein öffentliches Gericht zur Verantwortung zu ziehen, war durchaus nicht rathsam, weil sich diese desto heftiger verthcidigct, die Begebenheit nach allen Umständen erzählt, und so erst die Ungerechtigkeit und Bosheit dieser Feinde Jesu an das Licht gezogen hätten. Es bleibt kein anderer Ausweg übrig, als die Wächter gelinde zu behandeln, ihnen volle Sicherheit zu versprechen, und sie durch Geldbestechung L«m Schweigen, oder wenigstens dahinzubrmgen, daß sic behaup¬ ten wa ge ne g« st L r r i » » » » 160 «««« tm würden, die Jünger Hütten den Leichnam Jesu gestohlen, während die Wächter geschlafen haben. Aber wunderbar! die Jün¬ ger, die nach dem Vorgeben der Soldaten den Leichnam wegge¬ nommen haben sollen, werden so wenig zur öffentlichen Strafe gezogen, wie die Soldaten selbst, die da gegen ihre Ucbcrzeugung sagen müssen, sie hätten geschlafen. Der jüdische Rath hat nicht das Herz die Schüler Jesu Lügen zu strafen, obschon ihm diese unzescheucht vorwerfen: Jesus, den ihr unschuldig zum Lode vcr- nrthcilt und an das Kreuz geschlagen habet, diesen Jesus hat Gott wieder auferweekt, wir alle sind Zeugen davon. Man vcr- bicthet den Jüngern nur in Zukunft von dem Gekreuzigten zu reden und entläßt sie. Sie aber gehen geradezu wieder in die Synagogen und in den Tempel, und lehren öffentlich: Christus scy auferstanden. So wurden also die Feinde Jesu zu Schanden gemacht durch seine herrliche Auferstehung, die die Apostel, beson¬ ders nachdem sie den h. Geist empfangen hatten, aller Orten ver¬ kündeten und als Grundlage unsers Glaubens angaben. Wenn Jesus nicht auferstanden ist, urtheilt der h. Paulus, so ist es gewiß ihr Christen, daß euer Glaube eitel und nichtig ist; warum denn's weil die Lehre Jesu keine göttliche Lehre wäre; denn da eine solche Thatsache, wie die Auferstehung Jesu ist, alle Kräfte der Natur übersteigt, und nur eine Wirkung der Allmacht Got¬ tes scyn kann, so muß man entweder annebmen, daß Jesus selbst Gott und aus eigener Macht aus dem Grabe hervorgegangen ist, oder man muß annehmcn, daß Gott, der Jesum auferweckt hat, ein Urheber des Jrrthums, ein Beschützer des Betruges ist, weil er ihn, da er sich einen Sohn Gottes nannte und es doch nicht gewesen wäre, durch ein solches Wunderwerk verherrlichet hatte — von Gott zu denken, daß er ein Urheber des Jrrthums, ein Beschützer des Betruges fey, wäre aber die schrecklichste Lä- sterung! mithin bleibt gewiß, daß Jesus, da er aus eigener Macht aus dem Grabe hcroorging, Gott und seine Lehre göttlich st'y- Mit Sicherheit dürfen wir also der Lehre Jesu folgen, un¬ ser Glaube ist ein göttlicher seligmachender Glaube, denn Jesus hat durch seine Auferstehung bewiesen, daß er Gott, seine Lehre göttlich sey. Er hat aber auch durch seine Auferstehung unsere Hoffnung zur Gewißheit erhoben, denn da er aus eigener Macht aus dem Grabe hervorging, so ist er mächtig genug, auch uns » » » » 170 «««« zu einen» ewigen Leben hervorzurufen. Die Gründe, welche diese Wahrheit unterstützen, wollen wir hören im zweiten Theile. Unsere Auferstehung, meine Lieben, steht in der engsten Ver¬ bindung mit der Auferstehung Jesu Christi, sie ist eine nothwe«- dige Folge von dieser. Der h. Paulus schreibt mit aller Strenge wider diejenigen, die die Auferstehung Jesu glaubten, aber die allgemeine Auferstehung der Menschen bestritten. Wenn Christus gepredigt wird, schreibt der Apostel, daß er von den Todten auf¬ erstanden sey, wie können den einige aus euch sagen, es sey keine Auferstehung der Todten? Ist keine Auferstehung der Todten, so ist auch Christus nicht auferstanden, ist aber Christus nicht auf¬ erstanden, so ist unsere Lehre falsch und euer Glaube ohne Grund. So schließt der Apostel, und beweist nun aus den Eigenschaften des Heilandes die Nothwendigkeit und Wahrheit unserer Aufer¬ stehung. Christus ist unser Erlöser, sagt er — wie durch einen Menschen dec Lod in die Welt kam, so kam auch durch einen Menschen die Auferstehung — so wie wir durch Adam alle ster¬ ben , so werden wir durch Christus alle wieder zum Leben hcrvvr- gchen, doch Jeder in seiner Ordnung, zuerst Christus als Erst¬ geborner der Erschaffenen und dann bei seiner Wiederkunft Jene, welche Christo angehören. — Warum setzen wir uns denn als Apostel stündlicher Lebensgefahr aus? sagt der h. Paulus weiter, täglich sehe ich den Lod vor mir bei den grossen Verfolgungen, bei den grossen Drangsalen und Leiden, die ich um Christi Wellen ertrage — was nützt mir denn alles dieses, wenn keine Aufer¬ stehung zu hoffen wäre? — Christus werd ferner unser Haupt genannt, wir sind seine Glieder, weil er nämlich dieselbe Natur angenommen, wie die unsrige ist; kann aber das Haupt, da cs sich selbst zum Leben erweckt hat, seine Glieder in der Dienst¬ barkeit des Todes schmachten lassen? Christus nennt sich unser Bruder und uns nennt er Mitcrben seines Reiches. Wie könnte aber Christus seine Brüder, die er mit seinem thcuern Blute er¬ kauft hat, einer ewigen Verwesung überlassen? und wie könnten wir Erben seines Reiches seyn, wenn wir an der Glorie seiner Auferstehung nicht Theil nehmen würden, da doch die Auferstehung mit zur Erbschaft gehört, die uns Jesus errungen hat? Wie » » » » 171 «««« trostreich ist daher der Gedanke, meine Lieben! Wir werden einst auferstehen wie unser Heiland! dieser schwache gebrechliche Körper wird umgebildet, verherrlichet, wird ein himmlischer Körper! Schon den frommen Dulder Job tröstete dieser Gedanke in seinem grossen Elende. Zch weiß, daß mein Erlöser lebt und ich werde auch einst mit meinem Leibe auferstehen, in meinem Fleische werde ich meinen Gott sehen, meine Augen werden ihn schauen, diese Hoff¬ nung ist tief in meinem Busen aufbewahrt. Und diese nämliche Hoffnung machte auch die Machabäischen Brüder unerschütterlich in den grausamsten Dualen, womit sie Antiochus zu Lode martern ließ. Du boshaftester Tyrann! sprach Einer, du richtest uns zwar im gegenwärtigen Leben zu Grunde, aber der König der Welt wird uns, die wir jetzt für sein Gesetz sterben, in der Auferste¬ hung zum ewigen Leben erwecken. — Mit seltenem Heldenmuthe ließ sich ein Anderer ein Glied nach dem andern abhauen, indem er mitleidig lächeln zum Könige sprach: Vom Himmel habe ich diese Glieder erhalten, aber um des Gesetzes Gottes willen achte ich sie nicht, denn ich hoffe Sie wieder zu erhalten von meinem Schöpfer. — Sollte denn diese Hoffnung bei uns Christen min¬ der groß und tröstlich seyn! O gewiß, sie ist groß und tröstlich, doch nur für den Gerechten, nicht so für den Sünder. Denn Alle werden zwar auferstehen, sagt der h. Paulus, aber nicht Alle werden verherrlichet werden. Eben darum, meine Lieben! müssen wir jetzt aus dem Grabe der Sünde auserstehen, damit wir auch einst zur Verherrlichung auferstehen können; fo wie Chri¬ stus nicht mehr stirbt, so müssen wir auch nicht mehr zurückfallen in die vorigen Sünden, wodurch wir für den Himmel absterben; so wie der Heiland alle Bande des Todes zerrissen, alles Irdi¬ sche und Beschwerende im Grabe zurückgelassen hat, und dafür alle Kennzeichen der Unsterblichkeit angenommen, und ganz frei zu einem neuen Leben hervorgegangen ist; so müssen auch wir alle Bande der Sünde zerreißen, alle bösen Neigungen, alle bloß irdischen Gesinnungen, alle sündhaften, die Seele drückenden Ge¬ wohnheiten ablegen, und uns zu einem ganz neuen Gott wohl¬ gefälligen Leben auffchwingen. Dann dürfen wir die süsse Hoff¬ nung in uns nähren, daß auch wir einst, so wie unser Heiland, siegreich und verherrlichet aus dem Grabe hervorgchen werden. O schöne Hoffnung! mache sie dereinst zur Wirklichkeit, siegreicher Heiland! unterstütze uns du, Ucberwinder des Todes! mit deiner » » » » 172 « « a « mächtigen Gnade im schweren Kampfe mit der Sünde, damit wir nur für dich und in dir leben und für dich sterben, so wie du für uns hienicden gelebt und für uns gestorben bist; — da¬ mit wir auch einst wie du aus der Nacht des Grabes zur Verherrlichung auferstehen, und hinaufkommen zu deinem Vater und zu unserm Vater, zu deinem Gotte und zu unserm Gotte! Amen. Am ersten Sonntage nach Ostern. »Der Friede sey mit euch!« Joh. 20, 21. Eingang. Friede sey mit euch! sprach der erstandene Heiland zu seinen furchtsamen Jüngern, als er bei verschlossener Thüre in ihre Mitte trat. — Er gab ihnen seinen Frieden, also einen göttlichen Frie¬ den, den die Welt nicht geben kann, und dessen Seligkeit, wie der h. Apostel Paulus sagt, alle menschliche Vorstellung über¬ steigt. Phil. 4,7. — O daß doch der erstandene Heiland die¬ sen seinen beseligenden Frieden auch uns gebracht hätte, wie er ihn seinen Jüngern bei seinem ersten Besuche brachte! — Sei¬ nen Jüngern? — und sind denn wir, die wir ihn und seine Lehre bekennen, nicht auch seine Jünger? Ja, wenn wir es nur nicht bloß den Namen nach, sondern in der That sind — wenn wir nur auch mit dem erstandenen Heilande, so wie seine ersten Jün¬ ger, geistiger Weife wahrhaft auferstandcn sind, wenn wir nur auch den alten sündhaften Menschen mit all' seinen Werken aus- und einen neuen angezogcn haben, dec nach Gott gebildet ist, in Gerechtigkeit und heiliger Wahrheit. Dann, ja dann spricht der erstandene Heiland, wenn er uns im h. Abendmahlc seines göttlichen Besuches würdiget, auch zu uns die freundlichen Trost¬ worte: Friede sey mit euch! — Ihr seyd ausgesöhnt mit mei¬ nem Vater, mit mir euerm Bruder vereint und geheiligct durch den h. Geist; genießet die Seligkeit des Friedens, den ich euch selbst bringe, den ich in eure Herzen ausgieße.' » » » » 173 «««« t O wahrhaft beseligender Friede des erstandenen Heilandes! — i du Friede Gottes, den ich mir selbst und Ihnen Allen aus dem Enuide des Herzens wünsche! denn selig, überselig der, der den göttlichen Frieden besitzt! — außer diesen ist jeder andere nur ein falscher und eitler Friede, — außer dem Besitze des göttlichen Frie¬ dens sind wir nichts und haben nichts, sind die Aermsten und Unglücklichsten, im Besitze des göttlichen Friedens aber sind wir Alles, haben Alles, sind die Reichesten und Seligsten. Und so wie uns nichts in der Welt den göttlichen Frieden geben, so kann auch nichts in der Welt uns denselben rauben. Wie, nichts kann uns den Frieden Gottes rauben? — Ja, nichts als die Sün¬ de. — Die Sünde? — Also können wir doch nicht ohne Furcht senn, den einmal erhaltenen göttlichen Frieden zu verlieren? Nein; denn in dem Augenblicke, da wir uns durch einen Rückfall in die Sünde von Gott trennen, haben wir schon auch seinen unschätzbaren Frieden --- seine Freundschaft, seine Gnade verloren. — Denn für die Gottlosen, sagt der h. Geist durch den Propheten Jsaias 48, 22., gibt es keinen Frieden. Wenn man aber den Frieden Gottes, oder was eben soviel ist, die Freundschaft und Gnade Gottes, das kostbarste aller Geschenke, dennoch auch verlieren kann: so liegt wohl Alles daran, dieses kostbare Geschenk so treu als möglich immerfort zu bewahren, wozu ich Sie eben heute aufzu¬ muntern gedenke, indem ich Sie zur Beharrlichkeit im Guten bis an's Ende aneisere, weil nur durch Beharrlichkeit im Guten bis an's Ende der Friede Gottes auf das Sicherste bewahrt werden kann. Vernehmen Sie mich rc. Abhandlung. Obschon der durch eine aufrichtige Busse gerechtfertigte Sün¬ der von den Fesseln der Sünde befreit worden ist, und die Gnade Gottes als ein Unterpfand des ewigen Lebens erhalten hat, so ist er doch so lange er sich aus dem Meere seiner irdischen Fahrt be¬ findet, noch nicht in den Hafen des Heiles eingelaufen; er hat folglich noch nicht alle Hindernisse der Tugend aus dem Wege ge¬ räumt, nicht alle Feinde des Heiles bezwungen. — Die Welt, die ihn bald durch Gunst, bald durch Verachtung, bald durch Belohnung, bald durch Verfolgung für sich zu gewinnen und von dem Wege der Lugend abzuschrecken sucht; die bösen Beispiele, » » »>- 174 ««« « die ihn mit fast unwiderstehlicher Macht an sich locken, die gc- sahrvollen Gelegenheiten zur Sünde, die ihn oft nach allen Seim, umgeben, der innere Streit der sinnlichen Neigungen und Begier¬ den, die sich mächtig wider das Gesetz Gottes empören — alle diese Feinde stürmen auf den nach dem Hafen des Heils schiffenden ge¬ rechtfertigten Sünder, erschweren ihm den geistigen Kampf, ver¬ größern die Seelengefahr und flössen ihm eine gerechte Furcht ein, Schiffbruch zu leiden, und die Gnade Gottes — mit ihr den er¬ haltenen göttlichen Frieden zu verlieren. Diese mannigfachen und grossen Gefahren sollen nun den ge¬ rechtfertigten Sünder um den erhaltenen göttlichen Frieden oder um die Freundschaft Gottes zwar besorgt, aber doch keineswegs ver¬ zagt machen. Denn gerade hier kömmt es am meisten auf Much und Beharrlichkeit an; wer in der Gefahr, in die er sich nicht selbst leichsinnig gestürzt hat, den Muth sinken läßt, und die Hände verzweiflungsvoll ringet, der wird gewiß da zu Grunde ge¬ hen , wo ein Anderer, der sich mit Ueberlegnng und Entschlossen¬ heit zum Kampfe rüstet, siegen, und den Preis des Sieges davon tragen wird. —> Damit man aber den geistigen Kampf nicht nur mit Entschlossenheit beginne, sondern ihn auch in der Beharrlich¬ keit ende, so muß man jedoch nicht soviel auf sich, als vielmehr ganz auf den vertrauen, der der Urheber und Vollender unseres Glaubens ist — nämlich Jesus Christus; man muß zuversichtlich hoffen, daß er, der das gute Werk in uns angefangen hat, es auch vollenden werde, bis zu seiner Ankunft zum Gerichte; man muß sich ferner zum beharrlichen Kampfe auch dadurch aufmuntern, daß man auf die Krone Hinsicht, die der gerechte Richter denen Vorbe¬ halten hat, die rechtmässig, d. i. standhaft bis an's Ende ge¬ kämpft haben werden. Denn wahrüch eine herrliche und sichere Krone hat Jener zu gewarten, der die Gnade Gottes oder den Frieden des Herrn durch Beharrlichkeit in Guten, treu bis an's Ende bewahrt. — Er ist ein Erbe des Reiches Gottes, hat ein unstreitiges Recht auf den Besitz desselben, sobald er das irdische Leben verläßt. Denn Alles, was er hienieden im Stande der Gnade gewirkt oder gelitten hat, war für ihn ein sicheres Verdienst der künftigen Herrlichkeit; ein Trunk Wassers, das er dem dürstenden Mitbruder im Namen Jesu gereicht, ein mitleidsvolles Wort, wodurch er einen Betrübten getröstet, ein dankbarer Seufzer, den er zu dem Allwissenden » » » » 175 « « « « cmpor geschickt — Alles, das mindeste Gute wird er ausgezeich¬ net finden im Buche des Lebens;--denn es ist Gsaubcnswahrhcit, dnß Gott die Gerechten im Himmel getreu nach ihren Verdiensten belohnen, daß die Herrlichkeit, die sie in seinem Reiche genießen sollen, mit der Gnade, die sie befassen, als sie von der Welt abtraten, im genauesten Verhältnisse stehen werde, nach dem Ausspruche Jesu Christi, der da sagt: In meines Vaters Hause gibt es viele Wohnungen — d. h. die Belohnung der Auscr- irählten im Reiche Gottes wird nach dem Grade ihrer Verdienste grösser oder kleiner seyn. Nun kann aber der Gerechte, der die Gnade Gottes besitzt, diese Gnade während seines irdischen Lebens durch eben so viele gute Werke erhöhen, als er bis zum Ziele seiner Laufbahn ausübet, und somit kann er auch seiner Verherr¬ lichung im Reiche Gottes einen höhern Glanz verschaffen. So kostbar, meine Lieben, ist der Schaß, den der Gerechte hienieden an der Gnade Gottes, an dem seligen Frieden mit ihm besitzt! — Nur daß diesen kostbaren Schatz, den Schatz der Gnade Gottes, die Wenigsten recht kennen oder kennen wollen, sonst würden sie gewiß größere Sorge tragen, ihn, wenn sie ihn einmal erlangt haben, auch treu zu bewahren und fruchtbarer zu machen durch stäte Beharrlichkeit im Guten. — Schon König David schilderte die Seligkeit des treuen Gerechten in den schön¬ sten Bildern: Selig, sprach er, ist der Mensch, der an dem Ge¬ setze des Herrn seine Freude hat, und demselben Tag und Nacht nachsinnet! — Wie ein längs des Waldbaches gepflanzter Baum wird er grünen und Früchte bringen zu seiner Zeit, sein Laub wird niemals abfallen, — Alles, was er immer thut der Gerechte, wird zu seinem Heile gereichen. Oder, wie sich der Heiland gleichnißweife ausdrückt: Der Gerechte ist einem Rebzweige ähnlich, der allezeit Früchte bringt, so lange er am Wcinstocke bleibt. — Der Weinstock aber ist Jesus Christus. So lange wir also mit Christus, dem wahren lebendigen Weinstocke, vereiniget bleiben, werden wir auch immer fruchtbar seyn an guten Werken, werden immer zunehmen an verdienstvollen Lugenden, und alle unsere Tage werden am Ende vor Gott voll befunden werden, sps. 72. Sollten wir aber das Unglück haben, uns durch die Sünde von Christus, dem belebenden Weinstocke zu trennen, so sind wir dann weiter nichts, als unfruchtbare dürre Zweige; alle Werke, die wir nach dem Rückfalle in die Sünde ausüben, mögen sie sonst » » » » 176 « « « « auch noch so gut scheinen, sind todte Werke, die in den Augen des heiligen und gerechten Gottes keinen Werth hoben, weil ft von der Duelle des Lebens, von der heiligmachenden Gnade näm¬ lich , nicht beseelt sind oder ohne Liebe Gottes sind wir nach ftr Lehre des Apostels bei nnsern schönsten und edelsten Handlungen, doch nur wie ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. Und was wäre am Ende unserer irdischen Laufbahn unser Schicksal, wenn wir so unglücklich wären, in der Sünde, in der Ungnade, im Unfrieden mit Gott zu sterben? Unfer Schicksal wäre jenes des Rebzweiges, der von seinem Weinstocke abgeris¬ sen, verdorrt ist, und in das Feuer geworfen wird, ohne Rücksicht auf die Menge der Früchte, die er einst mit dein Weinstocke vereint getragen hatte^ d. i. selbst die guten Werke, die wir im Stande der Gnade ausgeübt hätten, wären ihrer noch so viele, werden ausgestrichen aus dem Buche des Lebens, alstodie Werke, die kein Verdienst haben, und keiner Belohnung würdig sind. — Denn so wie der Herr alle Ungerechtigkeiten des Sün¬ ders, der sich wahrhaft zu ihm bekehrt, vergißt; eben so, sagt cr durch den Mund des Propheten Ezechias, sollen auch alle guten Werke des Gerechten vergessen seyn, wenn er durch die Sünde von dem Wege der Gerechtigkeit abgewichen ist. Ez. 18, 24. Welch' ein unermeßlicher Schade, meine Lieben! Läßt es sich wohl leicht denken, daß den Gerechten eine lebhafte Vorstellung dieses un¬ ermeßlichen Schadens, dieses grossen Unglücks nicht werde bewegen können, Gott mit unverbrüchlicher Treue anzuhängen, seine Gnade durch stete Beharrlichkeit im Guten bis an's Ende zu bewahren? Wenn aber den Gerechten eine lebhafte Vorstellung des eben so traurigen als möglichen Verlustes der in ihm wohnenden Gnade zur treuesten Bewahrung derselben aufmuntern kann und soll,— soll dann der rückfällige Sünder den wirklichen Verlust der bereits erlangten Gnade (des göttlichen Friedens) nicht noch besser begrei¬ fen und schmerzlicher empfinden? soll er nicht aus allen Kräften trachten, sich das verlorne höchste Gut sogleich wieder durch eine ernste Busse zu verschaffen, mit dem festen Vorsatze, es nie wie¬ der leichtsinnig zu verlieren? — Denn wem soll man den elenden Zustand vergleichen, in welchem sich verschon gerechtfertigte Sün¬ der durch den Rückfall in die Süude versetzet? — Er gleicht einem Baume, der bereits mit Früchten, und mit schönen Früch¬ ten der Busse, prangte, aber der Wurm dec Sünde vergiftete »»»» 177 «««« abermals die Wurzel, die Früchte fallen ab, die Acste und Zweige verdorren, auch das Laub wird bald verwelken und abfallen. So verhält es sich mit dem rückfälligen Sünder. — So lange er in der erlangten Gnade Gottes lebte und mit ihr eifrig wirkte, war er zwar fruchtbar an guten Werken, aber sobald er durch den Rückfall in die Sünde von dem Wege des Heiles abwich und die allbclebcnde Gnade Gottes verlor, ist er einem sruchtberaub- ten Baume ähnlich geworden, der höchstens eine Zeit noch mit jcinen grünen Blättern diejenigen blendet, die nur nach dem Äußern urtheilen, und den scheinbaren Gerechten zu den Leben¬ digen zählen, obschon er in der Zahl der Lobten ist. Gerade die gerechtfertigten, dann aber rückfälligen Sünder sind am meisten zu bedauern — sie sind arme Ackcrsleute, die im Schweiße ihres Angesichtes das verwilderte Feld ihres Gcmü- thcs bebaut, den Samen guter Werke unter Lhränen der Busse ausgesäet haben und unter mancherlei Sorgen der Reife des Wachens entgegenharrten — aber ein plötzlicher Schauer, ein Rückfall in die vorige Sünde hat ihre ganze hoffnungsvolle Acrnte verheert — sie werden nun nichts einzufchneiden haben. — Schade, Himmclschade um die schöne Aernte! — nachdem sie sich so vie¬ les haben kosten lassen! — Denn die strengere Selbstprüfung, der sie sich unterzogen, die bittere Reue, mit der sie ihre Fehl¬ tritte beweint, die lobenswürdigen Vorsätze, die sie gefaßt, die Gewalt, die sie sich angethan, um die Scham des Selbstbekennt¬ nisses zu besiegen, die Entschlossenheit, mit der sie schon mancher Anreizung widerstanden — das war die sauere Arbeit, das war der milde Lhau, der befruchtende Regen, der erwärmende Son¬ nenstrahl, der wirklich eine schöne Aernte hoffen ließ, um so mehr, da sich in der Zeit der Gnade bereits schöne Früchte gezeigt hat¬ ten; aber weil sie zur Zeit der strengern Versuchung wie ein schwaches Schilfrohr dem Winde nachgcgcben haben, weil sie in der Stunde der Prüfung nicht treu befunden worden sind — so haben sie vergebens gearbeitet, vergeblich gekämpft und gelitten — alle Früchte der göttlichen Gnade sind dahin! Diese Wahrheit, meine Lieben! kann ich, so strenge sie Jhuett auch scheinen mag, nicht im geringsten mildern, weil Jesus der Sohn Gottes selbst sie nicht gemildert hat; denn er selbst sagt es: Wer bis an's Ende treu beharren wird, wird selig'werden, Es ist also nicht genug, daß man gut beginnt, man muß auch » » »>- 178 «««« gutendtn, nicht genug, daß man einige Tage, Wochen, Monate, oder Jahre, oder selbst den größten Lheil seines Lebens einen tugendhaften Wandel führt und in der Freundschaft Gottes lebt, sondern man muß Gott bis auf den letzten Athemzug treu bleiben; der Tod selbst muß uns noch mit den Waffen in der Hand an- treffen, sonst ist all' unser Kämpfen und Streiten vergeblich. Viele lausen auf der Rennbahne, sagt der Apostel, aber nur ei¬ ner erhält den Preis — der nämlich, der mit Ausdauer gerade zum Ziele lauft. — Laufet also so, macht der Apostel den Schluß, daß ihr das Ziel auch wirklich erreichet, wozu ihr euch um so mehr ausmuntern sollet, weil ihr nicht wie die irdischen Kämpfer nach einer vergänglichen, sondern nach einer unvergänglichen Krone ringet. i. Cor. 9, 24. — Wenn wir also, meine Lieben! auch mit gutem Erfolge auf der Bahn der Tugend zu laufen begon¬ nen hätten, aber auf halbem Wege stehen bleiben, vor den noch bevorstehenden Hindernissen zurückbeben, so werden wir die un¬ vergängliche Krone des ewigen Lebens nicht erringen. — Verge¬ bens hätten wir eine geraume Zeit unsere Leidenschaften bestritten, vergebens der Hoffart, die Demuth; dem Geiße, die Freigebig¬ keit; dem Zorne, die Sanstmuth; der Sinnenlust, die Enthalt¬ samkeit entgegengesetzt — alle diese Tugenden sind an sich schön und groß, doch werden sie ohne Beharrlichkeit nicht belohnt wer¬ den. — Wer bis an's Ende verharrt, der nur wird selig wer- dsn, sagt der Heiland. Wie weit wir also auf dem Wege des Heiles auch immer vorgerückt seyn mögen, so dürfen wir doch weder stehen bleiben, noch auch zurückschaucn. Denn, wer die Hand an den Pflug gelegt hat, und nochmals zurückschaut, ist nicht fähig das Reich Gottes zu besitzen, sagt unser Herr und Heiland Zefus Christus, Oder wie sich der h. Hieronimus ausdrückt: Wenn ihr aus dem lasterhaften Sodoma ausgewandert seyd, so werfet eure Blicke nicht mehr nach demselben hin, damit ihr'von dessen Seuche nicht angesteckt werdet. — Wenn nämlich der einmal gerechtfertigte Sün¬ der so leichtsinnig würde, daß er sich nach dem verlassenen Sodoma, d. i. nach den verlassenen Reizen, Vortheilen und Genüssen des Lasters umsehen und zurückkehren wollte, so würde er zwar nicht eine durch Feuer vom Himmel vertilgte Stadt erblicken, wohl aber würde er sehen müssen, daß das schöne geistige Gebäude seines Heiles, das er mit so vieler Mühe und Sorgfalt aufge-- » » »-) 179 «««« ate, nm -bt, 'n; ui- ci- che ff, s° ler ne ch li- ch i- !- N führt hatte, zerstört und niedergerissen ist, er würde erfahren müssen, daß alle seine Arbeiten, alle seine guten Werke, alle seine Verdienste, von der Sünde wie von einer verzehrenden Flamme eingeäschert daliegen, ohne Hoffnung einer künftigen Be¬ lohnung. — Welch' ein niederschlagender Anblick! beurtheilen Sie diesen Anblick nach dein Schmerze eines Handelsmannes auf dem Meere, der nach einer langen mühevollen Fahrt, auf der erden stürmischen Elementen mit Kraft Trotz gebothen und die Gefahren der Steinklippen sorglich vermieden hatte — nun unglücklicher Weise am Eingänge des Hafens selbst mit seinem Schiffe scheitert und alle seine kostbaren Waaren, seinen ganzen Reichthum in den Grund des Meeres versinken sieht. — Eben so und noch tau¬ sendmal trauriger wäre das Schicksal des gerechtfertigten Sün¬ ders, wenn er, nachdem er durch eine lange Zeit auf dem Meere feiner geistigen Fahrt muthvoll fottgesegelt wäre und die ihm nufstossenden Gefahren glücklich bestanden hätte, wenn er nun mit all' seinen geistigen Schätzen an der Klippe einer Versuchung scheiterte, nachdem er bereits in den Hafen des ewigen Heiles ein¬ zulaufen hatte; wenn ihn der Lod in diesem Zustande überrascht, so wird er all' seiner Lugenden Und Verdienste beraubt auch die unvergängliche Krone verlieren, die ihm im Reiche Gottes Vor¬ behalten war. Und wirklich, meine Lieben, wie viele Verworfene würden grosse Heilige geworden seyn, wenn sie fo beschlossen hätten, wie sie angefangen hatten? Das h. Evangelium stellt uns ein eben so wahres als abschreckendes Beispiel an der Person des treulosen Jubas auf. Dieser Mensch, den der Sohn Gottes unser Herr und Heiland selbst unter die Zahl seiner Jünger und zwar seiner auserwählten Jünger, ver Apostel, ausgenommen hatte, dieser Mensch also hatte einen schonen Anfang gemacht. Er war be¬ ständiger Begleiter des Heilandes- horte stets Worte ewiger Wahrheit aus seinem Munde, war ein unzertrennlicher Augen¬ zeuge seiner grossen Wunderthatcn und erhielt von seinem göttli¬ chen Meister die erhabensten Beweise seiner Güte, Freundschaft und Liebe. — Wie glücklich! wenn er wie die übrigen Apostel mit der Gnade seines hohen Berufes beharrlich mitgewirkt hätte — äber eine unselige Leidenschaft blendete, bethörte ihn, riß ihn hin zum schändlichsten Verrathe an seinem göttlichen Meister — er verzweifelte an seinem Heile und ward auf ewig verworfen! IO * »»»» Isto «««« Paulus hingegen, der als der wüthendste Verfolger Christi und seiner Bekenner angefangen hatte, hörte als der eifrigste Ver- theidiger und Begründer der Lehre Jesu auf — er wirkte treu mit der ihm verliehenen Gnade und beendete seinen tugendvollen Lebenslauf als Blutzeuge Christi, als ein grosser Heiliger! Denn er konnte selbst am Abende seines Lebens mit dem trostvollesten Bewußtfeyn sprechen: Ich habe einen guten Kampf gekämpft und den Glauben mit Treue bewahrt — nun erwartet mich die Krone der Gerechtigkeit, die mir der gerechte Richter an jenem grossen Lage zuerkennen wird! Sehen Sie, meine Lieben, ss krönet nur die Beharrlichkeit bis an's Ende das Merk des Gerechten. Darum, meine Lieben, gehet meine Ermahnung am Schlüsse der heutigen Betrachtung dahin: Wir sollen auf dem Wege der Lugend nie stehen bleiben, denn, wenn man nicht fortfchrcitct, so ist es eben soviel, als ob man zurückginge, sagt der h. Bern« Hard; wenigstens wird man bald zurückgehen, wenn man nicht Muth genug hat fortzurücken; bleiben wir also auf dem Tugend- Wege nie stehen; arbeiten wir an unserer Vervollkommnung immer so, als ob wir erst ange/angen hätten, soviel wir auch immer schon gethan haben mögen, um so mehr weil wir nicht wissen, wann der Herr kommen und Rechnung von uns fodern werde; fürchten wir nichts so sehr, als die einmal erlangte Gnade durch einen Rückfall in die Sünde wieder zu verlieren, weil wir mit ihr Alles verlieren; wer da stehet, der sehe zu, daß er nicht falle, sagt der Apostel. Fliehen wir darum sorgfältig die Gele¬ genheit zur Sünde; sehen wir Mißtrauen in uns selbst, aber volles Vertrauen auf Gott; nehmen wir unausgesetzt Zuflucht zu ihm im Gebete, und bedienen wir uns oft der von Jesus einge¬ setzten Heilsmittel; damit wir durch dieselben gestärkt und ermu- thiget mit Ausdauer wider die Feinde des Heils kämpfen mögen; denn Niemand wird gekrönt, sagt der Apostel, wenn er nicht rechtmässig, d. i. beharrlich bis an's Ende, gekämpft hat. — Die aufrichtigste Bekehrung, die schönsten edelsten Lugenden wer¬ den ohne Beharrlichkeit — keiner Belohnung gewürdiget — nut wer bis an's Ende beharrt wird selig werden. Amen. »»»» 181 «««« Am zweiten Sonntage nach Ostern. »Ich bin ein guter Hirt und erkenne meine Schafe, und meine Schafe erkennen mich.« Joh. ro, 14, Eingang. ä)cr Titel, den sich Jesus der göttliche Heiland im heut. Evan-- gelio selbst beilegt, gehört unter diejenigen, Wodurch er uns ganz vorzüglich sein liebevolles und zärtliches Herz will zu erkennen ge¬ ben. Ich bin, spricht er, ein guter Hirt. — Ich verhalte mich gegen die Menschen, wie sich der beste Hirt gegen di? theuern Schafe verhält, die seiner Sorge anvertraut sind. Ich kenne näm¬ lich meine Schafe, ich liebe sie, ich führe und waide sie, und gebe selbst mein Leben für sie hin. Wie viele tröstliche und auf-- munternde Wahrheiten liegen nicht in diesen Worten des Heilan¬ des! — In der That, wenn wir Alles zusammensaffen, was er von dem Augenblicke seiner Ankunft auf Erden, bis zu seinem Hin- schciden am Kreuze, und bis zu seiner Zurückkehr in den Himmel für uns, als so viele irrende Schafe unternommen, ausgeführt und geduldet hat, was er für uns bis auf den gegenwärtigen Augenblick noch immer thut: so müssen wir es als unsere höchste Seligkeit hiegieden ansehen, zu seinen Schafen zu gehören, seine Stimme zu vernehmen, von ihm geführt und gewendet zu werden, und ihm allezeit und überall getreu nachzufolgen. Denn außerdem, daß er cs selbst gesagt hat, wissen und erfahren wir es selbst, je mehr wir uns an ihn halten, daß er ein guter, daß er dec beste Hirt ist. Wenn uns aber Jesus in der Eigenschaft eines guten Hirten so liebenswürdig erscheint, werden wir uns dann nicht auch be¬ mühen, seine guten Schafe zu seyn? Jesus sagt: ich erkenne meine Schafe, und meine Schafe erkennen mich. Wann aber er¬ kennt uns wohl Jesus gewiß als seine Schafe, und wann erken¬ nen wir ihn wahrhaft als unfern guten Hirten? Dann vorzüglich^ wenn wir ihn, da er uns in jeder Hinsicht ein Beispiel hinter¬ lassen hat, als unser höchstes Vorbild eifrig und getreu nachah- men, ihm überall und allezeit getreu nachfolgen. Denn so wie es ))»»» 1L2 « « « « für ein Schaf nicht genug ist, daß cs die Stimme seines Hir¬ ten höre, wenn es ihm nicht auch folget: so ist es auch für uns, wenn wir gute, geistige Schafe seyn sollen, nicht hinreichend, daß wir nur die Stimme Jesu unseres Seclenhirten Horen, sondern wir müssen ihm auch folgen, in seine Fußstapfen treten, seine Gesinnungen uns aneignen, unser Betragen dem scinigen ähnlich zu machen suchen. Wir müssen ihm getreu, unterwürfig, muthig und standhaft folgen; getreu, ohne seinem Rufe und seiner Gnade zu widerstehen, und etwas, das er von uns begehrt, zu verwei¬ gern oder zu versäumen; unterwürfig, ohne über die Art und Weise, wie uns dieser göttliche Hirt führen will, zu vernünfteln, so hart es immer unserer Natur und Eigenliebe scheinen mag; muthig, ohne uns durch die Hindernisse und Beschwerden abschre- üen zu lassen, die wir etwa unter seiner Leitung finden mögen; und endlich standhaft nachfolgen, ohne je stille zu stehen, oder wie immer von dem Wege abzuweichen, auf welchen er uns ein- hcrführet und den er uns vorangegangen ist; denn nur der Be¬ harrlichkeit hat Christus die Krone des ewigen Lebens verheißen. Lassen Sie uns nun zu diesem Ende heute an Jesu unseren: Sce- lenhirten das grosse Muster betrachten, welchem wir nachfolgen müssen, wenn wir glücklich in unserem Vaterlande anlangen wol¬ len; lassen Sie uns betrachten, was Jesus vorzüglich gethan hat, um unser Beispiel zu werden, und alsdann untersuchen, in wie ferne wir uns bisher diesem grossen Muster genähert, oder uns davon entfernet haben. Das der Gegenstand meines Vortrages rc. Abhandlung. Wenn ein Wanderer in seinem Herzen den festen Willen und das heiße Verlangen hat, in seiner Heimath glücklich anzu- konunen, so kann ihn nichts von dem rechten Wege ablenkcn, als nur Ungewißheit und Jrrthum. Wenn er daher bemerkt, daß er irre gegangen ist, so fühlt er sich auch unglücklich und wünscht nichts sehnlicher, als daß er Jemanden finden möge, welcher ihm wieder die rechte Strasse zeigt; und findet er wirklich einen des Weges kundigen Mann, so bittet er ihn dringend, ihm den ver¬ lornen Weg wieder zu zeigen, er betrachtet diesen Mann als sei¬ nen Retter, und dankt ihm tiefgcrührt als seinem größten Wohl¬ täter, wenn er ihn wieder auf die richtige Strasse bringt. Es » »»» 18>) «««« hat der Wegweiser da gar nicht nöthig, den Wanderer aufzumun-- tcrn, sich auf den rechten Weg zu begeben, das will ja der gute Wanderer ohnehin; mit Freude eilt er der rechten Strasse, sobald er sie nur erkennt, wieder zu; — und wenn etwa der Wegweiser selbst die nämliche Strasse verfolgt, so ist die Freude für den des Weges unkundigen Wanderer desto grösser, er schließt sich beruhigt an seinen Führer an, geht mit ihm getrost über Berge und Flüsse, nicht achtend der Beschwerden der Reise, sondern getröstet in dem Gedanken, daß er nun nicht mehr irre gehen, sondern gewiß und bald in seiner Heimath anlangcn werde. Aber ganz anders verhält es sich mit einem Menschen, mit einem Sohne, welcher entfernt von seinem väterlichen Hause, ein böses Herz besitzt. Gerufen, in seine Heimath zurückzukehren, hat er bei seinem zum Bösen geneigten Herzen, nicht die Festigkeit des Geistes und die Stärke des Willens, die Beschwerden der Reise nämlich zu besiegen; auch selbst auf den ihm wohlbekannten Wege will es nicht recht Vorwärtsgehen. Da ist ihm ein Berg zu hoch, dort ein Thal zu tief, hier ist ein Fluß zu breit, dort eine Strecke zu rauh. Zaghaft und kleinmüthig bei dem Anblick dieser Be¬ schwerden, die seine Einbildungskraft noch viel grösser ausmahlt, klagt er bald über Mangel an Kraft, bleibt unter dem Vorwande der Ermüdung oder der schlechten Witterung in der Herberge liegen, vergißt sein väterliches Haus und verschweigt leichtsinnig sein Reisegeld. Bei seinem Hange zum Bösen weicht er oft sogar vorsätzlich von dem bekannten Wege ab; denn hier findet er einen Bekannten, den er besuchen muß, dort eine fröhliche Gesellschaft, die er nicht verlassen mag, hier wird ein Fest gefeiert, dem er beiwohnen will, dort ist etwas zu gewinnen, hie;; etwas Neues zu sehen, dort wieder ein frohes Vergnügen zu genießen. So lenkt das verdorbene Herz den Wanderer von der ihm wohlbekannten Strasse immer weiter und weiter ab, er vergißt dabei auf seine bessere Heimath und langt sich selbst überlassen niemals im väter¬ lichen Hause an, bis sich endlich der Vater seiner erbarmt; ibm seinen altern und bessern Sohn entgegensendet, daß er den irren¬ den Bruder aufsuche, ihn durch sein Beispiel aufmuntere, die Beschwerden der Reise theile, und ihn an seiner Hand zurückführe in die Arme des bekümmerten Vaters. Das, meine Lieben, ist ein treffendes Bild unserer eigenen Lage. Durch das Licht der göttlichen Offenbarung keimen wir »»»» 184 ««««! wohl bestimmt den Weg in unser wahres Vaterland, in die glück, liche Ewigkeit hin; wir wissen es gewiß, daß wir nur auf dm Wege der Tugend zu unserem himmlischen Vater kommen können. Mein, wenn auch zur Zeit einer ruhigen Besonnenheit in uns der h. Wunsch erwacht einstens glücklich in unserm seligen Vater¬ lande anzulangcn, so lenkt uns unser durch die Sünde verdorbenes und mehr zum Bösen geneigtes Herz nur zu oft von dem richtigen Wege in unsere wahre Heimath ab, und mahlt uns die Beschwer¬ den der Reise auf dem Wege der Tugend mit so übertriebenen Zügen vor, daß wir nur zu leicht den Muth verlieren, es zeigt uns aber nebenbei auf irreführenden Seitenwegen sinnliche Freu¬ den und irdische Vortheile genug, zeigt uns eine Menge von Menschen, welche aus Vorliebe für irdische Güter und sinnliche Freuden den Weg der Tugend verlassen haben und sich im Besitze dieser Güter und im Genüsse dieser Freuden wohl befinden. Und nun verlassen auch wir ost den Weg der Lugend, schließen uns an sinnlich frohe Menschen an, begehen mit ihnen gleiche Lhorhei- ten und Vergehungen, und vergessen auf unfern Vater im Him¬ mel und auf die ganze Seligkeit, welche er uns in seinem ewigen Reiche vorbereitet hat. Der ewige Vater sandte nun aus Erbarmen seinen eingebor- npn, menschgewordenen Sohn Jefum Christum als gleichsam un» fern altern Bruder in unsere Mitte herab, damit er uns durch seine Lehre nicht nur den Weg in das bessere Vaterland zeigte, sondern uns auch durch sein eigenes Beispiel gegen Abwege, ge¬ gen Verführungen böser Menschen warnte und als unser mitwan- dernder Gefährte uns gleichsam an seiner eigenen Hand glücklich in die Arme unseres himmlischen Vaters bringe. — Und was hat nicht Zcsus alles gethan um uns durch fein Beispiel zu er¬ muntern, entschlossen und muthig den Weg zu betreten, welchen er uns durch seine Lehre so deutlich gezeigt hat, daß wir ihn nimmermehr aus Unwissenheit und Jrrthum, sondern nur aus dösen Willen verlassen können.' — Gerade jene Beschwerden, wel¬ che uns gewöhnlich von dem Wege der Tugend abschrecken, hat er selbst besiegt; gerade jene Dinge, die uns gewöhnlich zur Sünde reizen, hat er uns zum Beispiele siegreich bekämpft, und nun ruft er uns als wohlmeinender Bruder, als warnender Freund und Wegweiser, als unser bester Seelcnhirt freundlich zu: Wer nach mir kommen will, der folge mir nach.' L»»» 185 «««« Wer auf sein eigenes Herz aufmerksam ist und die allge¬ meine und tägliche Erfahrung zu Rathe zieht, dem kann es nicht unbekannt seyn, daß die wahre und eigentliche Ursache unserer Abweichung von dem Wege der Lugend tief in unserem Herzen liegt, — daß Eitelkeit, Habsucht und ein übertriebener Hang zur sinnlichen Lust die Haupttriebsedern sind, die uns zu allen übrigen Sünden und Lastern verleiten. Nun ging uns aber Je¬ sus gerade im Kampfe gegen diese Neigungen selbst voran, und munterte uns kräftig auf seinem Beispiele zu folgen, beharrlich und männlich zu streiten, damit wir siegen mit ihm, und uns mit ihm ewig freuen des errungenen Sieges. Was einmal die in unserem Herzen so tief eingewurzelte Eitelkeit betrifft, die sich freilich an verschiedenen Menschen auch sehr verschieden äußert, und bald die Geburt und Abstammung, bald den erworbenen Reichthum, bald die Gelehrsamkeit, bald die lächerlichen Kleinig¬ keiten der körperlichen Wohlgestalt und der Kleidung, bald wohl gar die geglaubte Tugend und Frömmigkeit zur Quelle hat, aber in jeder Gestalt uns zum Bösen mehr oder weniger verleitet — was diese Eitelkeit des menschlichen Geistes betrifft, wie sehr hat ihr nicht Jesus durch sein eigenes Beispiel entgegen gearbeitet! Er, der wahre Sohn Gottes, durch welchen alle Dinge geschaf¬ fen sind, vor dem sich Himmel und Erde neigen, den alle Engel nut Ehrfurcht anbetcn, — er trug einmal schon kein Bedenken sich bis zur Gestalt eines Knechtes herabznlassen, von einer zwar edlen, aber auch sehr armen Mutter geboren zu werden, sei¬ nen Aeltern, deren Herr und Schöpfer er war, gehorsam und unterthänig zu seyn; er, der König aller Könige, trug kein Be¬ denken, als ein Unterthan eines heidnischen Kaisers dazustchen, und sich selbst seinen Anordnungen zu unterwerfen; er, den Him¬ mel und Erde nicht fassen, weilte als ein schwacher, den Leiden unterworfener Mensch unter den Menschen. Er, für dessen Ee- sclllchaft selbst Seraphe nicht würdig genug sind, trug kein Be¬ denken, unter unwissenden Menschen zu leben, sich bis zu den schwachen einfältigen Kindern herabzulassen, selbst mit Zöllnern und Sündern umzugehen; er, dem wie dem Vater die nämliche Ehre gebührt, fiel vor seinem ewigen Vater auf sein Angesicht Zur Erde, um ihm als Mensch seine tiefeste Ehrfurcht zu bewci- len, ihm für die empfangenen Wohlthaten zu danken, sich und das Menschengeschlecht, dessen Mitglied er geworden war, seinem »»»» 186 «««« Schutze zu empfehlen. Wahrlich ein rührenderes Beispiel der De- muth kannte uns durchaus nicht gegeben werden, als uns der Sohn Gottes selbst zur Belehrung und Aufmunterung gegeben hat. Mit Recht kann er uns als unser Führer und Seelenhirt zurufen: Lernet von mir, denn ich bin sanftmüthig und demüthig vom Herzen! Wie ist es wohl möglich, meine Lieben! daß wir, da wir an Jesus das erhabenste Beispiel der Dcmuth vor unseren Augen haben, für Eitelkeit und Uebermuth noch zugänglich seyn können! — wir, die wir es doch wissen und fühlen, daß wir schwache und elende Geschöpfe sind, daß uns nur Gottes Macht aus Staub gebildet hat, in welchen wir, sobald es ihm nur gefällt, wieder verwandelt werden; wir, die wir uns so vieler Schwächen, Tor¬ heiten und Sünden bewußt sind, wir könnten Jesum den Sohn des lebendigen Gottes in Menschengestalt, in der tiefestcn Herab¬ lassung sehen und gleichwohl noch für Eitelkeit, für Stolz und Uebermuth zugänglich seyn? Indessen geschieht es doch nur all¬ zugemein. Schon die Kinder, besonders die zur Eitelkeit ganz herangezogenen Kinder kennen in unfern Lagen die schönste aller Lugenden die Demuth fast nicht mehr und finden es unter ihrer Würde, ihren eigenen Aeltern gehorsam zu seyn, ihre Meinun¬ gen und Urtheile mit Bescheidenheit, den Urthcilen der verstän- digern Aeltern zu unterwerfen, ihnen die gebührende Achtung und Ehrfurcht zu beweisen, während doch der Sohn des ewigen Va¬ ters alle diese kindlichen Pflichten gegen seine irdischen Aeltern so genau erfüllte, daß es in dem Evangclio ausdrücklich heißt: Er war seinen Aeltern unterthan. Aber den Kindern gehen in einem unseligen Uebermuthe die Erwachsenen voran. Viele aus uns sind ja stolz genug der geistlichen und weltlichen Obrigkeit, welche Gott selbst als seine Stellvertreter auf Erden verordnet hat, die gebührende Achtung und Ehrfurcht, und den schuldigen Gehorsam zu verweigern, sondern sie sind übermüthig genug selbst Gott dem Schöpfer und Erhalter aller Dinge die pflichtmäsfige Ehrfurcht zu versagen und es nicht der Mühe werth zu finden vor seiner ewigen Majestät die Knie zu beugen. Ja dafür sind Viele zu adelig, zu vornehm oder zu gelehrt und zu wohlhabend, als daß auch sie noch vor demjenigen ihr Knie beugen sollten, vor welchem Jesus selbst auf sein Angesicht zur Erde niederfiel! So soll es denn also unsere Würde und unser Amt entehren, wer vor der Sie sei: Gc ge V gl w m w d z< l! Z ! I ! »»»» 187 «««« wenn wir vor den Augen des Volkes uns bescheiden und dcmöthig vor Gott wie die Untergebenen auf unsere Knie werfen, da doch der Sohn Gottes, dem der ewige Vater die höchste Würde, das Richteramt über die ganze Welt übergeben hat, vor ihm auf seinem Angesichte lag? Soll es unseren Reichthum oder unsere Gelehrsamkeit entehren, wenn auch wir mit den Armen und Un¬ gelehrten Gott im Staube anbeten, da doch der allwissende Sohn Gottes, dessen Eigenthum Himmel und Erde sind, vor seinem Vater auf seinem Angesichte lag; da unser ganzer Reichthum nur glänzender Staub, und alle unsere Weisheit gegen Gottes All¬ wissenheit nur die ticfeste Unwissenheit ist! — Nein, cs ist nicht möglich, daß wir jemals in unserem seligen Vaterlande anlangen, wenn wir uns von dem Wege so weit entfernen, den uns Jesus durch Wort und Beispiel in das ewige Reich seines Vaters ge¬ zeigt hat; eitle, stolze und übermüthige Menschen können unmög¬ lich dorthin kommen, wohin uns Jesus mit Bescheidenheit und Dcmuth vorausgegangen ist. Aber nicht nur in der Dcmuth, sondern auch in der Scha¬ kung irdischer Güter und sinnlicher Freuden hat uns Jesus ein be¬ lehrendes Beispiel gegeben, das uns ebenfalls sehr nothwendig war. Viele, sehr viele Menschen lassen sich eben durch den Glanz irdischer Güter und durch den Reiz sinnlicher Freuden von dem wahren Wege in das ewige Vaterland hin abwendig machen. Viele trennen sich von der Heerde Jesu des guten Hirten und entfernen sich somit von dem Wege der Lugend bloß darum, weil sie auf dem Wege der Ungerechtigkeit, der List, der Treulosigkeit lchneller und leichter irdische Güter erwerben können als auf dem Wege der Gerechtigkeit; weil ihnen auf dem Pfade der Ausschwci- simg zahlreichere Sinnenvergnügen entgegen kommen, als auf dem Wege der Lugend. Es war eben darum höchst nothwendig, daß uns Jesus, unser guter Hirt, unser Führer in die bessere Ewig¬ keit durch sein eigenes Beispiel über den wahren Werth sinnlicher Freuden und irdischer Güter belehret. Was einmal diese letztem betrifft, so begnügte sich der Heiland immer nur mit dem Nothwen- dlgcn; nie trug er es darauf an, durch Reichthum zu glanzen, durch irdischen Wohlstand Aufsehen zu machen und sich etwa dadurch Verehrer und Freunde, Schüler und Anhänger zu sammeln. Er kannte, schätzte und suchte nur edlere, ewig dauernde Güter, die cr seinen Jüngern über alles wünschens- und suchenswcrth zu »>-» » 188 « « ««c machen sich beeiferte. Zwar kann man nicht sagen, daß Iesuj irdische Güter völlig verachtete und gänzlich verschmähte; nein, er ehrte sie wohl, und zwar als Geschenke seines ewigen Vaters, und nahm von seiner Vaterhand das Wenige gleichsam als eine Reisczehrung auf der irdischen Wanderschaft, und als ein brauch, bares Mittel, andern noch ärmern Wanderern eine Erquickung zu verschaffen. Möchten wir doch auch in Beziehung auf irdische Güter diesem erhabenem Beispiele folgen! — Möchten wir sie nie anders betrachten, als bloß als das nothwendige Reisegeld auf unserer Wanderschaft in die Ewigkeit hin, —> als brauchbare Mittel uns dadurch himmlische unvergängliche Güter zu erwerben! Gewiß wir würden dann nicht mit so vieler Unruhe um irdische Güter sorgen, würden zufrieden seyn mit dem, was uns der himmlische Vater auf rechtmässigen Wegen zusendet, würden un¬ sere reichlicher bethcilten Brüder nicht so sehr um ihren Wohl¬ stand beneiden, für dessen Verwendung sie auch strenge Rechen¬ schaft werden ablcgen müssen, wir würden uns nie verleiten lassen, irdischer Güter wegen den Weg der Tugend zu verlassen, ihrem Erwerbe die höhcrn Güter des Geistes aufzuopfern, oder unsere Brüder zu drücken oder zu beschädigen. Allein, bei unserer Be¬ gierde, durch irdischen Wohlstand zu glänzen, oder zeitliche Schate zu sammeln, bei unserem Durste nach sinnlichen Freuden, die wir freilich nur um Geld erkaufen können, wenden wir so gerne un¬ sere Augen von dem höchsten Muster unserer Nachahmung von dem genügsamen Jesus weg, und weil wir wohl sehen, daß wir irdische Güter und irdischen Glanz auf dem Wege der Tugend und Gerechtigkeit entweder gar nicht, oder doch nicht so geschwind und in dem Grade erreichen können als wir es wünschen: so las¬ sen wir -Zesum unseren Seelenhirten, unseren Führer allein fort¬ wandern auf dem Wege der Lugend und eilen hin auf die Strasse der Ungerechtigkeit, der List und des Betruges. Umsonst ruft da der genügsame Jesus den Habsüchtigen zu: Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit ihr handeln sollet, wie ich gehandelt habe. — Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt aber an seiner Seele Schaden leidet. Was endlich die sinnlichen Freuden betrifft, welche in unse¬ ren Tagen vorzüglich soviel Unheil erzeugen, deren Mißbrauch so- viele Menschen an Körper und Geist zu Grunde richtet; welch' schönes Beispiel der Mässigung und Genügsamkeit hat uns nicht L»»» 289 «««« Ksur nein, ters, cine uch« ung schi sie eld ics n! he er i» l. - i e Zcsus auch in diesem Stucke gegeben! — Sein Freudengenuß war so rein, so mässig und schuldlos, daß er selbst seine größten Feinde zu Zeugen seiner Unschuld und Lugend auffodern konnte: Wer von euch kann mich einer Sünde beschuldigen? — Jesus freute sich recht oft in der freien und schönen Natur, wo er seine Zuhörer und Jünger auf eine sichtlichere und fühlbarere Art zur Erkenntniß der Macht, Weisheit und Güte seines ewigen Vaters hinführen konnte; er freute sich im Umgänge mit seinen Schü¬ lern und Freunden, die ihm mit Liebe und Treue anhingen; er genoß mit dankbarer Freude seine mässige Nahrung; selbst einem Hochzeitmahle wohnte er mit seiner Mutter und seinen Schülern bei; und überhaupt freute er sich dann am herzlichsten, wenn er den Menschenkindern Freude machen konnte; wenn er Trauernde tröstete, Unwissende belehrte, Kranke heilte, Hungrige speiste, wenn er Sünder für Wahrheit und Tugend gewann. So hat uns Jesus zugleich gezeigt, daß der Weg der Lugend und des ewigen Heils, den er uns selbst voranging, nicht freudenleer sey, daß er uns vielmehr tausend reine schuldlose Freuden gewährt, damit wir auf der Reise nicht muthlos werden, den Beschwerden der Wanderschaft nicht unterliegen, von Zeit zu Zeit neue Kräfte sammeln und unsere Reise in die glückliche Heimath standhaft sortseßcn. Allein, was hilft es, da Viele aus uns für die reinsten und edelsten Freuden, in welchen Jesus seine Seligkeit suchte und fand für die Freuden der Tugend allen Sinn verloren haben. Die Tröstungen, die Hoffnungen und Freuden der Religion sind verloren für die Schwachgläubigen oder ganz Ungläubigen unserer Tage, die sich um das h. Evangelium und seinen Inhalt nicht kümmern, die den guten Vater im Himmel nicht kennen und kein wahres Verlangen haben nach jener unaussprechlichen Selig¬ keit, welche er uns am Ende unserer Wanderschaft vorbereitet hat. Verloren sind jene reinen Freuden, die hervorgehen aus einer edlen Freundschaft, die sich auf christliche Weisheit und Tu¬ gend gründet, verloren sind diese Freuden für Alle, in denen nur noch lebt und wirkt der Trieb nach thierischcr Lust. Verlo¬ ren sind für Viele die reinen Familienfreuden, seitdem wilde Lei¬ denschaften alle Familienbande schändlich zerreißen. Verloren sind die seligen Freuden an dankbaren und wohlgerathenen Kindern, seitdem ungläubige oder ausschweifende Aeltern durch Wort und » -) » )> 190 «««« Lhat die ersten und gefährlichsten Verführer ihrer eigenen Kinder geworden sind. Verloren sind endlich alle die seligen Freuden, welche hervorgehen aus menschenfreundlichen wohlthätigen Werken, denen Jesus eine ewige Belohnung zugesichert hat; — verloren sind diese ungetrübten Freuden für Viele unserer Zeitgenossen, seitdem die Leidenschaften des Wuchers, der Habsucht, der tlex- pigkeit und des übertriebenen Aufwandes herrschender und die Nächstenliebe seltener geworden ist. Und nun scheint freilich den meisten unserer Zeitgenossen dec Weg der Lugend, den uns Jesus durch Wort und Beispiel be¬ zeichnet hat, ein trauriger freudenloser Weg zu seyn. Nun ach¬ ten sie weder die Warnungen, noch die Beispiele Jesu, den uns der ewige Vater zum Hirten und Führer auf der Reife in die Ewigkeit entgegengefchickt hat; sie eilen hin auf die Abwege der Sünde, durchbrechen alle Schranken - des Rechtes und der Scham¬ haftigkeit, und stürzen sich, dürstend nach sinnlicher Freude, allen Ausschweifungen in die Arme, können so ewig nicht anlangen in ihrem seligen Vaterlande, sondern gehen auf den Irrwegen des Lasters für immer zu Grunde. — O meine Lieben! lassen Sk uns doch durch die Beispiele dieser irrenden Brüder nicht selbst irre werden! — Lassen Sie uns standhaft und beharrlich den zwar schmalen aber einzig sichern und gewiß nicht freudenleeren Weg verfolgen, welchen uns Jesus unser guter Hirt nicht bloß mit Worten, sondern auch durch sein eigenes Beispiel in die bes¬ sere Ewigkeit hingezeigt hat — den Weg der Demuth und Be¬ scheidenheit, der Mässigkeit und Gerechtigkeit, den Weg der Schamhaftigkeit und Keuschheit — kurz den Weg der christlichen Weisheit und Tugend. Lassen Sie uns unsere Augen unvcrrückt hinrichten auf Jesum unser Vorbild und Muster > auf ihn den heiligen und liebreichen Reisegefährten, den uns der erbarmende Vater auf unserer Hinreise entgegengefchickt hat, damit er uns gleichsam Hand in Hand in unser seliges Vaterland führe. Je¬ sus der Sohn Gottes selbst hat uns den Weg geebnet, lassen Sie uns freudig in seine Fußstapfen treten und ihm standhaft nachfolgen, und wir können unter der liebreichen, weisen, mäch¬ tigen Leitung und Führung dieses guten Hirten den rechten Weg zu unserem Vater im Himmel nicht mehr verfehlen. Auren. » » »>- 191 «««« Am dritten Sonntage nach Ostern. »Hr werdet traurig seyn, aber eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden.« Joh. 16, 20, Eingang. Obschon Jesus den galiläischen Fischern, als sie auf seinen Wink Alles verlassen hatten und ihm nachgefolgt waren, weder zeitliche Güter, noch menschliche Würden, noch irdische Freuden verstrach: so lebten sic doch heitere und glückliche Tage an seiner Seite. Er war ihnen ja der weiseste Lehrer, der beste Rathgeber, der treueste Freund — der zärtlichste Vater. Wie liebende Söhne fassen sie oft um ihn herum; legten ihm ihre einfältigen Zweifel, ihre eingesogenen Vorutheile, ihre kindischen Hoffnungen vor, und Jesus — ließ sich schonend zu ihren Schwächen herab und mit aller Sanftmuth und Liebe erleuchtete er den Verstand nnd veredelte das Herz der Jrdischgesinnten. Sie kannten seine unendliche Menschenliebe, sie sahen seinen heiligsten Wandel, sie waren Zeugen seiner göttlichen Wunderthaten — kurz sie fühl¬ ten sich glücklich Schüler dieses göttlichen Lehrers zu heißen. — Aber cs sollte nicht immer so bleiben. Denn näher und näher rückte die bittere Stunde seiner Leiden, und mit ihr eine Tren¬ nung, wie die eines zärtlichen Vaters von seinen geliebten Kin¬ dern. Auf diesen Schmerz mußten sie vorbereitet werden, damit er sie zu seiner Zeit nicht ganz zu Boden drücke. Jesus that dieses schonend und liebreich in der rührenden Abschiedsrede, die er kurz vor seinen Leiden an sie hielt. Da sagte er ihnen so¬ wohl seine eigenen Leiden, als ihre künftigen widrigen Schicksale voraus; aber er verband mit deren Ankündigung sogleich auch Worte des Trostes: Ihr werdet trauern, sprach er, aber eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden; diese Freude wird euch bleiben und von Niemand genommen werden. — Ihr wer¬ det trauern bei meinem Tode, aber desto grösser wird eure Freude sevn über meine Auferstehung — ich werde euch zwar verlassen und ju meinem Vater gehen, aber es ist gut für euch, daß ich zu ihm gehe, denn ich werde euch einen mächtigen Tröster senden — den h. Geist. Durch dergleichen tröstliche Verheißungen wußte also Je- » » » » 192 «««« sus seine Schöler für kommende Leiden zu starken. Aber derlei Lr°. ihncr stungen bedurften nicht allein die Schuler Jesu — wir bedürfen ^rt derselben auch, denn Leiden waren nicht das Los der Schüler Jesu allein? Sie sind das Los Aller, die das Licht der Welt HM erblicken, und darum auch das Unsrige. — Da indessen Leiden che so unzertrennbar mit unserer Natur vereiniget sind, so dürften sie etwas Wohltätiges an sich haben. — Wir wollen heute darü- hier her nachdenken. Sollte auch der Nutzen dieses Nachdenkens für hat die Gegenwart nicht einleuchtend seyn, so kann er es für die Zn- hen kunft werden, d. h. auch in heitern Tagen müssen wir uns waff- M nen und stärken gegen unbekannte Leiden, die uns erst die Zukunft der entschleiern könnte. grc Abhandlung. iro irr Wahr ist es immerhin, daß es auf dieser Erde keinen ganz leidensfrcien Zustand gibt, meine Lieben! >— der König wie der be Bettler hat diese Erfahrung, denn sie ist eine allgemein mensch- dc liche. Freilich wohl, wird der Leidenskelch dem Einen mehr, dem sei Andern weniger voll eingeschenkt, dem Einen früher dem Andern - später dargcreicht, aber kosten muß ihn sicher Jedermann. — E Wenn der Mensch hoffnungslos leidet, wenn er Alles eingebüßt w hat, was ihm theuer war, oder was ihm das Leben hienicdcn w verfüssen könnte; so kann es uns nicht wundern, wenn er da den ii herben Schmerz nicht nach Willkühr unterdrücken, die gerechten ri Lhränen nicht allzeit zurückhalten, der frischen Wunde nicht immer z gebiethen kann, daß sie nicht blute; denn der Mensch kann es u bei allem Heldenmuthe nicht verläugnen, daß er ein sinnliches, ( fühlendes Wesen sey. Indessen mehr sollte es uns wundern, daß e es Menschen gibt, die alle Uebel und Leiden, die den Sterblichen r hienieden begegnen oder begegnen können, absichtlich herausheben f und in einem vergrößerten Maßstabe zur Schau aufstellen, um i nur mit mehr Recht behaupten zu können: Die Erde sey ein Jam- " ! merthal. — Solche Menschen verdienen nicht sowohl Geringscha« tzung, als vielmehr inniges Mitleid. Denn da sie die Freuden, deren uns der gütige Schöpfer so viele bereitet hat, daß sie noch immer die Summe der Leiden überwiegen, vollkommen übersehen oder undankbar von sich ablehnen: so ist die Erde für sie ein wirkliches Jammerthal. Wo sie sich auch hinwenden, Alles scheint »»»» 1l)3 «««« ihnen wie mit einem Trauerflore Überhängen, sie fühlen selbst dort Eckel und Ueberdruß, wo ein zufriedenes Geinüth die reinste unschuldigste Freude genießt, sie verschließen jeder frohen Empfin¬ dung den Zutritt zu ihrem Herzen. Die Ursachen, warum man¬ che Menschen eine mehr oder weniger finstere Ansicht vom gegen¬ wärtigen Leben haben, sind zwar mannigfaltig; wir wollen aber hier nur die gewöhnlichste anführcn, die bei den Meisten Statt, bat. — Es ist Unkcnntniß von dem wahren Zwecke irdischer Lei¬ den. Man betrachtet diese größtenthcils nur von ihrer düstern abschreckenden Seite, da sie doch bei källcrm Blute mit dem Lichte der Vernunft und Offenbarung beleuchtet wahre Wohlthaten, oft grössere Wohlthaten» als die Freuden selbst sind. Sie sind einmal der Prüfstein menschlicher Lugend. Denn woraus sollen wir erkennen, ob wir gut oder böse feyen, wenn wir immer frei von Leiden wären? Wie könnten wir im steten Genüsse des Glückes erfahren, ob wir jene Starke des Geistes besitzen, die die Tugend von ihren Verehrern fodert? — sie fo- dcrt aber, daß man in allen Umständen und Lagen des Lebens, selbst in den nicdcrschlagendsten, dem Gesetze Gottes treu bleibe. — Diese Stärke des Geistes kann uns aber wahrhaftig das Glück nicht geben. Fragen wir uns nur selbst, meine Lieben: wann dachten wir öfter und lieber an unfern Schöpfer? wann war uns sein Wille heiliger, wann seine Liebe wünschenswerther? im Wohlstände — im rauschenden Vergnügen? — oder in trau¬ rigen Lagen, in sorgenvollen Stunden des Lebens? — O ich jwcifle lucht, daß Sie hierin vollkommen meiner Meinung seyen: nämlich, daß es viel schwerer sey im Glücke sich als würdiger Sohn des Himmels zu behaupten, ein Liebling Gottes zu bleiben, als im Unglücke. Das wollte uns eben Gott selbst zeigen in der rührenden Parabel vom verlornen Sohne. — So lange diesen sein reiches Erbe in den Stand setzte, entfernt von seiner Hei- math nach seinen -Wünschen zu leben, so lange regte sich wohl kein kindliches Gefühl in seinem Herzen, unbekümmert um den Gram seines liebevollen Vaters, unbekümmert um die Zukunft, genoß er in fortwährender Schwelgerei der Gegenwart. Aber als er sein väterliches Gut vergeudet hatte, als er von der tiefsten Armuth gedrückt, gezwungen ward die verächtlichsten Dienste zu leisten; als er so tief gesunken war, daß er mit Kleien feinen Hunger gerne gestillt hätte, wenn ihm genug zu Lheil geworden » » » » 194 «««« wären: da öffnete ihm seine drückende Armuth die Augen, da stellte er heilsame Betrachtungen an, verglich seinen ehemaligen glücklichen Zustand mit seinem gegenwärtigen bedauernswürdigen, und klagte bei sich: O wieviel sind nicht Knechte und Taglöhner m meines Vaters Hause und alle haben Brot im Ueberflusse, ich aber muß hier fast Hungers sterbens— Und in dieser schmerz¬ lichen Betrachtung ging er so weit, daß er den festen Entschluß faßte, aller Schande und Verachtung ungeachtet, die ihn, wie» es verdiente, treffen könnte, in das väterliche Haus zurückzukeh- ren. — Ich will mich aufmachen, sprach er, und zu meinem Vater gehen- Ich will ihm sagen: Vater! ich habe gesündiget wider dich und den Himmel, ich bin nicht mehr würdig dein Sohu zu heißen, aber mache mich nur zu einem der geringsten deiner Knechte. — Welch' erstaunungswürdige Veränderung! Ernst wnr es dem Uebcrmüthigen nicht genug als Sohn geehrt und gefürch¬ tet im väterlichen Hause zu herrschen, — jetzt schätzt er sich glück¬ lich dem niedrigsten Knechte gleich gehalten zu werden. Was war wohl grössere Wohlthat für ihn, der Wohlstand, der seinen schändlichen Abfall vom Vater erzeugte, oder das Unglück, das seine reuige demüthige Rückkehr zu demselben bewirkte? — Lei¬ den Dienen uns also zum echten Prüfsteine, ob wir mehr der Lu¬ gend oder dem Laster angehören. Leiden zeigen uns aber auch wie weit wir schon in der Tu¬ gend fortgeschritten sind. Denn wenn uns jede geringe Schwie¬ rigkeit, jedes unbedeutende Ucbel schon bestimmen kann, wider den Willen Gottes zu handeln oder zu klagen: so ist das ein sicheres Zeichen, daß wir in der Tugend noch sehr kleine Fort¬ schritte gemacht haben, daß wir Gott noch nicht aus ganzer Seele lieben. Hingegen wenn kein noch so grosses Unglück, noch so schmerzliches Leiden unsere Achtung für das Gesetz Gottes zu schwächen vermag, dann dürfen wir hoffen, daß uns Gott Alles ist, daß wir jene Stärke besitzen, die mit der wahren Lugend unzertrennlich vereiniget ist. Eine solche bewunderungswürdige Stärke zeigte Abraham, als Gott seinen Glauben der härtesten Prüfung unterwarf. Abraham, sprach Gott, nimm deinen Sohn Isaak, den du liebst, besteige mit ihm einen Berg, den ich dir zeigen werde, und bringe mir ihn dort als Brandopfer dar. Höchst niederschlagend war gewiß dieser Befehl für den zärtlichen Vater, dessen größte Freude und Hoffnung der einzige Sohn war. A- -- » >- 195 «<<« « Aber ihn stärkte der Glaube; früh Morgens macht er sich reise¬ fertig, bereitet ein Bündel Holz für das Opferfeuer, und reiset mit seinem Sohne in Begleitung einiger Diener nach dem be¬ stimmten Orte. Am dritten Lage erst wird er des von Gott bezeichneten Berges gewahr. Er läßt seine Diener zurück, ladet den Bündel Holz dem kleinen Isaak auf die Schulter, er selbst trägt das nöthige Lpferfcuer und das Schwert, und so steigt er mit Isaak den Berg hinan. Mit schweren Schritten, schweigend, mit innerm Schmerze kämpfend führt der liebende Vater seinen einzigen hoffnungsvollen Sohn den schweren Todcsgang! — Ver¬ setzen Sie sich in seine Lage, liebende Aeltern! Sie werden die Grösse seines Schmerzes leichter fassen, aber auch seine Geistes¬ stärke mehr bewundern können. Denken Sie sich auch den wich¬ tigen Umstand hinzu: Gott hatte nicht lange vorher dem Abra¬ ham die grosse Verheißung gemacht, daß er ihn in seinen Nach¬ kommen segnen und sie vermehren wolle wie den Sand am Meere, und jetzt befiehlt er ihm den einzigen Sohn, auf dem so grosse Verheißungen ruhten, als Brandopfer zu schlachten. Der kleine Isaak, dem die ganze Reise noch ein Gehcimniß war, unterbricht das düstere Schweigen: Vater! ruft er, —- was willst du, mein Sohn? fragt Abraham. Sieh' doch, ent¬ gegnet Isaak, wir haben Feuer und Holz, aber wo ist denn das Brandopfer? Ach, der atme unschuldige Knabe! wie hätte er sich auch denken können, daß er selbst dieses Brandopfer sey, daß die Hand des Vaters das Schwert über sein Leben schwingen, daß er auf dem Bündel Holze, das seine zarten Schultern trugen, z» Asche verbrannt werden solle. Dem guten Vater brach das Herz bei dieser unbefangenen Frage — er konnte seinem Sohne das Todesurtheil noch nicht bekannt machen — mit einem weh- wüthigen Blicke zum Himmel antwortete er: Gott selbst, mein Sohn, wird für das Opfer sorgen, somit schwieg er wieder. Sie erstiegen' den Gipfel des Berges. Abraham errichtet einen Opferaltar, legt das Holz darauf, und jetzt erst gibt er dem Sohne einen Wink, daß er das Brandopfer sey. Willig läßt sich der Kleine von seinem Vater binden und auf den Altar legen. Jetzt zieht Abraham das Schwert mit blutendem Herzen mit zit¬ ternder Hand, aber mit lebendigem Glauben an Gott. Doch ein En¬ gel halt den Todesstreich ab, der dem theuern Leben des einzigen Soh¬ nes gelten sollte. Abraham hatte die Prüfung bestanden bis aus den »»-»>> 19Ü « « « letzten, entscheidenden, für ihn fürchterlichen Augenblick — er selbst hätte sichs ohne dieser Prüfling nie geglaubt, wie stark der Mensch scyn kenne im festen Glauben an Gott. Sehen sie, meine Lieben, so erhaben, so würdevoll, so göttlich steht der Mensch da, wenn er durch Leiden geprüft und bewährt gefunden worden ist. Leiden sind ferner auch ein festes Band, das unsere schönsten gegenseitigen Verhältnisse knüpfet und erhält. Wie viele schöne Lugenden würden wir gar nicht kennen, in der Gesellschaft gar uicht auszuüben im Stande seyn, wenn wir ganz frei von Leiden wären. Denken Sie nur selbst etwas nach, meine Theuern! — Worauf gründen sich denn größtenteils die schönen Gefühle der christlichen Liebe, der Freundschaft, der Dankbarkeit, des Mitleids, der Barmherzigkeit! — Auf Leiden gründen sie sich. Was be¬ festiget denn nachdrücklicher die Treue, den Gehorsam, die Ge¬ rechtigkeit und Wahrheitsliebe? Leiden befestigen sie. Wären wir alle gleich vermögend, gleich angesehen, gleich glücklich, — wir würden von allen diesen schönen Lugenden nichts wissen; Keiner würde sich dem Andern nähern, sich an ihn anschließen können, weil Einer des Andern nicht bedürfen würde. Nichts erträgt doch das menschliche Herz schwerer, als wenn cs auf alle Freund¬ schaft Verzicht leisten muß. Diese Freundschaft könnten aber wir eben so wenig Andern, als Andere uns geben, wenn wir Alle ein gleich leidenfreies glückliches Leben genießen würden; denn die wahre Freundschaft besteht eben darin, daß man seines Neben¬ menschen sclbst in seiner traurigsten Lage nicht vergißt, sondern ihm rathet, ihn unterstützt und tröstet, oder doch lebhaften An- theil nimmt an seinem Mißgeschicke. Wer seinem Nächsten nur in glücklichen Tagen anhängt, ihn aber in traurigen flieht, der war nicht sein Freund, und Niemand aus Ihnen wird ihn mit diesem edlen Namen bezeichnen wollen. — So sind denn Leiden eine reichhaltige Dluelle der schönsten Tugenden, sie veredeln sclbst unsere gesellschaftlichen Freuden und verfeinern unfern Le¬ bensgenuß. Denn niemals genießen wir eine Freude mit heite- rerm und dankbaren» Gemüthe, als wenn sie uns durch ein vor- ausgegangenes Leiden gewürzt worden ist: so wie uns kein Tag im Jahre so schön verkommt und unsere Brust so freudig hebt, als der erste milde freundliche Frühlingstag, der auf den rau¬ hen Winter folgt. »>-»>- 197 Leiden sind endlich auch das sicherst« Verwahrungsmittcl wi¬ der die unordentliche Vorliebe für das Irdische. Je heftiger der Mensch für das Zeitliche eingenommen ist, je mehr er lechzet nach irdischen Gütern und Freuden: desto heilsamer ist es für ihn, wenn er öfters schmerzliche Stösse von der Welt bekommt; wenn ihm eine schimmernde Hoffnung vereitelt, eine nichtige Freud? verbittert, ein vergängliches Gut entrissen wird. Derlei bittere Erfahrungen führen ihn zum ernsteren Nachdenken, machen ihn aufmerksamer auf seine hohe Bestimmung, auf die unvergängli¬ chen Güter eines bessern Lebens. — Der Sünder, der im Schooße des Glückes saß, fühlt, wenn er unversehens durch einen widri¬ gen Zufall von seiner Höhe gestürzt worden ist, den Fall desto schmerzlicher, er wird aus seinem Sündeuschlafe gerüttelt, er fängt an einzusehen, daß er sein Glück auf einem Wege gesucht, wo ev es ewig nicht finden kann, und so kehrt er reuig zurück auf den Pfad der Tugend, den er von den Lockungen des Lasters geblen¬ det verlassen hatte. Der Gerechte aber erkennt eben aus dem schmerzlichen Falle des glücklichen Sünders, wie täuschend, wie unbeständig, wie nichtig alles Irdische sey; darum schließt er ßch fester an Gott an, wird im Vertrauen auf ihn immer mehr ge¬ stärkt, und ist fest überzeugt, daß nur ein reines Gewissen hie- nieden das größte Gut, die sicherste Lrostquelle sey, die nie vcr- fiegt. Sehen Sie, meine Lieben, so sind irdische Leiden vielfältig die wirksamsten Mittel unser wahres Wohl zu begründen, und die weife Vorsehung bedient sich derselben bald um den Guten zu prüfen, ihn wie das Gold im Feuerofen von Unvollkommenheiten zu reinigen, seine Tugend zu erhöhen und zu verherrlichen; bald um den Bösen aus seinem gefährlichen sorglosen Schlummer zu wecken, zup Selbstkenntniß zu führen, ihn zur ernsten Rückkehr zu ihm zu bewegen; bald auch um durch ein geringeres Uebel ein ungleich grösseres von uns abzuwenden, oder um uns für den Genuß edlerer Freuden fähiger zu machen, uns dieselben zu erhö¬ hen und zu versüßen. Wenn wir aus diesem Gesichtspunkte die Leiden betrachten, so werden wir die Erde für das nehmen, was sie wirklich ist, nämlich für eine Pflanzschule der Lugend, in welcher Leiden eben so gut als Freuden nothwendige kräftige Mittel sind unfern Wachsthum im Guten zu fördern, uns zur Seligkeit heranreifen zu machen. Denn was könnte uns in dixsey ))» » » 198 «««« Pssanzschule, in diesem Crziehungshäuse Widriges begegnen, daj nicht zu unserm wahren Vesten wäre, da Gott selbst unser Er¬ zieher ist. Der allweise, höchst mächtige, unendliche, gütige Va- ter unser Erzieher, welch' tröstender Gedanke! Nein, wir wollen nicht muthlos, nicht zaghaft werden, wenn du uns Leiden schickest, gütigster Vater, denn du schickest sie uns nur aus Liebe, weil du die Liebe selbst bist. Mit kindlichem Gehorsam wollen wir deine väterliche Hand küssen, die uns schlägt in der trostreichen Überzeugung, daß das Kind, welches deine Ruthe züchtiget, — dein Liebling ist! Auch dein Sohn Jesus, unser Heiland, der Unschuldigste, konnte nur auf dem Wege der Leiden wieder in seine Herrlichkeit eingehen. Diesen nämlichen Weg hat er seinen Schülern vorgebahnt, und auch uns, wenn wir ihm Nachkommen wollen. Za wir verlangen dir nachzukommen, verherrlichter Sohn der ewigen Vaters, aber unterstütze huldreich uns schwache Wan¬ derer auf dem dornenvollen Wege, damit wir glücklich erreichen das gewünschte Ziel, wo himmlische Ruhe unser wartet. Amen. Am vierten Sonntage nach Ostern. »Wenn der Geist der Wahrheit kommen wird, wird er euch alle Wahrheit lehren.« Zoh. »6, i3. Eingang. ^m heutigen Evangclio wird uns die dritte Person der h. Geist in der Gottheit deutlich, soviel nämlich, als wir von ihm hienie- den zu wissen nvthig haben, gcoffenbaret. Jesus spricht von dem Wesen und dem Ursprünge von den Eigenschaften »ud Wirkungen des h. Geistes, als der dritten göttlichen Person ausführlicher mit seinen Jüngern. Er sagt, daß er, wenn er zum Vater auf- gefahren seyn wird, diesen h. Geist zu ihnen herabfenden wolle, und läßt sie zugleich aus allen seinen Worten schließen, daß die¬ ser Geist mit ihm und dem Vater ein Herr, ein Gott, ein und dasselbe höchste Wesen sey, wenn er gleich von beiden vom Va- » » »>- 199 «««« ter und Sohne zugleich ausgehct. Er nennt ihn einen Tröster, einen Lehrer der Wahrheit, einen Kundmacher zukünftiger Dinge, einen Ucberzeuger und Ankläger der bösen verderbten Welt. Ne¬ benbei gibt Jesus seinen Jüngern besonders zu verstehen, daß ihnen nichts nöthiger sey, als die Ankunft, die Gegenwart, der Beistand, Trost, Unterricht und die Wirkungen dieses göttlichen Geistes; und er fodert von ihnen, um ihn in seiner ganzen Fülle zu empfangen, gewisse Bedingungen, unter welchen allein derselbe sein göttliches Amt an ihnen vollbringen und ihren bis daher ungelehrigen Verstand vollkommen erleuchten würde. Wenn der Trester der Äsahrheit kommen wird, sagt Jesus, wird er euch alle Wahrheit lehren. Was sind aber das für Bedingnisse, un¬ ter welchen nur der h. Geist über die Apostel kommen würde:' Wenn wir das Evangelium aufmerksam durchgehen, so finden wir darin deren zwei, die als Hauptbedingungen, alle anderen in sich schließen, nämlich die Apostel sollten zuerst der sichtbaren Gegenwart ihres Meisters Jesu Christi beraubt werden, und so des sinnlichen Trostes, den sie daraus schöpften, entbehren, und — sie sollten mit allen ihren Gedanken, Neigungen und Wünschen dorthin nachfolgen, wohin ihnen ihr göttlicher Meister nun vor- ausgehen werde, d. h. sie sollten von nun an nicht mehr so ir¬ disch, sondern ganz himmlisch gesinnt seyn. Darin sollte also nach der Aeußerung des Heilandes die Vorbereitung seiner Jünger auf den Empfang des h. Geistes be¬ stehen. Wenn wir nun als Christen ebenfalls Jünger desselben göttlichen Heilandes sind, — wenn wir an den h. Geist glauben, glauben, daß seine Gnade zu unserer Heiligung unentbehrlich ist, daß uns ohne sie weder die Erschaffung noch die Erlösung etwas nutze, wenn wir wissen, daß der h. Geist derjenige ist, der das Geschäft unseres Heils anfängt, fortsetzt und vollendet, so muß es für uns überaus wichtig seyn, auch zu wissen: wie wir uns dieses göttlichen Gastes abermals würdig machen können, wenn wir ihn einmal zu verlieren das Unglück harten's oder auch wie wir, wenn wir seine Kraft in uns geschwächt haben, uns seiner Wirkungen wieder vollkommen erfreuen können? — Die Antwort auf diese wichtige Frage liegt eben auch im Inhalte des heutigen Evangeliums. Was nach den Worten des Heilandes für seine Apostel uothwendige Bedingung zum Empfange des h. Geistes war — das nämliche ist und muß auch dem Wesen nach auch uylh- »»»» 200 «««« wendig» Bedingung für uns Christen seyn. Um nämlich des h. Geistes und seiner Gaben theilhastig zu werden, muß der Christ zuerst sein Herz und seine Neigung von der Weit und dem Jr. discken losreißen, und zweitens: er muß cs zu den himmlischen Gütern erbeben. Die Abziehung des Herzens von der Welt soll die Hindernisse beseitigen, die dem Einflüsse des heiligmachcndcn Geistes im Wege stehen, die Erhebung des Herzens zu den ewi¬ gen Gütern aber wird den Einfluß dieses heiligmachcndcn Geistes bcf rdern, Vernehmen Sie mich hierüber mit williger Aufmerk, san kcit. Erster Theil. Die erste uud nothwendigste Bedingung um den h. Geist und seine Gaben zu empfangen besteht darin, daß der Christ scm Herz und seine Neigungen von der Welt, und von irdischen Din¬ gen losschalt. Nichts anders als dieses wollte der Heiland seinen Jüngern einschärfen, als er ihnen seine bevorstehende Entfernung von der Welt und seine Trennung von ihnen verkündigte. Denn diese an sich zwar guten Seelen hatten ungeachtet alles Unter¬ richtes ihres göttlichen Meisters dennoch einerseits noch allzu irdi¬ sche Begriffe, und andererseits noch allzu sinnliche Neigungen. Nach Art ihrer ganzen Nation lebten sie in dem Vorurtheile: der Messias werde in dieser Welt sein Reich aufrichtcn, und dann hingen sie durchaus mehr mit einer blos menschlichen Zärtlichkeit dem Troste seiner sichtbaren Gegenwart nach. Diese Begriffe nun, und die daraus hervorgehenden Neigungen und Gefühle, wollte Jesus an seinen Jüngern reinigen und verbessern, um sie auf die Ankunft des h. Geistes, den er ihnen zu senden versprach, fähig und geschickt zu machen. — In Betreff des Ersten, nämlich der falschen Begriffe von dem Reiche des Messias, sagte er zu ihnen: Ich gehe hin zu dem, der mich gesandt hat, d. i. wie ec es darnach selbst deutlich erklärte: Ich bin von dem Vater ausge¬ gangen und in die Welt gekommen; nun aber verlasse ich die Welt wieder. Die Welt, wollte er sagen, hat mich nur darum gesehen, weil ich den Auftrag meines himmlischen Vaters erfül¬ len — seinen h. Willen verkündigen, und seine Ehre befördern und ausbreiten mußte. Meine Gesandschaft ist nun bald vollbracht; ich habe auf der Welt nichts mehr zu thun, als daß ich noch für 201 «L««« das Menschengeschlecht in den Lod gehe, und mich dann von hin¬ nen entferne. Sie, die Welt selbst wird mich tödten, und sie zu verlassen zwingen. Ihr könnet also da keine Glückseligkeit hoffen, wo ich im sterblichen Fleische keine gesucht und gefunden habe. Vielmehr dürfet ihr von der Welt, die mich eucrn Mei¬ ster zuerst gehaßt hat, nichts anders erwartest, als was ihr mich in ihr werdet leiden sehen — Verachtung, Verfolgung, Martern und Tod, so wie ich es euch bereits vvrhergesagt habe. — Seyd aber, fuhr Jesus zu seinen Jüngern fort — seyd nicht traurig darüber. Ihr habet mir doch jederzeit geglaubt und bekannt, daß ich die Worte des Lebens habe. Ich versichere euch nun: mein Hicrbleibcn würde nicht gut für euch seyn; es würde euch nur grösserer und besserer Güter berauben — ich sage euch die Wahrheit: cs ist euch zuträglicher, daß ich von hinnen gehe. Wie denn, meine Lieben! war die Gegenwart Jesu nicht vortheilhaft für die Jünger? Ohne Zweifel war sie es. Erging ja mit ihnen wie mit seinen vertrautesten Freunden, wie mit seinen geliebtestcn Kindern um. Sie erblickten an ihm eine Weisheit, der nichts widerstehen konnte; sie wurden eine Macht an ihm gewahr, welcher alle Krankheiten, die bösen Geister urd der Tod selbst weichen mußte — eine Menschenfreundlichkeit, Demuth, Sanstmuth und Liebe, die Alles an sich zog — sie sahen den schönsten unter den Menschenkindern, auf dessen Lippen die Fülle aller Gnaden ausgegvssen war. — Allein alles dieses nahm ihr Herz mehr auf eine sinnliche Art ein, sie vertieften sich ganz in den sinnlichen Trost seiner sichtbaren Gegenwart; sie würben, wenn die Umstände so geblieben wären, keinen andern und höhern Trost weder verlangt, noch empfangen haben — sie würden niemals durch die Hülle der Menschheit, so zu sagen bis zur Gottheit Jesu Christi recht hindurchgedrungen seyen. — Die Liebe also, die bloß natürliche und menschliche Liebe zu Jesu Chri¬ sto, so unschuldig sie auch an sich war, war doch bei den Jüngern ein zweites Hinderniß für den Empfang des h. Geistes, welches Hinderniß Jesus Hinwegräumen wollte. Wenn ich nicht hiugchen werde, sprach er, so kömmt der Tröster nicht zu euch. Sein Herab¬ steigen ist nämlich wie der Ausguß einer köstlichen Salbe, die Ge¬ schirre, die sie aufnehmen wollen, müssen vor allen andern Säften leer seyn; er ist der Gott alles himmlischen Trostes; die Tröstun¬ gen des Himmels und jene der Erde vertragen sich aber nicht mit » v » >- 202 « t< « « einander; er ist der Lehrer der ewigen Weisheit, als solcher kann er aber bei dem Geräusche weltlicher Neigungen keinen Zugang zum Herzen des Menschen finden. Wenn ich also nicht hingch, so kommt der Tröster nicht zu euch — aber nach meinem Ab. scheiden werde ich ihn zu euch senden. Mein Hintritt, wollte Jesus zu seinen Jüngern sagen — mein Hintritt erst, wird euch die Welt verleiden, meine Abwesenheit wird euern noch allzn kni. dischen Neigungen und Gefühlen die Nahrung benehmen, und dann erst werdet ihr fähig seyn, den Trost, die Salbung, die Lehre und alle die Gaben des h. Geistes zu überkommen, den ich euch herab¬ senden werde. So sind die Foderungen des Heilandes an seine Jünger ia Hinsicht auf den Empfang des h. Geistes beschaffen. Wenn nun aber diese ersten Schüler Jesu ihre Vorurtheile ablegen mußten, mit denen sie für ein irdisches Reich eingenommen waren — wenn sie sogar des unschuldigen sinnlichen Trostes entbehren mußten, den sie aus der sichtbaren Gegenwart ihres göttlichen Meisters schöpften, bevor sie mit der Kraft von Oben — mit der Stärke des h. Gei- stes ausgerüstet werden konnten, wie sollten dann wir würdige Gegenstände und angenehme Wohnungen dieses h. Geistes werden, wenn wir entweder gänzlich von dem Geiste der Welt angefüllt sind, oder doch an irgend einem Geschöpfe der Erde noch fcfttlcben? — Der Heiland hat es an einem andern Orte in seinem Evangelium recht bestimmt ausgesprochen, daß die Welt, d. i. die Liebhaber dec Welt, den h. Geist nicht empfangen können. Und von was für einer Welt redete er da? von einer Welt, deren Grundsätze den Grundsätzen des Evangeliums geradezu entgegengesetzt sind; von einer Welt, welche diejenigen selig spricht, denen hienieden alles nach Wunsch und Willen geht; von einer Welt, welche ihre Glückseligkeit nur in den Reichthümcrn , Ehren und Wollüsten setzt; von einer Welt, welche auch kein besseres Loos verlangt, als nur zu leben und zu genießen, wie die vernunftlosen Lhiere. Diese Welt, sagt der Heiland, kann den h. Geist nicht empfangen. Dieses nämliche geht ganz deutlich auch aus seinen Worten im heutigen Evangelio hervor. Denn, nachdem ec seinen Jüngern, wenn sie der Welt entwöhnt seyn würden, die tröstliche Ankunft des h. Geistes zugesichert hatte, so setzte er in Bezug auf die Welt hinzu: Wenn dec Tröster kommen wird, wird er die Welt der Sünde, der Gerechtigkeit und des Gerichtes überzeugen. — d. h. »»))» 203 « « « « vcr h. Geist wird der Welt ihre Sünden und Laster, und beson¬ ders ihre Undankbarkeit gegen Gott vorrücken —- er wird sie ta¬ deln, daß sie keinen Hunger nach der wahren Gerechtigkeit, nach christlicher Tugend habe — er wird sie bestrafen, daß sie die fürch¬ terlichen Gerichte Gottes weder von ihrer Sündenbahn abschrecken, noch von ihrem Schlummer erwecken konnten — er wird also nicht für, sondern wider die Welt — er wird zu ihrer Schande, zu ihrem Schrecken und zu ihrer Verdammung seon. — Daher, wenn der h. Apostel Paulus will, daß sich die Gläubigen, nachdem sie den h. Geist verloren hatten, durch ihn wieder erneuern sollten, so er¬ mahnt er sie, daß sie den alten Wandel und die thörichten Begier¬ den ablegen mochten, mit denen sie von der Welt, von der Hof¬ fart und von dem Fleische umhergetrieben wurden. Wir müssen demnach jede unordentliche Neigung, um so mehr den Hang zum Irdischen in uns ertödten, wenn der Geist des Herrn wieder in uns aufleben und sich durch seine heilsamen Wir¬ kungen äußern soll. Die Hausgeschäfte, die Amts - und Berufs- sorgcn, denen man früh und spät ausgesetzt ist, sind, wenn man sie nicht für ein anderes Leben zu heiligen und verdienstlich zu ma¬ chen sucht — soviel als Disteln und Dörner, die das Wort des h. Geistes, das er zu unseren Seelen redet, ersticken. — Die allzu feine Bemühung und Sorgfalt seiner Kräfte zu schonen, seinen verweslichen Leib zu pflegen und zu zieren, in den Gesellschaften zu glänzen, den Augen der Menschen zu gefallen — ist der Wind der Eitelkeit der den heilsamen Hauch des h. Geistes verwehrt. Die sinnliche irdische Liebe zu irgend einem Geschöpfe, das man nicht so fast wegen Gott, als wegen natürlichen Vorzügen »lebt, ist gleichsam das Schwert, welches das menschliche Herz theilt, und dem Geiste der reinen Liebe wenig oder gar keinen Raum übrig läßt. Oder kann man wohl von jenen Christen, welche für den Dienst der Welt, für den Dienst ihres Fürsten, für den Dienst ihrer zeitlichen Herren eifriger, als für den Dienst ihres Gottes sind — kann man von ihnen sagen, daß sie den h. Geist besitzen oder besitzen werden? Kann man von jenen Christen, die die meiste Zeit ihres Lebens in fröhlichen und weltlichen Zusammenkünften zubringen, das Haus Gottes aber fliehen und vernachlässigen, sa¬ gen, daß sie den h. Geist besitzen oder besitzen werden? Kann man von jenen Welldocken, die mehr Stunden auf die Verzierung ihres Körpers, als Augenblicke auf die Reinigung ihrer Seele verweil» »»»» 204 «««« den, sagen, daß sie den h. Geist besitzen oder besitzen werdens Kurz, wenn man so durchaus die Handlungsart vieler Christen be¬ trachtet — kann man wohl sagen, daß sie den h. Geist besitzen, oder besitzen werden? Hat man nicht vielmehr Ursache mit dem h, Apostel Paulus zu bedauern, daß sieden h. Geist iurmerdar betrü¬ ben, und ihm ohne Aufhören widerstehen! Nein, habet die Welt nicht lieb, ermahnt der Apostel, noch das was in der Welt ist. — Denn alles was in der Welt ist, ist Eitelkeit und Betriibniß des Geistes — und die Gestalt dieser Welt wird vergehen. Darum wenn wir gleich in der Welt leben, sollen wir sie doch nie anders, als bloß als den Ort unserer Pilgerschaft ansehcn, an sic und ihre Güter und Freuden unser Herz und unsere Neigungen nicht hef¬ ten — sondern sie, ihre Güter und Freuden nur als Mittel zur Erreichung eines bessern Zieles gebrauchen — und dieses bessere Ziel ist das ewige Reich Gottes. Dahin, zu den Gütern des ewigen Reiches muß der Christ vorzüglich sein Herz erheben — und das ist die andere Vorbereitung den h. Geist zu empfangen, wovon im zweiten Theile. Weil die Gedanken und Begierden der Jünger Jesu noch so irdisch waren, daß sie immer von einem Reiche des Messias in dieser Welt träumten, und in diesem Reiche um die ersten Platze und Ehrenstesten wetteiferten, so wollte ihnen der Heiland nicht nur diese ihre Vorurtheile benehmen, sondern sie überdieß von ihrer watz en und eigentlichen Bestimmung eines künftigen ewigen Lebens so kräftig als möglich überzeugen, und ihre Herzen, Wün¬ sche und Meinungen ganz dahinziehen, ehe er ihnen den h. Geist herabfenden würde. „Ich gehe, so redete Jesus seine Jünger an, ich gehe zu dem der mich gesandt hat." Ich verlasse die Welt nicht nur, sondern ich gehe auch zurück zum Vater, zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. Ich gehe um eine Herrlichkeit, um ein überirdisches ewiges Reich in Besitz zu nehmen — das ich schon im Anfänge von Ewigkeit her beim Vater besessen habe, und das auch euch bereitet ist- Aber ihr seyd gegen das was eure ganze Wißbegierde und Sehn¬ sucht rege machen sollte, gerade jetzt so gleichgültig, daß ihr nur an meine leibliche Trennung von euch nicht aber an meinen Hin- g-w aus ich He ihr ntt de D iä p d k r i » »>-» 205 sinn noch kurz vor seiner Himmelfahrt fragten: ob er das Reich Israel — das irdische Reich des Messias in dieser Zeit Herstel¬ len werde — sie, die sich wie z. B. Johannes und Jakobus, die nächsten und ehrenvollsten Sitze neben dem Messias in einem »erhofften weltlichen Reiche, durch ihre Mutter ausbittcn ließen — sie alle, fingen bald nach dem Abschiede Jesu an, zu erkennen: daß sie für ein Reich berufen sind, das in einer bessern Welt auf sie wartet — sie versammelten sich zehn Tage darauf Alle in einem einsamen Zimmer, erhoben ihre Herzen entzückt im gemeinschaftli¬ chen Gebete zum Himmel, wohin Jesus ihr göttlicher Meister vor- uusgegangen war, und hatten Alle nur einen Wunsch — nach dem ewigen Reiche ihres göttlichen Meisters. Der Erfolg hat dieses bestätiget. Denn erst am Ausgange der Tage, binnen welchen sic sich in so einen Zustand von ganz andern geistigen und himm¬ lischen Gesinnungen und Begierden versetzt hatten, kam jenes ge¬ heimnisreiche göttliche Feuer über sie herab, von welchem sie nach¬ mals ganz entflammt, die eifrigsten Begründer und Erweiterer des Reiches Gottes, und wahre Väter und Muster der Gläubi¬ gen geworden sind. Auf gleiche Weise, meine Lieben! wie Jesus Christus seinen Jüngern, entzieht Gott auch uns oft einen zeitlichen Trost, um da¬ durch unsere Herzen allein dem ewigen Tröste, und zugleich den » » » 206 «««« Einflüssen seines Geistes zu öffnen. Hier nimmt er z. B. dicsnn Mcnschen einen grossen und mächtigen Gönner, der die alleinige Stütze seines Glückes war, hinweg, — dort entreißt er einen. Andern seinen leiblichen Vater, oder seine Mutter, oder sein Kind, oder seinen treuen Freund, der ihm das Leben versüßte. Hier läßt er Einem seine irdischen Reichthümer verschwinden und ihn bis zur ticfesten Armuth hcrabsinken; dort läßt er einem Andern seines Amtes, seiner Ehre und Würde, oder seiner Gesundheit verlustig werden. Auf diese Art, will Gott, soll der eitle allzu irdisch ge¬ sinnte Mensch das Nichts der Welt immer besser einsehen, sich zu ihm, zu Gott, seinem Schöpfer und Seligmacher erheben, nur jene Reichthümer suchen, die der Lod nicht rauben, die weder Rest noch Motte verzehren können — sich nur um jene Ehre bewerben, die in der Ehre Gottes ihren Grund hat und unvergänglich ist — nur nach jenen Freuden trachten, die, weil sic Belohnung der Lugend sind, Gott selbst Allen bereitet hat, die ihn lieben; kurz der Mensch soll lernen sein Herz, seine Neigungen und Begierden nach dem zu erheben, was oben ist, wieder Apostel sagt. Das sind die heiligen Absichten Gottes, der seinen Geist über alles Fleisch ausgießen will. Allein was soll man hoffen von einem Christen, der bei so manchen und kräftigen Antrieben der Gnade Gottes, dennoch seine Vorliebe für das Irdische nicht bemcistcrt, seine Ver- urtheile nicht ablegt und seine Gesinnungen nicht veredelt? Was soll man hoffen von einem Christen, der, obschon auf mancherlei Art von der Nichtigkeit des Irdischen belehrt, dennoch keinen Ge¬ schmack für den Himmel, kein Gefühl für das Ueberirdische besitzt? — Was soll man erst von demjenigen hoffen, dem auf dieser Welt fast alles nach Wunsch und Willen geht? dessen Tage selten eure trübe Wolke schwärzt, und der Mittel hat, sein Leben in Freuden und Genüssen dahinzubringen? — Wird er über sein Erdenglück nicht noch leichter seines Gottes, seines wahren ewigen Vaterlandes, seiner Seele, und des ganzen wichtigen und einzig nothwendigcn Geschäftes seiner Seligkeit vergessen? Wollte er nicht hier sich gar eine ewige Hütte bauen, und auf dich, o du besseres Land unserer Verheißung, für alle Zeit Verzicht thun? Die zu grosse Anhänglichkeit an das Irdische und die offen¬ bare Gleichgültigkeit für das Ewige und Himmlische ist eben auch die Hauptursache, daß unser heutiges Christenthum so sehr ohne Geist und Leben ist; und daß so viele Gläubige nach ihren Sitten »»»» 207 «««« cskA nize nem ind, ?ier bis nes ;e- zn ur 'st n, r r > > l jenen dürren Todtcngerippen gleichen , die der Prophet Ezechiel in seinem prophetischen Gesichte auf einem weiten Felde ausgestreut sähe — und die nur erst durch den Hauch Gottes das Leben erhal¬ ten konnten. Wohl bringen die Gaben des h. Geistes wunderbare geistige Wirkungen hervor, aber diese Wirkungen wird inan an dem Betragen der wenigsten Christen gewahr. — Der Geist Gottes ist z. B. ein Geist der Weisheit. Wie viele Christen befleißen sich aber zu wissen und zu verstehen, was zu einem christlich weisen und heiligen Leben gehört, und die ganze wahre Heilswissenschaft aus¬ macht? — Viele sagen vielmehr mit jenen Halsstarrigen in der Schrift zu dem Geiste Gottes: Weiche von uns, wir wollen die Wissenschaft deiner Wege nicht — fahrend sie sich auf Wissenschaf¬ ten verlegen, die das Herz aufblähcn, und deren Buchstabe das Herz tobtet. So ist der Geist Gottes auch ein Geist der Stärke. Aber wie viele Christen haben Muth, den Anfällen ihrer Seelen- seinde zu widerstehen, ihre Leidenschaften zu unterdrücken und ins¬ besondere ihren Feinden zu verzeihen? Wie viele schämen sich sogar nicht, öffentlich zu bekennen, daß sie gleich dem vcrnunftlosen Thiere nur nach ihren angeborncn Trieben leben? Wie viele stür¬ men wie das gereizte Thier auf ihre Gegner und Feinde los? Wie viele laufen wie das vernunftlose Thier blind jeder Gelegenheit ihres Verderbens entgegen? Der Geist Gottes ist ein Geist der heiligen Furcht. Wie viele sind aber von dieser h. Furcht Gottes durchdrun¬ gen? wie viele begehen nicht heimlich und öffentlich Sünden und Laster ohne Scheu, um sich entweder zeitliche Vortheile zu ver¬ schaffen, oder ihre Leidenschaften zu befriedigen. So verhält es sich auch mit den übrigen Gaben des h. Geistes, mit der Gabe der Gottseligkeit, oder der Andacht, mit der Gabe des Ratbes und der Liebe, welche Gaben man ebenfalls bei vielen Christen nicht suchen darf, von denen sie ganz und gar leer sind. So wie nun jene dürren Menschengerippe, welche der Prophet Ezechiel sähe, zuerst bewegt und zu einander versammelt werden mu߬ ten , ehe der Hauch Gottes aus allen vier Weltgegenden über sie hinsuhr, und der Geist des Lebens in sie kam: ebenso wird der Geist des Christenthums, in diese sittlichen Todten nie wieder zurückkehren, es sey denn, daß sie sich einmal bewegen, d. i. daß sie ihre Ge¬ danken von dem, was auf der Erde ist, von dem blos Irdischen abziehen und sie auf das Ewige und Himmlische lenken. Eine ein¬ zige solche Bewegung aber, ein ernsthafter Gedanke an unsere jen- »»»» 2s)6 «««« seitige Bestimmung, wenn wir ihn noch zu rechter Zeit schöpfen, kann den Geist des Allerhöchsten gleichsam von den vier Winden herbeiziehen und machen, daß wir uns wieder aufrichten, den Weg zum Himmel unermüdet verfolgen — und Geschmack für die künf¬ tiger ewigen Güter erlangen. Wie sollen wir aber diese Vorbe¬ reitung — und Bewegung zmn Empfange des h Geistes anfangcn? Durch die einfache aber ernste Frage des Evangeliums: Wo gehst du hin? — Wozu bist du erschaffen meine Seele? — Ist der Be¬ sitz und der Genuß der zeitlichen oder aber der ewigen Güler das Ziel deiner Bestimmung? Bist du um der Welt oder des Himmels wegen da? Wo gehst du hin? — Ist der Himmel dein wahres Va¬ terland, was hast du noch bisher unternommen, um ihn zu ver¬ dienen? Bist du nicht so lange du lebest auf der Erde vielleicht wie ein entwürdigtes Geschöpf gleichsam herumgekrochen , ohne dich einmal über dich zu deinem Vater im Himmel zu erheben? Haben dich die Eitelkeiten und Kinderpossen der Welt nicht mehr als die schätzbaren und unvergänglichen Güter des Himmels eingenommen? Wo gehst du hin? — Wenn du aber so fortfährst, wirst du den Zweck deiner Erschaffung, den Werth deiner Erlösung, und die Ab¬ sicht deiner Heiligung erreichen? Und was mußt du jetzt thnn, um wieder in die verlassene ordentliche Bahn, von der du dich so weit verirrt hast, einzutretcn? — Wo gehst du hin? Fangen wir an, meine Lieben! uns ost so zu erforschen und anzureden; setzen wir diese Erforschung und dieses Zureden täglich fort, wiederholen wir es vorzüglich bei der Gewissensprüfung. Gewiß wir werden dann unser Herz nicht so leicht an das Irdische hängen — wir werden die Güter des Himmels besser schätzen und eifriger verlan¬ gen; der Geist Gottes wird dann auf diese Bewegungen des Her¬ zens folgen, unfern Verstand erleuchten, unser Herz erwärmen, unfern Witten entstammen, danut wir das Geschäft unserer Selig¬ keit wieder eifrig anfaugen, oder als schon angefangen standhaft sortsetzen und glücklich vollenden. Amen. » » »>- 209 « e< « « Am fünften Sonntage nach Ostern. »Miet, st wird man euch geben; suchet, st werdet ihr finden; klopfet an, st wird euch aufgcthan werden.« Luk. n, 9. Eingang. Nährend und herzerhcbend müßte der Anblick einer grossen christ¬ lichen Familie scyn, wenn ich mir dieselbe auf den Ruf ihrer gu¬ ten Mutter der Kirche — im Haufe des Herrn versammelt denke zur gemeinschaftlichen Andacht. — Aeltern und Kinder, Vorge- seßte und Untergebene, Reiche und Arme — dem Throne des Al¬ lerhöchsten genähert, um seine Macht, Weisheit, Heiligkeit und Güte zu preisen, soweit sie die menschliche Zunge zu preisen ver¬ mag, oder um den Allvater ihre geistigen und leiblichen Anliegen kindlich vorzutragen, oder um ihm, dem Geber alles Guten für empfangene Wohlthatcn den heißesten Dank zu stammeln; und voll gläubigen Vertrauens neue Gnadengeschenke zu erflehen von dem, der seine milde Hand öffnet und Alles, was da Leben hat, mit seinem Segen erfüllt; oder um ihm, der die Liebe selbst ist, die innigsten Wünsche für das Wohl der Mitbrüder an den Tag zu legen— mit einem Worte; eine grosse Familie von Gläubi¬ gen, in der schönsten aller Verrichtungen begriffen, im Gebete — Aller Herzen entzündet von reiner Liebe gegen Gott und den Mitmenschen — welch' feierliche heilige Stunde? — Wird der gute Mcnfchenvater nicht mit Wohlgefallen herabsthcn auf seine betenden Kinder 's Wird er sie nicht beachten die heißen Wünsche, bic frommen Entschließungen, die dankbaren Gefühle, die ihm seine Geschöpfe zum Opfer bringen? Wird er unerhört lassen können die demiithigcn Bitten, die seine Kinder vor ihm ausgießen? —> Nein, er wird sie nicht unerhört lassen. Denn Ehristus sein cingeborner Sohn, die ewige Wahrheit selbst gibt uns die tröst¬ liche Verheißung einer sichern Erhörung! Bittet, sagt er, st wird man euch geben, suchet, st werdet ihr finden, klopfet an, st wird euch aufgcthan werden. — Sehen Sie, meine Lieben! in diesen Worten unfers Heilandes, Befehl und Verheißung zu¬ gleich. Sind wir nur dem Befehle nachgekommen, und recht 14 »>'» » 210 « « «sc nachgekommcn, so wird die Verheißung sicher in Erfüllung gehm, d. i. Huben wir recht gebetet, so werden wir auch die reichlichen Früchte des Gebetes ärnten. Und was sind dies für Früchte? — Die Beantwortung dieser Frage ist zu wichtig, meine Lieben! als daß sie nicht ein eifrigeres Nachdenken verdiente, um so mehr, da uns die gegenwärtige Zeit selbst, die Zeit der Feier des heil Jubeljahres mehr als sonst noch zu diesem Nachdenken und mit¬ telst desselben zum eifriger» Gebete einladct. Und eben in ge¬ genwärtiger Woche ruft ja auch die Kirche ihre Kinder recht freundlich zum gemeinschaftlichen Gebete zusammen, und Unterlast nichts, was die Andacht derselben erhöhen und wirksamer machen könnte. Eine nähere Betrachtung über die schönen Früchte des Gebetes also, soll uns aufmuntern, uns mit größerm Eifer dm- selben zu widmen. Ich vertröste mich bei dieser gemeinnützigen Betrachtung einer lchrdegierigcn Aufmerksamkeit der versammelten Gläubigen. Abhandlung. Wer würdige richtige Begriffe vom Gebete hat, und sich demselben oft und gerne widmet, oder wer auch nur einmal in seinem Leben im Geiste Jesu und aus der Fülle des Herzens ge¬ betet hat, der wird gestehen: das Gebet sey kein irdisches, son¬ dern ein himmlisches Geschäft. — Es ist die Stunde des Gebe¬ tes für den Menschen gleichsam eine Stunde der Verklärung; denn das Gebet ist eine Unterredung mit Gott. Hat aber diese Unterredung jene Eigenschaften, die sie nach dem Geiste Jesu ha¬ ben soll, d. h. geschieht sie mit Versammlung des Geistes, in ei¬ ner heiligen Absicht, mit reinem Herzen , in Demuth, im gläubi¬ gen Vertrauen, mit Beharrlichkeit und im Namen Jesu; so muß sie nvthwcndig den Schwachen stärker, den Sinnlichen geistiger, den Unheiligcn heiliger, den Irdischen himmlischer machen. Schön drückt sich über die Kraft des Gebetes der h. Augustin aus: Groß ist die Kraft eines reinen Gebetes, sagt er, denn wie ein treuer Bothe vollzieht es den Auftrag und dringt dorthin, wo¬ hin der Körper nicht dringen kann. Er will sagen: Am sicher¬ sten und kräftigsten schickt der Mensch seine Wünsche im reinen Gebete zu Gott empor, denn der Geist des Betenden schwingt sich frei zu seinem Schöpfer aus, während sein schwerer Körper 211 « « « « an die Erde gefesselt bleibt. Widmet sich nun der Mensch ost und gerne einer frommen Unterredung mit dem höchsten Wesen, t. i. betet er oft und aus dem Herzen, so genießt er eines ver¬ trauten Umganges mit Gott; und welche Seligkeit muß ihm nicht dieser Umgang gewähren! welch' schone Früchte mnß er ihm nicht bringen! Wenn es eine Erfahrungswahrheit ist, daß man schon im Umgänge mit guten edlen Menschen schon gut und edel wird, wie gut und vollkommen muß der Mensch nicht werden im vertrauten Umgänge mit Gott, dem heiligsten vollkommensten Wesen. Denn was thun wir eigentlich, wenn wir beten? Wir vergegenwärtigen uns nach der Art unsers Gebetes bald diese, bald jene Eigenschaften oder Vollkommenheiten Gottes. — Ist unser Gebet ein Lobgebet oder Anbetung, so schwebt uns die Majestät des höchsten Wesens, die Allmacht, Weisheit, Heiligkeit Gottes lebhafter vor der Seele. Wir bewundern diese Allmacht in seinen Werken, wir erkennen ihn als den unumschränkten Herrn der ganzen Schöpfung, wir sind lebendig überzeugt, daß Alles, was da ist, nur aus ihm, durch ihn und in ihm Daseyn und Fortdauer habe — wir staunen die unergründliche Liefe seiner Weisheit an, die sich im Kleinen wie im Grossen, in der unver¬ nünftigen Natur, wie in den Führungen der menschlichen Schicksale, so unverkennbar äußert; wir beschäftigen uns mit dem Gedanken an seine unendliche Heiligkeit; denn der Glaube lehret uns, daß dieses allmächtige und Höchstweise Wesen nur das Gute will und wollen kann, alles Böse aber verabscheut und verabscheuen muß. Und diese Betrachtung, diese Vergegenwärtigung solcher und an¬ derer Vollkommenheiten Gottes, hat sie nicht den mächtigsten Ein¬ fluß auf unsere eigene Veredlung und Vervollkommnung? Gewiß sie hat mächtigen Einfluß auf dieselbe! Bei der Betrachtung der Allmacht Gottes z. B. werden wir mit tiefer Ehrfurcht gegen Gott erfüllt, werden uns unserer Ohnmacht und Hinfälligkeit, und somit unserer nothwendigen Abhängigkeit von unserm Schö¬ pfer, Erhalter und Regierer bewußt. Die Betrachtung seiner unergründlichen Weisheit zeigt uns die Kurzsichtigkeit unseres Ver¬ standes, die Beschränktheit unserer Vernunft — die Menge un¬ serer Jrrthümer und Thorheiten erzeugt in uns das Gefühl der Demuth und leitet uns zu einer willigen Unterwerfung unserer beschränkten Vernunft unter die höchste Vernunft Gottes. Die Betrachtung seiner Heiligkeit, läßt uns schmerzlich unsere Bösar- 14 * » » » » 212 «««« tigkeit und Unwürdigkeit fühlen, und wahrend wir diese fühlen wird der Wunsch (der Versatz) in uns rege besser, heiliger, Gott ähnlicher zu werden. Ehrfurcht also gegen Gott, Unterwürfig¬ keit, Dcmuth, Verlangen und Streben nach Heiligkeit sind die schonen Früchte des Lobgebetes oder der Anbetung, Früchte äußerst wohlthatig für uns, und Gott selbst ein angenehmes Opfer. Zn diesem Sinne ruft der königliche Sänger David: Lasse o Herr mein Gebet aufstcigcn wie ein Rauchwerk vor deinem Angesichte. Hat uns die Allmacht Gottes mit Ehrfurcht durchdrungen, seine Weisheit das Gefühl der Dcmuth in uns erzeugt, seine Heiligkeit uns zum Bewußtseyn unserer Unwürdigkcit gebracht, erkühnen wir uns nicht zu dem vollkommensten Wesen aufzublickcn; so stärkt nnd ermutiget uns die Lehre Jesu des Sohnes Gottes, der uns den Allmächtigen, Allweiscn, Höchsthciligcn zugleich als einen liebevollen Vater kennen gelehret hat! Wie trostreich ist diese Wahrheit für uns, meine Lieben! Wir dürfen nicht mehr zittern vor unserm Gotte, wie die Heiden vor ihren selbstgeschas- fencn Göttern, oder wie selbst das jüdische Volk noch sklavisch vor Gott zitterte bis zur Ankunft Jesu, der den Menschen die reinsten Begriffe vom höchsten Wesen bcibrachte. Nein, wir dür¬ fen uns getrost unserm Schöpfer nahen, als seine Kinder dürfen wir ihm unsere Anliegen Vorträgen. Sehet, welche Liebe uns der Herr erwiesen bat, sagt der h. Johannes, daß wir Gottes Kinder genannt werden und sind. Sollten wir also nicht mit größter Zuversicht hintreten vor Gott unfern Vater und ihm unsere Bedürfnisse eröffnen? Wenn es uns schon viele Erleichte¬ rung verschafft, einem Menschen unfern Kummer, unsere Roth» unsere geheimen Sorgen klagen zu dürfen, obschon wir es oft gut wissen, daß der, dem wir unser Elend vortragen, so unvermögend? so schwach ist, wie wir selbst; welch' wohlthätige Beruhigung muß uns nicht gewähren eine kindliche Ausgießung unsres Her¬ zens vor Gott unserm Vater, da wir überzeugt sind, daß er alle unsere Bedürfnisse kennt, weil er allwissend ist, daß er den¬ selben abhelfen kann, weil er allmächtig ist, und abhelfen will, weil er höchst gütig ist. Besonders aber dürfen wir mit Gewi߬ heit Hilfe und Unterstützung von ihm erwarten in geistigen Be¬ dürfnissen, in solchen, die unser Seelenheil betreffen, denn der Vater, sagt Jesus, gibt gerne einen guten Geist vom Himmel denen, die lhn darum bitten. »»»» 213 «««>- Drückt dich die schwere Last deiner Vergehungen unglückli¬ cher Sünder, ist kein Friede in deinen Gliedern, weil deine Ver¬ brechen immer vor dir stehen, fühlst du den unendlichen Abstand zwischen Gott dem Hvchsthciligen und dir dem Sündhaftesten, macht dich der Gedanke an seine Gerechtigkeit zittern — sich', Jesus zeigt dir im Bilde des verlornen Sohnes, was du thun sollst, und was du dann zu hoffen hast. Saume nur nicht län¬ ger, mache dich auf wie her verlorne Sohn, kehre zurück zu Gott deinem Vater, er ist bereit dich aufzunehmen; rufe zu ihm im Gebete: Vater! ich habe gesündiget wider dich und den Him¬ mel, ich bin nicht mehr würdig dein Sohn zu heißen (aber ma¬ che mich zu einem dec geringsten deiner Knechte); und sey ver¬ sichert, Gott wird dich wieder in seine Vatcrarme schließen, dich als seinen lieben Sohn aufnehmcn, dir seine vorige Gnade wieder angcdeihen lassen. Denn schon im mosaischen Bunde machte Gott die Verheißung: So wahr ich bin: Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. Und so versi¬ cherte auch sein Sohn Jesus unser Heiland, daß er nicht gekom¬ men sey zu vertilgen, sondern zu retten. Seufzest du Lugendfreund im schweren Kampfe mit der Sünde, macht dich die Stärke der Sinnlichkeit, die Macht des verführerischen Beispieles, die Nachstellungen des Satans, das Bcwnßtseyn deiner Schwäche zittern — o so nehme deine Zuflucht ZU Gott, rufe wie David zu ihm: Herr merke auf meine Hilfe, Herr eile mich zu retten; und sey getrost, der Vater im Him¬ mel wird dir seine mächtige Hand darbiethen, die Macht der Sinnlichkeit bezwingen helfen, die Versuchung abwenden, oder die Stunde des Kampfes abkürzen — deine Schwachheit mit seiner allvcrmögenden Gnade nnterstüycn, du wirst siegen, und ermu- thigt mit dem h. Paulus sagen: Ich vermag alles in dem, der mich stärkt! — Kurz, wem das Wohl seiner unsterblichen Seele thcucr ist, wem die Erreichung seiner Bestimmung am Herzen liegt, der säume nicht Gott um die hierzu nvthigen Gaben und Gnaden zu bitten, da er nach der Lehre Jesu versichert seyn kann, daß sie ihm gewiß zu Theil werden. Aber nicht allein unsere Seelen - sondern auch unsere Leibes- bedürsnisse dürfen wir dem guten Menschcnvatcr vortragen, auch diesen wird er abhelfen, wenn anders das, um was wir bitten,, n>cht seiner Weisheit oder Heiligkeit entgegen, und somit unsrem » » » » 214 Seelenheils nachtheilig ist. Drücken uns z- B. Dürftigkeit, Ar. " muth, bittere Nahrungssorgen, wem sollen wir wohl unser Elend § nachdrücklicher klagen, als dem, dem die ganze Natur zu Gebote steht, von wem zuversichtlicher Hilfe erwarten, als .von dem, § dessen Vatersorge sich auf den kleinsten Wurm, auf den unbedeu¬ tendsten Grashalm erstreckt. Sagte nicht sein Sohn selbst: Send nicht bekümmert und fraget nicht: was werden wir essen, was werden wir trinken, womit uns bekleiden? Euer himmlischer Ba¬ rer weiß es ja, daß ihr alles dessen bedürfet, ihr Kleingläubigen! Sollte er, der die Vögel des Himmels nähret und die Lilien des Feldes kleidet, für euch nicht sorgen wollen? Seyd ihr nicht vorzüglicher als die Lhiere, oder als das Gras am Felde? Gießet eure Herzen vor ihm aus, heißt es in den Psalmen, Gott ist unser Helfer in Ewigkeit. Verbittert uns eine schmerz¬ liche Krankheit die Lebenstage, zu welchem Arzte werden wir wohl am sichersten Zuflucht nehmen dürfen, als zu Gott? Er ladet uns ja selbst ein: Rufe mich zur Zeit der Trübsal an, so werd' ich dich retten, sagt er, und du wirst Mich preisen. Zu ihm müssen wir also vertrauungsvolk rufen: Herr, wenn du willst, du kannst mich gesund machen. Er ist ja Herr über Leben und Lod, er kann schlagen und heilen, er kann seinen kranken Kindern die verlorne Gesundheit wieder geben, wenn er es nach seiner Weisheit gut findet, oder er wird linderndes Oehl in die Wun¬ den gießen, Geduld und Standhaftigkeit verleihen, auszuharrcn bis an's Ende. — Ist Niedrigkeit und Verachtung unser Loos hienieden — im Gebete werden wir Trost finden, in einer demü« thigcn Unterredung mit Gott werden wir vernehmen, daß bei ihm kein Ansehen der Person gilt — der seinen Willen vollzieht, hat Gnade gefunden vor ihm, er stürzt die Grossen der Erde von ihren Thronen, und erhebt die Verachteten aus dem Staube — seine Liebe wird uns erheben über unser niedriges Schicksal. — Nagt der böse Zahn des Verläumders an unserm guten Namen, an unfern gerechten Verdiensten, so werden wir Beruhigung fin* den in dem Gedanken an Gott, denn, wenn uns unser Gewisseu nicht vcrurtheilt, so haben wir ein freudiges Aufschauen zu Gott, er, der die Herzen und Nieren der Menschen prüfet, kennt unser Herz und unfern Wandel, seines Beifalles sicher, werden wir nicht achten die ungerechten Urtheile der Bösen- Müssen wir Verzicht leisten auf den Lesih eines treuen Freundes, dessen thcil« »»»» 215 «««« nehmendes mitfühlendes Herz uns nnseee Freuden versüfsen, nn- fern Kummer mildern könnte — so schließen wir uns fester an Gott an, suchen wir im Gebete seinen Umgang, seine Freund¬ schaft, er ist nicht veränderlich wie die Menschen, sondern ein treuer, gütiger, mächtiger Freund — ist Gott für uns, wer kann wider uns seyn. — Hat uns der Tod oder ein sonstiges Unglück unserer Beschützer und Versorger, unserer lieben Acltern beraubt, erheben wir nur im Gebete unsern Blick zum Himmel, oben haben wir noch einen Vater, der uns liebt, schützt und für uns sorgt, wir find nicht ganz verwais't- Recht rührend und kräftig zeigt Gott dem jüdischen Volke seine Vaterliebe in einem schönen Gleichnisse: Kann eine Mutter, spricht er, ihres Kindes vergessen, daß sie sich nicht über die Frucht ihres Leibes erbarme!' und wenn sie auch seiner vergessen würde, so will ich doch deiner nicht vergessen. Diesem Barer vertrauen wir uns an, wir wer¬ den uns überzeugen, daß er uns Alles ist. — Mit einem Worte, das Gebet ist für den Menschen in jeder Lage des Lebens die ergiebigste Duelle des Trostes und der Gnaden, und je öfter und lieber er zu dieser Duelle der Gnaden Zuflucht nimmt, desto le¬ bendiger wird sein Glaube, desto grösser sein Vertrauen, und in keinen noch so traurigen Umständen wird der Mensch den Muth ganz sinken lassen, wenn er recht beten gelernet hat. So wie aber das Lob- und Bittgebet, so erzeugt auch das Dankgebet beseligende Früchte. Denn wenn wir Gott für die unzähligen Wohlthaten, die er uns von dem ersten Augenblicke unsers Lebens an bis auf den gegenwärtigen erwiesen hat, recht kindlich danken, so machen wir uns eben dadurch neuer Wohltha- tcn würdig. Das versichert Gott selbst schon im alten Bunde: Wer Dank opfert spricht er, der ehret mich, und das ist der Weg, auf dem ich ihm meine fernere Hilfe erweisen werde. Und dann, wenn wir die Menge und Grösse der Wohlthaten Gottes von der einen Seite betrachten und unser Betragen gegen ihn, den Gebrauch seiner Wohlthaten von der andern Seite prüfen; so fühlen wir abermal unsere Unwürdigkeit, erkennen es, daß alles, was wir sind und haben, nur unverdiente Gnadengeschenke Gottes sind, die uns bloß aus seiner unendlichen Liebe zuflossen. Diese unendliche Liebe Gottes, diese Vatergüte rührt unser Herz und zwingt cs zur Gegenliebe, die sich dadurch äußert, daß nun all unser Streben dahin gerichtet ist der Wohlthaten Gottes >- »))» 2! 6 würdiger zu werden durch treue Erfüllung seines Willens von sei¬ nen Gaben den besten Gebrauch zu machen, gütig und mildthätig gegen unsere Mitbrüder zu scyn, weil sie auch Kinder des näm¬ lichen Vaters sind. So ist endlich auch das Gebet für das Wohl unserer Mit¬ menschen oder die Fürbitte eine Duelle mannigfaltiger Gnaden, Denn wenn uns das geistige und leidliche Wohl unserer Mitbrü- der recht am Herzen liegt, und wenn wir es doch fühlen, daß wir zu schwach sind dieses ihr Wohl nach Wunsche zu befördern, so werden wir unsere Liebe gegen sie dadurch am schönsten und wirksamsten äußern; daß wir ihre Bedürfnisse Gott im Gebete Vorträgen und von ihm um das für unsere Brüder flehen, was wir ohnmächtige Wesen ihnen nicht leisten können. Die Acuße- rung unserer Liebe gegen die Mitmenschen im Gebete ist aber Gott vorzüglich angenehm. Deßwegen sagt der h. Chrysvstomus: Für sich selbst beten ist Notwendigkeit, für andere beten dazu muntert aber die brüderliche Liebe auf. Angenehmer ist aber Gott ein Gebet, das die christliche Liebe Empfiehlt, als jenes, das die Notwendigkeit erzeugt. Ein solches Gebet wird also Gott, der die Liebe selbst ist, nicht unerhört lassen, sondern uns und jene, für die wir bitten, mit seinen Gütern bereichern; denn viel vermag das anhaltende Gebet des Gerechten bei Gott, sagt der h. Apostel Jakob. Groß ist also die Kraft des' Gebetes in jeder Rücksicht. Schön, wohltätig, reichlich sind seine Früchte. Denn wer fühlt sich nicht besser und frömmer, wenn er recht gebetet hat? Wer findet in sich nicht mehr Muth, mehr Glauben, mehr Hoffnung, mehr Liebe, mehr Frieden? Durch das Gebet wird der ganze Mensch verklärt, wird gleichsam neugeboren; das Gebet vereiniget ihn ja mit Gott und erhält ihn in steter Vereinigung mit ihm. Deßwegen ermahnet uns der Apostel zum beharrlichen Gebete. Betet ohne Unterlaß, sagt er, d. i. bei Allem, was ihr denket oder hgudclt, sey euer Geist zugleich mit Gott beschäftiget; thut Alles mit stetem Hinblicke auf ihn. Da nun die Früchte des Gebetes so groß und reich sind, so bitten wir, meine Lieben, hxute und immerdar: Gott möge uns den Geist des Gebetes ge¬ ben und erhalten, er möge unfern Eifer zur Andacht erhöhen und starken, damit wir oft und mit Freuden als seine Kinder vor ihm erscheinen und in einem reinen gläubigen Gebete jener Gna- »»»» 217 «««« den theilhaftig werden, die er uns durch seinen Sohn verheißen hnt. Auf seine Verheißungen, auf seine Verdienste vertrauend, wellen wir kindlich die Frucht unsers Gebetes erwarten, bis wir dcrcinst in das selige Land der Verheißung in das Land der Aus- crwahllen Gottes gelangen, wo uns keine Bedürfnisse, keine Sor¬ gen, keine Gebrechen mehr drücken, wo wir um nichts mehr zu bitten und zu begehren nöthig haben werden. Amen. Am sechsten Sonntage nach Ostern. »Und das werden sic euch thun, weil sic weder meinen Vater noch mich erkennen.« Joh. 16, 3. Eingang. Wir haben schon einen Theil der Abschiedsrede Jesu an seine Anger, in welcher er ihnen ihre künftigen Leiden vorausfagt, gehört; auch das heutige Evangelium ist aus dieser Abfchiedsrcde genommen und enthält ebenfalls Vorherfagungen künftiger trau¬ riger Schicksale der Schüler, aber auch die schönsten kräftigsten Lehren und Tröstungen. Uebcrhaupt ist der ganze Inhalt dec Abfchiedsrcde Zesu so wichtig für Verstand und Herz, daß man ihn nicht ohne Nutzen und Rührung lesen kann, besonders wenn man auf das sanfte liebreiche Betragen Zesu gegen seine Jünger in der Stunde der Trennung aufmerksam ist. — Wie der zärt¬ lichste Vater spricht er ihnen an das Herz, und während er cs ihnen nicht verhehlen kann, daß Leiden aller Art, besonders aber grausame Verfolgungen nach seinem Hintritte ihrer warten, so ist er zugleich eifrig bemüht, ihre betrübten Seelen durch die kräf¬ tigsten Trostgründe, besonders durch die Verheißung, daß er ihnen den Tröster den h. Geist senden werde, aufzurichten. Und wenn er ihnen aukündiget, daß ihre eigenen Landsleute sie aus ihren Synago¬ gen und Versammlungen ausfchließcn, ja daß sogar eine Zeit kom¬ men werde, wo jeder, der sie tödtet, Golt einen angenehmen Dienst erwiesen zu haben vcrmcmen werde; wenn er ihnen diese traurige )- » >- >- 218 « « « « Voraussagung macht, so zeigt er ihnen zugleich die Ursache dieses ihres künftigen Schicksales, damit eS ihnen nicht ganz ungewöhn¬ lich vorkomme und sie kleinmüthig mache. — Das werden ft euch darum thun, sagt er, weil sie weder meinen Vater noch mich erkennen. Jesus gibt also alv die natürlichste Ursache der Verfolgungen seiner Schüler die Nichtkenntniß GotteS und Seiner selbst als des von Gott gesandten Messias an — und dns ist auch wirklich die Hauptursache nicht nur der grausamsten Verfü¬ gungen der Menschen unter sich, sondern auch die Ursache aller Uebcl, alles Unheils, aller Verdorbenheit und Lasterhaftigkeit Die Geschichte aller Zeiten bestätiget diese Wahrheit, und wenn ich sage die Geschichte aller Zeiten, so nehme ich die unsrigcn am wenigsten aus. Zwar rühmt man sich auch heut zu Tage noch, daß man Gott und seinen Sohn Jcsum kenne, aber man rühmt sich auch nur, in der Lhat aber kennt man ihn oft nur wenig oder gar nicht. Und wo liegt die Ursache dieser Nichl- kenntniß Gottes? In unfern Tagen vorzüglich in einer verwahr¬ losten Erziehung der Jugend. Wir wollen uns davon durch ei¬ niges Nachdenken überzeugen und zugleich die traurigen Folgen dieser Unkenntniß Gottes kennen lernen, die aus einer verwahr¬ losten Erziehung entspringt. Vernehmen Sic mich mit jener Aufmerksamkeit, die der Gegenstand selbst fvdert. Erster Theil. Fromme christliche Acltern hielten cs zu allen Zeiten fiic ihre heiligste Pflicht bei der Erziehung ihrer Kinder darauf die meiste Rücksicht zu nehmen, daß diese frühzeitig mit Gott und seinem h. Willen, mir den wohlthätigen Lehren Jesu bekannt ge¬ macht würden; denn sie waren fest überzeugt, daß die unerfahruc, der Verführung so sehr ausgesetzte Jugend durch nichts anders vor ihrem Verderben gesichert, vor Ausschweifungen bewahrt, zur treuen Erfüllung ihrer Pflichten angeeiferl und zur Ausübung der Tugend angeleitet werden können, als durch eine frühzeitige Kennt- niß von Gott und den Lehren des h. Glaubens. Und dicfe große Sorgfalt für eine fromme Erziehung der Kinder finden wir bei gottesfürchtigen Aeltern schon im alten Bunde. So übergab Hanna ihren Sohn Samuel schon im zartesten Alter dem hohen Priester und bath ihn inständig, er möchte den Knaben in den >-» » » 219 « e< « ee Geboten des Herrn unterrichten , ihn den Weg der Tugend führen und ganz dem Dienste Gottes weihen. Und dieser in der Kennt- niß und Furcht Gottes auferzogene Knabe wurde in seinem männ¬ lichen Alter wirklich die Bewunderung aller, die ihn kannten, ein Wohlthäter des Volkes, ein h. Prophet, ein Liebling Gottes. So trug der alte Jakob die zärtlichste Sorge um seinen kleinen Joseph; er hatte ihn beständig zur Seite und unterrichtete ihn in den von seinen Vorältern überkommenen Lehren von Gott und seinen Eigenschaften. Und diese frühe Bekanntschaft mit Gott machte den aufblühenden Jüngling stark genug den Fallstricken der Verführung zu entgehen und seine Unschuld zu retten. — So lebte die Mutter der 7 machabäischen Brüder ganz nur für ihre Kinder; ihre größte heiligste Sorge war es dieselben durch Worte und Beispiele im Glauben ihrer Väter zu unterrichten, sie in den Jahren der Kindheit mit Gott und göttlichen Dingen be¬ kannt zu machen; darum konnten aber auch die ausgesuchtesten Martern die zarten Söhne nicht bewegen ihrem Gott treulos zu werden und den Gößen zu opfern. Aks der. Jüngste schon sechs seiner Brüder durch eine grausame Verstümmlung und Peinigung ihren Geist aufgeben sah, bedurfte es nicht mehr ihm neuen Muth einzuflössen, als daß seine heldenmüthige Mutter sich zu ihm hcrab- bückte und ihm sagte: Ich bitte dich, mein Kind, sie an den Himmel und die Erde und alles, was darauf ist, und bedenke, daß alles dieses, so wie auch die Menschen Gott aus Nichts er¬ schaffen habe; zeige dich darum deiner Brüder würdig, gehe in den Lod, damit ich dich dort mit deinen Brüdern wieder erhalte l Kaum hatte die Mutter dieses gesagt, so rief der Knabe den Tyrannen, die auf seinen Abfall vom Glauben warteten: Was zaudert ihr denn, ich werde dem Befehle des Königes nicht fol¬ gen, sondern dem Gescße, welches uns durch Moses gegeben wurde. Wie gottesfürchtig erzog nicht der alte Tobias seinen Sohn? Wie rührend sind nicht die Lehren, die er ihm in seiner Jugend kl'theilte? wie groß war seine Sorge nm ihn, als er ihn auf eine Zeit aus seinem Hause entlassen mußte? wie nachdrücklich re¬ ifte er ihm am Sterbebette an das Herz. Sohn, sprach er, höre die Worte meines Mundes und senke sie wie einen Grund¬ stein in dein Herz. Vor Allen habe alle Tage deines Lebens Gott vor Augen und hüthe dich, daß du je in eine Sünde ein- willigest oder die Gebote des Adrrn unsers Gottes übertretest. z, » » >- 220 «««« Sehen Sie, so waren fromme Aeltcrn schon im Alterthumc be¬ sorg! ihre Kinder in der Erkenntiüß und Furcht Gottes zu crzic- hen. Aber wie ganz anders ist es heut zu Tage bei den meisten christlichen Aclteru! Ungerne sage ich es, aber die tägliche Erfah¬ rung sagt es, daß in unfern Lagen in fo vielen Familien auf den Religionsunterricht keine Rücksicht genommen wird; die Erfah¬ rung sagt es, daß man noch niemals eine so grosse Unwissenheit im Glauben unter der Jugend angctroffen hat, als heut zu Tage; die Erfahrung sagt cs, daß die Geringschätzung alles Christlichen und Göttlichen, noch nie so hoch bei der Jugend gestiegen scy, als heut zu Lage. Welchem Rechtschaffenen wird bei dieser trau¬ rigen Erfahrung das Herz nicht bluten? Während die Menschen heut zu Lage so grosse Fortschritte in ihrer weltlichen Bildung und Vervollkommnung machen; so bleiben sie gerade in jener Bil¬ dung und Vervollkommnung, die das Wohl ihrer unsterblichen Seele betrifft am weitesten zurück. Wo liegt die Ursache? Gar oft und gewöhnlich in der Erziehung. Manche Aeltern scheuen keine Mühe, sparen keine Kosten um ihre Kinder für die Welt zu bilden, und haben sie es mit ihnen so weit gebracht, daß ihre Brotkenntnisse in etwas erweitert, ihre weltlichen Einsichten ge¬ schärft, ihr Acußcrcs verfeinert worden ist ; so geben sie sich voll¬ kommen zufrieden und glauben ihre Pflichten strenge erfüllt zu haben, denn sie hoffen nun, ihre Kinder für die Zukunft versorgt und ihr Wohl begründet zu haben. Ihr Wohl begründet? O je, das zeitliche vielleicht, aber auch das nicht immer, das ewige Wohl der Kinder aber, das Wohl ihrer Seele, das haben sie nicht begründet, sondern untergraben. Denn was helfen alle menschlichen Wissenschaften ohne Kcnntniß jener Wahrheiten, die zur Erreichung nuferer Bestimmung nothwcndig sind, was hilft alle Klugheit der Welt, ohne dem göttlichen Lichte des Glaubens, was hilft alle Verfeinerung und Vervollkommnung des äußern Menschen, ohne Veredlung und Vervollkommnung des inner»? — Die Gefahren für die Jugend haben sich vermehrt, die Fallstricke der Verführung werden ihr ohne Scheu überall ge¬ legt, die Unschuld ist Wenigen ein thcures Kleinod mehr, die eifrigen Beschützer und Erzieher derselben haben sich gewaltig ver¬ mindert; die Aeltcrn sollten vorsichtiger seyn als jemals, und sie sind es weniger als jemals; denn Religion, Tugend und Recht¬ schaffenheit sind Dinge, die man wenig mehr beachtet- Mau ha kc «u ob ih kl L b d r i i » » » » 221 « «s<« bc- biingt ja ganz an dem Acnßern ; hat man einen Menschen gcfun- sc- bcn , der sich durch seine Außenseite ancmpfichlt, sich in die Welt len z,, schicken weiß, einige Kenntnisse der modernen Bildung besitzt h- rb ihm gleich Religion und Lugend fremd sind, so bestimmt man uf ihn zum Erzieher, vertraut ihm die Kinder an und legt ihm ihre )- Unschuld und das Heil ihrer unsterblichen Seelen sorglos in die it Hande. Oder sind die Aeltcrn selbst Erzieher ihrer Kinder, so ; begnügen sie sich oft damit, denselben eine magere Kenntniß von i den Lehren des Cristenthumes beizubringen, ohne zu bedenken, , dnß sich die Kinder bei rcifern Jahren mit dieser magern Kennt¬ niß von Gott nicht werden behaupten können gegen die Starke der sinnlichen Neigungen, der Verblendung und Verführung, die so allgemein ist. Ich bin zwar ganz wit der schönen Hoffnung erfüllt, daß ich keine so lieblosen Aeltcrn vor mir habe, die grausam genug scyn könnten die heiligsten Pflichten gegen ihre Kinder, die Pflichten einer gottesfürchtigen Erziehung zu vernach¬ lässigen, darum lege ich ihnen auch diese Pflicht nur deswegen nachdrücklicher an das Herz, weil ich Sie auf die Gefahren der Jugend in unsrem Zeitalter aufmerksamer machen wollte, die sich blos deswegen so vermehren, weil man die Jugend mit Gott und göttliaM Dingen nicht frühzeitig bekannt macht; würde man aber mit einem christlichen Eifer für einen frühen Unterricht in den Lehren des Glaubens sorgen, so würde auch die Jugend Gott besser kennen und ihm mit einein unschuldigen Herzen an¬ hängen. Diese Sorge lassen Sie sich also immer anempfohlcn fiyn, liebende Aeltcrn, damit Sie nicht früher oder später die traurigen Folgen beweinen dürfen, die sich bei der Jugend ein- stcllcn, wenn man es versäumt hat sie für Gott und die Lugend zu erziehen. Wir wollen diese traurigen Folgen in Kürze über¬ blicken im zweiten Thcile. Es liegt in dem jugendlichen Herzen schon der Keim zur Sünde; es sind auch in dem kindlichen Gemüthe böse Neigungen verborgen, nur daß sie noch schlummern; aber es bedarf nicht viel Mühe diese schlummernden dösen Neigungen und Triebe zn wecken; denn da der Sinn des Menschen mehr zum Bösen als zum Guten geneigt ist, so wird auch die Sinnlichkeit viel eher » » » » 222 reif als dir Vernunft. Hat man nun der Gewalt der Sinnlich¬ keit nicht schon in früher Lugend die Kraft des Glaubens entge¬ gengesetzt, so wird sie bald Meister über den Menschen, und nichts kann sie mehr im Zaume halten. Das geschieht aber, wenn man die Kinder ohne Kenntniß Gottes und der wohlthätigen Leh¬ ren des Glaubens heranwachsen laßt, denn hat das Kind ini frühen Alter Gott nicht kennen gelernt, so wird der Erwachsene ihn nicht mehr kennen kernen wollen, weil die Macht der Sinn¬ lichkeit schon zu groß ist, als daß die Wahrheiten des Glaubens Eingang in das Herz finden könnten. Alles, was an Gott und die Pflichten gegen ihn erinnert, wird dem verwahrlosten Gemülhe des Jünglings oder Mannes lästig, alles Christliche, Ehrwürdige und Heilige wird mit Verachtung behandelt. Doch ich spreche vielleicht zu viels Wollte Gott es wäre nicht so, aber die tägliche Erfahrung spricht es laut genug aus. Denn gibt es nicht Men¬ schen, die Lage, Monate und Zahre nicht einmal an ihren Schö¬ pfer denken, nie mit einiger Ehrfurcht von ihm reden, es gar nicht wissen wollen, daß sie ihm Alles zu verdanken haben, die sich sogar schämen über die Lhürschwelle seines Lempels zu tre¬ ten, vor seinem Heiligthume zu erscheinen, um wenigstens äußer¬ lich zu zeigen, daß sie auch einen Gott haben, — oder wenn sie auch so im Vorbeigehen Gott eines Höflichkeitsbesuches in sei¬ nem Hause würdigen, so betragen sie sich vor seinem Angesichte so, als wenn sie nur gekommen wären um ihm öffentlich anzu¬ kündigen, daß sie Seiner nicht nöthig haben. O schreckliche Ver¬ dorbenheit, so tief kann der Mensch sinken! Ein elendes Geschöpf, das ohne immerwährender Vorsorge Gottes jeden Augenblick ein todtes Nichts werden müßte, eine Handvoll Staub und Asche schämt sich vor dem ewigen Gotte zu erscheinen und zu bekennen, daß es sein Geschöpf sey, daß es ihm Ehrfurcht, Achtung, Dank¬ barkeit und Liebe schuldig sey! Aber soll man sich auch darüber viel wundern? Wer in früher Jugend seinen Schöpfer nicht recht gekannt hat, der wird in den Jahren, wo böse Neigungen und Leidenschaften den Verstand blenden und das Herz bestürmen und vergiften, an ihn nicht denken, an ihn nicht denken können, son¬ dern in einer stummen Gottesvergessenheit dahinleben, die allen Lastern die Thore angelweit öffnet; denn das Licht des Glaubens leuchtet einem solchen Menschen nicht auf seiner gefahrvollen Le¬ bensbahn, die Hoffnung, die den Klick nach dem hohen Ziele des » » » » 225 « « « « lich- Menschen, nach der Vereinigung mit Gott hinscnkct, verschwindet tge- qanz, die thätige alles besiegende Liebe gegen Gott und den ich Nächsten erlischt; mit dem Erlöschen der Liebe verschwindet auch wn die allvermögende Gnade Gottes, der Wille des Menschen wird eh- im Guten immer schlaffer, immer verdorbener, er fängt an zu im n'anken, er sinkt und fällt, und kann von seinem Falle nicht 'm mehr aufstehen, weil er auf den schlüpferigsten gefahrvollsten n- Wegen sich selbst überlassen ist. Das geschieht gewiß, wenn der ns Mensch in früher Jugend mit Gott und seinem Gesetze nicht recht Id bekannt geworden ist; wenn er dann in die Welt hinaustritt, ie wo Aergernisse und Verführungen aller Art ihn umlauern, so ;e wird er geflissentlich die Augen zudrücken, um Gott nicht in sei- c neu Werken und Fügungen zu sehen, er wird das schwache An- e denken an ihn vollends ersticken, um ihn nicht fürchten zu dürfen, - er wird seine Ohren vor der Stimme des Gewissens verstopfen, > um in einem ruhigen Sündenschlafe dahinzuleben, — er wird sich kaum erinnern, daß er einst seinem Ende nahe kommen werde daß das Grab seiner warte. Und ist sein Ende da, wie wird es seyn? Gewöhnlich bewährt sich das Sprichwort: Wie man lebt, so stirbt man — wer Gott durch sein ganzes Leben nicht keimen wollte, der wird ihn auch am Ende desselben nicht kennen wollen, oder wünscht er ihn auch zu kennen, so ist es ost zu spät, Gott will ihn nicht kennen, — wer ohne Gott gelebt hat, wird ohne Gott sterbe», aber nicht ohne Gott gerichtet werden. Da nun die Folgen der Nichtkenntniß und Vergessenheit Gottes so traurig, so schrecklich sind, so ermahne und bitte ich Sie, christliche Aeltern, lassen Sie das Ihre erste und heiligste Sorge seyn, Ihre Kinder in den Jahren der Unschuld mit Gott, mit 3esu, mit seinen heiligen Lehren bekannt zu machen, damit sie in spärern Jahren mittelst dieser kräftigen Stütze im Stande seyn werden ihre Tugend aufrecht zu erhalten. Haben Ihre Kinder Gott vor Augen, so werden sie ihn auch im Herzen haben, und haben sie Gott im Herzen, dann, gute Aeltern, können Sie ru¬ higer seyn über das künftige Schicksal der Kinder, sie werden stark genug seyn der Verführung zu widerstehen, wenn auch Sie ihnen nicht mehr warnend zur Seite stehen können. Solche Kin¬ der nur, die Gott kennen und lieben, sind eine kräftige Stütze der Aeltern im Alter, sind ihr Trost in kummervollen Lagen, smd ihre Krone im Reiche Gottes. Wohl Ihnen, christliche Z) » » » 224 «r<« « Acltcrn, wenn Sie einst wie die machabäische Mutter ihre sicken Heldcnsöhne auch Ihre Kinder dort oben wieder finden und kei¬ nes derselben aus eigener Schuld verloren haben. Amen. Am Pfingstsonntage. »Der Tröster aber, der h. Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch Alles lehren und euch alles ein- gcben, waS ich euch gesagt habe. Ioh. 14, 26. Eingang. Jeffus wandelte schon seit 10 Lagen nicht mehr unter seinen Schülern. Er war zu seinem Vater gegangen, um wieder Ac- fitz zu nehmen von jener Herrlichkeit, die er vom Anfänge der Welt bei ihm hatte. Aber noch immer empfanden seine Schuler die schmerzliche Wunde, die ihnen sein Abschied geschlagen hatte, darum war es um so natürlicher, daß die armen von ihren gu¬ ten Hirten verwaisten Schäflein sich inniger an einander anschlos- sen und durch stille gegenseitige Klagen über den erlittenen thcuern Verlust ihre Herzen in etwas zu erleichtern suchten, lind so finden wir am io. Tage nach der Himmelfahrt Jesu seinem M- fchle gemäß das kleine Haustein seiner Schüler und Freunde in Jerusalem in einem Hause ängstlich verschlossen beisammen, be¬ griffen in trauten Gesprächen von ihrem abwesenden Meister, be¬ griffen im gemeinschaftlichen Gebete. Doch das war eben jener Lag, an welchen die Verheißung in Erfüllung gehen sollte, die Jesus seinen Schülern öfters und noch in der letzten Stunde sei¬ nes Erdenlebens machte — die Verheißung, daß er ihnen einen Tröster den h. Geist senden werde. Sie ging wirklich an diesem Lage in Erfüllung. Denn während die Furchsamen im Gebete verharren, läßt sich plötzlich ein Getöse vom Himmel hören, gleich dem Brausen eines gewältig stürmischen Windes, der das ganze Haus, in welchem sie versammelt waren, erfüllet; —man wird Feucrflammen gewahr, die sich in Gestalt zcrtheilter Zungen herablassen und über dem Haupte eines Jeden der Apostel schwe-- » »r>» 225 « « « « — J» diesem Augenblicke wurden sie mit dem h. Geiste cr- ei- füllt, sie traten auf vor dem Volke, welches auf diese wunderbare Erscheinung herbeigeströmt war und das Haus nmrungen hatte. Mn hört die galiläischen Fischer in verschiedenen Zungen die Wunder Gottes verkünden, jeder Fremdling vernimmt seine Mut¬ tersprache und erstaunt über die plötzliche Veränderung, die mit diesen Galiläern vorgegangen war- kurz, die ganze Begebenheit ist so außerordentlich, daß sie die Aufmerksamkeit und die Bewun¬ derung von Tausenden an sich zieht. — Za wohl war sie außer¬ ordentlich, denn der h. Geist hatte außerordentliche Wirkungen ' in den Aposteln hervorgcbracht, die es verdienen, daß wir sie heute etwas aufmerksamer betrachten, um die Wohlthat der Sen¬ dung des h. Geistes in Hinsicht auf die Apostel recht schätzen zu lernen. Und weil der h. Geist seine Gaben nicht auf die Apostel allein beschränkt, sondern sie auch frommen Gläubigen ausspendet, so wollen wir zugleich sehen, wie sich die Wirkungen des h. Gei¬ stes in jenen Gläubigen äußern, die ihn würdig empfangen. Komina du selbst göttlicher Geist, himmlischer Tröster, wir bedürfen deiner Gaben allezeit, so auch in der gegenwärtigen Stunde, erleuchte daher unfern Verstand mit deinem göttlichen Lichte, daß wir dich und deine grossen Gaben recht erkennen und schätzen, reinige und erwärme aber auch unsere Herzen, damit wir das Wort deiner Belehrung mit Bereitwilligkeit und Nutzen aufnehmen. Erster Theilr Die außerordentlichen Wirkungen, die der h. Geist in den Aposteln hervorbrachte, werden uns in ihrer wahren Grösse er¬ scheinen, wenn wir die Apostel betrachten, was sie waren vor der Ankunft des h. Geistes und was sie nach derselben wurden. Und was waren sie denn vor der Ankunft des h. Geistes? Sie waren dem Verstände nach einfältige, unwissende, ungelehrige, nicht einmal ihrer Muttersprache genug mächtige Leute, Leute, die weiter nichts verstanden als ihr Schiffchen zu regieren und ihre Fischernetze auszuwerfen um sich den Lebensunterhalt zu ge^ winnen — das war all' ihre Kunst, all' ihre Gelehrsamkeit. Zwar hatten sie, nachdem sie Schüler Jesu wurden, an ihnt den weisesten Lehrer, einen Lehrer, der die Wahrheiten, die er ihnen vortrug, unmittelbar vom Himmel gebracht hatte, und' -»»» 226 «««« während eines dreijährigen Umganges mit ihm wurde wohl ihr Verstand um Vieles erleuchtet, ihre Einsichten um Vieles berich. tiget und vermehrt; aber noch immer umgab sie in vielen Lehren und Wahrheiten eine dichte Finsterniß. Dcßwegen sahen sie sich ost gezwungen, ihren göttlichen Lehrer, wenn sie mit ihm allein waren, um den Sinn dieser oder jener Rede, dieses oder jenes Gleichnisses zu fragen, oder erkühnten sie sich nicht ihn zu fragen, so fahen sie einander starr und verwundernd an und sprachen un¬ ter sich: was will er damit sagen, wir verstehen von dem Allen nichts, was er zu uns redet. — Ja ihre Ungelehrigkeit war in vielen Stücken so groß, daß ihnen Jesus selbst manche Wahrhei¬ ten gar nicht bekannt machen konnte, weil sie für dieselben nicht empfänglich waren. Darum sagte er selbst bei seinem Abschiede zu ihnen: Ich hätte euch noch Vieles zu sagen, aber ihr könnet es jetzt noch nicht fassen. — Dem Herzen nach klebten ihnen so manche und grosse Schwachheiten an: sie waren sehr irdisch ge¬ sinnt, stritten ost um den Vorzug untereinander, waren sehr un¬ beständig in ihren Vorsätzen und Unternehmungen, dabei aber sehr unbiegsam und hartgläubig; sie trauten oft den Reden und Ver¬ heißungen Jesu nicht, konnten es nicht verstehen, daß er als Mes¬ sias werde leiden müssen, darum ärgerten sie sich an seinem Lode, und bezweifelten feine Auferstehung so lange bis er zu wiederhol¬ ten Malen in ihrer Mitte erschien, sich von ihnen antasten, ih¬ nen ihre Hände in seine Wundmahle legen ließ, und in ihrer Gegenwart Speise und Trank zu sich nahm. Auch war Schwä¬ che und Furchtsamkeit ein Hauptzug ihres Charakters. Diese Schwäche und Furchtsamkeit offenbarte sich an ihnen zur Zeit des Leidens ihres Meisterst Die Meisten oder Alle vielmehr ergriffen bei seiner Gefan« gennehmung die Flucht; selbst jener feurige Junger, der sich kurz vorher verschworen hatte, sich an ihm nicht zu ärgern, wenn sich auch Alle an ihm ärgern würden, der mit ihm sogar in den Tod gehen wollte, selbst der feurige Petrus mischte sich ängstlich unter die Feinde Jesu und wollte ihn auf die erste Frage einer elenden Magd nicht mehr kennen, nichts von ihm wissen, dreimal nach einander verläugnete er seinen geliebten Meister. Und selbst nachdem Jesus durch seine Auferstehung seine Feinde zu Schan¬ den gemacht hatte, selbst nachdem ihn die Schüler verherrlichet in den Himmel auffahren gesehen hatten, verließ sie die Furcht- sau hie -ss I! en ll ei n r < i 227 «««« samkeit nicht, vielmehr waren sie nie furchtsamer als jetzt, darum hielten sie sich durch 10 Tage bei verschlossenen Lhüren in einem Hause verborgen und betheten. — So waren also die Schüler Zesu bis auf den Augenblick, wo sie den Tröster den h. Geist empfangen hatten. Aber von diesem Augenblicke an wurden sie ganz neue, ganz andere Menschen; nicht mehr jene einfältigen, ungelehrigen, von taufend Vorurtheilen befangenen Fischer, denn ein schönes göttliches Licht war ihrem Verstände aufgegangen, welches die dichten Finsternisse der Unwissenheit plötzlich verdrängte, wie Gottes aufgehende Sonne die Dunkelheit der Nacht verdrängt. Eie erhielten andere Begriffe, andere Neigungen, andere Gesin¬ nungen. Von dem göttlichen Geiste erfüllt, lerueten sie in einem Augenblicke mehr, als die größten Weisen aller Jahrhunderte bei aller Mühe und Anstrengung nicht erlernet hatten. Jetzt war ihnen alles klar, was sie je von ihrem Meister gehört hatten, jetzt faßten sie die erhabensten Wahrheiten, die tiefsten Geheim¬ nisse seiner Lehre mit jener Richtigkeit auf, wodurch sie fähig wurden Verkündiger und Erweiterer des Reiches Gottes zu wer¬ den. Man durfte in Zukunft zu ihrer Wissenschaft, die den Glau¬ ben betraf, nichts mehr hinzusetzcn; was sie an diesem Lage be¬ kamen , das bekamen sie in seiner Vollkommenheit und auf immer. Eie durften nur thätig seyn und die Gaben gebrauchen, die sie empfingen, denn der h. Geist lehrte sie auch die Art und Weise diese Gaben anzuwenden. Kurz, die Apostel waren nicht mehr rohe einfältige Fischer, sondern untrügliche Lehrer aller Nationen, Lehrer des ganzen Erdkreises. Diese plötzliche und vollkommene Erleuchtung ihres Verstandes, diese Berichtigung und Vermehrung ihrer Einsichten kündigte sich in ihnen am Pfingstfeste schon durch die Kenntniß so vieler und verschiedener Sprachen, die ihnen ehe¬ dem ganz unbekannt waren. Wohl mag die Anwesenden ein hei¬ liger Schauer befallen haben, da sie diese armen unbedeutenden Fischer plötzlich in den seltensten Zungen die herrlichen Thaten Gottes verkündigen hörten. Dir ungeheure Menge von Fremd¬ lingen, die sich in Jerusalem, als in der Hauptstadt des Mor¬ genlandes zur Zeit des Festes einfanden, hörte sie mit tiefem Staunen und fragte: Sehet, sind denn diese die da reden, nicht Galiläer, wie hören wir denn ein Jeder unsere Sprache in der wir geboren sind? — Nach der Erzählung der h. Schrift waren aber diese Fremdlinge von den entferntesten Ländern hergekommen,' 15 * »v»» 228 «««L cs fanden sich Menschen von allen damals bekannten Weltheilen zu Jerusalem ein. Und doch kehrte keiner von allen diesen Fremd, lingen in sein Vaterland zurück ohne die göttlichen Wahrheiten der Lehre Jesu in seiner Muttersprache vernommen zu haben; ja viele Tausende wurden von der Kraft, mit welcher die vom h. Geiste erfüllten Apostel redeten, so hingerissen, daß sie sich am selben Lage zu der Lehre des Gekreuzigten bekannten und die Taufe annahmen; und als sie zu den ihrigen zurückgekehrt waren, so erzählten sie mit gerührtem Herzen die grossen Wunder, die sie zu Jerusalem gesehen, und gehört, und machten sie mit dem Glauben, den sie selbst angenommen batten bekannt. — Aber der h. Geist machte die Apostel nicht nur zu untrüglichen, son¬ dern auch zu standhaften heldenmüthigen Lehrern des Glaubens. Er beseelte sie mit einem Feuer, begab sie mit einer Stärke, die sie fähig machte die Wahrheiten des Heils unter den größten Beschwerden fortzupffanzen. Sie verkündigten den Gekreuzigten und seine Lehre mit einer Frcimüthigkeit und Unerschrockenheit, die ihre größten Feinde zittern machte. Denn wenn man sie vor ein Gericht zur Verantwortung gezogen, wenn man ihnen auf das strengste eingeschärft hatte in Zukunft von dem Gekreuzigten nicht zu reden, so entgegneten sie weiter nichts, als: Urtheilet selbst, ob es recht sey, euch mehr zu gehorchen als Gotts Und wenn man sie mißhandelte, sie unmenschlich geiselte und zerstcisä-te und dann entließ, so waren sie vor Freude außer sich, weih sie würdig geachtet wurden für den Namen Jesu zu leiden — sie gingen wieder hin und verkündeten wie zuvor den gekreuzigten aber auferstandenen Jesus und seine Lehre. — Kurz, entstammt von dem Feuer des göttlichen Geistes achteten sie nicht die Dro¬ hungen der Fürsten, fürchteten nicht die grausamsten Verfolgun¬ gen ihrer Feinde, bebten nicht zurück vor den Schrecken des To¬ des, sie trotzten vielmehr der Wuth der Tyrannen, foderten Marter und Lod heraus, bezwangen durch ihre Geduld und durch ihren Heldenmuth selbst ihre Peiniger und versiegelten endlich mit ihren Blute den Glauben, den sie bis auf den letzten Athem- zug der Welt verkündet hatten. — Sehen Sie, meine Liebem das wurden die Apostel nach dem Empfange des heil. Geistes. Solche Weisheit, solche Vollkommenheit, "solche Stärke, solchen Heldenmuth theilte ihnen der von ihren göttlichen Meister ver¬ heißene Tröster miK Wir wollen nun sehen wie er seine himm- )-»rr -- 229 « « Fortschreiten auf dein Wege der Lugend ermuntert, im Kampfe § wider die Sünde gestärkt fühlen, wenn wir die Beschwerden, die * sich unfern frommen Bemühungen entgegensetzen unverdrossen zn i beseitigen streben, so ist diese Stärke ein Geschenk des h. Geistes. Wenn wir das Irdische und Vergängliche nur nach seinem mH. ren Wcrthe schätzen, es nur als Mittel zur Erreichung unserer Bestimmung ansehen, übrigens aber unser Herz an das Zeitliche nicht verschenken, sondem es nur Gott allein weihen, ihn nur lieben und nach seiner Liebe streben, daher alles fliehen und fürch¬ ten, was uns seine Liebe entziehen könnte, so ist diese kindliche Furcht Gottes eine Wirkung des h. Geistes. Mit einem Worte, der h. Geist ist es, der seine siebenfachen Gaben, die Gabe der Weisheit, des Verstandes, des Rathes, der Stärke, der Wissen¬ schaft, der Gottseligkeit und Gottesfurcht über uns ausgicßet, er ist unser Heiligmacher, unser Lehrer und Führer auf dem Wege des Heils. Er ist aber auch unser Tröster. Von seinem Troste erfüllt achteten unzählige Märtyrer den Verlust ihrer zeitlichen Güter und Ehren, den Verlust ihres Lebens nicht, sondern mit einer himmlischen Freude, welche selbst die Tyrannen nicht genug bewundern konnten, gingen sie den grausamsten Dualen entgegen und verspritzten ihr Blut für das Bekennlniß des Glaubens. Der h. Geist ist es, der noch immer göttlichen Balsam in die Wunden verachteter, betrübter und unglücklicher Christen träufelt, der ihren Muth aufrecht erhält in Leiden und Widerwärtigkeiten und mit seinem Tröste nach Linderung schmachtende Herzen be¬ feuchtet, wie der klare Mergenthau die erstorbene Pflanze. — Außer diesen Gaben und Wirkungen des h. Geistes macht der h. Paulus im Sendschreiben an die Galater noch von andern Wir¬ kungen Meldung, die sich bei dem Menschen äußern, wenn der göttliche Geist in ihm wobnt. Diese Wirkungen sind: Eine reine feurige Liebe gegen Gott und den Nächsten wegen Gott, die im¬ mer thätig ist und keine Beschwerden scheut; eine durch nichts zu ersetzende Freude, die aus dem Bewußtseyn eines guten Gc- s»»» 251 «««» wissens entspringt und daher ein innerer Friede, den nichts zu stören vermag, weil er ein Friede ist, den die Welt nicht geben kann, da er in der Liebe Gottes, in dein Bewußtfeyn seines Wohlgefallens gegründet ist; dann Geduld, die Alles überträgt und die Erfüllung der schweresten Pflichten erleichtert; Freund¬ lichkeit und Güte, die sich immer durch ein liebevolles Betragen gegen den Nebenmenfchen äußert; Langmuth und Sanstmuth, die über erlittene Unbilden nicht zürnet, sich nicht rächt, sondern großmüthig verzeiht und aus Besserung harret; daun unerschüt¬ terliche Treue, die das gegebene Versprechen auf das heiligste er¬ füllet; und endlich Mässigkeit, Enthaltsamkeit und Reinigtest, welche drei die unordentliche Liebe gegen alles Irdische und Er¬ schaffene ersticken, oder in den gehörigen Schranken erhalten. Alles dieses sind Wirkungen, durch die sich der h. Geist in den Gemisthern frommer Gläubiger ankündiget. Wollen wir nun, meine Lieben, daß dieser göttliche Geist auch in unfern Herzen sich eine Wohnung bereite, so reinigen wir dieselben Zuerst von allem Irdischen und Sündhaften, dann bitten wir ihn demüthig nnd kindlich, er möge seine Gnaden über uns ausgießen, er möge kommen und uns zu seinem Wohnsitze heiligen, und hat er uns seiner Gegenwart gewürdiget, dann, meine Lieben, müssen wir eifrig mit ihm wirken, sein heiliges Feuer in uns durch ein fort¬ währendes Wachsen im Guten nähren und erhalten, alle unsere Pflichten aus Liebe gegen Gott und den Nächsten zu erfüllen streben, denn der h. Geist verlangt ein Herz, das aus Liebe wirket, weil er selbst ganz Liebe ist. Wenn wir auf diese Art nach seinen Gnaden ringen, so wird er uns dieselben nicht ver¬ sagen, sondern er wird immer in uns wohnen, unser Lehrer, Tröster und Heiligmacher seyn auf dieser kurzen Wanderschaft. Amen, vvv V, »»»» 252 «««« Am zweiten Sonntage nach Pfingsten. _ Gl ge »Ein Mensch bereitete ein grosses Abendmahl und lud Viele dazu ein.« Luk. 16. hi L Eingang. Äer Heiland saß eines Tages bei einem der Vornehmsten aus z den Pharisäern zu Tische. Bei dieser Gelegenheit bemerkte er l nur zu deutlich, wie bereitwillig der Eigennutz dieser Menschenklasse selbst die Maske der Gastfreundschaft annchme — denn sie luden nur Solche zu ihren Mahlzeiten ein, von denen sie auch ein Glei¬ ches hofften oder hoffen zu dürfen glaubten. Das konnte der göttliche Lehrer der Wahrheit nicht ungeahndet lassen; an deu Pharisäern um so weniger, weil diese nicht anders als durch sreimüthige und ernste Aufdeckung ihrer heuchlerischen Gesinnungsart gebessert werden konnten. — Der Heiland wendete sich also ge- s radezu an den, der ihn geladen hatte, und sprach: Wenn du ein Eastmahl anstellen willst, so berpfe vielmehr Arme, Schwache, Lahme und Blinde zu deinem Tische und du wirst selig seyn. Denn weil diese es dir nicht ersetzen können, wird es dir in der Auferstehung der Gerechten vergolten werden! — Die Worte: Auferstehung der Gerechten, Wiedervergcltung, Seligkeit — diele Worte weckten aber in den sinnlichen Gästen die alten Vorur- theile von einem irdischen glanzvollen Reiche des Messias auf, so zwar, daß Einer aus ihnen sich nicht enthalten konnte, aus¬ zurufen: Glückselig ist derjenige, der das Brot im Reiche Gottes ißt! — Jesus hatte zwar vom Reiche Gottes und seiner Selig" kcit gesprochen, aber nicht in dem Sinne, wie es die fleischlich- gesinnten Gäste nahmen, weßwegen er ihnen auch, weil sie ihn nicht verstanden oder nicht verstehen wollten, recht auffallend zei¬ gen mußte, daß sie das geistige bessere Reich und dessen höhere Seligkeit weder kannten noch verlangten, und eben darum in der Folge davon ausgeschlossen seyn würden. Um ihnen diele Wahrheit begreiflich zu machen, bediente sich der Heiland des eben vernommenen Gleichnisses vom grossen Abendmahlc und von der Einladung vieler Gäste zu demselben, d. i. von dem Berufe 253 « « « «L oller Menschen zum wahren seligmachenden Glauben. And gerade zu diesem erhabenen Mahle zu erscheinen, den seligmachenden Glauben anzunehmen weigerten sich die jüdischen Priester, Schrift- gelehrten und Pharisäer, obschon sie die ersten dazu geladenen Gä¬ ste waren. Darum fügt auch der Heiland am Ende des Gleichnisses hinzu: Ich sage euch aber, daß keiner von den Männern, die geladen worden sind, mein Abendmahl kosten wird. Was den lasterhaften verhärteten Pharisäern und ihren An¬ hängern , was dem verblendeten jüdischen Volke aus Strafe ent¬ zogen wurde, meine Lieben! das ist nun uns aus Gnade zu Theil geworden. — Wir kennen die alleinseligmachende Lehre Jesu und haben sie angenommen, wir haben die lcergelassenen Plätze der geladenen Unwürdigen besetzt, wir sind die an ihrer Stelle zu dem wahren Messiasrciche berufenen Gäste. — Möchten wir cs nur auch recht verstehen und fassen, was die blinde verderbte Na¬ tion nicht verstehen und fassen wollte, nur die unschätzbare Gnade, derer wir gewürdiget worden sind, nie zu verscherzen! — Wir wollen uns zu diesem Ende heute damit beschäftigen, die durch Jesus uns angcbothcne Glückseligkeit einer ernstem Betrachtung zu würdigen, und zu untersuchen, worin sie eigentlich bestehe, damit wir sie dann nicht nur zum Gegenstände unserer Wünsche, sondern auch unseres thätigen Strebens machen. Vernehmen Sie rc. Abhandlung. Ein Mensch, sagt der Heiland im h. evangelischen Gleich¬ nisse, ein Mensch bereitete ein grosses Abendmahl, und lud Viele dazu ein. — Dieser Mensch ist Jesus Christus der Sohn Gottes selbst, der aber im sterblichen Fleische in die Welt kam um die Menschen durch seine Lehro und seinen Tod selig zu machen. Das bereitete Abendmahl ist folglich die durch Jesus den Men¬ schen angebothene Seligkeit. Sie wird einem grossen Abcndmahle verglichen, denn groß ist sie wirklich; groß, weil sie nicht etwa dahin zielt bloß den thierischen Theil, den Körper des Menschen, londern vorzüglich seinen edlen unsterblichen Geist zu erquicken; groß, indem sie sich nicht nur auf das gegenwärtige, sondern und be¬ sonders auf das künftige Leben erstreckt; groß ist sie endlich, weil Ile allen Menschen bereitet, und allen, die sie ernstlich suchen, er¬ reichbar ist; oder kürzer gesagt: Jesus bicthet uns in seiner Lehre »»»» 2)4 «««« «nd ihrer treuen Befolgung eine höhere und bessere, eine zeitlich, V und ewige, eine allgemeine und allgemein erreichbare Glückselig. keit an. Ich sage: Jesus bicthet uns eine höhere und bessere Glück. § seligkeit an. — Der Trieb nach Glückseligkeit, nach Wohlseyn s ist jedem lebendigen Wesen angeboren, jedes sucht sich seines Da. ! § seyns so gut als möglich zu freuen; darum fodert auch jedes ; Wesen Befriedigung seiner Bedürfnisse, und zwar auf eine Art, i die seiner Natur angemessen ist — ein körperliches Wesen z. B. fodert körperliche, ein geistiges, geistige Nahrung. Den umm. Künftigen Lhieren ist die liebe Gottes Erde ein grosser weiter Speisesaal — da finden sie Befriedigung aller ihrer natürlichen Bedürfnisse; den Hunger stillen sie auf grünen Auen oder unter fruchttragenden Bäumen, den Durst löschen sie an der nächsten Duelle, an dem nächsten Bache, entweder mit klarem oder trü¬ bem Wasser, sie folgen den ihrer Bestimmung entsprechenden Trie¬ ben, ruhen zur gesetzten Zeit aus und sind zufrieden, denn ihre Natur verlangt nicht mehr. — Der Mensch, der dem Leibe nach auch thierische Bedürfnisse hat, nährt sich entweder von einfachen oder künstlichen Gerichten, baut sich Behältnisse und Vorraths¬ kammern, sammelt sich Schätze und Reichthümer, schafft sich Al¬ les, was er kann und vermag entweder zum Nutzen, oder zur Bequemlichkeit, oder Erquickung seiner Sinne, und dennoch fehlt ihm noch immer etwas, oder besser gesagt — Alles. Denn sein besserer Lheil, sein Geist wird durch allen sinnlichen Genuß doch nie gesättiget, nie vollkommen zufrieden gestellt. — Der Geist hat ja ganz andere Bedürfnisse als der Körper, er,strebt fortwährend nach Gütern, die so wie er selbst höhern Ranges und besserer Beschaffenheit sind. Unter diesen Geistesgütern ist nun das erste und unentbehrlichste: die Kenntniß der Wahrheit, oder alles dessen, was den Verstand berichtiget, das Herz veredelt und beruhiget, den Wandel bessert und vervollkommnet. Und, Wahrheit, des Geistes einzige unentbehrlich Nahrung, brachte uns der Sohn Gottes selbst mit dem freundschaftlichsten Anerbiethen. — In der ewigen untrüglichen Wahrheit, d. i. in der beseligenden Lehre Jesu besteht eben das grosse herrliche Mahl, das er, des Menschen Sohn, am Abende, nämlich bei jener Däm¬ merung, die den Verstand und das Herz der Menschen gefangen hielt, zu stiften kam. Denn daß es ein höchstes Wesen, einen » » » » 235 «<«« Gott gebe, der Himmel und Erde, alles Sichtbare und Unsicht¬ bare durch sein blosses allmächtiges Wollen in's Daseyn gerufen bat, daß dieser allmächtige Gott Alles wisse, erhalte, regiere und über Alles wache, daß er der alleinige Herr und Vater der Men¬ schen sey, die in ihm leben, schweben und sind, daß dieser Eine Gott unsere Anbetung, Dankbarkeit und Liebe fodere; daß er diesem uuserm so künstlich gebautem Körper eine unsterbliche Seele, die sein Ebenbild trägt, eingehaucht habe; daß, und wie wir bei Gott für die Verletzung feiner h. Gebote. Vergebung und Ver¬ söhnung erhalten können; daß nach diesem kurzen Erdenleben jenseits des Grabes ein anderes ewig dauerndes auf uns warte; daß wir dereinst auch dem Leibe nach wieder auferstehen werden; daß es jenseits einen Vergeltungszustand gebe, wo jeder nach Be¬ schaffenheit seines Wandels auf Erden Gutes oder Böses einärn- tm wird — diese und viele andere Wahrheiten, von denen selbst die Juden nur rohe unvollkommene Begriffe hatten, und die die Heiden zwar muthmaßten, aber durch abergläubische Meinungen ganz verstellten — diese höchst wichtigen Wahrheiten trug der Heiland in der höchsten Reinheit, in der liebenswürdigsten Ein¬ falt, auf die faßlichste Art den Menschen vor. Diese Wahrheiten sollte nun der menschliche Geist als seine edelste Nahrung aufnehmen, das Gedächtniß sollte sie treu behal¬ ten, der Verstand sie durch reifes Nachdenken gleichsam verkochen, der Wille sie so zu reden gleichsam in Fleisch und Blut verwan¬ deln, damit daraus die nöthigen Kräfte und Antriebe für den Menschen hervorgingen, stets nur das zu lieben und zu thun, was seiner erhabenen Bestimmung gemäß, das zu hassen und zu meiden, was derselben zuwider ist. — Außerdem aber wird uns an der herrlichen Tafel des von Jesus angeordneten Abendmahles auch alles das zu Lheil, was unsere Gesinnungen und Neigungen, was unser Herz und unser ganzes Wesen veredeln und in der Veredlung erhalten kann. Denn als Inbegriff aller Gebote und als das Wesen aller Tugend und alles Verdienstes, schärst Jesus ein: die Liebe Gottes und des Nächsten auch des feindseligen, aus reinem Herzen und ungeheucheltem Glauben; er lehrt Verachtung aller bösen Begierden und unreiner Lüste, mäs¬ sigen heiligen Gebrauch zeitlicher Güter, Geduld und Ausdauer in den Lrübsalen dieses Lebens, kurz — die genaueste Erfüllung »»»» 236 «««« aller Menschen«, Christen- und Berufspflichten — das ist nach des Jesu Lehre die unerläßliche Bedingung zur Lheilnahme an der N>< Seligkeit des Reiches Gottes. — Die Mittel diese Bedingung tcn zu erfüllen sind: Selbstverleugnung, mittelst welcher wir unsere un sinnlichen Neigungen und Triebe der Vernunft und dem Geseke ne Gottes unterordneu; dann Wachsamkeit, mit welcher wir den G möglichen Gefahren der Tugend zuvorkommen, die wirklichen bc- ku hutsam fliehen — das Gebet, durch welches wir die zur geistigen re Vervollkommnung nöthige Stärke und Gnade bei Gott suchen ch und erhalten, und endlich die von Jesus selbst eingesetzten Heils- d mittel die h. Sakramente, besonders das des h. Abendmahles, i in welchem wir uns mit dem Urheber aller Gnaden, mit Jesus b selbst auf das innigste vereinigen. Jesus hat uns also zu unserer < Glückseligkeit wirklich ein grosses Abendmahl bereitet, welches aber < freilich nicht, wie die Juden träumten, im Essen und Trinken, ün Besitze zeitlicher Güter, in Auffchwingung zu grossen Ehreu¬ stellen besteht — nein, das ist das Leben, und zwar das ewige Leben, wie Christus sagt: daß wir Gott und den er gesandt hat Jesum Christum erkennen, mittelst dieser Kenntniß zur Gerechtig¬ keit und somit zur Seligkeit gelangen. Das ist also das höhere und bessere Glückfeligkeitsmahl, das Jesus, als er im menschlichen Fleische auf Erden wandelte, den Menschen zu Liebe veranstaltete. Der Genuß dieser uns von Jesus bereiteten Glückseligkeit nimmt daher schon im gegenwärtigen Leben seinen Anfang und wird im künftigen fortgesetzt und vollendet. Nichts ist wohl uns Menschen hienieden erwünschter als ungetrübte Heiterkeit des Gei¬ stes und feste Ruhe des Herzens. Diese machen uns die Erde, die so allgemein als ein Thränenthal verschrieen ist, zum ange¬ nehmen Aufenthalte. Nur jenen Menschen war dieses Leben größ- tentheils eine traurige Wanderschaft, die Erde ein Land der Lhränen, die sich immer mit bangen Zweifeln hcrumfchlagcn mu߬ ten: Gibt es einen Gott? weiß Gott, und kümmert er sich um mich und meine Angelegenheiten? Wenn cs einen Gott gibt, bin ich ein Gegenstand feines Hasses oder feiner Liebe? — And wenn seine Ungnade auf mir lastet, wie kann ich mich wieder seiner Gnade würdig machen? Was wird nach diesem Leben aus mir und meinem vernünftigen Geiste werden? Habe ich wohl nicht vergebens mein Herz vom Bösen rein erhalten, habe ich nicht vergebens gearbeitet, gekämpft und gelitten? Werde ich jenseits »»»» 257 «««u: Lhut Busse, denn das Reich Gottes ist nahe! So waren also den Kindern Israels zuerst das Reich Gottes verkündet; die ersten zum göttlichen Mahle, zur Annahme der Lehre Jesu Ge¬ ladenen waren die Vornehmen aus den Juden, die Priester und Lchriftlveisen; nach ihnen die Gemeinen und Geringen, die armen Fischer, die Siechen und Kranken, die Zöllner und Publikane. Gehe, sprach der Herr zu seinem Diener, gehe sogleich hinaus auf die Gassen und Plätze der Stadt, und führe die Armen, Schwachen, Blinden und Lahmen hieher. Allen, ohne Unter¬ schied des Standes, Alters und Geschlechtes sollte die Gnade des Evangeliums und das durch dasselbe beabsichtigte Heil angebo¬ ren und mitgetheilt werden. Nicht auf das auserwählte Volk Gottes auf die Juden al¬ lein sollte sich also die durch Jesus angebothene Glückseligkeit be¬ schränken, nein, sie waren zwar die Ersten aber nicht die einzig Geladenen; denn als Christus der allgemeine Menschenbeglücker erschien, so stürzte die Scheidewand zwischen Juden und Heiden ein; Allen wurde eine und dieselbe Lhüre, durch die man zum ewigen Leben cingeht, eröffnet, Allen ein und dasselbe Gottes¬ haus gebaut, Allen ein und derselbe Lisch der Glückseligkeit berei¬ tet. Das will der Heiland in den nachfolgenden Worten des Gleichnisses sagen: Der Diener meldete seinem Herrn: es wäre noch Platz bei der Tafel übrig. — So gehe denn hin, sprach der Herr, auf die Wege und an die Zaune, und nöthige die Leute herein, damit mein Haus voll werde. — Wer sicht in diesen Worten nicht den Befehl Jesu an die Apostel: hinzugehen m die ganze Welt und allen Völkern das Evangelium zu ver¬ kündigen? Sie gingen auch nach dem Befehle ihres göttlichen Meisters hin in die ganze Welt, lehrten die Völker, worin die durch Jesus angebothene Glückseligkeit bestehe, und wie sie er¬ reicht werden könne — Gelehrte und Ungelehrte, Könige und llnterthanen, Reiche und Arme luden sie zum grossen Abendmahle, führten sie durch die h. Taufe in die Kirche Christi ein, denn ihre Stimme, sagt der h. Apostel Paulus tönte über den ganzen Erdboden — ihre Worte erschallten durch alle Gränzen des Weltalls. Röm. 10, 18. »»»» 240 «««« So sind also zu dem durch Jesus bereiteten Gastmahle, zur Kenntniß und Annahme des seligmachenden Glaubens, sehr Viele, ja Alle berufen.' Denn die Vielheit der Gäste kann die Wohlthat nicht schmälern, sie ist Allen zugänglich — Allen erreichbar. — Es ist ja Jesu Lehre, ein und dieselbe Lehre, die den Verstand Aller erleuchten, das Herz Aller erwärmen, Allen gleiche Gesin¬ nungen einflössen, gleiche Lebenskraft verleihen, und doch immer dieselbe ungetheilte ungeschwächte Lehre in Ewigkeit bleiben soll. Wir haben Alle nur ein höchstes Gut, nämlich Gott, nach des¬ sen Besitz wir ringen, Alle nur ein Haus desselben himmlischen Vaters, wo es aber der Wohnungen Viele gibt, die nicht ge¬ schlossen werden bis nicht die Zahl der Berufenen und Auserwähl- len sie wird erfüllt haben. — Wir wissen also, meine Lieben! worin die unter dem Bilde des grossen Abendmahles geschilderte Glückseligkeit, von welcher Jesus Christus der Urheber ist, bestehe. — Wir müssen uns demnach für die Glücklichsten schätzen, weil wir ohne unser Ver¬ dienst, aus blosser Gnade zu dieser Glückseligkeit berufen sind. Wir müssen Gott dem barmherzigen Vater stets den wärmsten Dank entrichten, daß er durch seinen Sohn Jesus so grosse und wohlthätige Anstalten zu unserm Heile traf, die er uns so nahe kennen, an denen er uns vollen Antheil nehmen ließ. — Wie viele verlangten das zu sehen, zu hören und zu kosten, was wir im vollen Masse sehen, hören und genießen.' — und sie konntcu es nicht! — Unsere heidnischen Vorfahren — wie weit waren sie nicht von dem Reiche Gottes, das zu uns gekommen ist, ent¬ fernt? — sie waren ein irrendes Volk, wir sind das Volk des Herrn, sie waren Fremdlinge, wir sind Gäste, Kinder Gottes, Erben seines Reiches. Dankbar sollen wir uns also jederzeit des glücklichen Tages erinnern, da uns durch die h. Laufe die Thiire zur wahren Kirche Christi, zum grossen Gotteshause, zum Gast¬ mahle zeitlicher undKewiger Glückseligkeit geöffnet worden ist — und immer sollten wir uns angetrieben fühlen, dieses hohen Be¬ rufes, dieser überaus grossen göttlichen Gnade recht würdig zu werden. Amen. 241 Am dritten Sonntage nach Pfingsten. »Ich sage euch, eben so wird im Himmel mehr Freude seyn über einen Sünder, der Buffe thuk, als über gg Gerechte, die der Buffe nicht bedürfen.« Luk. r5, 7. Eingang. In zweien, Jedermann faßlichen Gleichnissen, zeigt der liebevolle Heiland im heut. Evangelia, wie sehr der Himmel um das See¬ lenheil eines unglücklichen verirrten Sünders besorgt, und wie groß die Freude über seine Rettung, d. i. über seine aufrichtige Bekehrung, sey. — Im ersten Gleichnisse spricht Jesus von einem Hirten, der 100 Schafe zählt, aber Eines davon verloren hat; es hat sich von der Heerde getrennt und irret einsam und ver¬ lassen in der Wüste umher. Doch kaum bemerkt der gute Hirt, daß ihm ein Schästein fehle, so läßt er um dieses Einzigen wil¬ len die neun und neunzig Schafe, die ihm zwar eben so theucr sind, um die er aber nicht so besorgt seyn darf, weil sie seine Stimme zu gut kennen, so läßt er diese yy Schafe in der Wüste stehen und eilet dem verlornen nach, rufet, locket und suchet es so lange, bis er cs gefunden, und hat er selbes gefunden, wie unaussprechlich groß ist seine Freude! — Er läßt cs nicht vor, noch weniger aber nach seiner einhergchen, nein, er selbst will es tragen, auf seine Achseln hebt er es, damit er selbes ja nicht mehr verlieren könne. So bringt er das wiedergefundepc Schaf» lein zu der treuen Heerde zurück, und ganz außer sich vor Freude rufet er seine lieben Nachbarn zusammen, damit auch diese Lhcil nähmen an der Freude, die er empfindet. — Und nun setzt Jesus, der selbst dieser gute liebevolle Hirt ist, nun setzt Jesus zu diesem Gleichnisse hinzu: Eben so sage ich euch, wird im Himmel mehr Freude seyn über einen Sünder, der Busse thut, als über yy Gerechte, die der Busse nicht bedürfen. — Die nämliche Wahr¬ heit spricht der Heiland im zweiten Gleichnisse aus, von dem Weibe nämlich , welches von den zehn Groschen, die sie besaß, Einen verloren, aber nachdem sie ihn nach vielen und emsigen Suchen gesunden hatte, ihre Freundinnen einlud, Theil zu nehmen 16 »»»» 242 «««« an ihrer Freude. Nach dieses Gleichniß erklärt Jesus selbst, ,'n, dem er binzufiigt: also sage ich euch, werden sich die Engel Got¬ tes freuen über einen Sünder, der Busse thut. — O tröstliche Wahrheiten für Jene, die das Unglück gehabt haben, sich durch die Sünde von der treuen Heerde Jesu zu verlieren, wenn ft ernstlich darauf bedacht sind, zu derselben durch eine aufrichtige Busse zurückzukehren. Seht, Jesus der gute Hirt, der sein Le¬ ben für seine Schafe gibt, geht euch, wer ihr auch immer seyd, verlorne Schafe, Jesus geht euch selbst entgegen, lasset euch doch nicht lange von ihm suchen, flieht nicht vor euerm guten Hirten, denn je mehr ihr euch von ihm entfernet, desto mehr nähert ihr euch euerm Verderben, d. i. je länger ihr zögert euch zu ihm zu bekehren, desto gefährlicher wird diese Verzögerung der Bekeh¬ rung; und je länger ihr zögert euch zu bekehren, desto ungewis¬ ser und schwerer wird die Bekehrung. Wir wollen uns heut« davon überzeugen durch eine ernstere Betrachtung. Vernehmen Sie mich mit Aufmerksamkeit, und der Himmel gebe es — auch mit einem bleibende» Nutzen! Erster Theil. Zur aufrichtigen Bekehrung des Sünders wird erfodert: Gnade Gottes und die Mitwirkung des Sünders. Denn so M der Sünder ohne der Gnade Gottes nichts vermag, so thut die Gnade Gottes nichts ohne der Mitwirkung des Sünders. Gott ist zwar gütiger gegen den Sünder, als es dieser verdiente, er geht ihm selbst mit seiner Gnade entgegen und ruft ihn recht väterlich zu sich; will aber der Sünder dem väterlichen Rufe Gottes kein Gehör geben, so setzt er sich der Gefahr aus, von Gott verlassen, seiner Gnade beraubt zu werden. Denn so wie Gott Jene, die mit der ihnen verliehenen Gnade treulich Mit¬ wirken, mit immer grossen, Gnaden belohnt, so straft er im Ge- gentheile die Verächter seiner Gnade mit der Entziehung dersel¬ ben. — Wehe euch, sagt er durch den Propheten Jsaias, wehe euch, die ihr meine Gnade verachtet, ich werde euch auf gleiche Weife verachten! — Ich habe euch gerufen, und ihr habt mich nicht hören wollen, ich habe euch gesucht, und ihr seyd vor mir geflohen — aber ihr werdet mich auch rufen, und ich werde euch nicht hören wollen, ihr werdet mich suchen, aber nicht finden -- 245 - «L N. t. Se -h le >e in euern Sünden werdet ihr sterben. (Joh.) Was schließen wir nun aus diesen so bestimmten Aussprüchen Gottes, meine Lieben? Wir schließen, daß es Augenblicke gibt, welche der Bekehrung des Sünders vorzüglich günstig, aber eben darum auch so entscheidend sind, daß, wenn man diese Augenblicke unbcnüßt hat verstreichen lassen, sie dann in Ewigkeit nicht mehr wiederkehren. — Indes¬ sen so wahr es ist, daß es für den Sünder günstige Augenblicke zur Bekehrung gibt, so gewiß ist die traurige Erfahrung, daß der Sünder diese günstigen Augenblicke nicht sesthalten will, son¬ dern seine Bekehrung von Lag auf Tag, von Jahr auf Jahr, ja wohl bis an das Ende seines Lebens hinausfchiebet. O schreck¬ liche Blindheit! — die kostbare Zeit, von welcher ein ewiges Heil abhängt, vertändelt der Sünder in den Armen des Lasters — die kostbare Zeit der Gnade, die Gott den aufrührerischen Engeln und so vielen andern, die in ihrem Sündenzustande ge¬ storben sind, nicht gegeben hatte, diese kostbare Zeit mißt sich der sorglose Sünder aus, um noch einen langem Schlaf zu schla¬ fen an dem Rande seines Vcrderbnisses! — Die Langmuth Got¬ tes, die Jahre und Jahre auf die Bekehrung des Unglücklichen harret, diese Langmuth sieht er nicht als unverdiente Gnade, son¬ dern als ein Vorrecht an — Sünde auf Sünde zu häufen, und im Taumel der Gottcsvergessenheit sich mehr und mehr zu ent¬ fernen von seiner ewigen Bestimmung! -— Aber wisse, o Sünder, sagt der h. Apostel Paulus, wisse, weil du die Schaße der Barm¬ herzigkeit des Herrn verachtest, so sammelst du dir einen Schaß des Zornes Gottes am Tage des Gerichtes. Und dieser göttliche Zorn äußert sich an dem Sünder ost schon in diesem Leben durch eine allmalige Blindheit des Verstandes und Verstockung des Her¬ zens gegen die Wahrheiten des Heils. Wie manchen hat schon das Licht der Gnade, wie die öffentliche Sünderin Magdalena, erkennen lassen die Eitelkeit der Welt, die gefährlichen Genüsse des Lasters, die schlüpfrigen Wege der Verführung, aber er ver¬ schloß dem wohlthätigen Lichte die Augen, er unterdrückte mit Gewalt die heilsamen Regungen und Empfindungen, die die Gnade Gottes in seinem Herzen erzeugte, er konnte sich nicht entschließen dem Tande der Menschenkinder, dem falschen Schimmer der Ehre, der Nichtigkeit der Erdengiiter, dem Giftbecher der sinnlichen Lust zu entsagen. Wie manchen Sünder hat Gottes gütige Vorsehung, um ihn zur Selbstkenntniß zu führen, wie den wider die Kirche 16 * »»»» 244 «««« Jesu wüthmden Sanl, darniedergeschlagen durch einen oder den andern Unglücksfall? Verachtung, Armuth, Krankheiten, Verlust jener Güter, an die er sein ganzes Herz heftete, — alles dieses ließ ihn Gott erfahren um ihm die Augen zu öffnen, aber er wollte den waltenden Finger Gottes nicht kennen, er wollte nicht fragen, wie der darniedergeschmetterte Saul: Herr, wer bist du? Herr, was willst du, das ich thun soll? Manchen Sünder er¬ schütterte schon der Lod eines Weltkindes, dem mitten in seinem Lasterleben die letzte Stunde abgeschlagen hatte, — es erschüt¬ terte ihn, wenn er Menschen seines Gleichen ihm zur Seite all- zusrüh in das kühle Grab sinken gesehen hatte; aber diese wohl- thätige Erschütterung war nur ein minutenlanger Fieberfrost, ft war nur ein zähes Aufwachen aus seinem tiefen Schlafe, er sank gleich einem Träumenden zurück auf sein Sündenlager und schlief fester ein, wie vor dem Erwachen. — Ein tödtlicher Schlaf, meine Lieben! denn er bringt der Seele wirklich den Tod; eia eiserner Schlaf, meine Lieben! aus dem ihn oft nur die Stimme des rächenden Würgengels aufzurütteln vermag. — Aber woraus gründest du denn die Hoffnung deiner Bekehrung, unglücklicher Sünder? Auf die Zukunft — auf günstigere Umstände — auf ein Wunder des Ewigen? Entweder willst du dich einmal bekeh¬ ren, oder du willst dich niemals bekehren. Sich niemals bekeh¬ ren wollen, heißt so viel: als verdammt seyn wollen. Verdammt seyn wollen? grausamer Entschluß, der das Mark in den Gebei¬ nen erstarren macht! Willst du dich aber einst bekehren, warum morgen, und nicht heute schon? Der heutige Tag ist vielleicht noch dein, der morgige könnte dir nicht werden. Denn nichts ist ungewisser als die Zeit, und nichts ist gebrechlicher als der Mensch. — Der Mensch, vom Weibe geboren, sagt Job, lebt nur eine kurze Zeit, beladen mit vielen Mühseligkeiten. Er ist wie das Laub, welches der leise Wind vom Baume reißt, und mit sich wegführt. — Wie eine Blume keimt er auf, und wird zertreten — er schwindet wie der Schatten an der Wand, er flieht wie der Rauch, der sich augenblicklich in der Luft verliert. — Kurz sind seine Tage, die Zahl seiner Monate steht bei dir o Gott, du hast ihm Gränzcn gesetzt, die er nicht überschreiten kann. — Auf die Zeit, auf die Zukunft, auf deine Stärke baue also deine Hoffnung nicht, verblendeter Sünder! — Aber auch auf günstigere Umstände baue sie nicht, denn das Licht der Gnade, wc ro re iv d< di i! S l r ! i »»»» 245 «<«« welches dir die Vatergüte Gottes auf dem dunklen Lasterwege noch immer schimmern läßt, könnte bald und vollends verlöschen; verachtest du dieses Licht heute, so bist du morgen desselben un¬ würdig; und schimmert es dir doch noch, so hast du es ja nur der Langmuth Gottes zu verdanken, aber je länger und gewisser du es verachtest, desto gewisser wird es dir endlich entzogen, und ist dir dieses Enadenlicht entzogen, dann warte auf keine günsti¬ geren Umstände mehr, denn wisse, Gott hat dich dir selbst über¬ lassen, dein Herz verhärtet, wie jenes des Pharao, du wirst untergehen in deinen Sünden wie Pharao. — Auf ein Wunder des Ewigen kannst und darfst du nicht bauen. Denn wäre es nicht eine unbegreifliche Verwegenheit, und ein verdammugswür- diger Hochmuth von Gottes Barmherzigkeit ein Wunder zu dei¬ ner Bekehrung verlangen zu wollen? — ein Wunder, das Gott selbst mit dem größten Heiligen zu wirken nicht schuldig ist. Hut Gott nicht von seiner Seite Alles, was nöthig ist, um dir zu helfen, dich aufzuheüen von deinem Sündenfalle, ist er denn schuldig und kann er dich wider deinen Willen aus der Sklaverei des Lasters reissen und deine Fesseln zerbrechen? Er kann deinem Willen keine Gewalt anthun, sonst hörst du aus ein freies Wesen zu seyn; so wie du das Böse aus freiem Willen thust, so will Gott, daß du das Gute aus freiem Willen aus¬ übest, obschon er dich hierin mit seiner Gnade kräftig unterstü¬ tzet. — Mache also nicht Rechnung, Sünder, auf günstigere Umstände, nicht auf die Zukunft, nicht auf ein Wunder des All¬ mächtigen zu deiner Bekehrung, sondern greife mit beiden Händen »ach der Gnade, die dir Gott gegenwärtig zu Theil werden laßt, und denke dir immer: sie ist vielleicht die Letzte. Gott hat jwar dem aufrichtig bekehrten Sünder Verzeihung versprochen, nie hat er ein reuiges demüthiges Herz verworfen, aber bedenke, sagt der h. Augustin, daß in "dieser Verheißung zwei Dinge lie¬ gen: die Stunde und die Verzeihung. Gott hat die Vergebung verheißen zu jener Stunde, in der du dich bekehren wirst, aber die Stunde selbst, in der du dich bekehren wirst, die hat er nicht ausdrücklich verheißen, auch nicht versprochen zu warten, bis es dem Sünder belieben würde sich zu bekehren. Vielmehr ermahnet Jesus: wachet und seyd immer bereit, denn des Menschen Sohn wird kommen wie ein Dieb um Mitternacht, wo alles im tiefen^ Schlafe liegt; und schrecklich wird die Ankunft des Sohnes Got» 246 «««« les seyn für den Sünder, der mit seiner Bekehrung so lange « gezögert hat, bis die Gnadenzeit verflossen und die Zeit der ge. t rechten Rache eingetreten ist! Wie gefährlich ist also die Verzö- r gerung der Bekehrung, wie feindselig ist der Mensch gegen sich 1 selbst, da er das ewige Heil seiner Seele so augenscheinlich auf das > Spiel setzt! — Indessen nahet der sorglose Sünder gewöhnlich eine Hoffnung in sich, die nichts weniger als sicher, sondern eine wahre Blendung des Satans ist — die Hoffnung nämlich, daß seine Bekehrung auch am Ende des Lebens am Sterbebette noch erfolgen werde, — Erfolgen kann sie zwar, aber ob sie gewiß erfolgen wird, wer getraut sich doch dessen zu versichern? Ich behaupte vielmehr, die Bekehrung am Ende des Lebens scy äu¬ ßerst zweifelhaft und äußerst schwer. Davon wollen wir uns überzeugen im zweiten Theile. Viele, oder die meisten sorglosen Sünder suchen sich mit der so unsichcrn Hoffnung zu beruhigen, daß man sich auch am Ende des Lebens, am Sterbebette selbst aufrichtig bekehren kopne. Zch will es zwar zugeben, denn Niemand soll an seinem Heile verzweifeln, so lange er noch am Leben und also in einem Zu¬ stande sich befindet, in dem sich Gott noch immer als barmher¬ ziger Vater zeigt. Aber ich sage: eine aufrichtige Bekehrung fty ein zu grosses und zu wichtiges Geschäft, als daß man cs erst am Rande des Lebens anfangen und am Rande des Lebens glücklich vollenden könnte. Zwar scheinen die meisten Sün¬ der am Lodbette bekehrt, wenigstens im Angesichte der Umste¬ henden, aber es bleibt immerhin zweifelhaft ob sie auch im Herzen und im Angesichte Gottes bekehrt sind? Und daß sie es nicht allzeit sind, lehrt die Erfahrung an jenen Sündern, die, als sie wirklich schon an den Pforten des Todes standen, alle äußern Zeichen der Sinnesänderung und Bekehrung von sich ga¬ ben, bittere Thränen der Reue vergossen, dem Priester der Kirche die größten Versprechungen machten, die h. Sterbsakramente mit Andacht empfingen und kein Mittel, das ihnen noch zu Gebote stand, versäumten nm sich mit Gott auszusöhnen. — Aber kaum zog der Lod seine kalte Hand zurück, kaum fühlten sie wieder neues Leben in den erstarrten Gliedern, so vergassen sie sogleich, »v»» 247 «««« wa- si« waren, was sie angelobt, wozu sie sich entschlossen hat- kn wie sie ihr Leben, wenn es ihnen noch jemals geschenkt weiden sollte, einrichten wollten? — Woher kam diese sträfliche Unbeständigkeit? Die Bekehrung war nur ein Werk der Furcht vor dem Lode, also keine wahre Bekehrung, daher der schnelle Rückfall in den vorigen Sündenzustand. Die wahre Bekehrung aber ist eine Bekehrung des Herzens, und diese ist ein grosses Werk. Am dieses Werk zu Stande zu bringen muß man von einem äußersten Ende auf das andere übergehenvon der höch¬ sten Liebe gegen das Geschöpf, zur höchsten Liebe gegen (Gott) den Schöpfer; von der größten Anhänglichkeit an die Welt, zur größten Anhänglichkeit an Gott. Es ist aber keine leichte Sache die ganz irdischen verdorbenen Gesinnungen, die durch das ganze Leben hindurch die herrschenden waren, plötzlich zu ändern, dem vollkommen zu entsagen, was der Sinnlichkeit so lange geschmei¬ chelt, das fahren zu lassen, was so manchen zeitlichen Vortheil verschaffte. Freilich wohl glaubt mancher Sünder am Sterbebette, er habe alles, was die Welt bisher ihm Vortheilhaftes und Reizendes dargebothen, verlassen; aber im Grunde genommen hat nicht er die Welt und ihre Reize, sondern die Welt hat mit ihren Rei¬ zen ihn verlassen; im Herzen hängt er ihr aber noch immer an, und würde ihr die Hand reichen, wenn der Lod nicht dazwischen zu treten drohte. — O irren wir uns nicht, meine Lieben, die Bekehrung auf dem Sterbebette ist keine so gewisse und leichte Sache, wie wir gegenwärtig denken mögen. And gerade die Gegenwart sagt uns ja, daß wir irren, wenn wir so denken. Wir sind z. B. jetzt noch gesund, besitzen noch einen heitern Ver¬ stand, ein treues Gedächtniß, eine richtige Urtheilskraft, sind also vollkommen vermögend über uns selbst nachzndenken, unser bisheri¬ ges Leben zu prüfen; wir haben noch Gelegenheiten und Mittel das Versäumte nachzuholen, das Mangelhafte zu erfeßen, das Döse gut zu machen — und doch wie schwer kommt uns, die wir Zeit, Kraft, Gelegenheit und Mittel haben, wie schwer kommt es uns oft an alles dieses zu thun? wie schwer kommt es uns an, au dem Geschäfte unsers Heils zu arbeiten, das Laster zu fliehe«, nach der Lugend und nach der Liebe Gottes zu streben? — Wenn sich nun schon dem Gesunden und Starken so viele Hindernisse der sittlichen Besserung in den Weg legen, wie viel¬ mehr müssen nicht diese Hindernisse für den Kranken anwachfen »»»» 2-!o «««« an der Schwelle des Todes. — Von Innen stürmet das erirachte ne Gewissen mit bittern Vorwürfen wider den Unglücklichen, und E führt ihm sein ganzes im Dienste der Sünde vergeudetes Lebe» st vor die Seele; er zäblt im Buche des Richters viele böseThatcn 6 aber wenig gute, der Gedanke an die letzte Lcbensftunde erfüllt ' r ihn mit Angst, denn cs bleibt ihm weder Zeit noch Vermögen, i bas gegebene Aergerniß zu tilgen, ungerechtes Gnt zu erstatten, sich mit- seinem Feinde auszusöhnen — die Schrecken des Gerich. tcs Gottes brechen über ihn ein — der Lodesengel winkt, ihm zu folgen an die -Pforten der Ewigkeit. Von Außen wüthen kor« perliche Schmerzen, die ihm von Zeit zu Zeit die Besinnung rauben, das Gedächtnis schwächen, den Verstand verwirren; ode» die Sorge um das Zeitliche, um die Angehörigen, um Altern, Kinder, Verwandte oder Freunde, die weinend am Sterbebetts stehen, und denen er bald mit erblassenden Lippen ein ewiges Le« bewohl zulispeln wird >— diese und andere Sorgen, diese trami« gen Umstände alle, reißen seine Aufmerksamkeit von dem wichtig« sten Geschäfte nothwendig ab, von den; Geschäfte nämlich, sein mit Sünden beladenes Gewissen in Ordnung zu bringen, Berge« f bring und Begnadigung von Gott zu erflehen. Jetzt sage mir Jemand, ob unter solchen herzzerreißenden und die Sinne betäu¬ benden Umständen am Sterbebette eine aufrichtige Bekehrung eine leichte Sache sey? — Sind Sie aber doch einer andern Meinung, so verweise ich Sie selbst an das Bett eines Gerbenden; benützen Sie eine solche Gelegenheit, wenn sich Ihnen dieselbe darbiethet, da können Sie sich die heilsamsten Lebensregeln holen, beobachten Sie aber Alles genau, was da vorgeht, und dann rufen Sic sich das, was ich eben gesagt habe, in das Gedächtniß, Sie wer¬ den sich gewiß überzeugen, daß die Bekehrung auf dem Sterbe¬ bette immer eine zweifelhafte oder doch gewiß schwere Bekehrung sey. — Aber es wird doch nicht ganz so seyn, könnte Jemand einwenden, der Mörder am Kreuze bekehrte sich doch aufrichtig in seiner Todesstunde? — Wahr ist es allerdings, aber ich ant¬ worte darauf das, was der h. Bernhard sagt: Dieses einzige Beispiel des guten Mörders, kann dir zwar zum Vertrauen die¬ nen, daß du nicht verzweifelst, aber weil es das Einzige ist, so soll es dir eben deßwegen auch zur Warnung dienen, daß du nicht vermessentlich hoffest. Und ich mache sie noch auf den Umstand aufmerksam, die Bekehrung dieses guten Mörders erfolgte an je- »»»» 249 «««< 'Ge und 'eben utcn üi»t ?en, ten, ich. hui ir- 'g c» n, 's »em Lage, wo Zesus selbst am Kreuze das große Geschäft der Erlösung vollendete, also am allgemeinen Gnadentage, und doch stnch des guten Mörders Mitgenvsse an eben diesem Lage an der Seite des Erlösers ohne Busse, er starb in seinen Sünden und war auf ewig verloren. — Wenn also der Heiland selbst an je¬ nem grossen Lage der Barmherzigkeit auö zweien Sündern, die ihre Bekehrung bis an ihr Lebensende verschoben, dem Einen den Himmel versprach, den Andern verloren gehen ließ; wer soll da vmnessentlich hoffen? Gibt uns wohl der eine Mörder mehr Ur¬ sache zur Hoffnung, als der andere zur Furcht? Darum lasse dich warnen, sorgloser Sünder, lasse dich er¬ bitten, verlornes Schästcin, kehre zurück mit einem reuevollen de- müthigen Herzen zu der treuen Heerde Zesu des guten Hirten; aber kehre bald, kehre gleich zurück, jetzt ist noch die Zeit der Gnade, aber sie könnte dir bald, nur zu bald verstießen. Darum verschiebe deine Rückkehr zu Gott, und somit den Gewinn deines Heiles nicht auf morgen, denn morgen wirst du nicht wenigere Hindernisse zu überwinden haben, als heute, vielmehr je länger du säumest, desto mehr werden die Hindernisse anwachsen, desto schwerer und ungewisser wird die Bekehrung. Fürchte dich als Sünder zu leben, wenn du den Lod des Gerechten zu sterben wünschest, fürchte dich als Sünder zu sterben, wenn du die Be¬ kehrung bis an das Lebensende verschiebest. L weigere dich doch nicht dem Himmel und den Engeln Freude zu verschaffen über deine Rettung, über dein eigenes ewiges Glück. Siehe, Zesus der gute Hirt suchet dich auf allen Wegen und versichert dich seiner Liebe und seines Schutzes, wenn du seiner Stimme fol¬ gest, ja er will dich als sein folgsames Schäfchen einführen zu der Himmclsheerde seiner Auscrwahlten. Amen. K»»» 250 «««« Am vierten Sonntage nach Pfingsten. »Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts ge, fangen.« Luk. 5, '5. Eingang. Ä)enn man das Thun und Treiben der Sterblichen hi'ciucdeu betrachtet, so könnte man das menschliche Leben nicht mit Unrecht einer Fahrt auf dem Meere vergleichen, wo sich Alles regt und bewegt, wo die Einen, die mit ihrem Schiffe so eben vom Stax- xel gelassen zu seyn scheinen, sich noch längs des Gestades hin« ziehen, Anderere schon auf der hohen See fahren, und wieder Andere nach einer längern beschwerlichen Reise dem heimathlicheu Afer zusegeln. — Alle wünschen indeß die Fahrt nicht nur glück¬ lich zu beginnen, sondern auch glücklich fortzusetzen und eben so glücklich und vortheilhaft zu beenden. Im Kleinen war dieses auch bei der Seefahrt und Fischerei des Petrus und seiner Ge- hülfen der Fall, in der wir auch das wahre Bild all' unseres irdischen Wirkens und Handelns erblicken. — Petrus, Jakobus und Johannes hatten ihre Fischerkähne, wie wir sehen, nicht um in denselben müssig auf dem See hin und her zu fahren, son¬ dern um mit denselben ihre Fifchergeschäftc besorgen und sich er¬ nähren zu können: so hat auch Jeder aus uns seinen eigenen Beruf, seinen ihm angewiesenen Wirkungskreis; und zwar ist dem Einen ein weiteres, dem Andern ein engeres Feld anvertraut, welches Dieser mit seinen geistigen, Jener mit seinen leiblichen Kräften zu bearbeiten hat, denn Jeder hat bei seinem Eintritte in die Welt die Verpflichtung auf sich genommen, die ihm ver« liehenen Kräfte nach Beschaffenheit seines Berufes zu seinem und fremdem Nutzen zu gebrauchen; es will auch wirklich Keiner ver¬ geblich seine Kräfte anwenden, Alle wollen das Ziel ihrer Be¬ mühungen und Wünsche gut und vortheilhaft erreichen. Indessen ist aber doch der Erfolg menschlicher Bemühungen nicht immer derselbe. So wie die galiläischen Fischer erst die ganze Nacht hindurch fischten, und nicht einen Fisch in's Garn bekamen, dann aber auf einen einzige« Wurf den reichsten Zug »»»» 251 «««« machten: eben so verschieden ist oft der Ausgang unserer Arbei¬ ten und Bemühungen, bald geht uns Alles gut von Statten, bald schlägt uns wieder Alles fehl, bald gibt eine kleine Unter¬ nehmung reichlichen Gewinn, bald erringt man auch mit sauerm Schweiße gar nichts. — Das Mißlingen unserer Bemühungen ist nun freilich unangenehm, und gar oft reizt es den Menschen zur Ungeduld, zur Bitterkeit, ja wohl gar zur Verzweiflung. Das ist aber eben die gefährliche Klippe, an der nicht nur unser zeit¬ liches Glück, sondern auch unser ewiges Heil scheitern kann und muß. — Wie sollen wir uns nun vor dieser gefährlichen Klippe in Acht nehmen? Das will ich eben heute in Etwas zu erweisen suchen, indem ich das Betragen des guten Christen beim Mißlin¬ gen seiner Berufsgeschäfte schildere und es zur allgemeinen Nach¬ ahmung aufstelle. So wie die vorzutragende Lehre eine wichtige und gemeinnützige Lehre ist, so verdient sie auch Ihre allseitige willige Aufmerksamkeit. Abhandlung. Das Verhalten des guten unb rechtschaffenen Christen beim Mi߬ lingen seiner zeitlichen Geschäfte können wir sehr richtig schon aus dem Benehmen des Petrus und seiner Gefährten bei ihrer unglücklichen Fifcherarbeit lernen. — Nichts war wohl für Petrus und seine Mitgehülfen unangenehmer, als daß sie nach vollkommener Auf¬ opferung der wohlthatigen nächtlichen Ruhe, nach einem lang¬ wierigen Hin- und Wiederfahren auf dem Wasser, nach oft wie¬ derholtem Netzauswerfen, zuletzt doch leer, ohne nur ein Fischchen gefangen zu haben, nach Hause hätten ziehe» sollen. — Man sollte denken, es hätte sie nun auch die Mühe verdrießen können, ihr Fahr- und Fifchzeug in Ordnung zu bringen, denn vielleicht waren sie in ihrem Geschäfte niemals so unglücklich gewesen, als oben jene Nacht. Indessen ersieht man doch aus den Worten des Evangeliums selbst ohne vieler Mühe, daß die armen Fischer bei all' ihrer beschwerlichen und undankbaren Arbeit, nichts weni¬ ger als verwirrt und erbittert gewesen seyen. Sie steigen ruhig und gelassen aus ihren Schiffen, reinigen ihre Netze und legen sie mit demselben Gleichmuthe wieder zusammen, als sie selbe un¬ ter Hoffnung einer reichen Beute werden ausgeworfen haben. Davon zeigt das Benehmen des Petrus, als Jesus selbst am »»»» 252 «««« Gestade erschien; Petrus macht gegen ihn nicht die mindeste §r. wähnung von der nächtlichen vergeblichen Arbeit, was sonst un- geduldige, anfgereitzte Gemüther gewöhnlich zu thun pflegen, nch ec verhält sich ganz still und ruhig, bis ihn Jesus selbst nach vollendeter Rede an das anwesende Volk, an sein undankbares Geschäft erinnert und ihn zu frischer Arbeit auffodert: Simon fahr' weiter hinaus und wirf mit deinen Gefährten drin Neh aus.' Jetzt, meint Petrus, wäre wohl die rechte Zeit, dem Herrn die fehlgeschlagene Arbeit zu klagen; er thut es auch, aber in einer so bescheidenen Kürze und mit solchen Worten, daß sie wohl nur ein sanftes, geduldiges und unverwirrtes Gemüth verrathein Meister, entgegnet Petrus, wir haben die ganze Nacht gearbeitet, und Nichts gefangen! — Weil aber Jesus uoch einen Versuch anrathet, so wagt ihn PetruS auch sogleich ohne Widerrede, in vollem Vertrauen, daß dieser besser gelingen werde. Za, auf dein Wort Herr, ruft er ermuthiget, auf dein Wort will ich noch einmal das Netz auswersen. Sehen Sie, meine Lieben, so benimmt sich im widrigen Ge¬ schicke ein Mann, der seine Jugendjahre nicht in den Schulender Weisen, noch in jenen der Gesetzlehrer zngebracht hatte, sondern vielmehr einfältig auferzvgen worden war, und unter einer Na¬ tion lebte, die ganz an dem Irdischen hing, und den größten Segen des Himmels nur im zeitlichen Gewinne suchte! — So handelte Petrus, der bei all' seiner Einfalt und Ungelehrsamkeit doch ein gutes unverdorbenes Herz besaß, weßwegen ihn auch der Heiland ungeachtet seiner nieder» Beschäftigung zu seinem Schü¬ ler wählte; denn der Heiland, der selbst in seiner Jugend an der Seite seines Nährvaters arbeitete, wollte mit Bedacht keine Leute von den müssigern Ständen, sondern Handwerksleute zu Schülern haben, weil er wohl wußte, daß Leute, bei dieser Le¬ bensart erzogen, zu seinen Absichten geschickter werden, und un¬ verdorbener und bildsamer in die Hände kämen, als Andere, die von Kindheit an in den Schulen der Rabbiner nur hochtrabenden Eigendünkel gelernet und Vorurtheile eingesogen hatten. Wirklich erinnert uns das Betragen des einfältigen Petrus bei seinem Fischergeschäfte an eine Sittenlehre, die selbst den größten Weisen des Heidenthumes unbekannt zu seyn schien — an die Sittenlehre nämlich, daß man bei mißlungener Arbeit gc« duldig seyn, vom Arbeiten nicht nachlassen, und da«» das Ver« »»))» 255 <««« ko M>en auf Gott beibehalten soll. — Wir sollen also bei Mißlun- st iui.' aeiier Arbeit erstens geduldig seyn. Nichts ist wirklich häßlicher, nein als wenn ein Mensch, dem seine zeitlichen Geschäfte nicht nach l nag' Wunsch ausschlagen, ihm nicht den gehofften Nutzen abwerfen, °b-W wenn er darüber sogleich aus der Fassung kommt, sich grämt ninon und härmt, ein unfreundliches ungestümes Wesen annimmt, sogar in Flüche und Verwünschungen ausbricht, und seine wilde Laune 'mn die Familie, die Dienstbothen, Nachbarn und Freunde fühlen ir in läßt, oder wohl gar mit der göttlichen Vorsehung selbst hadert vchl und rechtet- So ein Mensch zeigt offenbar, daß ec den ächten >en: Geist des Christenthumes nicht kenne; der wahre Christ ist von tet, einem solchen Betragen weit entfernt, denn Sanftmuth und De- vch muth spricht sich in all' seinem Thun und Lassen aus, darum verläßt in ihn auch weder die Gegenwart des Geistes, noch die Ruhe des ins Eemüthcs; schlägt ihm etwas fehl, so ist es ihm zwar nicht an- ich genehm, aber — cs war ja Menschenwerk, spricht er, und Men- schcnwerk ist nicht immer vollkommen, kann nicht allezeit gelingen ?. — der Fehler wird indeß vielleicht noch zu verbessern seyn, es 7 kostet ja nicht das Leben, wenigstens nicht die Seligkeit. Dabei n unterläßt der gute Christ nicht nachzudenken: Habe ich mein Be- < rufsgeschäft auch recht zu erlernen gesucht, oder habe ich die ! rechten und schicklichen Mittel gewählt, als ich Hand an das Werk gelegt habe? habe ich nicht selbst etwas Wichtiges überse- sehen oder versäumt? habe ich wenigstens die Folgen meiner Un¬ ternehmung im Voraus nach Möglichkeit gut berechnet? Wie kann ich die Sache wieder besser machen? — So fragt und denkt der wahre Christ beim Mißlingen seiner zeitlichen Geschäfte. Und hatte er das Geschäft mit Gott angefangen und selbst Alle- treu und redlich gethan, was er nach seinen Kräften thun konnte, so daß er sich in seinem Gewissen keiner Schuld bewußt ist, so beruhiget er sich auch leicht und bald in seinem guten Bewußtseyn, und läßt sein Mißgeschick den Nebenmenschen nicht entgelten. — Und sollten Menschenlist und Menschenbosheit seine Unternehmun¬ gen vereitelt haben, so sinnt er darum auf nichts weniger, als auf Rache, denn er will aus einer Bosheit nicht eine zweite ma¬ chen; Alles, was er in diesem Falle thut, ist: daß er sein schwe¬ res Gemüth in gemäßigter Klage gegen seine Rathgeber und Freunde erleichtert, seinen Schmerz Gott im kindlichen Gebete zu erkennen »»»» 254 «««« gibt, und in den unendlich weisen Führungen seiner väterlichen Vorsicht volle Beruhigung sucht. Dieser edle liebenswürdige Charakter des wahren Christen wird Ihnen ohne Zweifel eben so gefallen, wie ihnen das cntgc- gengesetzte wilde, ungestüme Benehmen eines Menschen mißfällt den der echte Geist des Christenthumes nicht beseelt. Bemühen wir uns also, und beim Mißlingen zeitlicher Geschäfte, das Be. tragen des guten Christen eigen zu machen; denn was Hilst es auch, wenn wir uns bei nicht gerathenen Unternehmungen noch st wunderlich geberden? — Durch Ungeduld, Heftigkeit, Erbitte¬ rung und Zagheit, werden wir nicht nur nichts bessern, sondern noch schlimmer machen; denn ist einmal die Ruhe des Gemüthes gestört, so ist auch unsere Körper- und Geisteskraft gelahmt, wir sind nur wenig oder gar nicht fähig an angemessene Mittel und Wege zu denken, um dem Geschäfte eine erfreulichere Wendunz zu geben. Aber in einem ruhigen gelassenen Zustande da ist man allezeit noch aufgelegt und fähig, der Duelle des Uebels nachzu¬ spuren, sie zu entdecken, die gehörigen Gegenmittel zu wählen, mit neuem Muthe und erhöhter Kraft an das Werk zu gehen und den erlittenen Schaden wieder gut zu machen. Diese Wahr¬ heit liegt schon in den Worten der den Sanftmuthigen verheiße- nen Seligkeit: Die Sanftmuthigen, sagt Christus, werden die Erde besitzen, d. h. kein zeitlicher Unfall wird über sie und ihre Herzensruhe herrschen, vielmehr werden sie selbst mit ihrer immer gleichen und festen Gemüthsruhe, den widrigsten Ereignissen stand¬ haft begegnen, jedem irdischen Mißgeschicke eine heitere Stirne biethen, und so stille zufriedene Herrn und Besitzer dieser Erde, allezeit ruhige Zuschauer ihrer Abwechslungen seyn. Hat der Christ soviel Herrschaft über sich und sein Gcmuth errungen, daß er bei mißlungener Arbeit die Hoffnung nicht gleich aufgibt, und den Muth nicht verliert, so wird er auch von sei¬ nem Geschäfte nicht abstehen- .Herr, wir haben die ganze Nacht gearbeitet, sprach Petrus. Nach vielen vergeblichen Versuchen be¬ trieben also die galiläischen Fischer ihr Berufsgeschäft dennoch bis an den lichten Morgen, obschon Jesus selbst sichtbar nicht bei ihnen war; denn sie sahen und hörten ihn die ganze Nacht hindurch nicht und wurden durch seine Gegenwart erst am Ende ihres Fischens beglückt, da sie schon ihre Netze zusammen legen «vollsten. Wie beschämend ist das Beispiel der galiläischen Fischer für nranchen «!r den Ar gel ei« ur °l d s s s »»»» 255 ««c« « Gliche» G-iflen, dcr bei einmal mißlungener Arbeit sogleich überdrüssig nm-d, alle Mittel und Werkzeuge wegwirst, und die Hände wir Listen bcn Muth sinken läßt! Jetzt wird ihm nicht nur die vorliegende Mgc- Weit, sondern auch sein ganzer Wirkungskreis verdächtig und Nch gehässig, wie dem unerfahrnen Schiffer das Meer, auf dem er whm einmal Schiffbruch gelitten hatte. Anstatt aus der gemachten Se. unangenehmen Erfahrung nun klüger und vorsichtiger zu werden, ll es ohne darum alle Hoffnung aufzugeben, gibt er vielmehr nicht nur ch so das mißlungene Geschäft, sondern auch alle ähnlichen Verrichtun- ittc- gen auf immer auf und widmet sich dem schändlichen Müssiggän¬ gen ge, bis er sich und die Seinigen in tiefe Armuth und Verachtung hes stürzt und gewöhnlich zu spät wieder zum unterlassenen Fleiße ge- «rir «reckt wird. So handelt der wahre Christ nicht. — Ein oder nid der andere übel gerathene Versuch führt ihn noch nicht zu dem uz beunruhigenden Schluffe: Nun ist Alles verloren. Nein, selbst wenn ui Neid und Bosheit der Menschen ihm Hindernisse in den Weg le- i. gen, findet er dieselben nicht unüberwindlich; er ist wohl über- zeugt, daß sich mit Fleiß und Ausdauer Berge von Schwierig- u keilen übersteigen lassen; darum strengt er seine Kräfte von Neuen - an, und widmet seine Zeit abermal mit Ernst dem obliegenden - Geschäfte. Und gesetzt auch, er hätte bereits so viel Schaden ge¬ litten, daß er sein Amt, sein Gewerbe oder seinen Handel nicht mehr im Grossen führen kann, so hört er darum nicht auf im Kleinen zu wirken; lieber will er wenig, als gar nichts arbeiten, lieber doch etwas thun, als müssig gehen und sich und andern zur Last fallen, und somit erfährt er an sich, was David schon von dem Gerechten sang: Noch nie sah ich den Gerechten von Gott verlassen; daß seine Kinder das Brot bettelten, das sah ich nie. Psalm. 36, 25. Aber nicht nur Geduld und ausharrender Muth, sondern vorzüglich ein festes Vertrauen auf Gott ist es, das den Eifer des guten Christen bei Besorgung seiner Berufsgeschäfte aufrecht erhält. Denn er ist lebendig überzeugt, daß ohne göttlicher Hülfe kein gutes und nützliches Werk gelingen könne, er vergißt nie den eben so einfachen als wahren Ausspruch des Königs David: Baut der Herr das Haus nicht, so arbeiten vergeblich, die es bauen. Bewachet der Herr die Stadt nicht, so wachet vergeblich, der sie bewachet. Weil also der gute Christ von dieser Wahrheit j. durchdrungen ist, weil er zugleich auch nichts unternimmt, was »»»» 256 «««« wider sein Gewissen «nd den ausdrücklichen Willen Gottes würe weil er seine standeS- und berufsmässigen Geschäfte im Geiste der Demuth und ans Liebe zu Gott besorget, so hat er auch kei. nen Grund zu zweifeln, ob ihm Gott beistehen und helfen wolle? — Mit Wiederwillen hört er somit die Sprache des Gottlosen, der da sagt: Gott weiß nichts von mir, er kümmert sich um meine Lage nicht, sieht meine säuern Bemühungen nicht. Nein, der wahre Christ nährt vielmehr Gesinnungen des gläubigen Pe¬ trus in seinem Herzen und denkt: ich habe mich zwar bisher lange vergeblich geplagt, indessen will ich darum doch nicht verzagen; thue ich das Meinige aus guten Absichten und mit redlichem Be¬ streben, so wird Gott, wenn es seinem heil. Willen nicht wider¬ spricht, meinem wahren Wohle nicht nachtheilig ist, meine Be- mühungen gewiß segnen, und mich von der Frucht meiner Arbeit genießen lassen. — So mag sich der gute Petrus getröstet haben nach langer und vergeblicher Arbeit. Denn er klagte zwar dem Herrn mit beklemmtem Herzen sein Mißgeschick: Herr, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen! — aber als ihm der Herr befahl das Netz noch einmal auszuwerfen, erwiederte er, ohne unwillig zu werden, und ohne sich lange zu besinnen, mit vollem Vertrauen auf die Worte des Meisters: Ja Herr, auf dein Wort will ich das Netz nochmals auswerfen. — Auf dein Wort? — Guter Petrus! Hättest du damals den erst recht gekannt, auf dessen Wort du so bereitwillig dein Netz aus¬ werfen wolltest, hättest du es verstanden, daß er der Herr Him¬ mels und der Erde sey, so wärest du jetzt schon so ehrfurchtsvoll vor ihm niedergesunken seyn, wie du nach dem Netzauswerfen niedersankest! — aber in einem desto Hellern Lichte erscheint eben wegen deiner Unkenntniß des höchsten Herrn, mit dem du sprichst, dein lebendiges Vertrauen auf Gott. Ja wirklich der Erfolg der erneuerten Arbeit des Petrus auf das Geheiß Jesu Christi liefert uns den auffallendsten Beweis, wie glücklich eine unverdrossen geduldig fortgesetzte Arbeit, vereint mit einem festen Vertrauen auf Gott, zu Stande gebracht wer¬ den könne. — Petrus, der bis daher noch nicht in der Schule Jesu, noch nicht sein eigentlicher Schüler, sondern noch immer ein gemeiner jüdischer Fischer war, hatte doch schon so viel Ver¬ trauen auf das Wort des liebenswürdigen Heilandes, daß er auf sein Anrath en mit feinem Schiffchen sogleich vom Lande stieß; bas rcn fen in bal her Sr rei bei S A ci n !- l r ! s >-»>- 257 nämliche thaten auch jene, die mit ihm waren, auch sie fuh¬ ren sogleich auf den offenen See. Die Netze werden ausgewor- fm, und plötzlich sieht Petrus eine ungewöhnliche Menge Fische in seinem Garne, die sich zusehends mehrten, so daß das Garn bald Risse bekommen hätte, wenn es nicht in größter.Eile wäre hcrausgezogen worden. Petrus mußte geschwind dein andern Schiffe ein Zeichen geben, ihm zu helfen; aber beide Schiffe wa¬ ren für eine so grosse Last von Fischen bald zu klein, und waren beinahe untergcsunken. Weder Petrus noch andere Fischer dieses Sees hatten je einen so glücklichen Fang gethan. Petrus und Andreas vorzüglich als erfahrene Fischer sahen es am deutlichsten ein, daß sie den reichen Fang nur einem Wunder, nicht aber ih¬ rer Kunst, nur demjenigen zu verdanken hätten, auf dessen Wort sie ihre Netze ausgeworfen hatten. Ein frommer Schauer, ein heiliges Entsetzen ergriff daher den Petrus und Alle, die mit ihm waren, und Petrus vorzüglich dachte während dieses heiligen Ent¬ setzens an nichts weiter, als an seine Unwürdigkeit, eine so grosse Person, einen so mächtigen Wunderthäter inner den Metern seines kleinen Schiffes zu haben, er fiel Jesu zu Füssen, und rief: Herr, wie habe ich mich erkühnen können, so vertraut mit dir umzugehcrt, nein Herr, halte dich nicht länger bei mir auf, entferne dich, denn siehe, ich bin ein sündiger Mensch. Petrus, meine Lieben! demiithigct sich nach dem glücklichen Fischzuge, den er auf das ausdrückliche Geheiß des Sohnes Got¬ tes unternommen hatte. — Uns muntert zwar Gott nicht auf eine so sinnliche und fühlbare Art auf das mißlungene Geschäft nochmals vorzunehmen, wie Jesus den Petrus aufmunterte; in¬ dessen ist es doch sein ausdrücklicher Wille, daß wir von Arbei¬ ten, besonders solchen, die unser Stand mit sich führt, me ab- lassen sollen. Weil aber Gott das will, so wird er auch gewiß wollen und geben, daß wir, wenn wir anders auf ihn vertrauen und würdig find, nicht fruchtlos unsere Kräfte anstrengen, nicht vergeblich arbeiten. — So haben wir denn das Betragen des ächten Christen beim Mißlingen zeitlicher Geschäfte kennen geler- net, und daraus, daß wir es dem Betragen des schlechten Chri¬ sten entgegengesetzt haben, anschaulich erfahren, was bei einem unglücklichen Ausgange unserer Geschäfte, recht oder unrecht, gut oder böse ist, was wir zu meiden und zu thun haben. Der seichte Christ ist nämlich bei seiner Ungeduld, Erbitterung und 17 » » » » 256 « « «c< Zagheit doppelt unglücklich, leer sind seinr Hände vom »erhofften Gewinne und noch leerer ist seine Seele an Heiterkeit und Ruhe, — arm ist er vor der Welt, in der ihm nichts gelingen kann, und arm vor Gott, vor dem er sich seines sündhaften Betragens wegen nur mißfällig und strafbar macht; da hingegen der gute Christ durch Geduld und Gelassenheit, durch fortgesetzte Thatig. keit und durch ein festes kindliches Vertrauen auf Gott jeden mißlichen Erfolg seiner Bemühung besiegen, und wenn auch nicht allezeit hienieden zeitlichen, doch gewiß ewigen Segen, d. i. eine herrliche Belohnung rm Reiche Gottes zu erwarten hat; denn denen, die Gott lieben, sagt der Apostel, gereicht Alles zum Besten. Amen. Am fünften Sonntage nach Pfingsten. »Wenn eure Gerechtigkeit nicht vollkommener seyn wird, als jene der Schriftgclehrten und Pharisäer - so werdet ihr in daS Himmelreich nicht cingehen.« Math. 5, 20. ' Eingang. Ä)?an sollte glauben, eine Gerechtigkeit, wie jene der Pharisäer und Schriftgelehrten war, müsse sehr vollkommen und verdienstlich, und eben darum auch nachahmungswürdig seyn. — Denn die Pha» risaer handelten doch vor der Welt so, daß sie sich allgemeine Ach¬ tung und Bewunderung erwarben; sie stellten sich in den Augen der Menschen in einem so schönen Lichte dar, daß man ihren Wandel für tadellos hielt— weßwegen sich auch Menschen aus der niedrigem Klasse, z. B. verachtete Zöllner, die man aus Vorurtheil ohne Un¬ terschied als Sünder brandmarkte, nicht erkühnten, einem Phari¬ säer in den Weg zu treten, so wie im Gegentheile der Pharisäer schon von Ferne dem verachteten Zöllner und seiner Wohnung aus¬ wich, um nicht verunreiniget und entheiliget zu werden. — Mjt einem Worte, die Pharisäer und Schriftgelehrten galten für fromme heilige Leute, für die erleuchtetesten und genauesten Beob¬ achter des Gesetzes in den Augen der Menge; deßwegen waren aber » » » » 259 «««« auch ihre AuSspräche und Entscheidungen größtcntheils LcbenSricht- schnur deS Volkes. Doch nur bis zu dem Zeitpunkte, da Jesus als «Micher Lehrer unter dem Volke auftrat, blühte das Ansehen dieser Menschen; denn Jesus der Herzensprüfer und Herzenskündige, bei dem kein Ansehen der Person galt, der mit dem Blicke der Gottheit das Innerste der Sterblichen durchschaute — Jesus zog ihnen bei so man¬ cher Gelegenheit ungefchcuct die Larve vom Gesichte und ließ sie Kä¬ stchen in ihrer Verworfenheit und geistigen Armuth. — So eifert er eben im heut. Evangclio wider die Gerechtigkeit der Pharisäer, d. i. wider ihre scheinbar vollkommene Beobachtung des Gesetzes, wider ihren scheinheiligen Lebenswandel, indem er seine Jünger ausdrücklich warnet, daß, wenn ihre Gerechtigkeit nicht vollkom¬ mener scyn würde, als jene der Pharisäer und Schriftgelehrten, sie in das Himmelreich nicht eingehen werden. Diese allgemein bewun¬ derte Gerechtigkeit der Pharisäer muß also nichts Vollkommenes in sich haben, weil sie den Himmel nicht aufzuschließen vermag. — Doch es wird seinen Nutzen haben, diese Gerechtigkeit etwas näher kcnnnen zu lernen, denn ich fürchte, und es ist leider nur allzu wahr, daß die Gerechtigkeit mancher Christen Vieles mit der pha¬ risäischen gemein habe oder doch nichts vollkommener sey, als diese. Wir wollen darum heute eine kurze Vergleichung zwischen der fal¬ schen Gerechtigkeit, d. i. heuchlerischen Lugendübung der Christen und zwischen der Gerechtigkeit der jüdischen Pharisäer anstelle», um uns von der Abscheulichkeit und Verworfenheit derselben zu über¬ zeugen , und zwar aus den Aussprüchen Jesu selbst. Vernehmen Sie mich auch über diesen Gegenstand mit gewohnter Aufmerksamkeit. Abhandlung. Die Gerechtigkeit, welche der göttliche Heiland Jesus von sei¬ nen Schülern und treuen Nachfolgern verlangt, ist eine genaue vollkommene Beobachtung der göttlichen Gesetze, und zwar nicht eine Beobachtung dem Buchstaben, sondern vielmehr dem Geiste des Gesetzes nach; die also nicht bei einzelnen äußern Handlungen stehen bleibt, sondern die Gesinnungen des Herzens, den Willen selbst in Anspruch nimmt. Und eben an dieser Gerechtigkeit nach dem Geiste Jesu waren die Pharisäer und Schriftgelchrten äußerst arm. Sie sahen nur auf die äußere Handlung, die innere Ge¬ sinnung aber, nach deren Beschaffenheit erst eine Handlung gut V 17 * »»»» 260 «««« oder böse, vollkommen oder unvollkommen wird — die innm Gesinnung hielten sie keiner Aufmerksamkeit würdig. Daher km cs auch, daß sie döse Gedanken, sündhafte Begierden, auf die keine That erfolgte, für unsträflich, und sich babci für gerecht hiel« ten; — daher kam cs, daß sie gute Handlungen mir vor den Augen der Menschen ausübten, weil sie wohl für die in die Au¬ gen fallende That Lob einzuärnten hofften, nicht aber für die gute Gesinnung, die nur Gott allein, selten aber den Menschen be. kannt ist. Nach diesem falschen Grundsätze also, nach welche», nur die äußere Handlung Belohnung oder Strafe verdient, die Gesinnung aber ganz übersehen wird — nach diesem falschen Grundsätze richteten sie ihr ganzes Thun und Lassen ein. — Sie gaben Almosen, aber )a nicht in der Stille und im Verborgenen, denn die Menschen mußten ja wissen, daß sie mitleidig und wohl« thätig sind; also auf offener Straffe, mit einer scheinheiligen Miene in der sich ihre Nächstenliebe hätte ausdrücken sollen, in der sich aber nur ihre Selbstsucht und die Begierde nach Men¬ schenlob ausdrückte, und nicht genug auf offener Strasse Almosen zu geben, in einer grossen Stadt gibt es viele Menschen, und alle sollten doch wissen, daß jetzt ein reicher Mann einen bitten¬ den Armen durch sein Almosen beschämt und seine eigene Groß- muth zeigt — also es mußte vor dem Almosengeber mit der Posaune geblasen werden; — jetzt wußten alle: ein Pharisäer gibt Almosen. — Za aber die Pharisäer fasteten auch, und zwar strenge wöchentlich zweimal. Da werden sie sich doch nicht an die Strasse hingesetzt und Jedermann gesagt oder mit der Po¬ saune verkündigen, haben lassen, daß sie fasten. Nein, das thaten ste eben nicht, aber sie trugen ihre Faste auf eiste andere Art zur Schau. Sie zogen Trauerkleider an, ließen sich die Nägel lange wachsen, das Haupthaar ungekämmt herabhängen, gingen mit ungewaschenem schmutzigem Gesichte, das sich in hundert traurige und grämliche Falten legte, einher. — Wer geht denn dort im schmutzigen Kleide und mit niedcrgebeugtcm Gesichte? — ein fastender Pharisäer. Genug, die Leute wissen, daß ich faste, dachte sich der Pharisäer. — Aber auch das Gebet vernachlässig¬ ten die Pharisäer nicht, sie übten dieses Lugendmittel sehr häufig aus; doch wo? In der Einsamkeit, ungesehen und ungehört von Menschen war nicht vorteilhaft, — also auf offenen Plätzen, an den Ecken der Häuser, wd das Gewühl der Menschen anr »»»» 261 «««r Fk§ten ist, das war der bequemste Aufenthaltsort für betende Pharisäer, und damit sie ja nicht der Aufmerksamkeit eines Vor- iidkrgcheiide» entgehen könnten, so beteten sie mit lauter Stimme in Wgen Formeln und Wiederholungen und anhaltend, demü- thigtcn sich wohl gar vor der gaffenden Menge, nur iw Ange¬ sichte Gottes wollten sie sich nicht demüthigcn. Wie ihr Gebet beschaffen war — davon hat uns Zesus selbst ein Muster auf- bewahrt in der bekannten Erzählung von dem im Tempel zu gleicher Zeit mit einem Zöllner betenden Pharisäer. — Während ter verachtete Zöllner sich dem Heiligthume zu nähern nicht ge¬ traute, sondern demüthig an der Schwelle des Tempels stehen blieb mit niedergeschlagenen Augen, an die zerknirschte Brust klopfte und in dem kurzen kaum hörbaren Seufzer: O Gott sey mir armen Sünder gnädig, die ganze Grösse seines Schmerzes und seiner bittern Neue über seine Sünden aussprach — wäh¬ rend der verachtete Zöllner seine Unwürdigkeil bekannte und um Gnade bath, stand der selbstsüchtige Pharisäer an den Stufen des Hciligthums und sing an: Ich danke dir o Gott, daß ich nicht bin wie andere Menschen! — Ein dcmüthiger Eingang in das Gebet, der mit einer Lobrede auf sich selbst anfängt. Nun fagt er Gott zuerst was er nicht ist — nicht Räuber, nicht Un¬ gerechter, nicht Ehebrecher, oder nicht wie jener Zöllner dort, unten; — der arme Zöllner schien eben recht für ihn dagewefen zu seyn, damit er auf ihn als ein gegenwärtiges lebendiges Bild aller Bosheit hindeuten und Gott desto nachdrücklicher verständi¬ gen könnte, daß er nicht so sey, wie dieser Abdruck von Verwor¬ fenheit. Nachdem der Pharisäer nun Gott gezeigt hatte, was er nicht ist, so sagt er ihm auch, was er ist, und zählt ihm alle seine guten Eigenschaften und Handlungen nach der Reihe auf, denn Gott könnte vergessen haben sie in das Buch des Verdien¬ stes einzutragen: Ich faste zweimal in der Woche, ich gebe den Zchend von Allem, was ich besitze u. dgl. So herzerhcbend, so rührend, so demüthig und reuig war also das Gebet des Pha¬ risäers — es fehlte nicht viel, daß er gesagt hätte: Gott, danke du mir, daß ich nicht der und der, sondern daß ich der bin und fo bin. Was übrigens die Beobachtung des mosaischen Gesetzes betraf, so hielten sich die Pharisäer und Schriftgelchrten an den Buchstaben des Gesetzes. Nach dem Gesetze z. B. war der Todt» fchlag bei Todesstrafe verbothen, sie hielten also nur die äußere »»»» 2C2 «««« gewaltsame That für Sünde — hingegen Zorn, Haß, rachsüch¬ tige Begierden, verläumderische Reden, die hielten sie nicht für unerlaubt; oder wollten sie sich selbst des Joch des Gesetzes er. leichtern, es abschiittcln, so bedienten sie sich willkührlichcr Aus¬ legungen und Verdrehungen und hoben das Gesetz auf. Mer dem Vorwande, daß die Opfer zur Vergebung der Sünden^ ew- sctzt wären, lehrten sie, man könne Haß und Feindschaft wider den Nächsten im Herzen behalten — wenn man nur Gott ein Opfer gebracht hätte, als ob der Höchstheilige an dem Rauche des Brandopfers oder an dem Blute der Schlachtthiere ein Ge¬ fallen haben könnte, wenn auch das Herz des Opfernden mit bitterm Grolle gegen Gottes Ebenbild, gegen den Mitmenschen erfüllt ist. — Das war also die Gerechtigkeit der Pharisäer, das war die geistige Vollkommenheit, derer sie sich rühmten. — Schwerlich würde ich Jemand unter meinen Zuhörern finden, der etwas Nachahmungswürdiges an dieser Gerechtigkeit finden wollte, den sie nicht vielmehr mit tiefem Abscheu erfüllte. Das waren doch elende Heuchler, verachtungswürdige Helden der Scheintu¬ gend werden Sie bei sich selbst sagen. —Ihr Eifer ist gerecht, meine Lieben, aber nur sachte, nur nicht voreilig geurtheilt, denn ich fürchte, die heuchlerische Gerechtigkeit sey mit den jüdischen Pharisäern nicht ausgcstorben, und wahrlich sie hat auch unter uns Christen Aufnahme gefunden, wir zählen leider nicht weniger christliche Pharisäer als es ehedem jüdische gab; unterscheidet sich auch die Gerechtigkeit der christlichen Pharisäer hin und wieder von jener der jüdischen, so ist sie doch im Wesentlichen dieselbe und eben so oder noch sträflicher; denn bis zur Ankunft Jesu fassen die Pharisäer in so dichter Finstern iß wie das Volk — mit Jesu Lehre ging erst das Licht der Wahrheit auf, es han¬ delte sich aber damals noch um die Annahme dieses Lichtes, wel¬ che Annahme bei den vielen Vorurtheilen, von welchen die Mei¬ sten befangen waren, nicht so leicht war. Uns hat aber das Licht des Glaubens in seiner vollen Kraft beleuchtet, wir sehen die Wahrheit, den Willen Gottes besser ein, und können daher weniger oder nichts zu unserer Entschuldigung Vorbringen im Vergleiche mit den Menschen damaliger Zeiten. Und doch gibt es heut zu Lage unter den Christen nicht weniger solche, die die Pharisäer treulich nachahmen, die mit einem erborgte^ Scheine der Tugend unerfahrne und unbefangene Seelen blenden, sie für die ge- »»»» 265 «««« fliesten Beobachter des Gesetzes zu halten; aber sie blenden nur Menschen, Gott aber können sie nicht täuschen, und selbst vor den Menschen werden sic mit der Zeit in ihrer wahren armseli¬ gen Gestalt dastehei», denn an ihren Früchten werdet ihr sie er¬ kennen, spricht Jesus. Mancher Christ fastet — aber nicht aus Ehrfurcht gegen das Gesetz der Kirche, nicht aus Gehorsam gegen Gott, der die Kirche zu hören befiehlt, und ihr die Macht ge¬ geben hat, Anordnungen zum grosser? Wachsthume der Lugend ihrer Glieder, zu treffen, nein, er fastet üm nicht für einen Nicht¬ christen gehalten zu werden, um nicht um den Ruf eines tugend¬ haften Gläubigen zu kommen — er erfüllt also äußerlich das Gesetz, während er es im Herzen verwünschet. <— Oder er sucht durch das Fasten geradezu das Lob seiner Mitmenschen einzuärn- ten, und kann es daher nicht oft genug erzählen, wie strenge und enthaltsam er lebe. — Jesus aber sagte: Wenn du fastest, so kleide dich reinlich, kämme dein Haar, wasche dein Angesicht und zeige dich freundlich, damit man es dir nicht ansähe, daß du fastest; der himmlische Vater sieht dein Fasten und wird es dir vergelten. — Mancher Reiche gibt Almosen, aber so, daß er den armen Dürftigen mit feiner Gabe mehr beschämt als erfreut — die Leute sollen es wissen, daß er ein mildthätiger Mann sey, also er betet zuerst dem Dürftigen eine lange Litanei von Wohl- thaten vor, die er ihm oder andern schon erwiesen har, und darauf gibt er ihm erst vielleicht eine schimmlichte Gabe — die er am leichtesten entbehren kann; oder weil das Vorausposaunen vor dem Almosengeber nicht mehr üblich ist, wie bei den Phari¬ säern — so muß den nämlichen Dienst die Bnchdruckerknnst lei¬ sten. — Er hat seinen Lohn schon empfangen, sagt Christus. Du aber, wenn du Almosen gibst, gebe es so, daß deine Linke nicht wisse, was deine Rechte thut. — Mancher stolze Christ betet, besuchet fleißig das Haus Gottes — betet viel und lange, und glaubt durch sein leeres Lippengeschwätz vor Gott gerechtfer¬ tiget und besser zu seyn als Andere. Ach nein— der demüthige reuige Zöllner ging gerechtsertiget in sein Haus, sagt Jesus — nicht so der stolze Pharisäer. Mit lieblosen, rachsüchtigen, schadenfrohen Gesinnungen tritt mancher Christ in den Tempel, und mit denselben Gesinnungen geht er nach einem langen Gebete hinaus und man wird ihn im Kreise der Menschen bald eben so lange und so eifrig dip Fehler » >- )) 264 «kL « « und Schwachheiten feines Nächsten herzäblcn hören, wie vor Kur¬ zem noch seine langen und eifrigen Gebetsformcln. Wenn du dich, da du dein Opfer auf den Altar legst, erinnerst, daß dein Bruder etwas wider dich habe — so gehe hin, söhne dich mit deinem Bruder aus und opfere deine Gabe, sagt Christus. Man¬ cher Christ läßt sich von diesem oder jenem Laster beherrschen, gibt seiner Leidenschaft freien Zügel, hält sie für unsträflich und unschädlich, oder belegt sie höchstens mit dem schöner» Namen: menschliche Schwachheit — aber er würde sich ein grosses Gewissen daraus machen an einem Sonn- oder Feiertage zum Besten des unglücklichen oder leidenden Mitmenschen mit seinen leiblichen Kräften etwas beizutragen, gleich den Pharisäern, die die Heilung eines Kranken am Sabbathe für eine Entweihung desselben hielten, und Zesum einen Sabbathschänder nannten, weil er am Sabbathe Kranke gesund machte. Mit einem Worte, es gibt unter Chri- sten nicht weniger eine pharisäeische Gerechtigkeit wie zu Zeiten Jesu unter dem jüdischen Volke, und die Warnung Jesu: Wenn eure Gerechtigkeit nicht vollkommener seyn wird, wie jene der Pharisäer und Schriftgelehrten, so werdet ihr in das Himmel¬ reich nicht eingehen, — diese Warnung Jesu trifft uns Christen nicht minder in ihrer ganzen Stärke. Lege also, wer du immer bist, der du die jüdischen Pharisäer nachahmest, lege diese un¬ vollkommene, abscheuliche, Gott und Menschen mißfällige Gerech¬ tigkeit ab, wandle offen ohne Heuchelei vor den Augen Gottes und deiner Mitbrüder, halte dich nicht an den Buchstaben des Gesetzes, sondern an den Geist; denn der Buchstabe tödtet, sagt Jesus, der Geist aber belebet. Bemühe dich das Gesetz Gottes allzeit, überall und genau zu erfüllen, nicht allein in äußern Handlungen, sondern auch und vorzüglich der Gesinnung nach, und nicht um in den Augen der Menschen, sondern um im An¬ gesichte Gottes gcrechtfcrtiget zu werden; erfülle es aus Liebe zu Gott, diese sey der größte Beweggrund deines Wollens und Handelns. Amen. 265 «««« Am sechsten Sonntage nach Pfingsten. »Mich erbarmet dieses Volkes.« Mark. 8, s. Eingang. Aas heut. Evangelium erzählt uns wieder eine eben so wunder¬ bare als rührende Lhat, die der Heiland in einer öden Gegend von Galiläa im Angesichte einer sehr grossen Volksmenge aus- geübt hatte. — Nach der Heilung eines Taubstummen am See Genesareth, hatte sich nämlich Jesus von da in eine abgelegene Wüste begeben, theils um sich seiner Gewohnheit nach in der Einsamkeit mit seinem himmlischen Vater im Gebete zu unterre¬ den, theils auch um den immer lauter werdenden Lobeserhebun¬ gen des Volkes auszuweichcn, welches ihm mit ganz besonderer Neigung anhing. -— Indessen blieb sein Aufenthaltsort nicht lange verborgen; eine Menge von ungefähr 4000 Mann hatte sich nach Ausforschung seines Aufenthaltes dahin begeben, und sich wieder um ihn her versammelt, um seinen göttlichen Unterricht zu hören. — Der Unbequemlichkeit des Ortes ungeachtet, hielten sic sich bereits drei Tage bei ihm auf, während welcher Zeit aber ihr Reisevorrath so zulammcngefchmolzcn war, daß sic wegen ih¬ rer Erhaltung in grosse Verlegenheit geriethen. Aber Jesus, der bisher den Geist seiner lehrbcgierigen Zuhörer durch Mit- thcilung ewiger Wahrheiten genährt hatte, nahm sich nun voll erbarmender Güte auch ihrer leiblichen Bedürfnisse an. Mich erbarmet' dieses Volkes! sprach er gerührt zu seinen Jüngern, während er schon auch Anstalten machte, thätige Hülfe zu leisten und die Hungernden zu sättigen; er sättigte sie auch mit weni¬ gen, aber wunderbar vermehrten Broten, so, daß noch sieben, also eben so viele Körbe voll Ueberbleibfel aufgehoben wurden, als Anfangs Brote vorhanden waren. In dieser Lhat, meine Lieben! erkennen wir sowohl den mächtigsten Wunderthäter als auch den mitleidigsten und thätig- sten Menschenfreund. Diese Lhat Jesu war zugleich die kräftigste Bestätigung einer schönen Lehre, die er seinen Zuhörern schon bei einer andern Gelegenheit gegeben hatte — der Lehre nämlich: »»»>, 266 «««« Seyd barmherzig gegen eure Mitmenschen, wie euer himmlische Vater gegen euch barmherzig ist! — Wirklich mußten die Zuhö¬ rer bei dieser Gelegenheit Zesu das Zeugniß geben: So hat noch nie ein Mensch gelehrt! — denn was er lehret, thut er auch selbst — er drückt seinen Vorschriften nicht nur durch Wunder, sondern auch durch Selbstübung das Siegel der Wahrheit auft seine Worte rühren und bewegen, aber sein Beispiel spornet an zur Nachfolge! — So dachte von Zesu ein Volk, das seine gott. liche Würde und den erhabenen Zweck seiner Sendung entweder gar nicht, oder nur unvollkommen kannte. Um wie viel mehr müssen wir Christen, die wir von der Göttlichkeit der Person Zesu und seiner Lehre sest überzeugt sind, um wieviel mehr müs- sen wir an ihm in Allem unser erhabenstes Vorbild erblicken, nach der Geschichte des h. Evangeliums aber vorzüglich sein Herz, liches und thätiges Erbarmen gegen nothleidende Menschen be- wundern und zum Gegenstände unserer Nachahmung machen. Wir wollen uns also Zesum unser erhabenstes Vorbild auch in dieser Hinsicht kräftiger vergegenwärtigen und zu diesem Ende heute aus dem menschenfreundlichen Betragen Zesu gegen das nothlei¬ dende Volk, die Beweggründe herausheben, die uns zur Erbar- mung gegen Nothleidende am kräftigsten stimmen sollen. Ver¬ nehmen Sie mich rc. Abhandlung. Was den Heiland zum innigen und thätigen Mitleids gegen die brotlose Volksmenge bewog, geben seine eigenen Worte an, die er zu seinen Züngcrn sprach: Mich erbarmet dieses Volkes! denn sehet! sie sind nun schon drei Tage bei mir verharrt, und haben nichts zu essen, und wenn ich sie ungespeist entlasse, so werden sie auf dem Wege erliegen! — Die Menschheit der Dürftigen, die wirkliche Noth der Dürftigen und der zu be¬ fürchtende Untergang der Dürftigen — das war es also, was Jesus zum thätigen Erbarmen bewog; das ist es, was auch in uns allezeit Gefühle des Mitleides gegen Nothleidende erzeugen und uns zur kräftigen Hülfelcistung aufmuntern soll. 1. Vor allen andern muß an Jedem unserer nothleidcndcn Brüder die Menschheit beachtet und geehrt werden, d. i. nicht eben die Person, sondern das, was wir Menschen alle mit ein- »»»» 267 «««« ander gemein haben, was uns, den Niedern wie den Hohen, den <- nen wir den Reichen, den Schwachen wie den Mächtigen von aueii andern Geschöpfen unterscheidet, was uns zu vorzüglichen, Gott selbst ähnlichen Wesen macht. — Ob uns also die hülfs- bediirftige Person nahe oder nicht nahe angeht, ob sie unseres oder eines andern Glaubens, hoher oder niederer Geburt, Freund oder Feind ist — gleichviel, genug, daß sie Mensch ist. Denn so genommen, ist sie ein herrliches Geschöpf Gottes wie wir, ein Ebenbild Gottes wie wir, ist nach der Lehre Jesu unser Nächster, unser Mitbruder ein Erlöster Jesu Christi, ein Erbe seines ewi¬ gen Reiches. Las allein sollte schon Beweggrund genug sür uns seyn, uns ihre Noth und ihr Elend zu Herzen zu nehmen; oder wie könnten wir Menschen seyn und Menschen leiden sehen, ohns zu rathen und zu Helsen, wo wir rathen und helfen können? da wären wir ja eben darum Unmenschen, weil wir das menschliche Gefühl verläugnet hätten! Wie zart war nicht dieses menschliche Gefühl — das Gefühl des Mitleides in Christus! — wie schön ist es nicht schon zu le¬ sen, und wie rührend muß es erst anzusehen und anzuhören ge¬ wesen seyn, wenn Jesus nach bemerktem Brotmangel des Volkes, seine Jünger bei Seite rief, und gegen sie die Empfindungen sei¬ nes Herzens durch den menschenfreundlichen Ausruf ausgoß: Ich habe Mitleid mit diesem Volke! — O das sind Worte des grö߬ ten Menschenverehrers und Menschenfreundes! Worte, die für die Pharisäer ein mächtiger Donnerschlag hätten seyn müssen, wenn ihr menschliches Gefühl nicht ganz abgestorben gewesen wäre; denn diese stolzen Menschenfeinde, die den Menschen nicht nach seiner eigentlichen Würde nach seinen wesentlichen Vorzügen zu schätzen wußten, nannten die niedere Volksklasse nur einen verdor¬ benen dummen Pöbel, schlechte und verächtliche Seelen; darum blieb auch ihr Herz so kalt und gefühllos wie das Eisen, wenn sie Jemand aus dem Volke mit Leiden kämpfen sahen. — Jesus aber, unendlich größer als alle Vorsteher der Synagoge, unend¬ lich weiser als alle Schriftgelehrten, unendlich vornehmer als alle durch Geburt und Verdienst Geadelte, unendlich mächtiger als alle Regenten der Erde — er der über Alles erhabene Gottmensch, sand seine reinste und höchste Freude eben darin: mit Kleinen und Niedern Umgang zu pflegen, den Armen und Unwissenden das Evangelium zu predigen, und sich der Kranken, Schwachen, »»»» 268 «««« Verlassenen und Sünder anzunchmen — weil sie Menschen — Geschöpfe Gottes, Kinder seines Vaters und Erben seines Reichs sind. Und dabei fürchtete Jesus so wenig von seiner Grösse et¬ was zu verlieren oder sein erhabenes Ansehen zu verdunkeln, daß er sich vielmehr gerade bei der tiefesten Herablassung zu den Nie. dcrn, Gemeinen und Dürftigen grösser noch erschien, als bei sei¬ nen größten Wundern. — Die erhabene Würde der Menschheit also war cs, die Jesus an jedem Nothlcidenden sah, und stets vor Augen hatte, —.diese Würde war cs, die ihn zu dem schö¬ nen Ausrufe zwang: Mich erbarmet herzlich dieses Volkes! Und wer sind nun wir, daß'nicht auch der nämliche Beweg¬ grund stark und kräftig genug seyn sollte unser Mitleid gegen dürftige Mitmenschen rege zu machen? — Warum sollten Men¬ schen, die nicht unserer Religion, unseres Standes und Ranges nicht unsere Freunde und Bekannte sind, oder sich nicht um uns besonders verdient gemacht haben, warum sollten diese nicht un¬ serer herzlichen Theilnahme würdig seyn? — Wahr ist es, da, wo die Fälle einander gleich sind, wo z. B. zwei Menschen, ein Christ und ein Nichtchrist, ein Bekannter und ein Unbekannter, ein Mitbürger und ein Fremder, ein würdiger Mann und ein Tau¬ genichts, sich in einer gleich grossen Roth befinden, — da sodert es die Ordnung der christlichen Liebe von uns, vorzugsweise zuerst Er- barmung zu zeigen über den Christen, den Bekannten, den Freund, den Mitbürger und Verdienstvollen; denn da findet sich schon ein Ring mehr vor, an der grossen Kette der allgemeinen Menschen¬ liebe, die uns Alle umschlinget, die uns alle untereinander und mit Gott verbindet. — Aber in einzelnen Fällen, da hat kein Unterschied statt — jeder Mensch hat Anspruch auf unser Herz; wenn wir die Noth des Nichtchristen, des Fremdlings, des Ge¬ ringen oder des Unwürdigen wissen — da muß schon der Anblick der Menschheit an ihnen unser Mitleidsgefühl so gut rege ma¬ chen, als wenn der Dürftige unser Mitchrist, unser Anverwandte, unser Freund oder ein verdienstvoller Mann wäre. Oder haben wir vielleicht ein anderes Geboth der Liebe, als jenes, das uns der Sohn Gottes Jesus Christus nicht nur gelehrt und anem¬ pfohlen, sondern auch durch sein eigenes Beispiel ehrwürdig und heilig gemacht hat? Unchristlich, oder besser unmenschlich ist daher jene Sprache, die man oft unter Christen hört: Ei was geht mich dieser Mensch 269 «««« dieses gemeine Geschöpf, wer weiß eS, wie und wodurch er sich sein Unglück zugezogcn? was kümmert es mich?—Er mag selbst sehen, wie er sich durchbringt, wird wohl nicht soviel an ihm verloren seyn, wenn er auch zu Grunde geht. — Das sind ganz die unmenschlichen und schändlichen Gesinnungen des rei¬ chen Prassers. — Ihm war auch die Menschheit an dem armen Lazarus verächtlich; stolz und hartherzig saß er an der üppigen Lasel und sähe kaltblütig hinweg über die Armuth und die Lei¬ den des an seiner Thürfchwelle liegenden-Mitmenschen, — kein Funke der Nächstenliebe und des Mitleides rührte seine durch Weichlichkeit abgestumpfte Seele, — seine Hunde schienen mehr Gefühl zu haben, — denn sie kamen und leckten gefällig die Wunden des kranken Lazarus. — So waren auch jener Priester und jener Levite gesinnt, die bei dem an der Heerstrasse liegenden, fast zu Tode verwundeten Juden, kalt und gefühllos vorüber gingen, während der Samaritan an dem Verwundeten die Menschheit be¬ achtete, und vom innigsten Mitleid ergriffen ihm thätige Hilfe leistete. Ungleichschandvoller für uns Christen, wenn wir so oft hören, daß Menschen die nicht unseres Glaubens sind, die auf einer niedern Stuffe der Bildung stehen, in dem Leidenden, die Menschheit oft mehr achten als wir, — aber noch mehr Schande für uns, wenn uns im Mitleide selbst vernunftlose Thiere über¬ treffen, da sie oft aus natürlichem Triebe das thun, wozu Men¬ schen, wozu selbst Christen bei allen vernünftigen und religiösen Ueberzeugungen und Empfindungen nicht können gestimmt und er¬ weicht werden. 2. Wer in dem Nothleidenden die Menschheit nicht außer Acht läßt, der wird sich auch in die mißliche Lage desselben hin¬ ein denken, und was dieser fühlt und leidet, mitfühlen und mst- leiden, so wie Christus den Brotmangel und Hunger des um ihn versammelten Volkes. „Ich habe Mitleid mit diesem Volke, sprach er, denn sehet, sie harren schon drei Tage bei mir aus, und ha¬ ben nichts zu essen." So sprach der mitleidsvolle Heiland, der in Allem, was Menschen Widriges treffen kann, selbst geprüft war; denn er hatte auch 40 Lage und Nächte gefastet, hatte also die Dual des Hungers selbst versucht, und ist zuletzt von höhern Geistern bedient, mit Speise und Trank versorgt worden; er kannte also aus eigener Erfahrung sowohl das Bittere einer solchen Noch als auch das Wohlthätige der Befreiung aus- der- »>-»» 2/0 «««« selben, und so dachte er sich lebhaft hinein in die peinliche Lage der hungernden Menge, und wie erwünscht und notwendig ihr auch die geringste Labung seyn müßte. — So nahm er Lhcil an der Noth des Volkes und diese Theilnahme machte ihn geneigt auf Hilfsmittel zu denken und auch kräftige Hilfe zu leisten. — So meine Lieben! sollten auch wir uns mit der traurigen Lage unserer dürftigen Mitbrüder erst recht bekannt machen, und uns die Grösse und Schwere ihres Elendes lebhaft vergegenwärtigen; denn dann nur werden wir uns ganz an die Stelle des Leiden¬ den setzen, dann wird es uns gleichsam selbst wehe thun, was der Mitmensch leidet, und wir würden uns um so leichter und lieber angeregt finden, seine schlimme Lage in eine bessere, seine Leiden in Freuden umzuwandeln. Aber freilich, wer das Elend seines Mitbruders nicht weiß oder nicht wissen will, wer seine Augen vor dem Anblicke, seine Ohren vor der Schilderung, seine Gedanken vor der Vorstellung menschlicher Leiden geflissentlich abwendet, und zufrieden ist, daß ihn nichts Aehnliches trifft — wie soll dieser Mitgefühl und Mitleid haben, was kann sich die dürftige Menschheit von ihm versprechen? Es ist wahr, viele Menschen wissen wenigstens aus eigener Erfahrung gar nichs von dem, was Tausende ihrer Mitbrüdcr zu erfahren und zu dulden haben. — Es ging und geht ihnen immer alles größtentheils nach Wunsch — sie haben Ueberfluß an Allem — ihre Gcjundheit gleicht dem Immergrün, ihr Wohl¬ stand einer unversiegbaren Quelle. Allein das entschuldiget sie doch nicht im Geringsten, wenn sie sich das, was ihre Mitmenschen drückt, nicht zu Herzen nehmen. Denn hätte ihnen nicht auch das¬ selbe traurige Loos, wie Tausenden ihrer Mitbrüder, zufallen kön¬ nen? kann es ihnen in ihrem Leben nicht noch zufallen? — welcher Mensch weiß es denn, was ihm in der Zukunft noch bevorsteht? — Da sollten sie sich also selbst fragen: Wie, wenn du in diesem Stande, in dieser Lage, in diesen Verhältnissen wärest? wie hart würdest du dein Schicksal tragen, was würdest du wünschen? wie würdest du dich rechts und links nach einem Retter und Wohlthäter umschen? — Schließe also aus dem, was dir ge¬ genwärtig den Genuß des Lebens so angenehm macht, auf die Bitterkeiten, mit denen dem Dürftigen sein Leben vergällt wird! O meine Lieben! wenn mancher Reiche und Grosse seine Lage mit jener seines dürftigen Mitmenschen recht nahe zusammenstellen »»»» 271 «««« wollte, wie bald müßte er zum thätigen Mitlcide gestimmt wer¬ den! — Wenn er bei sich denken wollte: Du wohnest in reinli¬ chen und prächtigen Zimmern, und dein durstiger Mitbruder fin¬ det kaum eine elende Herberge in der Stadt, weil man ihn seiner Armuth wegen fast überall zurücksetzt! du schläfst im wei¬ chen bequemen Bette und der Dürftige hat außer einem harten Strohlager nichts, wo er fein mattes Haupt hinlegen könnte! — Du nährest dich täglich an einer wohlbefetzten Tafel und dein armer Mitbruder würde sich zur Stillung seines Hungers mit den Brosamen zufrieden geben, die häufig von deinem Tische fal¬ len! Du bist reich und üppig gekleidet und dein Mitmensch kann sich bei seiner Blösse kaum vor Kälte und Frost sichern! — Du vergeudest so viel bei Spiel und eitlen Lustbarkeiten und der arme Handwerker, der oft um seinen blutigen Kreuzer gezwenkt wird, strengt die ganze Woche hindurch seine Kräfte bei harter Arbeit an, ohne dann den zehnten Lheil deiner Freude und Ruhe zu genießen! — Du lehnst vielleicht gemächlich und müssig an deinem Fenster, während ein armer Taglöhner unten vor deinem Hausthore mit gekrümmtem Rücken und im Schweiße seines An- gesichtes für dich Holz spaltet und Abends kaum eine warme Suppe zur Stärkung erhält! — Du genießest deine Güter mit Heiter¬ keit bei voller Gesundheit, während Tausende deiner Mitbrüder ihr Dafeyn am schmerzlichen Krankenlager vertrauern! — Du besitzest dein Vermögen in sicherster Ruhe und Zufriedenheit, wah¬ rend sich hier ein Unglücklicher durch einen unvorhergesehenen Zufall, oder durch Neid, Ungerechtigkeit und Bosheit der Men¬ schen von Haus und Hof vertrieben sieht, ohne Hoffnung einsti- ger Rückkehr zu den Seinigcn! — während dort ein verwundeter oder verstümmelter Krieger, der pm geringen Sold für dein Va¬ terland, für dein Eigenthum, für deine Ruhe und dein Leben sein Blut und sein Leben in die Schanze zu schlagen bereit war — während er nun von Lhüre zu Lhüre schleicht, und den schwer verdienten Mitleidspfennig bettelt. Auf solche und ähnliche Art sollten glückliche Menschen ihren Zustand mit dem Zustande ihrer unglücklichen Mitbrüder öfters vergleichen, und sie müßten wahr¬ haft ganz verwildert, ganz ohne menschliches Gefühl seyn, wenn sich kein Funke Mitleides in ihrem Herzen entzünden würde, der sie anfeuerte der leidenden Menschheit durch Rath und Lhat zu Hülfe zu eilen- 272 « « « « Und endlich, wenn man so wir Jesus mit seinen Vorstellun. s° gen noch weiter geht und nicht nur die wirkliche Noth, sondern auch die traurigen Folgen derselben, wenn sie nicht bei Zeiten gehoben wird, recht beherziget, so muß man «m so eher und e kräftiger zur Erbarmung des Dürftigen gestimmt werden. Wenn ich mich ihrer nicht erbarme, sprach Jesus, wenn ich sie uiigcsxcist > nach ihrer Heimath lasse, so werden sie auf dem Wege dahin schmachten; denn Viele aus ihnen sind weit hergekommen und ha¬ ben seit drei Tagen fast nichts zu essen. — Die Erhaltung eines einzigen Menschen ist schon Alles werth, um so mehr die Erhal¬ tung von Tausenden! — So dachte der mitleidsvolle Heiland, und so befürchtete er für das dürftige Volk Alles, was der na¬ türlichen Lage der Dinge nach zu befürchten war, wenn nicht auf eine Schnelle und besondere Art für einen Nahrungsvorrath ge¬ sorgt würde. Denn die Reisetaschen waren binnen drei Tagen ausgeleert worden, die Verpflegung so vieler Menschen in der weiten unwirthlichen Gegend war etwas Unmögliches, sie aber bei nagendem Hunger in die weit entfernten heimathlichen Dörfer und Wohnungen zu schicken, war eben so viel — als sie dein gewissen Tode Preisgeben. Nach diesen: menschenfreundlichen Muster Jesu sollten auch wir, meine Lieben! sobald uns Nothleidende unterkommen, auf Alles Bedacht seyn, und uns nicht nur ihre gegenwärtige Noth, mit der sie ringen, sondern auch Alles, was aus dieser Noth Schlimmes erfolgen könnte, lebhaft zu Gemüthe führen. — Hier sehen wir z. B. ein älternloses Kind-' — Es ist ein zarter Keim der Menschheit! —> wird cs nicht bald untergebracht, verpflegt und beschützt, so stirbt es schon in seiner Llüthe dahin, und die menschliche Gesellschaft könnte vielleicht an ihm ein nützliches Mit¬ glied, einen guten Bürger, einen rechtschaffenen Christen verlie¬ ren. — Dort sehen wir einen verlassenen Handwerker. — Er braucht vielleicht um sich für jetzt und allezeit sein Auskommen , zu sichern nur eine kleine Beihülfe zum guten und gewünschten Anfänge — wird ihm diese versagt, so bleibt er gleich Anfangs auf feiner Laufbahn zurück, kann mit seiner erlernten Kunst keine Fortschritte machen, und ist soviel als verloren. — Hier finden wir einen Hausarmen, der aus Mangel an Unterstützung auch seine Kräfte nicht anstrengen, nicht arbeiten kann und von allen Seiten verlassen ist. Wenn er keine mitleidigen Herzen findet, »»»- 275 «««« in. ' so muß er entweder dahinschmachtcn, oder er sicht sich in die in, traurige Nothwcndigkcit versetzt, zu unerlaubten Mitteln Zuflucht e„ zu nehmen! — Oft haben wir in unserer Nähe oder selbst im nd eigenen Hause schwache, kranke, elende und arme Aeltern, Kin¬ in der, Dienstbothen oder Fremde — werden sie nicht mitleidig ver- st pflegt, zu rechter Zeit mit Heilungsmitteln oder sonstiger Unter¬ en stiitzung versehen, so kann das Ucbel ärger, der Schade unheil- bar und die Ursache eines baldigen Todes werden. — Sehen Sie, § meine Lieben! Gelegenheiten, solche Betrachtungen anzustellen, - würden sich uns in Menge darbiethen, auch fodert cs keine Mühe , sie anzustcllen; denn sie dringen sich jedem Vernünftigen, beson¬ ders aber dem Christen schon beim ersten Anblicke fremder Leiden von selbst auf, und es kommt nur darauf an, diese Vorstellun¬ gen fcstzuhalten, sie nicht kaltblütig und vorsätzlich zu verdrängen. Die dreifache an sich selbst gestellte Frage also: Wer lei¬ det? — was leidet er? — wie weit kann ihn sein Leiden brin¬ gen? — oder was eben so viel ist: der dreifache Beweggrund: der Leidende ist Mensch, die Noth des Leidenden ist eine wirkliche Noth, und der Leidende ist feinem Untergange nahe, wenn ihm nicht geholfen wird — dieser dreifache Beweggrund soll uns als Menschen, und um so mehr als Christen jederzeit zur Erbarmung gegen bedrängte Mitmenschen stimmen, und sobald es auf was immer für eine Art in unfern Kräften steht, zur liebreichen thä- tigcn Hülfe anfporncn. Denn das ist die wahre Eigenschaft des Erbarmens — schnelle und thätige Hülfe. — So erfüllen wir eine Pflicht, die schon in unserer menschlichen Natur tief gegrün¬ det ist, die uns außerdem der Sohn Gottes selbst ancmpfiehlt und auferlegt, die wir in seinem eigenen Betragen im heutigen Evangelio und allezeit zu bewundern Gelegenheit haben, und nach deren treuen Erfüllung wir zum vergeltenden Tröste für Alles, was wir unfern nothleidenden Mitbrüdern gcthan haben, an uns , erfahren werden, was der Sohn Gottes unser Herr und Heiland Jesus Christus verheißen hat: Glückselig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen! Amen. 18 »»»» 274 «««« Am siebenten Sonntage nach Pfingsten. »Hüthct euch vor den falschen Propheten, die in Schafsfellen zu euch ' kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind.« Math. 7, i5. Eingang. Äaß der göttliche Lehrer Jesus Christus Ursache hatte, seine Schüler gegen listige und verstellte Verführer zu warnen, wird Jedermann leicht cinsehen, der nur einige Kenntniß von der Ge¬ schichte der damaligen jüdischen Zeitgenossen hat, oder auch nur auf die Begebenheiten unserer Lage aufmerksam ist. Zu allen Zeiten hat es zwar bösartige Menschen gegeben, die damit nicht zufrieden waren, nur für ihre Person dem Laster zu huldigen, sondern die sich auch alle Mühe gaben, durch verschiedene Kunst¬ griffe der Verführung auch andere gute Schafe dem göttlichen Hirten treulos zu machen, und sic einem allseitigen Verderben zuzuführen. Nie scheint cs jedoch der hinterlistigen Verführer mehr gegeben zu haben, als in unfern Zeiten — nie fanden sich so viele falsche Propheten vor, die ihre wahre Gestalt verbergen, ihre bösartigen niedrigen Absichten unter dem erlogenen Mantel der Rechtschaffenheit, der Liebe und Menschenfreundlichkeit ver¬ hüllen, und so schwache, unvorsichtige oder leichtsinnige Christen in ihre verborgenen Schlingen locken — als eben in unseren Tagen. Die Warnung des Heilandes im heut. Evangelium erinnert mich unwillkürlich an jenen Ungeheuern Schwarm falscher Prophe¬ ten unserer Zeit,— nämlich an die Verfasser und Verbreiter unsittlicher (religionswidriger) Bücher; denn mittelst dieser gehen jetzt vorzüglich die falschen Propheten wie in Schafsfellen herum und sind inwendig reißende Wölfe, wahrhaft böse Geister, aber verkleidet in Engel des Lichtes. Doch an ihren Früchten, sprach der Heiland, werdet ihr sie erkennen. So wollen wir denn, um uns die heilsame Warnung des Heilandes zu Nutzen zu ma¬ chen, die Früchte dieser falschen Propheten — ihre Bücher, die man gewöhnlich Unterhaltungsbüchcr nennt, etwas beurtheilen und uns überzeugen, daß die meisten derlei Bücher nichts weniger »»»» 255 «««« tils gute und nützliche, sondern verführerische verderbliche Bücher, folglich schlechte Früchte von schlechten Bäumen sind. —> Aber Bucher! und wieder Bücher, wird vielleicht Mancher bei sich selbst sagen — Haben wir doch über böse Bücher schon fast ge¬ nug gehört, und man tischt doch noch immer damit aufs Es ist wahr, meine Lieben! dieser Gegenstand wäre es wohl nicht werth, daß man ihn von einer christlichen Lehrkanzel öfters behandle, allein eine Menschenseele ist alles werth — und würde dadurch nur eine einzige Seele gerettet werden, — welch' ein erhabener Preis wäre dieß nicht für die Bemühung des Seelsorgers! — Die Seelsorger müssen es ihrem Amte nach doch wohl am sicher¬ sten wahrnehmen, woher der Religion und den guten Sitten zur Zeit die meiste Gefahr drohe, und es kann und darf ihnen nicht gleichgültig seyn, ob diese Gefahr zu- oder abnehme, ob sic fort- bestche oder aufhöre. Daß aber von Seite böser Bücher die Gefahr für Religion und Tugend noch fortdaure — ja sich im¬ mer ansdehne, ist leider nur zu gewiß. Darum rechne ich mir's als Diener des Evangeliums auch zur unerläßlichen Wicht dieser Gefahr durch eine wohlmeinende Belehrung soviel möglich zu steuern, so unangenehm und uninteressant diese Belehrung auch immer den Kindern der Welt vorkommen muß. — Ich eile also zur Ausführung meines Vorhabens — zu einer kurzen Untersu¬ chung und Prüfung sogenannter Unterhaltungsbücher und zur Widerlegung einiger Scheingründe, die man für die Lesung der¬ selben vorschützt. — Vernehmen Sie mich rc. Abhandlung. Unter den Büchern, die in unsern Tagen hausig gelesen werden, gibt es einige, die da Lehren, Erzählungen und Beschrei¬ bungen enthalten, über welche die Verdiensten Wüstlinge selbst erröthen müßten. — Bücher, wo man ohne alle Schonung jene Tugend anfeindet, die unter allen Lugenden am meisten Schonung fodert; weil sie vor allen am leichtesten verletzt werden kann, und weil ihr fast jede Verletzung Etliche Wunden schlägt -— Bücher, die lauter Gift aushauchen, und die man nicht lesen kann, ohne daß man nicht bald selbst das Gift aushaucht, das man eingeso- gen hat. Solchen Büchern, wenn sie gleich das Laster nicht ohne allen Schleier hinstellen, sieht man es doch leicht an, wel-- 16 * »»»» 276 «««« cher Geist die Hand führte, die sie niedcrschrieb, man erkennt alsegleich die Sprache der verderblichen Wollust, man unterschei. det ihre Fahne und die Ranke, die sie braucht, um Anhänger anzuwerben, und es ist gewiß, daß sic eben so viele Anhänger zählen wird, als diese Bücher Leser finden werden. Doch von diesen bösen Büchern rede ich heute nicht — sie tragen schon gleichsam an der Stirne den Stempel der Verworfenheit und warnen durch sich selbst, den Leser, wenn er nicht geradehin zu den Tollkühnen und Gottvergessenen gehört — vor dem Unter¬ gänge. Meine und Ihre Aufmerksamkeit sey also gegenwärtig mehr auf jene Bücher gerichtet, die einen gewissen Anstrich von Ehrlichkeit haben, die, wenn sie gleich nicht nützen, doch, wie man glaubt, auch nicht schaden, deren Lesung man daher ohne weiters für unschuldig erklärt. Solche Bücher nun, wir wollen sie nach der gangbaren Zeitsprache Unterhaltungsbücher nennen — solche Bücher, sage ich, sind dem größten Lheile nach — böse Früchte falscher Pro¬ pheten. Denn wie sehen die Bücher, die man heut zu Tage so geradehin Untcrhaltungsbücher nennt — wie sehen sie aus? Es sind Bücher, wo man freilich einen Schleier über das Laster hin¬ wirft, aber einen Schleier, der nur das bedeckt, was das Laster verhaßt machen könnte, und alles das hervorblicken läßt, was demselben Reiz geben kann! Es sind Bücher, die mit so vieler Kunst, mit so vielem Ausputze geschrieben sind, wo Alles, was man sagt, so gut gesagt zu seyn scheint, daß sich die Herzen dem gefährlichsten Gefühle eröffnen müssen! Es sind Bücher, wo man freilich keine grob-unsittliche Bilder mahlt, welche die schüchterne Schamhaftigkeit abfchrecken könnten, wo aber Alles lächelnd, einschmeichelnd, anziehend ist und Weichlichkeit einflößt! Es sind Bücher, wo man die verborgensten Triebfedern, die Schleichwege, die Hülfsquellcn der gefährlichsten Leidenschaften aufdeckt, und zeigt, wie sich die Leidenschaft benimmt, um Ein¬ gang in das Herz zu finden, und es zu fesseln und zu beherr¬ schen! Es sind Bücher, wo die lebhaftesten Regungen des Ge- miithes so fein angebracht sind, daß das Herz des Lesers unbe¬ merkt aufwallct, daß jeder Aufenthalt im Verlaufe der Hcldcn- geschichte seine Neugierde immer mehr aufreizt, daß er den wärmsten Authcil an den eingebildeten Begebenheiten nimmt, die er liest, daß er mit den erdichteten Personen seufzt, lacht, zur- »»>>» 277 «««« ntt, ste unglücklich schätzt und bedauert, wenn sie ihren tollen oder gottlosen Endzweck nicht erreichen können, und sogar mit ihnen Thronen vergießt! wahrlich edle Thronen! — wcrth, doß sie in das todte Meer fielen, wo einst Sodoma und Gomorrha standen! Und Bücher, die im Stande sind solche zarte Gefühle zu erregen — solche kostbare Seufzer zu erwecken, solche theure Thronen auszupressen, worüber der Vater der Lüge der Satan, der aus den Büchern spricht, triumphirt — solche Bücher werden emsig gekauft, mit Sehnsucht entlehnt, mit Zuvorkommenheit nütgetheilt, mit Begierde gelesen, mit Heißhunger verschlungen. Und dabei will man behaupten: das Lesen dieser Bücher sey unschuldig. Ich frage hier vorzüglich fene christlichen Jüng¬ linge und Jungfrauen, die derlei Bücher bereits gelesen haben, ob sie dieselben auch gleich Anfangs so beurtheilt haben? — Ich zweifle sehr. Ich will denselben zur Erforschung des Gewissens in etwas verhülflich seyn. Als ihr zum erstenmale ein solches Luch laset, christliche Jünglinge und Jungfrauen! — da schlug das Herz wohl bange und das Gewissen empörte sich — ihr mußtet euch einen gewissen Zwang anthun, um das Buch wieder zu öffnen, ihr hieltet ein, gleichsam um zu berathschlagen, ob ihr es lesen würdet, ihr finget mit Unruhe an es zu lesen; Ver¬ wirrung ergriff euch — ihr trautet nicht fortzufahren — euer dazumal noch reines Herz sträubte sich gegen gewisse Eindrücke; ihr warfet das Buch zuweilen auf die Seite und holtet cs dann wieder hervor, ihr erröthetet bei gewissen Stellen, und nur nach manchem harten Kampfe, nach manchem erstickten Gewissensbisse gelang es euch — das unselige Buch auszulesen — und wie lauge darnach noch verwieset ihr euch, es gelesen zu haben! — Euer Gewissen war dazumal noch gerade und aufrichtig, cs sagte tuch, daß das Lesen dieser Bücher ein schädliches Lesen sey, seine Stimme war die Stimme der Wahrheit; jetzt sprechet ihr freilich anders, weil nämlich die Leidenschaft euer Herz ergriffen und eingenommen hat. — Das Lesen dieser Bücher soll unschädlich seyn? — Wie, meine Lieben! wird wohl Jemand behaupten wol¬ len, daß er ohne Gefahr Lage lang mit einem Verführer zubrin- gm könne, dessen Unterredung nur von sinnlichen Vergnügen han¬ delt, der ihn ermuntert, seine Schüchternheit abzulegcn, der ihm Beispiele anführt, um ihn dreist zu machen? Verderben denn die bösen Reden nach dem Ausspruche des Apostels nicht die guten » )) » » 278 «««« Sitten? Nun aber sind die Unterhaltungsbiichcr, von welche,, h wir hier sprechen, nicht eben so viel, ja mehr als böse Reden? » enthalten sie nicht eben so viel, ja mehr Gift als bose Reden? — e Man kann sich wohl nicht immer bei jenen einfinden, die freie r Reden führen, aber böse Bücher kann man beichtet und länger > bei sich haben; wer nur noch ein wenig Scham hat, der wird in der Unterhaltung über gewisse allzufreie und allzuschlüpfrize Erzählungen erröthen, aber man crröthet nicht so leicht, wenn man deren für sich liest, wären sie auch noch freier und schlüpfri¬ ger als jene. In der Unterhaltung wird man sich schwer¬ lich herausnehmen, sich gewisse Zweideutigkeiten und Schilderungen wiederholen zu lassen; aber beim Lesen trägt man kein Bedenken, auf gewisse Sellen zum öftern zurückzukommen, ja dabei zu ver¬ weilen. In den Unterhaltungen, wo etwas freier gesprochen wird, ist oft das, was gesagt wird, ohne weitere Zubereitung hinge- worsen, inan nimmt sich, so zu reden, die Zeit nicht, den Pfeil der Wollust zu schärfen, und darum ist er oft weniger gefährlich; aber in den Büchern ist er mit Sorgfalt zubereitet, die zierliche Schreibart, die Wahl des Ausdruckes — Alles eröffnet dem Gifte den Zugang — es geht unfehlbar in daS Herz über. Oder wenn sich die Sache nicht so verhält, so mögen mir Jene, die derlei Bücher lesen oder gelesen haben, antworten, ob denn dieses Lesen in ihnen niemals gewisse Gedanken erweckt hat, bei denen man nicht verweilen soll? gewisse Begierden, die man unterdrücken soll? gewisse Vorstellungen, die man nicht ohne Schrecken wahrnehmen soll? haben sich auch, nachdem sie das Luch weggelegt hatten, nicht verschiedene Züge ihrer Einbildungs¬ kraft wieder dargestellt? und öfter dargestcllt? haben sie keinen bösen Eindruck auf Verstand und Herz gemacht? — keinen Hang zum Bösen gegeben, oder verstärkt? — war denn gar nie eine Gewissensunruhe fühlbar? auch dann nicht, wenn sie sich mit An¬ dacht zum Empfange der h. Sakramente vorbereiteten? — Gesetzt man würde ihnen erzählen, eine junge Person, ungefähr von ih¬ rem Alter, sei) plötzlich dahingestorben, und habe wirklich eines jener Bücher, die man im Sinne des Zeitalters unschuldig nennt, in Händen gehabt, der Tod habe sie mitten in einer solchen Le¬ sung überrascht, würden sie deßwegcn in Betreff des ewigen Hei¬ les dieser Person keine Unruhe verspüren. Und wenn Jemand, der solche Bücher liest, selbst hingestreckt aus das Schmerzenlager, »»»» 2/9 «««« hen n/ eie er rb n i Horen müßte — alle Hoffnung zur Rettung sey verloren, nach ivcmgen Stunden würde er die Welt verlassen müssen — würde er sich nicht auch an jene unseligen Bücher mit Schrecken erin¬ nern, und vor Allem wünschen, sie niemals gelesen zu haben? Würde er nicht seine Freunde ersuchen, sie sogleich dem Feuer zu überliefern, damit sie nicht noch andere Seelen verführten? Wenn man aber das am Lodtenbette nicht unterlassen würde, warum thut man es nicht auf der Stelle? Weiß man denn, ob man dann noch Zeit und Kräfte genug haben werde, es zu rhun, und ob alsdann die späte Reue Gnade vor Gort finden werde? — Ich mochte, sagte ein Verfasser solcher Bücher in feiner letz¬ ten Krankheit an seinem Lodlbette, ich mochte, daß man mich gleich einem Uebelthäter durch alle Straßen der Hauptstadt schlepp¬ te; ich würde alle wegen des gegebenen Aergernisses um Verzeihung bitten, ich würde diejenigen, die mein Buch noch nicht gelesen haben, mit Lhränen bitten, daß sie es niemals lesen möchten, ich würde jene, welche diese gefährlichen Erzählungen schon gelesen haben, beschwören, es zu beweinen, wie ich beweine, sie geschrie¬ ben zu haben. Und man will doch behaupten, das Lesen solcher Bücher sey unschädlich, ja sogar unschuldig? Aber was kann man doch für wichtige Gründe haben, das Lesen solcher Bücher für unschuldig zu erklären? Ich erinnere mich wohl einiger — aber ich sehe, daß sie nur eitle elende Schein¬ gründe sind. So sagt mancher unserer Jünglinge, manche unserer Jungfrauen: Ich lese diese Bücher nicht aus böser Absicht, son¬ dern lediglich um mich zu bilden. Za wahrlich um euch zu bil¬ den man möchte glauben, wenn man sich auf euer blosses Wort verlassen wollte, die volle Weisheit ströme aus diesen Büchern, da, und nur da, könne man, wie gleichsam aus einer Goldgrube, die reichhaltigsten Gedanken, die edelsten Gefühle, die erhabenste Sprache, den unbescholtensten Charakter, das wahre Schöne, das eigentlich Grosse, das vollkommen Erhabene mit vollen Händen herausheben, und am geschwindesten und sichersten zur Gottähn¬ lichkeit gelangen? — aber welcher Mensch, der ein ge¬ sundes Gehirn im Kopfe und das Herz auf der linken (und nicht auf der rechten) Seite hat, wird das glauben wollen? — Doch nein, ich könnte mich vielleicht irren. Nach der fleißigen Lesung solcher Bücher werdet ihr euch vielleicht in gewissen Zusammen¬ künften auszeichuen, aber wird man euch auch in bessern wahrhaft »»»» 2lt0 «««« edlen Gesellschaften mit Beifall beehren? Ihr werdet Fertigten n besitzen, bescheidene Personen durch Zweideutigkeiten und Vcrblüm- d langen in Verlegenheit zu sehen, und bei ihnen die Sckamröthe r emporsteigcn zu machen, ihr werdet auch Fertigkeit besitzen zu l schreiben, aber was, wie, warum? Ihr werdet wissen, wie sich < die Leidenschaft ausdrückt, welche Namen sie ihrem Gegenstände beilegt, wie sie Fallstricke legt, welche Anfälle sie wagt, und mit welchen Waffen sie obsiegt. O wahrhaft edle der Gesellschaft nützliche Kenntnisse! Was da für grosse Männer, was da für edle Frauen gebildet werden müssen! Schade nur, daß ich ohne weiters hinzusetzcn muß, daß dieses hochgepriesene Bildungsmittel ein unfehlbares Mittel ist der Verbildung, der Charakter- und Sittenlosigkeit; denn derlei Lektüren werden euch, meine lieben christlichen Jünglinge und Jungfrauen! — alle Lust zur Arbeit und zu jeder Geistcsanstreugung benehmen; ihr werdet eure we¬ sentlichsten Pflichten vernachlässigen, wie es sich vorzüglich hin und wieder an der studirenden Jugend erwahrt, alles Ernsthafte wird euch lange Weile verursachen. Ihr habt Talente, ihr kön- > net euch durch einen treuen Gebrauch derselben auszeichnen — aber sie werden verwittern und verwildern diese schönen Talente und Unkraut in Menge zur Reife bringen; ihr werdet auf Irr¬ wege gcrathen, und andere mit auf Irrwege Hinreisen; ihr wer¬ det unter denen, die desselben Alters mit euch sind, unaussprech¬ liches Unheil anrichlen, ihr werdet euch mit Schande bedecken, und euern Aeltcrn manche bittere Lhräne auspresscn — ihr wer¬ det euch bloß durch dieses Mittel- einer vermeinten Bildung i» den Abgrund eines ewigen Verderbens stürzen! Doch nein, sagen andere Leser! enthalten diese Bücher et« was Böses, so lasse ich es, und nehme nur das Gute heraus- Wie sagt ihr? ihr nehmet das Gute daraus, und lasset das Böse? -- Und ich sage, daß ihr in denselben nur das Böse su¬ chet. Was in diesen Büchern gut seyn mag, als nämlich die Schreibart, die Sprache, die Wendungen, die Ausdrücke, die Blumen der Beredsamkeit, dieses alles findet sich auch in andern wahrhaft guten Büchern, findet sich da ohne gefährliche Vermi¬ schung, findet sich da mit nützlichen Kenntnissen, mit der Wahr¬ heit der Geschichte vereiniget. Liest man aber diese Letztem eben so gerne als gewisse Gedichte, gewisse Theaterstücke, gewisse Ro¬ mane? Nein, man hat lange Weile dabei, man legt fte sogleich »»»» 281 « « « « MÄer weg. Nun so gestehe man denn, daß man in den Buchern, die man gierig liest, nicht das Nützliche, sondern das Angeneh¬ me, nicht das Erhabene der Sprache, sondern das Niedrige der Leidenschaft, nicht die gute Sittenlehre, sondern den Reiz der Sünde aufsucht. — Und in der Lhat, man läßt das Gute, was sich in einem solchen Buche sparsam hin und wieder vorfindet, in dem Buche, und nimmt das Gift heraus. Denn wenn man die Leser fragen wollte, welche Ausdrücke es denn scyn, die sie ans dem Buche, das sic vielleicht vor Monaten gelesen hatten, am besten behalten haben? gewiß es würden sich ihrem Gedächt¬ nisse vor allem solche Ausdrücke darstellen, mit welchen das leb¬ hafte Gefühl irgend einer Leidenschaft verbunden war — und wenn inan sie fragen wollte, welche Züge ihnen am besten im Gedächtnisse geblieben seyen? so wäre cs gewiß die Erzählung ei¬ ner romanhaften Geschichte, von der sie den Anfang, den Ver¬ lauf und das Ende am umständlichsten noch hcrzusagen wüßten. Wohl, sagen dagegen Andere: es mögen demnach Jene diese Bücher nicht lesen, auf die sie bösen Eindruck machen, — aber auf mich machen sie keinen. Auf mich machen sie keinen? Was müssen doch das für Christen seyn, die so dreist diese Sprache führen? Sind sie vielleicht aus der Zahl derjenigen, die in der Schule der Drangsale abgehärtet worden sind? sind es Christen, bei denen die Verachtung der Welt, die Liebe zur Tugend, der Haß gegen das Laster zur zweiten Natur geworden ist? Sind es Christen, die nach dec Foderung des Evangeliums ihr Fleisch sammt alle» seinen Begierlichkeiten gekreuziget haben? — O nein, cs sind junge, oder auch ältere, aber hochtrabende Leute, die noch ganz unter der Botmässigkeit der Sinnlichkeit stehen, deren Ein¬ bildungskraft sich noch allzugerne mit der Welt und ihren Freuden beschäftiget, denen oft die Anfechtungen bis in den Tempel, bis in's Geber, während des Lesens frommer Bücher zusetzen, wo nicht gar sie überwältigen. Das sind die Helden und Heldinnen, die uns bereden wollen, das Lesen von derlei Unterhaltungsbüchern mache auf sie auch nicht den geringsten Eindruck! — Und wir sollen ihnen Glauben beimessen? Wenn sie keinen Eindruck machen -- warum verschmäht man sie nicht, warum findet man sie nicht abgeschmackt — warum legt man sie so wenig auf die Seite, daß man vielmehr ost ganze Nächte mit dem Lesen derselben zu¬ bringt? warum wird das geringste Hinderniß, das dazwischen »»-1» 282 « « « « kommt, unerträglich? Warum überschlagt man jene Blätter, v, die Phantasie keine Nahrung findet ? Warum verweilt man so gerne bei gewissen Stellen? Warum verbirgt man sich vst sorg¬ fältig um ungestört zu lesen? Warum vernachlässiget man oft alle seine Pflichten, um sortlesen zu können? Sind das alles Be¬ weise für oder gegen die Behauptung, daß derlei Bücher keinen bösen Eindruck machen? Doch gehen wir noch auf den scheinbar wichtigsten Grund über. Man muß aber doch gestehen, sagen einige nichts desto weniger: daß diese Bücher zuweilen sehr schöne Sittenlehren ent¬ halten! — Wunder über Wunder! sogar schöne Sittenlehren enthalren sie! Za, und wahr ist es doch. Zn manchen dieser Bücher findet man weise Sprüche, Der Verfasser verdammt in denselben, wie ein berufener Sittenrichter, einen Hang, der zum Verbrechen geführt hat, er ermahnt sorgfältig, jede Klippe der Wollust zu vermeiden. — Allein gerade da haben wir den fal¬ schen Propheten im Schafspelze, den bösen Geist im Lichtglanze eines Engels. Denn alle diese seine schönen Ermahnungen kom¬ men leider! erst nach dem Schiffbruche; sie kommen, da es nicht mehr Zeit ist, und da man schon allen Willen verloren hat, sie zu benutzen. Und in derLhat, haben wohl diese schönen Sittcn- lchren, rch frage Zcne, die derlei Bücher lesen oder gelesen ha¬ ben, haben wohl diese Ssttenlehren einen tiefen Eindruck gemacht? haben sie wirklich gefallen? Sind das die Stellen, bei denen man verweilt, die man übermal und noch einmal gelesen hat? Sind es diese Lehren, die man vom ganzen Luche am besten im Ge¬ dächtnisse und im Herzen behalten hat? O uncrfahrne Zugend! — diese Ssttenlehren selbst, find ein Fallstrick, den man deiner Unschuld legt; man will dich be¬ ruhigen und dich glauben machen, daß ein Werk, wo so gute Lehren vorkommen, unmöglich böse seyn könne; daß ein Verfasser, der an einigen Stellen, so edel denkt, so gottesfürchtig schreibt, nirgends eine böse Absicht haben könne; man will dich irre leiten, da man dich beredet, man führe dich auf den rechten Weg. Nimm das aus der Wirkung selbst ab, unglückliche Zugend! Umsonst verdammt nämlich der Verfasser eines solchen Buches unter dem Anscheine von Rechtschaffenheit gewisse Schwachheiten, wie man sic nennt, — den Leser rühren diese Schwachheiten — er wird für die Personen der Geschichte, die selbe begehen, eingenommen; er d< N § S e i »»»» 283 «««« "o er übergeht gleichgültig die Sittenlehre, bei der er wohl fühlt, 1° dH es dem Verfasser selbst nicht Ernst war. Nein, nein, noch !- Niemanden haben die Romane und gewisse Gedichte bekehrt, zur l Lugend zurückgeführt, Niemanden noch haben sie eine grössere - Vorliebe zur Schamhaftigkeit, zur Eingezogenheit beigcbracht; > niemals noch hat man unter denen, die aufrichtig zu Gott zurück- gckommen waren, auch nur Einen gefunden, der seinen Abscheu vor dem Bösen, seine frommen Entschließungen diesen Büchern zugeschrieben hätte. O Gott! Wie manche Herzen lebten noch in ihrer Unschuld ohne diese unglückseligen Bücher! Wie manche Familien lebten noch einig und zufrieden, ohne diese unglückseligen Bücher! — Wie manche Aeltern wären noch durch ihre Kinder, und wie manche Kinder wären noch durch ihre Aeltern glücklich, ohne diese unglückseligen Bücher! — Wie manche schöne Talente, wie manche grosse, für den Staat und für die Kirche nützliche Männer hätten sich gebildet, ohne diese unglückseligen Bücher! Wie manche See¬ len wären ohne diese unglückseligen Bücher nicht auf ewig verlo¬ ren! — Darum himmelschreiend ist ihre Sünde und schrecklich ihre Verantwortung, christliche Aeltern, wenn sie nicht wachen über ihre Kinder, wenn sie ihnen diese verführerischen Bücher nicht mit Gewalt aus den Händen reißen! Himmelschreiend ist eure Sünde und schrecklich eure Verantwortung, unglückliche Freun¬ de, die ihr euern Freunden von diesen gefählichen verpesteten Büchern in die Hände spielet, oder sie zur Lesung derselben ver¬ möget! Himmelschreiend ist eure Sünde, fürchterlich eure Verant¬ wortung — ihr! die ihr diese unseligen Bücher, diese Sendschrei¬ ben der Hölle feilbiethet und kein Bedenken traget, um einen ärmlichen zeitlichen Gewinn die guten Sitten zu verpesten und unzählige Seelen in das ewige Verderben zu stürzen! Aber sie¬ benmal grösser ist die Sünde, und siebenmal schrecklicher ist die Verantwortung für Fene, die von Gott so manches edle Talent empfangen haben, und es nur dazu verwenden, um eigenhändig durch gottlose Bücher und Schriften Sitten - und Seelcnverderb- mß zu verbreiten. — Ich will nun nichts mehr hinzusctzen als den heißen Wunsch: Gott möge diejenigen, die niemals von die¬ sen unglückseligen Büchern gelesen haben, in dem gefaßten Vor¬ haben bestärken, sie niemals zu lesen — diejenigen aber, die unglücklich genug waren mehrere oder auch nur Eines derselben » » » » 284 ««« « zü lesen, durch seine Gnade rühren, — daß sie ihre Sünde bereuen und dem Lichte der göttlichen Wahrheit folgen. Amen. Am achten Sonntage nach Pfingsten. »Lege Rechnung von deiner Haushaltung.« Luk. i6, 2. Eingang. ^esus unser göttlicher Lehrer bediente sich bei seinem Unterrichte verschiedener aus dem gemeinen Leben hergenommener Gleichnisse um eine oder die andere wichtige Heilswahrheit dem Verstände seiner Zu¬ hörer deutlich und anschaulich, und ihrem Herzen theuer zu macken. Diesen nämlichen 'Zweck hat auch das Gleichniß des heut. Evan¬ geliums. — Jesus schildert in demselben die grosse Verlegenheit, in der sich ein ungerechter Hausbälter befand, als sein Herr plötz¬ lich Rechenschaft von seiner Haushaltung fvderte, und ihm ankün¬ digte, er werde fernerhin seinem Amte nicht mehr vorstehen. — Was fange ich nun an, seufzte der Ungetreue? Graben, d. i. arbeiten, kann ich nicht und des Bettelns schäme ich mich. In¬ dessen sinnt er bald ein Mittel, mag es auch noch so ungerecht seyn, aus, um seine Person in Sicherheit zu stellen. Mein Herr hat viele Schuldner, die grösser» kann ich mir zu Freunden ma¬ chen, sprach er bei sich, wenn ich ihre Schulden um ein Beträcht¬ liches hcrabsetzc— er that es wirklich, und der Herr mußte un¬ geachtet dieser neuen Ungerechtigkeit, die er vernahm , den Haus¬ hälter loben und gestehen, daß er klug gehandelt habe. Ucber dieses listige Benehmen des ungerechten Haushälters gibt uns nun Jesus Ausschluß: die Kinder der Welt, sagt der Heiland, sind in ihrer Art klüger, als die Kinder des Lichtes, d. i. die weltlich gesinnten ganz sinnlichen Menschen sind klüger in dem Geschäfte ihr zeitliches Wohl zu besorgen, als die gcistigern Gott ergebenen Menschen m dem nämlichen Geschäfte. Und nun macht Jcfus die Anwendung dieses Gleichnisses auf die Zuhörer, indem er ihnen diese Ermahnung ertheilt: Machet euch Freunde von »»»» 285 «««« den ungerechten Reichthümern, damit ihr, wenn ihr von hinnen 'n. scheidet, in die ewigen Wohnungen ausgenommen werdet, d. h. wir sollen die irdischen Güter, die leicht zu Ungerechtigkeiten ver¬ leiten, mit jener Klugheit für unser ewiges Wohl verwalten, um ms Gott zum Freunde zu machen, mit welcher Klugheit sie der ungerechte Haushälter für sein zeitliches Wohl verwaltete, um sich Menschen zu Freunden zu machen. — Aus dem ganzen Gleichnisse ! und der beigefügten Anwendung erhellet also, daß wir hienieden Haushälter Gottes sind, und daß wir mit den uns anvertrauten Gütern gut haushalten sollen, weil wir einst Rechenschaft Von unserer Haushaltung werden geben müssen. Diese beiden Wahr¬ heiten wollen wir nun heute beherzigen. Wir sind hienieden Haushälter Gottes, als solche müssen wir die Zeit der Haushal¬ tung gut anwenden, — das sep der erste Theil unserer Betrach¬ tung. Wir werden von unserer Haushaltung Rechenschaft geben müssen, darum sollen wir von den uns anvertranten Gütern ei¬ nen guten und weisen Gebrauch machen, — das sey der zweite Theil unserer Betrachtung. Beide Betrachtungen sollen uns überhaupt zu einer guten Haushaltung aufmuntern, weil wir uns nur durch eine solche Gott zum Freunde machen können. Aeußerst wichtig ist dieser Gegenstand, darum um so würdiger Ihrer Aufmerksam¬ keit, die ich vollkommen voraussctze. Erster Theil. Die Erde, auf der wir gegenwärtig leben, ist nicht unser eigentlicher Bestimmungsort, meine Lieben, nicht unser wahres Vaterland, und eben darum auch keine bleibende Wohnstätte für uns. Wenn wir nicht als Christen von dieser Wahrheit zur Ge¬ nüge überzeugt wären, so müßte uns ein ernsteres Nachdenken über uns selbst und die tägliche Erfahrung darauf aufmerksam machen, daß wir zu einer andern Welt gehören. — Denn gleich Fremdlingen und Wanderern kommen wir auf diesem Planeten an, und—reisen wieder ab; Einige nach einem kürzer», Andere nach einem länger» Aufenthalte; Einige bringen hienieden kaum den Frühling ihres Lebens zu, Andere genießen auch den Som¬ mer, Wenigere den Herbst, die Wenigsten aber warten den Win¬ ter ihrer Lage ab, der Schöpfer ruft sie in ihre wahre Hcimath. Indessen, so kurz unser Aufenthalt hienieden auch immer scyn »»»» 28« « « « « mag, so wichtig und entscheidend ist er für dis Ewigkeit; denn § unser gegenwärtiges irdisches Leben steht mit dein ewigen und f geistigen in der engsten Verbindung; hienieden hat Alles einen e nothwendigen Bezug auf unser jenseitiges Vaterland — die Erde, ! auf der wir leben, die Dauer unsers Lebens, die Beschaffenheit i desselben oder die Art und Weise, wie wir die natürlichen und übernatürlichen Güter, die wir von dem Schöpfer empfangen ha. den, zu unserm ewigen Wohle gebrauchen. — Die Erde, auf der wir wohnen, ist ihrer Bestimmung nach gleichsam eine Pflanz- schule für uns, in welcher wir unter der milden Pflege der vä¬ terlichen Hand Gottes gleich jungen noch wilden Bäumchen zur immer grossem Vollkommenheit heranwachsen, und schöne unseres grossen Erziehers würdige Früchte bringen sollen, damit ec uns dereinst nach seiner unendlichen Güte und Gerechtigkeit würdige, uns in seinen Garten, d. i. in sein ewiges Reich, in unsere wahre Hcimath zu versetzen. Die Zeit unsers Aufenthaltes hie- niedeu oder unsere Lebenszeit, ist die Zeit des Wachsthumes im Guten, der Vorbereitung für die Ewigkeit — ich bitte Sie, meine Lieben! recht herzlich, ihn wohl zu fassen diesen Gedanken: die Zeit unseres Erdenlebens ist — die Zeit der Vorbereitung für die Ewigkeit! d. h. was wir hier an unserer sittlichen Bildung und geistigen Vervollkommnung, was wir hier am Wachsthume im Guten gewonnen haben, das haben wir für die Ewigkeit ge¬ wonnen , was wir hier aus sträflicher Nachlässigkeit versäumt ha¬ ben, das haben wir für die Ewigkeit versäumt und werden es nie mehr nachholen können; denn hienieden nur ist die Zeit der Gnade, meine Lieben, weil hier die Zeit der Vorbereitung ist, jenseits aber ist die Vollendungszeit, darum hört jenseits die Gnade auf und es waltet nur eine heilige, ewig belohnende oder ewig be¬ strafende Gerechtigkeit. Vergebens würden wir uns jenseits nur eine Sekunde Zeit wünschen, um unfern guten Willen an den Lag zu legen, vergebens, meine Lieben! denn nach dem Ausspruchs Jesu wird jeder Baum, der nicht gute Früchte gebracht hat, aus- gchaucn und in das Feuer geworfen. Wie sehr sollten wir uns daher bestreben die Zeit unserer Haushaltung hienieden gut zu benützen, weil von ihr unser ewiges Glück oder Unglück abhängt! und zwar je kürzer diese Zeit der Haushaltung ist, desto mehr sollten wir mit derselben wuchern, desto gewissenhafter jeden Tag, jede Stunde, ja jede Minute unsers Ledens zu unserm Seelen- »»»» 287 «««« I in M zu benutzen und für die Ewigkeit fruchtbringend zu machen nd suchen; denn wenn oft schon, wie es die Erfahrung lehrt, von en einer einzigen Minute das zeitliche Wohl oder Wehe des Mcn- e, scheu abhängt, um wie viel mehr kann oft von einer einzigen it Minute das ewige Glück oder Unglück des Menschen abhängen, d da das Ewige doch weniger in seiner Gewalt ist, als das Zeit- , liche. O wenn wir über diese Wahrheit öfters ernster nachden- c , kcn, wenn wir sie mit unauslöschlichen Zügen in unsere Herzen - ciugraben wollten, wir würden die edle kostbare Zeil, in der wir > für unser ewiges Heil wirken sollten, nicht so sorglos, so leicht¬ sinnig vertändeln, wir würden die theuern Stunden des Lebens nicht in eitlen Entwürfen und nichtigen Ergötzlichkelten verträu¬ men, noch weniger aber dieselben für Sünden und Laster ver¬ kaufen und Unkraut streuen, wenn wir guten Samen aussäcn sollten. Darum ermahnte der heilige Apostel Paulus die Chri¬ sten so oft, und dringend: Lasset uns Gutes wirken, Brüder! so lange wir Zeit haben. — Doch wenn sie nur kurz wäre die Zeit unserer Haushaltung hienieden! aber sie ist nicht nur kurz, sie ist auch ungewiß. Zwar suchen wir den Gedanken an den uns leicht überraschenden Lod sorgfältig wegzufcheuchen, obschon uns tägliche und häufige Erfahrungen die Möglichkeit feiner un- vermutheten Ankunft zur Genüge erweisen, aber dcmungeachtet träumt sich der blühende kraftvolle Jüngling die Ankunft des Todesengels noch in weiter — weiter Ferne; der Mann denkt noch Greifenjahre zu genießen, der Greis wünscht sich zu vielen Jahren noch ein Jahr und keiner scheint zu wissen, daß er sich irre oder irren könne. Wenn wir uns doch öfters der wohlthä- tigen Warnung Jesu erinnern möchten: Wachet, weil ihr weder Tag noch Stunde wisset, wann der Herr kommen wird! — mit welcher Genauigkeit, mit welcher Sorgfalt und Weisheit würden wir die Zeit unserer Haushaltung benützen, wie sehr würden wir immer fürchten, der Herr könnte uns unvermuthet und plötzlich rufen und sagen: Leget Rechnung von eurer Haushaltung, denn hinfort werdet ihr euerm Amte nicht mehr vorstehen. Wie wäre uns dann zu Muthe, wenn er uns unvorbereitet und unfähig fände, Rechenschaft von unserer zurückgelegten Lebenszeit abzulegcn? wenn wir ihm kein bares Vermögen, keinen Vorrath an guten Werken, wohl aber Schulden und Mangel, d. i. Ueberfluß an bösen sündhaften Lhaten aufzuweifen hätten? Werden wir uns »»»» 268 ««« « dann wohl auch so helfen können wie der ungerechte Haushälter im Evangelio? Nein, meine Lieben, wenn wir uns Gott nicht zum Freunde gemacht haben, so werden wir keinen Freund finden weil wir Sterbliche alle Gottes Gerechtigkeit anheim fallen wer¬ den. Benützen wir daher gut und gewissenhaft die Zeit, die uns gegeben ist, um an dein Geschäfte unsers Heils zu arbeiten, benützen wir besonders gut und gewissenhaft den Rest des Abla߬ jahres, während welchem uns die Mutter Kirche, bevollmächtiget von ihrem Stifter Jesus — gestützt auf seine Verdienste und die Verdienste der Heiligen, die Schätze der göttlichen Gnaden er¬ öffnet, und sie zerknirschten und demüthigen Sündern im reichen Maße ausspcndet. — Jetzt ist der Lag, jetzt lasset uns gutes thun, sagt der h. Paulus, denn es kommt die Nacht, in der wir nichts mehr werden wirken können. — So erging cs den Einwohnern der Stadt Jerusalem, bei derem Anblicke der mit¬ leidige Heiland Lhränen der bittersten Wehmuth vergoß und ihr noch einmal in warnenden Worten ihr kommendes Schicksal weis¬ sagte, indem er ihr selbst am Lage seines feierlichen Einzuges in dieselbe zurief: O unglückselige Stadt! möchtest du doch wenigstens an diesem Tage, der noch dein ist, erkennen, was dir Frieden und Heil geben könnte — aber jetzt ist Alles vor deinen Augen verborgen. Wie vielen aus uns müßte der mitleidige Jesus, wenn er noch auf Erden wandelte, dieselben warnenden Worte zurufen! wie viele ermahnen, die Lage ihres Heils zu erkennen und ihrem ewigen Unglücke zeitlich zu entfliehen! Doch der Heiland ruft uns ja jene Warnung noch immer zu durch seine Lehre, durch seine Kirche, durch seine Diener und Arbeiter in seinem Weinberge. Ueberhören wir nur die Warnung der Lehre Jesu, seiner Kirche und seiner Diener nicht, so werden wir auch die Stimme des Hei¬ landes selbst nicht überhören, und Ruhe undFrieden für unsere Seelen finden. — Wichtig und theucr muß uns also die Zeit unserer Haushaltung hienieden seyn, weise und heilig müssen wir sie be¬ nützen, wenn wir einer seligen Ewigkeit getrost entgegen sehen wollen. — Aber so wie uns die Lebenszeit oder die Zeit unserer Haushaltung immer wichtig und theuer seyn muß, so wichtig und kostbar müssen uns auch die Güter seyn, die unserer Haushaltung anvcrtraut worden sind, denn von der Verwaltung derselbe» werden wir einst Gott Rechenschaft geben müssen. — Davon im »»»» 289 «««« zweiten Theile. ht ", Der gütige Schöpfer hat uns nicht nur eine Zeit festgesetzt, s- in ter wir für unser ewiges Wvhl haushalten können, sondern "e er hat uns auch mit den zur Haushaltung nöthigen Mitteln ver- sehen, und diese Mittel sind theils natürliche, tbeils übcrnatür- j liche Güter seiner Gnade. Wir wollen aber gegenwärtig nur von den natürlichen sprechen. Was nun diese Güter betrifft, z. B. Gesundheit, zeitliches Vermögen, geistige Anlagen und Fähigkeiten ° und andere Gaben, so dürfen wir, weil wir diese Güter nicht aus uns selbst haben, weil sie nur unverdiente Gnadenge¬ schenke des guten Vaters im Himmel sind, von denselben auch keinen willkürlichen, sondern nur einen solchen Gebrauch machen, der dem Zwecke entspricht, zu dem sie uns gegeben worden sind; dieser Zweck aber ist vorzüglich unsere geistige Vervollkommnung, Wachsthum in der Lugend. Zwar hat Gott nach seiner uner¬ gründlichen Weisheit diese Güter nicht unter alle im gleichen Maße verthcilt — der Eine erhielt fünf, der Andere zwei und Mancher gar nur ein einziges Talent. Aber wer auch nur ein Talent empfangen hat, hat schon auch die Verpflichtung auf sich genommen, dasselbe gut zu gebrauchen, und er kann mit diesem Einzigen so gut für die Ewigkeit haushalten, wie jener der fünf Talente erhalten hat. Er suche dieses einzige Talent nur klug und weise anzulegen, cs fruchtbringend zu machen und sein Kapital zu vermehren/ in so weit er es vermehren kann, so hat er dem Willen seines Herrn Genüge geleistet. Aber sein Talent misbrau- chen oder es ungebraucht liegen lassen — zieht Gottes ewiges Strafurtheil nach sich; denn von demjenigen, der weniger erhal¬ ten hat, wird zwar weniger, aber doch gefodert werden, und der Knecht, der das ihm verliehene Talent vergraben hatte, wurde von seinem Herrn als ein unnützer und böser Knecht des Ta¬ lentes beraubt, gebunden und in die äußersten Finsternisse gewor¬ fen. Von dem aber, der viel empfangen hat, wird auch viel ge¬ federt werden, wehe ihm, wenn er das ihm Anvcrtraute nicht Vortheilhast genug ««gewendet oder gar mißbraucht hat; der ungerechte Haushälter wurde zur schweren Rechenschaft gezogen und seines Amtes entsetzt. Wem also der Herr z. B- Gesund¬ heit, zeitliches Vermögen, geistige Anlagen und Fähigkeiten im grösser« Maße zugetheilt hat, der sehe diese Güter als ein sünf- 19 » » » » 290 « « « « faches Talent an, das er auch fünffach anlegen und für sein Ece- l lenheil fruchtbringend machen muß. Es ist also derjenige, der r das ihm anvertraute Gut nicht gebraucht und derjenige, der es < Mißbraucht vor Gott gleich strafbar. Schwere Rechnung wird 1 einst legen müssen der träge Weichling, der bei guter Gesundheit seine Kräfte zur treuen Erfüllung seiner Pflichten, zur Ehre Got¬ tes, zu seinem zeitlichen und ewigen Wohle und zum Wohle seiner Mitmenschen nicht gebraucht, sondern wahrend er jede Anstren¬ gung und Mühe scheut, die edle Zeit im geschäftigen Müssiggänge tödtet und die kostbaren Stunden des Lebens sorglos verträumet. Schwere Rechnung wird auch legen müssen der tollkühne Wild¬ ling, der seine Gesundheit, dieses so kostbare, aber auch so gebrech¬ liche Gut muthwillig bei jeder Gelegenheit auf das Spiel seht, oder sie Leidenschaften und Lastern Preis gibt, und wenn nur seine sinnlichen Wünsche und Begierden befriediget werden ohne Scho¬ nung auf sie losstürmet, als ob sie unzerstörbar wäre; anstatt die Gesundheit sorgfältig zu erhalten, um seinem Schöpfer besser zu dienen, leichter und mehr Gutes für sich und Andere zu wir¬ ken. — Schwere Rechnung wird legen müssen der gierige Geiz¬ hals, der sich gewissenlos alle Erpressungen und Bedrückungen seiner Mitmenschen erlaubt und kein noch so ungerechtes Mittel, wodurch er seine Habsucht stillen könnte, verschmäht, nur zusammenscharrt und aufhäuft, um sich an seinem todtcn Schaße, den er gleich einem elenden Sklaven sorgenvoll bewacht, zu ergößen, anstatt . mit dem ungerechten Mamvn, den er doch nicht mit in das Grab wird nehmen können, das Elend seiner Brüder zu vermindern, ihren Kummer zu erleichtern, ihre Lhränen zu trocknen oder son¬ stige edle heilige Zwecke befördern zu helfen. Schwere Rechnung wird aber auch legen müssen der muthwillige Verschwender, der gleich dem verlornen Sohne durch ein leichtfertiges lasterhaf¬ tes Leben manchmal bald in einigen Stunden ein Vermögen ver¬ geudet, das seine Altern oder Verpflegen in vielen Jahren küm¬ merlich ersparten, oder das viele Hände mühsam erwarben, an welchem noch die säuern Schweißtropfen seiner dürftigen Mitbrü¬ der kleben, — er hätte sein Vermögen als ein Mittel ansehen sollen, welches ihm die Fortschritte in der Tugend erleichtert und manche Beschwerden, gegen die Lausend Andere zu kämpfen haben, aus dem Wege geräumt hätte, er hätte es als eine schöne Ge¬ legenheit ansehen sollen, eine reichlichere Saat guter verdicnstvol- - » » »>, 291 « « « « str Handlungen auszustrcnen. Schwere Rechnung wird legen müßen derjenige, der die ihm verliehenen Anlagen und Fähigkei¬ ten unentwickelt und ungebraucht schlummern läßt, jede Gelegen¬ heit zu seiner Ausbildung verschmäht, jede Mühe und Anstrengung scheut, die seine Vervollkommnung und sein Seelenheil fodert; seine Fähigkeiten würden ihn in den Stand setzen, Gott, die Pflichten gegen ihn, gegen sich selbst und gegen seine Mitmen¬ schen leichter und besser zu erkennen , und sie auch leichter zu er¬ füllen, aber er hat sein Latent aus sträflicher Nachlässigkeit ver¬ graben. Aber nicht minder wird schwere Rechnung legen müssen derjenige, der seine Anlagen schändlich mißbraucht; und es gibt leider nicht wenig solche, die ihre Fähigkeiten so gebrauchen, als ob sie dieselben nur empfangen hätten, um desto mehr und desto leichter Böses in der Welt zu stiften; entweder erheben sie sich im stolzen Eigendünkel über Andere, und Niemand kann ihre Ehrsucht genug sättigen, weil sie glauben, sie wären alles, was sie sind, durch sich selbst, obschon ihnen der h. Apostel Paulus laut zuruft: Was hast du denn, das du nicht empfangen hättest, wenn du es aber empfangen hast, warum rühmest du dich, als ob du es nicht empfangen hättest? Oder sie gebrauchen ihre Fä¬ higkeiten zu grösserer List, zum Betrüge, zur Verführung, zum leiblichen und geistigen Verderben Anderer und somit auch zu ih¬ rem eigenen Verderben. Für solche und andere, welche die ihnen von Golt anvertrauten natürlichen Güter entweder nachlässig ver- graben^oder schändlich mißbrauchen, wird die Stimme des Herrn, die sie zur Rechenschaft fodern wird, eine Schrcckensstimme und sein Urtheil ein banges Verdammungsurtheil werden, wenn sie nicht die noch übrige Zeit ihrer Haushaltung hienieden und die ihnen anvertrauten Güter dem Willen Gottes gemäß zu verwal¬ ten aufangen. Wer wird, wenn er die Wichtigkeit seines Erden¬ lebens in Bezug auf das ewige, wenn er die Kürze des Lebens, die Ungewißheit seiner Dauer und die Kostbarkeit der ihm zur Erreichung seiner Bestimmung anvertrauten Güter sich lebhaft^ zu Gemüthe führt, wer wird einer schrecklichen Rechenschaft und d^m Gerichte Gottes nicht sorgfältig zu entfliehen trachten? Wer würde hienieden nicht lieber so leben, so handeln und für die Ewigkeit haushalten, daß er dereinst, wenn ihn der Herr zur Rechenschaft abrufen wird, mit Freude sagen könnte: Siehe fünf Talente hast du mir übergeben, und ich habe fünf andere dazu 19 * »»»» 292 «««« gewonnen. Wohl ihm dann, er wird die trostreichen und bese¬ ligenden Worte aus dem Munde des Herrn vernehmen: Wohlan du guter und getreuer Knecht, weil du über Weniges getreu warst, so will ich dich über Vieles setzen — gehe ein in die Freude deines Herrn. Amen. Am neunten Sonntage nach Pfingsten. »Als der Herr Jesus sieb Jerusalem näherte, sah er die Stab! an, und weinte über sie.« Luk. rg, 4>. Eingang. Äer Sohn Gottes Jesus Christus, der die menschliche Natur angenommen und auf Erden erschienen war, um das unglückliche Menschengeschlecht von Unwissenheit und Jrrthum, von der Sünde und dem ewigen Tode zu befreien, hatte bereits seit mehr als drei Jahren seines öffentlichen Lehramtes, ganz Palästina mit dem Gerüchte seiner Wunder erfüllt, und zu verschiedenen Zeiten Je¬ rusalem selbst durch die Grösse und Menge der daselbst gewirkten Wunder in Erstaunen gesetzt. Allein, eben die Hauptstadt von Judäa Jerusalem war cs, welche sich hartnäckig dem Lichte der Wahrheit und dem Frieden mit Gott widersetzte. Selbst am Lage des triumphirenden Einzuges Jesu, welcher Lag so geschickt war, diese undankbare Stadt zu rühren, sah man dem Heilande wenige Einwohner von Jerusalem nachfolgen, wenn man sic mit den vielen Fremden vergleicht, die ihn auf diese Art cmpsiengcn. Das unglückliche Jerusalem verschloß die Augen jedem Lichtstrahl? der Gnade, und sah weder die Güter, die es verlieren, noch das Unglück, das es sich zuziehcn würde, weder die Sünden und Gräuel, mit welchen es sich bereits geschändet hatte—noch jene, mit welchen es sich noch entehren werde, und die seinen gänzli¬ chen Untergang zur Folge haben würden. Diese gräuliche Undankbarkeit, diese traurige Geistesblindhcit — diese unselige Verstockung des Herzens — war er vorzüglich, «»»» 295 «L«« was den Heiland nöthigte, Thronen des innigsten Mitleides und dck Wchmuth über Jerusalem und dessen Einwohner zu weinen, und in Mitte der jubelnden Schaaren in die Klageworte auszu- brechen: H Jerusalem, hättest du es doch erkannt, und zwar an diesem deinem Tage, was zum, Frieden dir gereichen sollte! — Nun aber ist cs verborgen vor deinen Augen! — Schrecken er¬ regende Worte des Gottmenschen! —- und Schrecken erregend um so mehr, weil sie nicht bloß an die Einwohner Jerusalem's ge¬ richtet waren, sondern auch, und noch mehr, an alle Christen gerichtet sind, die auf ähnliche Art dem Lichte der erkannten Lehre Zesu und der ihnen angebothenen Gnade hartnäckig widerstreben; und von dieser Art sind vorzüglich jene Christen, die in einer be¬ harrlichen Unbußfertigkeit ihre irdischen Lage dahinleben, diese Unbußfertigkeit mag dann eine Folge seyn des Vorsatzes, schlech¬ terdings keine Buffe zu wirken, oder eine Folge des leichtsinnigen vermcssentlichen Aufschubes der Busse; oder Folge einer falschen betrüglichen Busse. Auf jede sind die furchtbaren Worte des Heilandes im heut. Evangelio gerichtet, jede zieht unvermeidlich den ewigen Untergang des Sünders nach sich. Diese dreifache Art der Unbußfertigkeit verdiente wohl ein ernstes Nachdenken —- allein wegen zu grossen Umfanges des Stoffes und wegen Kürze der Zeit wollen wir heute nur bei der Betrachtung jener Unbuß- fcrtigkeit verweilen, die die Folge einer falschen Busse ist. — Eine Betrachtung, die uns Allen um so nothwcndiger und heil¬ samer ist, je seltener wir sic aus Leichtsinn, Zerstreuung, oder falscher Selbstzufriedenheit unternehmen. Der Gegenstand fvdert uns somit selbst aus zur ernstlichen Aufmerksamkeit. Abhandlung. Di« wahre Busse, meine Lieben! ist eine aufrichtige Losfchä- lung des Herzens von der Sünde, oder von den Gegenständen, die zur Sünde gedient haben, und eine ausrichtige Hingabe des Herzens an Gott, dem es getreu dienen will. Somit ist die falsche Busse nur eine äußerliche Busse, wo das Herz sich nicht redlich von der Sünde trennt, weil man sic noch heimlich lieb hat — eine äußerliche Busse, wo das Herz sich nicht redlich zu Gott wendet, weil man seinen Dienst noch scheut, und ihm nicht ganz "gen seyn will. Die falsche Busse ist nichts anders als eine »»L» 294 «««« verdeckte Unbußfertigkeit, und führt zulcht zu eine» beharrlichcn Unbußfertigkeit, weil sie den Sünder nach und nach vollends ein. schläfert und um sein Seelenheil unbekümmert macht. Denn c, wird sich fast unmöglich bereden lassen, daß er noch einer neuen Bekehrung^ bedürfe; die vorigen Sünden erwecken ihm keine Furcht mehr, weil er glaubt, daß sie ihm vergeben sind, und wenn c« wieder neue häuft, so zittert er nicht, weil er dafür hält, sie werden ihm eben so leicht nochmals verziehen werden. Er läug- net nicht, daß sich der Sünder bekehren muß, aber er hofft ohne festen Grund, er sey bereits hinlänglich bekehrt. So lebt er dann seine fehlerhaften Tage ruhig fort, kommt ohne besonderer Beängstigung auf fein Sterbebett, und fährt verblendet der Ewig, keit zu, um dort erst zu erfahren, wie er hier seine Sünden hätte beweinen sollen. Worauf gründet sich nun gewöhnlich die unselige Einschläfe¬ rung bei einer falschen Bekehrung? — Bei einigen Sündern gründet sie sich auf die Lossprechung der Sünden, ohne Besse» rung; bei Andern in der Besserung der Sünden, ohne Busse. Es gibt nämlich Sünder, und ihre Zahl ist nicht gering, dene» nach abgelegtem Siindenbekenntnisse und erhaltener Lossprechung wenige oder gar keine Zweifel über ihr Leben mehr übrig bleiben. Ich habe alles richtig gebeichtet, sagen sie, nun denke ich nicht mehr daran. Solchen Sündern von Bekehrung predigen, heißt dann so viel als von unnöthigen und übertriebenen Sachen reden — sie wollen die Warnung des weisen Predigers: Sey wegen der vergebenen Sünden nicht ohne Furcht, und häufe nicht Sün¬ den auf Sünden, nicht verstehen; mau müßte ihnen zuerst be¬ weisen , daß mit der blossen Beicht von Seite des Sünders noch nicht alles richtig, und mit der blossen Lossprechung von Seite des Stellvertreters Christi noch nicht alles verziehen ist. Ich will damit, bewahre mich Gott! wohl nicht im mindesten ein Mißtrauen gegen die Krast des h. Sakramentes der Busse rege machen. Es ist und bleibt das einzige Brel, das uns im geisti¬ gen Schiffbruche noch übrig bleibt; der einzige Anker, an dem unsere Hoffnung noch haftet; das einzige Mittel, das uns in der Sache oder wenigstens in dem aufrichtigen Wunsche noch retten wird. Allein ich sage nur, daß noch so häufige und noch so genaue Beichten ohne darauf folgender Besserung keine Busse, sondern eine fortdauernde Uubußsertigkeir sind. Denn wo keine »»»» 295 «««« Besserung im Leben ist, da ist nicht einmal ein Anfang der Be¬ kehrung, wir mögen das Sakrament der Busse nach so oft ge¬ brauchen. Was hilft es denn? meine Lieden ! Heute bekennen wir unsere Sünden vor dem Gesalbten des Herrn, als wenn wir büßen wollten, und morgen begehen wir wieder die nämlichen La¬ ster, als Unbußscrtige. Wir waschen uns zuweilen oder vielleicht auch öfters im Hcilbade der Busse, um rein zu scheinen, und irir laufen gleich darauf wieder dem nämlichen Schlamme zu, um uns auf's Neue zu verunreinigen. Wir schlagen auf unsere Brust als reuige Publikane, und kaum ist diese fromme Zeremonie vorbei, so erheben wir unser Haupt, als wenn wir dem Himmel trotzen wollten. Wir entladen einmal unser Gewissen, weil es anfängt uns niederzudrücken, und beladen es bald wieder — schwerer noch, weil wir neue Lust zur Sünde finden und ihr nicht widerstehen. Nehmen wir Beispiele von einer jeden Gattung der Sünder, wie wir immer wollen vor die Augen — sie wer¬ den uns diese traurige Wahrheit hangreiftich machen. — Nehmen wir den Gewohnheitssünder. Er ist ost so gewohnt seine Laster zu beichten, wie er gewohnt ist sie beständig zu begehen. Er beichtet immer, und von einer Beicht zur andern ist er immer der Gleiche — ja er scheint sich zuweilen weniger Mühe zu ge¬ ben, um sich zu bessern, als er sich Mühe gibt die Lossprechung zu erschleichen. — Ist nun das wahre Busse? ist cs nicht be¬ harrliche Unbußfertigkeit? — Oder nehmen wir den Gelegenhcits- fündcr. Heute verspricht er heilig die Gefahren der Sünde in Zukunft zu meiden, und morgen ist er schon wieder in die näm¬ lichen gefallen; kaum ist der erste Tag frei von seinen Vcrirrun- gcn, der zweite ruft ihn schon wieder zu den alten schlechten Gesellschaften. Er will nicht einmal haben, daß man es ihm ansehe, er Ly behutsamer als ein Anderer; und die Bande, die ihn an gewisse Geschöpfe knüpfen, sind zu fest, als daß er nur einen Faden davon zerreißen wollte. — Nehmen wir den Unge¬ rechtigkeitssünder. Er sucht sich mit dem Schaden Anderer zu bereichern, und sieht er nur irgendwo, seinen Vortheil, so fragt er wenig den Regeln des Gewissens nach, sobald er seine Absicht erreichen kann. Seine Anklage wird gewöhnlich so seyn, daß man ihn schwerlich zu einer Vergütung anhalten kann, und wenn ihm auch die Rückerstattung noch so sehr als nothwendig vor- geschriÄcn wird, so wird gar oft seine Sterbestunde noch eher »»»» 296 «««« da seyn, als der Tag des Ersatzes. — Oder nehmen wir den Unmässigkeitssünder. Er klagt sich zwar über seine Unordnungen an — aber er ist oft am Tage seiner Bereuung der nämliche Schwelger und Schlemmer wie zuvor. Die väterlichen Ermah¬ nungen des Beichtvaters sind kaum noch verhallt, so eilet er schon wieder seinen Bruderschaften in die Arme; seine Sünde nimmt merklich zu, aber wahre Besserung wird man an ihm schwerlich erleben. Und so geht es mit vielen, mit den meisten Sündern, die nur eine Scheinbusse wirken. Nein, wo keine Besserung im Leben ist, da ist nicht einmal ein Anfang der Bekehrung — folglich beharrliche Unbußfcrtigkeit. Deßgleichen, wo nur Wankelmuth in der Besserung ist, da ist kein gutes Ende in der Bekehrung. Es gibt zwar Sünder, meine Lieben? die noch zu hören scheinen, was die Gnade Gottes in ihnen redet, die sich zuweilen einer aufrichtigen Thräne nicht mehr erwehren können, die eigentlich das Bedürfniß ihrer Bekehrung fühlen, fühlen das Gewicht jener Worte, die einst der ungläubige Saulus bei Damaskus aus den Wolken vernahm: Es wird dir schwer werden wider den Stachel auszuschlagen. — Derlei Sünder nehmen daun nicht selten sogar den Antrag zur Busse mit Freuden an, und entschließen,' sich eine Zeit lang zu einem neuen Leben. Sie fangen an ihren Neigungen in etwas Abbruch zu thun, ihre Gewohnheiten zu unterbrechen, den Gefahren auf¬ zukünden und die Mittel der Frömmigkeit zu gebrauchen. Eine und die andere Beicht ist sogar für sie und den geistlichen Rich¬ ter wohl recht freudig und trostreich — und sic bekennen es selbst, daß der innerliche Trost des guten Gewissens alle sinnlichen Vergnügungen weit übersteigt — sie arbeiten darum mit Unver¬ drossenheit an ihrem Heile, sind bereit auch die strafenden Mittel zur Genugthuung ihrer Sünden zu ergreifen und lassen so hoffen, daß das grosse Werk, das nun angefangcn ist, sich auch glücklich enden werde. — Der schönste Tag ist also angebrochen, er ver¬ spricht nichts als Angenehmes und Erfreuliches für den Sünder und den Seelenführec — aber o des Elendes! — der schöne Lag der Busse dauert nur einige Stunden fort — auf einmal wird das Licht durch Finsternisse verdrängt — die Stürme der Leidenschaften und der Versuchungen wüthen heftiger als je, und zerschlagen auf einmal die blühenden Hoffnungen der Busse! »»vr 297 Andere Schwache gibt es, die es nicht einmal so weit wie diese Letztem in ihren Bckehrungscntschlüssen bringen. Ein ge¬ ringer Hauch, so zu sagen, stürzt ihr Kartengebäude der Busse cin^ eine kleine Versuchung ändert wieder ihre guten Gedanken. — Ws sind leichtsinnige unbeständige Seelen, die bisweilen von ih¬ rer Armseligkeit gerührt zu Gott zurückkchren, bald aber wieder seiner vergessen, und in ihr Elend zurücksallcn, die bald der Welt, bald der Lugend überdrüssig sind, heute sehr eifrig scheinen, ihre Pflichten zu erfüllen, morgen aber mehr Neigung als jemals zu weltlichen Ergötzlichkeitcn haben — und bei welchen nichts Gemei¬ neres ist als eine unaufhörliche Veränderung der Entschließungen — des Aufstehens und des fast gleichzeitigen Fallens. — Diese Abtrünnigkeit, meine Lieben! läßt unfehlbar vorausfehen, daß der letzte Zustand solcher Menschen schlimmer als der erste sey. — Warum? Weil in Zukunft bei ihnen ohne allen Zweifel der Geschmack an der Tugend abnehmcn, die Mittel weniger wirken, die Gnade minder einfließen, die böse Natur sich mehr sträuben wird. Die Erfahrung bestätiget es. Man findet häufig Sünder, die bei ihrem ersten Falle ganz zerknirscht sind, und sich lange Zeit nachher vollkommen enthalten; die aber beim zweiten Falle keine so ängst¬ lichen Empfindungen mehr blicken lassen, und viel weniger Vor¬ sorge für die Sünde brauchen; die endlich nach mehreren Fällen die Sache ganz gleichgültig hersagen, und es nicht einmal der Mühe würdig achten, sich viel um eine zeitweise Lossprechung, diel weniger um die Besserung zu bekümmern. Ist der letzte Zustand eines Solchen nicht schlimmer als der erste? Hier muß ich nothwcndig noch eine andere Art von Wan» kclmuth in der Besserung bemerken — nämlich die Thcilbarkeit der Besserung — die sich dadurch äußert, daß man sich zuweilen in einem Stücke ändert, von andern aber auf keine Weise abstc- hcu will. Es gibt Büsser oder vielmehr Sünder, die, wenn sic sich z. B. über das sechste, siebente Gebot keiner schweren Sünde mehr anzuklagen haben, fast nichts mehr, wie sie sagen, zu beich¬ ten wissen. Sind sic also von gewissen Sünden los, so sind sie nuch mit ihrer Besserung selbst vollkommen zufrieden, und mögen von weiterer Bekehrung nichts mehr hören. — Der Ehrsüchtige hat nichts zu bessern, denn seine Neigung ist nur Edelmuth; der Rachgierige hat nichts zu bessern, denn sein Trieb ist Ehrliebe; der Geldgeizige hat nichts zu bessern, denn seine Triebfeder ist »»»» 208 «««« Man muß wirklich staunen, Häuslichkeit; der Vcrläumder hat nichts zu bessern, denn cr spricht es nur Andern nach u. s. w. Man muß wirklich staunen wenn man bedenkt, daß unter den Menschen heut zu Lage nur noch eines und anderes Laster einer strcngern Busse würdig ge¬ achtet wird, und man begreift nicht, wie jetzt das Himmelreich auf einmal alles, nur einige ärgerliche und gleichsam gcbrand- markte Bösewichter ausgenommen, fassen soll. Man sollte bald nach den gewöhnlichen Begriffen der Sünder denken, die Pforten des Himmels hatten sich in nuferen Tagen plötzlich erweitert, wenn man nicht annehmen will, daß die Blindheit der Sterbli¬ chen von Tage zu Tage im vollen Zunehmen seyn müsse. Allein hieraus muß man vielmehr folgern, daß weit Mehrere, als man glaubt, der Bekehrung bedürfen, und daß weit Wenigere, als man dafür ansieht, wahre Bekehrte sind. Und diese falsche Be¬ kehrung gründet sich auf den Irrwahn der Lossprechung von den Sünden, oder besser auf die Beichten ohne Besserung. Die zweite Art falscher Bekehrung gründet sich auf die Bes¬ serung der Sünden, ohne Busse. Dieser Satz mag Ihnen viel¬ leicht etwas fremd scheinen, aber die Sache ist doch am Lage- — Es kann nämlich zuweilen geschehen, daß einige Sünder in ge¬ wissen Lastern aufhören — aber dieses Aufhören zu sündigen verdient nicht immer den Namen Besserung, viel weniger den Namen Bekehrung. Ich will Ihnen die Sache soviel möglich deutlich, jedoch ganz kurz erklären. — Die christliche Besserung ist nach den Aussprüchen des Kirchenrathes von Trient eine frei¬ willige Adstehung von der Sünde, ein innerlicher Abscheu vor der Sünde, und eine aufrichtige Genugthuung für die Sünde.-- Nun kann man aber eine Art von Besserung unter den Menschen entdecken, an welcher mehr das Alter — die Noth — oder die Umstände, als der eigene Wille und das gute Herz gearbeitet haben; eine Art Besserung, welche zwar in der Unterlassung, aber nicht in der innern Verabscheuung des Bösen besteht; eine Art Besserung, wo man höchstens nichts Neues mehr thut, aber für das Alte auch nichts mehr thun will, kurz eine Art Besserung, wo man die Lust böse zu seyn nach und nach verliert, aber die Begierde gut zu werden noch nicht hat. — In der aufrichtigen Be¬ kehrung muß nun cfn vollkommener Uebertritt vom Bösen zum Guten vorgehen; der Büsser muß sich von dem Geschöpfe mit ganzem Herzen zum Schöpfer wenden und ihm anhangcn, so wie er m h! » » » 300 « « « « scher Büsser, ich begehe doch die alten Unordnungen nicht mehr, ich lebe i» der Stille sort, thue Niemand Etwas zu leid — ich sein bete auch fleißiger und vollstrecke die Rcligionsübungen wie A». gen dere — und hoffe also so gut als Andere selig zu werden. — Lc! Das ist sein falscher Trost, und aus diesem falschen Trost« ent« mei steht ein falsches Vertrauen auf Gott und auf sich, welches im nis Grunde immer den Entschluß der wahren Bekehrung hindern und "i vereiteln muß. — Er vertraut auf Gott, als ob derselbe mit nn ihm jetzt zufrieden seyn müßte, und keine Genugthuung für dnj ne Alte mehr zu fodcrn hätte. — Er vertraut auf sich, als ob er jetzt schon gut genug wäre, und keine weitern Fortschritte im s" Guten zu machen verpflichtet wäre. Indessen dürfen wir nur n> einige kurze Grundsätze der Religion beherzigen, um die Ungcünd- lichkeit dieses schädlichen Vertrauens klar einzuschcn. d i. Kein Gläubiger hieniedcn weiß es mit Gewißheit, wie u er vor Gott steht, ob er in den Augen des Allwissenden uud b Allgcrechten der Liebe oder des Hasses würdig ist. Er mag sich n auch wie Paulus in nichts bewußt seyn, so ist er darum noch c nicht gercchtfertiget; der Herr ist sein Richter- Diese Ungewi߬ heit muß also in »ns beständig den Geist der Busse rege machen, die Besserung befördern, und den Vorsatz der Bekehrung beleben- Warum kam Johannes in alle Gegenden deS Jordans und pre¬ digte die Bußtaufe zu Vergebung der Sünde» ? — Gab es nicht auch unschuldige Israeliten in diesen Gegenden, die dem Gott Ab¬ rahams und Isaaks in Unschuld und Einfalt des Herzens dienten. — Warum drohte der Heiland sogar seinen Jüngern, daß, wo- ferne sic sich nicht bekehren und wie die Kinder würden, sie nicht in das Himmelreich eingehen konnten? Gab cs nicht unter ihnen auch rechtschaffene und eifrige Seelen, wahre Ebenbilder Natha¬ naels, in welchem keine Bosheit und kein Betrug war? — 2. Kein Büsser weiß es, ob er der göttlichen Gerechtigkeit für seine Sünder, hinlängliche Genugthuung geleistet habe oder nicht. In dieser Sorge muß er also weder an seinem Bußgeiste, noch mit seinen Bußwerken jemals nachlassen, sondern der Gnade und den innerlichen Einsprechungen getreu, seine alten Sünden immer mehr beweinen und Müssen. Es hat sich auch kein wahrer Büsser je eine bestimmte Zeit und ein eingeschränktes Maß seines Erlaßes gegen Gott vorgezeichnet — sondern wenn er Alles, was c» im¬ mer thun konnte- für seine Schulden that — so bekannte er »»» » 501 «««« ehr noch: er sey em unnützer Knecht, der von der Barmherzigkeit ich seines Herrn noch unendlich mehr zu erflehen, als von seiner ei- iin. genen Abtragung sich zu versprechen hat. — 3. endlich: Kein — Bekehrter weiß cs, wie lange er in seiner erworbenen oder ver¬ ni. meinten Gerechtigkeit verharret, wenn er auf seinem Bußwege im nicht mit der äußersten Behutsamkeit und Anstrengung auszuhar- O rcn sich bestrebt. Wer bis an's Ende verharret, der wird selig; nt nnd wer auf der gut angefangenen Laufbahn ermattet, der wird os nicht selig; wer auch am Pfluge steht, ohne ihn zu verlassen, er aber nicht auf das sieht, was er thun soll, sondern nur zurück m sieht, wird nicht selig. Darum wirket, sagt der Apostel, — n wirket euer Heil mit Furcht und Zittern.' - Indessen vertrauen viele Büsser auf ihre Gerechtigkeit, von der sie keinen andern Grund anführen können, als daß sie Andere e um sich sehen, die offenbar lasterhafter sind, als sie. Sie ver- > lassen sich auf die unbedingte Güte Gottes, von dem sie sich keine » andern Begriffe machen, als daß er Vater ist und alle selig ma¬ chen will. Und was sie zu ihm führen sollte, hält sie gleichsam von ihm ab. Weil er gut ist, so wollen sie getröstet böse blei¬ ben — weil er alle gerne aufnimmt, so wollen sie noch nicht zu ihm eilen; weil er den Gottlosen bedingte Gnade verspricht, so fangen sie an dieselbe ohne Bedingniß zu fodern — und le¬ ben und sterben in einer beharrlichen Unbußfertigkeit. O bitten wir, meine Lieben! Gott inständig, daß er uns bewahre vor einer solchen falschen Besserung und Busse, denn wir können dabei kei¬ neswegs Gott, wohl aber müssen wir uns selbst betrügen — müssen, wenn wir diese Welt verlassen, anstatt einen barmherzi¬ gen Gott zu finden nur einen rächenden Gott erblicken. — Das Mittel, einen barmherzigen Gott zu gewinnen, ist aufrichtige Besserung und Busse — die Zeit, diesen barmherzigen Gott zu suchen, ist dieses Leben, die Zeit, ihn zu finden, der Lod, und die Zeit, ihn zu besitzen, ist die selige Ewigkeit, die ich allen wünsche. Amen. ************************ »V)»)» 502 « « « « Am zehnten Sonntage nach Pfingsten. »Wer sich selbst erhöht, der wird erniedriget, und wer sich ernie, drigct, wird erhöht werden.« Luk. i8, 14. Eingang. Äaö heut. Evangelium schildert uns kurz, aber treffend, ein Laster, welches unter den Menschen sehr gemein und herrschend ist, nämlich die Hoffart. Es schildert uns zugleich die diesem Last» entgegengesetzte Tugend — die Demuth, welche leider selbst un¬ ter Christen selten und schwer in ihrer wahren Würde angetrof¬ fen wird! —- Zwei Menschen, sagt Jesus, gingen hinauf in dcn Tempel, um zu beten; der Eine war ein Pharisäer, der Andere ein Publikan. Ihr Gebet, das sie im Hause des Herrn verrich¬ teten, so wie die Art, wie sie dasselbe verrichteten, war, wie Sie eben vernommen haben sehr verschieden — darum hatte es auch verschiedene Wirkungen. Das Gebet des Pharisäers, das aus einem hoffärtigen von seinem Verdienste eingenommenen Her¬ zen kam, wurde von Gott verworfen und machte den stolzen Be¬ tenden nur noch strafbarer, hingegen fand das Gebet des Zöllners, welches aus einem zerknirschten Gemüthe floß, und der lebendigste Ausdruck der tiefsten Demuth war, dieses Gebet fand Crhönmg vor Gott und machte aus einem in den Augen der Menschen Verworfenen einen begnadigten Gerechten. Darum macht Jesus den Schluß: Wer sich selbst erhöht, wird erniedriget, und wer sich selbst erniedriget, wird erhöht werden. Diese von dem Sohne Gottes ausgesprochene Wahrheit ist nun, wie Sie sehen, eine allgemeine Wahrheit; sie bewährte sich nicht nur an dem Phari¬ säer und Zöllner, sondern sie bewährt sich überall und allzeit au Menschen, die dem Einen oder dem Andern, dem Pharisäer oder dem Zöllner gleichen^ denn von jeher und immer hat Gott den Hoffärtigen widerständen, und von jeher und immer hat er den Dcmüthigcn seine Gnade gegeben. Wir wollen heute bei der ersten Wahrheit verweilen und vorzüglich sehen, warum Gott dem Hoffärtigen allzeit widerstehe? Die Ursachen liegen zwar am Tage, aber sie verdienen doch genauer untersucht zu werden. — Laster- h»s' ist sch- ueu «u sch< t>g tui sn de Li c c 1 »»»» 305 «««« hast ist das Betragen des Hoffärtigen gegen Gott, und lasterhaft ist sein Betragen gegen den Nebenmenschen. Von dieser doppelt schändlichen Seite wollen wir das Laster der Hoffart kennen ler¬ nen, um uns von seiner Häßlichkeit und Strafwürdigkeit besser zu überzeugen, und cs als ein Uebel der Seele, als ein augen¬ scheinliches Merkmal der Verwerfung von Gott — desto sorgfäl¬ tiger zu fliehen. Moge uns der Geist Gottes bei dieser Betrach¬ tung mit seinem Lichte erfüllen, und die geheimsten Falten un- scrs Herzens beleuchten, damit wir, falls wir die geringste Spur der Hoffart in demselben entdecken, sie auf immer vertilgen und aus der Seele verbannen! Erster Theil. Die Hoffart, sagt der h. Thomas von Aqm'n, ist eine un¬ ordentliche Liebe seiner eigenen Vorzüge. Sie gründet sich also auf eine übertrieben gute Meinung von sich selbst und seinen Ver¬ diensten; daher cs kommt, daß der Hoffärtige stets nach Ruhm und Ehre dürstet und Andere in dem Grade verachtet, als er sich selbst hochschäßt. — Das sind die von der Hoffart unzertrennli¬ chen Eigenschaften, oder vielmehr darin besteht die Hoffart selbst. An dem betenden Pharisäer finden wir die Hauptzügc der Hoffart ganz in die Augen fallend abgedrückt. — Zn gerader aufrechter Stellung, mit stolzen selbstsüchtigen Gcberden, steht er an den Stufen des Heiligthums und läßt seine prahlerische Zunge reden; er rühmt sich laut seiner eingebildeten Verdienste, macht sich groß >m Angesichte Gottes, und zählt ihm seine eigenen guten Werke her. — Und was sagt er von Andern? Er tadelt und lästert sie und bürdet ihnen die grellesten Laster auf, um seine eigene Tu¬ gend in ein desto helleres Licht zu stellen. Merket nur gut auf seine Hoffart, spricht der h. Augustin: Ich bin nicht wie andere Leute, sagt er. — Wenn er doch wenigstens sagte: Ich bin nicht wie manche, oder wie die meisten Leute; aber er setzt sich Allen vor, und glaubt der einzige Rechtschaffene zu seyn aus der Erde. Welch' abscheuliche Ruhmsucht! — Ja wohl abscheulich! und doch geben viele heutige Christen hierin dem Pharisäer nichts nach; d'c Hhffart beherrscht den Einen auf diese, den Andern auf eine andere Art. Der Eine rühmt sich mit seiner bessern Herkunft, der Andere mit seinem Vermögen; dieser mit seinem Ansehen, je- »»»» «««« ner mit semen Talenten; hier rühmt sich einer mit seinen Tuen¬ den , und dort ein Anderer gar mit einem eingebildeten Verdicnstc, das er gar nicht besitzt. —> Wenn es doch derlei Menschen cr^ kennen wollten, wie sehr ein solches hoffärtiges Betragen Golt mißfalle, und wie strafbar es den Menschen vor ihm mache! — Raubt die Hoffart dem Schöpfer nicht die ihm gebührende Ehre, da sie dieselbe dem Geschöpfe zuwendet? Der Hoffärtige kümmert sich aber nie um die Ehre des Schöpfer«, denn ich glaube nicht zuviel zu behaupten, wenn ich sage, daß der Hoffärtige aus sich selbst einen Abgott macht und seine eigene Person anbetct. — Wie das? — Anstatt die Gaben der Natur, die ihm zusielen, als Wohlthaten des himmlischen Vaters anzusehen, und ihm dafür schuldigen Dank zu zollen, eignet er sich seine Geschenke so zn, als ob er sie nur aus sich selbst hatte; anstatt den jedesmaligen glücklichen Ausgang seiner Unternehmungen von Gott herzuleiten, schreibt er ihn bloß seiner Lhätigkeit und Geschicklichkeit zu; an¬ statt das Gute, was er ausgeüdt, oder die Lugenden, die er zu besitzen glaubt, als Wirkungen der Gnade Gottes anzusehcn, rühmt er sich damit, als mit einem Eigenthume, das er sich ohne Beihülfe von oben erworben hat. — Und so ahmt er den Stolz des aufrührerischen Engels nach, den seine Hoffart so sehr ver¬ blendete, daß er Gott selbst seine Majestät und Unabhängigkeit streitig machen wollte; denn das war sein Verbrechen und zugleich die Ursache seines tiefen Sturzes. Dieser himmlische Geist, das schönste edelste Werk, das aus der Hand Gottes hcrvvrging, wurde durch seine erhabenen Vorzüge, durch die Schönheit und Vortreflichkeit seines Wesens so bezaubert uud geblendet, daß er für sich selbst bestehen und von Gott unabhängig, ja sogar ihm dem Allerhöchsten gleich seyn zu können glaubte. — So weit wagt sich die Vermessenheit, zu welcher die Hoffart ein Geschöpf zu verleiten fähig ist. Und glauben Sie, dieses vermessentlichc Be¬ tragen des hoffärtigen Engels hätte unter den sterblichen Menschen keine Nacheiferer gefunden? O ja, nur zu bald, meine Lieben! fand es Nacheiferer. Schon das erste Weib, unsere Stammutter, wurde durch eine hoffärtige Begierde nach Gleichheit mit Gott zum Falle gebracht. Wenn ihr von dieser Frucht esset, sprach die listige Schlange zu ihr, so werdet ihr so werden wie Gott. — Das Weib nahm die Frucht, aß um Gott gleich zu werden, und wurde sterblich. Und so ging dieses Uebel von dem ersten Mcr tinci s° i göli St« bcr« die ops nn> S« si-l lr« tei vo ve in E bi si E s d > l <)05 «««« cn. -ste, cr, vlt re, crt cht ich !N, ür u, m ! u 1, >e j t h s ) r i t i Menschen durch seine Nachkömmlinge hindurch; denn wenn wir nur tmcn^vbcrflächlichen Blick in die Geschichte aller Völker werfen, so finden wir, daß die Abgötterei, besonders aber die Selbstver- gvtterung, größtentheils die Hoffart zur Quelle hatte. Die Sterblichen, von ihrer Hochheit, ihrer Macht, ihrem ^Verdienste berauscht, gingen in ihrem Rausche so weit, daß sie sich von Jenen, die blind oder niederträchtig genug waren ihrer Ruhmgierde zu opfern, als Götter aubcten, Tempel in ihrem Namen aufbaucn und eigene der Verehrung bestimmte Bildsäulen errichten ließen. Sv z. B. ließ Zeroboam, welcher befürchtete sein Volk möchte sich seiner Herrschaft entziehen und zu dem Könige Roboam über¬ treten, ließ goldene Kälber gießen und sie von dem Volke anbe¬ ten. Aus Herrschsucht wollte er lieber zugebcn, daß da^ Volk von dem einzig wahren Gotte abtrünnig würde, als daß es ihn verließe. — Nabuchodonosor befahl dem Holofernes alle Götter in seinem Gebiete zu vertilgen, und ihn selbst als den einzigen Gott in seinem Reiche zu erklären; daher wurden die drei he¬ bräischen Jünglinge in einen glühenden Feuerzssen geworfen, weil sie der zur Anbetung aufgestellten Bildsäule des Königs göttliche Ehre versagten. Noch schrecklicher wüthete dieses Ucbel unter den Heiden: So gab sich Alexander, König von Makedonien, nach¬ dem cr beinahe den ganzen Erdkreis bezwungen hatte, für einen Sohn des Heidengottes Jupiters aus, und wollte als solcher von seinen Völkern angebetet werden, obschon er es in der letz¬ ten Schlacht, da cr von einem Pfeile tödlich verwundet wurde und das Blut stromwcise aus der Wunde fließen sah, gerne ge¬ stand, daß er ein sterblicher Mensch und kein Gott sey. Sehen sie, meine Lieben, so weit, zu solchen Lhorhesten verleitete die Hoffart die schwachen Sterblichen. Wenn aber auch die Hoffart heut zu Tage zu solchen gräu¬ lichen Ausschweifungen nicht verleitet, so gibt es doch noch immer Menschen, die gleichsam für irdische Gottheiten angesehen werden möchten, da sie sich über andere, die vor ihnen im Staube krie¬ chen sollen, erheben, und öffentlich oder in geheim eine ich weiß uicht wie grosse Hochachtung verlangen, weil sie einer bessern Abstammung sind, oder mehr Vermögen, mehr Macht, mehr natürliche Gaben und Geschicklichkeiten besitzen. Aber was ruft solchen die h. Schrift zu? Was brüstest du dich Staub und Asche? Was bist du wohl vor Gott? —> Nichts, und Sünde; damit 20 »»»» 306 «««« allein kannst du dich rühmen, oder vielmehr, darum eben solltest du dich demüthigen. Du gleichst nur einem irdenen Gefässe, das mit schönen Formen verziert und verschiedenartig ausgeschmückt ist, aber den Schmuck gab der Meister, das Geschirr hört al« darum nicht auf irden und gebrechlich zu seyn. Welchen Grund hast du wohl dich zu erheben, o Mensch, und dem Schöpfer die ihm gebührende Ehre zu rauben? Vielleicht ist es deine edleM- stammung, auf die du pochest? Aber dein Verdienst konnte ja deine Geburt nicht adeln; und deine ursprüngliche Mutter war doch die Erde, aus dieser bist du geformet und in diese wirst du wieder umgewandelt. Und hast du dich auch wirklich durch persönliche Verdienste geadelt, so geschah es nicht ohne Hülfe und Zulassung von Oben. Uebrigens gibt dir dieser Vorzug höchstens vor den Menschen eine schimmernde Würde, vor Gott aber gibt dir das noch keinen wahren Werth, denn nur ein reines Herz und ein unbeflecktes Gewissen, das — meine Lieben, ist der wahre bleibende Adel des Menschen. Vielleicht ist es aber dein Vermö¬ gen, aus welches du dich steifest? Aber das Vermögen gibt dir auch keinen wahren Werth, kann dir keinen geben und keinen von dir fodern; du selbst mußt erst dem Vermögen einen Werth ge¬ ben , d. i. mit den irdischen Schaßen mußt du dir Schätze für den Himmel sammeln. Und was hast du Gott Verbindliches ge¬ leistet, daß du mehr Vermögen besitzest, als Andere, die in grö߬ ter Dürftigkeit leben und vielleicht rechtschaffener sind als du? Woher hast du dein Vermögen? Es ist entweder ein Erbtheil von deinen Aeltern oder Vorführern, das dich keine Mühe ge¬ kostet, oder es ist vielleicht gar die Frucht der Ungerechtigkeit deiner Vorfahrer oder der Deinigen, und somit gehört es nicht dir zu; ist es aber auch dein rechtmässiges Eigenthum, so darfst du deinen Werth darin nicht suchen, weil gerade das Vermögen ein Hinderniß auf dem Wege der Tugend werden kann, denn oft sind die vermöglichsten Leute zugleich die lasterhaftesten. — Du prahlest vielleicht mit Naturgaben, mit guten Eigenschaften des Leibes, mit der Gesundheit, Stärke, Schönheit u. s. n>. Doch auch diese Gaben sind Geschenke Gottes — es stand nur bei ihm, sie dir zuzutheilen oder zu versagen, und dich in einen elendern Zustand zu versetzen, in dem sich Tausende deiner Mit- brüder befinden, und dich in einen solchen Zustand zu versetzen steht noch immer bei Gott; du rühmest dich also mit einem schn web wie des bau wal fein Eh ine' get der sch S sch sch ss so ft sc m d ss v d u n e d s r i ! »»»» 307 «««« schwachen, gebrechlichen, hinfälligen Gute. — Das einzige Gut, welches wahre Ehre bringt und einen bleibenden Werth hat, ist, wie gesagt, die Lugend, aber selbst ihren Besch, so wie die Ehre desselben, hast du Gott zu verdanken und du mußt Gott dafür danken. Thust du das nicht, so hört deine Tugend auf eine wahre Tugend zu seyn und wird eine pharisäische, die Jesus öf¬ fentlich verwarf; denn sobald man bei der Ausübung guter Werke Ehre sucht und den Menschen gefallen will, so sucht man nicht mehr die Ehre Gottes, und sucht man diese nicht, so versündi¬ get man sich offenbar an der Majestät des Herrn Himmels und der Erde. Aus diesem allen bisher Gesagten können Sie nun schließen, Meine Lieben, wie mißfällig Gott das Betragen des Hoffärtigen seyn müsse, da er überall nur seine Ehre sucht, den Schopfe» aber vergißt und alles seinem eigenen Verdienste zu- schrcibt. Lassen Sie uns noch in Kürze das Betragen des Hof¬ färtigen gegen den Nebenmenschen betrachten, davon im zweiten Theile. Es gibt nicht leicht ein Laster, meine Lieben, das der Näch¬ stenliebe so sehr entgegen wäre, als die Hoffart; ja diese erstickt sogar den letzten Funken der Liebe, der noch für den Mitmen¬ schen im Herzen glimmet. Denn der Hoffärtige, der nur sich selbst liebt und hochschätzt, muß nothwendig andere hassen oder mit Verachtung behandeln. Ich errinnere Sie hier wieder an den betenden Pharisäer: Ich bin nicht so, sagt er, wie jener Publikan, d. i. ich bin nicht so lasterhaft, so niederträchtig und verworfen, wie dieser Mitmensch da, er tadelt seinen Wandel auf die übertriebenste Weise. Und geschieht nicht das Nämliche auch unter Christen, welche die Hoffart beherrscht? Ich bin nicht so, wie dieser oder jener, — hört man den Hoffärtigen prahlen; er will ein Wesen anderer Art seyn als sein Nebenmcnsch; er denkt, redet und handelt nach seiner Meinung vernünftiger, wei¬ ser und klüger, und hat überhaupt entschiedene Vorzüge und Verdienste vor Andern, an denen er nichts als Fehler und Sün¬ den wahrnimmt, die er eifrig aufdeckt, und durch das Vergrösse¬ rungsglas besichtigen läßt, damit seine eigene eingebildete Voll¬ kommenheit desto Heller glänze. — Und ist er auch gezwun¬ gen dem fremden Verdienste Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. »»»» 308 «««« so sucht er dadurch, daß er den guten Handlungen böse Absichten unterschiedet, das fremde Verdienst in den Schatten zu stellen, und die ihm gebührende Ehre zu verdunkeln. So eifert der Hof. färtige wider die Vorzüge des Mitmenschen, sucht ihn in den Staub zu treten, und ist ihm das gelungen, so sieht ec von sei¬ ner Höhe auf ihn herab, wie auf einen verächtlichen Erdwurm; Jedermann muß seiner Meinung, sie mag irrig oder wahr seyn, beipffichten, nur er selbst will sich nach der Meinung Anderer nicht bequemen, weil ihn das, wie er glaubt, zu sehr erniedrigen würde. Kann nun unter solchen Umständen die Nächstenliebe neben der Hoffarr bestehen? — Die Nächstenliebe denkt von Ze- -chermann gut, und urtheilt von Niemanden Böses, sagt der Apo¬ stel. — Der Hoffärtige thut gerade das Gegentheil, er wirst sich als Jedermanns Richter auf und verdammt Jedermann; die Liebe ist geduldig, überträgt die Fehler Anderer, und zürnet nicht, wenn man ihr übel begegnet. — Der Hoffärtige will nichts übertragen, nichts dulden; jeder Schein der Geringschätzung, ein unbedachtsames, ohne Absicht ihn zu beleidigen entschlüpftes Wort, ein Blick, in dem er Gleichgültigkeit zu lesen glaubt, ist schon genug ihn in Harnisch zu bringen, über Beleidigungen schreien zu machen. Woher dann so viele Feindschaften und Unversöhnlichkeiten unter den Menschen? — Die Hoffart erzeugt — die Hoffart niihrt sie. Man will einander aus Hochmuth nicht entgegen kommen, jeder glaubt das Recht auf seiner Seite zu haben, der Beleidigte zu seyn; oder wenn man sich seines Unrechtes bewußt ist, so will man es nicht gestehen; man achtet sich besser als den Andern, glaubt sich erniedriget, wenn man den ersten Schritt machen würde, das fällt der zarten Eigenliebe unendlich schwer; man bleibt also lieber im alten Stande der Unversöhnlichkeit und so« mit im Stande der Ungnade Gottes. Oder man sucht wohl gar unter dem Vorwande, seine hochverletzte Ehre zu retten, Rache auszuüben, da man doch im Grunde nur seine Leidenschaft befrie¬ digen, andere erniedrigen, sich selbst aber erhöhen will; man schmälst, verleumdet und nagt mit bissigem Zahne an dem guten Namen des Nächsten, warum? Gewöhnlich nur aus der schändli¬ chen Begierde für besser gehalten zu werden als er. Und so ist die Hoffart, wie Sie sehen, eine fruchtbare Mutter von unzähli¬ gen Lastern; Neid, Ungerechtigkeit, Verleumdung, Zorn, Nach' » » v » 209 «««« M und Grausamkeit sind ihre höllischen Kinder. Glauben Sie aber ja nicht, daß diese an Lastern immer fruchtbare Mutter die Hoffart nur unter Grossen und Vornehmen am meisten herrsche; sie schleicht sich nicht minder bei den niedrigsten Ständen ein, ja oft wohnt mehr Hoffart unter einem groben Kleide als unter dem Purpur. Man sieht unter dem gemeinen Volke dieselbe Begierde, über Andere zu herrschen, dieselbe Unbiegsamkeit bei der Versöhnung, dieselbe Hartnäckigkeit der Meinungen, denselben stolzen Eigensinn im Geständnisse seines Unrechtes; Niemand will sich erniedrigen, Niemand nachgeben. Niemand ermahnt und zu¬ rechtgewiesen seyn; Jeder sucht seine Fehler zu bemänteln oder gar Verbrechen zu vertheidigen, Jeder will für den Rechtschaffen¬ sten gelten. Es ist sogar nichts Seltenes, Laß man selbst unter Menschen, die ein gutes christliches Leben führen, solche antrifft, die von einiger Hoffart nicht ganz frei sind. Denn sie können auch kein Wmt vertragen, das ihrer Empfindlichkeit zu nahe tritt, sie sehen es ungerne, wenn man ihnen widerspricht; sie sind besorgt, sich allzeit von der bessern Seite zu zeigen und ihre Schwachen zu verbergen; sie Haschen zwar nicht nach Lvbsprüchen, aber sie nehmen dieselben mit einem gewissen Wohlgefallen an; sie verrichten zwar ohne viel Aussehen gute Werke, aber sie zie¬ hen doch den in der Stille ausgeübten die öffentlichern und be¬ kannten vor, weil drese mehr Ehre bringen. Ein offenbarer Beweis, meine Lieben! daß die Hoffart ein sehr scharfes und feines Gift sen, weil sich selbst der gute Mensch so schwer vor demselben bewahren und es so leicht, ohne es zu wissen oder zu glauben, cinsaugen kann. Je mißfälliger und strafbarer also die Hoffart vor Gott ist, je mehr sie die Näch¬ stenliebe erstickt und zu schändlichen Lastern verleitet, je heimlicher und leichter sie sich in das Herz einschleicht und cs vergiftet; desto sorgfältiger, meine Lieben, müssen wir über unsere Nei¬ gungen und über unser Herz wachen, desto mehr der Eigenliebe Abbruch thun und in dieser Hinsicht den anspruchlosen Kinder» ju gleichen streben; denn der menschenfreundliche Heiland Jesus, lud diese holden unschuldigen Geschöpfe darum so gerne und so liebreich zu sich, weil sie von keiner Herrschsucht und Ruhmgierde, von keinem Streben nach Vorzügen befangen sind; darum liebte, darum segnete er sie. Welch' rübrender Anblick, meine Lieben! der Herr Himmels und der Erde von lieben einfältigen Kleinen »»»» 310 «««,« umgeben, sein göttliches Auge mit Wohlgefallen auf ihnen ruhend, sein heiliges Antlitz sanft entgegen lächelnd der Engels. Un^ schuld — und seine allmächtige Hand segnend über sie ausge. streckt! — Wer aus uns würde sich nicht überglücklich schätzen, wenn er so im holden Kreise dieser unschuldigen Kleinen zu den Füssen des Erlösers hätte knien und seinen Segen empfangen können. Wohlan, so lassen wir uns hinab zu dem Kreise dieser Kleinen, werden wir den Kindern gleich an Anspruchlosigkeit und Demuth, dann nur dürfen wir hoffen, daß uns Jesus segnen und in sein Reich aufnehmen werde. Denn was sagte er, als ihn bei dieser Gelegenheit die Jünger fragten, Herr! sage uns, wer wird der größte seyn im Reiche Gottes? Wahrlich sage ich euch, antwortete der Heiland: Wenn ihr nicht so werdet, wie dieser Kleine, indem er auf ein in seinen Schooße ruhendes Kind zeigte, wenn ihr nicht so werdet, wie dieser Kleine hier, so wer« det ihr keinen Lheil haben am Reiche Gottes. A^cn- Am eilften Sonntage nach Pfingsten» »Sie brachten zu ihm einen Tauben, der auch stumm war, und bathen ihn, daß er ihm die Hand auflegte.- Mark. 7, 32. Eingang. 23enn man die Wunder, die der Heiland Jesus Christus unter seinen Zeitgenossen gewirkt, nicht bloß im Allgemeinen, sondern auch nach ihren einzelnen Umständen betrachtet, so findet man, Laß sie sich nicht nur unter sich von einander unterscheiden, son¬ dern daß sie wirklich auch verschiedene Zwecke gehabt haben, und noch immer verschiedene heilsame Lehren für uns enthalten. Denn wäre das nicht, warum hätte denn Jesus bei verschiedenen Wun¬ dern so verschieden und ungleich gehandelt? warum bei dem Ei¬ nen so, bei dem Andern anders geredet, gethan oder befohlen? warum das Andenken von so vielerlei, oft ganz geringer Umstände bis auf uns kommen lassen? — wenn er nicht schon durch die Art und Weise, nach welcher er ein Wunder gewirkt, und durch die llm! Wa feh¬ lest blo bist lief Je bei let sü bc li¬ ke E g li n c t 1 l »»»» Zli ««« « Umstände, unter welchen er es gewirkt, auf gewisse wichtige Wahrheiten hätte hindeute« wollen. — Darum war es auch von jeher Gewohnheit der h. katholischen Kirche und ihrer erleuchte¬ testen Lehrer gewesen, die außerordentlichen Thaten Zesu nicht bloß als Gegenstände der Bewunderung, sondern auch als Sinn¬ bilder der Lehre darzuftellen. — Ein solches Sinnbild dec Lehre liefert uns eben das h. Evangelium an dem Taubstummen, der Jesu vorgeführt wurde, und in dem Wunder, welches Jesus an demselben wirkte. — Der Taubstumme an sich ist nämlich ein lebendiges Sinnbild jener Menschen, die sich durch wiederholte sündhafte Handlungen eine lasterhafte Gewohnheit zugezogen ha¬ ben, und wegen dieser lasterhaften Gewohnheit zuletzt weder Gott noch das Gewissen mehr hören, noch auch die Sprache der Be¬ kehrung verstehen und reden wollen. Man nennt derlei Sünder Gewohnheitssünder, und ihren Seelenzustand mit vollem Rechte geistige Taubstummheit. Von diesem, in jedem Anbetracht schreck¬ lichen geistigen Uebel will ich nun heute reden. — Und zwar will ich zuerst dem ruhigen Gewohnheitssünder das Traurige und Gefährliche seines geistigen Zustandes vor die Augen legen in dem Zustande des leiblich Taubstummen im h. Evangelio; — dann aber werde ich dem Gewohnheitssünder die Mittel zu seiner geistigen Genesung oder Bekehrung anzeigen in der Heilungsart deS leiblich Taubstummen im Evangelio. — Ein Lehrstoff, der zugleich auch für Jene, die sich mehr oder weniger in der Gefahr der geistigen Taubstummheit befinden, von größter Wichtigkeit und eben darum aller Aufmerksamkeit würdig ist. Erster Theil. Der Mensch, den man nach der Erzählung des h. Evange¬ liums dem Heilande vorführte, damit er ihn heile, war wirklich unglücklich und elend. Denn außerdem, daß er als ein von Geburt aus Gehörloser nvthwendig auch dce Sprache beraubt war: s» mußte er eben darum auch alles dessen entbehren, was andern Menschen soviel Nutzen, Vergnügen und Leben schafft; für den Taubstummen ist wohl wirklich, wie Jedermann leicht einsteht, die ganze Natur nur halb vorhanden, nur halb lebend; und so steht er auch in der menschlichen Gesellschaft da, gleich einem Einsiedler, der mit Niemand, als mit sich selbst, oder » » » » 312 « « « « höchstens nur mit denen, die sich auf seine stummen Zeichen vcr. stehen, eisie Art von Uzngang genießen knnn. Darum bleibt ihm aber auch der Zutritt zu Hähern Kenntnissen und Erfahrungen für die ganze Lebenszeit verschlossen — und hat man ihm auch einige unentbehrliche Wissenschaften mit vieler Mühe mitgetheilt, so sind und bleiben sie für den Taubstummen doch stets nur ein¬ seitig und sehr beschränkt, so daß er, was das höhere Leben des Geistes betrifft, noch als Greis den einfältigen Kindern gleicht, die erst zu denken und zu handeln angefangcn haben. — Za diesem Anbetracht verdiente der Taubstumme im Evangclio wirk, lich herzliches Mitleid, welches ihm auch Jesus der größte Men¬ schenfreund, in der Lhat bewies, indem er ihm durch ein Wun¬ der seiner Allmacht den wohlthätigen Gebrauch des Gehörs und der Sprache verschaffte. Indessen aber verdienen die geistig Taubstummen oder die Gewohnhcilssünder, von^denen der Taubstumme im Evangclio ein Sinnbild ist, noch bei weitem mehr Mitleid; weil ihr Uebel ein Seelenübel, und folglich ungleich gefährlicher und trauriger ist.— Der Gewohnhcitssüuder ist einmal taub der Seele nach — d. i. er hat kein Gehör für heilsame Wahrheiten, Lehren und Ermnh. nungen, die auf die Ablegung des Lasters und auf die Erwerbung der Lugend Bezug haben. — Wie überhaupt zu Jedem, so spricht Gott vorzüglich zu dein Gewohnhcitssünder auf mannig¬ fache und sehr verständliche Art. — Er redet z. B. zu ihm durch hie Diener seines h. Evangeliums, denen er die Pflicht auflcgt: die Gottlosen seine h, Wege zu lehren und ihre Herzen entweder durch den liebreichen Ruf seiner väterlichen Barmherzigkeit, durch die treuen Verheißungen seiner Liebe und Gnade — durch die schönen Hoffnungen eines künftigen ewig seligen Lebens — z» erweichen, sie mit Abscheu gegen das Laster und mit Liebe für die Tugend zu erfüllen — oder aber sie durch die fürchterlichen Drohungen der göttlichen Gerechtigkeit, durch die ewigen Wahr¬ heiten von Lod, Ewigkeit, Gericht und Verdammung aufzuschre- kkcn, zu erschüttern und sie von der breiten Strasse des Verder¬ bens abzurufen. — Aber vergebens! Immer weiß fast der Gewohn¬ heitssünder das Wort des Evangeliums, die Verheißungen und Drohungen Gottes, wie die Bitten und Ermahnungen seiner Die¬ ner verächtlich zu machen, oder die gehörten Wahrheiten auf An¬ dere listig anzuwcnden. — Immer bleibt er taub gegen die vcr- 513 «««« nchmliche Stimme, die Gott aus dem Munde seiner Diener cnt^ weder von der Kanzel berab — oder im Beichtstühle oder am Krankenbette oder bei einer andern Gelegenheit ertönen läßt! Gott redet ferner zu dem Gcwohnheitssünder durch gute wie durch böse Beispiele anderer Menschen. — Man sollte glau¬ ben, es müßte auf der einen Seite der standhafte erbauliche Wandel der Frommen, unter denen sich der Sünder oft und vielleicht Jahre lang zu leben genöthiget sieht — ihm endlich Ehrfurcht und Liebe zur Tugend eiuflössen, und ein eifriges Ver¬ langen nach dem Besitze derselben in ihm rege machen — und auf der andern Seite sollte man denken — cs müßten die Bos¬ heiten, Ausschweifungen und Thorhciten der Gottlosen mit all' den traurigen leiblichen und geistigen Folgen den Sünder endlich mit einem heiligen Abscheu und mit Haß, gegen das Laster erfül¬ len. Allein, weder die sanft einladende Stimme des guten Bei¬ spieles vermag ihn für die Tugend zu gewinnen, noch läßt er sich durch den offenbar betrüglichen Ruf des bösen Beispieles vom La¬ ster abschreckcn! — Gott redet ferner zu dem Gewohnheitssünder durch gewisse erschütternde Vorfälle in seinem und dem Leben an¬ derer Sünder. Ein frühzeitiger plötzlicher Tod eines seiner la¬ sterhaften Genossen flüstert ihm die heilsame Warnung in'sOhr: Wache! denn du weißt weder den Tag noch die Stunde, wann der Herr kommen werde! — Ein unvorhergesehener Unglücksfall, ein namhafter Verlust seines zeitlichen Gutes ruft ihm die kräf¬ tige Lehre in das Gedächtniß: Sammle dir Schätze für den Him¬ mel, zu denen sich die Diebe nicht nahen, die der Rost nicht ver¬ dirbt und die Motten nicht aufzehren! — und Alles, was unter der Sonne ist, ist Eitelkeit und Betrübnis; des Geistes. — Eine gefährliche Krankheit prediget lhm laut und nachdrücklich die Noth- wendigkeit zu Gott zurückzukchren aus ganzem Herzen: Bestelle dein Haus, ermahnt sie ihn dringend, denn du wirst sterben.— Ueber alles dieses beweisen ihm selbst die unaufhörlichen Gewissens¬ bisse, die sein Gemüth zerfleischen und ihm das Vergnügen der Sünde vergällen auf die fühlbarste Art, daß in der Sünde kein Friede und Heil zu finden seh. Aber der Gewohnhcitssünder merkt nicht auf die laut warnende Stimme Gottes, oder wenn er sie auch auf einen Augenblick vernommen, so sucht er sie gleich wieder im Taumel seiner Leidenschaft zu ersticken. »»»» 314 «««« Endlich redet Gott zu dem Gewohnheitssünder auch oft durch tz eine übernatürliche innere Stimme. — Geheime ivohlthiitige Ein- t sprechungen, die Gott dem Sünder nach seiner Gnade bei ver¬ schiedenen Gelegenheiten gleichsam zuflüstert; heilsame Schrecken, z die er nicht selten in seinem Innersten entstehen läßt; heilige i Begierden, die er in seinem Herzen weckt — fromme Antriebe, j durch welche er ihn oft zur Busse ancifert — alles dieses sollte den Sünder aus seinem traurigen Sündenschlafe aufrütteln; aber nein, auch für die übernatürliche Stimme der Gnade Gottes Hal der Gewohnheitssünder kein Gehör; denn eine noch stärkere Stim¬ me, die Stimme der Leidenschaft erhebt sich in ihm und über- täubt ihn, daß er nicht merkt und unterscheidet den väterlichen Ruf seines Gottes. Darum vergleicht König David solche Sün¬ der einer Art Schlangen, die vor dem Rufe ihres Beschwörers die Ohren verschließen. — Somit ist also die erste unselige Wir¬ kung der Gewohnheitsfünde die, daß sie den Menschen taub macht für die Stimme Gottes und der Lugend. Die Gewohnheitsfünde macht aber den Menschen auch stumm für die Sprache Gottes und der Lugend, d. h. sie zieht ihm eine Art von Unvermögen zu, das zu reden, was die Ehre Gottes, und eigenes und fremdes Seelenheil betrifft. — In der ganzen weiten Natur besitzt jedes Geschöpf seine eigenthümliche Sprache um den Schöpfer und dessen Vollkommenheiten zu verkündigen und zu preisen. Die Himmel, sagt David, erzählen die Herr¬ lichkeit Gottes —> ein Tag macht seine Weisheit dem andern-- eine Nacht dec andern kund. — Lhiere aller Gattungen vom kleinsten bis zum größten loben Gott und dienen ihm nach seinem Willen, nach jener Absicht, aus welcher er sie geschaffen hat.-" Der Gcwohnheitssünder aber, der da taub für die Stimme Got¬ tes geworden ist, wird zuletzt auch stumm für die Ehre Gottes. Wenn der fromme Christ seine ehrfurchtsvollen, reuigen, dank¬ baren und liebenden Gesinnungen und Gefühle gegen Gott nicht nur innerlich nähret, sondern sie auch äußerlich an den Tag legt, und daher sein Geinüth recht oft im Gebete zu ihm erhebt: so läßt der Gewohnheitssünder oft Wochen, Monate und Jahre verfließen, ohne daß er seinen Mund zum Lobe Gottes öffnet, oder im Gebete zu ihm Zuflucht nimmt; und wenn er cs auch bisweilen thut, so geschieht es ohne reuiger Gesinnung, ohne auf¬ richtigen Wellen, weil er zu fürchten scheint, Gott möchte sein »»»» 315 «««« Gebet erhören und ihm zu früh die Gnade der Bekehrung cr- theilcn. Oder wenn der fromme Christ die Ehre Gottes — die Kenntmß seiner Eigenschaften und seines h. Willens, wenn er Religion und Lugend unter seinen Mitmenschen zu befördern strebt; so verstummt im Gegenthcile der Gewohnheitssünder, wenn es sich darum handelt, Gott vor den Menschen zu bekennen und zu verherrlichen, die Beleidigungen seiner h. Majestät hintan zu halten, und die Lugend zu schützen und zu verpflanzen. Wohl aber gebraucht er seine Zunge am öftesten um Gott zu verläug- nen, die Religion zu entehren, Andere zur Sünde zu verleiten, sich wohl gar mit seinen eigenen Schandthatcn zu rühmen, und so das Reich des Satans zu erweitern. — Oder wenn der Christ nach einer begangenen schweren Sünde, im Sakramente der Busse nach der Anordnung Jesu die Wiederaussöhnung mit dem belei¬ digten Gott sucht — und zu diesem Ende ein reuiges, demüthi- ges und vollständiges Bekenntniß seiner Sünden vor dem Stell¬ vertreter Jesu Christi ablegt — so unterzieht sich der Gewohn¬ heitssünder der Selbstanklage im Sakramente der Busse entweder gar nicht, oder er hält zuletzt gerade da, wo es am meisten Wicht und Noth zu reden ist, ein sträfliches Stillschweigen; oder aber redet er eine listige betrügliche Sprache. Und warum? — Entweder die Scham für einen solchen Sünder erkannt zu wer¬ den, oder die Furcht seine Lieblingssünde vollkommen zu verra- then und dann den Gegenstand oder die Gelegenheit der Sünde aufgebcn zu müssen, fesseln seine Zunge, und er mißbraucht somit selbst die Gnade des Bußsakramentes zur Verschlimmerung seines geistigen Ucbels. So macht also die Gewohnhcitssünde den Men¬ schen der Seele nach mehr und mehr taub für die Stimme, und stumm für die Sprache Gottes und dec Lugend — und sein Seelenzustand ist ohne Vergleich trauriger und gefährlicher als der Zustand des leiblich Laubstummen im Evangelio. Denn schrecklich ist das Urtheil, welches Gott schon durch den Prophe¬ ten Jfaias über derlei Sünder fällt: Ihr habt mir nicht geant¬ wortet, spricht Gott, da ich euch rief, und mich nicht gehört, da ich zu euch redete — sondern ihr habet frech vor meinen Au¬ gen gesündiget- — Ich will euch darum von meinem Angesichte verstossen. Ihr habet euer Herz wie Diamant verhärtet — ihr werdet einst, wenn das Verderben wie ein Strom über euch » » »>- 516 « « « « hereinbricht, zu mir sichen, ich werde euch aber nicht hören — in eucrn Sünden werdet ihr sterben! Wahrlich ein namenloses Unglück, das auf den ruhigen Gewohnheitssünder nach der Dro¬ hung Gottes wartet! — Sollte er denn aber diesem Unglücke nicht noch zu rechter Zeit entgehen wollen? und wie müßte er cs anfangcn, welche Mittel anwenden, um ihm wirklich zu ent¬ gehen? — davon im zweiten Theile. Die Art und Weise, wie der Heiland den Taubstummen ge¬ heilt — erzählt uns das Evangelium mit folgenden Worten: Jesus führte den Taubstummen vom Volke hinweg auf die Seite — legte ihm feine Finger in die Ohren — benetzte mit dem Speichel seine Zunge sah daun auf gegen den Himmel, seufzte und sprach zu ihm: Ephpheta! d. i. öffne dich! — Und alsbald öffneten sich seine Ohren und das Band seiner Zunge ward gelöst, und er redete ganz gut. — Wozu, könnte man wohl hier fra¬ gen, wozu so viele Umstande? — Hätte denn der Sohn Gottes nicht auch ohne diese Zeremonien bloß durch ein Wort seiner Allmacht den Unglücklichen heilen können? — Ganz gewiß, meine Lieben! Aber dann hatten wir daraus nicht lernen können, was uns doch der Heiland lehren wollte und was in Beziehung auf die ähnliche Keckheit der Seele für uns wirklich sehr lehrreich ist. — Der Heiland führte zuerst, . heißt es, den Taubstummen vom Volke weg bei Seite? In diesem Umstande liegt schon eine vorzüglich wichtige Lehre für die geistig Taubstummen oder Ge¬ wöhn heitssündcr. Es wird nämlich durch diesen Umstand ange¬ deutet, daß, wer immer von der Taubheit des Geistes verwahrt oder davon geheilt werden will, der Welt gleichsam auf die Seite gehen müsse. Denn so lange ein solcher mitten in den Zerstreuun¬ gen und Lhorheitcn der Welt verweilet, wie könnte er da viel merken auf Gottes Wort oder auf die leise und sanfte Stimme der Gnade, die zu seinem Herzen redet? — Gewiß würde jeder Gewohnheitssündcr gestehen müssen, daß er nach so vielen ge¬ machten Vorsätzen der Busse und Besserling nur darum noch der Nämliche ist, weil er noch immer dieselben Gesellschaften besucht, dieselben Verbindungen unterhält, denselben Vergnügungen nach¬ jagt. — Man hebe also zuerst allen verdächtigen und gefäbrlichen, >-»»» 317 «««<< strafbaren Umgang auf» man reiße sich von jenen Oertern und Personen tos, Ivo man entweder fortwährend streiten oder ganz gewiß unterliegen muß; man unterdrücke überhaupt jede unordent¬ liche Liebe zu weltlichen Zerstreuungen und Freuden, besonders zu lärmenden Ergötzungen und Lustbarkeiten, wobei der Leichtsinn und die Gottesvergessenheit genährt, der Hang zum Bösen mehr und mehr verstärkt und der ganze Mensch immer weiter und weiter von Gott abgezogen werden muß. Man sammle aber da¬ für öfters, wenigstens zu gewissen Stunden seinen Geist wie vor Gottes Angesicht — prüfe sein Innerstes und frage sich: wer bin ich wohl vor Gott? wie erfülle ich seinen h. Willen:' was habe ich nach meinem jetzigen Seelenzustande am Ende des irdi¬ schen Lebens zu hoffen und was zu fürchten? Auf diese an sich selbst gestellten Fragen horche man dann aufmerksam auf die göttliche Stimme, die sich gewiß im Innern wir hören lassen. Der Heiland beobachtete ferner bei der Heilung des Taub¬ stummen gewisse Zeremonien. Er legte, heißt es, seine Finger in dessen Ohren und berührte ihm die Zunge nut dem Speichel. Wenn irgend in der Natur Dinge geschehen, die sehr schwer oder gar nicht durch natürliche Kräfte hervorgebracht werden können und auch die Kräfte der Menschen übersteigen, so pflegt die h. Schrift von solchen Begebenheiten zu sagen: der Finger Gottes ist hier! — Sollte man nicht glauben dürfen, meine Lieben! der Heiland, der doch den Taubstummen auf ein einziges Wort hätte gesund machen können, habe eben durch die langsame und stufenweise Heilart und besonders durch das Einlegen der Finger in die Ohren des Unglücklichen anzeigen wollen, wie schwer die Geistes-Taubstummheit zu heilen sey? —> Wohl wirklich so schwer, daß hiezu der Finger Gottes, d. i. seine allmächtige Kraft selbst von nöthen ist! — Dicß sollte eines Thcils die Gc- wohnheitssünder billig mit einem heilsamen Schrecken erfüllen und sie zurückbeben machen vor ihrer gefährlichen geistigen Krank¬ heit, die, wenn nicht die natürlichen Heilsmittel sogleich und eifrig gebraucht werden, bald entweder gar nicht, oder aber so schwer zu heilen seyn wird, daß sie nur mehr durch ein Wunder der göttlichen Allmacht vom Verderben gerettet werden können; — auf welches Wunder sie aber bei fortgesetzter Bosheit und Hart¬ näckigkeit nicht die mindeste Rechnung machen dürfen- »»»» 318 «««« Andern Theils aber liegt in dem besagten Heilungsumstande eine äußerst wichtige, nie zu vergessende Lehre für Aeltern,'Lehrer, Erzieher, Beichtväter, Prediger — überhaupt für Alle, die An^ dere auf dem Wege des Seelenheiles leiten und führen. Nie¬ mand aus uns, meine Lieben! vermesse'sich zu glauben, erwürbe hierin ohne Gottes besonderm Beistände etwas vermögen — für Gott und das Gewissen taube Ohren wieder eröffnen, für die Tugend verhärtete Herzen weich machen und umschaffen — das kann nur Gott allein. Wie bei den Wundern der Natur, so wird auch, und noch mehr bei den Wundern der Gnade die All. macht Gottes erfodert. Bauen wir daher ja nie auf unsere Kräfte, wenn wir Andere bessern wollen; wirkt Gott nicht mit uns, so arbeiten wir vergebens; öffnet Gott nicht zuerst unseren heilsamen Worten die verschlossenen Ohren und Herzen — so bleibt unser Wort eitles Menschenwort. Alle unsere Lehren, Bitten und Er« Mahnungen, alle Vorsicht, Klugheit und Wachsamkeit wird ohne Segen seyn und keinen andern Erfolg haben, als unfern Gram vermehren. Wohl ein Hauptgrund — zur Demuth; und gerade für solche Menschen am meisten, die sich das Seelenheil Anderer am meisten angelegen seyn lassen, weil diese auch am leichtesten bei fruchtlosen Bemühungen zur Ungeduld, zum Kleinmuthe, zu¬ letzt zur Gleichgültigkeit — bei einem glücklichen Erfolge aber zur Selbstgefälligkeit und zum Stolze verleitet werden könnens da sie dann die guten Früchte vorzüglich ihrer menschlichen Pfle¬ ge zuschreiben. Ferner sagt das Evangelium: Jesus sah auf gegen den Himmel, seufzte und sprach: Ephpheta, d. i. werde geöffnet. Was der Heiland hier thut, will so viel sagen: Wer von der geistigen Taubheit — oder von seiner eingewurzelten Sünde g«^ heilt werden will, der muß eifrig beten um jene Gnade von Oben, die allein vermögend ist, Ohren und Herzen aufzuschließen und sie empfänglich zu machen für die Worte des ewigen Lebens. Das Gebet ist also überall das kräftigste Vorbereitungsmittel zur Geistesgenesung. Wären wir noch so schwach und ohnmächtig, wenn wir nur aufrichtig und recht beten, so vermögen wir alles, so erhalten wir alles; — im Gebete, in welchem wir unser Un¬ vermögen aussprechen, liegt eben unsere geistige Kraft, mehr als irgendwo anders. Darum lau gewordene, harte, unempfindliche Christen! — verlanget ihr wirklich noch geheilt, gerettet zu »»»» 519 «««« werden und die verlorne Gnade Gottes wieder zu erlangen: so betet! — aber betet wie der Heiland für den Taubstummen, nämlich inständig und in tiefen Seufzern — betet um die überaus wohlthätige Heilung eurer Seelenkrankhcit, die ihr euch durch die Sünde zugezogen habet; das anhaltende und eifrige Gebet wird den Herrn zum Erbarmen bewegen, und er wird über euch aussprechen sein allmächtiges Ephpheta! werde geöffnet! Endlich sagt das Evangelium von dem Taubstummen: Als¬ bald öffneten sich seine Ohren — das Band der Zunge ward gelöst, und er redete ganz gut. — Dieses, daß der Un¬ glückliche nunmehr redete, war das Siegel des geschehenen Wun¬ ders, und ein-sicherer Beweis davon. Der zuvor taub und eben darum auch stumm war, redete jetzt, und er redete, sagt das Evangelium, ganz gut. Wer also immer den Menschen sah und ihn reden hörte, machte den natürlichen Schluß: Er redet — also ist seine Taubheit aufgehoben, also hat er das Gehör er¬ halten. — Gerade so, meine Lieben! ist auch bei dem Geistes- Tauben oder Gcwohnheitssündern, ihre neue Art, nach welcher sie von Gott und göttlichen Dingen reden, ein sicheres Zeichen, daß sie geheilt — gebessert sind. Man sieht z. B. viele von der Beicht, vom Tische des Herrn, von einer Predigt, von der h. Messe, oder irgend von einer andern Andacht zurückkommen — sind sie wohl besser, frömmer geworden? ist ihre Geistes-Taub¬ heit geheilt? hat das h. Wort Gottes endlich Eingang in ihre Herzen gefunden? — Mill man dieses erfahren, so merke man, welche Sprache sie nun führen. — Ist es noch immer dieselbe Sprache des Leichtsinnes, der Wollust, der Lüge, der Verleum¬ dung, des Geistes, des Neides, der Rachsucht, so ist cs klar, daß diese Sünder noch die Alten sind. Zst aber ihre Sprache seit der Zeit eine Sprache der Eingezogenheit, der Gottesfurcht, der Sanftmuth, Friedfertigkeit, Demuth und Nächstenliebe — so hat man allen Grund zu glauben, daß ihr Herz erweicht und erwärmet — ihr böser Wille gebessert ist; — denn aus der Fülle des Herzens redet die Zunge. tlnd nun, meine Lieben! werfen wir noch einen Blick auf das Gesagte. — Die Erbsünde, welche alle Nachkommen Adams mit auf die Welt bringen, hat außer andern Uebeln auch das bewirkt, daß sie uns taub machte zu hören die Lehren des Heils und stumm, zu reden die Sprache des Herrn. Darum mußte » » » » 320 « ««« uns der rechte Gebrauch des Gebers und der Sprache im geistj. gen Sinne wiedergegeben — es mußten uns Ohren und Zunge wieder geöffnet werden — durch die allbelebende Macht des Hei¬ landes Jesu Christi! — Das geschah nun eben im Sakramente der Taufe. Jedem aus uns berührte und benetzte der Stell- »T Vertreter Jesu Christi Ohren und Zunge und sprach: Ephpheta! werde geöffnet! — Selig, dessen Ohren und Zunge sein ganzes Leben hindurch geöffnet bleiben zur Kenntniß — zum Lobe Gol- tes — zur Erfüllung seines h. Willens, zur Beförderung der '2. Tugend, zur eigenen und fremden Heiligung. Aber leider schlie- ge ßen sich bei den Meisten, bald nach ihrer geistigen Wiedergebntt di für Gott und die Tugend Ohren, Mund und Herz wieder zu;- de sie fangen an das Werk Gottes an ihrer Seele zu zerstören, di überlassen sich dem Leichtsinne und dem Laster, führen mehr und rc mehr ein lockeres freies Leben, unterdrücken ihr Gewissen, irci- ze chen der Gelegenheit aus, wo sie auf ihre Verderbtheit aufmerk- st sam gemacht werden könnten, und werden so nach und nach st taubstumm am Geiste — Halsstörrige und Unbeschnittene an Ohren und Herzen, die allezeit dem h. Geiste wiederstreben. — a Solche Menschen eilen ihrem gewissen ewigen Untergange ent- " gegen, wenn sie nicht noch zu rechter Zeit eifrig jene Rettungs- " mittel anwenden, die ihnen das h. Evangelium angibt — k nämlich Absonderung von der Welt, ihren Thorheiten, Zer¬ streuungen und Ergößlichkeiten — Vermeidung gefährlicher Ge¬ genstände und sündhafter Gelegenheiten und ernstes, anhaltendes, eifriges Gebet. — Nur durch treue Anwendung dieser Mittel > können sie von ihrer geistigen Taubstummheit geheilt werden — die Stimme Gottes und der Lugend wieder vernehmen —die Sprache Gottes und der Lugend wieder nachsprechen und befol¬ gen lernen. Amen. » »->)) 521 « « « « Am zwölften Sonntage nach Pfingsten. »Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.« Luk. ic>, 27 Eingang. Ä^cister, was muß ich thun, damit ich das ewige Leben erlan¬ ge:' — so fragte einst ein Schristgelehrter den Heiland, als dieser mit seinen Jüngern eben vom ewigen Leben redete. Da der Zweck der Frage, die der Schristgelchrte aufwarf, kein an¬ derer war, als Zcsum zu versuchen, so wollte der göttliche Leh¬ rer den bofegcsinntcn Schnftvcrständigen auf eine eben so über¬ zeugende als sanfte Weife beschämen und zurechtweiscn. — Was steht denn im Gesetze geschrieben, wie liesest du darin? fragte er seinen Gegner. Dieser antwortete: Du sollst den Herrn deinen Gott lieben aus ganzem Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus allen deinen Kräfte» und aus deinem ganzen Gemüthe, und dei¬ nen Nächsten wie dich selbst. Du hast recht geantwortet, sprach nun Jesus zu ihm, thue das, so wirst du leben. Der Heiland gibt also dem Schriftgelehrten zu verstehen, daß es ihm nicht an der Kcnntniß, wohl aber an der Ausübung des Gesetzes fehle- Allein der Schriftgelehrte, dessen Stolz durch diese kräftige ob¬ schon sanfte Zurechtweisung Jesu beleidiget war, wollte sich jetzt rechtfertigen, und that, als ob er nicht wüßte, wer sei» Nächster sey. Jesus erzählt ihm nun jene wahrhaft rührende Geschichte von dem barmherzigen Samaritan und dem verwundeten Juden, und zwingt den stolzen Schriftgelehrten zu bekennen, daß der Sa¬ maritan der Nächste des schwer verwundeten Juden war, daß man folglich der Nächste eines Israeliten seyn könne, ohne selbst cin Jfraelite zu seyn. Ucbrigens überweiset ihn Jesus gerade in dieler Geschichte, wie unhaltbar und falsch die Grundsätze der Inden waren, die da lehrten: nur Landsleute, nur Verwandte und Freunde sey man verpflichtet zu lieben; denn der Priester und Levite, die bei dem verwundeten und ausgeraubten Juden vorübergingen ohne ihm Hilfe zu leisten, waren ja eben dessen Landsleute; der Samaritan aber war dem Juden ganz fremd; ja die Juden haßten die Samariter als ihre Lodfeinde, und doch 21 Z22 « « « « behandelte gerade der verhaßte Samariter den unglücklichen Zn-, den als der zärtlichste Freund, als der liebevollste Bruder. — Darum scharst Jesus dein Schriftgelehrten am Ende der Geschichte nochmals zu seiner Beschämung und Besserung ein: Gehe hin und thue desgleichen. — Wenige, aber zur Erfüllung eines der schönsten und größten Gebote auffodernden Worte. — Möchte diese Auffoderung Jesu in den Ohren aller Christen mächtig tö¬ nen und nie verhallen, möchte sie an das Herz jedes Christen wirksam schlagen, damit es lauter barmherzige und liebende Sa¬ mariter gebe! — Wir wollen, damit diese Auffoderung Jesu, die sich auf das Gebot der Nächstenliebe bezieht für uns heute kein leerer Wiederhall bleibe, das Gebot selbst näher zergliedern, und uns erstens gründlicher überzeugen von der Pflicht den Nächsten zu lieben, und zweitens die rechte Art lernen ihn zu lieben. Da dieses Gebot an sich so groß und wichtig ist, da es dem ersten Gebote der Liebe gegen Gott gleich kommt, und da dessen Beob¬ achtung eine unerläßliche Bedingung zur Seligkeit ist, so habe ich nicht erst nöthig Sie zu einer ungetheilten Aufmerksamkeit aufzumuntern, Sie werden dieselbe der Grösse des Gegenstandes selbst schenken. Erster Theis. Das ausdrückliche Gebot Gottes: Du sollst deinen Nächsten lieben, dieses Gebot, meine Lieben, ist so alt wie die Welt; cs hat mit der Erschaffung des ersten menschlichen Wesens begon¬ nen, denn Gott hat es schon den Herzen unserer ersten Nestern iief eingeprägt und durch sie auf ihre Abkömmlinge fortgepflanzt, und damit es sich desto gewisser erhalte, so schrieb es Gott in der Folgezeit seinem auserwähltcm Volke den Hebräern auf stei¬ nerne Tafeln und ließ es ihnen durch Moses verkünden. Allein, da das Gesetz des alten Bundes nur ein unvollkommener Abriß Les neuen war, so kam Jesus der Sohn Gottes auf die Erde, um zu ergänzen und zu erfüllen, was an dem Gesetze des alten Bundes mangelhaft und unerfüllt war. Und gerade das Gebot der Nächstenliebe ist es, welches Jesus nicht nur als eines der wichtigsten erklärte, da er dasselbe dem ersten und größten Ge¬ bote der Liebe gegen Gott gleich machte, sondern er wollte es auch läutern und vervollkommnen indem er die Art und Weile dd >-» » 525 «««« sngab, wie man es ausüben soll: Ich gebe euch ein neues Ge- seh, sagte er, daß ihr einander liebet, wie ich euch geliebt habe. Zch gebe euch ein neues Gesetz, sagt Jesus, theils weil er es, nachdem es von Zeit zu Zeit aus den Herzen der Menschen ver¬ wischt wurde, in seiner vollen Kraft wieder aufleben machen, theils und vorzüglich aber darum, weil er dasselbe nach seinem Geiste von den Menschen beobachtet wissen wollte. Das ist der aus¬ drückliche Wille unsers göttlichen Heilandes, und somit auch der ausdrückliche Wille Gottes, und das allein muß schon hinreichend seyn uns zur treuen Erfüllung desselben zu bewegen. Aber wie viele mächtige und erhabene Beweggründe treiben uns außerdem noch an dem Gebote der Nächstenliebe eifrig nachzukommen.' Der Mensch ist nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen. Die¬ sen erhabenen Vorzug des Menschen verkündet uns gleich das erste Blatt der h. Schrift und zwar mit einer besondern Feierlichkeit und Würde. So oft nämlich Gott aus Nichts Etwas entstehen lassen wollte, so heißt es in der h. Schrift: Gott sprach: Es werde, und es ward, und allzeit wird in einer kindlichen Men¬ schensprache hinzugefetzt: Gott sah es und es war gut. Aber als es zur Schöpfung des Menschen kam, da ändert sich auf ein¬ mal die bis dahin einfache Sprache der h. Schrift — die Gott¬ heit geht jetzt gleichsam mit sich selbst zu Rathe, weil sie ein ihr ähnliches Wesen in's Daseyn rufen will; darum heißt es nicht mehr: Es werde der Mensch! sondern, lasset uns den Menschen Mchaffcn nach unserm Ebenbilde und unserer Gleichförmigkeit. Nun bildete Gott aus wenig Erde den Körper des Menschen, belebte ihn mit seinem Hauche, gab ihm-eine unsterbliche Seele, in welche sich die Gottheit selbst abbildete, die daher auch ihren Schöpfer in seinen Eigenschaften nachahmen, und weil sie unsterb¬ lich ist einst an der ewigen Seligkeit desselben Anthcil haben sollte. -- Wie ehrwürdig und erhaben muß uns nun der Mensch erscheinen, wenn wir ihn als das Ebenbild Gottes betrachten, wenn wir ihn seiner Seele nach denken als den simtdaren Ab¬ druck der Gottheit! — gesetzt auch, daß er selbst diesen Abdruck durch Sünden und Laster verdunkle, und dessen göttliche Züge berwüche und verunstalte, dennoch hört er nie auf das Ebenbild Gottes und eben darum ehrwürdig und liebenswürdig zu seyn. Gott bestehlt ja nicht Sünden und Mängel an bem Mitmenschen M zu heißen und nachzuahmen, nur sein Ebenbild bestehlt er in 21 * » »>-» 324 «««« jedem Menschen zü ehren und zu lieben. Die Abbildung des Für¬ sten bleibt ja auch immer verchrungswürdig, sie mag auf Blei oder auf Gold geprägt seyn, schaßt man das Blei auch an und für sich nicht, so schaßt man es doch darum, weil in dasselbe die Züge des Fürsten eingegrabcn sind. Ferner, so wie jeder Mensch der Seele nach das Ebenbild Gottes ist, so ist auch jeder Mensch durch den Sohn Gottes durch Jesus um einen theuern Preis von der Sünde und dem Verderben erkauft und für den Himmel gewonnen worden, ich sage, um einen theuern Preis, denn der Sohn Gottes mußte Mensch werden, vieles leiden, sein kostbares Blut verspritzen und am schimpflichen Kreuzesholzc sterben, um den Menschen von der Sünde und Strafe zu befreien, mit Gott wieder auszusvhncn und ihm die ewige Seeligkeit zu sichern. Durch Jesus ist also jeder Mensch wieder ein Gegenstand der väterlichen Sorgfalt und Liebe seines Schöpfers, ein wieder angenommenes Kind Gottes, ein Bruder Jesu Christi und ein rechtmässiger Erbe des Himmels. Welch' dringende Beweggründe den Menschen zu lieben! Versagen wir einem Menschen unsere Liebe, so versagen wir sie einem Kinde Gottes, einem Bruder Christi, einem Erben des Himmels; heißt aber das nicht soviel als Gott selbst die Liebe versagen, da man sie seinem Lieblinge, seinem Ebenbilde versagt? Darum spricht der h. Johannes: Wer da sagt er liebe Gott, hasset aber seinen Bruder, der lügt, denn wenn er seinen Nächsten nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht. — Woran soll man auch erkennen, daß man Gott liebt, wenn man eines der ersten und größten seiner Gebote nicht erfüllt? Und wenn man, wie der h. Jakob sagt, sich an dem ganzen Gesetze ver¬ sündiget, sobald man nur ein einziges übertritt, wie schwer muß sich nicht derjenige versündigen, der das Gebot der Liebe über¬ tritt, welches die Fülle des Gesetzes ist! Darum wird einleuch¬ tend , was der h. Apostel Paulus von dem Mangel der Nächsten¬ liebe spricht: wenn ich die Sprachen aller Menschen und Engel reden könnte, sagt er, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich gleich einem tönenden Erze und einer klingenden Schelle; und wenN ich weissagen könnte, alle Geheimnisse wüßte, alle Kennt¬ nisse befasse und einen so starken Glauben hätte, daß ich mittelst seiner Berge zu versetzen im Stande wäre, hätte aber die Liebe nicht, so bin ich nichts; noch mehr, wenn ich all'mein Vermögen » » » » 525 ««« « unter die Armen vcrthcise und meinen Leib zum Verbrennen hin- vpfere, hätte aber die Liebe nicht — d. i. hätte ich die Nächsten¬ liebe nach dem Geiste Jesu nicht, so ist mir das Alles nichts nutze. So erhaben, so wichtig und nothwendig ist die Erfüllung des Gesetzes der Nächstenliebe, das vns Gott gegeben und Jesus sein Sod» erneuert und vervollkommnet hat; so mächtig und wür¬ devoll sind die Beweggründe, die uns anspornen dasselbe zu be¬ obachten! in diesem Gesetze gibt es keine.Einschränkung, keine Bedingung, keine Ausnahme — Arme und Reiche, Grosse und Kleine, Angesehene und Niedere, Fürsten und Unterthanen — alle sind nach dem Willen Gottes zur gegenseitigen Liebe ver¬ pflichtet, um so mehr noch, wenn sie das schöne göttliche Band des wahren Ehristenthumes der Religion Jesu untereinander knü¬ pfet und ihnen eine reine christliche Liebe zur süssesten heiligsten Pflicht macht. Denn in der Taufe sind wir alle wieder geboren zum ewigen Leben, haben alle einen Vater, nämlich Gott, eine Mutter — die Kirche, eine Nahrung — die Sakramente, ein Erbtheil — den Himmel; wir sind Glieder eines Leibes, wovon Christus das Haupt ist. Ihr seyd der Leib Christi und Glieder unter einander, sagt der Apostel. Von allen diesen Gliedern muß nothwendig Eines an des Andern Wohl oder Wehe Theil nehmen, und wer sich durch feindselige Gesinnungen von dem Nächsten trennt, der gehört nicht mehr zum Leibe Christi, weil er ein faules todtes Glied ist. Unter den Gliedern eines gesun¬ den Leibes herrschet ja die genaueste Uebcrciustimmung und wech¬ selseitige Thätigkcit; tritt z. B. der Fuß auf einen Dorn und wird verwundet, so senken sich alsogleich die sonst emporgerichte¬ ten Augen zur Erde und suchen die Ursache des Schinerzes, den der Fuß und mit ihm »er ganze Körper leidet, die Hand streckt sich geschäftig aus und ist bemüht die Ursache des Schmerzes zu entfernen, den Dorn aus der Wunde zu ziehen, ja der ganze Körper, alle Glieder richten ihre Aufmerksamkeit und Sorge auf den leidenden Fuß, auf das verletzte Glied. Eine so enge Ver¬ bindung, eine so schöne Ucbcreinstimmung und thätigc Theilnahme soll und muß auch zwischen den Gliedern des geistigen Leibes Jesu, zwischon den Christen Statt haben, das Band der Nächstenliebe soll sie alle fest umschlingen und zur gegenseitigen thätigen Hülf- leistung verknüpfen; der Reiche soll Vater des Ärmen, der Mäch¬ tige Beschützer des Niedrigen, der Starke Stütze des Schwachen, 526 « ««c« der Gesunde Diener und Tröster des Kranken, der Verständige Rathgebcr des Unwissenden, und alle unter einander sollen Bru¬ der seyn, die einem Vater angehören, der ober uns thronet Darin besteht das Gesetz der Liebe, welches Jesus der Gesetzgeber des neuen Bundes erneuert, bestätiget, zur Vollkommenheit er¬ hoben und auf dessen Beobachtung das ewige Leben verheißen hat Doch nicht nur das Gesetz und die Pflicht seiner Beobachtung hat Jesus gelehrt, auch die Art der Beobachtung oder die Art dm Nächsten zu lieben hat er näher bestimmt, und davon im zweiten Theile. In dem Gebote der Nächstenliebe heißt es: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. Liebt man nun den Nächsten wie sich selbst, so liebt man ihn ohne Zweifel aufrichtig und thätig; denn Jedermann liebt sich selbst gewiß aufrichtig, und ist hierin nicht leicht einer Verstellung fähig. Niemand wünscht doch, daß man sich seines Vermögens bemächtige, seinen guten Namen entehre, ihn geringschätze und verachte und sein zeitliches Glück untergrabe; im Gegenthcile wünscht Jedermann sein zeitliches Wohl zu verbessern und zu erhöhen, er wünscht seine Ehre zu behaupten, wünscht Hülfe im Unglücke, Unterstützung in der Krankheit, Trost und Tdeilnahme in Leiden, Rath in zweifelhaften Lagen. Fasset nun auch die Nächstenliebe solche Wünsche in sich, so ist sie eine aufrichtige Liebe. So war die Liebe des barmherzigen Samantans beschaffen. Kaum erblickt er den zu Tode verwundeten an der offenen Strasse, so wird sein Herz von Mitleid gerührt, er setzt sich an die Stelle dieses Un¬ glücklichen, er denkt sich hinein in seine traurige hülfsbedürftige Lage und aus dieser Vorstellung aus einem Herzen voll Mitleid entspringt seine Liebe, die jetzt der Beweggrund alles dessen wurde, was er dem Unglücklichen leistete. Von solcher Beschaffenheit müssen unsere Gesinnungen gegen den Nächsten seyn; doch nicht genug, daß wir diese Gesinnungen nur im Herzen hegen, wie müssen sie auch soviel in unserer Kraft steht zu jeder Zeit, bei jeder Gelegenheit und gegen Jedermann ohne Unterschied des Standes, des Alters, des Vaterlandes und des Glaubens in der That an den Tag legen. Nehmen wir uns hier wieder das Be¬ tragen des barmherzigen Samaritans zum Muster. Dieser blieb »»r>» 327 « « « « ;e nicht bei den blossen Rührungen des Herzens, beim leeren Mit- i- leide stehen, sondern er that alles, was ihn eine aufrichtige Liebe r. zu thun zwang. Er näherte sich dem Unglücklichen mit dem I brennendsten Verlangen ihm zu helfen, untersuchte seine Wunden, ° goß Oel und Wein in dieselben, reinigte und verband sie, hob den Elenden auf sein Lastthier, brachte ihn unter sicheres Obdach t und empfahl ihn der guten Pflege des Hausherrn, dem er alle i Auslagen bei seiner Rückkehr zu erstatten versprach. Gehet hin und thut desgleichen, ruft uns der Heiland zu. Wie klingen Ihnen diese nachdrucksvollen Worte Zesu, meine Lieben! fühlen Sie sich nicht auch mächtig gedrungen ein Gleiches zu thun, was der Samariter that? — Aber Sie haben vielleicht keine so schöne Gelegenheit wie der Samaritan, Ihre Nächstenliebe in der That zu äußern? — Leerer Vorwand! Tausend und Lausend Gelegen- beiten haben wir dem Samariter nachzuabmen, dem Nächsten ein liebendes Herz zu eröffnen und hülfreiche Hand anzubiethen. Gibt cs denn nicht des geistigen und leiblichen Elendes genug unter den Menschen, unfern Brüdern? Hier erliegt Einer unter der Last schwerer Arbeiten und Sorgen, dort drücket einen Andern tiefe Armuth und Dürftigkeit, hier seufzet im Stillen eine verlassene Wittwe, dort irret ein verwaistes Kind unter Fremdlingen, hier weint ein unschuldig Verfolgter, dort schmachtet ein elender Kran¬ ker, hier stöhnet ein bedaurnngswiirdiger Gefangener, dort er¬ mahnet uns ein von Natur oder durch Unglück zum Krüppel ge¬ wordener Mitmensch, ihm unsere gesunden Glieder zu leihen, ihm Hülfe zu leisten, hier macht ein Klcinmüthiger oder mit Ver¬ zweiflung Ringender Anspruch auf Worte des Trostes; dort sucht ein einfältiger Unwissender heilsamen Rath in seiner verworrenen Lage, hier sehen wir mit Grauen einen verirrten Lasterhaften mit schnellen Schritten seinem ewigen Untergange entgegeneilen, dort erblicken wir die Unschuld in Gefahr in die Fallstricke des Ver¬ führers zu gerathen! — Alle diese sind unsere Nächsten, sind unglücklich, ihre Wunden sprechen uns an um Oel und Wein, d. i. um Hülfe und Linderung , um wohlthätigcn Verband. Wol¬ len wir zu ihrer Genesung nicht beitragen, wollen wir bei ihrem Elende kaltblütig Vorbeigehen wie der Priester und Levit? wollen wir bei ihrem Anblicke scheu zurückweichen, oder nicht lieber gleich dem barmherzigen Samaritan auf unserm Wege etwas ver¬ weilen, unsere Geschäfte auf eine Zeit vergessen, unsere feindlichen » » » » 528 Gesinnungen unterdrücken, und mit einem von Liebe erfüllten Herzen hintrctcn zu unfern unglücklichen Brüdern, und in d» Lhat beweisen, das) sie unsere Nächsten sind: Ja das wollen wir thun, meine Lieben, wir wollen das grosse schone Gebot unscrs göttlichen Meisters erfüllen und beweisen, daß wir seine Schüler sind; daran wird man erkennen, sagte er ja selbst, daß ihr meine Jünger seyd, wenn ihr euch untereinander liebet. — Aufrichtig und thätig soll also unsere Liebe gegen den Nächsten seyn, wie uns selbst wollen wir ihn lieben. Aber gibt cs hier keine Ab¬ wegs, können nicht auch unedle Beweggründe die Liebe gegen uns selbst, und somit auch gegen den Nächsten leiten. O ja nur z» leicht, denn obschon wir uns selbst aufrichtig und thätig lieben, so lieben wir uns doch nicht allezeit aus den reinsten Beweggrün¬ den; wir überschreiten in unserer Liebe gar oft die Granzcn des Rechtes und verletzen höhere Pflichten. Woran sollen wir »ns also hierin noch halten, damit wir bei der Nächstenliebe nicht auf Abwege gerathen? An die Richtschnur, die uns Jesus gab, da er sagte: Liebet euch unter einander wie ich euch geliebt habe, und wenn wir einander so lieben wie uns Christus geliebt hat, dann ist unsere Liebe rein in ihren Beweggründen, frei von nie¬ drigem Eigennütze, von schädlichen Vorurtheilen und von den Schlacken der Sinnlichkeit. Nicht die Hoheit der Geburt, nicht der Glanz des Neichthumcs, nicht persönliche Eigenschaften des Leibes und Gemüthcs, noch weniger aber eine sträfliche Leiden¬ schaft wird unsere Liebe bestimmen, sondern nur der Wille Got¬ tes und die hohe Würde des Menschen. Zwar wird uns nicht verbotheu, sondern vielmehr noch gcbothen gegen einige unserer Brüder, gegen Aeltcrn, Geschwister und Freunde, gegen solche, an die uns ein engeres Band der Natur, des Vaterlandes, der Religion oder der Dankbarkeit bindet — eine zärtlichere Neigung zu hegen; doch selbst diese zärtlichere Neigung muß nur in der Liebe gegen Gott gegründet und aus ihn gerichtet seyn, ist das nicht, so haben wir das Gebot der Liebe im Geiste Jesu nicht erfüllt; denn wenn ihr jene liebet, die euch lieben, welchen Lohn werdet ihr haben, sagt der Heiland, thun das nicht auch die Publikane? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßet, was habet ihr über die Pflicht gcthau, thun das nicht auch die Heiden's — Nein, lauter in ihren Beweggründen, aufrichtig und thätig muß unsere Nächstenliebe seyn, wenn sie dem Geiste Jesu entsprechen » » » » 529 « « soll. Möchte doch eine solche heilige Liebe unsere Herzen fort mid fort mit ihrem göttlichen Feuer erwärmen! dann würden wir verknüpfet unter einander durch reine Bande der heiligsten Gesin¬ nungen schon hicnicden einen Vorschmack des Himmels genießen, und jenseits, wo Glaube und Hoffnung schwindet, würde uns tonn die allein noch waltende Liebe mit Gott der Urquelle aller Liebe durch ein seliges Anschaucn ohne Aufhören vereinigen. Amen- Am dreizehnten Sonntage nach Pfingsten. »Gehet hin, zeiget euch den Priestern.« Luk. 17, 14. Eingang. Äic Aussätzigen, von denen im h. Evangelio die Rede ist, wa¬ ren sehr unglückliche Menschen. Denn der Aussatz war eine gräu¬ liche und fast unheilbare Krankheit, weswegen auch alle mit die¬ sem abschreckenden Uebel Behaftete, von der menschlichen Gesell¬ schaft sorgfältig abgesondert werden mußten. — Ob jemand mit dem Aussatze behaftet, oder bereits davon gereinigct, und wieder anfzunchmen war, — darüber hatten nach dem mosaischen Gesetze die Priester zu nrtheilen; ihnen mußten derlei Personen vorgestcllt werden, und sie, die Priester mußten den zweiselbaften Aussatz von dem wirklichen, den geheilten von dem ungeheiltcn richtig un¬ terscheiden: und nach Beschaffenheit der Sache ihren Ausspruch ge¬ wissenhaft abfassen. Darum geschähe sowohl die Untersuchung als das Urtheil, nach gewissen, von dem Gesetze anbefvhlenen Gebräu¬ chen und Zeremonien, an welche das Volk eben so strenge, wie die Priester selbst gebunden war. — Darum sandte auch der Hei¬ land der von dem Gesetze nie etwas vergeben wollte, die von ihm wirklich geheilten Aussätzigen zu den Priestern, damit sie von die¬ sen als rein erklärt würden, die gesetzliche Opfcrgabe darbringen und wieder in die menschliche Gesellschaft ausgenommen werden möchten. — Gehet hin, sprach Jesus, und zeiget euch den Priestern! Der leibliche Aussatz der Israeliten, erinnert uns heute an eine andere Art Aussatzes, nämlich an den Aussatz der Seele, »»»» oder an die Sünde, die den Menschen vorzüglich vor Gott un¬ rein macht, ihn von der Gemeinschaft mit demselben und von d« Theilnahme an seiner ewigen Seligkeit ausschlicßt. — Die Reini¬ gungszeremonie der Aussätzigen im alten Lunde erinnert uns an das grosse Heilsmittel des Bußsakramentes, welches der göttliche Stifter unserer h. Religion Jesus Christus den Priestern des neuen Bundes anvertraut hat, und vermöge welchen die unreine Seele nicht etwa nur als rein erklärt, sondern in der That gereiniget, und in alle verlornen Rechte der Kinder Gottes wieder eingesetzt wird. So gibt mir der Inhalt des h. Evangeliums selbst die schickliche Veranlassung, heute von dem Geheimnisse des Sakra¬ mentes der Busse zu reden, und insbesondere die Beweggründe, die den Sünder zu einem willigen und würdigen Gebrauche dieses Sakramentes antrciben sollen, in etwas hcrauszuheben, — ein Gegenstand der Ihre Aufmerksamkeit um so mehr verdient, je mehr er die Beförderung Ihres Scelenheiles zum Zwecke hat. Abhandlung. Der eigentliche und alleinige Arzt aller Seelenkrankheitcu ist Gott; er nur vermag den Menschen von dem Aussatze seiner Seele nämlich von der Sünde zu reinigen und zu heilen, und er konnte dieses allezeit selbst thun, so wie Christus der Sohn Gottes die zehn Aussätzigen in eigener Person heilte, als sie demüthig bit¬ tend zu ihm Zuflucht genommen hatten. Indessen dürfen wir eben bei Gelegenheit dieser Heilung den Umstand nicht übergehen, daß der Sohn Gottes jenen Aussätzigen, obschon er sie selbst geheilt hatte, doch ausdrücklich befahl, hinzugehen und sich den Priestern zu zeigen, um sich von denselben als rein erklären zu lassen. Ze- lus befahl dieses, um zu zeigen, daß er weder dem mosaischen Gesetze noch der Macht der Priester nahe treten wolle, aber auch wie die h. Kirchenlehrer bemerken, um dadurch gleichsam anzudeu¬ ten , daß in der Folge die Macht der Priester in dem neuen voll¬ kommeneren Gesetze weit erhabener noch seyn sollte, als die Macht der Priester im alten Gesetze. Und sie ist wirklich erhabener!. Denn die Priester des alten Bundes, sagt der h. Chrisostomus hatten nur die Macht den Menschen von dem leiblichen Aussätze zu reinigen, ja nicht einmahl zu reinigen, sondern nur den bereits Gereinigten als rein zu erklären; die Priester des neuen Bundes abe che Si in S üb sei ch' nn te se er ai d< o d d s n v r r < i j i » » »>j> 321 « « ««c aber besitzen von Christus die Macht die mit einem weit schädli¬ chem und schändlicher!, Aussätze, mit dem Aussatze der Sünde Schäfteten nicht etwa nur als rein zu erklären, sondern sie selbst in der Lhat zu reinigen. Diese außerordentliche Macht hat der Sohn Gottes seinen Aposteln und durch diese ihren Nachfolgern übergeben, da er zu den Erstern sprach: Wie mich der Vater ge¬ sendet hat, so sende ich euch. — Nehmet hin den h. Geist: Wel¬ chen ihr die Sünden vergeben werdet, denen sind sie vergeben, welchen ihr sic aber Vorbehalten werdet, denen sind sie Vorbehal¬ ten. — Auf diese Art hat der Gottmeusch Jesus Christus einer¬ seits den Aposteln, und ihren Nachfolgern den Priestern, die Macht erlbcilt das geistige Richteramt über die Gläubigen auszuüben, andererseits aber hat er den Gläubigen die Pflicht auferlegt, sich dem geistigen Richteramte der Priester zu unterziehen. Dieses kann aber nicht anders geschehen, als durch die Selbstanklage der Sün¬ der d. i. durch ein demüthiges, vollständiges und aufrichtiges Sün- denbekcnntniß vor dem Priester dem Stellvertreter Jesu Christi. Ohne dieser Selbstanklage können die Priester des neuen Bundes weder Sünden vergeben, noch Sünden Vorbehalten, folglich die von Christus dem Stifter unserer h. Religion ihnen ertheilte Macht nicht ausübcn. Die Sünder aber können ohne Selbstanklage keine Aussöhnung mit Gott hoffen. Es ist nun freilich nicht in Abrede zu stellen, daß die Selbst¬ anklage im Sakramente der Busse eine Arznei ist, die viel Bitte- vcs hat. Denn es kostet den sich nur allzusehr liebenden Men¬ sche» keine geringe Uebcrwindung, sich selbst ohne Schonung an- Magen, einen Sterblichen die geheimsten Falten des Herzens auf¬ zudecken, und Vergehungen über die man schamroth wird, die man ost vor sich selbst auf ewig verbergen möchte, in ihrer gan- M Blösse hinzustellcn— Allein das Bittere und Beschwerliche der Selbstanklage oder der Beicht verschwindet, wenn man sie von ihrer trostvollen, wohlthätigcn Seite betrachtet. Denn erwägt man recht den Zustand des Sünders, so muß man gestehen, daß er der bedauerungswürdigste ist. — Die Sünde hat den beseli¬ genden Frieden eines guten Gewissens aus dem Herzen des Sün¬ ders verbannt, hat das herrliche Ebenbild Gottes an ihm ganz ver¬ dunkelt und entstellt, ihn von Gott seinem höchsten Gute auf immer entfernt, ihm das Recht und das Erbe des Himmels geraubt, ihn einer ewigen Verdammung ausgesetzt. — Wie erwünscht muß in » » » » « « « « Z5»2 diesem Zustande dem Sünder ein Mittel seyn, in welchem er seine Rettung und sein Heil finden kenne. Und ein solches Rettunqs- und Heilsmittel ist eben das reuinüthige Sündenbekcnntniß krS Sünders vor dem Priester; durch dasselbe wird der, der Seele nach todtkranke Sünder von allen und jedem Gebrechen geheilt- mag auch der Aussatz der Seele noch so gräulich, d. i. die ZG und Bosheit der Sünden noch so ungeheuer seyn, sie kann ch von Christus der Kirche ertheilte Schlüsselgewalt weder aufheben noch beschränken, sobald mit der Selbstanklage wahre aufrichtige Reue und ernstliche Sinnesänderung verbunden ist.— Alles was ihr auf Erden losen werdet, soll auch im Himmel gelöst seyn, sprach Christus zu den Aposteln und ihren Nachfolgern, und die triden- tinische Kirchenverfammlung verdammt nach diesen Worten des Heilandes alle Jene als Ketzer, die da behaupten wollen, daß ir¬ gend eine Sünde im h. Sakramente der Busse nicht nachgelassen werden könne. O wahrhaft kräftiges und einziges Rettungsliut- tel für arme Schiffbrüchige auf der Fahrt des geistigen Lebens! — Wer sollte dieses sichere Rettungsmittel nicht gebrauchen wollen, welches ihm der Sohn Gottes unser Herr und Heiland so lieb¬ reich anbiethet; wer sollte nicht bereitwillig und freudig hineilcn zum Stuhle der göttlichen Barmherzigkeit, um sich auszusöhnen mit dem beleidigten himmlischen Vater, und seine verlorne Freund¬ schaft und Liebe wieder zu gewinnen, um sich des Erbtheiles an seinem ewigen Reiche zu versichern, um die durch die Sünde ver¬ drängte Ruhe des Herzens wieder zurückzurufen. — Za dort beim Stuhle der göttlichen Barmherzigkeit, da erwartet Gott in Per¬ son seines Stellvertreters des Priesters, den rückkehrenden ver¬ lornen Sohn, er breitet als ein zärtlicher, barmherziger Vater gleichsam die Arme nach dem Unglücklichen aus, geht ihm voll Liebe entgegen,' bringt ihm den Kuß des Friedens, drückt ihn mit Freude an sein Herz, läßt ihn das lang entbehrte Kleid der Gnade wieder anziehen, und steckt ihm den Ring seines väterlichen Wohlgefallens an den Finger d. i. bereichert ihn mit allen Schätzen seiner väterlichen Huld, derer er sich durch seinen Abfall von ihm verlustig gemacht hatte. Nicht genug. Jede schwere Sünde raubt dem Menschen nebst der heiligmachenden Gnade, die die Duelle des geistigen Lebens ist, auch alles Verdienst der guten Werke, welches er sich erworben hatte. Wenn der Mensch noch so viele Verdienste für den Him¬ mel seine. Richt Ein h. L Gna ml, lern ne s liche h- - Sä jene der dur ein- vo, Si bel gü S K ne dc kr d u 8 b i' ; t < >- >- >-» « « « « mcl gesammelt hatte, so benimmt ihm eine einzige Todsünde all' seinen reichen Schatz und läßt ihn als den Aermsten vor den Richterstuhl Jesu Christi erscheinen. — Aber getrost Unglücklicher! Ein demüthigcs, aufrichtiges, vollständiges Süudcnbekenntniß im h. Saktramente der Busse, bringt dir mit der heiligmachcnde Gnade auch alle jene Verdienste zurück, die du durch die Sünde mloren hattest. Diese Verheißung macht Gott den reuigen Sün¬ dern selbst beim Propheten Joel, wo er sagt: Ich werde euch je¬ ne schönen Jahre wieder geben, welche der Rost und das schänd¬ liche Ungeziefer angefressen und verdorben haben, d. h. wie der h. Hieronymus sagt: Jene Seelen, die die Gnade Gottes (im Sakramente der Busse) wieder erlangen, werden alle Verdienste jener guten Werke zurückerhalten, die sie vormahls im Stande der Gnade gesammelt hatten. — Die guten Werke also, die durch die Sünde gleichsam ertödtet worden waren, erhalten durch eine aufrichtige Busse wieder neues Leben und all' das Gute, das von Gott nicht den mindesten Werth gehabt hätte, wenn der Sünder im Stande der Sünde gestorben wäre, wird nun ewig belohnt werden im Reiche Gottes, wenn der Sünder durch einen gültigen Gebrauch des Bußsakramentes gcrechtfertigct und im Stande der wieder erlangten Gnade stirbt. So groß ist die Kraft dieses von Christus angevrdneten Heilsmittels! Und überdieß was kann wohl schon hier auf Erden mit je¬ ner Ruhe, mit jenen Frieden der Seele verglichen werden, den der reuige Sünder nach der Aussöhnung mit Gott im Sa¬ kramente der Busse genießt? — Welcher Jubel für einen Gefan¬ genen und bereits zum Tode Verurtheilten, wenn er auf einmal das Wort: Begnadigung, vernimmt. Kaum kann er es fassen nnd tragen das unverhoffte Glück. — Welche Freude für einen Wanderer, den die Nacht in einer unbekannten Gegend überfal¬ len und an einen fürchterlichen Äbgrund geführt hat, wenn sich >hm unvermuthet ein Netter mit flammendem Lichte genähert! — Welcher Trost für einen Diener, der in die Ungnade seines mäch¬ tigen Gebiethers, von dem er alles zu fürchten hat, gefallen war, wenn er wieder durch einen unverhofften Zufall, dessen Huld und Gnade gewinnt! — Aber ungleich grösser und reiner ist die Wonne eines Sünders, eines verlornen Sohnes, wenn er nach einem reuigen und dcmüthigen Bekenntnisse seiner Vergehungen, die Versicherung erhält, daß er mit Gott seinem besten Vater wieder »>-» » 554 «c««ac ausgesöhnr ist, daß er seine Liebe wieder im vollen Maße genießt und folglich Anspruch machen darf auf jene Seligkeit, die er sei¬ nen Kindern bereitet hat. O tröstliche Versicherung! — Ich berufe mich hier wohl am kräftigsten auf unsere eigene Erfahrung. Wann in unferm Leben haben wir denn die ungetrübteste Ruhe, den seligsten Frieden, das reinste Vergnügen gekostet? — War es nicht allezeit an jenem glücklichen Tage, an welchem wir die Wunden unserer Seele dem Stellvertreter Gottes aufgedeckt, mit einem von Reue durch¬ drungenen Herzen das Bekenntniß unserer geistigen Gebrechen vor ihm niedergelegt, und von demselben im Namen Jesu Las trostvolle Wort der Versöhnung mit Gott vernommen haben: Gehe hin Sohn — gehe hin Tochter im Frieden! — deine Sün¬ den sind dir vergeben! — Gewiß, es war uns, als wir vom Stuhle der göttlichen Barmherzigkeit weggingen, als hätten wir das schwereste aller Laster abgelegt, als wäre uns eine neue Sonne aufgegangen! — neue Kraft, neues Leben, neue Freude erhob unser kurz vorher so niedergebeugtes erstorbenes Gemüth; und wenn uns früher der Gedanke an Golt nur Angst und Furcht erregte, und wenn wir darum diesen Gedanken sorglich zu ver¬ scheuchen suchten, so wurde jetzt dieser nämliche Gedanke an Gott für uns ein Gedanke des süssesten Trostes, der schönsten Hoffnung, der innigsten Freude — und wenn sich im Stande der Sünde unser Äug' nur schwer und düster gegen Himmel erhob und sich bald düsterer noch zur Erde wieder herabsenkte, so hob sich W unser Auge unwillkürlich nach Oben und suchte gleichsam dem ver¬ söhnten Vater zu begegnen um ihm mir heiterer Miene sagen zu können: Vater! ich bin auch wieder dein Kind! O meine Lieben! wenn es Sünder gibt, die nach geschehe¬ nem Sündenbekenntnisse ohne diesem himmlischen Troste, ohne die¬ sem göttlichen Frieden vom Stuhle der Barmherzigkeit Gottes weggeben, so liegt wohl die Schuld nicht in dem von dem Sohne Gottes eingesetzten Heilsmittel, sondern nur in dem schlechten Ge¬ brauche oder Mißbrauche desselben. — Wer ohne heilsame und richtige Kenntniß seiner Seelenkrankheiten, ohne Reue, ohne De- muth, ohne innerer Sinnesänderung zum Stuhle der göttlichen Barmherzigkeit hintritt, der wird freilich nicht glücklicher wohl aber unglücklicher noch von demselben weggehen. — Oder wer entweder aus einem bedaurungswürdigen Stolze, oder aus einer un- -» » 556 « « « « Geduld mit den Schwachheiten seines verirrten Mitbruders, Mit¬ leid für seinen traurigen Zustand haben, und wie der barmher¬ zige Samaritan wird er beim Anblicke des an seiner Seele schwer verwundeten Mitmenschen sich liebreich und dienstfertig zu ihm herab¬ lassen, seine Wunden sorglich untersuchen, Wein und Oel, die Stärke und Linderung der h. Religion, in dieselben gießen und sie mit dem Verbände der christlichen Liebe verbinden. Oder soll vielleicht die niedere Herkunft des Beichtvaters ein Hinderniß seyu, das dem Selbstbekenntnisse im Wege steht? — Mag der Beicht¬ vater immerhin von der niedrigsten Herkunft und das Beichtkind vom erhabensten Range seyn, so ist Loch Jener als Stellvertre¬ ter Jesu Christi ein Mann, der mit der Vollmacht Gottes ausge¬ rüstet ist, der ein Amt bekleidet, das nicht den Monarchen der Erde, ja nicht einmal den Engeln anvertraut wurde, ein Mann, aus dessen Ausspruch Gott selbst das Verdammnngsurthcil über den Sünder zurücknimmt und ihm Gnade ankündigen läßt. — An¬ betungswürdige Güte unseres Gottes! — Er läßt unter seiner Leitung Menschen von Menschen richten, damit dieses Gericht ein demüthiges, barmherziges, liebevolles Gericht werde. — lind wir sollten uns diesem sanften liebevollen Gerichte wegen der dabei erforderlichen SclbstaUklagc entziehen wollen? Naaman, ein Feldherr des Königs von Syrien, war nach Israel gekommen, um von dem Propheten Elisaus von seinem Aussätze geheilt zu werden. Der Prophet befahl ihm, daß er sich siebcmnale im Flusse Jordan waschen sollte. — Naaman hielt diesen Befehl für ein Zeichen der Verachtung. Lohnet es sich wohl der Mühe, sprach er unwillig, daß ich mein Vaterland verließ? Sind die Flüsse, die es durchströmen, nicht so gut als das Wasser des Jordan? — Wie denn, entgegneten ihm seine Diener, wenn dir der Prophet etwas. Grösseres befohlen hätte, müßtest du es nicht thun um geheilt zu werden? Das Nämliche, meine Lieben! könnte man auch jedem Sünder entgegnen, der das kräftige und leichte Mittel ein reuiges, demüthiges und auf¬ richtiges Sündenbekenntniß flieht, wodurch er allein von dem Aussatze seiner Seele geheilt werden kann. — Wenn Gott von dem Sünder, um ihn wieder seiner Gnade und der ewigen Seligkeit würdig zu machen, foderte, daß er all' seine Vergehun¬ gen und Laster öffentlich vor der Welt bekennen, alle seine Le¬ benslage in den schwcrestcn Bußübungen znbringcn, sich den größten »»»» 00/ «««« Leiden und Strafen hienieden unterziehen, all' sein Verwegen und selbst sein Leben unter den grausamsten Qualen hingcbm solle: so würde Gort dennoch nichts fodcrn, was nicht unendlich geringer wäre, als die Gnade, die er dem Sünder verheißt. — Aber nein, Gott fodert nicht so viel von dem Sünder; ein von herzlicher Reue, wahrer Demuth und ernstlicher Sinnesänderung begleitetes aufrichtiges Siindenbekcnntniß vor dem Priester, dem Stellvertreter Gottes, entwaffnet den göttlichen Zorn und öffnet dem Sünder die Arme des himmlischen Vaters! Wenn also Je¬ mand aus uns so unglücklich scyn sollte, seine Seele durch die Sünde, besonders aber durch eine schwere Sünde verunreini¬ get zu haben, oder zu verunreinigen, o so eile er sogleich mit einem deinüthigcn und zerknirschten Herzen hin zu dem Priester des Herrn und entdecke ihm den Aussatz seiner Seele, der ihn vor Gott mißfällig und verwerflich macht, um wieder gereinigct, begnadiget und in die Zahl der Kinder Gottes, der Erben des Himmels ausgenommen zu werden. An Priestern, an weisen und mitleidigen Scclenärzten, die da bereit sind, ihn liebreich aufzu¬ nehmen, seine geistigen Gebrechen zu untersuchen und zu heilen, gebricht es nicht. Es kann sich Niemand beklagen, wie der Gicht¬ brüchige am Schwdmmteiche zu Jerusalem: Seit acht und dreißig Jahren habe ich Niemanden, der mich in die heilsamen Wasser hinabließe. Nein, die Quelle der göttlichen Barmherzigkeit, die im Sakramente, der Busse sprudelt, ist unversiegbar und jedem Sünder zugänglich, wenn er nur selbst den ernstlichen Willen hat von seinem geistigen Aussatze gereinigct und geheilt zu werden, wenn er nur aufrichtig bemüht ist, alle Bedingungen treu zu erfüllen, unter welchen ihm von Gott Vergebung, Gnade und ewiges Leben verheißen ist. Amen. 22 »»»» 558 Am vierzehnten Sonntage nach Pfingsten, _ stia iuü »Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, so wird ^u euch das klebrige auch gegeben werden-«- Matth. 6, 3ä. nm der Eingang. Gc 11 Ueberaus schön und rührend schildert der Heiland im heutigen bej Evangelia das väterliche Walten der göttlichen Vorsehung! — de und doch sind es nicht weit hergeholte, nicht tiefsinnige und ge- — lehrte Beweise, deren er sich bedient, um seinen klcinmüthigen lei Jüngern die grosse und trostreiche Wahrheit anschaulich und im fühlbar zu machen: daß Gott, der Urheber der Schöpfung, auch di ihr fortwährender Erhalter und Regierer ist — nein, nur auf A das Bekannte, Alltägliche und Sichtbare im Reiche der Natur K macht Jesus seine Schüler aufmerksam, und läßt sie schon daraus ze zur Genüge, die weise und väterliche Haushaltung Gottes crkcu« te neu und bewundern. — Sehet an, sagt er zu ihnen — die Vögel bc in der Luft! — sie säen doch nicht, sie ärnten nicht und sammeln nicht st in die Scheuern; und euer himmlischer Vater ernährt sie! —und gi für euch, seine vernünftigen Geschöpfe, sollte er minder Sorge n tragen? — Seyd ihr denn nicht viel mehr Werth, als die Vögel der Luft? — Oder betrachtet die Lilien auf dem Felde! — auch diese können weder arbeiten noch spinnen, und doch sage ich euch, Laß selbst Salomo in seiner königlichen Herrlichkeit nicht geklei¬ det war, wie Eine von diesen! Wenn aber Gott die Blumen —' an sich ein unbedeutendes Gras, das heute noch auf dem Felde b steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so herrlich klel- n det —- um wie vielmehr wird er für euch sorgen — chc " Kleingläubigen! — Darum seyd nicht so übermässig besorgt »ad s fraget nicht immer: was werden wir essen? was werden wir triu- < ken, oder womit uns bekleiden? Dahin geht die Hauptsorge der Heiden, die Gott nicht kennen- — Euer himmlischer Vater aber, den ihr kennen sollet, weiß es wohl, daß ihr alles dessen auch < bedürfet. — Auf diese einfache aber überzeugende Art sucht der Sohn Gottes Jesus Christus in seinen freilich noch schwachglä"' lügen Jüngern die übermäfsige Sorge um das Zeitliche herab,"' »»»» 359 «««« stimmen, und sie zum Vertrauen auf die väterliche Vorsehung Gottes aufziimnntern — während er ihre Aufmerksamkeit auf das Gei¬ stige, Ewige und Himmlische hinlcnkt, das wohl unstreitig die erste und vorzüglichste Sorgfalt verdient. — Suchet, sagt der Hei¬ land, zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, das klebrige wird euch schon auch hinzugegeben werden! d. i. euer Hanxtstre- bcn soll nach den geistigen Gütern — »ach reiner Erkenntnis) Gottes, oder nach wahrer Weisheit, und nach Erfüllung des göttlichen Willens, oder achter Lugend gerichtet seyn; — darin besteht das Reich Gottes und dessen Seligkeit schon hier auf Er¬ den, und in seiner höchsten Vollkommenheit im jenseitigen Leben; — das Irdische und Vergängliche aber ist nur Mittel zu diesem letzten und einzigen Zwecke, folglich dem Geistigen und Ewigen immer nur untergeordnet. — Zn der Lhat, meine Lieben! ver¬ dienen die geistigen und ewigen Güter unsere erste Sorge und Aufmerksamkeit — sie nehmen überall und allezeit alle unsere Kräfte in Anspruch. Wir wollen uns davon heute genauer über¬ zeugen und zwar dadurch, daß wir den Vorzug der geistigen Gü¬ ter und Freuden vor den leiblichen etwas näher untersuchen und beherzigen, um so der Ermahnung Jesu zu Folge, unser Haupt- strebcn nach dem Reiche Gottes, nach dem, was ewig wahr und gut ist zu richten. Der Gegenstand verdient unsere ganze Auf¬ merksamkeit. Abhandlung. Wenn ich von den Vorzügen der geistigen und ewigen Güter vor den leiblichen und zeitlichen rede, so muß ich wohl besorgen, daß ich nicht allgemein verstanden werde. Und warum nicht? — Die Ursache will ich in einem Gleichnisse anschaulich Machen. Nicht wahr, meine Lieben! — cs ist sehr schwer einem Blindgebornen, der das freundliche Licht der Sonne niemals gesehen hat, die majestätische Schönheit dieses leuchtenden Him¬ melskörpers begreiflich zu machen; — sehr schwer, ihn zu der Einsicht zu bringen, daß dieses erfreuliche wohlthätige Licht über die ganze Schöpfung ein eigenes Leben verbreitet, durch leinen mächtigen Einfluß eine unnachahmliche Farbenverschieden¬ heit hcrvorbringt, und über die ganze Natur eine Schönheit und Anmuth ausgießt die selbst der sehende Mensch nur fühlen, 22 * »»»» 540 «««« nur bewundern, aber durchaus nicht so beschreiben kann, als er sie wirklich empfindet. Dein Unglücklichen von Geburt aus des Augenlichtes Beraubten kann man durch lebhafte Beschreibungen in dieser Hinsicht höchstens eine dunkle Vorstellung beibringcn, und in ihm den Wunsch erwecken, daß ihm doch das Augenlicht zu Theil werden mochte, damit er eine Schönheit, von welcher er' keinen deutlichen Begriff haben kann, deren Dafeyn ihm aber all¬ gemein versichert wird, selbst schauen und genießen könnte. Aber keine mögliche Erklärung, keine noch so lebhafte Beschreibung wird jemals im Stande seyn, die Wirkung des mangelnden Auges zu evschen und dem Blindgeborncn die Schönheit des Sonnen¬ lichtes und dessen Wirkungen so fühlbar zu machen, wie es nur das gesunde Auge vermag. So verhält es sich auch mit dem Werthe geistiger Güter (mit der Vortrefflichkeit jener Freuden, die die Tugend gewährt). Wer sein Herz bloß an irdische Dinge hingegeben, seinen Ge¬ schmack bloß an sinnlichen Freuden ausgebildet hat, — wer daher geistige Güter nicht selbst aus Erfahrung kennt, und das Beglü¬ ckende der Tugendfreuden noch nie gekostet hat, — der stehr in der geistigen Welt eben so da, wie der. Blindgeborne in der schönen sichtbaren Natur. — Keine Beschreibung keine Erklärung reicht hin, ihm, der feinen Geist unter das Lhierifche vergraben hat, das Hohe und Göttliche der Geistesgüter und Tugendsreuden fühlbar zu machen. Darum sagte auch Jesus zu den Juden, die der einleuchtendsten Beweise ungeachtet, die Wahrheit und Gött¬ lichkeit seiner Lehre nicht anerkannten: klebet, sprach er, meine Lehre in der That aus, und ihr werdet inne werden, daß sie ei¬ nes göttlichen Ursprunges ist. Und der h. Apostel Paulus schreibt eben so bestimmt: Der thierische, d. i. an die Sinnlichkeit hinge¬ gebene Mensch vermag nicht zu fassen, was des Geistes ist. — Indessen so wie in dem Blindgcbornen eine lebhafte Beschreibung der Naturschönheiten wenigstens den Wunsch hervorbringen kann, daß er sich von diesen Schönheiten doch selbst mit eigenem Auge überzeugen könnte; so kann auch oft in dem verwahrlosten mensch¬ lichen Herzen durch sorgfältigen Unterricht wenigstens der Wunsch angeregt werden, nach geistigen Gütern und Tugendfreuden zu streben, um durch eigene Erfahrung ihren Werth, ihre Vortreff¬ lichkeit und die daraus hervorgehende Seligkeit kennen zu lernen. — Könnte ich doch so glücklich seyn — durch meinen gegen« »»»» 341 «««« wattigen kurzen Unterricht bei denjenigen, die die geistigen Güter und Tugendfreudcn nur wenig oder gar nicht aus eigener Erfah¬ rung kennen, den lebendigen Wunsch zu wecken — sie recht bald selbst kennen zu lernen! — dann dürfte ich versichert seyn, daß der Besitz und Genuß dieser ächten Güter und Freuden ihr gan¬ zes Gemüth ergreifen und festhalten, ihre erste und wichtigste Sorge an sich ziehen werde. Ich sage also: die geistigen Güter haben einmal schon hierin den Vorzug vor den leiblichen und zeitlichen, daß sie nicht wie diese letztern bloß für den kleinsten Lheil der Menschen, sondern für jeden Sterblichen ohne Ausnahme erreichbar sind. So z. B. können wohl nur die wenigsten Menschen zu einem bedeutenden irdischen Reichthume gelangen; damit ein Einziger wohlhabend werde, müssen oft die Hände von Tausend Armen zufamenwirken — und wird derReichthum, was nicht selten geschieht, auf dem Wege der Ungerechtigkeit gesammelt, so müssen oft ganze Fami¬ lien ausgeplündert, beraubt, in Dürftigkeit gestürzt werden, um auch nur einen einzigen Betrüger zum reichen Manne zu machen. — Nicht so ist es mit geistigen Gütern. Zum Besitze dieser Guter kann Jedermann gelangen, ohne seinen Mitmenschen zu berauben, ohne durch Mitthcilung derselben armer zu werden, da er vielmehr durch Mittheilung selbst nur noch desto reicher wird. Die geistigen Güter bestehen aber in der Ausbildung des Verstandes durch nützliche, besonders durch religiöse Kenntnisse -— und in der Veredlung des Willens durch ächt christliche Tugen¬ den. — und sollte nicht das Eine wie das Andere für jeden Menschen möglich seyn? — Was einmal die Ausbildung des Verstandes durch nützliche, vorzüglich Religiouskenntnisse betrifft — kann der Taglöhner nicht eben so gut als der Fürst auf dem Throne feine Menschenbestimmung, seine Pflichten und die Mittel, sie zu erfüllen, immer mehr kennen lernen? Hat der weise Schö¬ pfer nicht allen Menschen die himmlische Gabe der Vernunft mit- gciheilt? — Hat der liebe Vater im Himmel nicht Jedem nach Beschaffenheit des Standes, zu dem er ihn berufen hat, Mittel und Gelegenheiten gegeben sich immer mehr zu vervollkommnen? Hat er nicht durch seinen menschgcwordenen Sohn auf Erden eine eigene Lehranstalt in seiner heiligen Kirche gegründet, durch welche gerade die wichtigsten Wahrheiten allen Sterblichen bekannt gemacht werden? Oder hat Jesus seine Apostel und ihre Nach- 542 «««« folger nur an die Grossen und Reichen, hat er sie nicht zu allen Völkern der Erde gesandt — um allen ohne Unterschied die Leh¬ ren des Heils zu verkündigen? Stehen unsere Tempel — dich göttlichen Schulen der Wahrheit nicht allen Menschen offen? — So ist denn also die.Wahrheit für Jedermann zugänglich, und weder der, der sie aufnimmt, beraubt den Andern an seinen Ein¬ sichten, noch wird der, der sie andern mittheilt, deßwegen ärmer am Verstände — irdische Güter können wohl durch Mittheilung vermindert werden, — aber der Reichthum des Verstandes wird durch Mittheilung sogar vermehrt, — denn durch Verbreitung nützlicher Kenntnisse und heilsamer Wahrheiten werden dieselben berichtiget und erweitert. Und was die Veredlung des Willens und des Herzens durch ächt christliche Tugenden betrifft — welcher Mensch ist wohl daran gehindert? Kann man nicht in jedem Alter, in jedem Stande bas Gute lieben und wollen, seine Neigungen, sobald sie ausar¬ ten sollen, in Schranken halten und das heilige Gesetz, welches uns Gott durch Vernunft und Offenbarung verkündet, erfüllen? Freilich wohl, können nicht alle Menschen die nämlichen äußern Handlungen vollbringen — der Arme kann nicht so wirken, wie der Reiche; der Untergebene nicht so handeln, wie der Vorge¬ setzte; — aber die wirkliche Tugend besteht auch nicht in der äu¬ ßern Handlung, sondern in der Gesinnung, aus welcher dieselbe gewirkt wird. Die Lugend ist der ernstliche und beharrliche Wille immer und überall das Gute zu lieben und zu thun und alle Pflichten seines Standes aus Liebe zu Gott genau zu erfüllen. Kann aber wohl ein Stand, ein Geschlecht oder Alter diesem guten Willen hinderlich seyn? Oder kann die gute Gesinnung des einen Menschen derselben guten Gesinnung des Andern im Wege stehen? — Nein, vielmehr erweckt die Tugend des Einen auch andere Menschen zur Lugend, und das Beispiel des Einen ist für viele andere erbauend. Geistige Güter — nämlich: Aus¬ bildung des Verstandes durch nützliche, vorzüglich Religivnskennt- nisse — und Veredlung des Willens durch ächt christliche Tugend — sind also sicher für alle Menschen ohne Unterschied erreichbar. Sie sind aber ferner auch ein bleibendes dauerhaftes Eigcn- thum dessen, der sie besitzt — Irdische Güter, als da sind: Schönheit, Reichthum, Macht und Ansehen hangen doch nicht sowohl von dem freien Willen des Menschen, als vielmehr vorn V » » » sts,) «««« Zufalls ab. Gemeiniglich ist es die Geburt, die diese Vorzüge ohne Rücksicht auf Würdigkeit unter die Sterblichen vertheilt. Die geistigen Güter aber — wahre Weisheit und Tugend, und die aus denselben heroorgehcnden Vortheile und Freuden werden Niemanden angeboren, werden von den Vätern auf die Kinder nicht vererbt, sondern müssen von jedem Menschen durch eigene Lhätigkeit erworben werden — eben darum sind sie aber auch über jeden Zufall erhaben — nichts in der Welt kann sie uns wider unfern Willen entreißen- Eine Krankheit z. B. raubt dem Menschen die Schönheit des Körpers, die ihm die Natur ohne fein Verdienst nur geliehen hatte; aber die Schönheit des Geistes, die er sich durch einen vernünftigen und heiligen Gebrauch feiner Kräfte — durch christliche Weisheit und Tugend erworben hat, kann ihm ohne feinen Willen kein Zufall rauben. -— Den Adels¬ brief, den die weltliche Fürstenmacht ertheilt, kann dieselbe Macht wieder zerreißen, — aber den Adel der Seele, den sich jeder Ein¬ zelne selbst erwerben kann, kann ihm keine Menschliche Macht vernichten. — Reichthum und Macht können durch unglückliche Ereignisse ganz zerfallen — und oft haben schon Reiche und Mächtige ihr Glück und ihr Ansehen unter Ketten und Gefäng¬ nissen begraben. — Aber der selbst erworbene Reichthum an Weis¬ heit und Tugend, die selbst erworbene geistige Macht wird durch kein Unglück zerstört, durch keine Ketten gefesselt; auch in Ban¬ den und Kerker bleibt der weise Lügenhafte Christ immer frei, denn in seinem gefesselten Körper wohnt eine unbezwingbare Seele — er bleibt Herr seiner Gedanken, Beherrscher seines Herzens und seiner Neigungen. — So waren die ersten Helden des Chri- stcnthums in den gräßlichsten Kerkern mit schimpflichen Ketten beladen dennoch groß und frei, und keine Grausamkeit der Tyran¬ nen konnte in ihnen das Reich des Glaubens und der Tugend zerstören. — Geistige Güter sind demnach wirklich ein bleibendes dauerhaftes Eigenthum dessen, der sie besitzt. Geistige Güter — christliche Weisheit und Tugend bewähren ferner auch dadurch ihren Vorzug — daß sic, und nur sie allein selbst über die unedlcrn zeitlichen Güter ein freudliches wohlthä- tiges Licht verbreiten, dieselben heiligen und ihnen einen wahren Werth verleihen, so daß auch unser unsterblicher Geist an densel¬ ben entschiedenen Antheil nimmt. — Welch' ein hohes Ceelen- »ergnügen fühlt nicht z. B. der tugendhafte Mann, der von » »>- » 544 «««« Gott mit Macht und Ansehen ausgerüstet, dasselbe dazu verwen¬ det, die Anschläge der Bösen mit durchdringendem Blicke zu er¬ forschen und die Pläne der Bosheit zu vernichten; welche Selig, keit für ihn, wenn er die schwache Unschuld kräftig schüren und die jammernde Lugend den Klauen der Ungerechtigkeit entreißen kann! — Und wahrend sich der Lasterhafte im Genüsse irdischer Güter nur Eckel und Ueberdruß erkauft — während der Böse¬ wicht sein Vermögen nur gebraucht um sich und Andere zeitlich und ewig unglücklich zu machen: so verwandeln sich im Gegcn- theile irdische Güter unter dem Schüße christlicher Weisheit und Lugend in eine reiche Quelle reiner und dauerhafter Freuden— Der wohlhabende Christ, dessen Handlungen die Religion leitet, dessen Herz die Lugend regiert, wandelt als ein wahrhaft gott- ähnliches Wesen unter seinen armern Mitbrüdern herum. Er versteht die Kunst und besitzt auch die Mittel, fremde Freude zu seiner eigenen zu machen, und mit liebreicher Hand die Lhränen von den Wangen der Unglücklichen abzntrockncn; — denn was der lasterhafte Reiche im Schooße der Wollust verschwendet, oder dem Stolze und der Eitelkeit aufopfert — damit wirkt der wohl¬ habende tugendhafte Christ Wunder der Liebe — wo er binkömmt, sucht er das menschliche Elend zu mindern — überall schlagen ihm dankbare Herzen entgegen, und er fühlt unaussprechlich die himm¬ lische Freude: Wohlthäter seiner Drüber zu seyn. Möchten nur manche Wohlhabende anfangen, die reine Freude zu kosten : Freunde und Wohlthäter der Menschen zu seyn, gewiß würden sic sich überzeugen, daß diese Freude an Reinheit und Dauer jedes Sinnenvergnügen unendlich übertrifft. Der hohe Werth geistiger Güter — zeigt sich ferner auch darin, daß sie auch abgesondert von irdischen Vortheilen >— daß sie auch im Unglücke bestehen können. So wie wahre christliche Weisheit und Tugend keinem Sterblichen angeboren, und von keinem Zufalle erthcilt werden, so sind sie auch ganz unabhängig von körperlicher Schönheit, von irdischem Rcichthum und weltli¬ cher Macht. — Sv kann z. B. in einem häßlichen Körper das edelste Herz, die schönste Seele wohnen, während ost der schönste Körper den verworfensten Geist, das bösartigste Herz beherbergen kann. — Sv kann der Reichthum gar wohl mit tiefer Unwissen¬ heit gepaart seyn, und das prächtigste Gewand kann die größte Lhorheit bedecken — während der weise tugendhafte Christ dürs- » » » » 3^5 «««« tiq und unansehnlich einhcrgcht. — Schwach und gebunden kann der.Tugendhafte semi, während der Bösewicht herrscht, und Un¬ heil unter den Menschen stiftet. — Aber wenn "auch christliche Weichei- und Lugend von Armuth, Unglück und Leiden begleitet werden, so leisten sie doch dem, der sie besitzt, wesentliche und treue Dienste. — Wenn der Lasterhafte, der seine ganze Selig¬ keit auf irdische Dinge baut — Ansehen, Macht und Vermögen verliert — so ist auch seine geträumte Seligkeit dahin; denn sein verwildertes Herz kennt außer dem verlornen Sinnengenusse kein edleres Gut, das auch im Unglücke fest stehen könnte, und sein verblendeter verwahrloster Verstand biethet dem verwundeten Her¬ zen keine tröstende Aussicht dar. — Ganz anders ist im Unglücke die Lage des Menschen, der sich christliche Weisheit und Tugend erworben hat. Sein" dnrch ächte Grundsätze der Religion gebil¬ deter und mit nützlichen Wahrheiten und Kenntnissen versehener Verstand ist sein Reichthum; sein mit edlen Eigenschaften gezier¬ tes Herz ist seine Schönheit — und seine unter beständigen Käm¬ pfen herangcreifte Tugend ist seine Macht. Mögen ihm auch ir¬ dische Güter geraubt werden: seine erworbenen heilsamen Kennt¬ nisse sind für ihn ein bleibendes Kapital, das ihm keine räuberische Hand, kein Wucher, keine Ungerechtigkeit entreißen kann. Durch eine weise und treue Anwendung dieses Kapitals, wird er sich wenigstens das nöthige Fortkommen sichern — durch Lehren, Rath und Trost noch Gutes wirken und Wohlthäter seiner Brü¬ der seyn. — Oder mögen auch den weisen tugendhaften Christen irdische Leiden überfallen — er wird immerhin noch eine feste Be¬ ruhigung finden, die der Lasterhafte im Unglücke gar nicht findet; denn der Tugendhafte kennt die erfreulichen Trostgründe, welche Vernunft und Religion dem Menschen in jeder Lage anbiethen, und weiß sogar aus dem Unglücke wichtige Vortheile zu ziehen, indem er durch dasselbe belehrt, desto mehr zum thätigen Mit- lcid gegen fremdes Unglück geweckt wird — die Hinfälligkeit ir¬ discher Güter deutlicher noch cinsieht — das Verlangen nach ih¬ nen noch mehr inäfsigxt, sich in der Geduld und Ergebung in den Willen Gottes desto mehr übet und sich herzlich freut über das geistig Gute, das er schon wirklich besitzt. Und eben sein irdi¬ sches Unglück, das er sich nicht selbst durch Lhorheit und Laster zugezogen hat, öffnet ihm die fröhliche Aussicht in ein besseres Leben, wohin ihn seine geistigen Güter begleiten. » » d) D 54Ü lind hierin eben, daß uns die geistigen Gü^er auch,in die Ewigkeit hinüber begleiten und selbst dort noch eine unvcrtilgbarc Duelle der Seligkeit für uns werden — liegt ihr wesentlichster Vorzug vor den irdischen Gütern. — Wenn einst uns^e lelste Stunde schlagt, und diese schlägt für Reiche und Arme >— für Niedrige und Grosse, für Weise und Thoren — wenn wir von dem vergänglichen Schauplätze dieser Erde in die Ewigkeit abge¬ rufen werden: dann müssen wir Alles zurücklassen — was der Erde angehört. Die körperliche Schönheit z. B. welkt unter der Sichel des Todes, wie die Blume unter der Hand des Mähers — der schönste Körper wird wie der häßliche in einen gleich ver¬ ächtlichen Staub verwandelt; der Reiche muß alle seine Schätze fremden. Händen zurückkassen — arm wie der letzte Bettler wird auch er in die Grube gesenkt. Der unbesiegte irdische Held, der seine Krone gegen Völker und Nationen vertheidiget hat, legt sie vom Haupte, sobald der Tod auf den Kampfplatz tritt, denn dieser zerbricht unerbittlich das Szepter des Herrschers, und macht den Mächtigsten so schwach als den elendesten Sklaven.— Wird nun der Mensch von dem heiligen und gerechten Vergelter wohl eine Belohnung erwarten dürfen — dafür: daß ihm die Natur körperliche Schönheit verliehen, daß er hienieden grosse Rcichlhümer besessen — viele sinnliche Freuden genossen und über andere Sterbliche ein mächtiges Ansehen behauptet hatte? — O nein, diese vergänglichen Güter, denen schon unsere Ver¬ nunft keinen Werth an sich zucrkennen kann, wird der göttliche Richter keiner Belohnung würdigen; vielmehr werden dieselben, wenn sie hier auf Erden aus Thorheit und Bosheit wider den Willen Gottes gemißbraucht worden sind, vor dem höchsthciligcn und gerechten Gott eine Ursache seines höchsten Mißfallens und eine Duelle ewigen Unglückes werden. — Aber die edlen Güter des unsterblichen Geistes, nämlich: wahre christliche Weisheit und achte Lugend — diese, ja diese kann uns der Lod eben so we¬ nig entreißen als irgend ein feindlicher A-ssall, oder eine mensch¬ liche Gewalt. Sic — aber auch nur sip allein begleiten uns, als unser wahres unzerstörbares Eigenthum'kn die Ewigkeit hinü¬ ber und sind für uns auch dort, und dort am ^sichersten eine Duelle der reinsten dauerhaftesten Freuden. Zn die Ewigkeit be¬ gleiten uns alle die nützlichen Kenntnisse und Wissenschaften des Heils, die wir uns hienieden mühsam nach Gottes heiligem Willen 347 «<(« gesammelt, die wir unfern Mitbrüdern liebreich mitgethcilt, die wir zu ihrem leiblichen und geistigen Wohle verwendet ha¬ ben. <— Diese edlern Kenntnisse und Heilswissenschaften, wer¬ den im Reiche Gottes nur noch mehr und fortwährend erweitert und vervollkommnet; denn wie der Apostel versichert, ist all' unser Wissen hienieden immer nur Stückwerk, wir sehen hier nur wie in einem trüben Spiegel, dort aber werden wir Gott dem Allwissenden ähnlich werden und ihn folglich sehen und erkennen wie er ist. — Hinbegleiten — in die Ewigkeit wer¬ den uns die schönen Tugenden, die wir uns hienieden im heili¬ gen Kampfe mit den Feinden des Heils errungen, alle die guten Werke, die wir aus Liebe zu Gott mit Aufopferung unser selbst gewirkt -i- alle die Wohlthaten, die wir unsern Mitbrüdern während unserer irdischen Wanderschaft erwiesen ha¬ ben — diese sind jener vortreffliche Same, der schon hier auf Erden aufgehet und blühet und reichliche unvergängliche Früchte in der ^Ewigkeit bringt — der Same, von welchem der Apostel sagt: Wer viel säet wird üuch viel ärnten und wer im Gei¬ ste säet, wird nach dem Geiste das ewige Leben ärnten. So wie uns also das eifrige Streben nach geistigen Gütern nach pahrer christlicher Weisheit und Tugend zur Aehnlichkeit mit Gott führt: fo führt uns dieses nämliche Streben auch zu einer Seligkeit, die der göttlichen selbst der allein wahren und bleiben¬ den ähnlich ist. Wir können nun eine zweifache Seligkeit — die Eine ist gegründet auf irdische Güter und Freuden — die Andere hingegen auf geistige — auf Weisheit und Tugend; aber die erste ist eine vergängliche, die zweite eine ewige; die erste eine irdische, die zweite eine himmlische, die erste entspricht nur den Fede¬ rungen der Sinnlichkeit, die zweite den Foderungen und Be¬ dürfnissen der Vernunft und der unsterblichen Seele. — Welche von beiden sollen wir nun als die wesentliche, als das höchste Ziel unserer Wünsche, unseres Strebens und unserer Bemühungen anerkennen. — der Sohn Gottes Zesus Christus unser Herr und Heiland sagt es uns ausdrücklich im heutigen Evangelio. Trach¬ tet, spricht er, zu allererst nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit! Lassen Sie uns also von nun an eben so rastlos und ausharrcnd nach christlicher Weisheit und Lugend — nach dem, was ewig wahr, gut und heilig ist, streben, als wir bisher nach vergänglichen irdischen Gütern gestrebt haben! — dann wer- >-» » » 548 « « « « den wir gewiß schon hienieden eine Ruhe des Herzens, eine Zu« friedenheit der Seele — eine Glückseligkeit finden, die alle irdi¬ schen Freuden unendlich übertrifft, die über unser ganzes Leben ein heiteres und wohlthätiges Licht verbreitet, die uns in keiner Lage, selbst im größten Unglücke und im Lode nicht verläßt- und für uns ein heiliges Unterpfand jener unaussprechlichen Seligkeit ist, die Gott den Auserwählten in seinem Reiche bereitet hat. Amen. Am fünfzehnten Sonntage nach Pfingsten» »Eiehe! da trug man einen Tobten heraus, der seiner Mutter einziger Sohn war.« Luk. 7, 12. Eingang. Sic werden sich erinnern können, meine Lieben! daß ich schon in manchem Vorträge, wenn nicht eben geflissentlich, doch gele¬ gen heitlich auf den Lod zu reden kam. — Darum eben war ich für dieses Mal nicht eigentlich dafür gestimmt, abermals und zwar vorsätzlich vom Tode zu sprechen; denn wer wird sich immer mit dem niederfchlagenden Gedanken an den Tod beschäftigen? — So könnten manche und vielleicht viele meiner Zuhörer, besonders aus der Zahl der Mgern und lebensfrohem bei sich selbst den¬ ken. — Allein was mich betrifft — ich muß gestehen, daß mich der Evangelist im h. Eoangelio mit seinem Ausrufe: Siehe! da trug man einen Todten heraus, der seiner Mutter einziger Sohn war — so mächtig ergriffen hatte, daß ich mich gleichsam un¬ willkürlich entschließen mußte, meine Gedanken auf den Leichenzug des Jünglings von Naim zu richten, bei diesem Leichenzuge und somit auch bei der Betrachtung des Todes länger zu verweilen. — Siehe! ruft der Evangelist—siehe! d. h. merke auf! wende deine Gedanken hiehcr! fasse es wohl, beherzige es wohl! — man trug einen Todten heraus, der seiner Mutter einziger Sohn war! — Also einen Sohn trug man aus dem älterlichen Hause; emen Sohn in der Blüthe seines Lebens; einen Sohn, um den »»»» 349 «««« cme liebende Mutter, und schon langer auch Wittwe zugleich, als um die letzte ihr nun geraubte Stutze trauert — einen Jüng- lmg trug man hinaus, dessen Leiche das mitlcidbczeigende Volk die letzte Ehre, die Ehre der Begleitung zum Grabe erweist. Ja, bei diesem Lcichenzuge müssen auch wir in Gedanken etwas stehen bleiben, an dieser Lrauergefchichte müssen auch wir lebhaften Antheil nehmen; denn sie erinnert uns an unsere eigene Sterblichkeit, oder besser, sie ist dieselbe Lrauergeschichte, die sich Über kurz oder lang an Jedem aus uns ganz gewiß erneuern wird. — Zwar erneuert sie sich täglich vor unser» Augen, denn der Tod ist etwas so Allgemeines und Alltägliches, daß cs schon den wenigsten Sterblichen beisällt, ihn zu beachten; indessen aber ist der Tod darum, weil man ihn nicht beachtet, um nichts we¬ niger wichtig, sondern vielmehr noch wichtiger. Denn was ist doch eigentlich der Lod? Er ist eine gewaltsame Zerstörung des Menschen, vermöge welcher der thicrische Lhcil desselben, der Leib in die Verwesung, der geistige Theil hingegen — die Seele zu Gott ihrem Schöpfer und Richter übergeht. — Wenn das ist, so hat also mit dem letzten Athemzuge des Menschen, mit der Erkaltung seines Blutes und Erstarrung seiner Glieder nicht alles ein Ende? — Nein, wäre das, so wüßte ich wirklich nicht, warum wir dem Tode gar so viel Aufmerksamkeit widmen sollten? — Weil wir aber im Lode uns selbst überleben, weil unser besserer Theil der Geist zu Gott seinem Schöpfer und Rich¬ ter hinüberwandert, um von ihm zu empfangen, je nachdem er in seinem Leibe Gutes oder Böses gewirkt hatte — so kann für uns wohl nichts wichtiger seyn, als der Tod; ist aber der Tod so wichtig für uns, so müssen wir uns mit ihm frühzeitig und auf eine vortheilhafte Art bekannt machen, um so mehr, da seine Ankunft gewiß, die Zeit seiner Ankunft aber ungewiß ist. Wir machen uns aber mit dem Tode bekannt, wenn wir öfter und ernstlicher an ihn denken. Eine solche öftere und ernstere Erin¬ nerung des Todes ist die richtigste Bekanntschaft mit ihm, und zugleich das kräftigste Mittel zu einer guten Vorbereitung auf die Ankunft des Todes selbst. Diese Wahrheit sey nun der Ge¬ genstand unserer heutigen Betrachtung — schenken Sic ihr voll¬ kommene Aufmerksamkeit! 550 « « « « Abhandlung. Sich zum Tode vorbereiten, heißt so leben, wie man am Sterbebette wünschen würde, gelebt zu haben; am Sterbebette wünscht aber Jedermann gut und tugendhaft — in der engsten Freundschaft mit Gott gelebt zu haben, folglich ist ein guter tu¬ gendhafter Lebenswandel die beste und sicherste Vorbereitung zum Lode. Eine solche Vorbereitung setzt aber, wie Jedermann ein¬ sieht, Zeit und Mühe voraus — sie ist nicht das Werk einiger Stunden oder Augenblicke, weßwegen auch die h. Kirchenvater sagen, daß das ganze Leben des wahren Christen weiter nichts sey, als eine Vorbereitung zum Tode- — Einen unverfehencn Tod fürchtet doch gewiß Jeder aus uns? was hilft aber diese Furcht, wenn wir uns selbst in eine Art von Nothwendigkeit versetzen, unversehens zu sterben; denn wenn wir es recht nehmen wollen, meine Lieben! so stirbt man nicht dann eines unversehenen Todes, wenn man äußerlich, sondern wenn man innerlich unvorbereitet von ihm überfallen wird, d. h. wenn man sich erst dann geistiger Weise auf den Tod vorbereiten will, wo man zu leben aufhött, wenn man erst dann ernstlich denkt: ich hätte sterben können, wo man wirklich stirbt. Nein, meine Lieben! wer sich zum Tode recht vorbereiten will, der muß schon in seinem Leben recht oft und ernstlich an ihn denken. Und dieses ist nicht nur nicht unmöglich, sondern nicht ein¬ mal schwer. Denn Jeder aus uns hat, wenn er nur will, Zeit, Kraft und Gelegenheit genug sich recht ost und recht ernstlich des Todes zu erinnern; cs kann wohl Jemand sagen: Ich kann mich nicht lange in Betrachtung göttlicher Dinge aufhalten, denn sie sind über meinen Verstand; oder ich kann nicht lange beten, denn ich habe zu viele häußliche und andere Sorgen; oder ich kann nicht strenge fasten, denn meine Natur ist zu schwach; oder ich kann mich nicht in der Einsamkeit aufhalten, denn meine Berufs- geschäfte rufen mich unter die Menschen; oder ich kann nicht Al¬ mosen geben, denn ich selbst lebe kümmerlich und leide Mangel an Allem! — Das Alles kann der Eine oder der Andere und oft mit Grund sagen. Aber Niemand kann sagen: Ich kann an den Lod nicht denken — er ist mir etwas Fremdes — ich habe nicht nöthig an den Tod zu denken — er wird mich nicht treffen. Wir kennen ja als Christen jenes wichtige Gebot, das der Scho- » » » » L51 «c««« pftr unfern ersten Sta mm. altern im Paradiese gegeben hatte: An welchem Tage du von der Frucht der Crkenntniß des Guten und u Bösen essen wirst, wirst du des Todes sterben. — Wir wissen e auch, daß die ersten Acltern dieses Gebot wirklich übertreten und a sich dadurch der ihren vom Schöpfer angcdrohtcn Strafe schuldig - aemacht haben; es ist uns auch nicht fremd, daß nach der Lehre i des Apostels durch die Sünde des ersten Menschen der Tod aus ° alle seine Nachkommen übergegangen ist, weil Alle in ihm ge- sündiget haben; daß also der göttliche tlrtheilsspruch, der über den ersten Menschen erging, ein allgemeiner unwiderruflicher Ur- theilsfpruch ist! Aber gesetzt, wir wüßten nichts, weder von dem unfern Stammüttern gegebenen göttlichen Gebote, noch von der ttcbcr- tretung desselben, noch auch von dem über sie und alle ihre Nach¬ kommen ergangenen göttlichen Strafurtheile — so müßten uns ja die Geschichte aller Zeiten und die tägliche Erfahrung hin¬ länglich von unserer Hinfälligkeit überzeugen. Sv lange die Erde besteht, sagt der weife Sirach i, 4., kehren Geschlechter nach Geschlechtern in den Staub zurück, und andere treten statt ihrer hervor. Wir sehen es und können es nicht läugnen; wir selbst haben schon entweder unsere Aeltern oder Geschwister oder Ver¬ wandte, Freunde, Wohlthätcr und Bekannte den Weg des Todes uns vorauswandeln gesehen. Ihre Grabstätten sind vielleicht in unserer Nähe, wir kennen sie nicht besuchen, ohne zu denken, daß sie nicht mehr sind, und daß wir wie sie vielleicht bald auf- hörcn werden zu seyn. — Ucberhaupt müßten wir nur vorsätzlich taub, blind und gefühllos seyn wollen, um behaupten zu können, daß wir nicht jeden Augenblick an den Tod so zu sagen austvsscn. — Die Sterbeglocke, deren trauriger Klang bald am frühesten Morgen, bald am geräuschvollen Mittage, bald am stillen Aben¬ de, bald in schauerlicher Mitternacht, bald um diese bald um jene Stunde an unser.Ohr schlägt; die Leichen, die man fast täglich und oft dicht an unfern Wohnungen im Gepräge der Trauer vor- beiträgt; die Gottesäcker, auf denen immer neue, immer frische Grabeshügel aufgeworfen werden; die plötzlichen und wunderbaren Sterbefälle, von denen wir entweder selbst Augenzeugen seyn können, oder die uns häufig berichtet werden; — alles dieses sind sichtbare und handgreifliche Beweise unserer Hinfälligkeit und Sterblichkeit. Ja sogar die leblose Natur hält uns fortwährend c)o2 «««« mit dem Bilde des Lebens zugleich das Bild des Todes vor die Seele. Die Sonne, die hinter den Bergen hinabsinkt, und auf unzählige Erdebewohner ihre Strahlen zum leßtenmale zuriickwirst; die Nacht, die sich über unfern Erdkreis lagert, und über Tau¬ sende einen ewigen Tvdtcnflor wirft; der Schlaf, der fo manchen Lebensfrohen wie Lebensmüden auf immer die Augenlicder schlieft; der Lampendocht, dem unvermerkt bas Oel, sein Lebensgeist, aus¬ geht, der noch einmal in einem Hellen Funken auffprüht und dann verlischt; die Blume, die im Glanze ihrer Schönheit ver¬ blüht, oder noch vor der Blüthe dahinwelkt; — das falbe Herbst, laub, das der feuchte Wind vom Baume zu den Füssen des Wanderers hinstreut. — Alles Bilder unserer Hinfälligkeit — stille Bothen des Todes, die uns mit leiser Stimme zuflüstern: Mensch! Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben! Sehen Sie, meine Lieben! so sehr wird uns die Erinnerung des Todes durch Religion, Vernunft, Erfahrung und Natur er¬ leichtert! — Und dennoch zwingen wir uns unglücklicher Weise den Gedanken an den Tod, besonders an unfern eigenen Lod, recht weit von uns zu verbannen, weil wir fürchten dadurch in unfern Geschäften und Plänen gestört, in unfern Genüssen und Freuden beschränkt zu werden, traurig, finster, unthatig oder wohl gar verwirrt und verzagt in der Welt herum zu gehen. Allein das, meine Lieben! ist keineswegs die Absicht unserer h. Religion, die uns ein stetes und ernstes'Andenken an den Lod so nachdrücklich empfiehlt; vielmehr will sie, daß wir die zeitlichen Güter und Freuden, und überhaupt unser Daseyn hienieden, auf eine rein heitere gotteswürdige Art mit dem Hinblicke und dec sichern Hoffnung auf ein anderes besseres Leben genießen sollen. Wie denn das? weil die Religion will, daß eine stete und ernste Erinnerung des Todes ein mächtiger Zaum seyn solle,'der uns vor der Sünde, der Urquelle und dem Inbegriffe aller Ucbcl, zurückhalte. Und wirklich, meine Lieben! an emc stete und ernste Erinnerung des Todes knüpft sich die Furcht vor der Sünde so sehr an, daß man die Sünde ungleich leichter und sorgfältiger flieht, als durch jedes andere Mittel. So z. B. wenn wir un Glücke und Ansehen leben, erinnern wir uns nur an unfern letz¬ ten Antheil — an die schmale, dunkle und armselige Behausung, die einst unfern entseelten Leib einschließen, an die etlichen Wurf¬ schaufeln Erde, die uns bedecken, an das stille Grab, in welchem m A in h u a S t ! i 1 » »n » unser Leib in der Verwesung dem grossen Lage der allgemeinen Auferstehung entgegen keimen wird — und wir werden uns sicher im Glucke nicht überheben, sondern demüthig seyn lernen. Ich habe, sagt Job, zu der Verwesung gesagt: Du bist mein Vater, und zu den Würmern: ihr seyd meine Mutter und Schwester, Job 17, 14. Wenn wir in der Welt Unglück, Krankheiten, Verachtung und Verfolgung zu dulden haben, so erinnern wir uns, daß hieniedcn alles ändert und wechselt, daß der Tod alle Leiden aufhebt und dem frommen christlichen Dulder die Aussicht in eine bessere Heimath eröffnet, so werden wir jedes Mißgeschick des Lebens geduldig und standhaft bis an's Ende ertragen. Alle Leiden dieser Welt, sagt der Apostel, sind in keinen Vergleich zu stellen mit der künftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar wird. Wenn wir versucht werden unsere Jugend und unsere Kräfte dem Dienste der Welt und ihren' sündhaften Freuden und Genüs¬ sen zu opfern: bedenken wir, daß wir uns von unserer Jugend und von unfern Kräften keinen Freiheitsbrief wider den Tod ab- borgcn können, und daß alle genossenen Freuden dieser Welt uns im Tode nichts nützen werden, — so werden wir stets selbst in den Tagen der Jugend unseres Schöpfers eingedenk — seinem Dienste treu bleiben und selbst im Genüsse erlaubter Freuden und Ergötzlichkeiten die Schranken der Mässigkeit nicht überschreiten. Der Mensch, sagt König David, ist in seinem Leben wie Gras — er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, ist sie nicht mehr da, und sie kennt ihre Stätte nicht mehr. Pf. 103. — Und — ich habe alles unter der Sonne gesehen, und alles ist Eitelkeit und Betrübniß des Geistes! — Wenn zeitliche Sorgen und Geschäfte unser Gcmüth zu sehr beunruhigen sollten, denken wir, daß jede überspannte Anstrengung einen Lheil unserer Kräfte aufzehrt und uns dem Grabe näher führt, und daß nur Eines nöthig ist — die Sorge für unser ewiges Heil: so werden wir unser Herz nie an das Irdische fesseln, und das Ewige nie außer Acht lassen. Sammelt euch vielmehr Schätze für den Himmel, sagt Christus, wo sie weder Diebe ausgraben, noch Nost und Motte verzehren können. '— Wenn wir nut unsern Verwandten, Freunden, Bekannten und geliebten Personen Umgang pflegen —- erinnern wir uns, daß wir einst, und vielleicht ehe wir's vermuthcn, durch den Tod von ihnen getrennt werden! — so werden wir ihnen zu Liebe nichts thun 554 « « « « und auch von ihnen nichts fodcrn, was wider ihr und unser Ge¬ wissen und das Gesetz Gottes ist. — Und siehe! da trug man einen Tvdtcn heraus, der seiner Mutter einziger Sohn war- — Ucberhaupt, meine Lieben! wenn uns entweder unsere eigene Sinnlichkeit zum Bösen reizen, oder wenn die Welt und ihre Kinder uns entweder durch Hoffnung oder Furcht, durch Schmei¬ chelei oder Verachtung, durch Gunst oder Verfolgung zur Uebcr- tretung eines göttlichen Gebotes auffodern sollten: so überlegen wir allezeit bei uns selbst, nur dieses Einzige: Würdest du dich wohl zu dieser oder jener Thar entschließen können, wenn es an dem wäre, daß du jetzt sterben und yor dem ewigen, heiligen und gerechten Richter treten müßtest? — Diese ernste Frage wird uns das Gewissen sicher nicht unbeantwortet lassen und seine Ant¬ wort wird uns Kraft geben, der Versuchung zu widerstehen, die Macht der Leidenschaft, der Verführung, des bösen Beispiels zn entwaffnen, und uns auf dem Wege der Unschuld und Tugend aufrecht zu erhalten. — Bei all' deinem Thun und Lassen scy deines Endes eingedenk, so wirst du dich stets vor der Sünde bewahren, sagt der weise Sirach. Sehen Sie, meine Lieben! so wird eine öftere und ernste Erinnerung des Todes für uns wirklich ein kräftiges Gegenmit¬ tel wider die Sünde, und somit auch ein kräftiges Mittel dec Vorbereitung zu einem guten Tode. Denn so wie es ein Wi¬ derspruch ist, sich zu einem guten Tode rüsten, und dabei doch nicht an den Tod denken: so muß es auch ein Widerspruch sevn, ost und ernstlich an den Lod denken, und sich dabei nicht zu ei¬ nem guten Lode rüsten. — Der öftere und ernstere Gedanke an Len Tod hat doch gewiß für jeden Menschen, für den Monarchen auf dem Throne, wie für den Armen in der Strohhütte, für den Jüngling, wie für den Greis, für den Gelehrten, wie für den Ungelehrten, für den Angesehenen, wie für den Niedrigen etwas Erschütterndes; weil nichts gewisser ist als der Lod, nichts ungewisser als die Stunde des Todes, weil nichts schwerer ist als der gute Tod, weil nichts schrecklicher ist als der böse Tod. Man kann unvermuthet sterben, man kann unglücklich sterben, Alles verlieren und das Verlorne nie wieder cinbringen, denn nach dein Tode ist keine Wiederkehr. Er führt uns augenblicklich zu unserm Richter, der, wie die heilige Schrift sagt, Jerusalem mit Laternen durchsuchen, d. h. alle unsere Vergehungen auf das « « « « 255 «««« de¬ lan nie >re ti¬ r¬ en ch lN ld d le n d- Gedanken Denn so macht er und zwar verlieren, genaueste an das Licht ziehen — vor dem der Gerechte selbst kaum rein gefunden wird — zu unserm Richter, der über die uns anvertranten leiblichen und geistigen Güter als über eben so viele Äilcntc, mit welchen wir für die Ewigkeit hatten wuchern svllcn, strenge Rechenschaft fodern, der den getreuen Knecht als seinen Freund anfehen und in seine Freude aufnehmen, den un¬ getreuen aber auf ewig von sich stossen und zur gerechten Strafe verdammen wird! Darum liegt auch in einem öftern und ernsten an den Tod zugleich ein mächtiger Antrieb zur Busse, wie dieser Gedanke die Frommen vorsichtiger macht, so nicht selten die Lauen erwachen, die Sünder erzittern, desto mehr, je mehr sie durch den Lod in der Welt zu je weniger sie Jenseits zu hoffen und je unvorbereiteter sie vor ihrem Richter zu erscheinen haben. So vernahm jener Wucherer im Evangelio, nachdem er seine Scheuern reichlich gefüllt, und sich einen langen Genuß des Zusammengcscharrten versprochen hatte, mit betäubenden Schrecken die Stimme des Richters: Du Thor! — in dieser Nacht noch wird man deine Seele von dir fodern, und was du gesammelt hast, wessen wird es seyn? — Wer einst diese unerbittliche Stimme des Richters nicht auch mit Schrecken vernehmen will, der wird sich schon jetzt auf einen mildern Ruf gefaßt zu machen suchen. — Er wird jetzt schon zu einer ernstli¬ chen Busse schreiten, wenn er durch die Sünde von Gott getrennt ist, er wird die Vereinigung mit ihm nicht auf die letzten Augen¬ blicke hinausfchiebcn, von denen er sich nichts Gewisses versprechen kann. Je gewisser der Lod und je ungewisser die Zeit seiner Ankunft ist, desto sorgfältiger wird er schon bei Lebzeiten alles aus dem Wege räumen, was ihm den Tod gefährlich machen kann; desto glücklicher wird er sich schätzen, wenn er noch so viel Zeit gewinnt als nöthig ist, um sich vor dem grossen Tage, der un¬ versehens erscheint« möglichst gut zu sichern. Hat also der Sünder bisher viel Böses gcthan, so sucht er von nun an desto mehr Gutes' zu üben; denn es könnte unver¬ sehens die Nacht des Todes einbrechen, in der er nichts mehr zum ewigen Leben wirken könnte; hat er bösen Leidenschaften gestöhnt, so bemüht er sich, sie sobald als möglich und ganz zu bezwingen, denn sie könnten ihm sonst selbst einen eben so schnellen als schrecklichen Lod herbefführen; hat er durch Worte und Handlun- 25 * -)» » 356 «L « « « gen Aergerniß gegeben, so denkt er daran, das Aergerniß nach Möglichkeit aufzuhcben, und durch Busse die Geärgerten zu et- bauen; denn sonst könnte der Tod das von ihm gegebene Acr- gerniß noch weiter fortpflanzen und noch mehr Seelen zu Grunde richten; hat er dem Nächsten an seiner Ehre oder an seinem Ver¬ mögen auf was immer für eine Art geschadet, so sucht er den Schaden jetzt schon gut zu machen und zu ersetzen, denn der Lod könnte ihm dir Gelegenheit hiezu abfchneiden; hat er wider Je¬ manden Haß und Feindschaft im Herzen, so eilt er, sich mit ihm liebreich und dauerhaft auszusöhnen, denn der Tod könnte ihn von seinem Feinde unverhofft trennen und die Aussöhnung un¬ möglich machen. — Kurz eine öftere und ernste Erinnerung des Todes wird nach und nach selbst den hartnäckigen Sünder zwin¬ gen, den Weg zur Busse einzuschlagcn und dem Lage eines furcht¬ baren Gerichtes zuvorzukommen. Wohl daher dem, meine Lieben! der durch eine öftere und ernste Erinnerung des Todes noch bei Lebzeiten mit ihm bekann¬ ter und vertrauter wird — denn diese öftere und ernste Erinne¬ rung des Todes wird ihn ganz sicher entweder auf dem Wege der Tugend erhalten, oder ihn auf den Weg der Lugend mittelst einer aufrichtigen Busse führen. Wohl dem, der sich selten zur Ruhe begibt, ohne früher im Geiste einen Blick auf den Tod, und einen Rückblick auf den verlebten Tag zu werfen; ohne mit seinem Gewissen zu Gerichte zu gehen, es zu beleuchten und zu untersuchen, und mit jener Strenge wider dasselbe zu verfahren, mit welcher es mit ihm selbst einst auf dem Sterbebette verfah¬ ren würde, ohne sich ernstlich zu fragen: wie, wenn der Ewige diese Nacht zu deiner letzten bestimmt hätte! — Der Ewige, vor dem kein Gedanke verborgen ist, der die Herzen und Nieren des Menschen durchforscht und Jedem nach seinen Werken vergilt; wenn er dich diese Nacht vor seinen Richterstuhl rufen würde — könntest du hoffen vor ihm zu bestehen? — Die Abendzeit, meine Lieben! die Zeit, in der uns der Schlaf in seine Arme ruft, ist die schicklichste Zeit zu dieser grossen ernsten Frage, denn der Schlaf ist an sich ein Vorspiel des Todes, ein kurzer Tod, ja oft und für Laufende ein wirklicher immerwährender Lod! Aus dem Gesagten erhellt nun, daß eine öftere und ernste Erinnerung des Lobes wirklich ein kräftiges Mittel zu einer gu¬ ten Vorbereitung auf den Tod selbst sey und daß wir uns gewiß »»»» 257 «L«« irren, wenn wir glauben: die öftere und ernste Erinnerung des Todes werde uns allzutraurig und für zeitliche Geschäfte untüch¬ tig machen. Das ist eigentlich nur eine leere Ausflucht; wir wollen nicht an den Lod denken, weil wir in unserer Weltliebe, in unserer Anhänglichkeit an das Irdische, in Befriedigung unserer baulichen Neigungen nicht gestört werden wollen. Allein die öf¬ tere und ernstere Erinnerung des Todes macht uns keinen Augen¬ blick früher sterben, so wie die Vergessenheit des Todes den Tod selbst keinen Augenblick länger von uns entfernt; der Unterschied liegt nur darin, daß die Vergessenheit des Todes den Menschen lauer im Guten und sorgloser im Bösen macht, während ihn dis Erinnerung des Todes zur Weisheit, Tugend und Vollkommen¬ heit führt. — Lassen wir also, meine Lieben! den Tod recht oft vor unsere Seele treten, lassen wir ihn unfern Lehrmeister in der Schule der Tugend seyd. — Die Sterbeglocke ertöne nie lauter in unfern Ohren, als wenn die Welt mit glatten Schmeichelre¬ den uns zur Sünde reizt; die Gräber sollen nie, am wenigsten dann vor unfern Augen weichen, wenn unsere Sinne gefährliche und sündhafte Genüsse sodern; unsere künftige Asche soll sich uns nie lebendiger vergegenwärtigen, als wenn Hochmuth, Stolz und Eitelkeit unser Gemüth aufblähen. — Dann werden wir die Sünde sorgfältig fliehen und an der Hand der Tugend stand¬ haft unfern kurzen Lebcnspfad durchwandern, dann wird der Tod für uns ein freundlicher Bothe, der uns zu Gott unserm ewigen Vater hingeleitet; das Grab wird das Ende aller Sor¬ gen und Mühseligkeiten dieses Lebens, der Oct einer sichern Ru¬ he; — die Ewigkeit — der Anfang der Vereinigung mit Gott dem höchsten Gute seyn; der Anfang einer unaussprechlichen Se¬ ligkeit ohne Aufhören. Amen. v » » » Ooä «««« Am sechzehnten Sonntage nach Pfingsten. »Als Jesus in daSHanS eines Obersten der Pharisäer hincinging, uin bei ihm zu speisen, hatten sic Acht ans ihn.« Luk. r/., i. Eingang. Äer göttliche Heiland mochte sich wo immer befinden, was im¬ mer lehren oder unternehmen, so sah er sich von Feinden um¬ geben, die ibn auf das sorgfältigste und scharfsichtigste beobachte¬ ten. Die erklärtesten unter seinen Feinden aber waren die rach¬ süchtigen und neidischen Schriftgelehrtcn und Pharisäer, denn diese versäumten keine Gelegenheit, die ihnen geeignet schien das An¬ sehen des göttlichen Meisters zu verdunkeln. Eine solche Gelegen¬ heit glaubten die Pharisäer, wie das heut. Evangelium erzählt, gefunden zu haben, als Jesus bei einem ihrer vornehmsten Mit¬ glieder zu Tische saß. Es war an einem Sabbathe; ein Wasser¬ süchtiger wird dem Heilande vorgestellt, mit der Litte ihn zu heilen. Schweigend standen die Pharisäer um Jesu herum, aber in ihren Herzen kochte der Neid, rachsüchtige Wünsche. Er wird wohl den,Kranken heilen, dachten sie, und dann erklären wir ihn öffentlich für einen Verächter des Sabbathes, für einen Über¬ treter des Gesetzes. Sie reden nicht, aber Jesus der Herzens- prüfer stellt auf ihre Gedanken eine Frage, die ihnen ganz uner¬ wartet kam, und sie fühlen lassen mochte, daß ihm ihre ver¬ borgensten Gesinnungen nicht unbekannt scyn können. Ist cs er¬ laubt am Sabbathe einen Menschen gesund zu machen? fragte der Heiland. Sie schweigen; denn die Frage traf ihren bösen Willen, und brachte sie in Verwirrung. Jesus machte nun den Kranken gesund, und jetzt überwies er seine Feinde erst durch Gründe, das er kein Ucbertrcter des Gesetzes seyn könne. 2ht zieht, sprach er, doch selbst am Sabbathe ein in einen Brunnen gefallenes Lastthier heraus. Haltet ihr es für erlaubt, einem Thiere zu Hülfe zu kommen, um wie viel mehr müsset ihr es für erlaubt halten, einen Menschen am Sabbathe gesund zu ma¬ chen. Durch diese Gegenfrage wurde zwar der Neid der Pharisäer abermals zum Schweigen gebracht, aber nicht erstickt, er verfolgte » » » » 359 «««« den Heiland nach wie vor und ruhte nicht, bis er das Lodes- urtheil über den Unschuldigsten und Heiligsten ausgesprochen und ihn an das Kreuz geschlagen hatte. Grausame Leidenschaft, vcr- abscheuungswürdiges Laster! das schon unsere Vorältcrn aus dem irdischen Paradiese in das Elend verwiesen hatte, und Von dort an bis auf den heutigen Tag die größten Verwüstungen unter dem Menschengeschlecht!! anrichtete. Um unsere Herzen vor seinem Gifte zu bewahren, wollen wir den Neid in seiner Natur und feinen Wirkungen genauer kennen lernen, und uns heute über¬ zeugen , daß erstens nichts unheilbringender scy als der Neid, und zweitens, daß nichts blinder sey als der Neid. Vernehmen Sie mich hierüber mit gewohnter Aufmerksamkeit. Erster Theil. Traurigkeit über das Glück, und Freude über das Unglück des Nächsten — das sind mit wenigen Worten die Eigenschaften des Neides, den die Hölle selbst gebar, und den ihre Diener un¬ ter das Menschengeschlecht verpflanzten. Ein Laster, das seit dem Halle unserer Stammältern lauter Unheil unter den Sterblichen gestiftet, weil es die Nächstenliebe geradezu erstickt und an ihrer Stelle eine unselige alles verzehrende Flamme des Menschenhasses anzündct und nähret. Man kann sich gar leicht von dieser Wahr¬ heit überzeugen, wenn man die Nächstenliebe mit dem Neide zu¬ sammenstellt und ihre beiderseitige Natur und ihre Wirkungen beobachtet. Das Wesen der Nächstenliebe besteht darin, daß sie alle Herzen zu gewinnen und durch die edelsten heiligsten Gesin¬ nungen zu vereinigen sucht. — Der Neid aber will und wirkt gerade das Gegentheil; Seelcnharmonie, Eintracht der Herzen, das ist ihm die größte Dual, darum sucht er sie wie immer zu trennen und uneins zu machen. Die Nächstenliebe ist ferner ge¬ duldig und mildthätig, wie der h. Paulus sagt: geduldig in Lei¬ den und Verfolgungen und gütig herzgewinnend in der Ausspen¬ dung der Wohlthaten; der Neider aber duldet nichts, am wenig¬ sten aber Menschen vor oder neben seiner oder wohl gar über sich, unter seinen Füssen gekrümmt, verachtet, erniedriget zu sehen seine Mitbriider, das ist sein unersättlicher nie zu befriedigender Wunsch. Das Mitleid ist ihm fremd, weil ihm auch das Un¬ glück Anderer fremd, und nur in so ferne bekannt ist, als es ihnr » »>-» 560 sein eigenes Glück erhöhet. — Die Liebe sucht nirgends ihren f< Nutzen, wird nicht böse, wenn man ihr etwas versagt, weil sie v nichts verdient zu haben glaubt, ja sie bleibt selbst bei Verachtung, s Unterdrückung und Lästerung gelassen und sanft; der Neider aber l sucht überall seinen Vortheil und glaubt gerechte Ansprüche auf ! das zu haben, was Andere besitzen, daher auch nie zufrieden mit ! dem, was ihm zufiel, wenn er auch im größten Nebenflüsse fasse. Aus diesem unersättlichen Eigennutze entspringen auch seine unge¬ rechten Unternehmungen, welche, wenn sie mißlingen, ihn zum bittersten Grolle und Rachgierde gegen Jene entflammen, die sei- neu Plänen im Wege standen oder sie vereitelten. Die Liebe gibt keinem falschen Verdachte Raum, sie denkt von Jedermann Gutes, verhüllt eifrig die Schwächen Anderer, verthcidiget die Unschuld und ist auf Rettung des Unglücklichen bedacht. Der Neider aber schöpfet bösen Argwohn dort, wo kein Schein des Bösen ist, steckt guten Handlungen unedle Absichten unter, nagt an der guten Ehre seines Mitmenschen und baut auf ihren Ein¬ sturz feine eigene. Die Liebe erfreut sich nicht der Ungerechtig¬ keit, wohl aber der Wahrheit. Unterliegt das Laster, sieget die Lugend, so ist die Freude der Nächstenliebe vollkommen. Der Neider hingegen empfindet nur Vergnügen über die Fehltritte und Schwächen des Mitmenschen, betrübt sich aber über das Gute, das er oder Andere an ihm bemerken, er streitet wider die Wahr¬ heit, verhindert das Gute, wo er kann, vereitelt mit höhnischer Freude die edelsten Unternehmungen. So vergreift sich der Nei¬ der an Gottes Heiligkeit und Vorsehung, da er den aufkeimcnden Samen der Tugend ausjätet und Unkraut unter guten Weißen streut. Mit einem Worte, der Neid ist ein Kind des Satans, deßwegen sind auch seine Werke, Werke der Finsterniß — des Verderbens. Was schwang denn die mörderische Keule in der Hand des Kain, über das Haupt seines unschuldigen Bruders Abel? — Der Neid, der im Busen des verblendeten Kain fort¬ während kochte und ihm die Vorzüge, das Wohlgefallen Gottes, an seinem Bruder mit scheelen Augen sehen machte. — Die erste Frucht des Neides war —>. Brudermord! Was trieb die Söhne des frommen Jakob au, ihrem kleinen Bruder Joseph nach dem Leben zu streben? was verblendete sie, das unschuldige Blut an Fremdlinge zu verkaufen? Der Neid führte sie zu diesem abscheu¬ lichen Bruderhandel. Was war die Quelle der ununterbrochenen » »»H 261 «««« ?n feindseligen Verfolgungen, dre den frommen Hirtenknaben David le von Seite des Saul trafen, warum verschwor sich der grausame z, Kenig weder zu essen noch zu trinken, bis er dem armen Flücht¬ er ling dem Tode würde übergeben haben? Der Neid war die Quelle if dieser fürchterlichen Rachgier, Saul hatte nämlich nur 1000, t David aber io,000 Feinde erschlagen, und somit einen ehren- vollcrn Sicgeskranz errungen. Was bewaffnete die Hand des - blutdürstigen Herodes, daß so viele unschuldige Kinder und > Säuglinge durch seinen Stahl in den Armen der verzweifelten > Mutter verbluteten? Der Neid richtete es an dieses schreckliche Lstlitbad. Der gallsüchtige ruhmgierige Tyrann fürchtete, der kleine Heiland, der in Armuth auf die Welt kam, um ein gei¬ stiges Reich zu stiften, würde ihn von-seinem Throne stossen. Was erbitterte wohl die Grossen des jüdischen Volkes, die Pha¬ risäer und Schriftgelchrten wider den göttlichen Heiland? Die Leidenschaft des Neides. Sie merkten, daß ihr Ansehen bei deck Volke in eben dem Grade sinke, als jenes des göttlichen Lehrers steige. Dieser Mensch thut viele Wunderzeichen, sprachen sie, alles Volk hängt ihm an, es ist nöthig, daß wir ihn aus dem Wege räumen. Jesus beweiset zwar seine Unschuld vor ' dem Richterstuhle des Pilatus, und dieser gesteht selbst, daß ihn die Juden bloß aus Neid verfolgt und auf seinen Tod gedrungen haben. Doch was soll, was kann ich mehr sagen von dieser gräulichen Leidenschaft des Neides. Die Erfahrung selbst wird Einen oder den Andern schon gelehrt haben oder noch lehren, was ich nicht wünsche, daß der Neider, so wie vom Anbeginn der Welt, so noch bis auf den heutigen Tag der erklärteste Feind der menschlichen Gesellschaft, ihres Glückes, ihrer Ruhe und ihrer Tugend ist. Und wie sollte er es nicht seyn, da seine Leiden¬ schaft der Neid so viele und so fürchterliche Helfershelfer der Hölle in seinem Gefolge hat, Zorn, Rachsucht, Verleumdung, Lüge, Arglist, Ungerechtigkeit und Grausamkeit und viele andere Laster begleiten den Neid auf feinen dunklen Wegen, und in Ver¬ einigung mit diesen zerstört er den irdischen, Himmel und das künftige ewige Wohl unzähliger Sterblicher, so wie er gleich Anfangs unsere Stammältern des irdischen Paradieses beraubt und sie in ein namenloses Elend gestürzt hatte. Kurz, unheil¬ bringender, dem zeitlichen und ewigen Wohle des Menschen ver¬ derblicher ist kein Last« als der Neid, um so mehr, da dieses »»»» 562 «««« Laster die Vernunft vollends zur Sklavin der Sinnlichkeit macht und jene ganz verblendet, die es beherrscht, davon wollen wir uns überzeugen im zweiten Theile. Alle Leidenschaften haben zwar das mit einander gemein, daß sie den Menschen nach und nach mit geistiger Blindheit schla¬ gen, d. i. ihm das Licht der Vernunft und Offenbarung immer mehr entziehen und ihn so der sichersten Wegweiser berauben, allein keine Leidenschaft verblendet den Menschen so sehr, keine führt ihn von der christlichen Vollkommenheit weiter ab, als die Leidenschaft des Neides. Oder ist cs nicht eine bedaurungswür- dige Blindheit, sich darum unglücklich glauben, und bloß darum, weil andere glücklich sind, darum im ticfesten Kummer dahin¬ schmachten, weil Andern Freude zu Theil wird? Das ist aber die Wirkung des Neides, die sich sehr leicht und sehr oft äußert, weil es dem Neidischen nie an Nahrung für seine Leidenschaft gebricht, denn wäre er auch noch so glücklich, so findet er doch immer einen glücklicher» noch, und das ist genug, um ihm den Genuß seines eigenen Glückes zu verbittern, und fände der Nei¬ der auch wirklich viel elendere Menschen als er es ist, so glaubt er sie wären es nicht, sobald ihnen nur eine einzige auch noch so unbedeutende und unschuldige Freude ihr Elend erleichtert. So täuscht sich der Neider selbst, ist sein eigener Tyrann und Hen¬ ker, weil ihm seine Leidenschaft nur Bitterkeit bereitet uud eine fortwährende Traurigkeit seine Gesellschafterin ist, die ihn nur auf Augenblicke verläßt, dann nämlich, wenn sein scheeles Auge das Elend des Mitmenschen mit höllischer Schadenfreude entdeckt, allein diese Freude verwandelt sich eben darum, weil sie eine la¬ sterhafte ist, sogleich wieder in den bittersten Gram, sobald den Mitmenschen ein freundlicher Strahl des Glückes anlächelt- Mit Recht sagt daher der h. Augustin von der Leidenschaft des Nei¬ des, daß sic ein Fieber ist, dav ihr Opfer aufzchrt, ein Wurm, der beständig am Herzen nagt, eine Schlange, die in den Ein¬ geweide» wüthct, und ein Gift, das die Lebenssäfte austrocknet. Und wahrlich, wäre es uns möglich einen Blick in das Herz des Neiders zu schicken, was würden wir wahrnehmen? ein wildes von beständig schadenfrohen Wünschen, gleich den Wellen brau- »»»» ZsiZ «««« ht scndcs Meer der Bitterkeit, durchzukt von den Blitzen des sich ir rächenden Gewissens. Der Neider ist das unglücklichste Geschöpf, weil er alle Menschen unglücklich sehen möchte, er muß seinen Gram im Busen verschlossen tragen, weil er seine bösen Gesin¬ nungen nicht zu verrathen wagt, und sich bewußt ist, daß er kei¬ nen Freund besitzt, weil er selbst Niemand's Freund ist und seyn , will. Heißt das nicht sein eigener Tyrann seyn, ist das nicht wahre Blindheit und thierischer Unsinn. So dachte sich Saul auf dem Throne mächtig und gefürchtet von den Völkern im Be¬ sitze alles dessen, was Szepter und Krone immer geben können, dennoch unglücklich und elend, und ergab sich einer düstern Schwer- muth die an Wahnsinn gränzte — bloß weil er an dem armen demüthigcn Hirtenknaben David einen Mitwerbcr der Krone und Ne¬ benbuhler seines Ruhmes fürchtete. Aman, der Liebling des Für¬ sten Assyriens, erhoben auf die höchste Ehrenstufe, achtet sein Ansehen, seine Macht, seinen Reichthum für Nichts, und vergällt sich jeden Genuß des Glückes, weil ein jüdischer Unterthan Mar- dochäus das Knie vor ihm nicht beugen will. So hat der Nei¬ dische, süsse er auch im Schooße des Glückes, doch keinen recht heitern Augenblick, um so weniger, weil seine bösen Pläne, die er wider den Nächsten schmidet, nicht nur mißlingen, sondern gar oft wider den Willen des Neiders das Mittel sind, fremdes Verdienst und fremde Unschuld an den Tag zu ziehen und zu er¬ höhen. Wäre wohl der ägyptische Joseph je an der Seite eines Königs gesessen, hätte er ein so grosses Reich durch seinen Wink regiert, wenn ihn nicht der Neid seiner Brüder an fremde Kauf¬ leute verhandelt und aus dem väterlichen Hause entfernt hätte? Ja noch mehr, oft dienen die Mittel, deren sich der Neider be¬ dient um seinem Mitmenschen den Untergang zu bereiten, gerade zur Beschleunigung seines eigenen Sturzes. — Gott züchtiget die¬ ses Laster schon hienieden oft auf eine auffallende Art. Kain irrte nach dem aus Neid verübten Brudermorde Zeit seines Lebens unstet und flüchtig auf der Erde, sie schien ihm unter den Füssen zu brennen und von dem Blute des unschuldigen Bruders zu rauchen und um Rache zu schreien hinauf zu dem ewigen Richter, cr konnte nie mehr ausblickeu zum Sternenhimmel, seine schwarze Thal, das Bild des Ermordeten stand immer vor seiner Seele und trieb ihn der Verzweiflung entgegen — Gottes Fluch lag schwer auf ihn und seinen Nachkommen. Kore, Dathan und »»»» 564 «««« Abiron wurden lebendig von der Erde verschlungen, weil sie das hohe Pricsteramt beneideten und sich ungerufcn in gottesdienstliche Verrichtungen mengten. Der neidische Aman hauchte seine schwarze Seele an dem nämlichen Galgen aus, den er für den rechtschaffen nen Juden Mardochäus hatte aufrichten lassen. Derlei abschre¬ ckende Beispiele weiset uns die heilige und die Weltgeschichte in Menge auf, und laßt uns lebhaft erkennen, wie sehr das Laster des Neides der Heiligkeit Gottes entgegen ist, und wie sich größ- tenthcils der Neider hienieden schon unglücklich macht, noch gewis¬ ser aber jenseits, wo die unendliche Gerechtigkeit Gottes sich in ihrer Grösse offenbaren wird. Prüfen wir uns also, meine Lie¬ ben! ob sich nicht wenigstens Spuren dieser Leidenschaft in unfern Herzen vorfiuden, und sind wir nach der Ermahnung Zesu nicht fähig uns zu freuen mit den Fröhlichen und zu weinen mit den Weinenden, das heißt einen reinen aufrichtigen Antheil zu neh¬ men an dem Glücke oder Unglücke unseres Mitmenschen — o so ist es schon ein böses Zeichen einer sterbenden Nächstenliebe und einer aufkeimendcn derselben entgegengesetzten Leidenschaft — vämlich des Neides. — Bald bald wird unser Auge scheel auf das Wohl unsers Mitbruders Hinblicken, bald wird unser Herz bei seinem Glücke unruhig, bei seinem Unglücke fröhlich sich er¬ heben. — Eilen wir daher den Samen des Neides frühzeitig im Herzen zu ersticken, ehe es Wurzel gefaßt und unselige Früchte gebracht hat. Suchen wir stets mit einem christlichen Sinne das zeitliche und ewige Wohl des Mitmenschen zu befördern, und wenn wir za etwas von dem Seimgen zu besitzen wünschen, so wün¬ schen wir uns seine guten Eigenschaften, seine Lugenden zu besi¬ tzen, dadurch, daß wir sie treulich nachahmen, setzen wir an die Stelle des Neides eine aufrichtige Nächstenliebe, und wir werden fremdes Glück und fremde Lugenden zu unserm Eigenthume ma¬ chen, und so geliebte Kinder eines gemeinschaftlichen Vaters wer¬ den, der ober unser thronet. Amen. >-»»» 565 « « « « 's Am siebzehnten Sonntage nach Pfingsten» >e - * »Du sollst de» Herrn deinen Gott aus deinem ganzen Herzen, aus i deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Gemüthe lic» r ben.» Matih, ss, 5-7, > Eingang. Äie Frage, die im h. Evangelio cm Gesetzlehrcr dem Heilande auswirft, mußte ohne Zweifel von der Art gewesen seyn, daß ihre Beantwortung selbst für die jüdischen Gelehrten eine schwie¬ rige Aufgabe war, was sich schon daraus ergicbt, daß einige aus ihnen die Feier des Sabbathes, andere die Beschneidung und wieder andere die Opfer als das Erste und Nothwendigste in dem mosaischen Gesetze erklärten, kurz, die Frage: welches ist das größte Gebot im Gesetze? schien so wichtig und die Auflösung so verwickelt, daß man sie dem Heilande selbst vorlegte, mehr um ihn zu versuchen, als um sich belehren zu lassen. — Jesus aber antwortete mit der Würde und mit dem Ansehen eines göttlichen Lehrers: Du sollst den Herrn deinen Gott aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Gemüthe lieben. — Dieses ist das größte und vornehmste Gebot. Und wahrlich es ist das größte Gebot, gross in Hinsicht ans seinen Ge¬ genstand, welcher Gott selbst ist; groß in Hinsicht des Umfanges, weil es sich auf alle Menschen, auf alle vernünftigen Wesen er¬ streckt; groß in Bezug auf die übrigen Gebote, weil es alle umfaßt, alle in sich begreift; groß ist endlich dieses Gebot in Hinsicht sei¬ ner Dauer, weil die Pflicht Gott zu lnben keine Gräuzen hat, son¬ dern durch alle Ewigkeit fortbesteht, so wie Gott selbst von Ewig¬ keit her das höchste vollkommenste Gut war, ist und senn wird. Aber warum — so fragt der h. Augustin, warum 0 Herr! hast du uns ein ausdrückliches Gebot gegeben, dich zu lieben? oder warum drohest du uns mit Strafen, wenn wir dich nicht lieben? Wäre es denn für uns nicht das größte Unglück, wenn wir dich nicht liebeten? Oder hast du unsere Liebe vonnöthcn? und wäre es für uns nicht schon die größte Gnade, wenn du uns nur erlaubtest, dich zu lieben? So fragt der h- Kirchen- « « « « lchrcr, und so frage ich cs mit ihm! Denn wahrlich, meine Lie¬ ben! Gott bedarf unserer Liebe nicht, er ist ja an sich der Se¬ ligste und bleibt es in alle Ewigkeit, wir mögen ihn nun lieben oder nicht. Aber wir, wir bedürfen seiner Liebe, und unsere höchste Seligkeit besteht darin, daß wir ihn lieben, Damit wir nun recht aufgcmuntert werden nach dieser höchsten Seligkeit zu streben, oder was das nämliche ist, Gott aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und aus ganzem Gemüthe zu lieben; so wollen wir uns heute mit den vorzüglichsten Beweggründen Gott zu lieben genauer bekannt machen. Der Herr gebe meinen Worten jene Stärke und jenen Geist, dessen ich nöthig habe, um das Feuer seiner Liebe in den Herzen meiner Zuhörer zu entzünden, Vernehmen Sie mich re. Abhandlung.' Meinem Vorsätze gemäß soll ich heute Zhre Herzen durch kräftige Beweggründe zur Liebe Gottes entstammen, — wohl ein sehr angenehmes, aber in mancher Hinsicht nicht minder grosses und schweres Unternehmen. Denn ungeachtet alles in und außer uns nichts als Antrieb ist, Gott unsern Schöpfer zu lieben, so beachten wir sinnliche Wesen diese vielen und mächtigen Antriebe doch wenig, wollen uns durch selbe nicht rühren, lassen, ja un¬ terdrücken sie sogar geblendet von Sinnen-- und Erdenlust. — Ueberhaupt klebt unser Herz gewöhnlich am Irdischen und erhebt sich nur selten ganz, oft gar nicht hinauf zu dem Unendlichen, der, wie der Apojtel sagt, in einem unzugänglichen Lichte wohnt; und doch sollten wir gerade diesem Unendlichen und Ewigen, Gott unserm Schöpfer, Erhalter und Regierer unser Herz ganz zum Opfer bringen, d. i. ihn einzig und allein über Alles lieben. Wie und wo soll ich also anfangen um die wohlthätige Absicht zu erreichen, die ich vorhabe, die Absicht nämlich: Sie zur Liebe Gottes zu bewegen? — Ich glaube zwar das Feuer der Liebe Gottes in ihren Herzen dadurch am sichersten zu entzünden, wenn ich ihnen Gott als das vollkommenste und zugleich gütigste Wesen darstelle —- weil darin auch die kräftigsten Beweggründe liegen, ihn über Alles lieben; allein Gott in allen seinen Voll¬ kommenheiten, und folglich in seiner ganzen Liebenswürdigkeit zu 567 « « « « zeigen, dafür ist eben der menschliche Verstand zu beschränkt, die Zunge eines Sterblichen zu schwach. Denn um darthun zu können, wie liebenswürdig Gott ist, müßten wir begreifen können, was er ist, den Unendlichen aber kann Niemand erfassen als er der Unendliche selbst, darum ist euch Alles, was wir von Gott denken mögen, unendlich geringer als er, weil man um zu wissen was Gott ist, Gott selbsten seyn müßte. Wenn ich Ihnen daher sagte, daß Gott nicht allein groß und mächtig, sondern die Grösse und Macht selbst ist, daß er nicht allein schön und gut, sondern die Schönheit und Güte selbst ist, daß er nicht allein heilig und weise, sondern die Heiligkeit und Weisheit selbst ist, wenn ich ihnen sage, daß Gott als der freieste Geist überall und allezeit wirket, als der Ewige niemals zu seyn angefangen hat und nie zu seyn aufhören wird, daß er als der Uncrmäßliche die ganze Schöpfung mit seiner We¬ senheit erfüllt, mit einem Worte, daß er alle erdenklichen Voll¬ kommenheiten besitzt: so habe ich zwar etwas gesagt, aber doch nur gestammelt wie ein Kind, das nur unverständliche abgebro¬ chene Laute hervorbringt. Indessen wenn auch unser Verstand die anbetungswürdigen Vollkommenheiten unseres Gottes nicht begreifen, wenn sie unsere Zunge auch nicht ausdrücken kann, so kann sie doch unser Herz lieben, sagt der h. Augustin. Stellen wir uns, meine Lieben! stellen wir uns einmal recht lebhaft alles vor, was immer in der Welt groß, schön und liebenswürdig seyn, was die Sinne bezau¬ bern, den Verstand in Staunen versetzen, das Herz rühren und entzücken kann: und wir werden an Gott alles dieses in einer- unendlich höhcrn Vollkommenheit finden, als an den Geschöpfen; denn was uns die Schöpfung Erhabenes, Schönes und Bewun¬ derungswürdiges darbiethel — das ist ja nur ein schwacher Ab¬ glanz des Schöpfers. Ich bewunderte, sprach der h. Augustin, das blendende Sonnenlicht, den Glanz der Sterne die Frucht¬ barkeit der Erde, den weiten Umfang des Meeres, die Reize der sterblichen Schönheiten, die Herrlichkeit der Könige, die Macht der Fürsten und den Scharfsinn der Weltweisen: aber sogleich ging ich wieder in mich selbst zurück und sagte: Nichts von allen diesen Dingen ist meinem Gotte gleich; er hat unendlich mehr Vollkommenheiten, die mich entzücken und meine Wünsche befrie¬ digen können, als diese endlichen Dinge. 568 « « « « Was könnten wir nun wahrhaft lieben, wenn wir Gott nicht lieben? Vielleicht die Gewalt des Reichthums, die Macht der Hoheit, den Glanz des Ansehens, die Schönheit der Geschöpfe? Allein gibt es etwas Grösseres und Mächtigeres als Gott ist? — Er ist der König aller Könige, der mächtigste Gebiether der Herr, schenken , die Fürsten der Erde sind Staub, sind ein eitles Nichts vor seiner anbetungswündigen Majestät? Und kann wohl eine Schönheit mit jener unseres Gottes verglichen werden, der selbst der Ursprung aller Schönheit ist? wenn uns der Anblick der ver¬ jüngten Natur an heitern Frühlingstagen entzückt: so rufen wir ja selbst oft unwillkürlich aus: Wie schön und groß ist doch Gott in allen seinen Werken; und wir wollen dadurch nichts anderes sagen als: wie schön muß nicht Gott an sich selbst seyn, da sich sogar seine Geschöpfe im Glanze seiner Schönheit so herrlich ab. spiegeln, und doch sind diese Geschöpfe veränderlich und hinfällig, Gott aber ist ewig unveränderlich, ,st immer die alte und immer die neue Schönheit. Gott, deine Jahre reichen von Ewigkeit zu Ewigkeit, singt König David, du hast die Erde gegründet und die Himmel sind deiner Hände Werk. Sie vergehen, du bleibst! Sie altern wie ein Gewand, wie ein Kleid legst du sie ab, du aber bleibst derselbe, deine Jahre haben kein Ende. So ist denn Gott der ewig Unveränderliche, wie er der Vollkommenste ist; der Vollkommenste aber ist er, weil er der Heiligste ist, denn alle übrigen Eigenschaften sind nichts als Aeußerungen und Aus« flösse seiner unendlichen Heiligkeit. Was kann aber unserer Liebe würdiger sevn als die unendliche Heiligkeit? wir können es ja uns selbst nicht verhehlen, daß die Tugend, die doch nur Annä¬ herung zur Heiligkeit ist — daß diese allein wahrhaft schätzens- und liebenswürdig ist, und zu diesem Geständnisse wird selbst der verworfenste Bösewicht gezwungen, indem er den wahrhaft Tugend« haften seine innere Achtung nicht versagen kann, wenn er ihn auch nicht nachahmen will, da er hingegen seine lasterhaften Ge¬ fährten heimlich verabscheut, obschon er ihnen, so lange er ihrer zur Ausführung seiner boshaften Pläne bedarf, Freundschaft und Liebe heuchelt. Erscheint nun die Lugend, die immer mit Kampf verbunden, und daher unvollkommen ist, Jedermann, selbst dem Bösewichte liebenswürdig, wie liebenswürdig muß nicht Gott seyn, der, wenn ich so sagen könnte, die höchste Tugend also die höchste Heiligkeit selbst ist? Darum ist es auch das größte, oder besser » »>-» 569 « « «se das einzige Unglück des Menschen, daß er seine Liebe an Gegen¬ stände verschwendet, die derselben unwürdig sind, und daß er seine Liebe demjenigen versagt, der allein über Alles geliebt zu werden verdient. Der sinnliche Mensch folgt den Trieben einer blinden Lei¬ denschaft, die ihm etwas als reizend und begehrungswerth vorstellt, ms bose ist, was er verabscheuen sollte, und die ihm eine Glückse¬ ligkeit verspricht, die er nicht finden, die ihm vielmehr den Unter¬ gang bereiten wird; denn mag er noch so sehr nach irdischen Gütern trachten, sich noch so grosse Vortheile- von den Geschö¬ pfen versprechen, so hat er dock kein Gut gefunden und wird in Ewigkeit keines finden, das fähig wäre alle feine Wünsche zu befriedigen, da er hingegen, wenn er dem Lichte des Glaubens und der Vernunft frlgcte, in Gott dem unendlichen und vollkom¬ mensten Wesen Alles finden würde, was seiner Liebe würdig ist, und ihn wahrhaft glücklich machen kann. Ein anderer kräftiger Beweggrund Gott über Alles zu lie¬ ben liegt in der Güte und Liebe selbst, die er gegen uns seine Geschöpfe äußert. Denn Alles, was in der Welt und an den Geschöpfen gut ist, ist es allein durch einen Ausfluß der unendli¬ chen Güte Gottes; und alles, was wir immer unter den Men¬ schen antreffen, ist nur bis zu einem gewissen Grade gut — weil die Güte der Geschöpfe endlich und begränzt ist, und daher er¬ schöpft wird; Gottes Güte aber hat keine Gränzen, läßt sich nicht erschöpfen, weil Gott immer gleich heilig, und daher in Allem, was er will und wirkt, immer gleich vollkommen ist, auch in seiner Güte und Liebe zu uns. Dagegen ist an den Menschen alles unvollkommen: an dem Einen gefällt die Außenseite, aber er ist arm an Geistesgabcn, ein Anderer besitzt Rcichrhümer aber keine Tugend, ein Dritter ist mächtig aber zugleich ungerecht, ein Vierter liebt uns heute und morgen verfolgt er uns, und der uns Gutes erweisen will, sieht sich außer Stande, seinen guten Willen in das Werk zu setzen. Wie thöricht sind wir also, wenn wir unser Herz an Gegenstände verschenken, die so ohnmächtig, so unvollkommen und unserer Liebe so wenig würdig sind! Wie oft und wie schön hat sich indcß nicht die Güte und >nid Liebe Gottes an uns geoffenbart, und wie herrlich offenbart sie sich nicht noch bis auf den gegenwärtigen Augenblick unseres Lebens durch Wohlthaten der Natur und der Gnade, so daß wir sagen können: er ist nicht nur in sich selbst gut, sondern er ist »»»»* 570 « ««« es auch in Absicht auf uns und alle seine Geschöpfe. Soll ich die unzähligen Wohlthaten aufzählen, die wir schau von ihm em¬ pfangen haben 's Hat er uns nicht das Daseyn gegeben ? ist er es nicht, der uns liebreich versorgt und erhält, da wir ohne seiner in unser Nichts zuriickfallen müßten's Ja alles, was wir besitzen, > Leben, Gesundheit, Vermögen und Geistesanlagen, kurz alles, was wir sind und was uns angehört, ist von ihm, ist ein Ge¬ schenk seiner väterlichen Güte. Aber weit grösser noch sind die Güter seiner Gnade, die er uns aus Liebe hat zukommcn lassen. Denn nicht genug, daß er uns in's Daseyn gerufen, zur Erkennt- niß seiner selbst, zur Lheilnahme an seiner Seligkeit bestimmt hat, er hat uns auch, nachdem wir durch die Sünde uns den Unter¬ gang bereitet hatten, — von der Knechtschaft der Sünde und von dem ewigen Tode wieder losgckaust, und womit? Nicht mit Gold und Silber, sondern mit seinem Blute; Gott der himmlische Vater hat uns sündhafte Geschöpfe so sehr geliebt, daß er seines eigenen Sohnes nicht geschont hat, sondern ihn das Versöhnuligsopfer für unsere Sünden werden ließ, und der Sohn Gottes hat sich aus unendlicher Liebe zu uns bis zum Knechte erniedriget, und ist gehorsam gewesen seinem himmlische» Vater bis zum schmählichsten Lode am Kreuze. Welcher Sterb¬ liche hätte das für uns gethan, was Gottes Sohn für uns that? und wenn der niedrigste verachtetste Mensch uns auf eine solche Art geliebt hätte, daß er sogar sein Leben für uns zu opfern bereit gewesen wäre, wie groß müßte nicht unsere Liebe zu ihm seyn; nun aber hat unser Schöpfer, hat Gott selbst nicht mir dieses, sondern noch weit mehr für uns gethan, denn nicht genug, daß er uns durch seinen Tod das Leben gegeben, so nähret er unsere Seelen im h. Altarssakramente sogar mit seinem eigenen Fleische und Blute, um uns den größtmöglichsten bewunderungs- und anbetungswürdigsten Beweis seiner gränzenlofen Liebe gegen uns zu geben. Mit Recht spricht daher der h. Apostel Paulus den Fluch aus über jene, die Jesum Christum nicht lieben; denn Gott hat uns durch ihn mit Wohlthaten ohne Zahl überhäuft, hat unsere Liebe für den Werth seines Blutes erkauft, um so unsere Her¬ zen ganz an sich zu ziehen, und doch ist es nicht seine, sondern unsere Seligkeit, wenn wir ihn lieben, denn er bedarf unserer Liebe nicht, wohl aber bedürfen wir der Seinigen; denn wenn 571 « « « « M Gott nicht lieben, sagt der h. Augustin, so sind wir verlo¬ ren, ohne dem Besitze des höchsten Gutes können wir ja nicht glückselig feyu, das höchste Gut aber, nämlich Gott, werden wir nicht besitzen, wenn mir ihn nicht lieben. — Wenn ein mächtiger irdischer König uns seine Freundschast antriige, und dagegen die nnsrige foderte, wurden wir wohl so thöricht seyn ihm selbe zu versagen? Aber die Könige und Fürsten der Erde sind mit ihrer Freundschaft nicht so freigebig, daß sie selbe an alle ihre Unter¬ tanen ohne Unterschied verschenkten; sehr klein ist die Zahl ih¬ rer Günstlinge, alle übrigen sind Unterthanen und Diener. Gott aber, der über alle Könige der Erde unendlich erhaben ist, halt uns nicht für seine Diener, sondern er will, daß wir seine Freunde, ja was sage ich, daß wir seine Kinder seyn sollen, und da kann der Niedrigste wie der Angesehenste Hoffnung haben Gottes Kind zu semi, uud wer nur ernstlich darnach strebet, ist versichert, daß er cs wirklich ist. Denn sobald man Gott wahr¬ haft liebt wird man auch ganz gewiß von ihm geliebt, was aber bei Menschen nicht immer Statt hat, oft erhalt man bei diesen Verachtung für den Diensteifer, mit welchem man ihnen zu ge¬ fallen sucht, man arntet Undank für die Wohlthaten, die man ihnen erwiesen, Haß für die Liebe, mit welcher man ihnen zuvor¬ gekommen ist, und dessen ungeachtet hängt unser Herz so gerne diesen veränderlichen, unvollkommenen und treulosen Geschöpfen an, und reißet sich los von Gott dem vollkommensten, unverän¬ derlichsten und treuesten Freunde dem gütigsten Vater! Wie blind, wie verhärtet sind wir nicht! wo ist unsere Vernunft? wo ist unser Herz? Wir verkennen unser wahres Glück und stossen es Muthwillig von dannen; denn Niemand verdient unsere Liebe bes¬ ser als Gott der vollkommenste und gütigste, und aus den Em¬ pfindungen dec Liebe Gottes, die von Ehrfurcht, Vertrauen und Dankbarkeit begleitet ist, schöpft unsere Seele eben die heiligsten und erhabensten Freuden; ohne Gott ist nufer Herz nie beruhiget, und unsere Wohlfahrt nie gesickert; aber seiner Gnade, seiner Liebe genießen, sich seines allmächtigen Schutzes bewußt seyn, sich uut dem Vertrauen an ihn trösten können, welche Ruhe kann uns da noch mangeln, welches Glück läßt sich über diese Gemüths- verfassung hinaus noch denken? Wie Gott der höchste Gedanke ist, so ist er auch der reichste an Wonne und für unser Herz der Zigste. Einen Gott erkennen, sagt ein frommer Mann, ist der 21 ' »»»» J72 «««« - Freude Anfang, einen Gott anbeten, der Freude Wachsthum, einen Gott lieben ist der Freude höchste Vollendung. Lasset uns also Gott über Alles lieben, meine Brüder! so rufe ich aus mit dem h. Johannes: Lasset uns Gott lieben, weil er uns zuerst geliebt hat; Gott die heiligste Liebe selbst fodert unsere Gegen¬ liebe, wir wollen sie ihm auf das bereitwilligste geben, wir wol¬ len ihm ganz angehören, weil er ganz unser ist, und sich uns durch alle Ewigkeit zu genießen geben will. Amen. Am achtzehnten Sonntage nach Pfingsten» »Einige von den Schriftgclehrtcn sprachen bei sich selbst: Dieser lästert Gott.« Matth. 9, 3. Eingang. Vier Männer, erzählt das heutige Evangelium, vier Männer, die auf einem Tragbette einen gichtbrüchigen Mann trugen, wünsch¬ ten vor den Heiland zu kommen, allein das Gedränge des Vol¬ kes in dem Hofe, wo Jesus lehrte, war so groß, daß sie keine Möglichkeit sahen durch das Volk zu dringen; sie brachten also mit vieler Mühe den Kranken im Bette auf das platte Hausdach hinauf, brachen die innere Decke des Daches weg und ließen durch diese Oeffnung den Kranken in den Hof hinab zu den Füssen Je¬ su. Die Geduld der Träger, bei dieser mühsamen Arbeit, so wie die Geduld des Kranken selbst und sein grosses Vertrauen rührten den mitleidigen Heiland; darum sprach er zu ihm: Sey getrost mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben! — Nicht ohne Grund flößte Jesus dem Kranken Muth ein, denn vieler mag wohl sehr bestürzt gewesen seyn, als er sich plötzlich im Kreise der Pharisäer sah, die um den Heiland standen, und die die Krankheit des Mannes als Strafe eines lasterhaften Lebens er¬ klärten. Und wirklich scheint Jesus selbst mit Rücksicht auf be¬ sondere Vergehungen dem Kranken gesagt zu haben: Dir werden deine Sünden vergeben; wodurch er ihm zugleich zu verstehen >z » » » 373 « «k<« gab, daß die Ursache seiner Krankheit, nämlich ein sündhaftes Leben, ein schlimmeres und dec Heilung bedürftigeres Ucbcl sey als die leibliche Krankheit. Indessen war den boshaften Phari¬ säern das ganze Betragen Jesu zum Anstosse. Schon darüber, haß Jesus sich mit einen Gichtbrüchigen, nach ihrem Urtheile mit einem Lasterhaften, abgab, schon darüber murrten sie unter sich. Als aber Jesus zu dem Kranken sagte: Dir werden deine Sünden vergeben, so erstieg ihr Unwille den höchsten Grad: Dieser lästert Gott, sprachen sie, weil er sich die Gewalt anmaßt Sünden zu vergeben. Der Heiland, der die Verdorbenheit ihrer Herzen kannte, fragte sie ganz gelassen. Mas ist wohl leichter zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder: Stehe, auf und wandle? d. i. ist nicht das Eine wie das Andere eine uVir- kung Gottes und ein Beweis der göttlichen Vollmacht. Wenn ich nun den Kranken durch das Einzige: Stehe auf und wandle, von feiner Krankheit und somit auch von den Sünden befreie, die, wie ihr sagt, die Ursache seiner Krankheit sind, wird euch das nicht Beweis genug seyn, daß ich von Gott gesandt bin. Wohlan denn, damit ihr sehet, daß des Menschen Sohn Macht hat Sünden zu vergeben: Stehe aus ist denn der Zorn und dessen Wirkung keine Sünde, ist das Aer- ' gcrniß, was du guten Christen durch deine Satanssprache gibst, keine Sünde, ist denn die Gewohnheit des Fluchens und Schwö¬ rens, die du dir nach und nach aber doch mit Bcwußtsevn und vorsätzlich zugezogen hast — keine Sünde? und gewöhnt man sich diese abscheuliche lasterhafte Sprache nicht oft bei Kleinigkeiten an. Man hört oft Väter und Mütter, Hausherren und Haus¬ frauen wegen einer geringfügigen Sache, wegen eines kleinen Versehens, einer geringen Vcrsäumniß im Dienste die graulichsten Verwünschungen über ihre Kinder und Dienstbothen ausstossen. Man hört Handwerksleute, Arbeiter und Taglöhncr bei jeder Rede über das Werkzeug, das sie in Händen haben, über die Arbeit, die sie vornehmen, in Fluchreden ausbrechen. Man hört manchen Reichen wegen eines geringen Verlustes, eines eitlen mißlungenen Versuches, wegen einem scheinbar beleidigenden Worte Gott und die Menschen gräulich lästern. O Christen, liebe Christen! wir sind weit, weit von jenem gottesfürchtigen heiligen Sinne unserer Vorfahrer der ersten Chri¬ sten entfernt, denn die Verdorbenheit und Bosheit ist so weit gediehen, daß selbst Kinder Gott lästern ehe sie noch seinen Na¬ men nennen können, daß sie, wenn sie kaum zu reden beginnen, eher fluchen als bethen lernen. Langmüthiger Gott vergib diesen armen unwissenden Geschöpfen, wenn sie deinen Namen und deine Werke lästern, sie wissen >a nicht, was sie thun. Aber sie, christ¬ liche Aeltern, Erzieher, Hausherren und Hausfrauen, sie werden einst strenge Rechenschaft vor dem Ewigen ablegen müssen, für jede Entehrung, die ihm durch ihren Mund oder durch den Mund ihrer Kinder aus ihrer Schuld zugefügt worden ist, für jede Schändung seines h. Namens, sie mag wie immer geschehen seyn, wenn sie Veranlassung dazu gegeben oder sie nicht verhindert ha¬ ben, da sie dieselbe hätten verhindern können. Und wie oft wird nicht der Name Gottes ohne Ehrfurcht, ohne Noth in weltlichen Scherzreden und Possen, ja sogar bei schamlosen Gespräche» / sünd- »>-»» ^>60 «««« hasten Spielen und Unternehmungen — verunglimpft und ge¬ schändet! Nicht vergeblich ist uns das ausdrückliche Gebot Got¬ tes gegeben, welches heißt: Du sollst den Namen Gottes nicht eitel nennen, und die Uebertretung dieses Gebotes wird der ewige Richter nicht ungestraft lassen, so wie er sie schon häufig und auffallend auf der Erde gestraft hat. Im alten Bunde wurde durch ein ausdrückliches Gesetz der Gotteslästerer zu Tode gestei- niget. Senacherib der König von Assyrien lästerte die Allmacht Gottes, indem er sagte, daß der Gott Israels sein Volk nicht aus seinen Händen erretten könne. Der Herr strafte diese Läste¬ rung schrecklich; er schickte seinen rächenden Engel, der in einer Nacht ill5,ooa Soldaten von dem assyrischen Heere erwürgte. Den Fluch, welchen Noe über seinen Sohn Eham ausgesprochen hatte, ließ Gott vollkommen in Erfüllung gehen, Cham war ein unglücklicher geschlagener Mensch bis an das Ende seines Lebens. Der h. Augustin erzählt ein merkwürdiges Beispiel von einer Mutter, die viele Kinder hatte, über welche sie einst eines Ver¬ drusses wegen, den sie wegen ihnen hatte, den Fluch aussprach. Alfvgleich wurden die Kinder mit einem entsetzlichen Zittern am ganzen Leibe gestraft, verließen die Mutter, irrten ganz wild in der Welt herum und gingen größtenteils erbärmlich zu Grunde. So straft Gott ost schon hienieden unüberlegte Flüche und Ver¬ wünschungen. Lassen sie sich daher, liebe christliche Aeltern, vom Zorn nicht übermannen, in welchem man selbst nicht weiß, was man spricht und wie man spricht, verdoppeln sie ihre Aufmerk¬ samkeit auf sich selbst und ihre Reden, besonders in Gegenwart der Kinder, haben sie Acht auf die Gefpräche ihrer Dienstboten und auf die Reden der unschuldigen Kleinen, damit in ihrer Fa¬ milie der h. Name Gottes nicht gelästert werde und sein Segen und seine Gnade nicht von ihrer Wohnung fliehe. Leiten sie ihre Kinder an, die erste Bitte im Gebete des Herrn mit Ehrfurcht, wahrer Andacht und Auferbaulichkeit auszusprechen, und beten sie selbst in Gegenwart derselben sowohl als allein aus dem Inner¬ sten des Herzens: Herr, gcheiliget werde dein Name. Amen. » » » » 58L « «c<« Am neunzehnten Sonntage nach Pfingsten. »Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwablt.« Matth. 22, 14, Eingang. Viele sind berufen, aber Wenige auscrwählt, Mit dieser schrecklichen Wahrheit beschließt Jesus das Gleichnis, des h. Evan¬ geliums, in welchem Gleichnisse nach der Auslegung der h. Kir¬ chenväter unter dem Bilde des Königs, der seinem Sohne ein Hochzcitmahl bereiten läßt — der himmlische Vater dargestellt wird, der seinen Sohn Jesum auf die Welt sandte, um seine h. Kirche zu stiften, um alle Menschen zur Annahme und Befol¬ gung seiner göttlichen Lehre und somit zum Gastmahl einer ewi¬ gen Seligkeit zu berufen. Die Diener, welche ausgeschickt wur¬ den um die Gäste zu diesem ewigen Mahle einzuladen, sind im alten Bunde die Propheten, im neuen Bunde aber die Apostel, die der Heiland selbst in die ganze Welt aussandte seine seligma¬ chende Lehre das Reich Gottes zu verkünden. Jene, die sich weigerten zu dem Hochzeitmahle zu erscheinen, sind die Juden, die die Propheten Gottes nicht anhören wollten, sondern sie ver¬ folgten und tödteten. Gott berief daher durch seine Apostel die Heiden, diesen ließ er die Wohlthat des seligmachenden Glaubens zu Theil werden und machte sie würdig zu seinem himmlischen Hochzcitmahle, d. i. zu seiner Seligkeit einzugehen. Sie dran¬ gen auch haufenweise in die von Jesu gestiftete Kirche ein und besetzten die Plätze jener Gäste, die cingeladen waren aber nicht erscheinen wollten. Indessen finden sich auch unter den eingela¬ denen und erschienenen Gästen solche, die nicht würdig sind an dem Gastmahle Gottes Theil zu nehmen, weil sie kein hochzeitli¬ ches Kleid anhabcn, d. i. zum Christenthume Berufene und in demselben Auferzogene, deren Sitten, deren Lebenswandel aber nicht nach der Lehre Jesu geformet ist — diese haben kein hoch¬ zeitliches Kleid und werden daher so gewiß vom Reiche Gottes ausgeschlossen, wie Jene, die zum himmlischen Hochzeitmahle, zu dem beseligenden Christenthume eingeladen waren, aber nicht er¬ scheinen wollten. Darum macht Jesus jenen die Seele mit Angst » » >- 382 erfüllende Schluß: Diele sind berufen, aber Wenige auserwählt. — Ein Ausspruch, der, wie gesagt, unsere Seele mit Angst erfüllen muß; denn dürften wir sicher hoffen, daß die Zahl der Verworfenen die geringere und die Zahl der Auserwählten die grossere seyn werde, so müßte ja schon Jedermann zittern, zu der geringcrn Zahl der Verworfenen gezählt zu werden, — aber nein, weit schrecklicher: Viele sind berufen, aber Wenige auser¬ wählt. Und wer sagt dieses? Jesus selbst der Sohn Gottes — die ewige Wahrheit. Schrecklich fürwahr ist dieser Ausspruch des Heilandes für jeden Sterblichen, besonders aber für den Sün¬ der, jedoch soll er Niemanden die Hoffnung der Seligkeit ganz rauben, aber in einer steten heiligen Furcht, in einer heilsamen Besorgnis, um sein Seelenwvhl soll er ihn erhalten, aufmunrcrn soll er ihn im gegenwärtigen Leben mit Kraft an dem Geschäfte des Heils zu arbeiten. Denn berufen hat Gott Alle, folglich wünscht er Alle selig zu machen, nur kann das ohne dem eige¬ nen Willen des Menschen nicht geschehen. Damit uns also der Ausspruch Jesu nicht zu hart vorkomme, so wollen wir heute nachdenken, warum so Wenige auserwählt sind, und dann, was wir thun sollen um für die Seligkeit auserwählt zu werden. Diese Untersuchung soll mittelst einer heilsamen Furcht den Sün¬ der von seinen bösen Wegen abschrecken und mit Vertrauen zu Gott zurückführen, — den Gerechten aber auf seinem Lugend¬ wege bestärken uud seine Hoffnung beleben. Erster Theil. Wir mögen über die Anzahl der Auserwählten, die h. Schrift wo immer zu Rathe ziehen, meine Lieben, so finden wir sie über¬ all als klein und unbedeutend angegeben. Die Gleichnisse derer sich der Heiland bedient um uns diese Wahrheit anschaulich zu machen, sind größtcntheils von der Natur hergenommen. Hier wird z. B. die geringe Anzahl der Auscrwählten mit den weni¬ gen Personen verglichen, die bei der allgemeinen Sündflulh in der Arche Noe gerettet wurden, dort macht uns der Heiland aufmerksam auf die wenigen Früchte, die nach erstorbenem Herbste noch auf dem Baume bleiben, oder auf die wenigen Aehrcn, die von den Schnittern nach der Aernte hin und wieder auf dem lesren Acker stehen gelassen werden, und so macht Jesus die An- » » » » 335 ««<« wcndung auf dis wenigen Glücklichen, die för daZ Reich GotteS eufbewahrt weiden. An einem andern Orte versichert er aus¬ drücklich, daß die Zahl der Auscrwählten fthr gering sey, weil, wie er glcichnißweise bemerkt, schmal und dornig der Weg ist, der zum Himmel führt und Wenige ihn betreten, weil die Lhüre eng ist, durch die man zum ewigen Leben cingeht und nur We¬ nige sic finden, und diese Wahrheit tragt der Heiland mit einer Art von Verwunderung und mit sichtbarem Gefühle des Schmer¬ zes vor — o wie enge, ruft er aus, ist der Weg, der zum Le¬ ben führet, und wie Wenige gibt cs, die ihn finden. Auf gleiche Weise äußert er sich auch im heut. Evangelia: Viele sind beru¬ fen, sagt er, aber Wenige auserwählt. Wenn wir nun diese Armierungen, die. aus einem Munde kamen, welcher die ewige Wahrheit redete, recht überdenken und zu Herzen führen wollten, so müßten sie nothwendig unser Gemüth Niederschlagen, unsere Glieder mit Furcht erfüllen, uns um unser ewiges Wohl besorgt machen und von der Sünde abschreckcn, die einzig und allein die Ursache der kleinen Anzahl der Auserwählten ist. Denn von Seite Gottes ist alles geschehen und geschieht alles, was zu un¬ serer Seligkeit nothwendig ist. Es ist nicht Einer unter uns und auf der ganzen weiten Gotteserde, den Gott nicht zum East- mahle einer ewigen Seligkeit berufen und ihm eine Stelle in seinem Reiche ausgesteckt hätte, denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn in den Lod geschickt hat, damit Niemand, der an ihn glaubt, verloren gehe, sondern das ewige Leben habe. Jesus der Sohn Gottes hat auch alle Kosten angcwcndet um uns wieder zu Er¬ ben des Himmels zu machen, den wir durch die Sünde verloren hatten; — er hat durch sein kostbares am Stamme des Kreu¬ zes vergossenes Blut den Schuldbrief ausgewischt, den wir der beleidigten göttlichen Gerechtigkeit zu lösen nicht im Stande wa¬ ren, er hat das Verdammungsurrheil, das über uns Sünder ausgesprochen war, durch seinen Gehorsam bis in den Tod am Kreuze auf immer aufgehoben; seine Diener die Apostel hat er uns gesendet und sendet sie noch alle Lage aus um durch seine Lehre alle Menschen zu dem Gastmahle einer ewigen Seligkeit cinzuladen; nach seiner unendlichen Liebe gibt er Jedermann die uöthigen Hülfsmittel und seine allvermögende Gnade um den für ihn bestimmten Platz im Reiche Gottes zu erringen. Von Seite Z84 Gottes, von dem liebenden Vater im Himmel ist also alles ge¬ schehen um uns glücklich zu machen. Das Hochzeitmahl, d' i. die Seligkeit ist uns vom Anfänge der Welt her bereitet, ein- geladen zu diesem himmlischen Hochzeitmahle ist auch Jedermann ohne Ausnahme; es kommt also einzig darauf an, ob wir den Willen haben dabei zu erscheinen, und ob wir uns würdig ma¬ chen wollen, dazu zu erscheinen. Und diese beiden Bedingungen sind es eben, von denen die Zahl der Auserwählten abhängt. Diese beiden Bedingungen kön¬ nen nicht von Seite Gottes, sie müssen von unserer Seite erfüllt werden, dann nur sind die Berufenen zugleich die Auserwählten. Aber leider — gleich jenen Gästen, die die gütige Einladung des Königs verschmähten und sich unter verschiedenen Vorwänden wei¬ gerten zu dem für sie bereiteren Gastmahle zu erscheinen: so denken auch die meisten Christen, die zum ewigen Mahle des un¬ befleckten Lammes berufen sind, nicht an die überaus grosse Se¬ ligkeit, die ihnen im Reiche Gottes bereitet ist, weil sie lieber der verführerischen Stimme der Welt als dem väterlichen Rufe Gottes Gehör geben. Das Irdische nimmt ihr Herz und ihren Sinn so sehr ein, daß man die Zeit, in welcher sie an ihr ewi¬ ges Heil denken, nur flüchtige Augenblicke nennen kann. Und wahrlich, wenn man die meisten Menschen ohne Unteilaß beschäf¬ tiget sieht Pläne auf Pläne zu machen, wie sie sich zeitliches Vermögen sammeln, von einer Ehrcnstufe auf die andere hinan¬ steigen, der^immer fodernden und immer dürstenden Sinnlichkeit ihre Wünsche befriedigen könnten, so wäre man beinahe versucht zu glauben, der Mensch sey nur für diese Erde geschaffen. Gott Mag immerhin den ersten Schritt machen um solche auf ihr ewi¬ ges Heil vergessende Menschen an sich zu ziehen, ihren Blick nach oben' zu richten und ihr Herz für himmlische unvergängliche Freu¬ den empfänglich zu machen; er mag sie bald durch die innere Stimme des Gewissens, bald durch Rührungen seiner Gnade, bald durch den Zuruf der Diener seiner Kirche, bald durch Wohl« thaten seiner Vatergüte, bald durch Strafen seiner Gerechtigkeit für eine Glückseligkeit zu gewinnen suchen, die allein der Achtung des Menschen würdig ist und einen unvergänglichen Werth hat. — Vergebens, sie sind taub für die Stimme Gottes, taub für die Stimme des Gewissens und der Vernunft. Busse, Besserung, Lugend, Andachtsübungen, Genuß der h. Sakramente, sind den »z»)»»» «185 «««« meisten unbekannte Namen und eine fremde Sprache, die sie nicht verstehen. Man muß sie zwingen gleich jenen geladenen Gästen im Evangeliv, daß sie ihr eigenes ewiges Glück lieb gewinnen und suchen. Denn nur mit Widerwillen erscheinen die meisten im Hause des Herrn, ohne Eifer für ihr Seelenheil hören sie das göttliche Wort, ohne Geistesvcrfammlung und Andacht woh¬ nen sie dem Gottesdienste bei, ohne Vorbereitung.und wahren Nußeifer stellen sie sich vor den Priester" hin, der an Gottes Statt ihren kranken Seelenzustand untersuchen und heilen soll, ohne innerliche Reinigung, ohne christliche Demuth, festen Glau¬ ben und feurige Liebe treten sie hin zum Tische des Herrn und empfangen das erhabene Engelsbrot. O fliehetUnglückliche, flie¬ het! ihr seyd nicht nur gezwungene, sondern auch unwürdige Gäste — ihr habt kein hochzeitliches Kleid an. Das hochzeitliche Kleid, sagt der h. Gregor, bedeutet die Gnade und die Liebe. Der Gnade genießen aber nur unschuldige und wahrhaft küssende See¬ len. Denn nur diese beiden Wege führen in das Reich Gottes zum Gastmahle des unbefleckten Lammes — der Weg der Unschuld nämlich und jener der aufrichtigen Busse. Die Unschuld aber, wo sollen wir sie suchen, wo werden wir sie finden? in welchem Ater» in welchem Stande, unter welchen Menschen? Mit dem ersten Gebrauche der Vernunft beginnt oft ihre Blüthe zu welken und in einer verführerischen lasterhaften Welt ist es ihr unendlich schwer eine sichere Zufluchtsstätte zu finden. Busse, wahre Busse, die zweite Bedingung der Gnade ist den meisten Christen so fremd wie die Unschuld. Viele wollen den Weg der Busse nicht antre¬ ten, und viele kehren von den Beschwerden, die ihnen auf dem¬ selben aufstossen, abgeschreckt zurück und suchen den kaum noch verlassenen Weg des Lasters wieder auf. Legen wir die Hand an das Herz, meine Lieben, und fragen wir uns einmal mit Ernst: Wie weit bist du schon vorgeschritten auf dem Wege der Besserung? Ach ich fürchte die innere unparteiische Stimme des Gewissens wird uns zurufen: Unglücklicher! du hast noch keinen Schritt gemacht, oder du bist noch immer in der gleichen Gefahr auf die breite Strasse zurückzukehren — die zum Verderben führt. Somit dürfen wir uns auch nicht versprechen, daß die Liebe in uns wohnt, die durch das hochzeitliche Kleid angedeutet wird; denn wie heißt das Gesetz der Liebe? — Liebe Gott über Alles, den Nächsten wie dich selbst. So lange wir aber nicht ' 25 «««« auf dem Wege der klnschuld oder der Busse wandeln, so sänge wir die Welt, einen eitlen Gewinn, cm schnödes Vergnügen hö¬ her schätzen als Gott — so lange, wohnt die Liebe in unfern Herzen nicht, so lange wir nicht aus Achtung gegen Gottes Ge¬ setz alle Menschen als Kinder Gottes, als unsere Brüder um¬ fangen, wohnt die Liebe in unserm Herzen nicht; wir haben da¬ her noch kein hochzeitliches Kleid und sind nicht würdig des Rei¬ ches Gottes. Es darf uns daher der Ausspruch Zesu von der' geringen Zahl der Auscrwählten nicht hart und ungerecht Vor¬ kommen. Der gütige Schöpfer thut wohl das Scinige und mehr ' als wir verdienen um uns glücklich zu machen, aber wir thun das Unsrige nicht, da wir uns entweder hartnäckig unserm ewigen Glücke entziehen, oder desselben würdig zu werden uns nicht nach Kräften bestreben. Doch wir wollen sehen, wie wir dieses Glü¬ ckes thcilhaftig werden, wie wi» die Gnade der Auserwählung erlangen können. Zweiter Thcil. Wenn es denn so schwer ist selig zu werden, wenn die Zahl der Auserwählten so gering seyn wird, wer kann hoffen selig zu werden? So könnte Einer oder der Andere meiner Zuhörer fragen, wie einst die Apostel ihren göttlichen Meister fragten. Darauf will ich Jedem dieselbe Antwort geben, die Zcsus seinen Schülern gab: Mit der Gnade Gottes ist Alles möglich! Bemühet euch aber durch die enge Thüre einzugchen zu dem ewigen Leben. Aus dieser Antwort des Heilandes kann Zeder aus Ihnen diesen zwei¬ fachen Schluß ziehen, daß es nämlich möglich ist selig zu werden, und daß es von dem ernstlichen Bemühen des Menschen selbst abhängt selig zu werden. Zst es möglich, so darf Niemand an seiner Seligkeit verzweifeln, hängt cs von dem Bemühen des Menschen ab, so muß Jedermann alle seine Schritte nach jenem himmlischen Vaterlande gerichtet haben. Zum Untergänge bat Gott Niemanden erschaffen, er will, daß Zedermann an seiner Seligkeit Lheil nehme, — darum schickte er uns seinen Sohn Zesum als Erlöser, darum verkündigte er uns durch ihn seinen h. Willen und lehrte uns die Art ihn zu erfüllen, darum gab er uns die beselige »oen Sakramente und seine Gnaden, als eben so viele Hülfsmittel um an unserm ewigen Heile arbeiten zu st87 «««« können; kurz, wenn unser Heil von Gott allein abhinge, so ist Jedem aus uns die Seligkeit ganz gewiß. Tröstlicher Gedanke! Gott hat uns durch seinen Sohn Iesum zu Erben des Himmels ausgenommen und uns eine Stelle in seinem ewigen Reiche vor¬ bereitet, — diese Hoffnung bleibt uns so lange wir auf Erden wandeln, selbst dann noch, wenn wir so unglücklich waren, durch die Sünde uns von Gott getrennt zu haben, wenn wir nur, so lange wir noch in diesem Fleische sind, ernstlich zu ihm zurückkeh¬ ren und dir Heilsmittel gebrauchen, die Zesus zu unserer Selig- machung eingesetzt hat. Wir müssen uns also selbst bemühen unter die geringe Zahl der Auserwähltcn ausgenommen zu werden, well Gott Jeden nach seinen Verdiensten vergelten wird. Das Verdienst selbst kann freilich Niemand sich allein zucignen, denn zum Verdienste werden zwei Dinge ersodert: Die Gnade-Gottes^ und die Mitwirkung des Menschen. Ohne der Gnade kann der Mensch nichts Ver¬ dienstliches für den Himmel wirken, aber mit derselben kann er Alles, und diese, o tröstlicher Gedanke! diese mangelt uns nicht, wenn wir nur mit ihr wirken wollen. Wir haben von Seite Gottes Alles zu hoffen, nur uns selbst haben wir zu fürchten, und zwar viel zu fürchten, weil uns die Hindernisse, die mit der Ausübung der Lugend nothwcndig verbunden sind, so sehr er¬ schrecken. Und mit dem blossen Verlangen unter die Zahl der Auserwählten ausgenommen zu werden ist noch nichts geholfen, wir müssen uns mit aller Kraft anstrengen und kein Opfer scheuen um wirklich unter die Zahl jener Glücklichen zu kommen. Denn das Reich Gottes, sagt Christus, braucht Gewalt und nur die Ungestümen reißen es an sich. Wahrlich, wenn wir das Leben so vieler Freunde Gottes, so vieler Märtyrer und Bekenner Chri¬ sti, so vieler reumüthigec Busser und Büsserinnen überblicken, so werden wir wohl gestehen müssen, daß das Reich Gottes der Gewalt bedarf, und daß dasselbe nur die Stürmischen an sich rei¬ ßen. Was that nicht der grosse Apostel Paulus seines eigenen und des Heiles seiner Mitbrüder wegen, wie viel Verdienste hat er sich nicht im Weinberge Christi um den Himmel gesammelt! wie viele Drangsale und Leiden hat er nicht des Evangeliums wegen auvgestandcn, und doch züchtigte er seinen Leib und seine Sinnlichkeit auf das Schmerzlichste und unterwarf sich jeder Ent¬ sagung und Uebcrwiudung aus Furcht, daß er nicht selbst ver- »»v v 5LL warfen würde, während er andern predigte. Was hat unzählige Märtyrer entflammt ihr Leben der Wuth der Tyrannen zu opfern, was hat so viele Büsser beiderlei Geschlechtes bewogen ihr ganzes Leben hindurch in einer beständigen harten Abtodtung und Ent¬ sagung zuzubringen? Was hat Andere sogar in die schauerlichsten Wüsteneien getrieben, wo sie der Welt vollkommen abstarben und nur für das jenseitige Vaterland lebten? Was anders als die erschütternde Wahrheit, daß der Weg, der zum Himmel führt, schmal und dornig ist, und Wenige ihn finden, was anders als die grosse Furcht auf die breite Strasse zu gerathcn, auf der wohl viele wandeln, aber ihrem Verderben entgegen? Wie klein, gestehen Sie es mit mir, wie klein ist hingegen unsere Besorg- niß um unser Seelenheil, gegen die Besorgniß jener eifrigen Seelen. Und doch steht uns auch kein anderer Weg zum Him¬ mel offen als jener — nämlich der Weg der Busse, denn dm Weg der Unschuld sind wir seit dem Gebrauche unserer Vernunft vielleicht kaum einige flüchtige Augenblicke gewandelt — bald, nur zu bald haben wir ihn aus den Augen verloren und haben auf die breite Strasse eingelenkt, die zum Verderben führt, und die von dem grossen Haufen betreten wird. Nein, meine Lieben, es muß anders werden. Die Freunde, die verherrlichten Freunde Gottes laden uns ein, ohne Zaudern den Weg der Busse cin- zuschlagen, unsere Leidenschaften zu bändigen, der Sinnlichkeit Abbruch zu thun, unser Kreuz willig auf sich zu nehmen und zu tragen, mag auch noch so steil und dornig der Weg seyn, der zum Leben führt, denn wer würde nicht lieber mit der geringen Zahl selig werden wollen, als mit der Menge zu Grunde gehen. Wollen wir aber mit der geringern Zahl selig werden, so müssen wir auch wie die geringere nicht wie die grossere Zahl leben. Was also die meisten Menschen thun, das müssen wir unterlas¬ sen, was die meisten suchen, das müssen wir fliehen, was die meisten genießen, das müssen wir entbehren, und im Gegentheile, was die meisten verachten, das müssen wir hochschähen, was die meisten fliehen, darnach müssen wir unaufhörlich streben, was die meisten hartnäckig von sich stossen, das müssen wir mit Begierde ergreifen. Reichthum, Ehren, sinnliche Genüsse, nach diesen ist das Treiben und Drängen der Mehrzahl gerichtet — das, gerade das müssen wir verachten. Armuth, Kreuztragung, Entsagen, Aeberwinden, Busse, das flieht die Mehrzahl, und gerade das « « « « 369 «««« ige rn, zes 1t- M nd )ie rt, ls er h, ? m I- m ft n d i, >c t ii r i i müssen wir willig auf uns nehmen, dann haben wir einigermas- sen Hoffnung unter der Zahl der Auserwählten zu seyn. Wol¬ len wir aber diese Hoffnung noch sicherer machen, so müssen wir, wenn wir bereits angefangcn haben für Gott zu leben, noch auf den Wandel derjenigen Hinblicken, die viel besser sind als wir, und Jedermann wird in dem nämlichen Stande, in welchen er lebt, gewiß noch Menschen finden, die besser, frömmer, gottes¬ fürchtiger leben als er, und die doch bei alle dem beständig um ihr Seelenheil besorgt sind. Wie kann ich mir versprechen, denke sich da ein Jeder, daß ich unter der geringen Zahl der Auser¬ wählten bin, da ich Menschen sehe, die eine viel gegründetere Hoffnung dazu haben als ich, und doch immer fürchten verworfen zu werden! Ihr ganzes Leben ist voll guter Werke, das meinige aber so leer an denselben; ich muß, ich will mein Heil besser sichern, ich will diese Tugendhaften nicht nur eifrig nachahmen, sondern so viel möglich sie an Tugenden noch übertreffen. Solche Betrachtungen müssen wir über uns selbst anstellcn, meine Lieben! um zu erfahren, ob wir Hoffnung haben dürfen unter der ge¬ ringen Zahl der Auserwählten zu seyn, solche Vorsätze müssen wir machen, so müssen wir leben, wenn wir diese Hoffnung schon hicnieden begründen wollen, dabei aber soll uns stets der Aus¬ spruch Jesu vor der Seele schweben: Viele sind berufen, aber Wenige auserwählt, bemühet euch daher durch die enge Thüre einzugehen zum ewigen Leben. Amen. Am zwanzigsten Sonntage nach Pfingsten. »Er glaubte mit seinem ganzen Hause.« Joh. 4, 53. Eingang. Au Caphdrnaum, so erzählt das h. Evangelium, lag der Sohn eines Königleins, d. i. eines königlichen Beamten, eines Hof¬ mannes, gefährlich krank. — Der bekümmerte Vater hatte be¬ reits alle ihm zu Gebote stehenden Mittel angewendct, um seinem »»»» e-fff) «««« theuern Kinde das Leben zu^retten; dessenungeachtet nahm dis Ge- C fahr der Krankheit immer mehr zu/und der liebende Vater sah lc seinen Sohn bereits am Rande des Grabes. — Nur von einer dl Seite, von Galiläa her, erglänzte dem Trostlosen noch cin mil- ss der Hoffnungsstrahl, dem er auch unbedingt folgte. — Jesus, L der bereits allgemein bekannte grosse Wunderthatcr mar nämlich a zu Canna, einem galiläischen Städtchen angekommen. Kaum er- d fährt dieses der betrübte Vater, so macht ec sich sogleich selbst zi auf die Reise, um Jesus, von dessen Allmacht und Güte er schon o so Vieles gehört hatte, aufzusuchen. Er findet ihn, eröffnet ihm e die grosse Noth seines Kindes und bittet ihn recht dringend um seine mächtige Hülfe. — Jesus versagt zwar dem liebenden Va¬ ter diese Hülfe nicht, jedoch straft er zuerst seinen langsamen Glauben durch den sankt beschämenden Vorwurf: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder sehet, so glaubet ihr nicht! Jesus wollte t sagen: Nur die äußerste Gefahr und Trübsal kann euch aus euerm i tödtlichen Schlafe wecken — läge dein Sohn nicht schon in To- c desnöthen, nimmer hättest du mich ausgesucht, noch zu mir um ! Hülfe gerufen! — Ein Vorwurf, meine Lieben! der uns als : Christen noch weit schwerer trifft als diesen bis dahin noch heidni- ! schen Vater. Denn wann fliehen wir denn recht aufrichtig zu ! Gott außer in zeitlichen Lrübsalen? — Wie selten führt uns > die Liebe zu ihm! — Indessen ist Gott immer weit gütiger gegen vns als wir es verdienen. Dieses bewies Jesus eben gegen den betrübten Vater; denn als ihn dieser noch einmal anflehcte: Herr, komm doch hinab ehe mein Sohn stirbt! — da gab ihm Jesus ungeachtet seines vorigen mangelhaften Glaubens, den trostvollcn Bescheid: Gehe hin dein Sohn lebt! — Der Vater glaubt nun ohne Schwanken dem Worte des Heilandes, kehrt zurück, findet seinen Sohn vollkommen gesund, und er und sein ganzes Haus glaubt nun an Jesus den Sohn Gottes. Wir sehen an diesem nunmehr gläubigen königlichen Beam¬ ten ein treues Bild eines guten Vaters, dem das leibliche und gei¬ stige Wohl der Seinigen sehr nahe am Herzen lag. Es ist zwar dieses Bild nicht nach allen den einzelnen Zügen entworfen, die ! an einem für das Beste seiner Kinder besorgten Vater glänzen sollen, indessen haben wir doch an ihm die Hauptzüge vor uns, und können aus diesen Hauptzügen die einzelnen ohne vieler Mühe herausfinden. — Ich will darum heute den guten Hausvater von »x»» 391 «««« >c- ah er l- s, ch I'- st N n II sl t e r i ! Capharnaum selbst christlichen Aeltern zum Gegenstände der Be¬ lehrung und Erbauung aufstellen, mich aber dabei wegen Kürze der Zelt bloß darauf beschränken, sie auf die wichtigste ritterliche Pflicht, die der Hausvater von Capharnaum, nachdem er zur Kenntniß des wahren Glaubens gelangt war, so eifrig ausübte, aufmerksam zu machen — auf die Wicht nämlich, vorzüglich für die geistige Gesundheit, d. i. für das geistige Wohl ihrer Kinder zu sorgen. Christliche Aeltern, die dieses Namens würdig sind, oder würdig werden wollen, werden hoffentlich auch dem Vorträge einer ihrer wichtigsten Pflichten willige Aufmerksamkeit schenken. Abhandlung. Die meisten christlichen Aeltern tragen weit mehr Sorge für die leibliche als für die geistige Gesundheit ihrer Kinder. — Zwar ist die älterliche Sorge für das leibliche Wohl der Kinder auch eine wichtige, in der Natur selbst wie in der Religion gegründete Pflicht. Schon das zarte Band der Natur, das Aeltern und Kinder an einander knüpfet, der süsse Vater- und Muttername, der Anblick der Ebenbilder in den Kindern — schon dieses muß den Aeltern ein mächtiger Antrieb seyn, für das Leben, für die Gesundheit ihrer anvertrauten Unterpfänder nichts zu versäumen, alles zu unternehmen. Auf einem fremden Boden, unter fremder Aufsicht und Pflege können diese jungen Sprossen der Menschheit, besondere Fälle ausgenommen, nicht eben so gut gedeihen als un¬ ter den Händen der Aeltern; denn bei diesen ist die väterliche und mütterliche Liebe zu den Kindern weit grösser, die Freude über ihr Glück weit dauerhafter, der Schmerz über ihr Unglück weit empfindlicher, mithin auch die Sorge für ihr Wohl weit angelegener und ausdauernder; — um so mehr bei christlichen Aeltern, die nach der Vorschrift Zesu des göttlichen Stifters un¬ serer h. Religion und unter Versicherung und Mitthcilnng feiner befondern Gnade durch ein heiliges und unauflösbares Band ver¬ einiget sind, um die allseitigen schweren und heiligen Pflichten ihres Standes desto leichter und gewissenhafter erfüllen zu können. Zu den schweresten aber auch zu den heiligsten Pflichten christlicher Aeltern gehört aber unstreitig die Sorge für das geistige Wohl, der Kinder. Denn wenn die ritterlichen Pflichten in Hin¬ sicht auf das leibliche Wohl der Kinder schon groß und heilig »»»» 392 «««« sind, so müssen ihre Pflichten in Bezug aus das geistige Wohl der Kinder um so grösser und heiliger seyn, je vornehmer die Seele vor dem Leibe, je wichtiger das Ewige vor dem Zeitlichen ist; und wenn die Verwahrlosung eines Kindes und seiner leib¬ lichen Gesundheit schon so verantwortlich für die Aeltern ist, so ist die Vernachlässigung der Seele und des Heiles eines Kindes für Aeltern noch verantwortlicher, weil der Verlust einer Seele und ihres Heiles um so grösser und fürchterlicher ist. — Ich sage daher: es ist die erste und heiligste Aeltcrnpflicht für die geisti¬ ge Gesundheit oder für das geistige Wohl der Kinder zu sorgen. — Wie dieses geschehen müsse, soll uns das heutige Evange¬ lium zeigen. Nachdem der Vater des kranken Sohnes von dem Heilande die erfreuliche Versicherung erhalten: Gehe hin, dein Sohn lebt! — nachdem er von seinen ihm entgegenkommenden Dienern die völlige Genesung seines Kindes vernommen und sich auch selbst von der Wahrheit der wundervollen Heilung überzeugt hatte, — was that da der gute Vater? — Er glaubte mit seinem ganzen Hause, sagt das Evangelium. — Wenige, aber viel umfassende Worte, meine Lieben! — Wer aus uns wird diesem guten Va¬ ter und seiner Familie nicht Glück wünschen, sowohl, daß er durch die Allmacht und Güte des Heilandes, seinen am Rande des Gra¬ bes liegenden Sohn wieder aufleben sah, als auch und noch mehr, daß er zu gleicher Zeit die Gabe des wahren Glaubens auf eine so wunderbare Art erhielt? — Haben aber wir nicht weit mehr Ursache uns Glück zu wünschen, daß wir gläubige Verehrer und Jünger Jesu sind, und vermöge einer ganz unverdienten Gnade das göttliche Erbtheil des wahren scligmachenden Glaubens schon in der Wiege überkommen haben? Und sollten daher christliche Aeltern dieses göttliche und beseligende Erbtheil nicht mit weit grösserer Sorgfalt und Freude als der Hausvater von Eaphar- naum auf ihre Kinder fortzupflanzen und zu erhalten suchen? Wie aber soll dieses geschehen? Durch gute Lehre und durch gu¬ tes Beispiel. Ich sage: durch gute Lehre. Der königliche Beamte im Evangelio glaubte, heißt es, mit seinem ganzen Hause. Also nicht er der Vater allein, sondern seine ganze Familie glaubte an Jesus den Sohn Gottes. — Wäre aber dieses wohl so leicht geschehen, wenn der Vater den Seinigen nicht mit gerührtem 595 «««« l und dankbarem Herzen alles berichtet und erklärt hätte, was er e in Galiläa gehört, gesehen und erfahren hatte? — Schwerlich i würden sich ohne dieses seine Hausgenossen dazu verstanden ha- - bcn an Jesum zu glauben, vielmehr würden sie, wie ihre Mit- > bürger die Capharnaiten ein sinnliches und verstocktes Herz be- ! hallen haben. So aber ließ sichs der beglückte Vater bei seiner : Heimkunft das erste Geschäft seyn, den Hausgenossen den ganzen : Hergang seiner Reise zu erzählen: wie dringend er Jesum gebe¬ ten, er möchte ihn würdigen in sein Haus zu kommen und dem todtkrankcn Sohne die erwünschte Genesung in eigener fpcrson zu verleihen; wie ihm darauf Jefus wegen des langsamen Glaubens den obschon beschämenden jedoch im Tone der Sanftmuth und Liebe ausgesprochenen Verweis gegeben: Wann ihr nicht Zeichen und Wunder sehet, so glaubet ihr nicht! wie er hierauf den Hei¬ land abermals um seine mächtige Hülfe gefleht und nun von ihm mit dem Trostworte: Gehe hin, dein Sohn lebt! — überrascht und erfreut worden sey — wie das Machtwort des Heilandes selbst in weiter Ferne augenblicklich gewirkt habe, wie das Wun¬ der der Genesung so pünktlich und bestimmt gerade zu jener Zeit und in jener Stunde eingetroffen sey, in welcher er mit dem Hei¬ lande gesprochen und dieser zu ihm gesagt hatte: Gehe hin, dein Sohn lebt! — Bei dieser Erzählung wird der gerührte dankbare Vater ohne Zweifel die Seinigcn aufmerksam gemacht haben, daß der, durch dessen Macht und Güte sie sich dieser wunderba¬ ren Wohlthat zu erfreuen haben, der von Gott seit Jahrtausen¬ den verheißene und in dem Gesetze angckündigtc Messias und Be¬ glücker der Menschen seyn müsse. — So ließ es also der gute Vater nicht dabei bewenden, daß er selbst von der Gottheit Jesu und von der Wahrheit seiner Lehre überzeugt, und aus Ucber- zeugung ein Jünger Jesu geworden war; nein, als ein wahrhaft treuer, redlicher Hausvater wollte er auch den Scinigen allen die nämliche Ueberzcugung beibringcn, sie alle für Jefus und seine h. Lehre gewinnen. Und wie oft wird er in der Folgezeit seinen Hausgenossen den nämlichen Unterricht mit Rührung und Freude wiederholt, eingeschärft uud begründet haben! weil er niemals oft und dankbar genug von dem denken und reden konnte, der ihn, seinen Sohn und sein ganzes Haus so augenscheinlich und wun¬ derbar erfreut und beglückt hatte. » N >- >- « « sc « 3!>4 Ein wahrhaft schönes Beispiel für sie, liebe christliche Ges¬ tern! ein Beispiel, an dem sie sich erbauen, nach dem sie sich, wenn sie ihre Aelternpflicht redlich erfülle» wollen, richten können. — Es ist nämlich nicht genug, daß sie selbst Jesum und seine göttliche Lehre kennen und von ihrer Wahrheit überzeugt sind — auch auf ihre Kinder müssen sie dieses himmlische Geschenk, das ihnen selbst ohne ihr Verdienst zu Theil wurde, übertragen, ihnen dieselbe beseligende Kenntniß, die sie selbst besitzen, gewissenhaft und zwar schon in zarter Jugend beibringcn, und in den folgen¬ den Jahren immer mehr zu erweitern und zu begründen suchen. Das ist besonders in unser» Tagen nothwendig, wo man den Verstand und das Herz der Jugend wegen so vielen Gefahren des Unglaubens und der Verführung in der Religion nicht genug bestärken kann. — Man hört zwar selbst manche Aeltern übek> das Vcrderbniß ihrer Kinder klagen, aber dabei gewöhnlich die Schuld wo anders suchen, da sie doch ganz oder größtenheils an ihnen selbst haftet. — Denn, wenn, wie es oft geschieht, man- che Aeltern glauben, sie hätten sich der Pflicht ihre Kinder für Gott, für die Kirche und den Staat zu bilden entlediget, wenn sie dieselben in die Schule zu dem öffentlichen Unterrichte schicken, oder aber ihnen einen Privatlehrer an die Seite geben, bei dem sie gar oft mehr darauf sehen, ob er einen schönen Rock und eine empfehlende Außenseite hat, ob er Welt und Weltklugbcit genug besitzt, ob er die Kunst versteht, eine Gesellschaft mit lau¬ nigem Witze zu unterhalten; als aber, ob er eine gründliche Kenntniß der reinen Lhnstusreligion besitzt, ob er diese als die einzige und sicherste Führerin des Menschen zu seiner Bestimmung schätzt und anempsiehlt, und ob dieselbe nicht nur ein schönes Ei- gcnthum seines Verstandes, sondern auch seines Herzens ist, um die Zöglinge mit ihrem lebendigen Geiste erfüllen zu können; — wenn Aeltern auf diese Art für das geistige Wohl ihrer Kinder sorgen; wenn sie überdieß auch selbst zu Hause selten ein ernstes Wort über die Wahrheiten der Religion verlieren; wenn sie ihre Kinder niemals selbst prüfen und sich von ihrem Fortgänge in depLLissenschaft des Heils nie selbst überzeugen wollen; wenn sie der Jugend bei einem magern Seitenunterrichte in der Religion, mehr Geschmack am Zeitlichen als an dem, was ihr Heil betrifft, einflössen; wenn sie den bei dem Lehrer erhaltenen Unterricht durch Gleichgültigkeit oder gar erregtes Mißtrauen in den Kleinen er- »»»» Z 95 «««« sticken; oder wenn Aeltern nicht Muth und Standhaftigkeit genug haben, sich vielleicht gar schämen, ihre schon erwachsenen Kinder zur aufmerksamen und andächtigen Beiwohnung in der Christen¬ lehre, zur Lesung nützlicher Bücher, zur Ausübung her ^christlichen Pflichten anzuhalten, wenn Aeltern auf diese Art die religose Er¬ ziehung der Kinder besorgen, muß man da nicht sagen, daß sie allein die Schuld tragen, daß ihre Kinder in der Kenntniß des Religion nicht zu-- sondern vielmehr abnehmen, und zuletzt der Religion selbst zur Schande leben? Nein, meine Lieben! wenn der Religionsunterricht gelingen, den Verstand des Menschen heilsam erleuchten und sein Herz wahrhaft veredeln soll, so muß dafür gesorgt werden, daß dis Kenntniß der Lehre Jesu zeitlich mitgetheilt werde und den gan¬ zen Menschen durchgreife. — Verstand, Vernunft, Gedächtniß und Gefühlsvermögen müssen nach Maßgabe der Zeit und Fä¬ higkeit gehörig bearbeitet werden; der Zögling muß von der Wahrheit, Nothwendigkeit und Wvhlthätigkcit der Religion mehr und mehr überzeugt werden, ihre Lehren und Vorschriften richtig verstehen, gründlich kennen, sonst wird er sich bei der nur zu bald erwachenden und überhand nehmenden Sinnlichkeit^ bei den Reizen des Lasters, bei der Macht des bösen Beispieles Vuf dem Wege des Heils nicht behaupten können; vielmehr werden ihm widerstrebende sinnliche Neigungen, gefährlicher Umgang, beste Bei¬ spiele, verderbliche Bücher und Reden die Religionswahrheiten verleiden, zweifelhaft machen, oder gar Unglauben erzeugen. Darum sage ich: der Unterricht in den Wahrheiten des Heils sollte frühzeitig beginnen und von Zeit zu Zeit durch Anleitung zum Nachdenken, durch erbauliche Gespräche, durch Lesung guter Bü¬ cher durch öffentlichen Unterricht und Gottesdienst erneuert, auf¬ gefrischt und unvergeßlich gemacht werden; weil es, sich hier um Wahrheiten und Vorschriften handelt, von welchen wir alle Tage unseres Lebens Gebrauch machen sollen, und von deren Befolgung oder Nichtbefolgung unser zeitliches und ewiges Glück oder Un¬ glück abhängt. Wahr ist es, wenn man die Pflichten der religiösen und sittlichen Erziehung der Kinder in ihrem ganzen Umfange über¬ denkt, mit allen den Arbeiten und Sorgen, denen sich die Ael¬ tern unterziehen müssen, mit allen den Hindernissen, die sich ihnen 'n den Weg stellen, mit all' der Klugheit und Weisheit, die sie » » » » 39tr «««« erfodern, mkt der Länge der Zeit, durch di« sie erneuert, mit der Geduld und Ausharrung mit der sie ausgeübt werden müssen: so erscheinen dis alterlichen Pflichten als die beschwerlichsten des menschlichen Lebens. —> Indessen muß man aber auch zugeben, daß die Erfüllung dieser Pflichten durch den mächtigen Einfluß der älterlichen Liebe, und durch einen h. Wunsch: die Kinder für Gott zu erziehen und sie ihm dereinst als sein Cigenthum zurück-? zustellen, so sehr versüßt; von der Hülflosigkeit und Unerfahren¬ heit der Kinder selbst so kräftig verlangt; durch die Freude der Aeltern über den Wachsthum der Kinder in der Wahrheit und Lugend so angenehm belohnt, durch den mächtigen Beistand Got¬ tes so kräftig unterstützt, und durch dessen Wohlgefallen so herr¬ lich gekrönt werden — daß man wieder gestehen muß: daß die Pflichten der Aeltern gegen die Kinder, wie sie die mühsamsten, so auch die natürlichsten, heiligsten und angenehmsten sind. — Mögen daher christliche Aeltern, die dieses Namens nicht würdig sind, immerhin ihren Stand oder ihre Geschäfte als Entschuldi¬ gung einer vernachlässigten religiösen und sittlichen Erziehung bei den Kindern vorschützen diese Entschuldigung wird vor dem Richterstuhle des Herrn nicht gelten. — Denn die Sorge für das Seelenheil der Kinder ist und bleibt einmal die erste Sorge der Aeltern; weßwegcn auch fromme gute Aeltern bei dem grö߬ ten Ansehen, das sic behaupten, bei der Menge der Geschäfte, die ihnen obliegen, weder sich zu erniedrigen noch die Zeit zu verlieren fürchten, wenn sie ihre Kinder in der Gottesfurcht un¬ terrichten und stärken. Sie sind überzeugt, daß ihr Amt, das Amt christlicher Erzieher ihr erstes und wichtigstes ist, das sie niemals aufgeben, sondern höchstens nur mit den Lehrern theilcn können, und daß allezeit die erste Verantwortung für das Heil ihrer Kinder auf ihrem Gewissen liegen müsse. Ferner müssen Aeltern für das Seelenheil ihrer Kinder sor¬ gen durch gute Beispiele: Er glaubte, heißt es von dem Haus¬ vater zu Capharnaum, mit seinem ganzen Hause. — Hier ist nicht bloß von einem Wissen der Lehre Jesu die Rede, sondern von dem ganzen Umfange dessen, was sie zu thun auflegt. Die Lehre Jesu für wahr und heilig halten, und nach ihr sein Leben einrichten — das macht den achten Jünger Jesu aus, und das war der königliche Beamte; er selbst ging als ein frommer Haus¬ vater den Seinigen voran, belebte durch Unterwürfigkeit seines «««r Verstandes und durch Ergebenheit seines Willens alle zur wahren Gottesfurcht, und machte somit sein Haus zu einer schönen Ge¬ meinde von guten und frommen Verehrern Gottes. — So soll¬ ten alle christlichen Väter und Mütter, der Lehre Jesu Kraft und Leben durch ihr eigenes Beispiel bei den Kindern verschaffen; ihre Worte sollten genau mit ihrem Wandel iibereinstimmen, um den Kindern die Vorschriften der Religion sowohl angenehm als ver- chrunHswiirdig und heilig zu machen. Denn der beste Religions¬ unterricht, er mag von was immer für Personen ertheilt werden, bleibt ohne Wirkung, wenn er durch häusliche gute Beispiele nicht unterstützt wird. — Bei Kindern ist ohnehin der Nachah¬ mungstrieb der stärkste; sie thun am liebsten das, was sie Andere, besonders Aeltern thun sehen, weil sie am meisten um diese herum sind, weil sie von der Wiege an mit entschiedener Neigung, mit vorzüglichem Vertrauen an ihnen hangen und an ihnen, ihres ritterlichen Ansehens wegen alles für gut halten, was sie bemerken. Wie sehr sind daher die Aeltern vorzüglich verpflichtet, die Unschuld der Kinder, besonders der kleinen durch Wort und Lhat vor bösen Eindrücken, vor Versuchung und Gefahr zu schützen und unverletzt zu erhalten! — Wie frühzeitig und wie kräftig kann hier vorzüglich die Mutter an der sittlichen Veredlung der Kin¬ der arbeiten, weil sie die zarten Kleinen immer um sich hat und Lausend Gelegenheiten findet, den allmählig erwachenden Ver¬ stand derselben mit den wohlthätigen Wahrheiten der Religion bekannt zu machen, und bei der grösser« Zartheit ihrer eigenen Gefühle auch in den Herzen der Kleinen religiöse und sittliche Gefühle anzuregen, zu beleben und zu stärken- — Wenn die christliche Mutter und der christliche Vater — dastehen im Kreise ihrer Kinder, als Vorbilder wahrer gottergebener Christen — wie sehr erhebt ihr steter Anblick die Herzen der Kinder! wie ehrwürdig erscheint ihnen dann der häusliche und öffentliche Got¬ tesdienst, wie erhaben die Festtage unserer h. Kirche, wie bedeu¬ tungsvoll ihre schönen Gebräuche, wie wohlthätig die christlichen Hcilsmittel, der Gebrauch der h. Sakramente, wie liebenswürdig erscheint ihnen Gott an sich und in allen seinen Werfen, wie achtungswerth der Mensch, sein erhabenes Geschöpf — kurz, welch' einen Freudcnhimmel finden die Kinder in der Kenntnisi und Ausübung der Lehre Jesu, an der Seite wahrhaft christli¬ cher tugendhafter Aeltern! » » »>- 598 Wenn aber im Gegenwerte die Kinder an ihren Aeltern we¬ der Achtung noch Gefühl für die Religion und ihre h. Geheim¬ nisse, sondern vielmehr Gleichgültigkeit und Geringschätzung be¬ merken, wenn sie religionswidrige Gespräche aus ihrem Munde vernehmen, und unsittliche Handlungen an ihnen gewahr wer¬ den, — wenn Aeltern, in Gegenwart der Kinder ihre Leiden¬ schaften nicht zu unterdrücken wissen, keinen andern Sinn als den für das Irdische, keinen Eifer zum Dienste Gottes, kein Ver¬ trauen, keine Dankbarkeit gegen Gott, keine Liebe gegen den Nächsten an den Tag legen, — wenn sie der Ueppigkeit, der Unmässigkeit, dem Spiele, dem Müssigange, dem Zorne, der Wollust, dem bösen Geschwätze und andern Lastern ergeben sind, — ist es da ein Wunder, wenn die Kinder unter solchen Aeltern wie junge Heiden heranwachsen? — Nichts macht auf die zarten Gemüther der Kinder, die in der Religion ne!y nicht die gehö¬ rige Uebcrzeugung, in der Ausübung ihrer Vorschriften noch nicht die nöthige Festigkeit besitzen, einen schädlichem und traurigen Eindruck, als böse Beispiele, besonders, wenn sie solche an Jenen sehen, und zwar alle Tage sehen, die sie als ihre Erzeuger, Er¬ nährer, Wohlthäter und Vorgesetzte erkennen und ehren, mit denen sie beständig umgehen, an denen sie mit ganzer Seele hän¬ gen. — O meine Lieben! Wenn die Drohung Jesu: Wehe dem, der Acrgerniß gibt! überhaupt fürchterlich ist, so ist sic gewiß für Aeltern, die durch eigenes böses Beispiel ihren Kindern ein Stein des Anstosses und Verderbens sind, zweimal fürchterlich! Beden¬ ken Sie nur, wer der ist, der dieses fürchterliche Wehe aussprach? Es ist der Sohn Gottes selbst, der Heiland der Welt, der jede Seele um den höchsten Preis um sein theueres Blut am Stam¬ me des h. Kreuzes erkauft hat, der einst am Tage des Gerichtes in eigener Person, die von ihm so thener erkauften Seelen ans den Händen ihrer Mörder fordern, und sein schon hienieden über sie ausgesprochenes Wehe! schrecklich in Erfüllung gehen lassen wird. Darum sage ich nochmals: zweimal fürchterlicher ist das Wehe, das der Sohn Gottes über die Aeltern ausruft, die durch ihr böses Beispiel Mörder der ihnen von Gott zunächst anver¬ trauten Seelen sind. Doch, ich will mich nicht länger bei dieser erschütternden Drohung aufhalten, sondern ich ermahne Sie nur noch bei allein, was ihnen heilig seyn kann liebe christliche Aeltern! sorgen Sie gleich dem Hausvater von Kapharnaum auf das ge- )))-»>- ,)!)!) «««« wissenhasteste nicht nur für die leibliche, sondern auch rmd vor¬ züglich für die geistige Gesundheit, für das Seelenheil ihrer Kin¬ der! denn dieses ist die erste Und heiligste aller Ihrer Pflichten; von der Erfüllung dieser Pflicht hängt Ihre und der Ihrigen zeitliche und ewige Glückseligkeit aö. — Wie froh und zufrieden wer¬ den Sie durch ihr ganzes Leben hindurch und vorzüglich einst auf ihrem Sterbebette feyn können, wenn Sie sich erinnern, daß Sie an Ihren Kindern für den Staat rechtschaffene Glieder, für die Kirche gute Christen, für den Himmel auscrwählte Erben erzogen und gebildet haben! Amen. Am ein und zwanzigsten Sonntage nach Pfingsten» - »Also wird auch mein himmlischer Vater mit Euch verfahren, wenn nicht ein Jeder aus euch seinem Bruder vom Herze» verzeihet.« Math. '8, 35. Eingang. Äie Pflicht der Feindcsliebe ist zwar schon in dem Gcbothe der Nächstenliebe vollkommen ausgedrückt'; um uns aber diese Pflicht noch näher an das Herz zu legen, und zur treuen Erfüllung der¬ selben anzucifcrn, bedient sich Jesus im h. Evangcliv eines Gleich¬ nisses, in welchem er das lasterhafte Betragen derjenigen, die ihren Beleidigern nicht vergeben wollen, so wie das schreckliche Nrthcil, das einst von Seite Gottes über solche ergehen wird, auf das Lebhafteste schildert. Ein König, sagt Jesus, hielt Rech¬ nung mit seinen Dienern. Der erste, der vvrgerusen wurde, war ihm zehn tausend Talente — eine überaus grosse Summe schul¬ dig; da er nun nicht hatte, womit er die grosse Schuld hätte tilgen können, so sollte nach ddm Urtheile des Herrn sein Weib, seine Kinder und alles sonstige Vermögen verkauft werden. Doch weinend siel der Diener seinem Herrn zu Füssen, und bath um Geduld und längere Zeitsrist, und/der Herr von Mittleid ge- 460 «««« rührt, that meh, als der Diener je hätte hoffen dürfen — er erließ ihm die ganze ungeheure Schuld. Mit leichtem fröhlichem Gemüthe eilt nun der Diener nach Hause, doch auf dem Wege begegnet ihm ein Mitknecht, der ihm eine kleine Summe schul¬ dig ist. Und siehe! in demselben Augenblicke vergißt der Diener die grosse Gnade, mit welcher ihn eben sein Herr entlassen hat; mit Ungestüm, unter harter Behandlung fällt er über seinen Mitknecht her, und fodert die schleunigste Bezahlung der Schuld. Der arme, beängstigte Knecht, fallt ihm ebenfalls zu Füssen, und bittet um Nachsicht und Geduld; doch weit entfernt ihm ein mit¬ leidiges Herz zu eröffnen, läßt ihn der boshafte Diener in das Gcfängniß werfen, bis er die Schuld entrichtet haben würde. Der König vernimmt mit Entrüstung das unmenschliche Betragen seines begnadigten Dieners. Er läßt ihn vorsühren: Du bos¬ hafter Knecht, spricht er, ich habe dir, weil du mich bathest die ganze Schuld erlassen; solltest du dich nicht auch über deinen Mi- knecht erbarmet haben, wie ich mich deiner erbarmte? und nun übergab er den Diener in seinem gerechten Zorne den Peinigern und einem ewigen Kerker. Vergleichen wir die überaus grosse Güte des Herrn gegen seinen Diener mit dem unmenschlichen Betragen dieses Undankbaren gegen seinen Mitknecht, so werden wir dasselbe nicht anders als höchst verabschcuungswürdig und sträflich, das letzte Urtheil des Herrn aber als höchst gerecht fin¬ den müssen. Und auch Jesus bestätiget dieses Urtheil mit vollem Nachdrucke, indem er hinzu setzt: So wird auch der himmlische Vater mit euch verfahren, wenn nicht Jeder seinem Bruder von Herzen verzeiht. Wollen wir nun diesem schrecklichen Urtheile ausweichen, so müssen wir jederzeit bereit seyn unfern Feinden die uns zugefiigtcn Beleidigungen nicht nur vollkommen zu verge¬ ben, sondern sie auch als unsere Brüder mit aufrichtiger Liebe zu umfangen. Damit uns aber diese Pflichterfüllung erleichtert werde, so wollen wir heute sehen welche Beweggründe uns zur Feindes¬ liebe aufmuntern sollen. Das sey der Jnnhalt meiner heutigen Rede, und der Gegenstand ihrer andachtsvollen Aufmerksamkeit. Abhandlung. Die Pflicht der Feindcsliebe gründet sich auf das Geboth Gottes, das Beispiel Jesu Christi, und unser eigenes ewiges » » » » 401 «««« er an ge l- er t; 'N d s n e i l > Heil. Das sind zugleich die Beweggründe, die uns, wenn wir sie ihrem ganzen Gehalte nach kennen, zur Feindeslicbe mächtig antreiben müssen. Wir wollen diese Beweggründe einzeln kennen lernen. Vor allen verpflichtet uns also das Geboth Gottes selbst unsere Feinde zu lieben. Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst, so lautet das Geboth der Liebe. Nun ist aber, wie uns Jesus lehrt jeder Mensch ohne Ausnahme auch unser erklärteste Feind unser Nächster den wir folglich so zu lieben verpflichtet sind, wie uns selbst. Außerdem erklärt sich aber der Heiland noch in den bestimmtesten Ausdrücken, daß wir auch unsere Feinde zu lieben schuldig sind. Ich aber sage euch, sprach er zu den Ju¬ den, ich aber sage, d. i. ich gebiethe euch: Liebet eure Feinde, thut denen Gutes die euch hassen, bethet sür die, die euch ver¬ folgen. Denn wenn ihr nur jene liebet, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür hoffen, thun das nicht auch die Heiden, daß sie diejenigen lieben, die uns lieben, jenen Gutes thun, die gegen uns wvhlthätig sind, das kostet ja keine Ueberwindung; man müßte wohl aufhören Mensch zu seyn, wenn man gegen Freundschaft und Wohlthaten ganz gefühllos wäre. Darum lieb¬ ten auch die Heiden, die Gott nicht kannten, ihre Freunde, und thaten weiter nichts, als daß sie ihren natürlichen Gefühlen folg¬ ten. Wir aber sind Christen, als solche Kinder eines himmli¬ schen Vaters, der seine Sonne über Gute und Böse aufgehen, seinen Regen auf die Felder der Gerechten und Ungerechten fal¬ len läßt; wir müssen also mehr thun als die Heiden die Gott nicht kannten, thaten, wir müssen unsern himmlischen Vater ähn¬ lich zu werden trachten dadurch, daß wir gegen unsere Beleidi¬ ger so langmüthig und barmherzig sind, wie Gott es gegen die Sünder ist. Liebet eure Feinde, sagt Jesus, so werdet ihr Söhne des Allerhöchsten werden. Bei einer andern Gelegenheit zeigt der Heiland, die Beobach¬ tung des Gesetzes der Liebe sey so wichtig und nothwendig, daß Gott alle an sich noch so verdienstvolle Werke und Opfer ver¬ wirft, wenn diese von feindlichen Gesinnungen begleitet sind. „Wenn du deine Gabe auf den Altar legst und dich dabei erin¬ nerst, sagt Jesus, daß dein Bruder etwas wider dich hat, so lasse deine Gabe aus dem Altäre liegen, gehe zuvor hin, söhne dich mit deinem Bruder aus, dann erst komme und opfere deine Gabe. Nach der Lehre des Heilandes mag also der Mensch was immer 26 » » » v 402 «««« für gute Werke und wieviel immer aurüben, er mag beständig im Gcbcthe verharren, seiner Sinnlichkeit durch strenge Fasten und andere Bußwerke Abbruch thun, die Altäre mit Opfern anfüllen, die Armen mir Almosen bereichern; ja sein ganzes Vermögen und sein Leben dahinopfern, wie der h. Paulus sagt, so lange Haß ge¬ gen seinen Beleidiger im Herzen wohnt, hat er sich vor Gott mit seinen Tugenden nicht nur kein Verdienst gesammelt, sondern sein Mißfallen, sein gerechter Zorn lastet auf ihn. Warums weil er das Geboth der Liebe, welches die Fülle des Gesetzes ist, un¬ erfüllt läßt. Beweincnswerth ist daher das Schicksal so mancher Christen, denen es zwar an schonen Tugenden nicht fehlt, die sonst ein frommes Leben zu führen glauben, sich oft und gerne im Hause Gottes cinfinden, keinen Armen ohne Hülfe und Trost über ihre Lhürschwelle treten lassen, sich zur Erweifung so man¬ ches Liebesdienstes bereitwillig finden, so manches Vergnügen ent¬ behren und sich so manchen Genuß versagen, die aber bei allen diesen löblichen und schönen Tugenden wider einen oder den an¬ dern Mitmenschen, der ihnen irgend eine Beleidigung oder Un¬ gerechtigkeit zugefügt hat, oft heimlich einen Groll im Herzen tragen, den sie nicht ersticken zu können glauben, oder vielmehr nicht wollen, sie lassen sich alle selbst die schweresten Opfer ge¬ fallen, nur Vergebung der Unbilden, vollkommene Aussöhnung mit ihrem Beleidiger, ohne welcher keine aufrichtige Liebe möglich ist, — dieses Opfer wollen sie dem Himmel nicht bringen. Un¬ glückliche Seelen! eure Tugend ist keine Tugend, sondern nur Schminke einer falschen Tugend, die das in euch wohnende Laster verhüllt. Ihr werdet einst eures Jrrthums mit Schaudern ge¬ wahr werden, wenn im Leben nicht, doch ohne Zweifel in der Todesstunde. Da werdet ihr euch mit cuern eingebildeten Lugen¬ den betrogen finden, da werdet ihr einsehen, daß eure guten Werke verdienstlos waren, weil ihr ein Geboth nicht erfüllt ha¬ bet, dessen Erfüllung die Vollkommenheit der Religion Jesu und das Merkmahl eines wahren Christen ausmacht. Ein zweiter Beweggrund die Feinde zu lieben, ist das er¬ habene Beispiel unsers Erlösers selbst. — Wenn wir die Lebens¬ geschichte unfers Heilandes nut einiger Aufmerksamkeit überblicken, so finden wir, daß Verachtung, Entehrung, Haß und Verfol¬ gung von der Krippe an bis zum Kreuze sein Loos waren; un¬ geachtet er der Reinste, Unschuldigste und Heiligste war, unge- »»»» 405 «««« d t achtet ihn selbst seine erklärtesten Feinde nicht des Scheines einer Sünde zeihen konnten, so ruhete doch die Rachsucht und der Ver- folgungsgeist nicht gegen ihn bis auf den letzten Athemzug seines Lebens. Und wie rächte sich der Heiligste und zugleich der All¬ mächtigste an seinen Feinden? Durch Wohlthaten. Unter einem Volke welches immer darauf sann ihn zu vertilgen, unter diesem feindseligen Volke gab er Blinden das Gesicht, Lauben das Ge¬ hör, Stummen die Sprache wieder, Niemanden ließ er ungeheilt, Niemanden ungetröstet von sich. Wie rächen sich aber so viele die die Lehre Jesu bekennen, und sich Christen nennen an ihren Fein¬ den? auch durch Wohlthaten, auch durch Gutes thun? Ach nein, sie vergelten Böses mit Bösem, und wissen eine Menge schein¬ barer Gründe aufzuführen, um die heidnische Regel: Hasset die¬ jenigen, die euch hassen, zu rechtfertigen und geltend zu machen. Man schleppte den Erlöser von einem Gerichtsstuhle zum andern gleich einem Bösewichte und Uebelthäter, man zeugte wider ihn > durch erdichtete und boshafte Anklagen. Und wie vertheidigte er sich gegen seine ungerechten Richter und Ankläger? Er schwieg, sagt das Evangelium. Beredsames Schweigen eines entehrten und verachteten Gottmenfchen! wie sehr beschämst du das wilde Betra¬ gen jener Christen, die auf ein scheinbar beleidigendes Wort, auf jede unbedeutende Kränkung, ja wohl gar auf eine sanfte wohl¬ wollende Zurechtweisung in Zorn gerathen, Schmähungen und Lästerungen wider ihren Mitmenschen ausstossen. Im Hause des hohen Priesters erduldet der Heiland die schimpflichste Mißhand¬ lung von einem Knechte, der ihn in sein anbethungswürdiges Ant¬ litz schlug. Er dec ewige Sohn des himmlischen Vaters, hätte den verwegenen Bösewicht mit einem Blicke seiner Allmacht ver¬ nichten, und in den Abgrund der Hölle stürzen können; aber nein, eine sanfte Zurechtweisung, die den Frevler zur Einsicht sei¬ nes Vergehens führen sollte, genüget dem mißhandelten Heilande: Habe ich nicht die Wahrheit geredet, spricht er, so überweise mich, rede ,ch aber die Wahrheit, warum schlägst du mich. Was hättet ihr Rachsüchtigen und Unversöhnlichen nicht gethan bei ei¬ ner solchen Mißhandlung, wenn ihr euch jener Unschuld und je¬ ner Macht bewußt wäret, die dec Heiland besaß? Zhc hättet euch wahrscheinlich hundertfach an cuerm Beleidiger gerächer, ihr hättet ihn auf der Stelle vernichtet in eurer verderbenschnauben- der Wuth. Doch lernet die Sanftmuth, die Barmherzigkeit und 2i) * 404 Liebe euers göttlichen Heilandes noch besser kennen; folget ihm in Gedanken auf den Lodeshügel, betrachtet ihn da an das Kreuz geschlagen, von der Fußsohle bis zum Scheitel mit Wunden be¬ deckt, von häufigem Blutverluste und unmenschlichen Mißhandlun¬ gen entkräftet, mit dem Lode ringend; sehet dann unter dem Kreuze eine Schaar von Feinden, die dem ober ihnen Hangenden Gottmenschen selbst die letzten Augenblicke des Todes durch Läste¬ rungen, Spott und Schmähungen erschweren, und so lange sie noch einen Funken des Lebens in ihm wahrnehmen, ihre Rache an ihm ausübeu. Und jetzt sehet und höret welche Rache der gekreuzigte und verhöhnte Gvttmensch au den frevelnden Böse¬ wichtern zu seinen Füssen nimmt. Dem Lode nahe, sammelt er noch seine letzten Kräfte, blicket mit einem Auge, aus dem seine unendliche Menschenliebe strahlet, zum Himmel auf und bethet mit gebrochener Stimme: Vater verzeihe ihnen — sie wissen nicht was sie thuu. O erhabenes anbelhungswürdiges Beispiel un¬ sres Erlösers! Die Engel zittern und bedecken ihr Antlitz bei dem Anblicke des gekreuzigten Gottmenschen, die gefühllose Na¬ tur trauert über seinen schimpflichen Lod. — Die Felsen sprin¬ gen, die Sonne verliert ihren Glanz, und verbirgt ihre blut- rvthen Strahlen unter schwarzes Gewölk, dichte Finsternisse be¬ decken das Weltall, der Vorhang des Lempels reißet von oben bis unten, die Erde öffnet ihr Eingeweide, — die Lobten stei¬ gen aus ihren Gräbern hervor, — alles trauert, alles bebet und zittert, alles empört sich über den schimpflichen Lod des Herrn Himmels und der Erde, und dessen kalte Mörder, und —' er, dein die ganze Natur gehorchet, der Allmächtige vernichtet sie nicht mit einem Winke seines Willens, kein klagender Laut entfährt seinem heiligsten Munde, kein bitterer Vorwurf trifft die Unmenschen vom Kreuze herab — nein, Vater verzeihe ihnen ruft er noch un Augenblicke des Verscheidens. O daß euch im¬ mer der am Kreuze mir dem Lode ringende, und für seine Feinde bethende Heiland vor den Augen schwcbctc, ihr Rachsüchtigen und Unver! ähnlichen. Bedenket, wer derjenige sey, der am Kreuze für seine Mörder bethet? Er ist der Ewige, Heiligste, Allmächtige, der Herr Himmels und des Erde, und wer seyd ihr? schwache Erdwürmer, Staub und Asche, elende Sünder. Und auch für euch bethete der sterbende Heiland, denn auch ihr seyd seine Feinde, auch ihr lästert, entehrt und kreuziget ihn durch eure »»»» 405 « « « tL Sunden. Doch zeigt er noch immer seine Wunden, die ihm eure Sünden geschlagen, seinem himmlischen Vater als Vermittler zwischen ihm und euch, und er ist bereit euch Alles zu verzeihen, wenn ihr nur seinem Beispiele nachfolgen, und eucrn Beleidigern von Herzen vergeben wollet. Nichts Unmögliches fodert der Hei¬ land von euch, denn was ihr leisten sollet, das haben schon Lausende und Tausende vor euch geleistet, die auch schwache Men¬ schen waren wie ihr. Ahmte nicht gleich der erste Märtyrer der h. Stephan das Beispiel des Erlösers nach? Während ihn die wüthenden Feinde mit Steinen bedeckten, fiel er auf seine Knie nieder, blickte zum Himmel auf und bethete: Herr, rechne ihnen das nicht zur Sünde an. Das Nämliche thaten unzählige Mär¬ tyrer und unzählige Christen, sie erwiesen ihren Feinden Wohl- thaten, umarmten ihre Henker, noch in der Stunde des Todes, und betheten für sie während den grausamsten Dualen. Und durch diese bewunderungswürdige Liebe gegen ihre Feinde, bekehrten sie oft ihre Peiniger, und riefen in den Schoos der Kirche eine Menge Heiden, denn diese gaben ihnen das Zcugmß, daß nur eine ganz göttliche Religion einen so heldenmüthigen Entschluß, wie die Vergebung der Beleidigungen ist, erzeugen kann. Wie vielen Christen könnte man aber heut zu Tage das Zeugniß ge¬ ben, daß sie eine ganz göttliche Religion besitzen und ausüben, da so Wenige die Feindesliebe kennen, die die ersten Christen so rühmlich ausübten, nein, meine Lieben, die heutigen unversöhn¬ lichen Christen hören bei Beleidigungen nicht die Stimme dec Christus-Religion, sondern die Stimme einer allzuempfindlichen Natur. Der dritte mächtige Beweggrund die Feinde zu lieben, ist unser eigener geistiger Nutzen unser Seelenheil. Ohne daß uns die Sünden und ihre Strafen nachgelassen, ohne daß wir mit Gott vollkommen ausgcsöhnt sind, können wir keine Seligkeit hoffen. Unsere Sünden und ihre Strafen werden uns aber nicht vergeben, wenn wir nicht auch unfern Feinden die uns zu- gefügten Beleidigungen von Herzen verzeihen. Verzeihet sagt der Heiland, so wird euch verziehen werden. Und wie viele Be¬ leidigungen haben wir uns nickt gegen Gott zu Schulden kom¬ men lassen? Wie oft haben wir nicht seit dem Gebraucke unse rcr Vernunft wider seinen heiligen Willen gehandelt, seine Ge' bothe verachtet, und der Sünde gefröhnt! Gottes Gerechtigkeit » » » » 406 « « « « fodert die Tilgung unserer Sünden und Unterwerfung unter die Strafen, wir aber nehmen gleich jenem Diener im Evangelio Zuflucht zu der Vatcrgüte und Barmherzigkeit Gottes, und bit¬ ten alle Lage: Vater, vergieb uns unsere Schulden. Und der gütige Vater im Himmel ist bereit sie uns zu vergeben, waren sie auch noch fo groß, wenn wir nur auch die Bedingung erfül¬ len die wir nach dec Anweisung Jesu unserer Bitte hinzufiigcn, nämlich: Vergieb uns, so wie wir unfern Schuldigem vergeben. Nur wenn wir das thun, dürfen wir getrost zum Himmel auf¬ schauen und sagen: Herr! himmlischer Vater, du bist in deinen Verheißungen unendlich getreu, Vergebung der Sünden hast du uns gelobt, wenn wir unfern Beleidigern vergeben, siehe! wir thun, wie du befiehlst, und hoffen daher zuversichtlich Gnade zu finden vor deinem Angesichte. Gnade finden alfo die sanftmüthi- gen und barmherzigen Christen, die die Unbilden ihrer Feinde ge¬ duldig ertragen, und ihnen von Herzen verzeihen. — Nicht so die Unversöhnlichen und Rachsüchtigen, die dem boshaften Knechte im Evangelio gleichen, dem der Herr eine ungeheure Schuld nach- gesehcn hatte, der aber kurz darnach seinem Mitknechte eine un¬ bedeutende Summe nicht Nachlassen wollte, sondern ihn noch schimpflich mißhandelte. Diesem verworfenen Knechte gleichet ihr Unversöhnlichen; ihr seyd Gott wohl mehr als zehn Tausend Ta¬ lente schuldig, d. i. ihr habt Gott vielleicht in einer Stunde mehr und öfter beleidiget, als euch euer Mitbruder beleidiget hat durch euer ganzes Leben. Die Schuld also die euch euer Mit¬ mensch abzutragen hat, ist unendlich klein gegen die Eurige, deren Tilgung Gottes Gerechtigkeit von euch fodert, denn was ist den die größte Beleidigung eines Menschen, gegen die min¬ deste Nachlässigkeit gegen Gott? Und wie oft habt ihr nicht mit Bewußtseyn und aus Bosheit euern Mitbruder gekränkt, während euch dieser nur aus Unbedacht, aus Uebereilung beleidigte. Aber gesetzt auch, die von euern Mitmenschen euch zugefügten Unbilden wären wirklich so groß, wie ihr saget, habt ihr denn vor Gott keine Schuld mehr abzutragen, habt ihr nicht mehr nöthig um Vergebung eurer Sünden zu bitten, seyd ihr so vollkommen und gerechtfertiget? Ja wenn ihr das seyd, so könnet ihr aufhören den Vater unser zu bethen, denn Gott har euch nichts zu ver¬ geben. Aber leider eure Selbstrcchtfertignng ist nur eine unglück¬ liche Täuschung, — denn wer da sagt, er sey ohne Sünden, »»»X 40 / «««« spricht der h. Johannes, der lügt, und die Wahrheit ist nicht in ihm. Seyd ihr also Sünder wie könnet ihr das Gebeth des Herrn ohne Schauder bethen? wie könnet ihr mit feindlichen Ge¬ sinnungen gegen cuern Mitbruder Gott um Vergebung eurer Sünden bitten«' Unglückliche! ihr sprechet ja offenbar das Ver- dammungsurtheil über euch selbst aus, ihr entsaget der Sünden¬ vergebung, ihr entsaget der Freundschaft und Barmherzigkeit Got¬ tes und euerm Seelenheile. Gott wird euch zu euerm Unglücke erhören, denn aus deinem eigenen Munde werde ich dich richten, spricht der Herr! Du begehrest, daß ich dir vergeben soll, wie du deinen Beleidigern vergibst, wohlan du erweisest deinen Feinden keine Liebe, keine Barmherzigkeit, auch von mir hast du nach dei¬ nem eigenen Urtheile keine zu hoffen. Himmlischer Vater! deiner Liebe, deiner Gnade beraubt seyn, welch' schrecklicher Gedanke! lasse doch langmüthiger Gott das übereilte Urtheil nicht in Er¬ füllung gehen, zu dem wir dich auffordern, wenn wir ohne un¬ fern Beleidigern vollkommen verziehen zu haben, dich um Ver¬ gebung unserer Sünden bitten. Dir überlassen wir von nun an all' unsere Rache, denn dein ist sie, der du die Herzen und Nie¬ ren der Menschen prüfest, und die geheimsten Gedanken richtest, — wir aber wollen nach dem erhabenen Beispiele deines Sohnes Jesu Christi, das er uns mit dem Tode ringend am Kreuze gab, für unsere Feinde deine väterliche Barmherzigkeit anflehen, wir wollen jene segnen, die uns fluchen, Gutes thun denen, die uns hassen und verfolgen, damit wir deine würdigen geliebten Kinder werden, Vergebung unserer Sünden, und das ewige Leben er¬ langen mögen. Amen. >-» » r> 408 «- 418 «c< r<« Mcnschenlob oder Mcnschentadcl zu achten, — suchen wir viel¬ mehr dem nur zu gefallen, der in's Verborgene sieht. — Mag die Tugend auch grosse Opfer fodern, sie allein wird uns wahr¬ haft beglücken, denn sie allein hat die hiilfreiche göttliche Gnade bei sich, das gute Bewußtseyn in sich, und eine unaussprechliche Belohnung vor sich, in der Ewigkeit. Amen. Am drei und zwanzigsten Sonntage nach Pfingsten. »Sie sagte bei sich selbst, wenn ich nur sein Kleid werde berührt haben, so werde ich gesund seyn.« Math. 9, Li. Eingang. ä)as heutige Evangelium erzählt uns ein zweifaches Wunder, welches der Heiland zur Bestätigung seiner göttlichen Sendung wirkte; nämlich die Heilung eines durch 12 Jahre am Blutfluffe leidenden Weibes, und die Erweckung einer verstorbenen Tochter des Jair, eines Vorstehers der Synagoge. Das Weib, welches mit besagtem Uebel behaftet war, mußte nach dem mosaischen Ge¬ setze dieser unreinen Krankheit wegen den Umgang gesunder Men¬ schen meiden, darum trat es auch nur heimlich und rückwärts zu Jesu hin, und hoffte in dem grossen Gedränge des Volkes, wel¬ ches dem Heilande nachströmte, unbemerkt und unerkannt zu bleiben. Ilebrigens aber hatte sie das größte Vertrauen, daß, wenn es ihr gelingen könnte, den Saum seines Kleides zu be¬ rühren, sie gewiß geheilt werden würde. Wenn ich nur sein Kleid werde berührt haben, so dachte sie bei sich selbst, so werde ich gesund seyn. Somit berührte sie den Saum des Kleides Jesu, und ward auf der Stelle gesund. Aber — wie sehr erschrack sie, als sich Jesus umwendete und fragte, wer ihn berührt hätte! Den Jüngern selbst kam diese Frage sonderbar, ja wohl lächer¬ lich vor; Meister, sagten sie, das Volk dränget und drücket dich, und du fragst noch, wer dich berührt habe? Aber Jesus der ass »»»» 41!) « « « « Gott die geheimen Gedanken wie das grosse Vertrauen des Wei¬ bes kannte, und eben darum der Berührung seines Kleides die Wunderkraft der Heilung zukommen ließ, — Jesus wollte das Weib nicht unerkannt lassen, theils um zu zeigen, daß ihm selbst der geheimste Gedanke der Menschen nicht verborgen sey, theils um die Anwesenden zu einem ähnlichen festen Vertrauen, wie ihn bas kranke Weib äußerte, aufzumuntcrn. Er wandte sich also um, sah das Weib an, und sprach: Sey getrost meine Lochter, dein Glaube hat dir geholfen. Als nun diese sah, daß sic nicht hatte verborgen bleiben können, so fiel sie Jesss.zitternd zu Füssen, entdeckte vor allem Volke, warum sie ihn berührt habe, und wie sie alsogleich gesund geworden sey. Und der Heiland lobte ihren Glauben öffentlich, um das Volk und vorzüglich den Vorsteher der Synagoge im Glauben zu bestärken, weil dieser dafür hielt, Jesus müsse in sein Haus kommen, und seine Tochter gesund ma¬ chen, oder in das Leben zurückrufen. Ueberdieß aber wirkte Jesus das gegenwärtige Wunder um die Lhaten Gottes zu of¬ fenbaren, und seine göttliche Sendung zu bekräftigen, und zwar bekräftigte er diese nicht nur durch die göttliche Macht, vermöge welcher er das kranke Weib durch die Berührung seines Sau¬ mes heilte, sondern auch durch seine Allwissenheit , nach welcher er ihre geheimsten Gedanken, und ihren inncrn festen Glauben kannte. Und diese letztere Eigenschaft Gottes, nämlich die All¬ wissenheit soll heute der Gegenstand unserer Beherzigung seyn, wir wollen dieselbe in Bezug aus den Menschen, von ihrer trö¬ stenden und von ihrer schrecklichen Seite kennen lernen, und sa¬ gen also: Die Allwissenheit Gottes ist eine Duelle des Trostes für die Frommen, — und die Allwissenheit Gottes ist eine Duelle der Bitterkeit für die Sünder. Sowohl die eine als die andere Betrachtung, soll unfern geistigen Nutzen befördern, uns zur Tu¬ gend aufmuutern, und vor der Sünde abschrecken. Ich mache daher billigen Anspruch auf ihre Aufmerksamkeit! — Erster Theil. Daß Gottes vollkommenstem Verstände Alles Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige aufgedeckt, oder daß Gott allwissend ist, lehrt uns die Offenbarung selbst. Denn die Heiden, die den einig wahren Gott nicht kannten, hatten von der göttlichen Ei« * )-» » 420 « « «ec gcnschast der Allwissenheit, auch entweder gar keine, oder nur mangelhafte und irrige Begriffe. Und wie hätten sic auch deut¬ lichere Begriffe davon haben kommen, da ihre Götter, die sie sich nach ihrer Phantasie geschaffen hatten, selbst so beschränkt waren, daß sie ffich sogar von sterblichen Menschen täuschen und hintergehen ließen. Wenn wir daher finden, daß vor der An¬ kunft Zesu das einzige Volk der Juden, welches doch im Ver¬ gleiche mit den übrigen Volkern ungebildet war, daß dieses allein eine richtigere Kenntniß von Gottes Eigenschaften besaß, so kön¬ nen wir diese richtigere Kenntniß nur einer höhern göttlichen Be¬ lehrung zuschreiben, und dann wird es uns nicht wundern, daß die Allwissenheit Gottes, von der wir gegenwärtig sprechen, bei den Israeliten beinahe auf jedem Blatte der h. Schrift angeführt und gepriesen wird. Ich bin der Herr, heißt es bei Jeremias 16, 10. Ich erforsche das Herz und prüfe die Nieren, und ver¬ gelte Jedem nach seinem Wandel. Der fromme Dulder Job tröstet sich im Gefühle seiner Unschuld eben Mit dem Gedanken an Got¬ tes Allwissenheit. Jehova forschet alle meine Wege, sagt er, zählt alle meine Sckritte, ich weiß daß er Alles vermag, und daß ihm kein Gedanke verborgen bleibt. So gewährte die Vor¬ stellung, daß Gott alles sieht und weiß, auch den verfolgten Da¬ vid die kräftigste Beruhigung. Herr, ruft er aus, all' mein Seh¬ nen und Wünschen ist dir bekannt, du hörest jeden meiner Seuf¬ zer, du erforschest und kennst mich, ich sitze oder stehe auf, so weißt du es, du verstehest meine Gedanken, ehe ich sie dachte. Es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du o Herr nicht weißt! — War nun die Vorstellung der Allwissenheit Gottes einem Job und einem David so erfreulich und beruhigend, wie trostreich muß sie nicht erst dem Christen scyn, dem die Lehre Jesu, der be¬ seligende Glaube, ungleich reinere und vollständigere Begriffe hierüber verschafft, und sein Vertrauen stärket! Oder: liegt für den redlichen Lugendfreund nicht ein unaussprechlicher Trost in dem Gedanken, daß Gott sein Schöpfer, sein Freund und Va¬ ter, den heißen Wunsch und das eifrige Streben kennt, seinem heiligen Willen getreu nachzukommen 's Wenn auch die Erfül¬ lung seiner Pflichten grosse Opfer fodert, wenn er sich auch in sei¬ ner Schwäche täglich rüsten muß zum Kampfe wider die Sünde, wenn ihm auch Hindernisse ohne Zahl auf dem Wege der Tu¬ gend ausstossen, so wird ihn die Vorstellung, daß Gott seine 421 «««« itlr !lt- sie ikt nd n- r- in >- ß i t Schwäche, wie die Größe seines Kampfes kennt, daß er in sein Herz sieht und seine Seufzer hört, daß er ihm nahe, sein Tröster, Führer und Helfer ist, die Verstellung wird ibn anfrichten und mit neuem Muthe beleben. — Wenn er"dem Noth- leidcnden unglücklichen Mitbruder im Verborgenen eine milde Ga¬ be reichet, wenn er seinem Feinde Gutes thüt, für Witwen und Waisen ein liebevolles Wort spricht, oder sich ihrer im Stillen annimmt, so erfreuet ihn der Gedanke, daß das, was er aus guter Absicht unbemerkt vor aller Menschen Augen thut, dem Seelenrichter, dem Vergelter der Lugend, dem Allwissenden be¬ kannt sey. Und sollten ihm auch seine edelsten Unternehmungen mißlingen, nimmer läßt er den Muth sinken, in der Uebcrzeu- gung, daß Menschen nur auf das Aeußere sehen, und den Schein beurtheilen,^Gott aber sieht und kennt den ernsten Willen, und weiß, wie weit unsere Kräfte reichen. Der gute Christ denkt und handelt allzeit und überall wegen Gott und vor den Augen Gottes, nicht vor den Augen der Menschen, — nach der An¬ weisung Jesu: Wenn du Almosen gibst, gebe es so, daß deine Linke nicht weiß, was die Rechte thut, und der Vater, der ins' Verborgene sieht, wird es dir öffentlich vergelten. Wenn sich der gute Christ von Alen scheu treulos verlassen sieht, wenn der Neid der Bösen ihn verwundet, wenn Lästerun¬ gen einen Sieg über seine Rechtschaffenheit zu erringen suchen, so richtet er seinen Blick empor zu dem Allwissenden, der Zeuge seiner Unschuld ist, ihr Sachwalter und Beschüßer, wenn sie von Menschen verkannt und angefochten wird; er kennt das Herz des unschuldig Verfolgten wie seiner Verfolger, er wird jene Stunde rufen, in welcher der Gerechte über allen Mcnschcntadel erhaben hervortreten wird. — Wenn Noth und Armnth den Tugendhaf¬ ten drücket, und ihm des Nachts den Schlummer vorn Auge stiehlt, wenn er dem kommenden Lage, der neue Lebenssorgen verkündet, traurig entgegen sieht, was kann da sein zagendes Herz kräftiger aufrichten, als die Ueberzeugung, daß Gott seine traurige Lage kennt, daß der, der Millionen zu ernähren weiß, auch seiner nicht vergießt, daß er, der das Geschrei der Raben hört, und dein geringsten Wurme Nahrung gibt, auch seine Seufzer vernimmt, und sein Auge auf ihn richtet. Alle Haare eures Hauptes sind gezählt, sagt ja Jesus selbst, mithin sorgt 422 Gott auch für das was uns geringfügig scheint, und ohne seinem Wissen fällt kein Sperling vom Dache, kein Haar vom Haupte. Eben so tröstlich ist der Gedanke an die Allwissenheit Got¬ tes, dem Leidenden am Krankenlager, der mit ängstlichem Blicke in die Zukunft hinausstarrt, und bei sich selber spricht: wie wird es mit mir noch werden! wie wird es mit den Meinigen gehen. Da kommt ihm die Religion Jesu zu Hülfe. Der allwissende und allgiitige Vater, spricht sie, vor dem die Zukunft wie die Vergangenheit und Gegenwart entschleiert liegt, sicht ja deine Leiden, er kennt deine Besorgnisse um die Zukunft, und gedachte dein, ehe du noch sein gedachtest. Wenn du die Hände zum Gebete faltest in deiner einsamen Kammer, wenn dein Mund leise Wünsche, zum Vater im Himmel aufschicket, wenn dein Geist mit ihm beschäftiget ist in stiller Mitternacht, wo keine Menschenseele deine Andacht sieht, Niemand Zeuge ist deiner Seufzer und deiner Thränen, —> sey getrost, der über den Ster¬ nen thronet, sieht den geheimsten Gedanken deiner Seele, der nimmt deinen kessesten Wunsch, und zählt deine Thränen die im Verborgenen fließen. Denn sollte der, der das Auge gebildet hat, nicht sehen, der das Ohr geschaffen hat, nicht hören? Und sagte nicht Jesus: wenn du bethest, so schließe dich in deine Kammer ein, und bethe im Verborgenem zu deinem himmlischen Vater, und der Vater der in's Verborgene sieht, wird dich erhören. Und so ist denn der Gedanke an die Allwissenheit Gottes eine Duelle mannigfaltigen Trostes für den Gerechten; er belebt und muntert ihn aus, stets in Gottes Gegenwart zu wandeln, Gutes zu denken und Gutes zu üben auch im Verborgenen, auch dann wenn er grosse Opfer bringen muß, wenn er weder Lob noch Belohnung von Menschen zu erwarten hat-, ja selbst wenn sein guter Wille verkannt, wenn er Geringschätzung, Gespött und Verfolgung für seinen Edelsinn einärntct. — Er freut sich vielmehr au Gott einen allwissenden und allmächtigen Zeugen zu haben, jeder guten Gesinnung, die er nicht auszuführen vermag, einen Zeugen jedes harten Kampfes der Tugend, einen Zeugen seiner stillen Leiden! — So trostreich, so stärkend und beseligend aber die Vorstellung von Gottes Allwissenheit ist für den Tugend¬ haften, so fürchterlich und drückend ist hingegen jene Vorstellung für den Sünder und Bösewicht; mag er immerlun die Wahrheit, daß Gott allwissend ist, weg zu vernünfteln suchen , sie ist und » »>-» 423 «««« cm te. >t- cke rd n. ie e 'l ) l bleibt für ihn doch eine stete Geißel, die ihn züchtiget wo er steht und wandelt. Wir wollen uns davon überzeugen im zweiten Theile. So lange der Mensch in kindlicher Furcht vor Gott wan¬ delt, meine Lieben.' ist der Gedanke, daß Gott seine innersten Gesinnungen, seine geheimsten Gedanken weiß und kennt, daß er alle seine Schritte beobachtet, daß sein Auge bei allem nms er thut auf ihn gerichtet ist, dieser Gedanke ist für ihn gerade der erfreulichste, aber sobald er von dem Wege der Tugend abzu¬ weichen, sich von Gott zu entfernen anfängt, wird ihm jener Gedanke unerträglich und drückend; darum bemüht er sich in sei¬ nem Irrwahne Gott zu vergessen, als ob der Allgegenwärtige und Allwissende seiner vergessen könnte, er sucht sich nach und nach zu überreden, es gäbe keinen Gott, um außer den Men¬ schen keinen strafenden Richter fürchten zu dürfen. So schildert schon David mit lebhaften 'Farben den Gottvergessenen. Der Bö¬ sewicht rühmt sich seiner Mordbegierde, sagt er, und der Ge¬ winn sichtige wird Gott untreu und spottet seiner. Der Hoch¬ mütige, glaubt Alles sey ihm unterthan, sein Stolz kennt keine höhere Macht, — es ist kein Gott, so denkt der Thor, seine Strafen sind in der Höhe, spricht er, sind ferne von mir, und treffen mich nicht. So schreitet er auf dem krummen Pfade des Lasters einher; voll Meineid, Trug und List ist sein Mund, und Bosheit unter seiner Zunge, Er lauert wie ein Räuber im Hin¬ terhalte, und würgt Unschuldige im Verborgenen, und denkt in seinem Herzen: Gott vergießt es, er wendet sein Antlitz weg, und sieht cs ewig nicht. So denkt der Bösewicht, so denkt der Gottvergessene, während ihm des Gewissens laute Stimme den groben Irrwahn widerlegt. Denn spreche ich zur Finsterniß, be¬ decke mich, sagt David, so muß die Nacht Licht werden um mich her, das Auge Gottes täuschet keine Finsterniß, Nacht leuchtet ihm wie Tag, und Dunkelheit wie Licht. Wahrlich der unseligste Jrrthum ist es, wenn der Sünder sich überreden will, er könnte den leisesten Gedanken vor Gott verhehlen' Hat Gott nicht das Herz jedes Einzelnen gebildet, und der Schöpfer des Herzens sollte nicht wissen, was in demselben vorgeht's Nein, er kennt den Wunsch der noch im Keime ist, er sicht den Gedan- 424 « « « « ken wie er entsteht und kommt, alle Nächte verhüllen ihn nicht, er sieht die Gährung unreiner Begierden, durchblicket die verbor¬ gensten Entwürfe, wenn auch der Mund verschwiegener wäre als das Grab, Gott kennt und richtet sie. Die Ereignisse ganzer Völker, wie die Schicksale einzelner Menschen lehren und bestä¬ tigen diese Wahrheit. Es wird keine Schandthat begangen un¬ ter der Sonne, die der Allwissende nicht enthüllet nach seiner weisen Führung, und sollte sie auch hienieden verborgen bleiben, es kommt ein Lag, an welchen Alles offenbar werden wird. Aber wie oft hat nicht schon eine wunderbare Verkettung der Umstände, oder ein scheinbarer Zufall, den kein Scharfsinn berechnen konnte, das geheimste Vergehen an das Licht der Sonne gezogen! Die gcfüllvse Natur empörte sich wieder den Bösewicht, und bezeichnete seine Spuren, die Lüfte sagten es aus, die Lobten verriethen es, was in schwarzer Finsternis geschähe. Wie das Weltmeer seine Leichnahme von sich gibt, und an die Ufer wirft, so wirft das Meer der Vergangenheit jede Lasterthat wieder an das Tages¬ licht, die man längst für ausgestorben hielt. Daß aber ungeachtet der Wahrheit, daß Gott allwissend ist, daß ungeachtet der unzähligen Erfahrungen, die diese Wahrheit bestätigen, der Lasterhafte sorgloser und muthiger im Verborge¬ nen sündiget, kommt daher, weil er in solchen Augenblicken des Allwissenden und Allfehenden vergißt oder zm vergessen sucht. Denn so lange ihm der Gedanke an den allwissenden Gott vor¬ schwebt, so lange dauert noch immer der Kampf zwischen der Un¬ terlassung und Ausübung der bösen Lhat- — Warum zittert denn die Hand des Diebes, der in der Dunkelheit schleichet im An¬ fänge seines bösen Unternehmens? warum wankt sein Fuß, wa¬ rum pocht sein Herz beim Rauschen eines Blattes, beim Säuseln des Windes? — Eine innere Stimme sagt ihm: Gott sieht dich, wenn auch Finsternis, dich bedeckt, er weiß dein böses Vorhaben! Warum bebt dem Falschschwörcr das Wort auf der Zunge, wa¬ rum ist die Hand, die er das erste Mal zum trügerischen Eide ausstreckt, wie gelähmt? warum bedeckt Blässe sein Gesicht, wäh¬ rend er den Namen des Allwissenden und Wahrhaften ausspricht? Eine innere Stimme sagt ihm, daß wenn auch fein Inneres dem Menschen verborgen bliebe, das Auge des Allsehenden und All¬ wissenden es durchblickt, und die Unwahrheit dessen, was er als wahr bekräftiget, in feiner Seele liest. Warum schaudert der »»»» 423 Meuchelmörder, der im Verborgenen Rache an seinem Bruder sucht, warum schaudert er vor seiner selbst zusammen? Die ganze Welt scheint auf ihm zu liegen, Alles droht seinen Frevel zu vcrrathen, und das Urtheil über ihn zu fällen, während er uu Begriffe ist seine Gräuelthat auszuführcn. — Eine innere Stimme warnet ihn: Es wohnt ein Richter ober dir, ein all¬ wissender Zeuge deines bösen Entschlusses, dein Geheimnis legt sich nicht mit dir in's Grab. Warum zittert die ihrem Untergange nahe Unschuld-in den Händen des listigen Verführers, wie Espen¬ laub, was röthet ihr Antlitz mit tiefer Scham selbst in dichter Finsternis,? Eine innere Stimme sagt ihr: daß Finsternis das Auge Gottes nicht schwärzet, daß vor ihm die Nacht wie Lag, und Tag wie Nacht ist, Werke der Finsterniß nicht verborgen bleiben. Woher kommt es denn, daß den Heuchler beständige Unruhe quöllt, daß ein ewiger Wurm an feinem Herzen nagt, daß er bei seiner schönen und frommen Außenseite die reinen Freu¬ den der Lugend nicht erkünsteln kann, die der wahrhaft Gerechte ungesucht, sinder und genießt? Eine innere Stimme verdammt ihn und läßt ihn schmerzlich fühlen, daß er sich vor dem Allwissen¬ den nicht verstellen nicht verkleiden könne, wie vor kurzgchtigcn Menschen, die nur nach dem Scheine urtheilen. Der Herr aber durchblicket das Herz, er prüfet die Nieren, und vergielt Jedem nach seinem Wandel. Kurz, dem Bösen ist die Vorstellung der Allwissenheit Gottes ein Meer der Bitterkeit, eine Geißel die ihn überall verfolgt. Mag er immerhin in der Blindheit des Ver¬ standes und Verstockung des Herzens zu sich selber sprechen: Gott sieht mich nicht, denn ich habe gefüudiget, und was ist mir Bö¬ ses widerfahren? sein inneres Bewußtfeyn straft ihn Lügen, denn er kann den Gedanken an Gottes Allwissenheit wohl auf Augen¬ blicke, ja auf Tage und Jahre unterdrücken, aber aus seiner Seele verbannen, wird er ihn ewig nicht. Ach, meine Lieben! wie trau¬ rig ist doch das Leben des Sünders! Das was dem Tugendhaf¬ ten, den schönsten Trost, die reinste Freude, die dauerhafteste Ruhe verschafft, der Gedanke nämlich, das Gott sein Herz und seinen Wandel kennt, dieser Gedanke ist für den Lasterhaften eine Duelle der Angst, des Kummers und der Unruhe. Wer möchte wohl den Sünder beneiden um die peinigenden Genüsse des La¬ sters! wer möchte nicht lieber nach den stillen aber ungetrübten Freuden der Tugend ringen, und in Herzensrcinigkeit vor den » » »r> 426 Augen Gottes wandeln?.' Wohlan, so sey uns denn die Vor¬ stellung an die Allwissenheit Gottes eine stete Gegenwchre wider die Sünde, wider das Lose, selbst dann, wenn das Dunkel der Nacht uns umgibt, wenn kein Sterblicher unsere Schritte belauscht, wenn kein Menschenauge in unser Herz blicket; diese Vorstellung sey uns ein mächtiger Antrieb zum Guten, ein süsser Trost im Leiden, eine himmlische Beruhigung am Ende des Lebens, wenn wir hiuzutreten haben, vor den ewigen Richter, der die Herzen und Nieren prüfet, und Jedem vergilt nach seinem Wandel. Amen. Am vier und zwanzigsten und letzten Sonntage nach Pfingsten. »Alsdann werden Alle des Menschen Sohn in den Wolken des Himmels kommen sehen.« Matt. 24, 3o. Eingang. Unter allen Evangelien, die wir im Verlaufe des Jahres hö¬ ren, ist das heutige in jedem Aubetrachte das erschütterndste für uns sündhafte, sterbliche Geschöpfe. Denn es zieht gewissermassen den Vorhang zwischen Zeit und Ewigkeit vor uns auf, und nö- thigct uns, den geistigen Blick auf einen Zeitpunkt hinaus zu rich¬ ten, der wohl immer unsere ganze Aufmerksamkeit und Sorge an sich ziehen sollte, nämlich — auf den Zeitpunkt des feierli¬ chen Weltgerichtes. — Dieses Weltgericht wird zwar, nach der Versicherung des Sohnes Gottes selbst, erst am Ende der Zeit, und somit beim vollkommenen Eintritte in die Ewigkeit Statt haben, weßwegen es uns leichtsinnigen und sorglosen Geschöpfen immer, wie in einer weiten Ferne zu feyn scheint. Im Grunde ist cs uns jedoch sehr nahe meine Lieben! — so nahe, dürfte ich sagen, wie der heutige Abend. Und wie das? Sollten wir denn am heutigen Abende noch beim Weltgerichte erscheinen müssen? — Im buchstäblichen Sinne zwar nicht, aber in so ferne gewiß, als wir, wenn wir noch am heutigen Abende sterben, beim Weltge- 427 «««« richte ass eben dieselben erscheinen werden, als welche wir am heutigen Abende beim besonder« Gerichte gefunden würden; ich will sagen: wir mögen jetzt Gerechte oder Sünder seyn, wie wir am Abende, d. i. am Ende unseres Lebens vor Gott erscheinen werden, eben so werden wir auch am Ende der Welt vor ihm erscheinen, — ich, der ich Ihnen dieses jetzt verkündige eben so, wie Sie, die es anhören. — Was wird aber am jenem Schreckens¬ tage des Weltgerichtes unser ewiges Loos seyn? Wissen Sie es? und — o mein Gott! — weiß ich es selbst? Soviel nur wissen wir, daß es jetzt noch an uns liegt, dem Schreckensurtheile einer ewigen Verwerfung von Gott, zuvvrzukommen. Ich sage dem Schreckensurtheile einer ewigen Verwerfung. Denn alle die furchtbaren Naturumwälzungen am Ende der Welt, werden nach der Andeutung des Evangeliums nur Vorbothen des Schreckens für die Sünder, aber nicht der Schrecken selbst seyn. Der vernichtende Schrecken selbst wird für sie seyn: der Anblick Jesu, des Sohnes Gottes, der, so wie er einst in Armuth, Niedrigkeit und Verlassenheit vom Himmel kam, um das Men¬ schengeschlecht zu erlösen, — nunmehr in seiner furchtbaren Ma¬ jestät, umgeben von zahllosen Engelschaaren an den Wolken des Himmels erscheinen wird, um das Menschengeschlecht zu richten, um allen seinen vernünftigen Geschöpfen ihr ewiges Loos öffent¬ lich und feierlich bekannt zu machen, und zu vollziehen. Recht eigentlich wird der Richter Jesus Christus am Ende der Welt, kein neues Gericht halten, sondern nur das über jeden einzelnen Menschen gleich nach dem Lode des Leibes schon gefällte Unheil wiederhohlen, es Allen öffentlich und feierlich bekannt machen, und überhaupt alle seine ergangenen Urtheile, gleichsam zu seiner eigenen Rechtfertigung dem Urtheile aller seiner vernünftigen Ge¬ schöpfe unterwerfen; um alle Geschöpfe, um selbst die verworfenen Engel und Menschen zu nöthigen, seine Gerechtigkeit öffentlich anzuerkennen und anzubethen; weswegen auch der göttliche Rich¬ ter nicht nur die Schuld und Strafe, sondern sein eigenes ewi¬ ges Gesetz selbst, einer allgemeinen Prüfung unterziehen wird. Er wird nämlich insbesondere die Sünder vor der ganzen Welt überweisen, daß sein h. Gesetz nicht nur gerecht, sondern auch von allen zu erfüllen möglich war. Eine für die Sünder schreck¬ liche Uebcrwrisung! Damit es jedoch nicht dahin kommen möge, daß uns der göttliche Richter selbst, am Lage des Gerichtes zu 426 tt « «sc unserer ewigen Betrübniß hievon überweise, so versehen wir uns lieber selbst in Gedanken in den Zeitpunkt (Tag) des Weltgerich¬ tes, und überzeugen wir uns, da wir noch Zeit haben zu unse¬ rem Heile, daß das Geseh Gottes zu erfüllen wirklich Allen mög¬ lich scy. Das somit der Gegenstand unserer heutigen Betrach¬ tung und Aufmerksamkeit. Abhandlung, Die gemeinste Entschuldigung, derer wir uns bedienen, um uns der Beobachtung des göttlichen Gesetzes zu entziehen, und unseren Ungehorsam gegen Gott zu bemänteln, ist: die schein¬ bare Strenge dieses Gesetzes, und die vermeinten grossen Schwie¬ rigkeiten bei der Erfüllung desselben. Darum wird auch der gött¬ liche Richter, das allgemeine Gericht, damit eröffnen, daß er sein h. Gesetz, wider die ungerechten Vorwürfe Aller, die es für zu strenge ausgegeben haben, rechtfertigen, und statt der vermeinten unüber¬ windlichen Schwierigkeiten, die Möglichkeit und Leichtigkeit zeigen wird, mit welcher es von Allen hatte erfüllt werden können. Hievon wird der göttliche Richter die Sünder auf mannigfache Art, vor¬ züglich aber durch das offenbare Zeugniß jener Menschen über¬ weisen, die für sein h. Gesetz Alles gcthan haben. Zu diesem Ende wird er die Heiligen überhaupt und insbesondere die Er¬ habensten, den Sündern cntgcgenstellcn, und ihren beiderseitigen Wandel gegeneinander vergleichen. Aus dieser Gegeneinandcrhal- tung und Vergleichung des Lebenswandels, wird sich nun ein überführendes, ein allgemeines, ein beschämendes und niederschla¬ gendes Zeugniß wider die Sünder ergeben: daß auch ihnen das Gesetz Gottes zu erfüllen durchaus nicht unmöglich, ja wohl leicht gewesen seyn würde. Ich sage also zuerst: es wird aus jener Vergleichung wider die Sünder ein überführendes Zeugniß für die mögliche und leichte Erfüllung des gerechten Gesetzes hervorgehen. Denn der göttliche Richter wird nicht nur zeigen, daß sein Gesetz von seinen Freun¬ den vollkommen ist beobachtet worden, sondern daß sehr Viele aus ihnen, auch dem was nicht sowohl Gesetz, sondern nur evan¬ gelischer Rath gewesen ist, freiwillig und auf das getreueste nach¬ gekommen sind. — Er wird zeigen, daß es in seinem ganzen Evangelio, keine so schwierige Lehre gegeben hat, die nicht die 420 gläubigsten Jünger gefunden, keine so strenge Forderung, die nicht die gewissenhaftesten Beobachter gehabt; keine» so beschwerlichen Tugendweg, den nicht echte Nachfolger Christi gewandelt wären, -— kein so erhabenes Muster der Lugend, das nicht die treuesten Nachahmer gefunden, —- und keine so strengen Bußübungen, de¬ nen sich eifrige Seelen nicht freiwillig und mit Freuden unterzo¬ gen hatten. -— Was nun uns betrifft, wir können unserem Vor¬ geben nach, der Welt auch im Geiste nicht entsagen, wir können unser Herz vom Irdischen nicht losreißen, unserer Sinnlichkeit nicht Abbruch thun, Beleidigungen nicht vergeben, unsere Feinde nicht lieben. Dieses ist nach unserer Meinung zu viel gefodert, ist zu schwer, und nach der Meinung Vieler sogar unmöglich. Aber am Tage des allgemeinen Gerichtes, wird uns der göttliche Richter Schaarcn von Menschen verstellen, die schwach und ge¬ brechlich wie wir, die Welt bis Air gänzlichen Verachtung gering geschäht, das Herz bis zur freiwilligen Armuth vom Irdischen losgcnssen, die Eigenliebe bis zum Hasse ihrer selbst überwälti¬ get, die Beleidigungen Anderer bis zur Unempfindlichkeit nachge- schcn, die wohlwollende Gesinnung gegen ihre Feinde bis zur zärtlichsten Liebe erhoben, und sich selbst mit allen ihren Kräften für die Erfüllung des göttlichen Gesetzes, dem grausamsten Tode hingeopfert hatten. Schien es nun bei eben so schwachen Menschen wie wir sind, nicht weit mehr über die Kräfte der Natur zu seyn, sich sogar der rechtmässigsten Güter aus Liebe zu Gott zu eutschlagen, und in einer freiwilligen Armuth zu leben, als aber z. B. ein unge¬ rechtes, ein unerlaubtes und sündhaftes Gut fahren zu lassen? — Schien es nicht weit mehr über die Kräfte der Natur zu seyn, sich selbst von den natürlichsten und erlaubtesten Verbindungen loszumachcn, und aus Liebe zu Gott, wie es die Apostel und Lausende von Christen thaten, sogar Vater und Mutter, Bruder und Schwester, Verwandte und Freunde zu verlassen, als aber vielleicht schändliche Bande zu zerreißen, die uns an sündhafte Geschöpfe, oder vergängliche Dinge fesseln? — Schien es nicht weit mehr über die Kräfte der Natur zu seyn, selbst bei dem un¬ schuldigsten Lebenswandel, den boshaftesten Verleumdungen und Verfolgungen gottloser Menschen^ nicht nur die größte Sanft- muth und Liebe entgegen zu setzen; sondern sich wie der h. Apo¬ stel Paulus und unzählige Andere aus Liebe zu Gott, der Ver- A> » X»» 450 «««« lcumdungen und Verfolgungen sogar zu freuen? — Schien sage ich, dieses nicht weit mehr über die Kräfte der Natur zu scyn? als etwa selbstverschuldete, oder von Gott zur Besserung geschickte Leiden im Geiste der Büste geduldig zu ertragen? — Schien es endlich nicht weit mehr über die Kräfte der Natur zu seyn, nicht nur Ehre und Vermögen, sondern aus Liebe zu Gott und seinem heiligen Gesetze das Leben selbst freiwillig, unter den ausgesuch¬ testen gräßlichsten Martern aufzuopfern, wie dieses viele Tausend Freunde Gottes im neuen und selbst im alten Bunde gethan ha¬ ben? — Schien das nicht weit mehr über die Kräfte der Natur zu seyn, als etwa eine eitle menschliche Ehre, einen unerlaubten Sinnengenuß dem göttliche Gesetze zu lieb dahinzuopfern? —- Wenn nun im Christenthume für die wahren Freunde Gottes un¬ ter dem Beistände seiner Gnade, selbst das erdenklich Schwereste möglich war: sollte für uns, die wir im nämlichen Christenthume erzogen, von der nämlichen Gnade Gottes unterstützt werden, das ungleich Leichtere aus Liebe zu Gott nicht möglich scyn können? — Werden wir uns also meine Lieben! am Lage des Gerichtes nicht zitternd fragen müssen: Wo? wo sind nun die vermeinten unüberwindlichen Schwierigkeiten bei der Erfüllung des göttlichen Gesetzes? — Wird nicht der blosse Anblick so vieler glänzender christlicher Helden, schon ein hinreichend überführendes Zeugniß scyn — wider unsere Trägheit und Sorglosigkeit für die Erfül¬ lung des göttlichen Gesetzes? — Dieses nämliche Zeugniß, wird eben darum zugleich ein all¬ gemeines Zeugniß wider die Sünder seyn, und zwar wegen der grossen Menge ihnen gegenüberstehender heiliger Zeugen. Die tägliche Erfahrung lehret es, daß die Anzahl der Frommen, die wohl in jedem Jahrhunderte angetroffcn werden, schon jetzt ein strafender Vorwurf für den grossen Haufen leichtsinniger Welt¬ menschen ist. Sogar schon eine einzige Person, wenn sie ihre Sitten ändert, und nach einem ärgerlichen Wandel, ein aufer¬ bauliches Leben führt, ist für Alle, die sie sehen, aber nicht in ihre Fußstapfen treten wollten, eine gar beißende und nöthigende Aufforderung sich auch zu ändern und zu bessern. Weil man sich jedoch, wie gesagt nicht ändern und bessern will, so entsteht eine gewisse böse Begierde, an Andern die Tugend, die man in¬ nerlich doch schätzen muß, äußerlich zu verachten und zu erniedri¬ gen, und die elenden Schmähreden mit welchen lasterhafte Men- >-» »>- 451 e scheu oft die Guten verfolgen, welche Schmähreden bei ihnen vor- ? züglich daher rühren, weil sie mit einem geheimen inneren Ver¬ drösse sehen, daß Andere das thun, was man zwar allgemein ' für Recht und Pflicht hält, was jedoch sie gerne für unmöglich ausgcben möchten. Womit werden sich nun derlei träge und boshafte Christen am Tage des Gerichtes rechtfertigen, wenn sie so viele Schaaren von Auserwählten erblicken werden, die dem h. Gesetze Gottes aller vermeinten Schwierigkeiten ungeachtet, immer treu gewesen waren?-Was wird z. B. zu seiner Entschuldigung vorbringen — der Wohllüstling, wenn er sehen wird eine unzählige Menge Gott vorzüglich geweihter Menschen, welche durch einen reinen Lebens¬ wandel auf Erden die Sicgespalme der Jungsrauschaft errungen haben? Was wird zu seiner Entschuldigung vorbringen der un¬ gläubige Christ, wenn er sehen wird so viele Tausende treuer Bekenner Jesu Christi, die es so wenig für unmöglich hielten, sich den Wahrheiten und Vorschriften seiner Lehre, und den Aus¬ sprüchen seiner h. Kirche zu unterwerfen, und den Glauben durch Wort und That zu bewahren, daß sie denselben sogar freiwillig mit ihrem Blute besiegelt, und die Märtyrer-Krone freudig er¬ kämpft haben? Was wird zu seiner Entschuldigung vorbringen der unbußfertige Sünder, wenn er nicht nur unzählige seiner Mitbrüder sehen wird, welche noch zu rechter Zeit alle Mittel der Bekehrung und Buße, die er hartnäckig verschmähete, ergrif¬ fen, und mit brennendem Eifer benützt haben, — sondern wenn er überdieß noch unzählige Gerechte erblicken wird, die selbst bei dem unschuldigsten und frömmsten Lebenswandel, dennoch wie die größten Sünder behandelt seyn, und die strengste Buße wirken wollten? — Die überaus grosse Menge heiliger Beobachter des göttlichen Gesetzes, wird also zugleich ein allgemeines Zengniß wider die Sünder seyn: daß dieses Gesetz auch für sie zu er¬ füllen nicht unmöglich, ja wohl leichter noch gewesen wäre. Diese Vorstellung allein rührte schon den h. Augustin, und sie sollte uns, die wir ihm in der Buße so weit nachstehen, noch weit mehr rühren. Es wird ein Tag kommen, sprach dieser h. Lehrer, der mir eben so viele Richter zeigen wird, mich zu verurtheilen, als mir alle gläubigen Zeiten Gerechte darstellen, die mich er¬ bauen; ein Lag wird kommen, der mir auffvhren wird, eben so viele Ankläger, als ich Tugend-Muster gehabt, und eben so 452 viele überweisende Zeugen, als ich in eines Jedweden Lebensart nachzuahmende Tugenden gesehen habe. Das Zeugniß der Heiligen Gottes, die hienieden sein Gesetz getreu und vollkommen erfüllt haben, wird ferner auch ein be¬ schämendes Zeugniß für die Sünder scyn. Warum? —weil der göttliche Richter alles Gute und Tugendhafte, das der Eine in einem weniger vollkommenen Stande vollbracht hat, entgegen setzen wird, all' dem Bösen und Lasterhaften, das der Andere in einem weit heiligem Stande verübt hat« Nach diesem, wer¬ den am Tage des Gerichtes, wie der h. Paulus sagt, die Apo¬ stel, die gefallenen Engel selbst richten. So wird aus dem näm¬ lichen Grunde, was ich bei mir selbst mit Schauder überdenke, und mit noch grossem Schauder ausspreche, — so wird das ein¬ fältige christliche Volk, welches die Lehren des Evangeliums be¬ reitwillig ausgenommen, und im Leben treu bewahrt hat, — das einfältige christliche Volk, wird selbst den unwürdigen und bösen Diener des Evangeliums richten! —- So wird ein Weltmann, der mitten unter den Gefahren und Verführungen der Welt, doch gottesfürchtig gelebt hat, richten die Ordensperson, die in einer glücklichen Abgeschiedenheit von der Welt, und im Hafen einer heiligen Sicherheit, dennoch ihre Tage in Gottes Vergessen¬ heit hingebracht hat. — So wird die evangelische Witwe, die nach ihrem geringen Vermögen nur einen Heller in den Opfcr- kasten gegeben hatte, richten einen geitzigen Und hartherzigen Rei¬ chen, der bei seinem Uebcrflusse, einen armen Lazarus, hungrig und durstig, nackt und krank vor der Lhürschwelle liegen ließ. So wird ein Grosser der Welt, der in Macht und Ueberfluß, bei allen sich ihm anbietenden Sinnengenusse, bei alle» Schmei¬ cheleien und Lobeserhebungen, der ihn umgebenden Höflinge, den¬ noch arm im Geiste war, und demüthig, gerecht, keusch und auf¬ erbaulich gflebt hat, er wird richten den gemeinen, den Privat¬ menschen, der, obschon ihm sein Stand weniger Versuchungen und Gefahren zur Sünde, weniger Pflichten und Verantwortungen, aber weit mehr Gelegenheiten und Mittel zur (eigenen Vervoll¬ kommnung und) Frömmigkeit eröffnet hatte, dennoch stolz, wohllü- stig, ersüchtig und ungerecht gewesen ist. So wird ein Zöllner, der in seinem Amte zu manchen Ungerechtigkeiten und Betrüge¬ reien gereizt und verleitet wurde, der aber seine Ungerechtigkei¬ ten in Demuth und aufrichtiger Reue erkannt, das fremde Gut 455 «««« gewissenhaft erstattet, und von seinem rechtmässigen Vermögen An¬ dern Gutes gethan hat, — er, der denüithige und reuige Zöll¬ ner, wird richten den Pharisäer, der bei all' seinem äußerlich glän¬ zenden guten Werken, bei allem Rufe der Frömmigkeit, ein Hoch- müthiger und Rachsüchtiger, ein Verleumder und boshafter Rich¬ ter seiner Mitmenschen gewesen war. Und damit ich endlich etwas anführe, was insbesondere auf uns angewendet werden kann: so werden die neuen Christen, in fernen Welkheiten, die sich so eifrig in die noch kaum angepflanzte Kirche Christi drängen, so freudig die Lehre des Heils ergreifen und fest zu halten suchen, — diese neuen Christen, werden einst richten uns Halbchristen, die wir im Schvoße der bliihensten christ¬ lichen Religion, so träge und kalt für die Aufnahme der ewigen Heilswahrheiten, so leichtsinnig für die Erfüllung des erkannten göttlichen Gesetzes, und oft so heidnisch und verderbt in unseren ganzen Wandel sind! — O meine Lieben! ich bitte Sie recht wohl meinend, wohl zu fassen, was ich Ihnen Alles ju ihrem Heile an's Herz zu legen wünsche! — Werden wir, frage ich Sie, einst am Tage des allgemeinen Gerichtes nicht öffentlich ge¬ stehen müssen, daß wir obgleich ohne unser Verdienst, aus blosser Gnade Gottes tausendmal glücklicher gewesen waren, als Millio¬ nen unserer Mitbrüder, die entweder noch in den Finsternissen des Heidenthumcs sitzen, oder denen jetzt erst ein noch schwacher Schimmer des seligmachenden Glaubens aufgeht? — Wir wurden im vollen Glanze dieses himmlischen Glaubenslichtes schon gebo¬ ren, und sind von demselben von der Wiege an beglückt erleuch¬ tet und geführt worden, — wir kennen also zuversichtlich unse¬ ren Gott und Vater, und den Weg der zu ihm führt. Jene aus unfern Brüdern aber, kennen unseren und ihren Gott, unfern und ihren Vater noch nicht, obgleich sie schon,lange nach ihm fragen, obgleich sie ihn so gerne kennen, und wohl kindlicher als wir lieben möchten; — sic kennen unsere und ihre wahre heilige Mutter, die katholische Kirche noch nicht, sie suchen selbe noch gleich verlassenen Waisen, und drängen sich, wo sie ihre Stim¬ me nur von Ferne vernehmen, freudig in ihre Arme, und bitten sie mit kindlicher Einfalt und Herzlichkeit, ihnen auch gleich an¬ dern Kindern das Brot des Lebens, die Lehre des Heils zu rei¬ chen, oder wenigstens die Brosamen, die von dem Tische ihrer in dieser Hinsicht reichern Kinder, herabsallen mitzutheilen. Ja 26 »X» v 454 a t-c Sl« wahrlich wir stehen unter den reichern Kindern Gottes und seiner h. Kirche! Denn wir schon in der Stunde unserer Geburt zur Heerde Jesu Christi gezahlte, mit seinem Namen bezeichnete Schaft, — können uns unsere geistige Weide, und die Hirten, die uns weiden sollen, sogar selbst wählen, und wenn wir in die Schule der Tugend gehen, oder zur Duelle der göttkichen Gnaden, die uns aus den h. Sakramenten reichlich fließen, hinzutreten wollen: so dürfen wir hiezu nur einige Schritte thnn, nur einige Augen¬ blicke verwenden, während unsere Mitbriidcr in fernen Wclt- theilen bisher, entweder zerstreute Schaft, ohne geistige Weide und ohne Hirten sind; oder aber weite und befchwerliche Wege Machen müssen, um vielleicht ein Mal im Jahre nur, die Stim¬ me eines von Christo ihnen zugesandten Hirten zu vernehmen. — Unter uns kann jeder Gläubige, wenn er nur selbst will, seinen bestimmten Hirten vernehmen, und einen eigenen Seelenarzt und Führer haben, ja recht oft mehrere Apostel, mehrere Verkündiger des Evangeliums hören, ---- während in jenen fernen Welttheilen oft ganze Völker kaum einen Beichtvater, kaum einen Prediger und Priester haben. Wie nun meine Lieben! was werden wie am Tage des all¬ gemeinen Gerichtes antworten, wenn wir sehen werden, daß jene unserer Mitbrüder, die erst am späten Abende zur Heerde Christi gerufen wurden, weit treuere Schafe gewesen sind, als wir, die wir schon am frühesten Morgen berufen waren? — Womit wer¬ den wir uns vor dem Richter entschuldigen? da wir eben darum weit weniger Hindernisse und Beschwerden, aber weit mehr Zeit, Mittel und Gelegenheit gehabt haben, das Gesetz Gottes getreu zu erfüllen? Werden wir nicht zu unserer ewigen Schande ge¬ stehen müssen, daß, wenn Jene eine höhere Stufe der Seligkeit im Reiche Gottes errungen haben, wir wenigstens die unterste ohne vieler Mühe hätten erreichen können? O was für ein be¬ schämendes und niederschlagendes Bekenntniß müßte es seyn meine Lieben! wenn wir am Tage des Gerichtes sagen müßten: Wir konnten viel, ja weit mehr thun, — wir haben aber nichts gc- than! — und Andere konnten weit weniger thun, sie haben aber weit mehr, — ja Alles gethan. Dieser Gedanke vollendete auch die Bekehrung Augustins. Wie, sprach er bei sich selbst, die Einfältigen stehen auf, und reißen den Himmel an sich! — die weil weniger gehört, gelernt und erkannt haben, werden selig, »>,»» 455 ««<<« und erringen die erhabensten Plätze im Reiche Gottes! und wir« bei aller deutlichen Kenntniß des Wahren und Guten, ja bei aller Wissenschaft und Gelehrsamkeit, wir fallen aus einem Laster in das andere, und stürzen uns wie unsinnig in den Ab¬ grund des Verderbens!? —Somit wird also das, was die Aus- crwählten in einem weniger vollkommenen und günstigen Stande, bei grösscrn Hindernissen und geringem Mitteln für das gerechte Gesetz gethan haben, ein Zeugnis wider uns seyn, das uns am Lage des Gerichtes vor der ganzen Welt beschämen, und uns neu¬ erdings überführen wird, daß das gerechte Gesetz für uns nicht unmöglich, sondern ungleich leichter als für viele Andere zu erfül¬ len gewesen fcy. Womit wollten wir uns endlich noch entschuldigen vor dem ewigen Richter? Etwa mit den bösen Sitten und Gewohnheiten der Welt? — Allein die Auserwählten, die zu unserer Zeit ge¬ lebt haben, und dieselben schwachen Menschen wie wir, waren, haben dieselben bösen Sitten und Gewohnheiten der Wett bestrei¬ ten können, ohne wie wir, Sklaven der Welt zu seyn? — Oder wollten wir uns entschuldigen mit den heftigen Versuchungen, mit den gefährlichen Gelegenheiten, mit den bösen Beispielen, die uns zur Sünde gereizt? Aber die Auserwählten, die vielleicht selbst unsere Untergebenen, unsere Diener und Knechte waren, haben die nämlichen Seelenfeinde wie wir, und überdies noch uns selbst zu bekämpfen gehabt, die wir böfe waren, und ihnen fo manches Hinderniß der Lugend in den Weg gelegt haben. — Oder wollen wir uns entschuldigen mit unserem Temperamente, mit unserer für- das Gute weniger empfänglichen Gemüthsbcschaffenheit? — Aber unter den Auserwählten werden wir Sieger finden, die das näm¬ liche, oder ein noch unbändigeres Temperament ernstlich und stand¬ haft bemeistert, und bei der nämlichen oder noch ungünstigem Gc- müthsbeschaffcnheit, nicht nur das Laster vermieden, sondern sich selbst die glänzendsten Lugenden eigen gemacht haben. — Somit werden also am Lage des Gerichtes alle erdenklichen Vorwände für die nicht mögliche oder allzufchwere Erfüllung des gerechten Gesetzes wegfallen müssen, durch das überführende, allgemeine, beschämende und niedcrschlagende Zeugnis so vieler Heiligen, die dieses Gesetz zu allen Zeiten, unter allen Umständen, und bei allen Hinder¬ nissen freudig und getreulich erfüllt haben. Darum werden, sagt der h. Geist im Buche der Weisheit, die Sünder am Tage des »»v» ^.^6 Gerichtes, durch das Zeuguiß der Auserwählten geschlagen, ihre eigene Schuld und Verwerfung selbst öffentlich aussprechcn. „Sie werden, sagt der h. Geist, beim Anblicke der Gerechten vor über¬ grossen Schrecken verwirrt werden, sie werden sich hoch verwun¬ dern, daß diesen so bald eine Seligkeit zu Theil geworden ist, an deren Erreichung sie für sich selbst verzweifelt hatten. — Sie wer¬ den nun ihren Jrrthum erkennen, eine zu späte Neue wird sie be¬ fallen, in der größten Beklemmung ihres Geistes werden sie seuf¬ zen, und aufschauend zu den Auserwählten werden sie sagen: Diese, diese sind es also, die wir einst zum Gespötte und Gelächter ge¬ habt! — Wir Unsinnige! wir hielten ihr Leben für Lhorhcit, und ihr Ende erachteten wir für schandvoll! Aber sehet! wie sie nun bcigezählt sind den Söhnen Gottes, und ihren Antheil ha¬ ben mit den Heiligen! Wir also, wir Unglückliche! sind von dem Wege der Wahrheit irre gegangen! und weil wir so viele Muster der Lugend nicht beachtet haben, darum hat uns das Licht der Gerechtigkeit nicht geleuchtet, und die Sonne der Erkenutuiß ist uns nicht aufgegangen!" » Damit uns nun nicht auch das Unglück treffe, es erst am Lage des Weltgerichtes, und folglich auf ewig zu spät einzufehen, daß wir uns schrecklich geirrt haben, wenn wir die Erfüllung des gerechten Gesetzes für unmöglich oder zu schwer gehalten: so rufen wir uns das heute Gesagte öfters in das Gedächtnis! zurück; be¬ herzigen wir es öfters, was und wieviel die echten Jünger Christi zu allen Zeiten, und unter allen Umständen für dieses h. Gesetz gethan haben; ahmen wir, die echten Tugendbeifpiele, wo wir sie sehen, eifrig nach, überzeugen wir uns durch ernstes Fortschreiten im Guten, aus eigener Erfahrung, daß das Zoch Zes» Christi süß, und seine Bürde leicht sey, und stärken wir uns bei allen vorkommenden Beschwerden des Heils, durch ein lebendiges Ver¬ trauen auf Gottes allvermögende Gnade, und durch die tröstliche Hoffnung einer unaussprechlich seligen Vereinigung mit ihm, in seinem ewigen Reiche. Amen! Ende des ersten Theiles. Inhalt der Predigten. Seite Am i. Sonntage im Advente. Von der Beschämung und Bestürzung des Uttgebcsserten Sünders am Tage des allgemeinen Gerichtes ... i Am 2. Sonntage im Advente. Von der Beschämung des Sünders vor dem Richtcr- stuhle Christi wegen Unterlassung und wegen scheinhei¬ liger Ausübung guter Werke ......... 9 Am 3. Sonntage im Advente. Der Sünder gerichtet durch das Beispiel der Heiligen, die unter größer» Beschwerden selig, — und der Ver¬ worfenen, die wegen geringer!: Sünden ewig unglück¬ lich geworden sind. . . f . .. 18 Am 4. Sonntage im Advente. Von dem Vcrwcrfuugsurtheile über den Sünder, und der Vollziehung desselben .......... 26 Am Sonntage zwischen der Dktave der Beschneid. Das unschuldig verfolgte JesuS-Kind der stärkste Trost .für unschuldig leidende Christen ........ 36 Am 1. Sonntage nach der Erscheinung des Herrn. Der Dienst Gottes ist erhabener und angenehmer als der Dienst der Welt ............ 46 Am 2. Sonntage nach der Erscheinung. Von dem Genüsse irdischer.Freuden ....... 53 Am 5. Sonntage nach der Erscheinung. Von den Pflichten gegen die Dienstbothen ..... 62 Am 4. Sonntage nach der Erscheinung. Von den Versuchungen zur Sünde ....... 70 Am 5. Sonntage nach der Erscheinung. Das Zusammenleben der Guten mit den Bösen kann beiden zum Heile gereichen ......... 8: Seit? Am 6. Sonntage nach der Erscheinung. Das Christenthum ist ein grosses Geschenk des Himmels 90 Am Sonntage Septuagesima. Von den zu verschiedener Zeit berufenen Arbeitern in den Weinberg des Herrn ............ 97 Am Sonntage Sexagestma. Von der schlechten Vorbereitung zur Anhörung des Wor¬ tes Gortes ..»09 Am Sonntage Om'nqnagestma. Von den vielen beiden Jes», und von der geduldigen Ertragung derselvcn. ii5 Am 1. Sonntage in der Fasten. Ueber das Wohlthätige der Versuchung, und über die Mittel die Versuchung zu überwinden ...... 122 Am 2. Sonntage in der Fasten, In welchem Verhältnisse werden die verklarten Tugend¬ haften zn Gott stcben? Am 3. Sonntage in der Fasten. Was heißt Jesu auhänge»? und was hindert uns ihm treu anzuhängeu? . .. i56 Am 4. Sonntage in der Fasten. Was thnt die Vorsehung Gottes für die Menschen? . »4^ Am 5. Sonntage in der Fasten. Wie sich die Stimme des Gewissens äußert im Leben eines sorglosen Sünders, und wie am Ende seines Lebens 149 Am Pasmsonntage. Von den Entschuldigungen lauer Christen, womit sic sich von einer öfter» Tbcilnähme an dem Genüsse des h. Abendmahles ausnehmcn .......... »5? Am Ostersonntage. Die Auferstehung Jesu beweiset, daß seine Lehre gött¬ lich ist, und daß auch wir aufcrstehen werde» . . . i65 Am 1. Sonntage nach Ostern. Von der Beharrlichkeit im Guten bis an's Ende . . 172 Am 2. Sonntage nach Ostern. Jesus unser Beispiel, dem wir nachfolgen solle» . . 189 Am 3. Sonntage nach Ostern. Ueber das Wohlthätige der Leiden ....... 191 » » » » I I r<« a:« Seite 2tm 4. Sonntage nach Lstel'tt. Um der Gaben des h. Geistes thcilhaftig zu werden, muß der Christ sein Herz vom Irdischen losreißcn, und zu den himmlischen Gütern erheben ...... 196 Am 5. Sonntage nach Dstern. Betrachtung über die schönen Früchte des Gebetes . . 209 Am 6. Sonntage nach Dsterm. Von der verwahrlosten Erziehung als der Ursache der Nichtkcnntnifi Gottes 217 Am Pfingstsonntage. Von den Wirkungen der Gaben des h. Geistes. . . 224 Am 2. Sonntage nach Pfingsten. Worin die durch Jesus uns angebothcne Glückseligkeit bestehe? 2.32 Am 5. Sonntage nach Pfingsten. Die Verzögerung der Bekehrung ist sehr gefährlich . . 241 Am 4. Sonntage nach Pfingsten. Das Betragen des Guten Christen beim Mißlingen sei¬ ner Berufs'geschäfte ........... 260 Am 5. Sonntage nach Pfingsten. Vergleichung zwischen der falschen Gerechtigkeit der Chri¬ sten und zwischen der Gerechtigkeit der Pharisäer . . 258 Am 6. Sonntage nach Pfingsten. Von dem thätigen Erbarmen Jesu gegen nothleidende Menschen 265 Am 7. Sonntage nach Pfingsten. Ueber die sogenannten Untcrhaltungsbücher .... 274 Am 8. Sonntage nach Pfingsten. Wir sind Haushälter Gottes und müssen über unsere Haushaltung Gott Rechenschaft ablegcn .... 284 Am 9. Sonntage nach Pfingsten. Von der Unbußfertigkeit als Folge der falschen Busse . 292 Am 10. Sonntage nach Pfingsten. Von dem Laster der Hoffart Am 11. Sonntage nach Pfingsten. Der Taubstumme ein Bild des Gewohnheitssündcrs . 3ro Am 12. Sonntage nach Pfingsten. Ueber das Gebot der Nächstenliebe ...... 32i » » Li » LV « « t< « Seite Am 15. Sonntage nach Pfingsten. Don den Beweggründen, die den Sünder zu einen; wür¬ digen Gebrauche des Bußsakramentcs antreiben sollen . Z29 Am 14. Sonntage nach Pfingsten. Die geistigen Freuden haben einen grossen Vorzug vor den leiblichen ..' . . 338 Am 15. Sonntage nach Pfingsten. Die öftere Erinnerung an den Tod ist das beste Mittel sich zu einem guten Tode vorzubereiten ..... 348 Am 16. Sonntage nach Pfingsten. Von dem Neide nach seiner Natur und seinen Wirkungen 358 Am 17. Sonntage nach Pfingsten. Von den vorzüglichsten Beweggründen zur Liebe Gottes 365 Am 18. Sonntage nach Pfingsten. Von der Abscheulichkeit und Sündhaftigkeit der Gottes¬ lästerung . ........ 372 Am 19. Sonntage nach Pfingsten. Von der geringen Anzahl der Auserwählten ^ . . . 38i Am 20. Sonntage nach Pfingsten. Ueber die Pflicht der Aeltern vorzüglich für das gei¬ stige Wohl ihrer Kinder zu sorgen.. 38g Am 21. Sonntage nach Pfingsten. Von der Pflicht der Feindesliebe.399 Am 22. Sonntage nach Pfingsten. Von der Heuchelei. 408 Am 23. Sonntage nach Pfingsten. Die Allwissenheit Gottes ist eine Quelle des Trostes für die Frommen, — und eine Quelle der Bitterkeit für die Sünder .. 418 Am 24. Sonntage nach Pfingsten. Die Erfüllung des göttlichen Gesetzes ist nicht unmöglich 426 ^*^^^**^**4*^ /F