Ernst Seibert Univerza na Dunaju LITERARIZITÄT - VOM SCHLAGWORT ZUR ANSTRENGUNG DES BEGRIFFS EINE ANNÄHERUNG AN DIE KINDERLITERATUR Wenn eine neue oder überhaupt erstmals wirkliche Literarizität der gegenwärtigen Kinderliteratur über Einzelleistungen hinaus bemerkbar wird, wenn es der gegenwärtigen Kinderliteratur neben unvermeidlichen und offenbar auch notwendigen Kommerzprodukten auf diesem Literatursektor gelungen sein sollte, sich von allen politischen, pädagogischen und antipädagogischen, theologischen, antitheologischen und sonstigen Fremdbestimmungen gegen Ende des Jahrhunderts des Kindes endlich zu befreien, gäbe es Anlaß, sich zu freuen, aber auch Anlaß, diese neue Literarizität begrifflich erst einmal zu erfassen. Wir wollen davon ausgehen, daß es ihr gelungen ist und diese begriffliche Fassung versuchen. 1. Regionalgesch. Bemerkungen Zwei Vorbemerkungen sollen das Feld dieser Arbeit eingrenzen: Es ist von der österreichischen Kinderliteratur-Szene die Rede, es ist davon die Rede, daß die Kinderliteratur-Szene dieses Landes sich von der anderer Länder erheblich unterscheidet und daß ein Hauptgrund für diesen Unterschied der Mangel an Historizität ist. Dieser Vorwurf des Mangels richtet sich weniger oder gar nicht an die Literaten, sondern viel mehr und sehr gewichtig an die Vermittler von Literatur, an die Theoretiker, die Kritiker, die Fachleute. Um Literatur zu interpretieren und nicht nur zu paraphrasieren, hat der oder die Literaturkundige Distanz nötig, auch und vor allem beim Kinderbuch historische Distanz. Diese Distanz ist in besonderer Weise in der österreichischen Kinderbuchszene nicht gegeben oder war es jedenfalls nicht; zu eng ist die Verflechtung von Autorenschaft, Verlagswesen und Kritikerkreisen. Es gilt, auf Mängel hinzuweisen und diese Mängel zu differenzieren: Es herrscht ein Mangel an Aufarbeitung der Geschichte der Kinderliteratur, es herrschte noch bis vor kurzer Zeit ein Mangel an Bereitschaft zur Aufarbeitung dieser Thematik in einschlägigen Institutionen und es wird vermutlich noch längere Zeit ein Mangel an Bereitschaft herrschen, die historischen Aspekte, das Geworden-Sein von Literatur, mit der jeweils aktuellen Gegenwartsliteratur in einen interpretatorischen Zusammenhang zu bringen. 20 Die zentrale Frage der folgenden Überlegungen ist die, was Literaturwissenschaft zum Diskurs über Kinderliteratur als einer in gewissem Sinn ersten Literatur beiträgt und was speziell eine österreichische Literaturwissenschaft zu diesem Diskurs beizutragen hätte. Dabei sind die schon vorgebrachten Vorwürfe gleich um einen weiteren zu ergänzen, den der lange Zeit herrschenden Germanophilie in der österreichischen Literaturwissenschaft, ein Vergessen oder Tabuisieren der österreichischen Literaturgeschichte, eine Haltung der Ahistorizität gegenüber dem eigenen Lande, die sich besonders schmerzhaft, weil anhaltend in den eher als marginal betrachteten Literatursparten des Märchens, der Trivialliteratur und eben auch der Kinderliteratur bemerkbar macht. So konnte der Zeitgeist in diesem Lande als unhistorische Verkürzung des Geistigen auf die Aktualitäten der Gegenwart eine wissenschaftliche Beschäftigung mit Kinderlitatur immer wieder erfolgreich verdrängen. In Umkehrung dieser hier beschriebenen Bangigkeit der Kinderliteratur-Szene gegenüber literaturwissenschaftlichen Methoden ließe sich am Rande überlegen, ob nicht eine integrierende Bestimmung der Literaturgeschichte auch ihr ständiger Versuch ist, sich von Kindheitsgeschichte zu befreien. Die Geschichtsverdrängung eines Landes führt in weiterer Folge zur Literaturverdrängung, und in der bildmedial dominierten Gegenwart wird dabei die Literatur besonders leicht und unauffälig zur Magd der Bildmedien, seien sie aus Hollywood importiert oder im eigenen Lande erzeugt. Das Medium ist die Botschaft, von Beverly-Hills bis Brezina. Als Reaktion darauf geht man in der Kinderliteratur-Szene konsequent daran, in vermeintlich interdisziplinärer Zusammenarbeit sich seines Gegenstandes anzunehmen und wird die interdisziplinäre Forschung zum neuen Spielfeld, das gleichzeitig auch mit einem belastenden Erbe fortschrittsheischender Pädagogik verwechselt wird, dem Prinzip des fächerübergreifenden Unterrichts. Die lerhafte Verwendung des Kinderbuchs, das sich lehrreich und erfolgreich auch im Biologie-, Geographie- und Geschichtsunterricht einsetzen läßt, aus dem sich erfolgreich und lehrreich die letzten Quäntchen humaner Hoffnung in dieser Welt herauspressen lassen, hat mit Interdisziplinarität nichts zu tun. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist zunächst nur eine angestrebte und bleibt es so lange, so lange man über einen Literaturbegriff nicht ins reine gekommen ist, mit dem sich methodisch sehr unterschiedlich arbeitende Wissenschaften zumindest scheinbar verständigen könnten. Um also nicht mit allzuviel Euphemismus an neue Aufgaben heranzugehen, erscheinen Prüfungen und Selbstprüfungen angebracht. Die österreichische Erziehungsgeschichte hat deutliche Spuren einer Anpassungspädagogik bis in die Gegenwart hinterlassen. Sei es, daß die österreichische Pädagogik als wissenschaftliche Disziplin dieser Anpassungspädagogik schon auf die Schliche gekommen ist, die Literaturwissenschaft ist es noch nicht, weil die historische Kinderliteratur, in der sich diese Anpassungspädagogik widerspiegelt, ihrer Entdeckung noch harrt. Daß sich die gegenwärtigen Literaturpädagogen dennoch dieser Anpassungspädagogik entkommen sehen, ist einer dieser Euphemismen, deren Begründung oder Verwerfung im interdisziplinären Raum noch ausstehen. Ebenso unerforscht ist die einschlägige Institutionengeschichte, die der Kinderbuch-Verlage und die der Institutionen, die seit 21 ihrer Gründung in den ersten Nachkriegsjahren und bis in die Gegenwart mit großem Engagement für die Sache aber oft auch gegeneinander gearbeitet haben und mit Volldampf in manche Neben- und Sackgassen geraten sind. Es ist etwa zu fragen, ob nicht im Sinne eines Literarizität heischenden Literaturbegriffs die Praxis, Literatur in themenorientierten Listen zusammenzufassen, in Frage zu stellen ist, und ob nicht das enorme Maß der damit verbundenen Arbeitskapazitäten besser verwendet werden könnte. 2. Wissenschaftskundliche Bemerkungen Interdisziplinarität, wenn sie tatsächlich angestrebt ist, erfordert eine bestimmung der Disziplinen im Hinblick auf eine solche Zusammenarbeit und erfordert wohl im erhöhtem Maße Disziplin, Disziplin allerdings, die Kreativität miteinschließt, disziplinierte Kreativität, wenn das möglich ist. Das kommt zu dem ohnehin bestehenden verstärkten Legitimationsdruck hinzu, dem die Kinderliteratur-Wissenschafter in den einzelnen Disziplinen zumindest in Österreich immer noch ausgesetzt sind. Die Aufgabe für den Literaturwissenschafter angesichts einer quantitativ und qualitativ sich ausbreitenden Kinderliteratur besteht darin, jene literarischen Momente dieser Literatur voran- und vorzustellen, die sie mit den literarischen Ansprüchen der Gegenwartsliteratur vergleichar macht. Ein auf diese Aufgabe bezogener Literaturbegriff kann sich nicht mehr mit der Überwindung des „cultural lag" durch die Kinderliteratur begnügen, der etwa in den Themenlisten bis in die Gegenwart fortwirk. Wenn Barbara Frischmuth 1985 in ihrer ,Amoralischen Kinderklapper" auf die „Moralische Kinderklapper" des J. Karl August Musäus aus dem Jahre 1794 repliziert, ist das nur ein augenfälliges Beispiel literarhistorisch produktiver Momente in der Kinderliteratur, die auch in weniger augenfälligen Beispielen gesehen werden sollten. 2.1 Zur Ontologie der Kinderliteratur Diese Art des Replizierens von Literatur auf Literatur, das nebenher bemerkt in Kinderliteratur-Kritiken kaum einmal zur Sprache kommt, sollte als bestimmnendes Moment eines Literaturbegriffes gesehen werden. In einem weiteren Sinne ist davon auszugehen, daß anspruchsvolle Literatur ihre eigene Methode reflektiert und Kinderliteratur vielleicht in verstärktem Maße dieses Reflektieren auch zu ihrem Gegenstand macht. Wo sie das nicht tut, setzt sich Literatur und in einem erhöhten Sinne die Kinderliteratur der Gefahr des schlechten Imitierens aus. Wo sie es tut, erhebt sie den Anspruch auf onto-logische Funktion. Bestehende literarische Konstruktionen, Kinderbücher, die zum literarischen Allgemeingut gehören, werden durch ein neues Kinderbuch rekonstruiert und in ihrer Konstruktion überprüft. Gegenüber dieser Art kritischer Rekonstruktion, Imitation in einem besseren Sinne oder, mit Heinrich Boll zu sprechen, Fortschreiben der Literatur, steht bei der Betrachtung von Kinderliteratur zumeist die Imagination und die 22 Fiktionalität im Vordergrund der Kinderliteratur-Kritik. Derartige Kritik reduziert sich auf den Inhalt, das Thema und übersieht eben den ontologischen Anspruch auf erneute und sich auf frühere Literatur beziehende und Literatur eben stets erneuernde Literatur mit dem Anspruch auf Welterklärung und Weltdeutung. Allerdings bleibt zu fragen, wie sehr dieser Anspruch tatsächlich gegeben ist, von Nöstlinger-Hits wieder bis Brezina. 2.2 Zur Genealogie der Kinderliteratur Die Kinderliteratur hat ihre Wurzeln in jenen literarischen Sphären, die abseits der sogenannten Hochliteratur schon seit Jahrhunderten einen didaktischen Kanon bilden: in den „einfachen Formen", der „schwarzen Pädagogik" und den „Klassikern" der Kinderliteratur, sicher nicht in der Trivialliteratur. Es hat sich bis in die Gegenwart verhängnisvoll der Usus eingebürgert, sozusagen aus rhetorisch-rhythmischen Gründen Hochliteratur und Kinderliteratur in ein kontradiktorisches Verhältnis zu bringen, ohne zu sehen, daß auch die Hochliteratur Anleihen aus dem genannten didaktischen Kanon nimmt und daß Kinderliteratur eben nur ihre Wurzeln darin hat, sich aber durchaus darüber zu erheben vermag. Der oben genannte didaktische Kanon bedarf einer etwas näheren Erläuterung. Unbestritten ist der didaktische Anspruch der „schwarzen Pädagogik", deren disziplinierender Anspruch sich in pädagogischen und gleichzeitig auch literarischen Gewaltakten manifestiert: „Konrad, sprach die Frau Mama, ...". In historisierender Sicht wäre immer wieder zu überlegen, wie weit sich diese Art didaktisch-literarischer Tradition bis in die Gegenwart erhalten hat. Unbestritten ist aber auch der erzieherische und ebenfalls didaktische Gehalt der „einfachen Formen", des Märchens, der Sage, der Legende, als einer poetischen Volksaufklärung aus den Wurzeln des Mythos, die gleichermaßen für Kinder und Erwachsene bestimmt ist. Schließlich sind aber auch die „Klassiker" der Kinderliteratur keineswegs nur Unterhaltungsliteratur, sind gewiß nicht nur auf das Horazische delectare zu reduzieren, sondern enthalten je für sich eine Summe erzieherischer Gehalte. Das Horazische prodesse ist ganz offensichtlich bei den Urvätern der Kinder-litertur-Klassiker, Defoe und Swift gegeben, die ähnlich wie die Volksbücher oder Münchhausen zunächst für Erwachsene gedacht waren und, nach der Theorie von Hazard, von den lesenden Kindern allmählich okkupiert wurden. In dieser Tradition stehen die Werke von Collodi und Spyri bis Kästner und Lindgren mit ihrer jeweils national-originären literarischen Thematisierung von Erziehungsgedanken und gleichzeitig durchgehender Gestaltung eines kindlichen Rebellen-Motivs. Daß in der Tradierung dieses relativ geschlossenen literarischen Ensambles bis in die Niederungen von Disney-Land und epigonaler Fernsehserien die Geschlossenheit sich verstärkt aber das RebellenMotiv jeweils umgekehrt wird zur Gestaltung des lieblichen Kindes, sei nur am Rande erwähnt und ebenfalls der Umstand, daß Österreich eines der wenigen Länder ist, die keinen vergleichbaren Kinderliteratur-Klassiker aufzuwarten hat. Die in der Kinderliteratur-Szene verbreitete Weigerung, sich dem Gebrauch des Terminus didaktische Literatur anzuschließen erklärt sich gewiß 23 daraus, daß damit einer Verwechslung mit der Didaktik als Theorie, als Wissenschaft Vorschub geleistet wird. Deswegen sei hier die begrifflich sehr eindeutige Differenzierung von wissenschaftlich-didaktischer und ästhetischdidaktischer Literatur vorgeschlagen und als Orientierung der KinderliteraturTheorie erneut zur Reflexion ihres Literaturbegriffes zugrunde gelegt. Nochmals sollte dabei jedoch verdeutlicht werden, daß ästhetisch-didaktische Literatur im Gegensatz zur wissenschaftlich-didaktischen Literatur nicht nur final, also für einen bestimmten Zweck verfaßt wird, sondern auch ihre kausalen Momente hat: Ihr Grund in einem weiteren Sinne ist der literarische, die ästhetische Literatur schlechthin, auf die sie sich immer wieder bezieht und als anspruchsvolle, um Literarizität bemühte Literatur auch zu beziehen hat. 2.3 Zur Poetologie der Kinderliteratur Zur Festigung des vermeintlichen Widerspruchs zwischen Hoch- und Kinderliteratur hat gewiß die Schulpraxis beigetragen, in der hohe Literatur doziert wird und Kinderliteratur, wenn überhaupt, dann zu Unterhaltungszwecken zugelassen wird. In jüngster Zeit hat sich die Idee von einem „erweiterten Literaturbegriff' eingebürgert mit dessen Hilfe manche Germanisten eher geneigt sind, den Elfenbeinturm der Hochliteratur zu verlassen und etwa auch Kinderliteratur, wenn auch nur zweckbestimmt, zur Kenntnis zu nehmen. Wenn sich die Kinderbuch-Szene diesem Dilemma angepaßt hat und verstärkt dem Usüs folgt, Kinderliteratur themenorientiert aufzulisten, so ist sie allerdings selbst für das Ghetto verantwortlich, das sie immer wieder beklagen zu müssen vermeint. Kinderliteratur erscheint darin auch nicht als Literatur, sondern als eine geordnete Ansammlung von Büchern, Kinderbüchern eben. In Anknüpfung an die obigen Überlegungen zum Literaturbegriff sei festgehalten, daß dem Begriff Kinderbuch vorrangig das finale Moment angehört, die Zweckbestimmtheit; Kinderliteratur hingegen ist kausal bestimmt in einem erweiterten Begriff der Kausalität, des Grundes: Kinderliteratur entsteht aus den Gründen, aus denen Literatur entsteht, aus den Gründen einer stets neue Anstrengung erfordernden Welterklärung und Weltdeutung. Kinderliteratur hat in erster Linie nicht die Aufgabe, ein Thema zu behandeln, sondern hat in erster Linie die Aufgabe zu zeigen, was Literatur ist. Es ist auch gar nicht die oft zum ethischen Kriterium erhobene Frage entscheidend, ob die Nöstlinger oder der Brezina die Kinder, für die sie schreiben, ihr Publikum also, auch mögen und verstehen, sondern die Frage, ob sie die Literatur mögen und verstehen. Gegenüber einer Poetologie der Altersrubrizierung, die auch wieder in ähnliche Sackgassen führt, wie die Themenrubrizierung, und die hier gar nicht problematisiert werden soll, ist erneut der Versuch einer literarischen Bestimmung der Kinderliteratur vorzuschlagen, die sich an die vorgetragenen genealogischen und ontologischen Momente anschließt. Kinderliteratur als eine in gewissem Sinn erste Literatur entsteht aus den magischen und mythischen Momenten in der Literatur. Der Hinweis auf die 24 Bannkraft von Kindersprüchen, auf das kindliche Bedürfnis nach wortgetreuer Wiederholung von Erzählungen, nach der Gegenwart omnipotenter Heldenfiguren möge als Begründung für die Präsenz des Mythischen in der Kinderliteratur ausreichen. Gleich vorweg ist zu sagen, daß die Präsenz des Mythischen nicht altersgebunden ist und selbstverständlich auch nicht gattungsgebunden; auch über die Pubertät hinaus Gereifte verehren ihre Helden, vertiefen sich in die Lektüre von Fantasy-Romanen und die Bildmedien tragen das Ihre dazu bei. Allerdings ist davon auszugehen, daß das Mythische in der Kinderliteratur stärker präsent ist, als in aller anderen Literatur. Keineswegs beschränkt auf Kinderliteratur ist die Brechung des Mythischen in der Parodie, in der das Mißverhältnis von mythischer und wirklicher Welt erkennbar wird. Von Nestroys Wagner-Parodien und weiter zurück bis Sklenitzkas Märchen- und Sagen-Parodien entfaltet sich insbesondere in diesem Formenspektrum eine Literatur, die auf vorangehende angewiesen ist. Sie richtet sich gegen die Überbewertung oder auch Wertentfremdung der mytho-genen Literatur, ist also als antimythogen zu bezeichnen und ist in der gegenwärtigen Kinderliteratur im historischen Vergleich vermutlich stärker präsent als je zuvor und auch stärker präsent als sonst in der Literatur. Eine besondere Spielart ist die fantastische Erzählung, zu deren Entstehung zu einem guten Teil österreichische Literatinnen beigetragen haben. Ein drittes Formenspektrum umschließt realistische Gestaltungen, die weder das Numinos-Irrationale noch eine mit dem Irrationalen spielende Gegenwelt zum Gegenstand haben, deren Handlungsführung also logisch aufgebaut und logisch nachvollziebar ist. Auch diese als logozentrisch zu bezeichnende Gestaltungsweise kann in eigener Weise wieder ironisch gebrochen werden, wobei durch genauere Analysen jeweils zu überlegen ist, inwiefern sich hier tatsächlich ein eigenes viertes Gestaltungsmuster konstruieren läßt, das als antilogozentrisch zu bezeichnen wäre und wieder Ähnlichkeiten mit dem mythogenen Formschema aufweist. irreal real magisch rational mythogen antimythogen Märchen fantastische Erz. Sage 1 2 antilogozentrisch logozentrisch science fiction realsit. Erz. historische Erz. Abenteuererzählung 4 3 Das aus diesen Überlegungen sich ergebende Formenschema weist in seiner vier Paradigmen gewisse Korrespondenzen auf, die im folgenden nochmals dargestellt und mit Konsequenzen für die literarische Kritik ergänzt werden sollen. 25 *) Das Mythogene ist eine Umschreibung für die „einfachen Formen", die gleichzeitig deren Fortwirken bis in die Gegenwartslitertur bezeichnet (Beispiel: Vera Ferra-Mikura ,JDer Teppich der schönen Träume). Irreales und Reales bestehen darin problemlos nebeneinander, das Numinose erweckt bei den von ihm betroffenen Figuren kein Staunen. *) Das Antimythogene ist insbesondere in der Ausprägung der fantastischen Erzälung (Beispiel: Erica Lilleg „Vevi") eine relativ klar definierbare Erzählhaltung, in der sehr streng und dramaturgisch bewußt zwischen realen und nur realen Personen einerseits und solchen, denen das Irreale zugänglich ist, die es aber in ihrem realen Leben nicht vermitteln können, unterschieden wird. *) Im logozentrischen Paradigma (Beispiel: Karl Bruckner „Giovanna und der Sumpf") erfolgt die weiteste Entfernung vom Paradigma des Mythogenen, es verhält sich im logischen Sinn kontradiktorisch. Die Figuren erscheinen authentisch, realitätsbezogen und sind in ihren Gedanken rational motiviert. Leben, Erleben und Überleben (Abenteuererzählung) sind so gestaltet, daß die Glaubwürdigkeit nicht erst betont werden muß, sondern von vorneherein feststeht. Aus diesem Paradigma oder Formtypus, der besonders in der Erzählliteratur des 19. Jh. s ausgestaltet wird, entwickelt sich als eine junge und gänzlich neue, weil traditionsbezogen noch nicht so eingebettete Erzählhaltung ein weiteres Paradigma: *) Die antilogozentrische Erzählhaltung (Beispiel: Marianne Gruber „Esras abenteuerliche Reise auf den blauen Planeten") beginnt in einem rationalen Erzählhorizont und bleibt diesem auch verpflichtet, jedoch wird die reale Ausgangssituation dadurch gebrochen, daß das Irreale als Utopisches zur Sprache kommt, als ein noch nicht Reales aber vielleicht einmal Denkbares. Aus diesem Ansatz zu einer Metapoetik der Kinderliteratur lassen sich, wie schon angedeutet, formengeschichtliche Zusammenhänge rekonstruieren, in denen das Formbewußtsein der Literaten, ihr bewußtes Gestalten eines Paradigmas oder eines Paradigmenwechsels, erkennbar wird, deren Werke zu einem festen Kanon einer Kinderliteratur-Geschichte geworden sind. Anderseits wird erkennbar, daß triviale Kinderliteratur sich in seiner Trivialität u. a. dadurch ausweist, daß sie dieses Formenschema in beliebiger Weise durchkreuzt, von allem ein Bißchen sein möchte und damit aus jeder Zuordnung herausfällt. Endlos-Abenteuergeschichten, in denen omnipotente Kinderhelden unbegrenzt viele Abenteuer erfolgreich bestehen, entsprechen weder dem mythogenen noch dem logozentrischen Paradigma, sind aber durch dieses Nicht-Entsprechen auch in keiner Weise innovativ, sondern einfach vergeßlich, was die Rücksichtnahme auf literarische Formen betrifft und geraten dadurch meist auch nach kurzer Zeit in Vergessenheit. In dem Maße, in dem sich diese Formvergessenheit in der Kinderliteratur breitmacht, ist allerdings auch ihr Wirkungspotential zu bedenken. „Wirkung von Lektüre", wovon früher viel die Rede war, sollte in der künftigen Kinderbuchforschung nicht nur in thematischer, sondern auch in formengeschichtlicher Hinsicht von Interesse sein. Literarizität erweist sich als eine formbewußte Bedachtnahme auf die hier in Paradigmen zusammengefaßten literarischen Traditionen. 26 Povzetek Literarnost - od parole do izpraznjenosti pojma Proti koncu dvajsetega stoletja se je mladinski literaturi uspelo iztrgati političnim, pedagoškim, protipedagoškim, teološkim, protiteološkim in drugim zunajliterarnim vplivom, kar nam daje možnost, da končno definiramo njeno literarnost. Najprej je seveda treba poudariti, da v pričujočem spisu govorimo o avstrijski mladinski književnosti, ki kaže v primerjavi z mladinsko literaturo drugih dežel nekatere tipične značilnosti. Glavni razlog za to je brez dvoma pomanjkanje histo-ričnosti, česar seveda ne gre očitati njenim avtorjem, ampak v večji meri tistim, ki jo posredujejo, teoretikom, kritikom in strokovnjakom. Da bi lahko literaturo interpretirali, je potrebna literarnoznanstvena in ne nazadnje historična distanca. Te pa v avstrijski mladinski književnosti ni (oz. je vsaj ni bilo), saj so (bili) krogi ljudi, ki so tovrstno literaturo pisali, jo izdajali in o njej kritično pisali, medsebojno preveč prepleteni. Zato v Avstriji skorajda ni obdelana zgodovina mladinske književnosti in do pred kratkim ni bilo institucije, ki bi se strokovno ukvarjala z mladinsko književnostjo. Osrednje vprašanje avtorjevega prispevka velja temu, kaj lahko prispeva literarna veda k razmišljanju o mladinski književnosti, in posebej, kaj je k temu diskurzu prispevala avstrijska literarna veda. V tej zvezi je treba omeniti germanofilijo v avstrijski literarni vedi, ki je privedla do .pozabljanja' ali tabuiziranja avstrijske literarne zgodovine, kar se posebej boleče kaže pri opazovanju ,obrobnejših' literarnih vrst, npr. pravljice, trivialne literature in seveda mladinske literature. Posledica potiskanja zgodovine iz zavesti neke dežele je povezana z enako usodo literature. To pa v današnjem času omogoča, da postaja literatura počasi in neopazno dekla slikovnih medijev, domačih ali tistih, ki prihajajo iz Hollywooda. Reakcije na to stanje vodijo v okviru mladinski književnosti naklonjenih krogov konsekventno v smeri interdisciplinarnega zavzemanja za otroško in mladinsko literaturo. To pa se pogosto zamenjuje s ponovno pedagogizacijo tega literarnega žanra, kar v okviru sodobne pedagogike, ki stremi za stapljanjem (integriranjem) predmetnih področij v okviru šolskega urnika, pomeni spoznanje ,kako koristno in uspešno je mogoče mladinsko literaturo uporabljati pri pouku biologije, zgodovine in geografije', ne da bi se pri tem zavedali, kako s tem za samo mladinsko literaturo izginja še zadnji kanček upanja. To pa z interdisciplinarnostjo nima nikakršne zveze več. Interdisciplinarno proučevanje problema je možno šele tedaj, ko bo dokončno definiran literarni pojem mladinske literature, kar pa lahko stori le literarna veda. Ta se lahko naloge loti samo sistematično, tako da spregovori o ontologiji mladinske literature in se končno neha ustavljati le ob njeni imaginarnosti in fikcio-nalnosti. Razčistiti mora nekatere predsodke v zvezi z nastankom mladinske literature in osvetliti dejstvo, kako sta obe: visoka literatura in mladinska literatura do neke mere povezani s t.i. didaktičnim kanonom, ki ga tvorijo .enostavne forme', črna pedagogika in klasiki mladinske knjževnosti, pri čemer misli avtor z enostavnimi formami na pravljice, sage in legende; slednje pa definira kot poetizirane in za ljudsko rabo (otroke in odrasle) modificirane mite. Literarna veda mora definirati literarni pojem mladinske književnosti, saj postavlja termin mladinska knjiga v ospredje namembnost te literature; mladinska literatura pa v nasprotju s tem nastaja iz istih razlogov, iz katerih nastaja ,prava' literatura, iz zmeraj novih prizadevanj, upovediti in razložiti svoje videnje in razumevanje sveta. V mladinski literaturi ni mogoče prezreti magičnih in mitičnih elementov. Že samo opozorilo na otroško vero v magično moč nekaterih verzov, otroško potrebo po zmeraj novem ponavljanju istih zgodb in obvezna prisotnost vsemogočnih junaških likov so zadosten dokaz za prisotnost mitičnega (tudi) v mladinski literaturi. 27 Vendar je treba poudariti, kako mitično v nobenem drugem tipu literature ni tako močno prisotno kot v mladinski literaturi. K mitogenemu tipu mladinske literature štejemo vse tisto, kar smo v prejšnjem razpravljanju imenovali .enostavne forme' ter tista dela iz sodobne mladinske književnosti, v katerih se realno in irealno soočata brez težav in brez čudenja. Za drugi, antimitogeni tip mladinske literature je značilen prelom mitičnega v parodijo, kar je posebej prisotno v t.i. fantastični pripovedi, tipu mladinske literature, ki ga je mogoče relativno jasno definirati kot pripoved, kjer je mogoče strogo in dramaturško zavestno ločevati med realnimi in samo realnimi osebami na eni strani in tistimi, ki jim je dostopno tudi irealno, - to, česar onim iz realnega življenja ni mogoče ne pojasniti ne dokazati. Za tretji tip mladinske književnosti velja t.i. logocentrična paradigma, kar pomeni največjo možno distanciranost od mitogene paradigme. Literarne osebe v tem tipu literature se zdijo avtentične, njihova dejanja so racionalno motivirana. Življenje, doživljanje in preživetje (npr. v pustolovskem romanu) so oblikovani tako, da njihove verjetnosti ni treba posebej poudarjati, ker je sama po sebi razumljiva. K antilogocentričnemu tipu (npr. Marianne Gruber: Esrovo pustolovsko potovanje na Modri planet) sodijo tiste pripovedi, ki se začenjajo v realnem svetu in v njem tudi ostajajo. Irealno dobi zato funkcijo utopičnega, nečesa, kar ,še ni realno, toda nekega dne verjetno bo'. Iz tega poskusa metapoetike mladinske literature je, kot rečeno, mogoče rekonstruirati nekatere formalnozgodovinske povezave, ki bi pokazale zavestno oblikovanje paradigme ali namerno spreminjanje paradigme pri tistih mladinskih pisateljih, katerih dela tvorijo kanon otroške in mladinske književnosti. Na drugi strani pa se pokaže trivialna književnost v svoji trivialnosti tudi z zelo poljubnim križanjem predlagane formalne sheme, saj želi biti vse po malem in se zato ne da ujeti v nikakršno tipologijo. Neskončne pustolovske zgodbe, v katerih vsemogočni junaki opravijo z vsemi mogočimi preizkušnjami, ne spadajo niti v logocentrično paradigmo. Žaradi te posebnosti pa niso inovativne, ampak, kar zadeva literarno formo, le pozabljive - in zato po zelo kratkem času tudi same utonejo v pozabo. 28