Acta agriculturae Slovenica, 87 - 1, april 2006 str. 129 - 141 Agrovoc descriptors: agricultural and rural legislation, Germany, fertilizer application, nitrogen, losses, farms, soil fertility, environmental protection Agris category code: D50, P35 Bilanzierung von Stickstoffflüssen im landwirtschaftlichen betrieb zur Bewertung und Optimierung der Düngungsstrategien Reinhold GUTSER 1 Received March 19, 2006; accepted April 3, 2006. Delo je prispelo 19. marca 2006; sprejeto 3. aprila 2006. ZUSAMMENFASSUNG Der in landwirtschaftlichen Betrieben über Bilanzierungsmethoden feststellbare Stickstoff-Überschuss stellt unbestritten einen Schlüsselindikator für die Bewertung der N-Effizienz sowie der bewirtschaftungsbedingten Umweltbelastung dar. Die verschiedenen Methoden der Nährstoffbilanzierung werden hinsichtlich ihrer Ergebnissicherheit und –verwendbarkeit beurteilt. Für die inner- und außerbetrieb-liche Verwendung der Bilanzierungsergebnisse eignet sich in erster Linie die Betriebs- und Flächen-Bilanz nach Hoftor-Methode, kombiniert mit der Schlag-Bilanz zur Analyse der Schwachstellen für die Optimierung der Düngung. In einem Langzeitversuch wird aufgezeigt, dass aus dem Stickstoffsaldo das Verlustpotenzial nur bei Berücksichtigung der Veränderung des N-Vorrates der Böden zu prognostizieren ist. Die neugefasste Düngeverordnung für Deutschland enthält Richtwerte für N-Überschüsse einer Flächen-Bilanz. Diese werden mit bekannten Bewertungsmaßstäben aus dem Bereich der Landwirtschaft und des Umweltschutzes diskutiert. Schlüsselworte: Betriebs-Bilanz, Flächen-Bilanz, N-Überschüsse, N-Verlustpotential, Düngeverordnung IZVLEÈEK BILANCA DUŠIKOVIH TOKOV NA KMETIJI ZA DOLOÈANJE IN OPTIMALIZACIJO STRATEGIJE GNOJENJA Presežek dušika na kmetiji, ki ga izraèunamo z bilanènimi metodami, predstavlja kljuèni indikator za doloèitev uèinkovitosti uporabljenega dušika na kmetiji in za obremenitev okolja. Prikazane so razliène metode bilance hranil in ocenjena njihova realnost in uporabnost. Za bilance hranil na kmetiji za notranje in zunanje potrebe sta primerni predvsem bilanca na ravni „kmetija“ in „kmetijsko zemljišèe“ po metodi „kmetijsko dvorišèe“, èe jo dopolnimo z bilanco posameznih parcel, s èemer lahko doloèimo za vsako parcelo optimalno gnojenje. Na primeru trajnega poljskega poskusa avtor dokazuje, da je možno iz bilance dušikovega salda sklepati na potencial izgub le, èe upoštevamo tudi spremembo zalog dušika v tleh. Nova nemška uredba o gnojenju vsebuje smernice za presežke dušika na ravni „kmetijsko zemljišèe“. Obravnavane metode bilance hranil so preuèene s pomoèjo znanih meril vrednotenja in ocenjene tako s stališèa kmetijstva kot varstva okolja. 1 Lehrstuhl für Pflanzenernährung, Technische Universität München, Wissenschaftszentrum Weihenstephan, Am Hochanger 2, 85350 Freising-Weihenstephan, Deutschland. 130 Kljuène besede: Bilanca „kmetija“, Bilanca „kmetijsko zemljišèe“, presežek dušika, potencial izgub dušika, uredba o gnojenju ABSTRACT BALANCE OF NITROGEN FLOWS IN FARMS FOR ESTIMATION AND OPTIMISATION OF FERTILIZING STRATEGIES Nitrogen surplus in farms which can be assessed by balance-methods uncontradictedly represents a key indicator for the estimation of nitrogen efficiency as well as for environmental load caused by agricultural management. Different methods for nutrient balance are evaluated concerning their reliability and usability. Farm- and field-balance according to farm gate-method - in combination with a weak-point analysis via “balance at the field scale” for optimisation of fertilization strategies - are predominantly suited for intra-farm and external utilization of balance results. A long-time experiment shows that prediction of nitrogen loss potential by nitrogen balance only works when changes in soil-N-pool are considered. The revised fertilization regulation for Germany contains benchmarks for N-surpluses determined by field-balance. Those and further in domains of agriculture and environmental protection published valuation standards are discussed. Key words: farm-balance, field-balance, N-surpluses, N-loss potential, fertilization regulation. 1 EINLEITUNG Seit vielen Jahren hat die Berechnung von Nährstoffbilanzen für die Landwirtschaft Eingang in Wissenschaft und Praxis gefunden. Für die kaum verlustgefährdeten Nährstoffe Phosphor und Kalium war die Gegenüberstellung von Input- und OutputGrößen zur Beurteilung und Steuerung der Düngung seit langer Zeit bereits unumstritten. Mittlerweile hat sich der Bilanzüberschuss für Stickstoff als einer der wenig allgemein anerkannten Schlüsselindikatoren zur Dokumentation, Analyse und Bewertung der Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Produktion sowie der Umweltbelastung durch N-Emissionen fest etabliert (Bach und Frede, 2005). Innerhalb eines Betriebes zeigen die Ergebnisse einer Nährstoffbilanzierung Schwachstellen in der Düngepraxis auf und liefern Ansatzpunkte zu deren Optimierung. Nach außen hin dienen die Salden zum Nachweis umweltverträglichen Verhaltens gegenüber Öffentlichkeit, Wasserwirtschaft und Naturschutz, zur Positionierung in der Agrarumweltdiskussion, sowie agrarpolitisch zur Umweltberichterstattung, Bewertung förderpolitischer Maßnahmen und administrativen Einflussnahme (VDLUFA, 2006). Als Beispiele für aktuelle Politikfelder, in denen der N-Bilanzüberschuss als Schlüsselindikator für die Bewertung der Umweltbelastung durch die Landwirtschaft beziehungsweise des Umweltbewusstseins der Landwirte Eingang gefunden hat, können genannt werden: GUTSER, R.: Bilanzierung von Stickstoffflüssen im landwirtschaftlichen ... 131 OSPARCOM Übereinkommen zum Schutz des Nordostatlantiks (z.B. HELCOM, 2000). OECD Konzeption von Agrarumweltindikatoren (KOM, 2000 ; OECD, 2001) Deutscher Umwelt Strategiepapier « Nachhaltige Entwicklung für Deutschland » Index (DUX) (Bundesregierung, 2004) EU Rechtliche Basis für N-Minderungspolitiken (Nitratrichtlinie, 1991) - Nitratrichtlinie EU Wasserrahmenrichtlinie zur nachhaltigen Gewässeruntersuchung -Wasserrahmen- (Flussgebietseinheiten) mit internationalen Standards richtlinie (Wasserrahmenrichtlinie, 2000) Düngeverordnung (1996, 2006) Definition der guten fachlichen Düngepraxis Qualitätssicherung Bewertungsmodelle auf einzelbetrieblicher Ebene USL/KUL (VDLUFA, 1998; Eckert et al., 1999) REPRO (Hülsbergen, 2003) Es handelt sich dabei im Wesentlichen um N-Minderungspolitiken zur Eingrenzung des Gefährdungspotenzials durch die Landbewirtschaftung. USL/KUL und REPRO berücksichtigen zudem die Grundlagen einer nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Betriebe. Stoffbilanzen werden für unterschiedliche Bezugsebene wie z.B. für den landwirtschaftlichen Sektor in Deutschland insgesamt, für regionale Einheiten oder für landwirtschaftliche Betriebe erstellt. Modifikationen im methodischen Ansatz der Bilanzierung beeinflussen sehr wesentlich die Ergebnisse und erschweren damit nicht unerheblich deren objektive Interpretation. So setzt die Vergleichbarkeit von N-Überschüssen in verschiedenen Untersuchungen stets die Anwendung einer vergleichbaren Methodik voraus. Nach Bach und Frede (2005) verbleibt entsprechend einer Sensitivitätsanalyse auch bei Anwendung gleicher Methoden für den N-Bilanzüberschuss noch ein Fehler von ±10%, der in tierhaltenden Betrieben nur dann auf diesem Niveau gehalten werden kann, wenn das berücksichtigte N-Recycling über Wirtschaftsdünger (z.B. Menge, Gehalte an N) auch nicht mehr als ±10% vom wahren Wert abweicht. Der VDLUFA (2006) bereitet derzeit einen Standpunkt vor, der wesentliche Bilanzierungsansätze aus wissenschaftlicher Sicht darstellt, ihre Einsatzmöglichkeiten bewertet und begründete Empfehlungen für die geeignete Methodik der Stoffflüsse im landwirtschaftlichen Betrieb ableitet. Sein wesentlicher Inhalt wurde in dieser Ausarbeitung berücksichtigt. 2 METHODE DER BILANZIERUNG Eine Nährstoffbilanzierung ist die Gegenüberstellung der Nährstoffein- und –austräge einer klar definierten Bezugsebene über einen bestimmten Zeitraum, wobei zusätzlich die nährstoffrelevanten Bestandesänderungen (z.B. Vorrat an Futter, Dünger, Tierbestand, etc.) mit berücksichtigt werden. Die Differenz zwischen beiden Größen bildet der Saldo, dem eine Indikatorfunktion sowohl für die Nährstoffeffizienz als auch für die Gefährdung der Umwelt und der Bodenfruchtbarkeit zukommt. Ein positiver N-Saldo stellt demnach eine Schätzgröße für die gesamten, potenziell umweltgefährdenden N-Verluste dar, die von einer Bezugsebene an die Umwelt abgegeben werden. Häufig benutzte Bezugsebenen innerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebes sind der Betrieb insgesamt (Fläche + Stall), die bewirtschaftete 132 Acta agriculturae Slovenica, 87 - 1, april 2006 Betriebsfläche und der Schlag. Die Wahl der Bezugsebene wird weitgehend von der Zielsetzung der Bilanzierung bestimmt. Der resultierende Saldo wird aus Gründen der Vergleichbarkeit generell auf die bewirtschaftete Fläche (landwirtschaftlich genutzte Fläche minus ungenutzte Brache) bezogen. Die Qualität der Eingangsdaten kann entsprechend ihrer Fehlerbehaftung und Belegbarkeit in vier Gruppen eingeteilt werden: • belegt: mit Kauf- oder Verkaufsbelege • berechnet: nach feststehenden und nachvollziehbaren Algorithmen anhand von Richtwerten (z.B. symbiotische N-Bindung, Anfall von Wirtschaftsdünger, NH3-Emission) • aufgezeichnet: eigene Datenerfassung des Landwirtes • geschätzt: z.B. Futtererträge, Einsatzmengen an Wirtschaftsdünger Die Düngeverordnung (DüngeVO 1996, 2006) und eine ergänzende Musterverwaltungsvorschrift (1996) enthalten verbindliche Basisdaten zum tierartspezifischen Anfall der Nährstoffausscheidung, zu Nährstoffgehalten in landwirtschaftlichen Produkten und Betriebsmitteln sowie Obergrenzen für die Anrechenbarkeit tierart- und aufstallungsspezifischer unvermeidbarer NH3-Verluste in Stall/Lager und Feld. 3 BILANZIERUNGSFORMEN FÜR DEN LANDWIRTSCHAFTLICHEN BETRIEB Je nach der Bezugsebene unterscheidet man eine gesamtbetriebliche und eine ausschließlich Flächen (Pflanzenbau)- oder Stall (Tierproduktion)-bezogene Nährstoffbilanz (Abbildung 1(1)). '[ Abfuhr I Betriebsbilanz [ Zufuhr |