Karodna in uniyerzitetna knjižnica ________________v Ljubljani________________ 76590 1___________ MM ^,,s^u 'j- ".nt'crsti'U^-^nchi^l'kicc N. Will!. ; Jfry!!il>t>i,Il fiir die 3»glnd" bildot, und fiir Welches bereits ciue 3tcihe der berufmsten Mitarbeiter und Triigcr l'eriihmtcr Namen gnvonncn wordn: ist, sind bisher di^ illlchsteheiideii 8 Vänbchen erjchiünen! 1, Vie «ul>!!>n!schrn verge. Vm, Dr. Franz Toula. Mit 1 Titelbild und 1 Karte. Prcic« lnslralio,ien. Preis <« Nrbc'nln»d«r. Von Georg V. G^urlovicö. Nlit 4 IlluslmKmx-,!. PrciS 80 lr. «.Die afllknnische» Nr>zichst fllr die Jugend berechnet und deshalb cine faßliche, Phauiasic inid Gnuülh ainegcn^e TnvstellüüMvnse grwälflt, l d« Ä>l'lls> Vürsscr- und Nültl'lschül!!! an dirseu Bii„dchen eine werthvollc Vcreichenimi gswinilcü. Jedes Heft »vird ri»ic>n al,ge,zcl>t»» u»d l'üdel ri» fiir >',ch «l>. ylschlosstne? V«»zrB. Wien, September 1379. Die Dcrl na ? I? n 11 d 1 un c; Älfreä ä)üläer. Anllcht von Mostar. ZNmetl und öie A e b e n l ä n ö e r. Schilderungen kand «nd 0tute« zwischen der Donau und Ver Adria. -LDUAŠKA KNJ1ŽMICA Kr. drzavn.a rea!!^; = LJU^LJAN^ Geory v. Gl,!trkovics. Mi» vier Illustrationen, wirn, 1879. Alfred tjölder, k. k. tzüs. und KnilicisiliN«.Buchhändler, RoteitturmstraL« 15. 76590 All« N«ch»r voibehllNen. I nyalt. Seite 1. 3n «!er s»erzcqowina................ 1 Von Metkovics nach Mostar.......... 3 Klosterlcben................. 5 Mostar................... 13 Heldenlieder................. 16 3. «»6 5..rajt»»).................. 21 Mohann'danische Trachten uno Sitten...... 22 ÄcMN'crliältmssl?............... 28 Omographischem und Historisches über Bosnien . , . 31 Das 7vmniliettrecht (Tadrnga).......... 43 Sarajewo ,................. 51 Tic Franziskaner nno Trapisten........ 59 Dio bosnische Rajah.............. ttL Volkstiinllichc Anekdoten............ 72 Die spanischen Inoc»............. 79 H. Dus,f> ,iRunten«nro.................. 83 Von Cattaro nach Cetinje........... 84 Cclilljc und der fürstliche Hof ......... 88 Podgoriza und Antwari............ 96 Eine volkstümliche Erzahlunci.......... 100 — IV — Seite H. Ou «lec lialmulinis^en ^lnste............1l)5 Die Bocche di Cattaro ............107 Ragusa und Tpalato............,110 5. Flu» §cc!),cn un,l Ällserbicn.............118 Belgrad...................110 Serbische Trachten.....-........12<> Das Wohnhaus und der Schlchpatron......132 Die Eage umn itraljemcs Marko........13'^ Das An,selftld................147 Die Albanesen................150 Der Sandschat uou Nowibasar.........ltt4 l. In der Herzegowina. Wer von Dalmatien nach Mostar, der Hauptstadt der Herzegowina, will, thut am besten, einen der kleinen Dampfer zu benutzen, welche die Küsteufahrt nach der Na-rcntamündnng besorgen, denn diese ist im Süden das große offene Thor der Herzegowina. Am Naro, so nannten die Alten die Narcnta, hatten die No'iner eine große Handelsstadt Naronn gegründet und die Ufergelände des Naro bildeten die Getreidekammer des alten Illyriens. Heute dehnt sich zwischen Fort Opus nnd Potfchitelj, in Form eines langgestreckten Kreuzcö, eine öde, ficberische Tnmpffläche aus, die über fünf Qnadratmeilen beträgt. Nach dem Austritte aus dem DeM von Potschiteli, schleicht die Nareuta in stets sich verändernden Windungen dem Meere zn und Tandbänke verwehren jedem größeren Fahrzeuge den Eintritt in die Mündung. Die Narenta soll in den nächsten Jahren reguliert werden nnd dann dürsten, ebenso wie vor Jahrhunderten, zwischen Metkowics nnd dem Fort Opus unabsehbare Reis- uud Kornfelder eutsteheu, zahlreiche Äoote von der Aoria bis gegen Mostar hinauf ver-lehren — zum Gedeihen Dalmatieus und der Herzegowina. V. Gl>uiloricö, Bosnirn und bic ^'ebenlänber. 1 — 2 — Auch ist viel von einer Eisenbahn die Nede, welche qner durch Bosnien führen, nämlich bei Brod an der Save beginnen, Sarajewo, Mostar berühren nnd an der neuen Narentainündung enden soll. Wo vor Jahrhunderten die Narentiner Seeräuber ihr Unwesen trieben und wo jetzt nur Elend und Fieber herrschen, werden vielleicht schon zn Ende unseres Jahrhunderts Zufriedenheit und Wol-hnbenheit ihren Segen verbreiten. . . Auf dieser Strecke möge Pop Sawa, der Typus cines griechisch-orientalischen Geistlichen aus der Herzegowina, nnser Begleiter sein, denn anch sein Weg führt ihn gegen Mostar. Er will ans einige Wochen anßer ^and und da reitet er nach dem Kloster von Schitomis-lics, um sich bei den dortigen Mönchen einen Pfcnruer-weser zn holen. Pop «Pfarrer) Sawa ist ein sehr einfacher, aber auch ein sehr freundlicher Mann. Er liebt nicht die Gelehrsamkeit: ja man behauptet sogar, oasö ihm, wenn auch nicht das ^esen, so doch das Schreiben einige Schwierigkeiten bereite. Dafür ist er voll Mutterwitz und gesnudem Menschenverstand. Wie ein echter Naturmensch, der von Büchern und Schnle gar wenig weiß, aber sich dafür die Instinctc der menschlichen Natur um so ungebrochener bewahrt hat, weiß er für jedes Ding, für jedes Ereignis das richtige Wort zu brauchen. Fehlt'o iu seinem Sprachschatze an den nötigen Gedanken, so hat e'r rasch ein nationales Sprichwort oder sonst ein in seiner Heimat übliches geflügeltes Wort bei der Hand. Seinen graugcmischlen Bart, wie seine tief über die Schultern herab-reichenden Haare weiß er mit besonderer Würde zu tragen, wenn ihm ein Ehristenmcnsch, besonders seines Glaubens, — 3 — begegnet. Dann kommen alle salbungsvollen Sprüche und Tröstungen an die Reihe und mit hoch erhobener, segnender Hand entlässt dann Pop S awa sein Pfarrtiud. l^r ist ein lammsfrommer Mann, so lange man ihm nicht uon dem vorgesetzten Bischof spricht, der ein Phanariote, nämlich ein Grieche, ist und seine einträgliche Stelle mehr dazu benutzen soll, seinen Sack zu füllen, als das Heil seiner Herde ;n befördern. Auch würde Pop Sawa ein wilder Mann werden, wenn sich jemand unterfinge seilte Nationalität oder gar seinen Glauben zu beleidigen. Er ist ein Mann, der weder Geld, noch Bildung, noch andere Glücksgüter, aber dafür um so mehr Kiuder und Sorgen hat; es ist also kein Wunder, wcun er, gleich jedem Herzegowiner, seineu Idealismus im Glauben uud dem uationalen Bewusstsein sucht. Darnm hasst er nichts so sehr als den Mohammedaner nnd ganz besonders den Os> manen, weil dieser über vierhundert Jahre seine Heimat und sein Volk bedrückt, gepeinigt und ansgesogcn hat. Jetzt schöpft Pop Sawa wieder einige Zuversicht, denu er wciß, dass der „Osmanlija" nicht mehr in die Herzegowina zurückkehren wird. Wolgemut und freundlich wic er ist, möge er uns auf der Reise das berichten, was er selbst von seiner Heimat weiß. . . Der kürzeste Weg vom adriatischeu Meere nach Mostar führt am rechten Ufcr dcr ^arenta und in ctwa zel>n Rcitstnnoeu nach der Hauptstadt der Herzegowina. Man verlässt bei dem dalmatinischen Städtchen Mettowks dic Grenze, lässt das armselige Dörfchen Wido, wo einst die reiche römische Handelsstadt Naroua staud, lints beiseite und betritt bei Gabcla das Gebiet der Herzegowina. 1* __ ^. __ Stara- oder Alt^Gabela ist eine alte veuetianische Gründung mit einem halben Hundert Häusern, in denen zumeist Christen wohnen. Der Ort ist von einer verfallenen Mauer mit eben solchen Türmen umgeben. Wie bei Metkowics so herrscht auch bei Gabela das Tmnpffieber. Dic fcuchtschwüleLuft nnd die lästigen Insecten nach Sonucnnntcrgang sind cine wahre Pein für jeden Reisenden; nur die glotzigen Büffel fühleu sich in den seichten Lachen der Narenta-Niederung wol. Wenn mau den von links kommende» Trebischat-Äach überschritten hat, wird der Neg am rechten Narcnta-Ufer ;um Saumweg, während die nach Mostar führende Fahrstraße am jenseitigen Ufer etwas abseits des Flusses angelegt ist. Die Wagen und größeren Transporte, welche nach der Residenz der Herzegowina wollen, benutzen die Fahrstraße; dagegen wird der Saumweg, hart am rechten Ufer der Nareuta, am liebsten von einzelnen Reisenden benutzt, weil er die kürzeste Linie von der Adria nach Mostar bildet und durch den fortwährenden Wechsel der Landschaft den Reiter bei guter Lanne und steter Aufmerksamkeit erhält. hinter den zerstreuten Gehöften von Tschaplina betreten wir einen romantischen Engvass, welcher dnrch die steilen Abfälle des Zuljeniza- und Dubrawe-Gebira.es gebildet wird und dritthalb Stnnden lang ist. Stellenweise erscheint der Weg nur mit Mühe den Fclchängen abgerungen. Nenn die Narenta zur Regenzeit an schwillt, überströmt sie den schmalen Pfad nnd dann müssen die 'Reisenden von Mostar ihre Route entweder über Ljnbuschki, Klek oder Trcbinje nach den dalmatinischen Näfen nehmen. Die -Xarcntaschlucht nördlich Potschitelj — 5 — ist öde und verlassen. Nur ab und zu gewahrten wir eine unbewohnte Hütte, in der Hirten oder Hol;schläger Zuflucht suchen. Bald ritten wir an schaltigen Wäldern, bald an knorrigem Eichengestrüpft vorüber; oft lag ein Baumstamm querüber auf dem Wege oder das Pferd schritt vorsichtig über eine zu Tage getretene armdicke Wurzel hinweg. Zu uuserer Rechten eilte noch immer die Narenta vorüber, bald tosend und brausend, bald spiegelglatt das Waldesgrün oder das. sonnige Alan des Himmels wiedergebend. „?0nio2 NoZ" (Hclf Gott), rief uns der Reisende zu, wenn er ein Najah wav, „8elaiu klik^um", wenn er zu den stolzen Trägern des Turbans gehörte. Wir eilten an einander vorbei, als ob es nicht recht geheuer wäre, den Weg an der Narenta zu wandeln; die sich begegnet hatten, sahen sich noch einmal nach einander um — wer weiß, ob der andere nicht eine Pistole zieht nnd einen Raubmord versucht. Am südlichen Eingänge der Narcntaschlncht hält die alte Bnrg von Potschitelj bei dem gleichnamigen Orte die Wache; am nördlichen Ausgangc predigt das große Kloster Tchitomislitsch mit seinen Kalndjern (Mönchen) der griechisch-orthodoxen Bevölkerung den Frieden und die Entsagung. Hier wollen wir ein wenig Nast machen uud uns bei dcu freundlichen Mönchen nach dem herzcgowinischen Alosterleben erkundigen. . . . Wenn in früheren Zeiten ein Dorf oder einige Klostermöuchc in der Herzegowina eine Kirche ohne Er-lanbniö des Veziers von Mostar erbauten, so hatte dieser das Nccht, sich zwölf Dorfbewohner oder eben so viele Mönche auszuwählen und diese glattweg um einen Kopf — 6 — kürzer machen zu lassen. In den meisten Fällen snchten daher die frommen Christen ans dem Wege der Unterhandlung mit dein Ve;ier die Erlaubnis zum Kirchenban zu erhalten. Znerst mnsste man im Konak (Regierungsgebäude) darüber einig werden, wie hoch, lang und breit die Kirche sein sollte, und wie viel dic betheiligte Bevölkerung oder die Mönche dem Vezier in Mostar zahlen sollten. Es wurde eine Schrift mit der genanen Angabe der Dimensionen der Kirche aufgesetzt, und wenn diese der Verabredung gemäß vollendet war, nämlich der Vesier für jede Elle der Kirchcnlänge fünfzehn Dukaten erhalten hatte, wnrde den Dorfbewohnern oder Mönchen ein Ferman ausgestellt, der ihnen die Benützung des Gotteshauses gestattete. Mit der Höhe und Breite der Kirche wurde der Pascha allerdings nicht selten hintergangen. Da beides von der Erdoberfläche an gemessen wnrde, so legten die Christen die 3ohle des Kirchenschiffes, einige Ellen tief, nnter den natürlichen Erdboden, so dass man von der Kircheupforte einige Tlufen in das Innere herabsteigen musste, wie dies ;. B. bei der Klosterkirche von Dusche und der griechischen Pfarrkirche in Mostar der Ml ist. Aber mit dcr Vänge der Kirche war der Abgesandte des Paschas, welcher den vollendeten Ban zn bcsichtigcn hatte, nicht leicht zu hintergehen. Im Gegentheile, wenn der Abgesandte von dem Vanherrn weniger znm (^cscheuke erhielt, als er erwartet hatte, dann behauptete er gerne, dass der Arschin Mlc) des Vezicrs viel kürzer sei, als jener der Christen, nnd darans folgte ganz naturgemäß, dass die Kirche in jeder Ausdehnung __ 7 __ zu groß ausgefallen sei. Die Rajah oder die Mönche nieinten dann, dass sie für das falsche Maß der dalmatinischen Maurer nichts dafür könnten; im übrigen versprachen sie aber dem Abgesandten des Gouverneurs ein schönes Geschenk, sobald er ihnen den Ferman ausgefolgt haben würde. Und am Ende konnte selbst dem Propheten der Rechtgläubigen nicht viel daran liegen, ob die Kirche der Giaurs um eine Elle zu lang oder zu kurz war, wenn nnr der Vezier nnd sein Abgesandter ihr Sümmchen eingestrichen hatten. Die meisten Klöster und Kirchen in der Herzegowina sind von einer Ringmauer umgeben. Znr Verteidigung ist diese mit Tchießscharten versehen, nnd ihre Zinnen bestehen ans trocken gemauerten, eine oder zwei Ellen hohen Aufsätzen, welche mit großem Geftolter herabstürzen würden, sobald Jemand nächtlicherweile über die Mauer in den Hof dringen wollte. Das sogenannte Hauptthor in der >tlostermauer ist in den meisten Fällen nur ein schmales Thürchcn — gerade breit genug, einem einzigen Manne den Durchlass ;n gewähren. Ein Pferd käme nicht durch diese Thüre, und der Volksmund behanptet: dass das Klosterthor darum so schmal sci, weil es den Mönchen weit billiger käme, einen hungrigen Türken mit Rahm nud Honig, als dessen Pferd mit Hen nud Hafer satt zu füttern. Die Fenster des Klosters sind schr niedrig und schmal, kaum dass der neugierige Mönch den Kopf durchstecken, aber sich dafür nm desto sicherer hinter demselben gcgen einen Überfall verteidigen kann. Nicht minder ärmlich sieht es im Innern einer Klosterkirche aus. In der Mitte hängt statt des in griechischen — 8 — Kirchen üblichen Armleuchters ein mächtiger Reif mit einein I V2 Meter betragenden Durchmesser herab, an dessen Umfange auf Holztafeln gemalte Heilige, Marien und Engel befestigt sind. Dieser Reif heißt das „Rad der Muttergottes" und ist der gefürchtetste Ort in der gangen Kirche. Nur der Geistliche darf während der Messe unter ihm hinwegschreiten nnd au dieser Stelle werden nur die heiligsten nnd folgenschwersten Eide geschworen. Das Rad im Kloster von Kosjerowo ist weit und breit so sehr berühmt, dass Leute aus Montenegro wie ans den Vocche di Eattaro dahiutommen, um irgend einen unverbrüchlichen, wichtigen Eid ;u leisccu. Trotz des Hati Humajum (Befehl des Tultaus) vom ^ahre 1856, nach welchem Rechtsgleichheit und Gewissensfreiheit unter dem Halbmonde herrschen solltcu, durfte tciues der Kloster in der Herzegowina eine Glocke aufhängen oder gar läuten. Au deren Ttclle diente eiu vor dcm Kloster aufgehängtes Brett, auf das der Messner mit einem Hammer einige Minuten lang klopfen musste, weuu er zum Gottesdienst rufen wollte. Es ist nicht so lauge her, dass cs weder in Bosnien noch iu dcr Herzegowina volkstümliche christliche Schulen gab; der Ra^ah t'ouute also seiueu Sohn, wenn dieser leseu uud schreiben lernen sollte, nur ius Kloster zu den Mönchen in die Lehre sendeu. Und weil der Ehrisleu-juuge unter den Türtcn wcder Officier noch Äcamter werden dürfte, so konnte: Pfarrer odcr Mönch zu werden, das einzige Ziel seiner ehrgeizigen Wünsche sein. Da die griechischen Orthodoxen erst seit kurzem ciuige Volksschulen habcu, so lernte der ins Kloster eingetretene Djat (3chnler) __ 9 __ das Lesen nicht etwa aus einer Fibel oder irgend einem VlMbuche, sondern aus den Kirchenbüchern, welche von den Mönchen so lange vorgelesen wurden, bis sich der Schnler die Kenntnis des Alphabetes erworben hatte. Traf dcr Mönch auf einen besonders hartköpfigen oder nachlässigen Schnler, so kam es leicht vor, dass dieser die üblichen Kirchengebete auswendig wusste, bevor er sich uoch die Knust des Lesens und Schreibens angeeignet hatte. Daher kommt rs auch, dass heute noch eine ziemlich ansehnliche Zahl von griechisch-orthodoxen Geistlichen in Bosnien und dcr Herzegowina gan; erträglich ihren Seelsorgedienst verrichten, ohne jedoch lesen und schreiben zu können. Zudem bemüht sich der Mönch dnrchaus nicht, aus seinem Djak einen Schriftgelehrten zu machen; der Schüler ist der Diener für alles. Er muss des Morgeus der erste wm Vager, dann holt er Wasser ans der Eisterue, bläst daS Feuer aus der Mntasche an, um den Morgenkaffee für seinen Herrn zuzustellen, ist diesem beim Ankleiden nnd Waschen behilflich, schleppt dann Brennhol; ans dem nächsten Walde herbei, macht gelegentlich den Ministranten, aber anch den Hirten, indem er die Lämmer oder Schweine des Klosters auf die Weide führt, zuweileu auch den Aufseher, wenn er den Arbeitern auf dem Felde das Essen zuträgt. Die sociale Einrichtung der Klöster in dcr Herzegowina entspricht jener des Boltes; sie ist nämlich auf den Institutionen der Hauecommnniou basiert. Der Klostcrabt, Iguman genannt, hat die Ncchte nnd Pflichten eines Domatschin, des Vorstehers einer Hanscommunion. Er — 10 — disponiert nicht nur über die Thätigkeit der Mönche, indem er diesem die hänsliche Aufsicht des Klosters, jenem eine vacant gewordene Pfarre, einem dritten die Seelsorge im Kloster überträgt; er ist auch der unumschränkte ökonomische Verwalter der Klostergüter nnd als solcher niemandem eine Anfllärnng schuldig, wenn er nur im übrigen seinen Verpflichtungen, dem Bischof wie der Regierung gegenüber, gewissenhaft nachkommt. Die Mönche begegnen dem Abte stets mit großer Ehrfurcht und jeder erponierte Kaludjer (Mönch) ist am Schlüsse des sogenannten Erinnerungsgebetes verpflichtet, die Worte hinzuzufügen: ..dass Gott in seinem weiten Reiche sich des Igumans N. erbarme." Obwol die griechisch-orthodoxe Weltgeistlichteit durch ihr Familienleben nnd ihre fortgesetzte Berührung mit dem Volke einen hervorragenden Einfluss auf dasselbe ausübt, so ist merkwürdigerweise der Einfluss der Klostergeistlichkeit, wie schon oben gesagt, ein viel weiter reichender. Bei jedem halbwegs wichtigen Anlasse, wenn der Herzegowze des Rates nnd des kirchlichen Beistandes bedarf, eilt er, deu weitesten Weg nicht schcucud, weit lieber zum Knlndjer als ;um Popen. Eine Taufe, eine Hochzeit, ein Leichenbegängnis^ wie die smcr irgend eines häuslichen Festtages steht weit mehr im Ansehen, wenn ein Mönch, als wenn der Pfarrer den Versammelten den kirchlichen Segen ertheilt hat. Die Klöster erhalten sich theils aus ihren« eigenen Einkommen, theils ans den freiwilligen oder Pflichtgemäßen Abgaben der Bevölkerung. So entrichtet jede Hans« communion an das nächste Kloster jährlich 10 Oka Ge- __ 11__ treide oder 12 Groschen (Piaster) im Gelde. Eine Taufe kostet 6 Groschen — der Groschen zn 10 österreichischen Kreuzern — eine Trauung, ein Leichenbegängnis oder ein Requiem 24 Groschen, das landesübliche Segnen verschiedener Nahrungsmittel 10 Groschen. Weit ausgiebiger sind die freiwilligen Gaben der Bevölkerung, denn kein Herzegowze überschreitet die Schwelle der schmalen Kloster-Pforte, ohne einige Geschenke mitzubringen. Überdies machen die Mönche alljährlich ihre Rundgänge nnd dann fallen ganz besonders zum Feste der häuslichen Wasserweihe die Geschenke der Bevölkerung, in Geld wie in Lebensnütteln, sehr reichlich aus. So vermag die Kloster-geiftlichkcit in der Herzegowina, wenn auch einfach und dürftig, so doch mit einer gewissen landesüblichen Vornehmheit zu leben, während die Pfarrer, von denen manchem fast nnr 50 Seelen unterstehen, zn den schwersten hänslichen Arbeiten oernrtheilt sind — gleich dem letzten Rajah in, Dorfe. So mancher Pope ist genötigt, mit eigener Hand zu säen, zu pflügen und sich das nötige Brennholz herbeizuschaffen, während sich der Kaludjer, obgleich cr bettelud von Dorf zn Dorf zieht, niemals zn solcher Arbeit herbeilassen wird. Pop Sawa hat freilich eine gnte Pfarre nnd er darf ebenso vornehm thnn, wie ein Kaludjer. Er verkehrt viel mit den Kaludjern und sie mögen ihn gut leiden, weil die Mönche von Schitomislics immer ein volles Ränzlein aus der Pfarre Pop Sawa's nach Hanse tragen. Hinter den blinkenden Gehöften des Klosters von Schitomislics öffnete fich wieder das Thal der Narenw, aber der Flufs selbst behält sein tiefes Rinnsal bei. — 13 — Bald folgt das grün umsäumte und durchwirkte Dörfchen Kruschewaz; bald darauf der weit und breit bekannte Hau Zoltschitsch, wo jeder Reifende, bevor er nach Mostar hineinreitet, Rast hält. Eine Schale Schwarzen, einen frischen Trunk und wenn es gerade zur Obstzeit ist, ein paar We Trauben oder wolriechende Melonen — und nach einem Bicrtetstündchen geht es rüstig vorwärts gegen Mostar, das auch cm AmMuger vom Han Solt-schitsch aus leicht in drei Stunden erreichen kann. Auf nahezu halbem Wege überschritten wir auf einem schmalen Pfade das Schlundflüfschen Iaseniza, das in einer Mulde des Berges Hum plötzlich zu Tage tritt. Zur liukeu wurden wieder Dörfer mit ihren niedereu steinernen Häuschen sichtbar, ;nr rechten im Thalgrunde der Narenta ein lauggestrecktes Wäldchen, in dem zwei Dürfer, Iasenizn nnd Vatschewiza, verborgen liegen. Hier wird anch die Narcnta ein seichtes ssliisschen und darum nehmen viele Reisende die Furt bei Batschewiza statt des Umweges längs dem Hum, um die Hauptstadt der Herzcgowiua sobald als möglich zu erreicheu. Ist der Sommer recht trocken, dann schürzt der Herzegowiner seine Beinkleider auf, nimmt die Opanken auf die Schulter, steckt sich die Pfeife rückwärts hiuter den Hals hinein uud schreitet mutig durch die kleine Narenta. Im Spätherbst und Flülijahr dagegen umss mau sich der uor-sündflutlichen kleinen Boote bedienen, die man um eiuige Para benutzen kaun; die Narcnta ist eben ein Wildbach wie alle Flüsse in waldarmcn und steinreichen Bändern. Bei dem Dorfe Radosi betraten wir die Straße, welche ans Viubuschki, einem dcr besten Tabakdistricte — 13 — der Herzegowina, kommt. Die Narenta drückt sich an den Berg Hum heran, auf dem jenseitigen Ufer gegen die Höhen des Podwelesch eine breite Thalebene lassend, wo sich auch der größere Theil von Mostar befindet. Auf dem rechten Ufer stehen nur die ärmlicheren Hütten; jenseits der Konak der ehemaligen Gonvernenre der Herzegowina. Anf dem linken Ufer steht auch die alte Citadelle, ein militärisch wertloses Object, das ehemals mir den armen Rajah ,n imponieren und nur einer kleinen Garnison als Aufenthaltsort ;u dienen hatte. In den niederen Hütten von Mostar, die eher Tteintlumpen als Wohnhäusern gleicheu, wohnen etwa 16.000 Menschen, von denen sich zwei Drittel ;nm Islam bekennen und Allah in 66 Moscheen verehren. Die Zahl der Katholiken dürfte 2000 betragen; sie haben einen Bischof, der in dem zerstreuten Ttadttheile anf dem rechten Narentanfer seine Nesiden; aufgeschlagen hat. (5ine Tchllle und eine kleine Capclle im ehemaligen österreichischen Consulate befriedigen die geistlichen Be-diirfnisse der Katholiken von Mostar. Die Griechisch-Orthodoxen, deren Zahl sich in Moslar auf 2500 belaufen dürfte, haben ebenfalls einen Bischof, ;wei Schnlen nnd zwei itirchcn, von denen eine im Vanfe der letzten zehn Jahre entstanden ist. Zu den Tchenswürdigkciten von Mostar gehört die steinerne Brücke, welche in einem einzigen Bogen über die Narenta gespannt die beiden Ttadttheile untereinander verbindet. Die Tpannung des Bogens beträgt 27 Meter, seine Höhe 1^ Mcter. Die Brücke ist gleich der sogenannten Ziegenbrücke in Tarajewo und der Pczier- — 14 — brücke, wo der Weg von Scutari nach Prisreu den Drin überschreitet, weit und breit im Lande berühmt und in dcr That ein seltenes Banwerk aus dem fünfzehnten Jahrhundert, das einem Dalmatiner zugeschrieben wird. Obwol sich keine alten Wahrzeichen oder Inschriften an den Steinblöcken der Brücke, noch in der Nähe derselben befinden, so wird doch vielfach behauptet, daß die erste Anlage dieser Brücke aus der Zeit Kaiser Trajans datiere, wie auch überhaupt der Stadt selbst ein hohes Alter zugeschrieben wird. Bon slavischer Seite wird behauptet, der Name komme von,, Moft stari", das heißt „alte Brücke", woraus sich ergeben soll, dass Brücke und Stadt von hohem Alter sind. Die Verbindung „Most stari" ist aber grammatikalisch sehr gezwungen, denn der Serbe sagt für alte Brücke in der Ziegel: „Stari Most" und nicht „Most stari" nud deshalb hat die Ableitung dcs Namens Moslar von dem alten, zweifellos festgestellten Musarum viel mehr Wahrscheinlichkeit für sich. Andere Archäologen haben wieder behauptet, dass Mostar an Stelle der alten Colonien Andctrinm oder Bistnm stehe; dagegen wird nachzuweisen gesucht, dass diese Orte weil westlicher gelegen seien. Wie dem auch sei, so spricht doch die Lage der Stadt an der Narenta und auf der Mrzesteu ^inie von Sarajewo an das aoriatische Nicer dafür, dass an der Stelle Mostarö stets eine größere Ansicdlung selbst zur Zeit der Römer bestanden haben muss. Die steiuerne Brücke bei dem Dorfe Bnna über den gleichnamigen linksseitigen Zuflufs dcr Nareuta spricht ganz deutlich — 15 — dafür, dass auch zur Eäsarenzeit der große Handels-zug den Weg längs der Narenta genommen hat. Die Umgebung von Mostar überrascht weniger durch ihre Schönheit als durch ihre Eigentümlichkeit. Trotz der Garten, Weinberge und kleinen Waldpartien, welche die Stadt umkränzen, sticht doch der karstartige Charakter des Terrains befremdend hervor; man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, als ob man dem Erdboden seine Haut, die fruchtbringende Decke, abgezogen hätte. Wer weiß, wie viel Jahrzehnte vergehen werden, bis die Sünden der Romer und Penetianer, dieser unersättlichen Holzräuber an der Adria, wieder gut gemacht sind. Außer der eben erwähnten Buna-Brücke weist das Narentathal bei Blagaj die alte Ruine Stjepan-Grao als eine historische Sehenswürdigkeit auf. Stjepan war einer der wenigen selbständigen Beherrscher der Herzegowina um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts. Er residierte in Mostar, versah den Ort mit einer Ringmauer und erhob ihn zur Hauptstadt des Landes. Weniger kriegerisch, aber um so freundlicher sind die Erinnerungen, welche sich an den Hau Sali-Kaweh für jeden Reisenden knüpfen, der sich in Mostar einige Tage aufgehalten hat. Nie alles in der Herzegowina, fo ist auch dicsc ^affeehntte, eine halbe Stunde nördlich der Stadt auf der Straße nach Sarajewo, ein ärmliches Product menschlicher Baulhätigkeit, aber mau lernt sich in der Herzegowina bescheiden und findet, dass ein Bad in der Mrenta und der „Schwarze" von Sali-Kaweh unter Verhältnissen größere Genüsse sein können, als eine Stnnde im Römcrbaoe oder im Cafe Imperial in Wien. — 16 — An freundlichen Sommertagen oder wenn es zum Wochenmarkte geht, giebt es beim Sali-Kaweh ziemlich viel Volk. Herzegowiuer, die sonst im Jahre kaum irgendwo zusammenkommen, treffen sich an dieser Stelle, tauschen Griiße und Neuigkeiten bei einer Schale „Schwarzen" ans und vor dem Han trifft sich wol auch ein alter blinder Mann, der auf der Gusla die alten Volkslieder begleitet, die sich von Mund zn Mund, vom Vater auf den Sohn vererben. Auf einem primitiven Saiteninstrument, das der Mandoline ähnlich sieht, recitiert der blinde Guölaspieler die Heldenlieder m monotonen, langgezogenen Klagetönen; alt und jung steht um ihn herum. Kommt der Alte zu einer bekannten Stelle, dann singen die Umstehenden im Chor mit oder verstärken wenigstens den Refrain der einzelnen Strophen mit kräftigem Gesänge. Die Heldenlieder sind nicht nur eine Aufzählung der Thaten heimischer Helden, sie sind auch den Gewaltthaten gewidmet, welche die Türken an der christlichen Najah verübt hatteu. Zu deujeuigen Gedichten, die auch außerhalb der Herzegowina in kunstgerechteren Formen bekannt geworden sind, gehört „Der Tod des Ismail Tscheugics Aga", den Maznranics, der jetzige Vauus von .Kroatien, aus dem Volksmunde in glattere Formen übertragen hat. Wie die meisten siidslavischeu Heldenlieder, so hat anch dieses einen historischen Hintergrund. Ismail Aga Tschcngics war zn Anfang unseres Jahrhunderts, etwa in den Dreißiger-Jahren, längere Zcit hindurch Gouverneur in der Herzegowina, und was er verbrochen, was er in Vezug der Bedrückung seiuer christlichen leibeigenen an Ungeheuerlichem geleistet, das — 17 — scheint selbst das Maß der im vande üblichen Grau« samkeiten überschritten zu haben. Zunächst hatte Tschcn-gks Aga iu der Schlacht von Grahowo (1836) mit eigener Hand eiuige Hundert der besten Montenegriner niedergemacht. Die Besiegten sannen auf Niedervergeltung, und diese ergab sich, als sich Tscheugics eben anschickte, m althergebrachter Weise die Kopfsteuer, den Haradsch, bei den Christen einzutreiben. Gazkofeld, du bist so reizend. Wenn dich Hungersnot nicht peinigt; Arger Hunaer, hartes Tklavenschicksal! Aber der wilde Tyrann hat keinen Sinn für das Elend der Najah, und wutentbrannt ruft er seine Schergen zusammen, damit sie an ihre Arbeit gehen: Mnjo, Hassau, Omer und du Iusuf! Auf, ihr Hunde, jagt die Nosse Durck das weite Feld im Fluge, Dass wir sehen, wie die Christen laufen. Und das große Passionsspiel beginnt unter Martern und Vciden, wie sie noch in lllleriüugster Zeit die Vulgären erlebt, und von denen die Zeitungen in so Schauder erregender Weise berichtet haben. Die Rajah soll den Haradsch zahlen, aber sie besitzt keinen Pfennig, geschweige die Dukaten, welche der Blutsauger vou ihr verlangt. Weder die barbarischen Mittel, um die 3 teuer möglicherweise dennoch zu erpressen, noch die vor den Augen der Na iah an ihren Frauen nud Töchtern verübten Schandthaten vermögen etwas zu richten, wo die bitterste Not ohnedies aus den Augen der jammernden Christen spricht. — 16 — Hunger plagt uns, Herr, und (5lend! Hab' Geduld unr fünf, fechZ Tage, Bis wir uns den Haradfch selbst erbetteln! Tscheugics aber ruft wutend: Haradsch, Haradsch will ich haben! Darauf die Najah: Brot, ach, fchcnk' uns Brot, Gebieter! Einmal lafo an Vrod nnö laben. Umsonst; der Aga hat andere Torgen, als den ynuger cines elenden ^hristeupöbels zu stillen. Er ordnet die ersten Hinrichtungen cm, und den unsäglichsten Grausamkeiteu erliegen felbst die Ttärksteu, freilich nicht inn zu sterben, denn der Tyrann ist teuflisch genug, um einzusehen, dass die Todteu ihm uoch weuiger nutzen, als die Erbärmlichsten unter den bebenden....., Dumme Tklaveu," herrscht der Aga, „sucht die Rajah aufzuwecken, dass wir möglichst uoch deu Haradfch retteu, deuu mit der Najah geht auch d'rauf der Haradsch." Aber die Nemesis erreicht auch den bluttriefenden Christeutödter. Tscheugics hat gelegentlich der Niedermetzln»«, der gefangenen Mouteuegriuer deu alteu „Durak", der sich vermasi flir die >ü?pfer Nachsicht zu erbitteu, ohue weitere Umstäude aufhäugeu lasseu. Dieser Gewaltact treibt desseu Tohu Nowiza zur Nach? uud er findet willfährige Gcuosscu in deu mouteuegrinischcu Bergen. Aber Nowiza ist Mohamedaucr, und währcud die Tscheta, das ist der Kriegohaufe, auszieht, gesellt sich jener zu den Hochländern, um iumitten der Gebivgöwildniö die heilige Taufe >ll empfaugeu. Alödanu eilt er iu die Her;cgowi„a, wo bei nächtlichem Fackelscheine nud bei Guslatlängeu, deu — l9 — Hammel am Spieße, Tschengics Abendruhe hält. Die gefesselten Najah sind freilich wenig bevorzugte Kostgänger an dieser Schlemmertafel, denn man hat ihnen nnr die Knochen vorgeworfen, nnd sie, damit ihnen der köstliche Bratenduft in die Nase steige, kopfabwärts an dem großen ^indenbaume aufgehängt nnd nntcr ihnen Strohfeuer angefacht, nm sie lebendig zu rösten. Diese moslimische Belustigung aber findet ein jä'hes Ende. Die Tscheta überfällt bei nächtlichem Dunkel das Lager nnter Nowiza's Führung, der nicht nur seinen Pater allein zu rächen hat, denn er sagt: Dreifach nant am Herzen mir der Kummer: Tschengics mordete die Moratschaner, Tschengics mordete mir meinen Vater — Drittens nagt am Herzen mir der Kummer, Der von allcn: Er ist nicht aefallcn! Im letzten Augenblicke noch möchte der Aga, aufgestachelt durch ein boshaftes Lied seines Onslaspielers Bank, sein Mütchen an den gefangenen Christen kühlen, deren ganzes Verbrechen darin besteht, dass sie die Kopfsteuer nicht zahlen können, nnd er brüllt seinen Henker--knechten zu: Auf »no an die Christe», auf mit scharfen Messern, heihem Ol nnd spitzen Pfählen i Lasst sie los, der Hölle wilde ^iächtc! Vin ein Held, das Lk'd soll es verkünden, Allcs soll dar>un den Tod jetzt finden. Aber es kommt anders. Die Ealoen der Tscheta krachen durch die finstere Nacht und in dein nachfolgenden Blutbade gehen Tfchengics Aga nnd alle seine Helfershelfer zn Grunde. Und an des Aga's Seite rnht, noch 2* — 20 ^ im Tode die Zähne fletschend, Nowiza, den Hassan niederschlug, „als er alls den todten Ven in Freuden sprang, den Kopf ihm jnbelnd abzuschneiden" . . . Heute lebt noch das Geschlecht der Tscheugics, aber zum größten Theile in Bosnien. Nicht weniger als 1500 Seelen soll die Familie zahlen und ihr Stolz ist heute der junge Ali Pascha Tschengics, der uns von Mostar nach Sarajewo begleiten mag. H. Nach Ällmjcwo. Ali Pascha Tschengics ist eine tlafterhohe, schlacke Gestalt von seltener männlicher Schönheit. Das blonde, von einem Fes bedeckte Haupthaar trägt er gau; kur; geschoren. Der kleine Echnurrbart, die edel geformte Adlernase und das kleine, kluge Ange vereinigen sich zu einer ebenso auffallenden als interessanten Physiognomie. Wenn er sein Prachtgewand trägt, so sind die schwarze Jacke und die weite, an den Knöcheln aufgeschlitzte Hose, gleich der himmelblauen Weste mit zierlich figurierten Goldtressen 'benäht. Vom stolzen Nacken reichen schwere, mit Edelsteinen verwerte Goldkcttcn in den gestreiften Scidenshawl hinab, den er als Gürtel trägt. Der junge Manu, mit dcm weitausgreifeudeu elastischen Tchritt, hat von seinem Grofwatcr, dem eben geschilderten Ismail Nf>a, den Pascha« titrl ererbt nnd ist eine jener Erscheinungen, welche dafür sprechen, dass die Noblesse mitunter etwas An-gcborueS nnd Vererbtes sein und dass man anch als Boö-njake ein Wesen ;ur Tchau ttaa.cn kann, das selbst einem curopäischeu Talon nicht übel ansteheu würde. Ali Pascha liebt, wie jeder uwhamedanische Adelige, wenn — 22 — er Geld hat, das gute und bequeme ^ebeu uud jeder Genuss ist ihm lieb, der das Erdendafeiu verschmiert. Er ist kein Schriftgelehrter, aber er spricht mid schreibt doch zwei Sprachen, die türtische uud die bosuische. Die letztere schreibt er mir deu sogenannten glagolitischen Schriftlichen, welche eine Mischung von griechischen und cyrillischen Buchstaben sind. So verkehren alle bosnischen Vegsfamilien unter einander, wie auch ihre alten Familiendokumente in der glagolitischen Schrift verfasst sind. Sowie Ali Pascha in seinem Prachtgewande sieht allerdings nicht jeder Mohamedaner in Hosuien aus. Der unerfahrene Fremde wird freilich anf den ersten Anblick den Mohamedaner nicht von der Rajah unterscheiden, doch wird er nach und nach bemerken, dass grelle, namentlich hochrote Stoffe uud reichlicfctzte, oft verschnürte Jacken ausschließlich von den MoöliinS getragen werden, während die Najah sich bisher gc-zwnngener Weise mehr der duuklen Stoffe bedienen musste. Im übrigen ist die bosnische Mänuenracht gan; dieselbe wie die türtische. Das Haupt des mohamedanischen VosuM'u ist in der Negel vom Turbangcwiude umhüllt, unter dem sich der gewöhnliche Fes uud häufig auch; zumal auf dem glatt rasierten Schädel, ein gesticktes weißes SchulDpftcheu befindet. Die Beine stecken in weiten, meist blauen oder hochroteu Pluderhosen, die faltenreich bis zu den itnien herabfallen uud dort zu-geschnürt werden. Die Waden bedecken Gamaschen und die Füße rote Schuabelschuhe oder Opanken. Es ist selbstverständlich, dass auch in dieseu Äußerlichkeiten gewisse Variationen vortommcu, uud es dem Geschmacke Männliche Crachtcu aus Nosnirn und scincu Ncbculäudcrn. — 23 — jedes einzelnen überlassen bleibt, Änderungen an der Toilette in dieser oder jener Art anzubringen. Der europäischen Tracht haben sich die bosnischen Mohamcdaner bisher noch nicht bedient, wodnrch es anch sehr leicht fällt, einen solchen von einein Mitgliede der ehemaligen Oeanuen-Hierarchie, die das sogenannte „Reform - Eoslnme" (schwarzer Gehrock, dunkles abendländisches Beinkleid, nebst weider Weste, Hemdkragen nnd Cravatte) tragen, zu unterscheiden. Nbcr die Tracht der Granen lässt sich noch weniger berichten. Im Innern ihrer Gemächer sollen sie, wie alle 57rientalinen, mannigfachen Vurns in ihrer Toilette treiben, geflickte Leibchen nnd schwere Seiden-Thawls tragen, sowie toslbares Geschmeide umgehängt haben. Den Kopf fchmiickt ein ;ierlicher, reich mit Gold durchwirkter Fes, die Haare Perlen-strähne, die Armgelenle Tpangen u. dgl. m. Erwähnen wir noch, dass auch die mohamedanische Boönjalin der Unsitte des Bemalens der Augcnbranen und der bangen, des gardens der Fingernägel nnd der inneren Handfläche huldigt, dass sie mif offener Straße in einem sackartigen ilber Wurfe sFeredsche), der ans Tcidcnstom'n, Orleans, oder Tnch in allen Farben besteht, einen möglichst mwortheil-haften Eindruck macht, und dnrch die Gewohnheit deo Hockcns auf untergeschlagenen Beinen in der Regel einen „watschelnden" Gang hat, so haben wir auch in dieser Nichtnng das Nisscuswerte mitgetheilt. Uiwerschleierte türkische Frauen trifft mau in Bosnien nnd der Herzegowina nn im Nareniathale bei Iablauiza; dagegcu taun man in einzelnen Gegenden selbst christliche Frauen finden, welche, gleich den mohamedanischen, den — 24 — Schleier tragen, um den Blickeil der Türke» entzogen ;n bleiben. Weil gerade von den Mohamcdanern nnd ihren Frauen die Rede ist, so möge die Stellung näher angedeutet werden, welche sie in der Familie einnehmen. Das Weib des Türken in weniger dessenLebensgefährtin, als vielmehr das Indwidnum, welches in erster ^inie da;u da ist, flir nichtssagende Zerstreuung und für die häusliche Bequemlichkeit Sorge zn tragen. Da nur in dieser Richtung Anforderungen an die künftige Gattin gestellt werden, so dreht sich die Erziehung der Madchen hauptsächlich um gewisse Äußerlichkeiten, um Pul.;- und Gefallsucht, coquettes Inlrigucuspiel, und weun es hoch geht, um die Erlangung einiger Fertigkeit in weibliche»! Arbeiten. Wol giebt es in Bosnien eine Sitte, die in dieser Richtung von den starren Gebräuchen ein wenig abweicht, die des Aschyklyk, oder des „Damendienstes", welche den Vcdigcu beiderlei Geschlechtes eiuc sehr beschränkte Freiheit des Verkehres gestattet. Die Regel ist die, dass dcr Mohamedaner seine Lebensgefährtin durch geschäftliche Abmachungen von seinen zukünftigen Schwiegereltern erhält, und da es fich mancher Heiratslustige schweres Geld kosten lässt, das eine oder andere Mädchen, von deren Vorzügen er sich beeinflussen ließ, zu erbalten, so ist am Ende ein mohameoanisches Ehebündnis nicht viel mehr als ein Kaufgeschäft, das die Stellung der Frau bedingt. Diese Art der Eheschließung ist übrigens nicht der eigentliche Krebsschaden am orientalischen Familienleben, sondern vielmehr die Ehescheidung. Die vcich-tigteit, mit welcher Mohamedaner eingegangene Ehen Nlril'lichc Ernchtru nus voüuicn und jcincu Nrl>rulinldrrz«. (3. 2^ __ 25 __ wieder lösen, hat an vielen Orten im Oriente bedenkliche Dimensionen angenommen. Im allgemeinen genügt es, der Frau bekannt zu geben, dass sie „entlassen" sei, und die Scheidung ist bewirkt. Nun gestattet aber der Äorau, dass eine derart geschiedene Frau von ihrem früheren Ehemann wol ein zweites, nicht aber ein dritte.' Mal geheiratet werden taun. Eine dritte Ehe mit der bereits zweimal „entlassenen" Fran ist nm dann gestattet, wenn diese uorher noch mit einem anderen Manne eine, mittlerweile wieder gelöste, Ehe eingegangen war. Der bosnische Mohamedaner nimmt freilich nie mehr als eine Frau und dnrch diese freiwillige Monogamie steht der moslimische Bosnjake der europäischen Enltur jedenfalls um eine Stufe näher als seine übrigen Glaudensbrüder im Oriente. Außerdem sind an dem Mohamedaner in Bosnien verschiedene lobenswerte Eigenschaften zu rühmen, wie die Ehrfurcht der Kinder vor ihren Eltern, die Mildthätigkeit und vor allem die Gastfreiheit. Mildthätig ist dcr mos^ limische Bosnier allerdings nur gegen Seinesgleichen, das heißt gegen Mohamcdcmer, dafür übt er aber die Gastfreiheit gegenüber jedermann, der von derselben Gebrauch machen will, wobei freilich wieder eine unleugbare Ve-vor;ugung, wie dies schon in der Natnr der Sache liegt, gegenüber Mohamedaueru an den Tag tritt. Im allgemeinen ist der bosnische Mohamedaner ebenso ein Freund der Bequemlichkeit, wie seine übrigen rechtgläubigen Brüder. Besitzt er irgend ein Geschäft, »nd das ist zumeist der Fall, weil sich nur ein ganz geringer Procentsatz dcr Mohmnedaner mit dem Ackerbaue befasst, so begicbt er sich uach verrichtetem Morgengebete und — 26 — reichlich eingenommenem ^rühmahle in seine Bnde in der „Tscharschia" (Aasar), wo er die Besnche seiner Freunde empfangt. Ein geselliger Perkehr ist das freilich nicht, denn betrachtet der rechte Mohamedaner schon das Spazierengehen als eine unnütze körperliche Anstrengung, so scheint er umsomehr im Be;ug auf das Rcden ähnlicher Allsicht zn sein, und er giebt sich sammt seinen Gästen der tiefsten Schweigsamkeit hin. Nach der üblichen Begrüßung, die, weniger den Worten nach, ziemlich umständlich ist und die verschiedenartigsten auf Allah bezüglichen Redewendungen enthält, setzt sich alles im Kreise hermn mW consumiert möglichst viel uugeznckerteu, schwarzen Kaffee, Cigaretten oder den mehr oder minder guten Tnbat, der entweder ans Tschibuks oder Nargiles (Wasserpfeifen) geraucht wird. Auch in feiner kaufmännischen Praxis beobachtet der echte Mohamedaner dieses unverbrüchliche Schweigen, und trcch seinem lebhafteren Temperaments ist ihm geschäftliche Eile, Marktschreiern oder laute Anpreisung der Ware fremd — ganz im Gegensahe zn seinen christlichen, namentlich griechischen Genossen, die in der Negel ein flaues Geschäft durch um so auffälligeres Treiben wett machen, und mehr versprechen als halten. Allgemein ist bekannt, dass Redlichkeit nnd kaufmännische Pünktlichkeit zn dcu guten Eigenschaften dcs uwslimischcn Geschäftsmannes gehören, ssälle von betrügerischer Übervortheilung gehören m dcn Seltenheiten, nnd wer je im Dutjan (Vude eines türkischen Kaufmannes Einkäufe besorgt !,at, dem ist gewiss erinnerlich, wie hartnäckig derselbe bei seinem oft freilich übertriebenen Preisangebote verbleibt, und von demsclbcu anch nicht um einen Para herabgcht. — 27 — Die Seligkeit des Mohamedancrs ist sein Hausstand, oder besser gesagt die Bequemlichkeit, welche er in seinem Hause gemesst. Doch ist es nicht Titte, dass die Familie gemeinsam an den Mahlzeiten sich betheiligt. Die Frauen speisen mit den Kindern im Haremlik, während sich der Gaft und der Herr im SclamM dem Herrengemache) rou einer mehr oder minder zahlreichen Dienerschar das Mahl auftragen lassen. Speist der Gatte im Haremlik, dann ist die Frau kaum mehr als eine Be^ dienerin. Sind Gäste geladen, dann wird die Mahlzeit selbstverständlich iu den Gemächern des Herru abgehalten, und zwar auf türkische Art, wenn nur Rechtgläubige da sind, nnd euroväisch, wenn der Hansherr „Frankens nämlich Europäer, zu sich gebeten. >^n beiden Fällen bleiben aber die (berichte so ziemlich dieselben, uud der Unterschied besteht nur darin, dass im letzteren Falle, wenn der Gastgeber überhaupt nber Eßbestecke verfügt, solche den Enropäern gereicht werden, uud dass mau dem Weine oder überhaupt gcinigrn Getränken zuspricht, die sonst auf der Tafel des Moslim nach dem 5toran zn fehlen pflegen. To ist in fast allen Dingen der Mohameoaner in Bosnien von den: glaubensoerwandten Osmanen ziemlich verschieden. Ersterer übt nicht mir praktisch die Monogamie, cr fühlt fich anch als Slave, trägt den slavischen Familien^ namen mit Stolz, während der Mohamcdaner sonst nur den Tanfnamcn lcnnt. Der Mohamedaner in Bosnien spricht ftlten die türkische Tprachc, ja er hat sich oft genng gegen dcn herrschenden ^sinancu erhoben, wenn dieser den Vegs, dem nationalen und ausschließlich grnnd- __ -),^ __ besitzenden Adel des Vandes, entgegentreten wollte. Der Beg und Aga sind als Aristokraten nnd Grnndbentzcr immer die eigentlichen Herren des Bandes gewesen. Und wie der Nerr, derjenige, der befiehlt und am besten ;u leben gewohnt ist, in allen Ländern der Welt der liebenswürdigere, sympathischere und imponierendere Theil der Bevölkerung ist, so machen anch die Mohamedaner in Bosnien auf den Fremden äußerlich einen weit günstigeren C'indrnck als die von ihnen stets bedrückten Christen, welche man allenthalben in der Türkei die Rajah nennt. 6s ist vielfach die Meinung verbreitet, dass der bosnische Adel erst unter der türkischen Herrschaft seine jevigc 3tellnng erhalten habe und dass Beg nnd Najah gesellschaftliche Echöpfnngen des osmanischen Zeitalters sind, welches nur mohamedanische Grundbesitzer nnd christliche Pachter oder Leibeigene schaffen wollte. In der That hat aber schon in vorosmanischcr Zeit ein nach hcungen Begriffen abnormes Verhältnis zwischen Grund-Herren und Pächtern bestanden, von dem die confessionell verschärfte Stellung des mohamedanifchen Begs zur christlichen Rajah nur als eine Fortsetzung erscheint. Cs ist nicht ganz richtig, dass die mohamedanisch gewordenen Bosnjaten ihres Apostatentnms wegen Grnndherren wurden, sondern die alten l^rundbcsitzer, die Kuese und Wojwodcn, wurden Mohnmedancr, u:n sich ihren Besitz ;n sichern, so dass die mächtigen Familien von heute schon in vor-türtischer Zeit ebenso mächlig waren uud ihre Gruudholdcn damals nicht besser behandelten als die Begs von henlc. Dass das linkische Regime die vorgefundenen Verhältnisse zn Gnnsten des Islam und der Herrschaft des Osmanen- — 29 — tnms bedeutend verschärft, die ihrem Glauben treu gebliebenen christlichen Familien ihres rechtmäßigen Besitzes bcranbt und dieselben einem ergebenen Mohamcdancr zugesprochen IM, ist allerdings wahr, aber deshalb darf niemals vergessen werden, dass Peg mid Rajah dem Wesen nach nicht durchaus türkische Institutionen sind, fondern ihre bosnisch nationale Vorgeschichte l,abcn. Der Grundbesitz in Bosnien und der Herzegowina ist heute fast ausschließlich in den Händen dcs Tlaatcs. des Wakuf (Moschecngut, der mohammedanischen Begs und Aaas. Die Christen besitzen erst seit etwas mehr als einem Decennium, aber auch nnr vereinzelt, <"rund und Boden und selbst da oft nur anf fremdem Namen, nämlich auf dem eines armen Mohamcdaners. Tie christlichen Bauern bebauen also Grund und Boden nur als Pächter für ihre Grnndhcrren, denen fie einen go wissen hertömmlichcn Antheil vom Bodenerträge als Pacht abzuliefern haben. Dieser Antheil wurde das letzte Mal dnrch das Gesetz vom 14. 3efer 1^7<> l1858), je nach der durchschnittlichen Ertragsfähigkeit der einzelnen kreise, festgestellt. Dieses auo 17 Artikeln bestehende Gesetz wurde auch von der österreichischen ^andesregicrnng als Büsis für die beabsichtigte Tichtung nnd Regelung der überaus verwickelten agrarischen Verhältnisse an gcnoiumen. ?tach diesem von Olner Pascha erlassenen Grsche haben die Najah in den kreisen von Sarajewo, Trawnit, Banjaluta, Bihacs und >3wornit das Drittel (daher der slavische Ausdrnck „Trctjina"), in der Herzegowina und dcm Eandscbal von ')iolribasar zumeist das — 30 — Viertel oder Fünftel des Bodenertrages an den Grnnd-hcrrn als Pacht abzuliefern, so dass also mit der Ertragsfähigkeit deo Bezirkes anch die Größe der Abgabe zu-odcr abnimmt. Vor hundert Jahren hatte der Bauer nur ein Neuntel oder Zehntel des Bodenertrages abzuliefern, welches sich der Grundherr selbst vom Felde abzuholen hatte, während in dcn letzten Jahren die Abgaben an vielen Orten sogar die Hälfte des Ertrages erreichten nnd die Naiah ;nr Zeit der dringenden Feldarbeit nicht nur wöchentlich eine or?i- bis fünftägige Robot leisten, sondern anch den Natn'.alpacht auf eigene Kosten und Gefahr dem Aeg ins Haus oder auf den Markt zuführen musste. Obwol der bosnische Pächter kein Erbpächter ist, so hat doch der Grundherr nicht das Recht, ihn zu einer beliebigen Zeit und ohne allen Grund von dem Pachtgute zu eutferneu. Nur wenn die Ncchih die Tretiiua nicht entrichtet, den Feldbau nnterlässt, dem Bcg anf irgend eine Art und mit Absicht schaden verursacht oder überhaupt den Bestimmungen des Gesetzes vorsätzlich nicht nachkommt, dann kann der Pächter unter Anrnfnng und mit Genehmigung der Behörde von dem Pachtgute eniferut werden. Ebenso darf der Pächter nur unter rechtzeitiger Kündigung, nämlich cm nach Bo cndigung der Drescharbcitcn, sein Pachtgut verlassen, da er sonst von der Behörde zum Ersatze des dem Grundherrn zugefügten Tchadcns verhalten wird. Weitere Bestimmungen des Agrargrscncs vom Jahre 1>^ betreffen die Errichtungen und Instandhaltung der alif dcn Gütern befindlichen Baulichkeiten. Die Ausbesserung oder Neucrrichtung von Wohnhäusern oder / / — 3l — anderen notwendigen Baulichkeiten soll stets uom Grundherrn ansgehen, dagegen muss der Pächter die Reparatur von Gebäuden, welche er selbst nnd im eigenen Interesse errichtet hatte, auf eigene Kosten besorgen. Verlässt dann der Pächter sein Gut, so mnss ihm der Grundherr für die errichteten Baulichkeiteu nach erfulgter behördlicher Schätzung den Nert voll ausbezahlen. Das ungefähr sind, in aller Kürze nnd Übersichtlichkeit zusammengestellt, die Hauptgrundsätze der agrarischen Gesctzgebuug aus den Tagen, da Omer Pascha Vezier in Bosnien gewesen und den letzten Aufstaud der Begs niedergeschlagen hatte. Dass bei solchen Beziehungen zwischen dem Beg und seiner Rajah die Agricultur iu Bosnien keine Fortschritte machen konnte, ist mit Rücksicht ans die bisherige schrankenlose Macht, die historisch begründeten Vorrechte des Mohamedaners und dic Ungleichheit dcr Confcssionen r>or dein Gesetze eine fast selbstverständliche Sache. Der bosnische Beg hatte von dem osmanischen Herrn Nichtsthun und Verschwendung gar bald erlernt; er kümmerte sich nur darum, dass die Rajah die Trctjiua cutrichrcte, und stauden au der Spitze der tm'tischeu Behörden gute Freunde, dann war der christliche Pächter vor keiner Überuortheiluug oder Bedrückung sicher. Iu solchen Fällen war es dem Beg nach crfolgter Bestechnng der Beamten gar leicht nachzuweisen, dass die Tretjiua nicht in der gehörigen Höhe abgeliefert wurde, dass der Pächter sein Fcld uicht gehörig bebaue, uud kam es bei der Kilometer lange Thalebene bedeckt. Hart an der Straße liegen drei türkische Pnlvermaga;iue; dann fallen uns bei dem Dorfe Suhodol zwci in Blei eingelassene Ringe auf, deren Bedeutung niemaud ;u deuten weis;. Ali Pascha behanpttt, wie alle Landesdewohner, dass — 33 — Suhodol, was so viel als Trockenthlll heißt, daher den Namen trage, weil das Thal im Laufe der Ewigkeiten trocken gelegt worden sei, und dass die beiden Ringe von den Schiffern herrühren, welche ihre Boote an dieser Stelle festbanden. Dergleichen wunderlichen archäologischen Traditionen begegnet man im ganzen Lande, nnd es ist seltfam genug, dass die Bosujakcn in den historischen Überlieferungen, welche von Vater auf Sohn übergehen, an die Türtcnzeit die eigene Geschichte wol anknüpfen, aber mit besonderer Ehrfnrcht dcr „Lateiner" und Römer gedenken, obwol die jetzige slavische Bevölkerung bekanntlich erst im 7. Jahrhunderte uach Christi Geburt nach der Provinz Illyrien eingewandert ist. Nir dürfen also an dic archäologischen Versicherungen Ali Paschas und unserer bosnischen Reisebegleiter nicht glaubeu. Auch sorgeu die plumvcn Gebäude des Hans (Einkchrwirtshauscs > Podvorim mit ihrem düsteren Innern dafür, dass wir uns trotz der freundlicher gewordeuen Umgebung in einem weit znrückgebliebeuen Lande fühlen. Endlich ersteigen wir die steile, von Steiugcrölle gebildete Vehne dco Porimgebirges, welches die Grenze zwischen Bosnien und der Herzegowina bildet und das schon zu Ende des 9. Jahrhunderts den dreifachen Grenzpnntt zwischen Bosuieu, Dalmaticu nud Rcwcicu enthielt. Ist einmal die Höhe erstiegen, so genießt man zwischen zwei thorähnlich auseinander tretenden Fclsoorsprüngen hindurch einen wunderbaren Auöblick nach dem Nareutathal. Noch cincu Schritt weiter — und wir sind in der stolzen, goldenen Boöna, wie das schöne, reiche Land zwischen den Missen Una, Saue, Driua und den dinarischeu Alpen in den v. G »1 urlllv! cs, VllSüim mid dic Ncdcüländer. 3 — 34 — siidslavischen Volksliedern genannt wird. Bosnien liegt auf der nördlichen Abdachnng jener Hochgebirgsrückcn, welche das Wassergebiet der Save von jenem des Adriatischen und Ägäischen Aieeres trennen. Die arme und steinreiche Herzegowina liegt an der südlichen Abdachung dieser Gebirgsrücken, so dass also Bosnien größtenthcils znm Stromgebiete des Schwarzen, die Herzegowina hiugegcuzu jenem dcs Adriatischcn Nieercs geHort. Bosnien nnd die Herzegowina haben zusammengenommen einen Flächeuraum von 62.000 Quadrat' Kilometern, also die ungefähre Größe von Böhmen oder Siebenbürgen. Die Bevölkerungsziffer beträgt ungefähr 1,300.000 Seelen, so dass 21 Einwohner auf den Quadrat-Kilometer komineu. Bosnien ist also nur halb so dicht bevölkert als das arme Dalmatien; mir Salzburg mit seinen Hochgebirgen uud Gletschern kommt unter den österreichischen Kronländern Bosnien in dieser relativen Bevölkcrnngsziffer gleich. Bosnien nud die Herzegowina werden bis auf zwei Proceut der Vevölkeruugszifftr nnr uou Slaven bewohnt. Nach dem Religionsbekenntnisse gruppieren sich die Bewohner folgendermaßen: (N 9.000 Mohamcdancr, also beinahe die Hälfte, 510.000 orthodoxe Christen, also etwas mehr als ein Drittel: 15)7.000 Katholiken, also nur ein Achtel der gesammtcn Bevölkerung. Außerdem leben 2600 spanische Juden zn-meist im Kreise von Sarajewo uud 11.4!I> nwhame-dänische Zigeuner zerstreut im ganzen '?ande. Borwiegend christlich sind die Kreise von Trawnik, Banjaluka und Moswr. Die Production Bosniens ist eine ziemlich mannigfaltige, selbstverständlich vorzugsweise Nohprodnction, dic — 35 — aus Ackerbau und Viehzucht entspringt. Um ein Bild derselben zn geben, führen wir die nachfolgenden Ziffern an, welche einem amtlichen Ausweise entnommen sind, der vor dem bosnischen Ausstände iin Jahre 1875 zusammengestellt wurde. Es wurden produciert an Mais 82.000 Tonnen, Wei;en 33.000, Gerste 31.000, Hafer 23.000, Hirse 15,'^00, Roggen 3000, Kartoffeln 3000, Bohnen 2000 uud Tabak 700 Tonnen. Über die Pro-dnction von Pstaumeu, einem überaus wichtigen Artikel, giebt der uns vorliegende Ausweis leider keine Ziffer an, doch entnehmen wir demselben, dass alljährlich ein namhafter Export stattfindet. Bosnien zählte vor dem Jahre 1875 2,223.000 Schafe, 1,090.000 Ziegen, 520.000 Stück Hornvieh, 163.000 Schweine, 100,000 Pferde, 600^) Esel und Maulthiere. Zu Vergleichung mit der Bevölkerungsziffer ergiebt sich eine Verhältniszalil, welche die bezüglichen Daten aller österreichischen Provinzen bei weitem übersteigt. Der Waldbestaud ist gau; besonders im Norden, der Save und Drina zunächst, ein ungeheuerer. Der Wald, aus Nadelholz, Eichen uud Buchen bcstehcud, ist zum gröstteu Theile im Besitze des Staates oder des Wakuf, nämlich des mohamedauischen Ncligionfonds; den Bewohnern steht die Benützung deS Waldes zum eigenen Hausgebrauch frei: vou ciucr ^orncultnr ist leine Nede. Die ausgedehnten Waldungen sind von Bären, Wildschweinen, Hirschen, Nchen uud Wölfen reich bevölkert. Das bosnische 5tlima ist rauher, als man nach der geographischen Breite vermuten sollte. Die atmosphärischen Niederschlage sind start nud häufig; der schneelciche Wiuter dauert in dcu Hochgebirgslaudschaftcn fast acht Mouate. — 36 — Im Sommer ist der Temperaturunterschied von Tag ;u Nacht sehr empfindlich. In der Posawina, dem wohlhabendsten Gebiete des Bandes, treten häufig Fieber auf. Den primitiven Cnlturzuständen Bosniens entsprechend, giebt es auch keinen regelrechten Bergbau. Besonders reich ist Bosnien an Eisen, das in zahlreichen Schmelzhiitten in der jährlichen Menge von etwa fünf Millionen Kilogramm auf sehr primitivem Wege gewonnen und bisher nach allen Richtungen ausgeführt wurde. Die Salzsiedereien von Tnsla ergaben bisher jährlich über 300.000 Kilogramm Tal;. Iu verschiedenen Theilen des Bandes wurden Kohlenlager constatiert, doch stehen diese ebensowenig im Betrieb, wie die ehemaligen Kupfer- nud Tilberbergwerke in Srebrenik und Trebreniza. Die Mineralquellen des Bandes, zumeist Schwefelquellen und Säuerlinge, sind bisher gänzlich unbenutzt geblieben. Die Industrie Bosniens ist begreiflicherweise eine sehr beschränkte. Auster der Hansindustrie, welche die nächsten alltäglichen Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigt, giebt es noch Waffeufabriten inBanjalnta, Sloplje nnd Fojniza, Vierbrauereieu iu Sarajewo, Banjaluka und Viwno. Die Stcncrtraft des Bandes ist eine relativ sehr bedeutende. Nach einem Steuerausweise vom Jahre 1871, der nns vorliegt, zahlte Bosnien damals an directen Stcne^ 4,300.000 nnd an iudirectcn Abgaben 600.000 rl, wovon vier Millionen nach >ionstantinopel wanderten und uur 900.000 si. für die Administration des Bandes übrig blieben. Die Christen trugen W Procent der Steuerlast. Trotz der türkischen Wirtschaft konnte also jeder christliche Bewohner Bosniens 6 3 Gulden an — 37 — directen Steuern zahlen. Der analoge Betrag wird für die im österreichischen Neichsrate vertretenen Länder mit 4, für die Länder der ungarischen Krone mit 2 9 Gulden berechnet. Als Maßstab der geistigen Cultur in Bosnien mögen folgende Angaben dienen. Die Mohamedaner besaßen bisher 927 Volksschulen, in denen, wie überall in der Türkei, vorzugsweise die Lehren des Koran geoffenbart werden, ohne dass die Kinder irgend etwas lernen würden, was sie für das praktische Leben brauchen. Nenn anch nicht am zahlreichsten, so sind doch die katholischen Schulen am weitesten vorgeschritten. Bei jedem der Franziskaner-Klöster in Sutisko, Fojuiza, Kreschewo, Goriza bci Liwno, Wntschjagora bei Trawnit nud Schirokibreg befinden sich sorgfältig eingerichtete Volksschulen und außerdem noch andere 27, von dcn Mönchen geleitete Schulen an anderen Orten im Lande. Bosnien zählt zwei katholische Bischöfe, welche ihre Sitze in Sarajewo und Mostar haben, uud 79 Pfarrer, welche zum größten Theile ihre Ausbildung im Seminar zu Djakowar in Slavouicu erhalten. Die Griechisch-Orthodoxen haben drei Erarchen, nud zwar in Sarajewo einen Metropoliten und Bischöfe in Doljna-Tusln und Mostar, die bisher von dem Patriarchen in Konstantinopel gegen ein entsprechendes Entgelt ernannt wurden. Die Bischöfe hatten dagegen das Recht, die Pfarren zu verleihen und hoben von den Petenten dafür Beträge von 20 bis 200 Dukaten ein. Nährend der katholische Clcrns eine gründliche geistliche Bildung besitzt, wird für einen Popen das Lesen der Kirchenbücher als hinreichende Bildung angenommen; ja es kommt sogar — 38 — und nicht selten der Fall vor, dass der Pope des Besens unkundig ist nnd sich auf das Memorieren der Gebete und Kirchenbücher beschränkt hat. Die Juden haben in Sarajewo einen Haham-Baschi (Ober-Nabbiucr), in Trawnik und Nowibasar Rabbiner. Von entscheidender Wichtigkeit für die Beurtheilung der nationalen nnd confcssiouellen Verhältnisse in Bosnien ist die Geschichte des ^audeS während des letzten Jahrtausends. Der jetzt zwischen Una und Drina wohnende Voltsstamm hatte schon zu Aufaug des 7. Jahrhunderts von diesem Gebiete Besitz genommen und nach den Kroaten drangen die Serben in jene Gebiete ein, wo sie heute noch leben. Trotz der iuuigcu Stanmwerwaudtschaft, welche zwischen Serben uuo Kroaten besteht, geht doch durch die gauze Geschichte der beiden Stämme ein Zug der Trennung und Absonderung, welcher den heute zwischen ihnen besteheuden Antagonismus sozusagen historisch begründet. lHs sind nicht uur die Kroaten fast um hundert Jahre früher als die Serben auf der Baltanhalbiusel scsshaft geworden, auch das Reich Zvonimir's, von dem die sogenannten Großlroatcu träumen, ist von ganz anderem Datum als das grossserbischc Reich Zar Duschaus. Im 9. Iahrhuudcrt traten unter Kaiser Basilius dem Macedonier Kroaten und Serben zum Christentum über; die ersteren wurden latholisch, der grösste Theil der letzteren nahm den griechisch-orthodoxen Glauben an. Daher komun m:ch der Gebrauch der lateiuischen oder cyrillischcu vettern iu der Schriftsprache der beidcu Stämme. Die Kroaten wurden dann uon cmem Bau, die Serben von eiucm Schupan regiert. Die Kroaten schlössen sich — 39 — im Jahre 1103 an das Königreich Ungarn an nnd König Koloman wurde nicht nur als König von Kroatien und Slavonien, sondern cmch als König von Nama gekrönt. Im Jahre 1190 kamen die Patarener, eine versprengte Naldenser Secte, und neunzig Jahre später die Franziskaner-Mönche ins ^and und verbreiteten den katholischen Glauben, der ungarische Staatsreligion gewesen. Im Jahre 1376 hatte Bosnien wieder seine Könige. Ban Stephan dehnte sein Reich sogar bis nach Trebinje und Rascien aus, doch brachte ihn die Schlacht anf dem Amscl-felde ebenfalls unter die Tributpslichtigkcit der Sultane und das Jahr 1463 ganz Bosnien, das Jahr 1483 die Herzegowina unter directe türkische Herrschaft. Bald darauf gelang es jedoch dem ungarischen Könige Mathias Corvinns, freilich nur auf weuige Iahrzehute, einen großen Theil von Bosuicu, bis nach Sarajewo, den Türkcu zu cutreißcu', doch war m't der Schlacht von Mohacs im Jahre 1527 das Schicksal des vandes endgiltig zu Onnstcn der türkischen Herrschaft entschieden. In dieser Zeit trat anch der größte Theil des bosnischen Adels, um Grundbesitz und Privilegien zu retten, zmn Islam über. Das Vand erhielt feudale Organisation nnd musste 15.000 Iamlscharcn stellen, welche bis zur Auflösung dieser Institution zu den besten Kerntruftpen der Pforte gehörten. Anderthalb Jahrhunderte lang war dann Bosnien eine der gefährlichsten Nachbarprouinzen unserer Monarchie, denn so oft die Türken in Ungarn einbrachen, ergossen sich die Scharen der bosnischen Vegs nnd Agas über Kroatien, Slavonien nnd die Etciermart — bis endlich die glücklichen Kriegszüge des — 40 — Markgrafen vndwig von Baden 1688, die Streifzüge der Bathycmyi und Draskovics und der berühmte neuutägige Reiterzug des Priuzen 'Eugen im Jahre 1694 von Broad nach Tarajcwo die Macht der Spahis brachen. Der Karlowitzer Friede 1699 schob die österreichische Grenze bis au die Una und Tave, decretierte die freie Tchiffahrt auf diesen Missen uud übertrug Österreich das Protectorat über die katholischen Christen der Türkei. Einige durch deu Passarowitzer Frieden 1719 jenseits der genannten Flüsse erworbeueu Territorien gingen ducch den Belgrader Frieden 1739 wieder verloren. Die heutigen Greu;en zwischen Österreich und dcr Türlei wurdcu durch dcu Frieden zu ^istow im Jahre 1791 festgestellt. Die serbische Empörung nud Befreiung rief verwandte Bcwcguugeu iu Bosuien wach. Im Jahre 1826 brach unter Hussein Beg Gradatschwics em gewaltiger Aufstand aus und .'^».OW Bosnier zogeu auf das Amscl-feld, verstärkten sich durch eine ansehnliche albanesische Ttreitmacht und uiarschiertcn schunrstracks gegcu Südoslen, um einen bosnischen Ttaat m bilden nud iu Ttauibul den — wahren I^lam aufzurichten. Mit List, Gewalt, Bestcchuug uud mit Hilfe der Bevölkerung dcr Herzegowina Miroeu die Rebellen iu Parteien gcspalteu und 1831 die bosnische Empörung niedergeschlagen, ','lber der Adel gab deu Kampf um seiue Privilegien noch lange nicht auf. Die Jahre 1836, 1837 und 1839 sahen neue blutige Ausstände, uud die Reformen ?lbdul Mcd-schidö: wie Gleichberechtigung allcr Unterthanen, 'Abschasfuug des Fcuoalweseuö, Einführung einer gan; ncncn Ber- — 41 — Wallung', riefen im Jahre 1849 abermals eine offene Empörung des Adels hervor, an welcher sich auch die Herzegowina unter Ali Pascha Riswanbegovics betheiligte. Im Jahre 1852 gelang es Osman Pascha, den Anfftand niederzuwerfen, die Häupter der Verschwörung ;u beseitigen, die Vorrechte des Adels theilweise abzuschaffen und eine nene Verwaltung einzuführen. Fünf Jahre später flackerte die Empörung noch einmal unter Luka Wnkalovicö auf, aber sie blieb ohne Erfolg, bis der Büchsen-schnss von Newesinje 1^75 das „Bischen Herzegowina" in nencn Aufruhr versetzte und damit die orientalische Frage auf die Lösnng dnrch das Schwert verwies. Drei Jahre lang war das schöne aber zertretene Vand, die stolze goldene Bosna, nur die ansgesogene Beute der Insnrgcntcn und Vaschi-Boznks, in Geduld gewärtig jener wohlmeinenden aber kräftigen Hand, welche Christen wie Mohamedaner vor der Virtschaft der Stambnler Effeudis und Paschas fernerhin und für ewige Zeiten bewahren sollte. Seit dem Angnst vorigen Jahres weht die Fahne mit dem Doppelaar über dem von einem gutmütigen und begabten Volke bewohnten Vande, den Segen der Ruhe und Ordnung, der Sicherheit und Gleichberechtigung aller seiner Bewohner überall verbreitend. In wenigen Monaten hat sich die Bevölkerung Bosniens uud der Herzegowina von ihrem früheren Herrscher abgewendet nnd wenn sie Abhilfe ans Jahrhunderte alter Not nnd Bedrängnis bedarf, wendet sie sich venranens-voll an Baiser Franz Josef I., den milden und ritterlichen Herrscher in der einzigen Kaiserstndt an der Donau. . . . — 42 — Wenden wir uns nun wieder nnserer Reiseroute von Mostar nach Sarajewo zu, nachdem wir an der Grenze Bosniens im raschen Überblicke alles Wissenswerte in geographischer und historischer Hinsicht nber das ?and mitgetheilt haben. Jenseits des PorinvGebirges folgt noch das Karst-Plateau Batjcwiza, eine tahle, unbewaldete, von Felslöchern und Klüften zerrissene Bildung, au dereu Rande mehrere Gruppen monolither Grabdenkmäler mit halbverwitterten Sculptureu stehen. Niemand kennt den Ur-sprnng dieser Blöcke und jeder Reisende staunt über die Kraft, welche diese Trümmer an Ort nnd Stelle gebracht haben mag. Hierauf, gelangt mau nach dcm Vipctapass, der zu beiden Seiten des unwegsameu und steinigen Pfades von hohen, im Mai uud September, mauch-mal aber auch im Iuui schneebedeckten Spitzen eiugcfasöt wird, anf denen sich vicle Gemsen hermntreibeu sollen. Die Gegend wird immer romantischer: senkrechte Felsen stürzen zu dem Bergsee Icsero herab uud wechseln an manchen Stellen mit buschigen Hängen. Die nächste Umgebung des Tees besteht aus sumpfigeu Wiesen, au welche sich zur Linken eiue gnt bebaute Ebene mit Maisfeldern auschließt. Unsere eingeborenen Reisebegleiter glauben, dasö das Sccnivean früher hoher lag und diese Felder bedeckte, bis sich der jetzige Secabsluss, ein munteres Büchlein, durch die Felsen zur Rechten einen Weg nach der NareMa ausgewaschen halte. Dann gelangten wir znr Hochebene von Borte, die sich zwei Stunden lang ziemlich gnt bebant, zwischen theils waldigen, theils kahlen Bergen hinstreckt. Mehrere Gruppeu von Baucruhänsern — 43 — und Hans machen die Hochebene etwas lebendiger; hier halten alle diejenigen, welche von Tarajewo nach Mostar reisen, ihre erste Nachtstation. Von Borke an gesellte sich eine ziemlich zahlreiche Grnppe von Landleuten zu uns, die nach Tarajewo zum Wochenmarkt wollten. Tie trieben Traglhiere vor sich her, die mit Holz, Obst oder Feldfrüchten beladen waren und man sah es je zweien oder dreien der neuen Neisegenosseu au, dass sie zusammengehörten. <^ö war auch in der That so. Der Alteste und am besten Gekleidete einer jeden der sich uns anschließenden kleinen Karawane ist daheim der Vorsteher eiuer Tadruga (Hansgenossenschafl) und er muss als solcher nach Tarajewo, um die Erträgnisse seiner Feld- uud Hauswirtschaft zu verknusen, davon die rückständigen Tteucru zu bezahlen, nnd all das einzukaufen, was die Tadruga daheim braucht, weil man doch nicht alles im Hause erzeugeu kaun. Der zwischen Hochwald, Buschwerk nnd felsigen Lichtungen sich von Borke gegen Konjiza im Nareutathale hinabschlängelnde Pfad lenkt uusere Aufmerksamkeit weniger auf die umgebende Anßenwelt, nnd so suchen wir denn das Interessanteste über die volkstümliche Institution der Familie in Bosnien und der Herzegowina zu erfahren. Die Tadrnga, iu nuferen kroatischen Grenzgebieten auch Hauscommuuion genannt, ist die traditionelle Ver-binduug einer Neihc von Familiengliedern oder selbst mehrerer verwandter ivamilien zn gemeinsamer Hanshaltnng nnd l^iitervcrwaltung bei Nntheilbarkeit des unbeweglichen Vermögens, ohne indessen den Rebcnverdicust des einzelnen zu verhindern. Die Tadruga ist keine specielle Institution — 44 — dieses oder jenes füdslavischen Ttammes und hängt auch nicht mit dem christlichen Glaubensbekenntnisse direct zusammen. Die Hanscommunion findet sich bei allen christlichen Tildslaven, in Bosnien und der Herzegowina aber auch bei den Mohamcdauern vor. Die Zahl der Mitglieder einer Hanöcommnnion ist sehr verschieden; zehn bis fünfzehn sind das Minimum, sechzig bis siebenzig das Maximum und zwanzig bis fünfundzwanzig die durchschnittliche Zahl der Mitglieder der Hauöcommnnion. Wachsen diese Zahlen zu rasch oder wird gar das Magnum: überschritten, dann tritt leicht die Theilung des Gesammwermögens znr Neubildung einer zweiten Sadrnga ein. Ganz besonders m solchen Fällen kann es vorkommen, dass in einem Weiler oder iu einem kleinen Dorfe alle Bewohner denselben Familiennamen führen. Deshalb ist aber die Hans-commnnion durchaus nicht die einzige Form des süd-slavischeu Familienlebens, es kommen häufig geuug Fälle vor, in denen ein Hans, wie bei uns, in Folge vorhergegangener Theiluug nur von einer einzigen Familie bewohnt wird. Jedenfalls ist aber die Tadrnga die ursprüngliche nationale Institution, welche für das Studium des VlMcharaltcrs, der Sitten nnd Gebränche entscheidend bleiben muss. Dass mau beispielsweise im Fürsteutumc Serbien darauf vergessen nnd enroväische sociale Einrichtungen der Familie uud Gemeinde oktroyierte, hat bereits seine üblen Früchte getragen, die tanin mehr zu verwinden sind. An der Sftibe der Hanscommuniml steht der von der ganzen Familie, zumeist aus der Reihe der ältereu und würdigen Mitglieder gewählte Domatschin. Er ist — 45 — in der Regel verheiratet, muss aber durchaus nicht der Älteste aus der Familie sein, weil ja die Communion den Fähigsten und Würdigsten zu ihrem Vorstande wählt. Es kommt daher, allerdings ziemlich selten und nur in Bosnien und der Herzegowina vor, dass einc Frau oder gar ein Mädchen der Hauscommuuiou vorsieht und dem tüchtigen weiblichen Domatschin alle Männer der Familie ohne Widerrede gehorchen. Bleibt der Domatschin geschickt und rüstig bis an sein Lebensende, dauu erlöst ihn allerdings erst der Tod von seiner Würde; ist er aber einmal hochbetagt und schwach, dann legt er freiwillig oder erst in Folge einer Pression unzufriedener Familieumitglieder sein Amt M'iick. Nach dem Ableben des Domatschin erhebt die ^ommnuiou am liebsten den ältesten Bruder des Verstorbenen an dessen Ttelle, allein es kommt auch vor, dass die Wahl auf die tüchtige Hinterbliebene Witwe fällt, welche dann wieder uach einer Reihe vou Jahren ihre Würde mit Zustimmung der (5ommuuion an den mittlerweile großjährig gewordenen 3ohn abgicbt. Da der Domatschin nicht der unumschräukte Herr, soudern nur das gewählte überhaupt und sozusagen der bevollmächtigte Präsident der Hauscouunuuion ist, so muss er sich mit derselben in allen wichtigen Entscheidungen in Übereinstimmung befiudcn. Die Hauscommunion kann demnach, wenn sie aus der Thätigkeit des Domalschin große Verluste oder gar den Ruiu des ganzen Gemeinwesens befürchtet, denselben seiner Würde entsetzen, wozu allerdings der einstimmige Beschluss der Hauscouimunion erforderlich ist. Findet sich nur eiue starke Minorität gegen den Domatschin zusammen, die sich unter keiner — 46 — Bedingung demselben fügen will, so tritt wol eine Trennung und Theilung der Hauscommuniou ein, wo;u nur im äußersten Notfalle die Hilfe und Entscheidung der Behörde augerufen wird. Der Domatschin repräsentiert die Hauscomnmnion iu alleu ihren auswärtigen Angelegenheiten. Er vertritt sie vor dem Pfarrer, vor der Gemeinde, wie auch vor den politischen Behörden. Er ist verantwortlich für die pünktliche Entrichtung aller Abgaben, er verwaltet das gcmciusame ^eld und Out, er schließt im Namen der Communion Hanfe und Verträge ad, hat iu manchen Gegenden sogar das Recht, bewegliches, niemals aber unbewegliches Gut ;u veräußern. Der Domatschiu theilt wul jcdcm Familieumitgliede seine Wirkungskreise zu, aber er darf ebensowenig iu allen Dingen und von allen emeu unbedingten Gehorsam verlangen, wie er auch nach außen nicht für jedes eiu;clue ^amilieumitglied verantwortlich isi — denn er ist nur der „primus inter pai-eZ" — der Erste nuter dcu Gleicheu. Dem Domntschiu steht in der socialen Rangordnung die Domatschiza, sciue Gattiu in der Regel, zunächst. Wir sagen in der Regel, weil in manchen Gegenden die Domalschiza, gleich dem Domatschiu, vou der Hans^ communiou gewählt wird, und zwar aus dem Grunde, damit die nächste Familie des Domatschin in dor ^adruga nicht allmächtig wird. Während der Schwerpunkt der Thätigkeit des Domatschin nach außen verlegt ist, cou-ccntricrt die Dmnatschi;a die ihrige gau; iu der inneren Hauswirtschaft uud ist in diesem Zinne die Hausfrau der Colmmmioll. 3ie ist die Erzieherin der linder uud — 47 — maßgebende Beraterin der erwachsenen Mädchen, die Vorsteherin der Hans-Industrie, die unnmschränkte Herrin über Küche nnd Vorraikammer. Sie sieht darauf, dass die Kirche besncht, die Feiertage gehalten und der Verstorbenen zur rechten Zeit gedacht wird, dass Gotteswort und die Lieder des Voltes in Ehren gehalten werden und nicht in Vergessenheit geraten. In analoger Eigentümlichkeit hält sich auch die Stellung der übrigen Mitglieder der Sadruga. Die Hauöcommnnion ist verpflichtet, für die Unterkunft, Nahrung und Bekleidung ihrer Mitglieder zu sorgen, denn jedes derselben hat, theoretisch genommen, einen gleichen Antheil an dem untheilbaren Gesammtuermögen. Diesem Principe entsprechend haben die volljährigen Mitglieder der Sadrnga die gleichen Rechte nud Pflichten und bei den Beratungen ein gleichwertiges Votum. In einzelnen Gegenden besitzen Mädchen nnd Frauen bei den gemeinschaftlichen Be-ratnngen keine entscheidende Stimme. Der Familienrat wird abends nach gethaner Arbeit am Herde oder unter einem schattigen Baume, an Feiertagen nach der Messe abgehalten, wobei der Domalschm seine Vorschläge auseinandersetzt oder vollbrachtes berichtet. In Bosnien und der Herzegowina entscheidet die Majorität, während beispielsweise in vielen legenden Bulgariens zu einem für den Domatschin bindeudeu Beschlusse die Emslimmigkcit des Familienrates notwendig ist, so dass ein Veto geniigt, um die Durchführung einer vorgeschlagenen Maßregel zu verhindern. Je geachteter der Donmtschin, desto entscheidender sein Rat oder Antrag, ob es sich darnm handelt, bewegliches oder gemeinsames Gut zu — 48 — kaufen, einzutauschen oder ;n »erkaufen, Heiraten abzn>-schließen, einen Ttreit zu schlichten, ein jüngeres Mitglied in die Fremde zu seudcn oder irgend eine wichtige Peränderung in der Hausordnung zn treffen. Die Ächtung, welche ein solcher Domatschin genießt, ist dann auch eine außergewöhnliche nnd die Mitglieder der Tadruga nennen ihn in vielen Gegenden Gospodar (Herr) und küssen ihm die Hand. Ihm gebürt der Ehrenplatz und dcr beste Bissen an der Familientafel: altes erhebt sich, wenn er die Hütte betritt, man raucht vor ihm nur mit seiner Erlaubnis, Musik nnd Tanz dürfen in seiner Abwesenheit nicht beginnen. Hicr hat wol nur das Allgemeinste und Wichtigste ans dem häuslichen Gewohnheitsrechte in Bosnien und der Herzegowina Raum gefunden, mn einerseits den Bolkscharaktei zn beleuchten, anderseits auf das Originelle und Fremdartige hinzuweisen, welches die Basis des socialen Lebens in Bosnien lind der Herzegowina bildet. Es springt vor allein der fideicommissarischc nnd com« Munistische Charakter der Tadruga in die Augen, und dieser verdient so lauge eine sorgsame Pflege nnd Beachtung, als das Volt noch durchwegs von Ackerban und Viehzucht lebt. Weiter documcntiert die Tadruga bei den Südslauen ein starkes Gefühl für das dynastische wie nicht minder für das aristokratische Wesen, so dass jedermann, der beispielsweise aus den Äosnjalcn ein 3>olk von Demokralen machen, nämlich die Begs nnd Agas vernichte!, wollte, damit cinc durchaus verkehrte Auffassung ihres Boltscharakters bekunden würde. Die Begs sind als die Nachkommm der wrosmauischcn Kncsc und — 49 — Wojwoden und als stockconsewalwes Element so recht ein Product des südslawischen Nationalgeistes und für alle Zukunft der unverwüstliche sociale Kern des bosnischen Voltes. Die Fürsten und Staatsmänner in Serbien waren, wie uns scheint, nicht glücklich inspiriert, als sie bei ihrem Volke alles Erdenkliche thaten, um das Aufkommen einer nationalen Aristokratie ;u verhindern. Die Montenegriner haben, im Gegensatze da;n, ihre Wojwoden (Stammsührcr) nnd Barjaktare (Fahnenführer) in den ältesten Fannlien des Vandes aufrecht erhalten und damit einer natürlichen BetlMignng des Nationalgeistes in sehr geschickter Weise entsprochen. Für Bosnien lind die Herzegowina ist es heute ein zweifelloses Glück, dass die Institution der Hauscom-mnniou dort noch besteht. Diese dünnbevölkerten, an ergiebigem Vodcn so reichen Bänder würden in dem Augenblicke der Verarmung entgegen gehen, als die vollständige Aufhebung der Sadrnga und damit die beliebige Theilnng von Grnlld und Voden ausgesprochen würde. Das enro-päische Familienleben, welches der Entwicklung des Individuellen unbeschränkten Spielraum gewährt, geht noch weit über die Traditioucn und Bedürfnisse des bosnischen Volkes hinans, das vorerst noch in <^ehorsam lind organisierter Arbeit geschnlt lind geiil't werden mnss, dessen christliche Familien als gleichberechtigt mit den moha-medanischen vorerst erstarken urd erblühen müssen, wenn nicht das Bolk in Vegs nnd hnnderttanscndc ungefügiger und verarmter Atome zerstieben soll. Welches lenksame und leicht fassbare Element die Administration des Landes in der organisierten Hanscommunion nnd speciell in der u, G>!UVlüv, c >j, Poc>m,,'n !!,!d die '.'llbcnüiübcr. ^ — 50 — Person des Domatschin besivt, das nä'ber auseinanderzusetzen ist nach der obigen Darstellung nnd nach den Erfahrungen in unserer ehemaligen Militärgrenze kaum mehr notwendig..... Mittlerweile sind wir dem gleichförmigen Wege entlang nach dem Doppelstädtchen ttonjiza im Narenta-thale herabgesticgen, dessen beide Theile — das mohameda-nische 5tonji;a am linken nnd das christliche Neretwa am rechten Ufer — durch eine im ^ahre 986 von Konig Hwalimir erbaute steinerne Brücke mit einander verbunden sind. Obst und Wein werden hier viel gebaut und auf flachen Booten, von unterhalb >tonnjiza an, nach Mostar gebracht. Der ziemlich regsame Handel, wie die fleißige Hansindusttie, welche sich vornehmlich mit der Erzeugung von Pferdedecken beschäftigte, werden jetzt wol wieder einen Aufschwung uehmen nnd die Bevölkerung ihrer früheren Wohlhabenheit zuführen. Hinter Konjiza-Neretwa steigt die Ttraße wieder durch das Thal des Tcschanjiza-Bachcs das ^wan-Gebirgc lsinan, welches ganz nnd gar den (5harattcr des üppigen, rcichgcsegnetcn bosnischen Mittelgebirges trägt. Die gut erhaltene Ttraße führt zwischen Kastanieupflanzmigcn, durch freundliche Waldungen, die aus Gchcn, Buchen und Tilberlinden bestehen, dann au Weilern und Dörfern, die immer häufiger werden, vorüber, zur Rechten die Bjelaschniza mit der Alpe von Oranitschawa, aus deren Tannen- und Aucheuwalduugeu Tturzbäche iu schiefrigcm Bette der Bosna zueilen. Dann folgt znr Rechten der prächtige Igman, an dessen Hängen sich zahlreiche schmale Hirtenpfade im rcichdevöltcrteu Gebüsch verlieren. Meine Ansicht von Sarajewo. (S. 51.) — !)l — Waldbäche bilden feuchte Gründe und berieseln Bergwiesen, in deren üppigem Grase zahllose Reptilien, Ringelnattern nnd gemeine Vipern sich aufhalten. Das dichte Gestrüpp erlaubt nicht überall freien Durchgang und es birgt sich in seinem Schalten so manche seltene Pflanze. So senkt sich der Weg langsam zur Ebene von Sarajewo herab, in deren östlichstem Winkel die gleichnamige Hauptstadt des Maudes verborgen scheint. Die rcichbcwässerte uuo fruchtbare Ebene ist das Herz der stolzen Bosna und dort liegt die tausendjährige Stadt Sarajewo mit ihren hundert Moscheen und eben so vielen Stadttheilen auf einer Fläche von einer halben Quadratmeile ausgebreitet, von einein halben Hunderttausend Vosnjüken bewohnt. Zu beiden Seiten der Miljatschka, eines kleinen rechtsseitigen Zuflusses der Bosua, ragen Hunderte von schlanken Minareten mit glänzenden Blechdächern über die roten Dächer und buschigen Gärten empor — eine echt türkische Stadt liegt vor uus, iu der aber kein Mensch türtisch spricht. Nenn Brücken sind über die Miljatschka gespannt; man sieht sie fast alle der Reihe nach, wenn man ans der alten Festuug im ^sten der Stadt seine Aufstellung genommen hat. Die kleine Thalebene wird von hohen Bergen umrahmt, von denen sich mancher, so der Trebewitsch im Süden, wol über tausend Meter von der Thalsohle erhebt. Die Stadt selbst ficht weniger lieblich als ihr Panorama aus. Die Gassen sind krumm uud cug; Thiere wie Meuschen, wenn sie aus der Fremde kommen, haben Mühe auf dem glatten Pflaster von kleinen runden Steinen fortzukommen, ohne ein- über oaö anoere- 4* — 52 — mal zn stolpern. In dem Stadttheile auf dem linken User der Miljatschta geht es ziemlich ruhig her, dagegen herrscht am rechten Ufer, besonders an Wochenmartttagen, reges Leben, viel värm, Handel und Wandel. Dort ist nämlich die sogenannte Tscharschia, der Bazar von Sarajewo; ein Conglomerat von zahllosen Verkaufsbuden, welche ein halbes Hundert Gassen und Gässchen füllen. Dort sitzen Kauflente nnd Handwerker, Mohamedaner, Christen, spanische nud eingewanderte ^uden ruhig nebeneinander nnd preisen ihre einheimischen wie d'e fremden Waren an. Hier der sehnige Schmied an der lodernden Feuerstelle, den sausenden Hammer schwingend, dass die ssnnken sprühen und einen: die Ohren gellen; dort der magere Saras, der Geldwechsler, der schmunzelnd und geschäftig seine Rollen mit Piastern, kaiserlichen Dukaten und Maria-Thcresien-Thalern ordnet, dann wieder gedankenlos mit dem Noscnlran; spielt oder neidisch nach dem nächsten Saraf, seinem Concnrrentcn, auslugt: hier wieder der große Kanfmann, für den soeben von ermüdeten ^aslthicren schwere Warcnballen abgeladen nnd unter dem Schweifte der halbnackten Hamals (Vasttrager) in die Magazine eingelagert werden; dort wieder im ärmlichen ^nden ein ärmlicher Türke, der rote Thonpfeifen, Tschibukrobre nud Nargilehs feilbieten möäite, aber keinen Käufer findct, weil sein Nachbar, ein i'UMr Oiieche, nicht nnr dieselben Waaren, sondern mich Fes, fransen, Troddeln und Schleier mit listigen Anpieisnngen besser anöznbieten versteht. Jetzt trabt ein verstaubter Gendarm über das gefährliche Pflaster, dann werden mibcladene Karawanen dnrch dcn Bnzar getrieben. Äald darauf- — 53 — ruft ein schwarzäugiger Junge Kaffee aus und weun er mit Schritt und Stimme gerade innehält, so hat ihm gewiss ein gefräßiger Köter den Weg verlegt. Der Innge verfetzt den: Hnnd den üblichen Fnßtritt, das magere Thier drückt sich brummend und einen abgenagten Hammel-knochen zermalmend beiseite. Eiue verschleierte Moha-medaneriu in klappernden Holzschuhen nnd brannem Überwurfe bleibt vor einem Vaden mit buntbedruckten Tüchern stehen; man zeigt ihr allerlei, aber seufzend legt sie alles beiseite, denn alles ist ihr zu theuer und der vorsichtige Kaufmann giebt ihr nichts auf Borg. Sie schreitet weiter und weicht scheu und geneigten Hauptes einem Üonsnlats-Kawassen mit dem Heroldstabe aus, hinter dem gravitätisch der Vertreter einer europäischen Großmacht mit seinem Kauzler einherschreitct. Bald treten beide in den großen Laden eines reichen Kaufherrn ; sie nehmrn dort eine Schale schwarzen Kaffee, rauchen eiuige (5igarrctten und setzen ihren Svnziergang bis zum nächsten Bekannten fort. Treten wir in den Han, daß Einkehrhans, welches sich im Bazar befindet. Cs ist eben Mahlzeit nnd in der Porhalle sitzt um eine Holzplatte mit niederen Füßchen auf gekreuzten Beinen eine vornehme Reisegesellschaft, gerade mit hölzernen Vöffeln nach einer Schüssel langend, in der sich die milchartigc Suppe, Tschorba genannt, befindet. Nur ab und zu wirft einer oder der andere eine Bemert'uug hin, aber im allgemeinen herrscht Ruhe, ja sogar eine gewisse Andacht vor. Nach dem nächsten Fleischgerichte, zn dem das landesübliche fingerdicke, schwammige Brot, die Pogatfcha, genossen wird, trägt der — 54 — Wirt (Handschi) die Pita, cine fette, kuchenförmige Mehlspeise, auf und den Schluss bildet der Pilaf, die bekannte gedünstete Neisspeise. Als Dessert werden Honig und Kajmak, ein dicker Milchrahm, gereicht — man wischt sich Mnnd und Hände an der langen Serviette ab — nnd das Mahl ist ;u Ende. Schwarzer slaffee nnd Eigarretten werden noch hernmgereicht und jetzt erst beginnt die allgemeine Unterhaltung über das, was jeder in der Tscharschia vom Stadtgespräch erhascht und welche Geschäfte er abgeschlossen hat. Der eine hat sich übcr einen Geschäftsfreund, der andere über einen Beamten zu beklagen, weil ihm bei dieser oder jener Gelegenheit unnötigerweise hundert blinkende Dulateu entgangen sind. So ist aber mm einmal der Adet, das heißt der Blauch, und achselzuckend denkt jeder darüber nach, wie er den Verlust wieder hereinbringen wird. Noch lebendiger als in dcr ausgedehnten Tscharschia geht cs in ihrer Mitte, im sogenannten Telal, dem in Stein crbanten Trödelmarkte von Sarajewo, zn. Dort werden abgetragene Kleider, alte Schuhe, rostige Nassen, ja selbst Thiere — km; alles verkauft, wozu man eines Ausrufers bedarf. Diefer schwenkt seine Ware in der Luft oder tummelt seine Schindmähre nut einem Geschrei und Gejohle herum, als ob er ein Ehrenmann und alle übrigeu Ausrufer elende Betrüger wären. Hat der Ausrufer seinen guttu Tag, so ist sein Geschäft ziemlich einträglich, denn je theuerer er seinen Trödel anbringt, desto höher dcr Betrag, deu ihm dcr hocherfreute Eigentümer zuweudct. Dem Trödelmarkte zunächst, also ebenfalls in der Mitte der Tscharfchia, liegt der Bescstan, die große --- 9!) --- Kaufhalle, worin allerlei Schnittwaren zum Kaufe aus« geboten werden. Besestan wie Tetal sind Eigentum der islamitischen Geistlichkeit, sie sind also Waknf, für deren Benützung die Kaufleute einen jährlichen Pachtzins entrichten. Im Besestan befriedigen Bosnjaken wie Europäer ihre Bedürfnisse und diese Kaufhalle mit ihren Krenz-gängen giebt erst einen Begriff davon, welche Absatzquclle Bosnien für die österreichische Mannfactur ist oder vielmehr werden kann. Was sonst die österreichische Industriewelt ans dem wirklich gesegneten ^ande, das nur halb so dicht wie das arme, steinreiche Dalmatien bevölkert ist, machen kann, werden wol schon die nächsten Jahre lehren. Wenn in der Zukunft Bosnien Straßen nnd Eisenbahnen erhält, mit Kroatien, Dalmatien und Macedonian in raschen Verkehr tritt, dann wird auch Sarajewo wieder crblüheu, wieder die große Stadt mit 100.000 Einwohnern werden, welche sie einst gewesen. Sarajewo soll an der Stelle des römischen Sarite stehen, doch dürfte die Ableitung des Namens von dcm türkischen Worte Saraj, Residenz, viel näher liegen. Sagenhafte Chroniken versichern zwar, dass die Stadt im achten Jahrhundert nach Christi gegründet wnrdc, doch rühren die ersten verlässlichen historischeu Ueberlieferungen erst aus dcm 13. Jahrhundert, da Papst (Gregor IX. die Stadt Bosna als Bischofssitz bestimmte. Znr Zeit als Bosnien der Stcphanskrone gehörte, nahm die Stadt den Namen Bosna-War an, welcher im 15. Jahrhundert nach der türtischen Invasion in Bosna-Saraj und von den Eimvohuern sclbsl in Sarajewo verwandelt wurde. Vielfach wird behauptet, dass die Städte Bosna nno — 53 — Sarajewo durchaus nicht identisch seien, dass vielmehr die erste Residenz nicht an der Miljatschka, sondern am Ursprnng der Äosna gelegen war nnd daher ihren Namen hatte. Obwol es möglich, ja sogar wahrscheinlich in, dass die Residenz ihren Namen nicht r>oin Bache, sondern von jenem des Bandes ableitet, so wird dagegen von anderer Seite angefahrt, dass noch hcntc an den Quelleu der Bosua die Grundmauern einer alten Kirche zum heiligen Basilius sichtbar sind, und dass also die alte Stadt Aosna an dieser Stelle und nicht au der Miljatschka gelegen war. Nach dieser letzteren Annahme lMteu die ersinn boönischeu Begs Slatarouics und Tokolouics uud mit ihnen der erste Vexier von Bosnien, Kosrew Pascha, die heutige Stadt Bosna Saraj gegründet. Es werden wol noch Jahre darüber vergehen, bis in die Urgeschichte Bosniens wie seiner Residenz mehr Sicherheit nud Wahrheit gebracht sein wird. Die Aufzeichnungen der Klöster in Bosnien werden wol einiges dazn beitragen, dagegen dürfte die Durchforschung der Archive in Dalmatien, besonders in Ragusa und Venedig, daukeuswerte Auffchlüsse über die alte Geschichte, die uortnrtischcn Sitten nnd (Gebrauche Bosniens und der Herzegowina ertheilen können. Und für tciues der süd-slavischcn Gebiete ist der Adel, das Althergebrachte, von solcher Wichtigkeit, wie für Bosnien, wo sich bis Mi heutigen Tage — nm nur eiue der bedeutsamsten Traditionen zn erwähnen — die feudalen Institntionen der augcsehcuen Familien des Vaudes mit unaustilgbarer Hartuäcligteit erhalten haben. Serbien nnd Montenegro sind nach der Pertreibuug der Türken nnter die dcmo- — 57 — t'ratischeu Staaten getreten, Kroatien, Slavouicn und das Bauat haben fremde Institutionen angenommen, während Bosnien fortan feinen alten sseudaladel behalten dürfte. In historischer Beziehung nnd in Rücksicht anf die groß-serbischen Aspirationen ist es gewiss nicht uninteressant hervorzuheben, dass Sarajewo, gleich einem kleineren Theile Bosniens, unr wenige Jahre und gerade nur zur Blütezeit des serbischen Reiches demselben nnterthau war. Bosnien hatte seine Bane, war also selbständig oder gehörte später ;u Kroatien oder Ungarn, und es ist bekannt, dass noch Mathias Eoroinus Sarajewo abermals den Türken entrissen hatte. Erst durch die Schlacht von Mohacs (1527) fiel Bosnien an das türtische Reich, Aber fchon hnndertmerzig Jahre später bedrohten wieder die kaiserlichen Truppen Sarajewo, dann folgten die Kriegszüge Ludwigs von Baden, der Draskovics und Baithyanyi und endlich im ^ahre 1697 der neuntägigc Reitermg des Printen Engen von Savoyen, welcher mit der Eroberung Sarajewos endete. Am 31. October des geuaunten wahres sendete Prinz Engen einen Eornct vom Rcgimenle Eaprara mit einem Trompeter als Parlamentär au die Besatzung von Sarajewo. Die Türken jedoch hieben den Trompeter zusammen uud der Eoruct wurde mit fünf schweren Wnuden ans der Stadt gejagt. Prin; Eugen fand ihn am nächsten Tage in bedauernswertem Zustande vor Sarajewo nnd nahm empört den Bericht des armen Eornet entgegen. Msoglcich ließ er, obwohl sein Eolps nnr 600U Mann zählte, die Höhen bei Sarajewo besetzen, die Stadt beschielen und ein tleines Detachemcnt erhielt — 58 — den Befehl, dieselbe rasch zu besetzen und als Strafe für die Ermordung dcs Parlamentärs zu plündern. Die Wut dcr Kaiserlichen ging aber so weit, dass sie sogar, gegen den strengen Befehl der Commandanten, in allen Staottheileu Brand legten nnd den Begs von Sarajewo alles abnahmen, was diese ans ihren Ranbzügen 1n Kroatien, Slavonien und im südwestlichen Ungarn erbeutet hatten. Nicht minder blutig war die Einnahme von Sarajewo, welche die k. t. Truppen am 19. Augnst 1878 in glänzender Neise unter der Führung des Feldzeugmeisters Josef Frciherrn v, Philipovich ausgeführt haben. Damit wurde ein Unternehmen militärisch gekrönt, dessen civilisa-torische und politische Fortsetzung der Zukunft anheimfällt. Der milden und gerechten Hand dcr österreichischen Regierung, welche innerhalb der Monarchie die verschiedensten nationalen und confessioucllen Elemente durch die strenge Handhabung der Gleichberechtigung zufriedenzustellen vermag, wird gewiss anch in Bosnien die beruhigende und civilisatorische Mission zum Wohle und Gedeihen der dortigen Bevölkerung auf das Beste gelingen. Zur Vervollständigung des Bildes, das wir bisher von Bosnien geboten haben, bedarf es noch der Schilderung der Katholiken und ihrer Repräsentanten. Sie gehörten gleich den übrigen christlichen Brüdern griechisch-orientalischer Eonfcssion zur rechtlosen Rainh, mit welcher die osmanische Regierung, wie die Bc^s, nach Belieben versügcn konnten. Und wie wir bei den Griechisch Orientalischen als Repräsentanten einen Geistlichen vorgeführt haben, so müfsen wir es auch bei den Katholiken thun, deren naturgemäße — 59 — Repräsentanten die im ganzen ^ande als Pfarrer und Klöstermönche zerstreuten Franziskaner sind. Die Brüder und Vater aus dem Orden des heiligen Franciscus von Assist gehören mit zu den Wahrzeichen der stolzen Bosna. Der lateinisch celebrierende Mönch mit dem martialischen Schnurrbart und bis vor kurzer Zeit noch mit dem Fes auf der Tonsur ist durch diese äußerlichen Kennzeichen nach seiner historischen Entwicklung und politischen Stetlungschärfer charakterisiert als man dies durch eine noch so eingehende Schilderung vermöchte. Die Franziskaner waren seit sechs Jahrhunderten das einzige vermittelnde Band zwischen Bosnien uud dem Occident. Tie waren nie ein eigentlich nationaler Clerus, weuu sie aber vor vier Iahrhundcrteu den Fes aulegtcn, so geschah es doch mehr, um sich und ihreu katholischen Glaubensgenossen eine Reihe von Privilegien und unter der türtischen Herrschaft eiue Existenz zu erwerben, zu welcher sich die Griechisch-Orientalischen nie emporschwingen konnten. Die Franziskaner haben in Bosnien zu jeder Feit mehr unterhandelt als opponiert, sie verlebten aus Opportuuitätsgrüudeu sogar die strenge Obscrvan; ihrer Ordensregeln und die „I'rati-es minorss" wurden auf solche Art sehr llnge, praktische Wcltgeistliche, denen es vor allem um das Gclingeu ihrer religiösen und ihrer (lulturnüssiou zu thun war. Nachdem sie vor der Türken-Invasion über :;0 Klöster und 150 Kirchen inne hatten, schmolz die Zahl der Mäubigeu unter der Herrschaft des Haldmondes so sehr zusammen, dass Bosnien vor etwa hundert Iahreu nnr 50.000 Katholiken zählte, während sie heute über 207.100 Seeleu betragen sollen, die in — 60 — 1428 Ortschaften, in 117 Pfarren mit ^70 Geistlichen wohnen. Die etwas erträglichere ^age der katholischen Rajah ist znm gros?cn Theil dem Mute nnd der Klugheit der Brüder Franziskaner zu danken, die schon Mehmed II., dem Eroberer Bosniens, im Jahre 1463 Privilegien abzuringen wussten. Sarajewo war erobert; Sultan Mchmed zog nordwärts, um das Vand vollständig zu unterjochen. Zwei Stunden von Fojniza schlug er sein ^ager auf: alle Bewohner flohen vor dem grausamen Eroberer in die Wälder und Schluchten. )lnr der Franziskaner Angelus Swisdovics, ein hageres, blasses Männlcin, fasste Mnt, trat vor den Sultan und erklärte ihm, dass sich nach dem unabänderlichen Beschlusse (Gottes Bosnien so lanae nicht beruhigen werde, bis nicht der Sultan den Christen die freie Rcligionsnbnng gestatte. Pater Mgelus muss durch seine Rede einen tiefen Eindruck hervorgebracht haben, denn der Sultan verlieh nicht nur den Franziskanern und Katholiken das unter dem Namen Athnama bekannte Privilegium, sondern er schenkte Angelns auch einen tM'aren, nnt Sternen besäeten Mantel, der heute noch im Kloster von ^ojni;a aufbewahrt wird. Die .Augheit der Franziskaner, wie ihre Macht, sind eine Folge ihrer occidentals Bildung, welche sie in den Seminarien der (ünn^i'pFktm in Noni und in der lebten Zeil in den kroatischen nnd ungarischen Seminarien, besonders iu Gran und Djakowar, erhalten haben. Ihre griechisch orientalischen Äerufsgenosscn wurdeu dagegen blos' in den Mistern und Pfarreien des vaudcs zur Not im Gottesdienste unterrichtet und das Phana- — 01 — riolentnm desorganisierte sie vollständig. Der Einfluss der Franziskaner in Bosnien hat also seine Begründung wie seine Berechtigung und es ist zweifellos, dass sie, wie jede christliche Geistlichkeit in unculti-viertcn Vändern, bei tlnger und vorsichtiger Verwendung ein vortreffliches Medium der politischen und socialen Voltserziehung sein tonnen. Neben den Franziskanern nimmt uoch eiue kleine Colouie des Trappisten-^rdens in Maria-Ttern bei Bau-ialuka eine thatsächlich cultivierende Mission in Anspruch. Nach Äesicgung großer Tchwierigteiten gelang cö ihuen endlich im ^'andc Fusi zu fasscu und Maria-Ttern ist eine erfreuliche (5ulturoase in jeder Beziehung. Die Brüder Trappisten mit dem Gelöbnis der ewigen Schweigsamkeit sind nicht unr Mönche und Teelsorger wie andere, sondern für ihren Bezirk auch mustergiltige Ackerbauer, Obstgärtner, Weiubauer, Bierbrauer, Baumeister, kur; sie haben alles angesasst, wozu der reiche und ergiebige Boden Bosniens Veranlassung giebt. Tie haben gleich deu Vätern und Brüdern vom 5)rden des heiligen Francisco nicht uur in ihrer gcistlicheu Stcllnug das Christentum auf otw^ manischem Boden, sondern anch die Pfropfreiser enro--pmschcr (5nltur, gleich streitbaren Äionchcn in längst vergangenen Jahrhunderten, gegen asiatische Bedrückung verteidigt. (5ine der charakteristischesten Gestalten unter ihuen ist Pater Frau;, der iudesseu auch uuter den ^ranzistaueru seinen geistes- uud gemütsvcrwandten Genossen hat. Er ist ein Alaun vom Tchlage der (5apistrau uud Haspinger, einer, dcr Gottes Wort ebenso eindringlich ;u predigen, — 62 — als die Büchse im Falle der Notwehr zu handhaben weiß. Aus solchem Holze mögen die wehrhaften Mönche des Mittelalters geschnitzt gewesen sein. Rasch in der Auffassung, überzeugend in der Rede, von quecksilberner Gewandtheit in Gedanken und Geberden, macht er deu Eindruck eines klugen nud energischeu Verfechters der streitbaren Kirche. Obwol ein Deutscher von Geburt, kennt er wie kein zweiter Land nnd Leute in Bosnien und wir überlassen ihm gerne das Wort anö einer Reihe von Briefen, die uns vorliegen. Sein erster Brief ist eine Winterklage ans vorösterreichischer Zeit, die mit folgenden Worten beginnt: „Die großen Schneeflocken fallen senkrecht vom Himmel nieder; es ist recht finster bei nns im Werbas-thale. Kein Mensch weiß, wie viel es an der Zeit ist. Du magst von einem Ende des Wcrbasthales bis zum anderen laufen. Du magst in hundert Hütten fragen: „Wie viel Uhr ist es? ^st's Mittag? Ist Kmdfcha (3 Uhr nachmittag) ? Wie viel ist es noch bis Akscham sSonnenunter-gang)? — und niemand kann es Dir sagen. Wenn das leuchtende Gestirn am Himmel nicht Auskunft giebt, weiß niemand, woran am Tage er ist. Denn in keinem Dorfe findest Dn eine Uhr, wcder eine Taschenuhr, noch eine Stubeuwanduhr, nicht einmal eine Schwar^välderuhr um zwei Gulden. Anf einmal ertönt in ihrer Mitte das Glöcklein, lieblich und silberhell, wenn es auf unserem itirchdache spielt. Das Glöcklein verküudet die Mitteluacht bci unserem Nachtoffimim, das Grauen des Morgens beim Ave Maria, die folgenden Morgcnslnnden bis Mi Mittag bci nnferem Gottesdienste und den Mittag selbst bcim Ave-Maria." — 63 — Nun geht Pater Fran; daran, uns nnf alle erdenkliche Art ;u beweisen, dass alles und jedes, was man bei uns daheim an den Trappiften als „3trcnghcil" betrachtet, in Bosnien von der Bevölkerung als Delicatesfe, Bequemlichkeit und Weichlichkeit angesehen wird. Er beginnt mit der Bekleidung und erzählt uno, dass die vermöglichen Bosnjaten in der kälteren Jahreszeit weißwollene Kleider, nämlich die Männer Hosen, die Weiber Kittel und darüber ein solches ^Wams oder eine Jacke bis aus die Knie tragen. Aber viele gehen in leinenen Fetzen Sommer und Winter umher. „Wie grob auch unser weißes Trappistentnch ist," meint Pater Franz, „so ist doch das Tuch des Bosujaken um 10 Procent gröber. Wie ost hat,mir ein Bosniake über meinen Habit gestreichelt nnd gesagt: ..X<^la'se. Mehr als eiumal ist mir begegnet, dass so riu Bosuialc von weitem zu uns tam uud lim eine Medicin bat, für sich oder scin krankes Rmd und Pferd, uud w^nu ich fic il,m überreichte — natürlich gratis — so griff er uach smiem Hemdschlilz — 65 — und zog eine Henne oder einige Äpfel oder dergleichen hervor zum Geschenk; denn hier besteht noch in voller Kraft die orientalische Titte, bei Besuchen Geschenke zu machen, uud beständen diese auch unr in einem Maiskolben oder ein paar Eiern." Ebenso treffend und voll humoristischer Wendungen ist die Schilderung, welche Pater Franz von der Nahrung der Voönjakeu entwirft, und gegen welche der asketische Speiözettcl der Trappisttn noch immer wie eine Reihe lucnllischcr Genüsse sich anönimmt. Er schreibt: „Gewissen Feinschmeckern rieselt's über den Rücken, wenn sie hören, dass die Trappistcu ihre Speisen nicht mit Bntter, Schmalz, oder irgend einem Fette, anch nichc einmal mit Ol anmachen, dass sie sich keiner Gewürz dabei bedieueu und zu Adueut und ;n den vierzigtägigen Fasten ihre Speisen, wie Kraut, Rüben, Erdäpfel, Kohlrüben, Kohl, nur mit Wasser und Salz anmachen uud sich des Fleisches, der Fische uud Eier ganz euthalten. Aber was essen die RajahS? Ein- oder zweimal des Tages warmes Knknrntzbrot, das ohne Sauerteig gebacken worden nnd klotzig-schwer, weil nnr mit Wasser angemacht ist. Tie Wohlhabenderen essen Krauttöpfe dazu, welche sie ohne zn schneiden — sie haben ja keinen Hobel — in einem Bottich sauer gemacht haben. Die Trappisten schneiden doch znvor die Köpfe zu Kraut und sieden wenigstens dasselbe — und so ist es, wenn auch uicht gcschmalzcn, so doch gesotten. Nieder andere, die sich schon giiilich thnn, cssen ;nin Maiöbrot Bohnen, die sie, wie wir, im Wasser sieden. Höchst selten sieht man die Najah Milch zum Vrot essen, weil ihr Vieh keine Milch giebt und bei solcher Behandlung weder diese, — 00 — noch Butter oder Rindschmal; geben kann. Eier und Schweinefleisch müssen sie uerkaufeu für unumgänglich notwendige Dinge oder um die Forderungen der Grnnd-herrcn zn begleichen. Das ungegohrene Kukurutzbrot ifi also ihre Hauptnahruug, die anf folche Art wol einen groben Bauch, aber wenig Kraft macht. Wahrscheinlich von diesen Brote entstehen die unzähligen Epulwürmer, an denen hier fast alle Kinder leiden und dahin siechen. Dies hat mich bewogen, mich anch mit diesen Kleinen zu befassen, nnd darnm hat's oft den Anschein,- nnscr Kloster sei eine Kleinkinder-Bewahranstalt. Wenn mich die Hausglocke an die Pforte ruft, so finde ich sie oft belagert von solchen wnrmleidcudcn Kindern, die man auf Pferden oder auf den Armen hiehcr getragen; anch mit Wiegen werdc ich hie uud da bedacht. Viele von diesen Kindern haben Fieber; ich gebe ihnen gegen die Würmer meistens China und fo werden sie uon Würmern und vom Fieber befreit. So sind im Kloster Maria-Ttcrn schon Hundcnc von Kindern curiert worden." Die Trappisien lsfcn adcr nicht nur besser als die Vosnjaten, sie wohnen in ihren tahlen Klosterzellen gleich großen Herren, die wissen, was leben heißt. „Unsere legend durchzieht eine seltsame Wehmnt. Überall wo der Türte herrscht, leibt nnd lebt, aus jedem Dorfe, ans jedem Fenster, alts jedem Gesichte schant überall der Tod heraus. Der Tnrlc lann nur verzehren nnd genießen, aber nichts schaffen nnd crzengen. >^a doch, schaffen lann er: Würmer, wie ein übersmndcncr Käse, schaben wie ein abgelegter Strumpf, Fäulnis »md Molche wie ein stocken« des Wasser." Und uach dieser streitlustigen, aber that- — 67 — fachlichen Bemerkung fährt der Pionuier der europäischen Cultur in Banjnlnka fort: „Beginnen wir ein bosnisches Pächterhaus ;n bauen. Außer einer Axt brauchen wir tein Instrument da;n. Nir gehen in den nächstbesten Nalo, hauen eine laiche nieder, spalten aus ihrem Stamme mehrere Pfosten heraus und richten sie mit der An in väugc, Breite nnd Dicke zurccht. Dann schleppen wir sie auf dem Rücken oder mit Ochsengespann ans die Baustelle und stellen damit mer, etwa vier Schnh hohe Vände ans, ans dem Grundrisse eines zwei Klafter langen nnd breiten 3^nadrats. Darüber legen wir eichene Schindeln und das Hans ist fertig. Zufällig und zum Glück waren anf einer Seite die Bretter der Wand ;n kur; und das giebt just die Thüre. Damit man den Kopf nicht am oberen Thürstock anschlage, ist dadnrch uorgesorgt, dass das tiefer herabrcichende Schindeldach noch früh genug ans Kopfbücken erinnert. In den meisten Hütten giebt es feine Abthcilnngswand; das Innere ist nnr On leerer Ranm. Anf der nackten, nngedicl-jen Erde fitzt, schläft, isst, kocht und arbeitet man, ohne jeden Stnhl, Tisch oder Schemel. In der Mitte anf dem Boden brennt das ^eucr Tag nnd Nacht, Tonnner nnd Winter, denn es ist nicht allein nötig ;um Erwärmen der Glieder, sondern anch ;nm Brotbacken. Ist das >luturnlMehl mit Nasser ;n einem Ballen Teig zusammen-gedrückt, so hebt man die Glut von der Stelle, wo die (i'i'de warm ist, legt den Teig hin, überzieht ihn mit der heißen Glntaschc nud lässt ihn so backen." „Die Construction der Hauswände ist derart, dass dnrch die Fngen derselben leicht Vögel schlüpfen können, — 68 — ich glaube damit der Rauch des Feuers leichter entweicht. Wie oben beschrieben, baut übrigens nur ein wohlhabenderer Pächter: ein Anfänger baut bci weitem nicht so splendid Dieser schlägt sich uur mehrere Zauustecken im Kreise herum in den Boden, flicht sie mit biegsamen, dünnen eichenen Ästen ein und macht von Ttren oder Kuturuustroh eiu Dach darüber. Hie und da werden wegen Warmhaltung die Baumäste der Wände uoch mit ?ehm verschmiert. Eine solche Wohnung hält schon bis zur zweiteu Generation mit mehreren Reparaturen; erst die zweite Generation erschwingt sich dann zum massiven Holzbau." Wenn schon das Trappisientloster mit seinen Zellen gegen solche Nohnräumc wie ciu Palast auösicht, so erlaubt noch weniger die viegestätte des Mönches, mit Tlro'i-sack, Ttrohpolstcr nnd Volldecke, einen Vergleich mit der Schlafstelle des Booujatcu. „Er lcgt sich anf den nackicn Boden zuln Feuer hin oder höchstens bedient er sich einer langen Schindel, ans die er sich hinstreckt wie ein um-gestürzter Mehlsack - uichts als seinen Arm uuler dem klopfe. Älauchmal liegt cr auf dem Bauche, mit dem Kopfe ans sciuen Handen. 3o liegt die ganze Familie um das Feuer; die linder am nächsten, aber auch im Winter nur mit einem Hemde angethan. Die Erwachsenen schlafen in ihren Neidern, auch oft mit dem nassen 3chlch-wert, oder es wird dieses bis zum Morgen über d^iu Fener getrocknet. Die Kinder bis zmn 1.5. ^ahrc sind immer bloßfüsiig, im Sommer wie im Wiutcr, und je jünger das Kind, desto weniger Neider betommt es. Der Täugliug ist ganz nackt, und erst das >tiud, das gehen — 69 — kann, erhält ein Hemdlein, und in dem Majie, als das Schamgefühl der Heranwachsenden zunimmt, verlängert sich das Hemd." Wie im reben, so hat's auch im Tode der Trapftist viel besser als dcrBosnjake, der ohne Wegzehrung, ohne Trost ins Icnseus wandert, „seine Nachbarn," erzählt Pater Franz, „graben ein Grab auf dem Gottesacker, deren es mehrere auf jedem Dorf giebt; dann holen sie unter dem Geheul der Weiber, das dcu Todtenansager überflüssig macht, die Veiche, legen fie mit dem unbehauenen Sarg in die Grube, ohne Tang und Klang, »ins crues et luoe. Dass ein Priester auf das ^'aud lnnanögeht, ein Pfarrkind zu beerdigen, ist eben nicht Branch..... Hcnte nachmittags läutet man rasch an der Pforte unseres Klosters. Ich gnckc durchs Fenster und sehe zwei bos-njaliscbe Vancrn, wovon der eine ein neues Kistchen auf seiner Achsel trägt. Ich rnfe hinab: „Was willst Du?" Er ruft herauf: „Gieb mir eine Haue nnd eine Schaufel, damit ich dieses Kind begraben lanu." — ..Was für ein Kind?" — „Mein Kind," war die Autwort. — „Dn willst Dein Kind eiugraben?— „Ja".— „Wo hast Du dieses Kind?" — „Hier in der Kiste. Gestern ist's mir gestorben. Icbt trage ich es auf dm Kirchhof hinauf." — Es ist etwa zehn Minute» r>on nus, im Walde drinnen, ein alter Gottesacker und dorthin trägt er das Kind, nm es ohne irgend anderer Beisein zu begraben. l5r lam mit dem Kinde aus einem anderen Dorfe: dem Armen fehlen, obwol er ein vcrmöglichcr Kmct (Pächter' ist, Haue uud Schaufel. Ich gebe ihm fie nnd er ist froh ob dicsor Wohlthat." — 70 — Zum Tchlmse gebe:: wir noch eine Schilderung der Fronleichnams Procession, welche die Traftpisten im Jahre 1871 in Banialuta abgehalten haben. „Wahrscheinlich war dies die erste Fronleichnams-Proccssion seit der l^hrij'lenlicrfolgnng in Äosnien. Wir halten sonst unsere Professionen nicht im Freien, sondern im Innern dcs Klosters das ist in den Kreuzgängen. Da diese aber nur auf einer 3cite fertig sind, so ging's diesmal hinaus in C^otteo frcic Natnr. Friihmorgcns bei Sonnenaufgang schon sammelten nnsere Nachbarn und Gläubigen Feldblumen auf Wiesen nnd Äckern und brachten sie als ihr freudiges Morgenopfer — neugierig, was daraus werden soll' dcun so etwas, sagten sie, haben sie noch nie gesehen. Unsere Taglöhner und HmiowcrtÄeutc kletterten auf Eichen und Buchen, nm Korbe voll ^aub zum He-strenen des Weges abzustreifen. Nachdem so der Weg in aller Frühe bestreut war, ging's zum Auszüge, ^oran unser siarter Bruder Tchmicd mit dem Grenze, um dieses allen ersichtlich ;u machen, seien es Freunde oder Feinde dcö Kreuzes; dann folgten unsere Handwerker und Knechte mit brennenden Kerzen und im europäischen Anzüge. Nun tanicn uuscre Brüder und Patres mit Kerzen und Rauchsässern unmittelbar vor dem Tanctissimnm, über welches zwei Tiroler Maurer in ihren grauen Nocken eiucn Himmel hielten. Nach dem ^auctissimum folgten die beschichten nud barfüßigen Bosnien, in großer Andacht nnd sichtlicher Frende ihr „OtsoliO n»8e>i" (^^^r unser) betend. In nnscr „Tanctns, Kanctus, Tanctus" und «Gloria Patri" ans allen Vrudcrk'lilen ließen ans dem nahen Waldsanmc dic Nachtigallen in langen, langen — ?l — Scalen ihren majestaiischen Choral erlöncn und hoch über unseren cmblößlcu stopfen, über dem Himmel des 3a:ic-tisfimi, über dc:n Klostergiebel und über den in der Tonne sich spiegelnden Wasserfluten dco Werbcio trillerten Lerchen ihre lustige Morgcnhymne — uud mit Recht, denn sie halten jn noch uie hier in Bosnien den Herrn der Heerscharen als Meuschcnsohu so einherschrcitcn gesehen. Diesem fehlte mir noch harmonisches Glockengeläute; doch daran sind weder wir, noch die Türken schnld, nicht weil wir clwa ;u träge wären, sie ;n lä'nten, oder die Tüllen unwlcrant, sic nicht ;u dnldcu, sondern es fehlt hiezn an Vietall." 3o nehmen wir denn Abschied von den Nalholitcn in Bosnien nnd dem freundlichen Trappisten von Maria-3iern, der gleich einer Gestalt ans für uns (5nropäcr längst entschwundenen Tagen in unsere Zeit hineinragt, um den libergang ;n bilden aus dem jahrhundertelangen schweren Schlummer, in welchen Bosnien durch die Herrschaft des Halbmondes versunken war, zu der Zeit, da lustiges Glockengeläute es wieder erweckt hat ',n einer dauernden und vcrheiswngsvollen Znkunft unter den schützenden schwingen des kaiserlichen Doppelaars. . . 3o wie Pater Fran; vermag der gewöhnliche Bosniake allerdings nichl ;u schildern. Dieser hat seine gan;e Intelligenz in den Volksliedern, Fabeln und Sprichwörtern niedergelegt , die von Mnnd ;n Mnud gehen, von Zeit ;u Zeit bereichert werden und theilweisc auch wieder verloren gehen, ^inc eigenartige Bethätigung des Voltsgeistes in Bosnien und der Herzegowina nach dieser Richtung finden wir in dcli „Pitali;e", welche die Mitte halten zwischen Tprich- — 72 — wort und Anekdote und iu der Form r>ou ^rage uud Antwort abgefasst sind, welche von irgend einer der voltstümlicheu Figureu des Laudrs ausgehen. Die Rajah und dcr Heg, der i>iadi (Richter) uud dcr Angeklagte, der Mönch und sein Pfarrkind, auch Mann und Neid werdcu iu humoristischer Necksclrcde aufgeführt, und schildern so die Sitten uud Gebräuche des Volkes, wie desseu ^eideu und Vünsche. Es ist selbstverständlich, dass die Klageu über die Bedrückungen dcr Bcgs und Kadis die hervorragendste Stelle in diesen launigen Vechsclredeu einnehmen: danu fiudcn sich nicht minder zahlreiche spöttische Bemerkungen über die Töchter <ävas und es zeigt sich, dass die Schwiegermütter in Bosnien und der Herzegowina ebensowenig beliebt sind, als anderswo in der Vclt. Dem indolenten, habgierigen Popen hat daö Volk ebenfalls eine Reihe von Anekdoten gewidmet, und wenn eo gilt, dcm Tiirteu eine saftige Antwort zu geben, so ist gewiss der Nationalhcld Aralje-vics Marko der mntige Sprecher. Beginnen wir mit den urwüchsigen Aphorismen, welche gegen die unerträgliche Herrschaft der tnrtischen l^ruudherrcn gerichtet sind. Der Sohn fragt den ^>atcr: „Haben wir clwas, was nicht dem Aga gehört?" „Za, zwei Sachen, unsere Seele und unsere Schweine," lautete die Antwort. . . . ,,^ic stehst Du mit dem Aga> — „Gott bchme mich vor - dem, was ich noch zn ertragen vermag". . . . „Wie viel beträgt deine Vast?" fragte ein Esel den anderen. — ,.^ch messe sie nie: ich weist unr, wann ich überladen bin," lautete die Autwort......>iann dcuu nach (vierem >ioran ein Christ in Cnercn Himmel lommeu?" fragte cin Rajah. — „Ja, wenn dcr Christ - 73 — 40 Jahre dem Türken gedient hat und dieser ihn dann getödtet hat," versetzte der Aga... . „Warum duldet Ihr die Bednickimg der Türken?" fragte ein Montenegriner. — „Gott ist hoch, der Kaiser weit und wir haben es schon gewöhnt," antwortete der Rajah.....Arbeitet Ihr denn etwas?" fragte man einen Türken. — „Wir haben keine Zeit da;u. Wir beten fünfmal des Tages nnd in der Zwischenzeit kommen wir r>or Tabak nnd Kaffee nicht zur Arbeit"......Wie viel bist Dn dem Aga schuldig?" — „So viel er will." — „Und wann musst Du ihm zablen?" — „Wann und so oft es ihm einfällt". . . . „Venn ist der Aga am schlimmsten?" — „Wenn er verarmt." — „Und wann ist er Dir am liebsten?" — „Wenn er hin wird". . . . „Wer ;ieht Euch Najah die Zähne?" — „Der Barbier die schlechten, der Aga die guten". . . . „Du hast es gut, Mönch," sagt der Aeg, ^Du hast weder Sorge für die Weiber, noch für die Kinder." — „Tauschen wir einmal," versetzte der.^talndjer. — „Ich will mir's noch überlegen," erwiderte rasch der Geg. . . . „Möchtest Dn ein Türke werden?" fragte der Oeg den Marko. — „Nicht um schweres Geld; nur wenn Du ein Christ würdest." — „Warum?" — „Damit Du erfährst, wic's der Rajah unter Enerer Herrschaft ;n Mute ist". . . . „Aga, Du hast vergessen, mir die Kuh zn ;ahlen," sagte der Naiah. — „Ich höre heute schleckt," antwortete der Aga. — „Und wanu soll ich Dir das Schmal; bringen," fragte der Rajah mit leiser Stimme. — „Was, Dn hast eS mir noch uicht gebracht", versetzte rasch der Aga......Wcistt Du, dass es mir leicht fällt, ein Christ ;u werden?" meinte der Aeg ;n — 74 — einem Fremden. — „Wie so?" — „Das Kren; nehme ick auf mich, das Spanferkel vor mich mid dann bin ich cm Christ — und noch immer der Beg". . . . „Was wirst Dn ihun," fragte man den Türken, „wenn der Tjesar (Kaiser) ans Wien iiber Ench kommt?" — „Das Kren; wird nicht schwerer sein als der Halbmond". . . . „Was sieht man am seltensten bei uns?" — „Einen armen Türken und eine magere San".....,Wer ist Dir lieber, der böse oder der gute Aga?" — „Der böse nimmt mir eine, der gute beide Kühe". . . . „Was wünschest Dn dcm Beg," fragte man weiter dcu Rafnh. — „l^ott gebe ihm Alles, aber wie ich es meine"......Warum will der Beg dem Najah nicht gnädig sein?" — „Der Betrunkene versteht den Nüchternen nicht, der Satte den Hungrigen nicht". . . . Die Anekdoten, welche dem ehrwürdigen Richterstande, den Kadis, gewidmet sind, beziehen sich insgesammt auf die Bestechlichkeit und Habgier derselben. . . . „Toll ich den Oiaur hereinlassen?" fragte der Thürhüter den Kadi. — „Wenn er ctwas in den Handen tragt, su soll cr warten; ist er beladen, dann öffne ihm beide Thür' flügel". . . . „Wie geht man zum Kadi?" — „Zu ih:n mit vollen, vou ihm mit leereu Säcken". . , . „Werden wir eiu gutes Jahr l)abcu?" fragte man dcu Kadi. — „Viele vielleicht nicht, ich aber jedenfalls". . . . „Ich wollte Dir ein ^auim bringen," sagte der Rajah zum Kadi, „ich wnsotc aber nicht, ob ich Dir ein weißes oder ein schwarzes dringen soll." — „Die Kammer schätzt mau nicht nach der Wolle, sondern nach den vieren," versetzte der Kadi, der in der Regel nur fette Mmucr liebt. . . . — 75 — Der Tinte fragte den Kadi: „Was dürfen wir oft wechseln?" — „Das Weib, wann Du willst, den Fes und die Pantoffeln, wann Du lmmst," erwiderte der gesetz-klmdige Mann". . . . „Was ist das für ein Zusammenlauf und Lärm im Ba;ar?" — „Unser Kadi will ein gerechter Mann werden lmd die Tüllen erlauben es ihm nicht".. .. „Wann fällt Dir der Richtersvruch am schwersten?" fragte man den Kadi. — „Wenn ich emcn armen Türt'm nnd einen llngcn Rajah vor mir habe".....,Ist es streng verboten, ein gestohlenes Vamm ;n essen?" fragte der Nniah. — „Das versteht sich ron selbst," antwortete der Kadi. — „Ich habe aber heute früh eines gestohlen uud bringe es Dir". — „Gut, gut," versetzte der Kadi, „;wischen einem gestohlenen und einem geschenkten ^mnmc ist ein großer Unterschied". . . . „Wer ist Dir, Rajah, lieber, dcr Aga oder der ttadi?" — ,^Der Slock hat zwei ^lldeu"......Wie viel soll ich dem Kadi für seinen Nichtcrspruch geben?" „Dcr Wolf frisst anch die ungezählten Hämmer". . . . Als der .Kadi ciueu reichen Dieb ver-urtbcilcn sollte, sagte er: „(5r hat nicht gcstohleu, er hat nnr genommen, ohne dass icmand dabei war." Aber auch die christliche Geistlichkeit scheint es mit dcr christlichen Nächstenliebe und Freigebigkeit nicht viel anders ;u nehmen, wie nachfolgende Wechselredcn beweisen. „3ag' mir, Pope, hast Dn icmals was hcrgcscheütt?" — „Mil der rechten Hand segne ich, mit der linken Hand nehme ich uud eine dritte habe ich nicht," antwortete der Mann vom Worte Gottes.....,Nlvah, wen erwartest Dn lieber in Deinem Hanse, den ,val„djer oder den Aga? — „Gott bewahre mich sie im Hanse ;u ermatten, — 70 — nicht einmal vor demselben". . , . „Wie oft kannst Du, Pope, heiraten?" „Wenn Tic Geld hat einmal, sonn gar keinmal". . . . „,v>ast Du an jedem Mittwoch nnd Freitag gefastet?" fragte der Pope. — „Ja, aber anch am Tamstag und 3onntag habe ich mehr gefastet als gegessen/' antwortete der arme Rajah. . . . „Pope, ist hellte jemand von Deinen Kranken gestorben?" — „Zu meinem Unglück befinden sich alle ans dem Wege der Besserung". . . . „Wie lebst Dn?" fragte ein Pope den anderen, -— „3chlecht, denn cs heiratet niemand." — ,,Uud ich noch schlechter, denn es stirbt niemand". . . . „Trinkt Euer Pope Wem? — „Mehr als ihm derVnchof segnen kann". . . . „Pope, Pope, gieb mir die Hand," rief der Najah dem ertrinkenden Popen ;n. Der Pope ertrank nnd der Najah sagte - „Er hat zeitlebens niemandem etwas gegeben: ich hätte ihm znrnfeu sollen: „Pope, da hast Dn die Hand". . , . „Ein Mönch der nicht >u betteln nnd ein Esel der nicht zn tragen versteht, sind gleich viel wert." Über die 3tellnug nnd Achtnng, welche das Weib in Bosnien nnd der Herzegowina geuiestt, mögen folgende Aphorismen Ausschluss geben: „Warum singst Du den ganzen Tag?" — „Mein Weib ist mir gestern gestorben". . . „Teit wann bin Dn verheiratet?" — „Seit einem Jahre." — „Waim hast Du das letzte Mal gesungen?" — „Vor einem Jahre". . . „Wie lebst Du mit Deiner Schwägerin?" fragte die Mutter ihre jüngste verheiratete Tochter. — ,. 3ehr gut; (5'ott erhalte sie vom Touutag auf Montag". . . „Hasl Du gewählt, wie oft Du Dciu Weib geprügelt hast?" — „Ich zähle die 5lüsse uicht, wie sollte ich ern die Tchlägc zahlen".....Habt Ihr einen — 77 — Telegraphen ?" fragte der Dalmatiner. — „Nein, wozu wären denn die Weiber," antwortete der Rajah . . . „Willst Du, dass ich ob Deiner Schlechtigkeit ins Nasser springe?" fragte ein ärgerlicher Hcrzegowiner vorwurfsvoll sein Weib. — „Im Meere ist's sehr weich, im kühlen Bache sehr angenehm; snche Dir, mein Schatz, ans, was Dir besser behagt," antwortete das besorgte Weib . . . „Hat Dein Weib auch eine so lange Znnge wie das meinige?" — „Gott behüte, dass sie so lang ist, wie man sie weit hört" . . . „Wann sollen die Kinder heiraten?" — „Verheirate den Sohn, wann Dn willst, die Tochter wann Dn kannst, denn ein Weib ist leichter als cine zerrissene Kappe zu kriegen." Charakteristisch für die ^ebenscmschanung, die Titten nnd (Gebräuche des Volkes sind folgende Anekdoten: „Noranf mnss ich am meisten achten?" fragte der Sohn, als er auf Reisen ging. — „Auf die Furcht vor Gott und anf die Ehre vor den Menschen" , . . „Kraljcvics Marko, was kostet der Wein im Bazar?" — „Ich frage nicht, was er kostet, sondern ob es überhaupt einen giebt" ,. . „Kraljeuics Marko, bist Dn Jemandem was schnldig?" — „Ja, dreien: Gott die Seele, der Erde den Leib und dem Wirte den Wein" . . . „Marko, gehst Dn hänfig in die Kirche?" — „Ich gehe nnr dorthin, wo man trinkt, aber nichts zahlt. . ," Man fragte den Montenegriner vor dem Nachtmahl: „Warnm betest Dn nicht?" — „Wenn Gott was hat lind gicbt, danke ich ihm; wenn er nichts mehr giebt, bete ich erst" . . . „Rajah, wie oft bist Dn im Monate bctrnnlcn?" — „Nur einmal." — „Wieso?" — „Pom Morgen bis zum Abend, rom ersten bis zum — 78 — letzten auf einmal und in einem Zuge" . . . „Wovon lebst Du, Zigeuner, das gan;c Jahr?" — „Von Georgi bis Dimitri vou Betrug uud Hufbeschlag, von Dimitri bis Gcorgivom Betteln und ^/ügeu, so had' ichs am billigsten gefunden" ... „Wichast Du, Montenegriner,Deiue Kindheit zugebracht?" — „Vom 4. bis ;uui <^. Jahre hütete ich die Hühner, bis zum 9. die Lämmer uud Ziegen, bis;um 12. die Hammel uud Böcke uud nach dem 12. legten sie mir Hosen an und mit dem Ocwchr im Arm ;og ich ius Gebirge" . . . „Was fiel Dir zeitlebens am schwersten zu beruhigen?" — «Die Mutter und das Weid" . . . „Seit wauu wäret Ihr ;wei Brüder nicht iu Streit gelegen?" — „Die Türken habcu uns allco wcggcnonnueu und da hatten wir leiuen Grund mehr zum Streite" . . . Als der Sohn auf Nciseu ging, gab ihm der Vater folgcude Ratschläge aus den Weg: „Halte Dich au die neue Straße uud au emeu alten Freund; dem Stärkeren komme mit der Kappe, dem Schwächeren mit der Faust cutgegen: weuu der Fuchs predigt, gieb auf die Gänse acht" . , . „Wer ist am meisten ;u bcdaueru?" — „l^iue lathol^'che Glocke, ein Aruautcuwcib uud ciu Escl iu dcr Stadt" . . . Alan fragte den Kraljemcö Marto, wie er ein Hcld geworden. ^Ich habe es so gemacht wie die Bnbeu uud die Hmide. Wcuu der beste Huud davonläuft, folgeu ihm die audercn uach; wcuu der schlechteste sich znr Wehre setzt, hat der beste Mühe, ihm bcizulommeu. So macheu'ö nuch die Hubcu uud von deueu hab' ich's gelernt". . . . Daö Bild, welches wir bis jetzt von der Bevölkerung in Bosnien u»d der Herzegowina entworfen haben, wäre unvollständig, weuu wir uiclit ;um Schluss noch eines l>lc- — 79 — mentes gedenken würden, das in jeder Beziehung eine ebenso bemerkenswerte als interessante Rolle unter den Sndslaven jenseits der Save nnd Una spielt. Es sind dies die Spanjolcn oder spanischen Juden, welche nach Bosnien, wie nach den anderen Gebieten der Balkanhalbinsel, zur Schreckcnszeit der spanischen Inquisition (5nde des 1ö. nnd Anfang des 1<>. Jahrhunderts aus Spanien eingewandert sind. Social nehmen sie eine Mittelftellnng zwischen den MolMiedanern uud der christlichen Raiah ein und zweifellos ist ihre Stellung cine weit günstigere nls die der Inden in Polen, Rnssland und Rumänien. Die Inden wurden von deu ^smancn zu jeder Zeit weit weniger als die christliche Urbevölkerung bedrückt nnd gepeinigt, denn die Spanjolen haben cs nicht nnr verstanden, sich in jeder Beziehung den O.^mauen zu nähern, sie haben anck als Nanflente nnd Capitalisten eiue natur-gemäße Rolle bei den habgierigen Osmanen gespielt, l^wn; besonders in Bosnien hat sich ihre Lage seit dem lrhten Ausstände der Begs, den Omev Pascha 1^52 mcoevtämpfte, wesonllich gebessert. Die Spanjolen halfen in jenen Kriegsjahrcn der türkischen Regierung mit ihrem Gelde, uud ;um Feuer nud ;nm Tchwerte Omer Paschas gesellten sich als dritter Factor ;ur Uitterdriicknug des Aufsmndcs die Dnlaten der Juden. Eo weil sich die bosnischen Indeu von den spanischen Traditionen losgesagt haben, nahmen sie die türkischen (Aebränche an. Die stleidimg der Spanjolen ist die türkische. Die Männer tragen den .Vlaftan, den Fes und den Turban; die Frauen d!o engen Uebcrwürfc, die Schleier nud die Hallan, die Spangen nnd die Gürtel, nnd ;war init derselben rei;< — 80 — vollen Nachlässigkeit, welche eine Kunst der orientalischen Mode ist nnd die farbenprangendcn Gewänder ganz lose ineinander hängend erscheinen lassen, während sie doch sehr fest znsannuengefügt sind. Die Robeu der spanischen Jüdinnen sind ans weichem Sammt und schwerer Seide, wie die der voruehmeu Türkinnen, und zeigen in Mnmen und Arabesken jene eigenartige Goldstickerei, die eine Specialität des Orients ist. Und dazu tragen sie ein spanisches Käppchen, das sie sehr gut kleidet nnd das mit türkischer Goldstickerei geziert und bei reicheren Frauen mit Juwelen besetzt ist. Nur bei Festgelageu tragen die Tänzer die spanische Kleidung so echt uud unverfälscht, als wäre sie nach den Modejonrnalcn wm Ebro und Guadalquimr verfertigt worden, ^n manchen Fällen ist die Kleidung halb spanisch nnd halb türkisch, nnd dann nicht allein reizvoll, sondern auch interessant. Die Spanjolen singen ihre Lieder zwar anch znr Gnsla, dem bosnisch-nationalen Instrumente, aber ihr Licblingsinsirnment bleiben doch die „Pandara", das „Tambnretto" der Spanier nud die kleine Trommel mit Schellen. Was sie singen, sind znmeist spanische bieder, und die meisten behandeln die Vertreibung der Manren und der Juden ans Spanien. Es giebt auch spanische Viebcslicdchcn in den Gesängen der Spanjolen, ^iebeslicd-chen, die ;n dem Zartesten uud Anmntigstcn gehören, was cs an spanischen Nonian;cn nnd Nedondillas giebt. Diese Vicdchen gehörten ohne Zweifel znm Reisegepäck der spanischen Auswanderer im IC». Iahrhnudert. Die jüdischen Damen in Bosnien halten neben anderen nraltcn Gcbränchcn auch die spanischen National» — 8l — tanze in Ehren, da die Frauen überall die Pflegerinnen der alten Sitten nnd anf dein chorentischen Gebiete tonangebend sind. Der türkische Einfluss hat sich nnr darin geltend gemacht, dass die Burschen nnd Mädchen abgesondert tanzen. Ebenso unmöglich ist es, in ihre verschlossenen Frauengemächer zu dringen, denn in der Abgeschiedenheit der Männer von den Frauen waren die türkischen Titten bei den Spanjolen entscheidend. Tie bewohnen überhaupt nnr Häuser von türkischer -Bauart nnd Einrichtung. Die Frauengemächer liegen daher abseits nnd werden von ihren Bewohnerinnen selten verlassen. Selbst bei Festgelagen wird dieses Princip auf das strengste durchgeführt, obwol es beispielsweise in jüngster Zeit vorgekommen ist, dass jüdische Soldaten in Sarajewo, zu Spaujoleu geladen, beim Mittagstische auch die Frau und die Tochter der Gastgeber fanden, ohne dass der Schleier oder die Musellinbinde die Züge der Schönen verhüllt hätte. Den Schleier ziehen sie aber nie zurück, wenn sie anf der Straße gehen. Sie heiraten früh wie die Türkinnen und sind früh entwickelt wie diese. Dass auch mit den Spanjolen durch die österreichische Herrschaft nach und nach wie mit der slavischen Bevölkerung Bosniens eine Veränderung im Sinne einer curopäischeu Entwicklung vor sich gehen werde, ist selbstverständlich. Anch sie sind nnr ein Glied in der Reihe der national und confcssionell verschiedenartig gefügten Elemente der stolzen, goldenen Vosna, die jetzt einer nencn Zuknnft entgegen geht. Hoffen wir, dass in vier Jahrzehnten alles das in der enropäischcn Eultur nachgeholt V. Gliuvluvics, Bosnien und dlc Nchml>,nd^'. li — 82 — sein wird, was der oömanische Eroberer vier Jahrhunderte lang durch die Gewalt des Schwertes unterdrückt oder zerstört bat. Das Volk in Bosnien und der Herzegowina ist gutmütig und begabt, seine Vorzüge überwiegen bei weitem dessen Mängel: es bedars mir einer milden und gerechten, cincr tlngcn nnd fortschrittlich gesinnten Verwaltung, damit die Bosnjaken ihre östlichen und südlichen Nachbarstämine in kurzer Zeit an Wohlstand und Cnltur übertreffen. ^i. llurch Montenegro. „Wojwode Pero, sind wir reisefertig?" rief ich meinem Reisegefährten m, der mich von Cattaro ans dnrch gan', Montenegro begleiten sollte. „Ja, ja," rief er mis dem anstoßenden Zimmer, „die Manlthierc strampfen schon vor Ungednld das heiße Pflaster von Cattaro, nnd wir müssen trachten, noch in Njegusch mm ;weiten frühstück znrechtmkommen." In einer Viertelstunde saß alles in den Sätteln und während noch alle Fensterläden in Cattaro geschlossen waren, ritten wir mm ösllichcn Stadtthor hinans nnd auf scchsnndsechzig Serpentinen die steile 7<>0 Nletcr lwhe Vand hinan, deren >tante die Gren;c zwischen Österreich nnd Äiontenegro lnldct. Bald laqen die roten Dächer der ttirchliirme von (5attaro tief nnter nns; in der glatten, von Booten belebten See spiegelten sich die kahlen ,^a!tfelsen nnd Misliir;e nnd iibcr nn^ dehnte sich ein »nbewöMcr ,>>iinmel, der einen heißen Sommertaa, versprach. Vir befanden mis ja fast in gleicher geographischer Breite mit der heiligen Sicbenlnigelsiadt. — 84 — Unsere Gepäckpferde gingen voran, ich nnd Wojwode Pero langsam hintendrein. „Wo habt Ihr Euer Gepäck, Gospodin Pero?" frage ich ganz erstaunt, da ich außer meinen Gepäckspferdeu keine anderen bemerke. „Das kommt bald nach; das trägt die kleine Stane nach Eetinje und sie wird früher dort sein als wir mil nnsercn Pferden." Wie es sich später herausstellte, hatte der Wojwode Recht. Die Stane ist ein in Eetinje und in den Bocche di Eattaro weit und breit bekanntes, ebenso kleines als hässliches Weib, das in guten sechs Stunden die ausgiebigste Last von Eattaro nach Cetinje auf dem Rücken trägt. Stane ist zugleich die erste Repräsentantin des schwachen Geschlechtes ans den schwarzen Bergen, welche dem Fremden begegnet. Wollte man lieber ein Manlthier nehmeu, um die Staue oder ihre weibliche Würde zu schonen, kein Mensch würde das begreifen; jedermann in Eattaro würde dem Fremden sageu: „Die Stane macht's weit billiger und veriässlicher als irgend eiu Maulthier." Der Weg bis an die montenegrinische Grenze be-ttägt eine Stunde und macht man ihn an einem Markttage, so ist die Straße von montenegrinischen ^anolentcn gefüllt, die des Morgens nach Eattaro hinabsteigen, um Gemüse zn oertanfcn und des Abends mit deu Artikeln heimkehren, die sie für Haus nnd Familie brauchen. Der Montenegriner fitzt dann zu Pferde nnd raucht seine Pfeife, sein Weib geht behenden Schrittes neben ihm daher. Ist aber das Weib daheim geblieben und fragt mau nach ihm, so antwortet >xr Montenegriner wie beschämt: „Entschuldige, Gospodaru, es geht ihr gut." — 85 — Hat man die Grenze am Felsengrat des Krstaz erreicht, so hört auch die prächtige, breite Straße auf und wird anf montenegrinischem Boden zum elenden Gebirgspfade, neben dem auch die Telegrafthenstangen eine krumme und windschiefe Gestalt angenommen haben. Die Natur ist noch dürftiger geworden, nur ab und zn gewahrt man in den Karstlöchern einen bebauten Ackerstreifen ; sonst ist alles grau und kahl, ein Kalkstein neben dem anderen; weit und breit keine Hütte. „Nicht wahr, es sieht recht seltsam und armselig in unserem Lande aus," sagte Wojwode Pcro. „Und doch hängt nnser Zrnogora; Montenegriner) mit derselben Treue und Liebe an diesem steinreichen Lande, wic der Österreicher an den gesegneten Gefilden seiner Heimat." „Wie seid Ihr aber in diese gottvergessenen Felsennester geratheu? Wussten Euere heldenmütigen Ahnen keinen besseren Platz für Euere Hütten nnd Herden ans-findig zu machen?" „Das war nicht immer so; nnsere Vorfahren wohnten vor Jahrhunderten weit unten im Amsclfcld nnd an der Zeta in der Ebene von Scutari. Hier zwischen den Bergen wohnten damals nur unsere Hirten nnd Sennerinnen zur Sommerszeit und erst als nach der blutigen Schlacht auf dem Amselfelde am 27. Juni N><^ das serbische Reich zu Grnnde gegangen war nnd in deu folgenden fünfzig Jahren die Osmanen Bosnien nnd Albanien nach nnd nach gänzlich eroberten, flohen unsere Ahnen in die Berge nnd erhielten sich, allerdings m Armut, aber mit Stolz ihre Freiheit und Selbständigkeit. Unsere Fürsten und Wladikeu kämpften jahrhundertelang gcgeu die — 86 — anstürmenden Osmanen, aber niemals waren sie im Stande, nnser Bergland ;n unterjochen. Die Zrnagora war immer ein freies nnd heldenmütiges Land." Wojwode Pero (Peter), dem nur der Volkomnnd den Titel „Nojwode" (Anführer) beigelegt hat, ist der Typus eines Montenegriners. Ans einer mehr als mittelgroßen Gestalt sitzt cin rnndlichcr, breiter Kopf mir derb' knochiger Physiognomie und oorgencigtcr Stirne. Der Typus ist ein zweifellos slavischer, doch sieht der Kenner, dass so mancher armuttische Zug in das imponierende Bild des Mannes hineinspielt. Und das ist kein Znfall, denn einer solchen Mischung der südslamschen nnd albanesischen Rasse begegnet man in den schwarzen Bergen oft genug. Neben rein südslauischen Physiognomien, die ganz gut in unsere ehemalige Militärgrcuzc oder in die Hätschln passen tonnten, tanchcn wie unvermittelt auch Gestalten voll Trotz und Wildheit — gauze Aruauten auf, wie sie nur in den Hochgcbirgslhälern zwischen Scniari uud Ianina zu finden sind. Die Wildheit uud Schlauheit dcs Montenegriners, wie sein bärenhafter Heldcnumt sind nicht nnr die Folge der kärglichen Natur uud bluttriefenden Geschichte sciues Vaterlandes, es spielt hier ohne Zweifel auch die Blut-mischuug der arnautischcn Rasse ausschlaggebend mit. Su verbindet Wojwode Pero die rasch auffassende Intelligenz und Klugheit de^ Südsllwen mit dem ernsten Stolz und der blinden Mcksichtslosigteit des Arnauten. Er hat von seinen feinden cbcnso viele überlistet, als mit dem Handschar gewdtet; er tonnte ebenso klng als eigensinnig, cbcnso großmütig als rachsüchtig sein. Er hat nicht viel ill seinem Vcbcn gelernt; das ^cscn nnd Schreiben gehörten — 87 — nie zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, aber um so staunenswerter ist die Klarheit seines gesunden Menschenverstandes oder die Stärke seines Gedächtnisses, wenn es gilt, alte Volkslieder oder die Geschichte seines Vaterlandes wiederzugeben.... Im anregenden Wechselgespräch kamen wir auf die Beherrscher Montenegros: auf Georg Valscha, den Schupan ans dem 14. Jahrhundert, welcher durch das verspätete Eintreffen seiner Hilfstrnppen am meisten znm Verlust der unglücklichen Schlacht ans dem Imselfelde beigetragen; dann auf deu Wojwodeu Iwau Zruojeuicö mit seinem weifen Hofnarren Wnk DojtschevicS im 15. Jahrhunderte; anf die Wladiken (Bischöfe), welche vom Jahre 1516 bis zum Jahre 1852 das Vand regierten. Wojwode Pero erzählte dann vou Schtjepan Mali, der auf seiucu Nbcuteurerzügeu 1767 nach Montenegro kam, sich für deu ermordeten russischen Zar Peter III. ausgab und zum Nladika gewählt wnrde; weiter von dem „großen Wladika" Peter I. (178^—1830), der uicht nur eiu Held, sondern auch Gesetzgeber Mouteuegros und der heruorrageudste lyrische Dichter der Südslaveu geweseu. Danu erzählte er vou Danilo, dem ersteu „Fürsteu uud Herrn des freien Montenegro uud der Brda", der die Bischofswiirde ablegte nnd in: Jahre I860 in Cattaro uou der Hand eines Meuchelmörders fiel. Ihm folgte der heute noch regierende Fürst Nikola, der am 7. Oktober 184 l iu Njegusch geboren wurde. ^jegusch ist eiucr der grüßten ^rte Moutenegros nn't 4000 Einwohnern, den wir nach etwa drei Stunden erreichten. ?ln der Straße sclbst liegt mir ein Han — 88 — (Einkehrhans), in dem Frau Mare jedem Reisenden cinc Schale schwarzen Kaffee kredenzt. Frau Märe ist aber auch aus einem anderen Grunde eine weit und breit bctannte Persönlichkeit. Die stattliche Frau mit dem schwarzen Haar ha: nicht weniger als zweiundzwanzig Söhne geboren — von denen heute kein einziger mehr lebt. Zwei starbcn eines natürlichen Todes; die übrigen büßten ihr Leben in den verschiedenen Kämpfen gegen die Türken ein. Nach halbstündiger Rast setzten wir unsere Reise wieder fort. Wir kamen zuerst au ein einstöckiges Gebäude, das Schnlhaus, dann an die Sommerresidcnz des Fürsten, die an ihren grünen Fensterläden kenntlich ist. Weiter rechts zeigte mir Wojwode Pero das fürstliche Stammhaus, wo der jetzt lebende Fürst geboren wurde — und hinter Njegusch dcu hüchsteu, einem Sattel ähnlichen Berg Lowtschcn mit seinen hochgelegenen Quellcu und kleinen Teichen, an denen Iwan, Tschernojcmcs, der Barbarossa Montenegros, seine Pferde getränkt haben soll nnd der heute uoch in der Höhle unterhalb Iwanow-grad fchläft, nm dereinst zu der Stunde zn erwachen, wann die Türken anö Europa verjagt werden sollen. Nachdem wir dcn Pass Kriwaschko Schrjelo passiert nnd einen Blick znr Rechten nach dem Scutan-Tce gcworfeu, ging der Weg ziemlich steil hinab zur schmalen Ebene von Cetinje, welche zu den cultimertestcn Strecken des Bandes gehört nnd auf der die drei Orte Stajze, Dolnji Kraj und Cctinje, die Residenzstadt des Bandes, liegen. Eetinje ist eigentlich ein unansehnliches Dorf mit einer Hauptstraße und zwei Seitengassen. )lur etwas mehr — 89 — als tausend Einwohner leben in hundertfünfzig grauen Etcinhüttcu, die erst seit elwa fünfzig Jahren auf der schmalen, von nackten Kalkfclsen umrahmten Ebene erbant worden sind. Der Fremde, welcher nicht durch Höftichkeits-rücksichteu gebunden ist, bei einem der angesehenen Montenegriner abzusteigen, wird gut thun, in dem am östlichen Ende der Hauptstraße gelegenen Hotel abzusteigen, welches gewöhnlich ein speculativer Vocchese in Pacht hält. Bisher ist freilich jeder Pächter, trotz einer jährlichen Subvention von Teite des Fürsten, an diesem Hotel zugrunde gegangen, denn die Bewohner von Cetinje ziehen es vor, ihren Kaffee beim Nachbar zu trinken und ihren Schafkäse daheim zu essen. Jeder Frmldc ist also von vorncherein zur Bruützung des Hotels verurtheilt, trotzdem er auch dort uicht auf jeden Fall regensicher untergebracht ist nnd von niemandem für die eintretenden Verdauungsstörungen und qualvoll verkürzten Nächte entschädigt wird. Wer freilich einmal den Breitegrad von Trieft füdwärts überschreitet, mnss auf derlei Unzukömmlichkeiten gefasst sein, zumal man ja nicht in der Absicht: gnt zu essen, übcr den Durst zu trinken oder gar nnbclästigt in Betten zu schlafen, eine Reise nach Eetinie zu unternehmen pflegt. Im Hotel angekommen, begab sich Wojwode Pero auf mein Ersuchen zu Ttanko Radonics, dem ersten Adjutanten des Fürsten, um ihm meine Ankunft anzuzeigen. Radonics kam bald darauf mir mitzutheilen, dass Seine Hoheit, der Fürst, mich nachmittags !> Uhr in Audcin; empfangen werde. Die Zeit bis dahin verging mit migezwuugeuem Oeplauder bei Hammelbraten, Tchaf-käse und Kaffee. Der bitter-saure Notwein machte auch — 90 - diejenigen Zrnogorzen gesprächig, welche in stummer Ncugicrde neben mir nnd Radonics Platz genommen hatten. Senige Ä)linntcn uor drei Uhr kam ein Perjanik der fitrstlichen (,^arde nnd meldete, dass uns der Fiirst ini Andien^saale des ncncn ^»nal erwarte. Diese neue Hofbnrg ist eine Schöpfung Danilos nnd so ziemlich das einzige größere und europäisch aussehende Gebäude in Cctinjc. Von einer Ringmauer nmgcbeu, ragt es über dieselbe mit einem Stockwerke heraus, ist mit Ziegeln gedeckt mid tragt einen Schornstein, während in den übrigen Häusern der Küchcnrauch dnrch Thüren nnd Fenster entweichen muss. Im Hochparterre befinden sich auf der einen Seite die Zimmer der Dienerschaft, auf der anderen der Sitzungssaal der Senatoren, wo über die Angelegenheiten des Bandes beraten wird. Der Fürst wohnt im ersten Stockwerke, wo sich auch der Andicnzsaal, ein mit enropäischem Vuxus nnd Komfort ausgestattetes Gemach, befindet. Der parqnctliertc Fußboden ist mit türkischen Teppichen belegt, die Wände mit den Bildnissen der europäischen Potentaten geschmückt, ^n der Mitte des Saales steht ein rotsammtencs Rondeau, auf welches der Fürst die Acten nnd Ducnmeutc gelegt halte, welche auf meine Ankunft nnd wissenschaftliche Thätigkeit in Montc-negro Bezug hatten. Fürst Nitola ist eine stattliche Erscheinung, welche das montenegrinische ^'ationalcostume mit dem weißen Mantel, der roten, golddnrchwirtteu Weste sehr gnt kleidet. Haupthaar wie Bart lrägt der Fürst geschoren, das Htinn gänzlich frei; seine Manieren verraten, dass er wo — 91 — anders als in Ectinje seine Zngenoerziehnng genossen. Der Eindruck der Physiognomie ist kein stark geistiger; die Ttirne i>t mäsng entwickelt, der Kovf entspricht der Durch-schuittobildnng dcr südslaoischcn ^iatur — im allgemeinen spricht mehr Energie als Geist aus der sympathischen Persönlichkeit. Aus den dunkelbraunen Augen, welche bald mit prüfeudeu, bald mit scharf herausfordernden Blicken um sich sehen, spricht die Klugheit und Verschlagenheit des Tudslaven einer- und das heroische Wesen des Monte» ncgriners andererseits. 3onst aber entspricht die Erscheinung des Fürsten nicht gan; dem oben geschilderten Typus des wahren Montcnegrincrs. Die europäische Bildung des Fürsten, der außer serbisch und französisch etwas dcntsch nud italienisch spricht, mag so manche Eigenliimlichkeil des urwüchsigen ^alionalcharaktcrs verwischt haben, aber es geht ein gan; bestimmter nichtmontcnegrinischer Zug von Milde nnd Tchmicgsamteit dnrch sein Wesen, die ihm wiederholt von seiner Umgebung nnd voil den siidslavischen Ehmwiuisten als schwäche und Unselbständigkeit angerechnet wurden. Während der gewöhnliche Montenegriner physisch wie moralisch so lange hinter dem Äerge hält, bis er seinen Gegner mworhergesehen und mit wilder Energie überfallen lann, ist ^m'st Nikola, wie mir wenigstens von feiner einsichtigeren Umgebung geschildert wurde nnd wie auch sein ganger ^ebcnögang beweist, der Maun der ,5pporlunität, dcr sich einem gan; bestimmten Ziele ;n lieb in alle lind jede ^ituatiou ;n schicken weiß. M-st Danilo, sein Borgänger, der ebenfalls einen Theil seiner Jugendzeit im Auslande zugebracht hatte, war trotzdem als voller und ganzer Montcncgrmer in die — 92 — Heimat zurückgekehrt. Mit Pulver und Blei, nicht viel seltener nut Galgen nnd Geldstrafen regierte cr im ^aude selbst, während cr in der äußeren Politik der hochfahrende nnd herausfordernde Zrnogorze war, ohne aber damit seinem Vande wesenllich zu nützen — wenigstens nicht in dem Tinue der activen Annexionspolitik, welche er als letzter Wladila nnd erster Fürst vun Aionteuegro seinem Volke vorgeschrieben hatte. Danilo war ein hartköpfiger Idealist, der Montenegro durch sich selbst groß machen wollte; Nikola ist ein vorsichtiger Realist, der besonders zweischneidige silnghcit liebt und sich erst im lebten Augenblicke auf die möglichst beste Tcite stellt. Wie er in der äußereu Politik alle Gönnerschaften von Nord nach 3üd, nicht minder r,on West nach ^Dst durchgemacht hatte, so verstand er es in der inneren Politit die Senatoren nnd populären Männer Montenegros nach Maßgabe ihres praktischen Wertes und zeitweiligen Einflusses an sich herauzuzichcu oder von deu kleinen Iutrigueu iu Ectiuje zu eutserncu oder wenigstens durch ueuc Berbiuduugen nuschädlich zu machen. Ein interessantes Gcgeubild ;u der Erscheinung des Fürsten Nikola ist die Fürstin Milcua welche ich uoch iu der Blüte ihrer schöusten v>ahrc teuucu gelernt habe. Während die Montenegrinerin iu der Regel als abschreckend hässliches nnd dcrbkuochigcs Geschöpf auftritt, ist die Fnrftiu ciu Typus südslawischer Tchöuheit gewesen nnd heute noch die schönste Frau in den schwarzen Bergen. Alls einem sinnenden, merkwürdig ausdrucksvolle»! Auge spricht tiefes Wohlwolleu lind icuc uubewusste, echt weibliche Weislieit, die mühelos, weil iustiuctw, das Nichtige trifft, ohne über — 93 — Gründe und Ursachen Bescheid zn wissen. Eine Tochter des Senators Nntotics, hat sie ihre Mädchenjahre zwischen rauchigen Steinhütten nnd Ziegenherden zugebracht und erst in späteren Zähren das Abendland mit seiner Cultur und geschmeidigen Sitte kennen gelernt. Und doch ist mir selbst in uusereu Breiten nicht bald eiue Saloudame begegnet, »velche wie Fürstin Milena Naivetät der Welt« anschauuug mit ebensoviel Klugheit nnd feinem weiblichen Tact zu verbinden wusste, Neun bei der Hoftafel, welche merkwürdigerweise mit deutscher Küche und französischen Weine» gedeckt ist, irgend einer der ergrauten Helden zur Erheiterung der Gesellschaft einen ungeziemenden Ver-gleich oder einen derben Spaß vorbringen zu müssen glaubte, errötete die Fürstin jedesmal iu europäisch geziemender Weise uud sie wusste immer über die Verlegenheit und das Schmunzeln der auwcsenden Fremden durch die Anknüpfung eines neuen Gesprächstoffes hinwegzuhelfen. Fürstin Mileua ist nuter den wilden Montenegrinern nicht nur wegen ihres vornehm bescheidenen Wesens und ihres hilfbcreiteu Wohlwolleus allgemeiu beliebt; das Polt empfindet ganz richtig, dass ihr personlicher Einfluss auf den Fürsten weit über die Grenzen des engeren Familienlebens hinausrcicht. Eine glühende Anhäugenn der südflavischen Frciheitsbestrebungcn, soll sie infolge ihrer natürlichen Anteiligen; dem Senat schon manchen Rat ertheilt und manchen Entschlnss ;nr vollen Reife gebracht haben, der dem ^ande znm Vortheil gereichte. In politischen Fragen des Gefühls uud der Tympalhie steht sie immer anf der Seite ihres Voltes, das am — 94 — liebsten und öftesten nack der Newa blickt, während der Fürst auch die Schönheiten und Vorzüge der Titnationen a» der Teine, wie an der blauen Donau, ja sogar am Goldenen Horn ;u wiederholten Malen ;u schätzen nnd auszunützen verstand. Uni den fürstlichen Palast Heruni befindet sich ein Garten, nnd hinler der Gartenmauer ciuc langgestreckte Wiese, welche mit der Zeit zu einem Park umgewandelt werden soll. Neben der jetzigen Residenz steht der „alte Palast", anch Biljar genannt, der seinen Namen von dem Billardsaale erhalten hat, welcher eben jetzt in mehrere Gemächer abgetheilt ist. Der Biljar gleicht eiuem Castell, hat in den Mauern vier Thore und innerhalb derselben ;wei Höfe: das Gebäude ist rot augestriäim und hat einen angebanten Teitcnflngel, in welchem die fürstlich montenegrinische 5taatödruckerei untergebracht ist, in der, nebenbei gesagt, anch dao einzige montenegrinische Blatt, der ^Iss ^rno^o^n" (Ttimme des Montenegriners gedruckt wird. In dem mit Gras be-wachscuen Hofe befinden sich eine Zisterne und drei Bäume; neben dem Thor eine Eteiubaul. ^m Erd» geschoss, wie im ersten Stockwerk, länft cm Korridor durcks Gcbälide, von dem ans die Thüren nach den cin;elnen Gcmächrru — oben die Ministerien, nuten die Schulen — führen. Das interessanteste Gemach des Biljar ist der Twphänisaal. Dort befinden fich der Majbliriaf, das groj?c rote Armeebamu'r, welches 1^58 den Tiillcu abgenounnen wurde: dann dcr Tädcl Mahmud Paschas und 5erai>kiers, der !7l^ bei Pod-goviza gcschlageu wurde: ferner der eiubalsamievte >iopf — 95 — drs Kara Mahmud, welcher in der Tchlacht bei Kruse gefangen und in (5etcnje geköpft wnrde — endlich eine Menge von Iatagans, Pistolen, Dolchen und Lanzen ans den verschiedenen Türkeukriegen. Hinter dem Biljar steht das einzige noch bemerkenswerte Gebäude: daS der heiligen Ninttergottes geweihte Kloster, welches den Wladiken vor dem 16. Jahrhunderte als Residenz diente. Hinter der Klosterkirche erhebt sich die Kula, ein hoher' viereckiger Tnrm, und hinter diesem, ans einer Felskuppe die Tabia: ein etwas niedrigerer Turm, auf dem die Köpfe der in den Tchlachtcn erschlagenen Türken aufgespielt wnrden. In allen diesen Gemächern hatte mich Wojwode Pero hcrumgefnhrt, nnd nachdem ich einige frenndliche Tage in gnter Gesellschaft in Cetin^e verbracht, machten wir uns wieder auf den Weg, um iibcr Nickn nnd Anti-vmi wieder nach den romantischen Äocchc di ^'attaro zurückzukehren. Der erste Theil des Weges ist nicht viel besser, als der elende 3anmweg, den wir von (5attaro aus zn übmvindeu hatten, Aber nm so erfreulicher war das landschaftliche Bild, als wir rincn freien Ausblick nach Eiidcn in das Thal der ZrnojMitschl.i Njeka gegen deu Ecc und die (5'bcnc von Ecntari gcwanum. Hier wilrdon wieder znsanünenhängcnde BannMnppen, ausgedehnte Wiesen »nd Weingärten sichtbar, zwischen denen sich die weisen Hänscrgrnppen recht malerisch ansnahmcn, Aei Nietn, welcher N'amc so viel als Bach bedeutet, beginnt der gleichnamige Vach schiffbar zu werden nnd in dem sogenannten Hafen liegen immer einige Äootc, welche — 96 — den Perkehr nach den Küsten des Scutarisees vermitteln. Rjew ist ein weit nnd breit bekannter Marktflecken von höchstens 600 Einwohnern; an Markttagen ist der Ort besonders lebendig, denn die Albanesen aus der Ebene von Scntari kommen zu Hunderten, um ihre heimischen Producte gegen montenegrinische zu vertauschen. Nicht minder wichtig als Markt ist Podgoriza, jetzt die zweitgrößte, an 6000 «Anwohner zählende Stadt Montenegros, mit einer großen viereckigen Citadelle, die an der Einmündung der Nibniza in die Momtscha liegt. In Podgoriza hat sich im October 1874 ein Ereignis abgespielt, welches mit zu den Eutstchuugsurslichcu des letzten Krieges in der Türkei gchö'rt. Einige Montenegriner waren an einem Markttage nach Podgoriza gekommen, nm mit einem dortigen türkischen >l aufmanne Geschäfte zu machen. Am Nachmittage desselben TageS wurde dicsei Kaufmann von einem türkischen Unterthan erschossen und zugleich das Gerücht verbreitet, einer der Montenegriner hätte den Mord begangen. Der Pöbel fiel über die anwesenden Montenegriner her und ermordete alle bis auf zwei, welche sich nach der Citadelle flüchteten. Tas Bolk verlangte vom Kajmakam (Krcisvor-stcher) die Auslieferung der beiden Montenegriner, welche dann thatsächlich in Stücke zerrissen wurden; einer der Leichname erhielt vierzehn Stiche und Hiebwnndcn. Am folgenden Tage wurden noch etwa zwanzig Montenegriner in der Ilmgcbuug ermordet — nnd dies hatte cine diplomatische Action zur Folge, welche später einen mehr als dreijährigen Aufstand nnd zlrieg nach sich zog. — 97 — Von Rjcka schlugen wir wieder Gebirgspfade ein und übersetzten das Küstengebirge von Tntoveau, um nach Antivari ;u gelangen. Wir konnten uns nicht lange in dem Ttädtchcu aufhalten, da am Tage nach unserer Ankunft ein vloyddampfer kam, um uns nach den Bocche di Cat-taro ',unick;ulciten. Die in der Regel sehr stille Bucht von Antwari wird an jedem Mittwoch und Donnerstag lebendig, wcim der große Pasfagier-Dampfer von Trieft oder (5orfu ankommt. Vou dein hart an den Ttrand hingebanten Han (Einkehrhaus), den der Besitzer gern fiir ein „Hotel" ausgiebt, drängen sich an den genannten Tagcn einige Barken geschäftig an den Dampfer heran und suchen Frachten und Reisende, so rasch als möglich aufmnehmcn oder abzugeben. Nur die Barte des österreichischen Konsulats in Antivari macht vornehm und abseits der johlenden Bartenführer ihren Weg; sie hat die Post mit dem ^onsnlatsschreiber an Bord, der nur mit dem Tchiffslieuteuant verkehrt und von diesem die bereit-gehaltenen Briefe und Pakete entgegennimmt. Übrigens bietet lein Hafen der albauesischcu fitste dcn Dampfern unseres ^loyd einen beweinen Vandungsplatz dar. ^n allen diesen Häfen muss jedes größere 3chiff der flachen, fandigen Ilfer wegen ziemlich weit draußen bleiben und uur tlcinere Boote vermitteln den Verkehr mit den Bewohnern der Mste. Tage vergehen in der Regel, bis ein kleines Trabakel geladen oder ausgeladen ist, aber an solcher Zeitverschwendung liegt nicht viel daran, denn es snmde kaum dafür, bei Antivari, Alcssio, Dura^o oder Walona einen schönen und guten Hafen für die wenigen Produtte zu erbauen, welche Montenegro und Albanien einzuführe» und auszuführen haben. — 98 — Der Hau ist nicht sehr einladend, wie oft anch der Wirt jeden Eintretenden versichern mag, dass man bei ihm alles „5 1a lranea", nämlich nach europäischer Art bekommen und genießen kann. Ich hade nnr seine Preise europäisch gefunden, alles Übrige war aber sehr albauesisch wie anderswo. An der Rückseite des Han erhebt sich. den kesselartigen, halbmondförmigen Hafen gegen Süden abschließend, eine steil aufsteigende Landzunge mit der Strandbatterie Wolowiza, welche in dem levten kriege eine Rolle gespielt liat. In der Richtung gegen Scutari ragen mit schroffen Hängen und kahlen Spiken die Ausläufer des Bergstockes Rumia empor; weiter gegen Norden, anf eine Bergnase hingestellt, die Häuschen, Citaoellemanern und Minarete des Städtchens Antiuari. Gegen Norden wird die Bucht durch die steil abstürzenden Wände jener Höhen abgeschlossen, an denen sich dic Grenze des österreichischen Bezirkes von Spiza-Budua hinzieht. Die flacheren Bergfüße an dieser Stelle bilden den Küstenstrich von Spiza, welcher während des lehtcn Jahrzehntes sehr oft genannt wnrde und der l^egensland unausgesetzter Sehnsucht der Montenegriner gewesen. Spiza ist keine Stadt, kein Dorf, anch tein Weiler, sondern nur eine örtliche Bezeichnung für den unfruchtbaren Küstenstrich beim Fort Nehaj. Spiza ist auch der Name eincr seichten Einbuchtung, welche aber tein Hafen genamu ;n werden verdient. Am Strande steht hier der Weiler Sntomare, ärmlich wie alles an dieser Stelle. Die Stadt Autivari, mit etwa ?'><)0 Einwohlieru, liegt wol eine halbe Meile von der Küste entfernt: der Weg dahin führt zuerst an einer vierseitigen Redouts — 99 — dann bei Olivenhainen nnd Malfeldern voibei, welche an den Lehnen mit Weingärten abwechseln. Alan betritt zuerst die am Bache Njetschana nnd an dessen nördlicher Thalwand erbante nntere Vorstadt Warosch. Auf der höher liegenden Bergnase steht die Citadelle, welche mit einer fünfseitigen Mancr einen Stadtheil umschließt und mir fünf Türmen das Vorfeld verteidigt. Auf dem Hange ober der Citadelle befindet sich ebenfalls ein Stadttheil, von wo es während des Krieges den Montenegrinern gelungen i>i, die Citadelle durch Bombenwürfe zu be^ schädigen. Endlich der Stadt steht anf einer kleinen Höhen-platte die katholische Kirche 3t. Johann nnd daneben das Gebändc des österreichischen Consnlats. Antwari ist außerdem der Sitz eines katholischen Bischofs, welcher eigentlich den Titel Bischof von Scntari führt. Als das Christentum, und ;war das orthodoxe, in Albanien einzog, war Dioclca bei Podgmiza — hente stehen nur mehr Ruinen an Stelle dieser Residenzstadt — der Sitz des Bistums. AIs später die nordall'ancsischen Stämme znm Katholicismus übertraten, wnroc das Bistnm nach Scutari verlegt, von wo es infolge der Hinrichtung zweier Bischöfe, welche den Übertritt zum Islam verweigerten, ;u Anfang dc-5 vorigen ^ahrhunderls nach Antivari lam. Der jetzige Bischof von Antivari hat seine Residenz gewöhnlich in Welembnsch nächst Antwari aufgeschlagen, ^r war, wie die meisten albanesischen Geistlichen, in früher lugend »inch 'Itoin getoilluieu, von der ^'ougi'eFÄtiu äß ?i-u^li' ßäUila kcl« in ^Itom erzogen und dann znr Nlission nach Albanien gesendet worden. — 100 — Die Bucht von Autwari ist kein Ort, an dem mau allzuviel Interessantes sehen oder erleben kaun. Ich nud Wojwode Pero machten uns deshalb auf den Weg iu der Richtung gegen Scutari, um einige von mahomedanischen Serben bewohnte Dörfer zu besuchen. In Tndjcmile, einem tleiuen unansehnlichen Orte, hielten wir Rast uud Woiwode Pero erzählte mir eine voltsnimliche Geschichte, welche auch Stefan von vjubischa, der erste Prosaiker der Südslaucu, iu sciucu Erzählungen des Wut Dojtschewitsch, der Hofnarr bei Iwan Tscheruoicwitsch gewesen, wieder-gicbt. Sie ist so charakteristisch, dass ich sie mit deu Worten Wuts au dieser Stelle mitteileu muss. „Es war ;u jcucr Zeit, da iu Autivari uud Umgebung Kampf, Pliindernng nud Raub geherrscht habeu. Iu einem dieser uuglücklichcu >tämpfe tödtcte ein Bauer aus Schestaue den Knes (Bürgermeister) uou Tudjemile. Der jincs war eiue kolossale, sscdrnngeuc ^igur »on anderthalb Manucsho'he. Als einer der Dorfgenosseu kau:., die Leiche zu holeu, konnte er sich des Allsrufes nicht euthalteu uud schrie nach Tchestaue hinab, dass es alle hören tonnten : „Gott straf' Euch; habt Ihr leinen kleineren Mann erschießen können. Die Leiche schleppt jetzt niemand von der Stelle." Indessen begruben die ron Tndiemile ihren Kncs uud beschlosscu, um Gcorgi einen neuen ;n wählen, beider hatten sie den schlechten Brauch, für dcu cs keine Abhilfe giebt: sie wollten immer eiueu Hlues, der allen recht wäre — wer töunte die qan;c Welt von Tudicmilc aus Einen Rainen vereinigen? Als sie das erstemal zusammeutamen, gab cs Aufregung uud ^ärm, dass kciuer hörte, was der auocre sprach, lind schon — 101 — wave« die ^eute daran, die Handschare aus der Scheide zu ziehen, um über die Wahl eines >tnesen, der allen recht wäre, ein Blutbad anzurichten. Nur einer eilte ;n mir uud sagte: „Wnk Dojtschewitsch, es geht schlimm, wenn du nicht dazwischen fährst." Ich springe auf einen hohen Stein, winke mit der Kappe, damit man auf meine Rede höre. Als sich der Lärm, gleich dem Sturmwinde, welcher im Winter die Schluchten des Rnmiaberges verschneit, ein wenig gelegt hatte, waren bald aller Augen auf mich gerichtet. „Ich nehme das Wort, tadle ihren Brauch und suche sie ;u bereden, sie mögen drei oder vier Greise wählen, unparteische Männer des Friedens, von denen ob ihres Alters keiner Knes werden kann. Die mögen siH dann beraten und etwas ersinnen, womit man dem alten Branch und Übel stenern könnte — denn alle Welt sah ^ein, dass man alle Bienen niemals unter Eine itappe bringen kann, noch viel weniger alle Wespen. „Mit Gottes Hilfe kamen sie endlich iiberein, vier Greise ans dein Dorfe zu wählen, dass sie sich zu mir schm und mit mir das Beste nnd klügste ersinnen. Aber unter den Vieren waren nicht zwei, die Einer Meinung gewesen wären — und wir sollten einen ilncs wählen, der allen im Dorfe recht wäre. Der eine wollte, dass man beim alten Brauch bleibe: der zweite meinte, dass derjenige Knes werden soll, den zwei Drittel des Dorfes dazu wählen; dcr dritte verlangte wieder, dass man würfeln solle und wer die mcisicu Augen werfe, soll, wie dnrchs blinde Glück, Knes in Tndjemilc werden. Und ich, versicherte dcr vierte, bin der Meinung, dass die Weiber — 102 — den Knes wählen sollen.... Wunn nnd wo hätten die Weiber einen Knes gewühlt, seitdem man an emeu ^hrmengott glaubt? Es fehlte nicht viel, nnd alle halten den seltsamen Ratgeber überfallen, denn alle glaubten, der Alte mache sich einen Spaß aus dem ganzen Dorfe mid dem zukünftigen Knes. Beinahe wären ?ärm nnd Anfrcgnng von nenem ansgcbrochcn — da entschlossen sie sich, die Vo'snng dieser schwierigen Staatsangelegenheit mir anzuvertrauen. „Und ich sage ;n den versammelten Hausvätern: „Wenn ich das thnn könnte, was ich mir denke, diese verwirrte Angelegenheit würde bald gelost sein. >^ch aber fürchte, Ihr seid ein boshaftes Volk, vor dem Gott cincn bewahren möge. Wenn Zhr mich aber hören wollt, so thnt Folgendes: Legt die Abzeichen des Kncsen, seine Kappe, fein Siegel und seine Waffen, ans diesen großen Stein. I^ir versammelten Hansväter stellt l^llch alle dort an den Rain nnd jeder von Ench lichte sich ein Häuflein Steine zusammen. Die, welche glauben, der Stelle eines Knesen würdig nnd fähig ;n sein, sollen sich vor (5licli hinstellen nnd anf ein gegebenes Zeichen gegen den Stein laufen, auf dem die Abzeichen der hohen Würde liegen, lind wenn die den Vanf beginnen, fo werfe jeder von Ench je einen Stein anf denjenigen, den er nicht zum Kncs haben will. Wer oon den Bewerbern am wcingslen behelligt wird nnd sich zuerst die Abzeichen holt, der soll Cner 5lucs anf drei Jahre fein. „Das fchicn den ^NsAlcften cin m-ner lind gnlcr Vorschlag zn sein nnd rasch beschlossen sie, dcn Kues anf solche Weise zn wählen. Schon nach dem Tode des Knes — 103 — hatten vier angesehene Männer aus Tudjemile dem Volke bekanntgegeben, fie wären nicht abgeneigt, dem ledigen Amt vorznsiehcn. Denn sie hatten viel Geld, gute Waffen, schmncke Kleider oder fönst noch manchen Vorzug ror den übrigen Dorfbewohnern. Als sie aber hörten, dass man mit Tteinen nach ihnen werfen wolle, zrgen sich drei Bewerbe zurück, denn es iibcrtam sie aus Angst, vielleicht unter einem Hagel von Etcinwürfen begraben zu werden, der Tehneutrampf und so blieben sie bei den Wähler» am Rain, ohne auch nnr einen Fuß vor den anderen zu fetzen. „Nnr der vierte nnd ?et)te schritt langsam und ohne furcht aus uud erreichte deu großen Ttein, wo die Abzeichen lagen. Niemand erhob die Hand, nur sein — leiblicher Bruder warf ciucn 3tein nach ihm, aber das Glück wollte, dass er ihn nicht ernstlich beschädigte. Uud das alles ging mit natürlichen Dingen zu, Denn derjenige, der wusste, dass ihn das Dorf liebt und schält, wusste auch, dass ihn die Mitbürger nicht mit 3lmiwürfen hindern werden, sich die Abzeichen der ^incscnwürde zu holen. Diejenigen aber, welche diese Würde ans sich nehmen wollten, um das Dorf in Zwist nud Hader ;u erhalten, blicbeu aus Furcht, den 3teiu-wiirfcu ,u erliegen, zurück, — das musste ihnen offenbar ihr Herz wie ihr 5topf sagen. Wenn der ncnc Knes teinen Bruder gehabt halte, es wäre tein einziger Ttciu auf ihn gefallen nnd darum hat sich noch bis heule das Sprichwort im Volte erhalten: „Maulst du, tciuen Feind zu haben, w hat dir ihn gewiss die Mutter geboren..." — 104 — Nach dieser interessanten, aus dein Gemüte und den Sitten des Volkes herausgegriffenen Erzählung schied ich von den schwarzen Bergen und meinem getrenen Reisebegleiter Wojwoden Pero, der mich wieder an den Vandnngs-platz von Antwari geleitete. >>ch bestieg nach freundlichem Gruß und Händedruck den geränmigen ^loyddampfer und am nächsten Morgen dampfte „Erzherzog Mar" bei klarsten: Tommerwetter den siebenbnchtigen Bocche di (lattaro zu. 4. An der dalmatinischen Rüste. „Kapelan Spiro" war der sogenannte erste Kapitän ans dem „Er;hcr;og Max". Ich kannte ihn schon von früheren Reisen und Schiffen her, und es war mir recht lieb, einen alten Bekannten wiederzusehen, itapetan Spiro war, wie viele andere Schiffskapitäne des weltberühmten Lloyd, aus Perzanjo in den Bocche di Cattaro ;u Hause und ein echter Seemann, wie sie nur die dalmatinische Küste kennt. Schwielige Hände, wettergebräuntes Gesicht, getheilter Bollbart, graue Augen und eine etwas gebeugte Haltung waren dir äußeren Kennzeichen seiner durchaus nicht ungewöhnlichen (Gestalt. Schon seine Großväter von mütterlicher nnd väterlicher Seite waren Schiffskapitäne und gleich ihm an aller Herren Kijsten in (5nropa, Asien nnd Amerika gewesen. Drei seiner Brüder waren ebenfalls Kapitäne; zwei hatten nach Orebitsch, einem Marktflecken der Halbinsel Sab ion cello geheiratet, wo ebenso viele Kapitäne leben, wie in Pcrzanjo, und einer lebt seit Jahren in 3an Francisco in ^tordamerita, wo es eine gros?e dalmatinische Kolonie giebt. Kapelan Spiro war einer von den Seeleuten, welche im Stande sind, Seeschlachten, — 106 — wie die von ^issa und Helgoland, einem übermächtigen Feinde ;u versehen — tnr; er war cin Teemann init all den Tchwächeu und Vorzügen seines Ttandcs. >Hr war mehr erfahren als gebildet, sah mehr auf das Her; als auf die Etiquette der Menschen, die ihn viel öfter unwirsch macheu tonnten, als die tückische See, die er über alles liebte. War's seinen Passagieren bei spiegelglatter Tee und sonnigem Himmel sehr wol, so war er nicht böse darüber, aber ihn langweilte das schöne Vetter.— nnd er gähnte dann recht fleißig, wie sein Steuermann, der auch schlaftrnukeu den zahlreichen Riffen an der dalmatinischen >tiiste auszuweichen verstand. Auch tüm-mcrtc es ihn nicht, wenn seine ebenfalls gelangweilten Matrosen an der Bordwand lümmelten nnd min Zeitvertreib ab nud ;u in die Zee spuckten. Kapelan 3piro stellte seinen vollen Mann erst, wcnn's auf der Tee recht d'ruuter und d'rüber giug, das Schiff cin Spielball der Wellen wurde, die jüngeren Matrosen das Kren; ;n schlagen nnd die heilige Mutter (Gottes anzurufen begannen — nud weun die Passagiere nuten in den Kabinen die Analen der Seetrauthcit erduldeten. Dann erscholl seme rauhe 3timme nach allen Teilen wu der Brücke; er sah alles, er bemerkte alles nnd oie hinterlistigste Sturzwelle, welche ihm Bart nud Kleider bis alls die Haut dnrchnasste, ärgerte ihn nur darum, weil sie ihn daran verhinderte, die gewohnte Agarrettc ;u drehen und ;u rauchen. >iapctau Tpiro war auch ein guter Patriot, der seine Bo.'che uud uoch mehr dcu Tjcsar Kaiser) in Wien verehrte, nnd wenn er auch lieber italienisch als serbisch sprach, so w^'c er doch nie ;u den „Wälscheu" in 3cc- — 10? — dienst getreten. Als tüchtiger Teemann kannte cr alle Küsten von Manchester bis Odessa, nnd da er seine Heimat am besten kannte, so möge er unser Wegweiser nnd Cicerone an der dalmatinischen Küste sein.... „Jetzt sind wir am Eingänge der Bocche diEattaro" — sagte Kapelan Tpiro zu mir —- „kommen 3ie ;n mir auf die Brücke, damit ich Ihnen alles geuau erkläre. .. Zur linken streckt sich der letzte Auslänfer der herzego-winischen Greu;berge gleich einer schmalen Znnge dem Eingänge der Bocche entgegen. Breite Wälle nnd Kanonen halten in Pnnta d'Ostro jedes feindlich gesinnte Boot von der romantischen Bucht fern. Znr Rechten spiegeln die waldbcdeckten Höhen von Luscha und Grbalj ihre rnndcn Häupter in der stillen See. Zwischen beiden, also nu-mittelbar hinter dem Eingänge ragt das kleine Felsenriff Tchanjize aus dem Meere, anf dem das Fort Mamula mit schwerer Mühe und groben Kosten erbant wurde. .. . „In dem Maße als wir uno der Küste im Inneren der Bucht nähern, taucheu die an den grünen Bergfüßcn zerstreuten Häuser von Eastelnuovo auf, die sich rechts bis nach Meliuje mit dem alten vcuetianischcn Spital und links bis zur Tulorina hinziehen, welche einst die Ragusaner Republik den Türken gescheut! hatte, um nicht unmittelbare Nachbaren der Montenegriner zu sein. Die Fesinugswälle, welche dort Easteluuovo krönen, gehören dem Fort Tpaujol, welches die Tpanier einst errichteten, und über ihm steigen himmelwluts die grauen Kaltfelsen mit ihren bläulich kühlen Lchatttn. . . . „IM wrndcu wir uns in der Bucht nach Oslen uud kommen zur vandzungc ron Knmbur, welch? die — 108 — zweite Bucht der Bocche schließt. . . Jetzt kommt ein weißes Häuschen neben dem anderen, Schwänen gleich die Füße in der grünen Flut netzend, nnd über ihnen wieder ein kahler Fels über dem anderen. Auf der anderen Seite liegt Soliotschko Polje (Salzfeld^ an der Stelle alter Salinen, die heute Siimpfe ersetzen, aus denen mannshohes Röhricht wächst. Daneben sireckt sich die kleine Landzunge von Prewlaka ins Meer -. auf ihr die Ruinen des alten griechisch-orientalischen Klosters zum Erzengel Michael, das die Venctianer niedergebrannt, nachdem sie alle Mönche vergiftet hatten. Weiter blickt das Dors Krtole und das freundliche Tiwat in die stille Flut — und jetzt werden Sie, nachdem sich das Schiff gewendet, zum erstenmal den montenegrinischen Niesen Lowtschen erblicken, wie er sich über der Stadt nnd Bucht von Eattaro erhebt und dem am frühen Morgen die Sonnen» strahlen zuerst das aufstrebende Haupt vergolden. . . „Jetzt kommen wir zu ocn Catenen (Ketten), der dritten Enge, wo sich die beiderfeitia.cn Vandzungen so sehr uähern, dass man die Hühner von vepetane in Kamenare hören kann. Dann entfernen sich die Ufer wieder von einander, die Buchten von Nisano nnd Cattaro bildend, denen die Küste von Perasto gegenüber liegt. Zur. Rechten bedeckt grünes, von zwitschernden Vögcln bewohntes Dickicht bis zur Hälfte die Vchnen, zur Vintcn stürzen die Engpässe ans der Herzegowina mit grobem Geröll zur spiegelglatten MecresNäche hinab. Jetzt wenden wir uns dahin, nämlich gegen die Scitenbncht von Ri-sano. Jetzt begegnen wir der llcinen Insel mit einem katholischen >llostcr ;ur Muttergottcs und ;um heiligen — 109 — Georg. Hieher kommen die Weiber von weit und breit ;u beten, damit sie nicht ihre Söhne, ihre Brüder, Manner und Väter verlieren. Iur Linken, hart an der Küste, liegt Morinje, darüber auf den steilen Höhen Ubli und im äußersten Winkel dieser Teitenbncht der Marktflecken Nisano, nach welchem Orte ehedem dic ganzen Bocche benannt wurden. Von Nisano schlangelt sich zwischen dcu gründurchlvirkten Felsen die Ttraße nach den hoch gelegenen Ebenen und Thälern der Kriwoschje, wo sich die ursprünglichen Titten des tolles mit allen ihren Vorzügen und Fehlern, wo sich die wilde Natur des Landes noch am reinsten erhalten haben. . . . „Jetzt wenden wir daS Tchisf wieder um. nehmen den Weg nach (5attaro, dem letzten Winkel der Vocche. Znr Vinten begleiten uns himmelhohe Wände, ohne Gang und Tteig, ohne Ttrauch nnd Weide. Nur Geier und Adler kreisen über den Fclsenkämmen, die nicht einmal die Ziege ;n erreichen vermag. Um so grüner nnd freundlicher wird aber jetzt der nntere Mistensaum zu bcidcil Teilen, an dem sich die stillen Häuschen wie Perlen auf der Tchnur aneinanderreihen, bis wir an Perzanio vorüber nach Cattaro gelangen. . . ." Der Dampfer legte an; Hapetan Epiro stieg mit mir aus Vaud nnd nachdem ich ihm meine Bewunderung über das genosscuc Naturschauspiel ausgesprochen, sagte er zu mir: „Tchcn Tic, ich bin hier ;n Hause; aber so oft ich wieder die Socche befahre und nach (5attaro komme, um mich auszuruhen, bedauere ich doch, dass dieser einzige und unvergleichliche Hafen nicht noch einige Vnchten hat.." — 110 — Am nächsten Morgen fuhren wir wieder ;u den Bocch? hinans, nm den Abend in Ragnsa zuzubringen. Vor nns lag znerst das ergiebige Canalethal, dessen sociale und communale Einrichtungen die Mitte zwischen jenen des herzegowinischen Hinterlandes nnd des übrigen Dalmatienö halten. Über dem Canalethal erhebt sich der 1241 Meter hohe Tnjschniza ^Schneeberg), an dessen östlichem Abhänge einst die Grenze zwischen der Republik Nagusa nnd der Herzegowina ging. Bald kam das nralte Epidaurus, heute Ragusa vechia iMt-Ragusa), in Sicht und mitten im Hafen die Insel ^acroma, wo der nachmalige Kaiser Mar von Mexico einen seiner Vieblingsaufenthalte hatte. Wie ein schmaler Nefttml^acken liegt das steinige, aber von lauschigen Hainen und duftenden Gärten bedeckte Eiland im Meere. Aus einem ehemaligen Venediktincrtloster in ein prächtiges Schloss geworden, das hentc nur traurige Erinnernngcn erweckt. Sein ehemaliger Besitzer hat den Heldentod jenseits des Oceans erlitten und nach ihm hat sich noch kein würdiger Schlossherr gefunden. Nur wenige Orte giebt es noch in Dalmatien, wo die Mntter Natnr, man weiß nicht im Tranm odcr in der Zerstreutheit, die Flora aus weit südlicheren Vandeu zerstreut hat. Zu diesen gehört anßer der, durch die ewig denkwürdige Teeschlacht im Jahre 1866 berühmt geworden..' ^nsel ^issa mit ihren Palmengärten, die der ^nscl '/acroma gegenüberliegende Stadt Ragusa > Dubrownit), ehemals nnd iahrhnndertelang die Rcsiden; einer tleincn aber glanzvollen Ncpnblit, die durch ihre Gelehrten, Dichter, Diplomaten nnd reichen i>laufhcrrcn überall berühmt gewesen war. — N1 — Schon in Graoosa, dem nördlichen Vorhafen von Ragnsa, wo Fischelbarken, Handelsschiffe uud eine kleine Werfte buntes ^eben hervorbringen, wechseln Ölbäume und Cypressen mit der Aloe ab nnd in den schmucken Garten von Ragusa tritt die Palme als Nachbarin der sonst überall ganz ausgestorbenen Maloasiertraube hinzu. Wie alle Knstenstädte Dalmatiens so tragt auch Ragnsa in der -Banart seiner ungetünchten, steinernen Häuser und engen, übelriechenden Gassen den Charakter venetianischer Architektur an sich. Der Marluslöwe, die hohen viereckigen Kirchtürme nnd die häufig auftretende italienische Sprache versetzen den fremden unwillkürlich nach Vcuedig und den venetianischen Landstädten. Oblrol die Überreste der italienischen Cultur noch vorherrschen und das ein< heimische slavische Clement erst nach und uach ;u erstarkeu und selbständig ;u werden beginnt, so war doch Nagusü immer die originellste und sympathischen" aller dalmatinischen Küstenorte. Der Ragnsaner fühlt fich mit Stol; als solcher und unterscheidet sich gern von seinen übrigen <'andslenten. Er spricht seinen eigenen, anheimelnden und weich klingenden Dialekt, er hält viel auf Reinlichkeit und Comfm't iu Stube, Haus uud auf der Ttrasie, er blickt mit weit mehr Zuversicht und Sympathie nach der Cultur des Westeus als irgend ein Dalmatiner. Gan; anders ist der Cindrnck, den Spalato, die hoffnungsvolle Stadt in der Mitte der 500 Km. langen dalmatinischen Küste, auf deu Fremden macht. Während im Leben lind Gehaben Ragusas ein vornehmer nnd con- ^- ,. servativcr Zng vorwiegt, herrscht nrwüchsigeö und lebendig^ /^ TrMen in dcm seit wenigen bahren ungemein rasch auf' — 112 — blühenden Spalato. Die historischen Traditionen dieser Stadt reichen wol weiter zurück als die Ragusas, aber der moderne Spalatiner hält nicht viel auf den diocle-tianischen Palast, in dem jetzt die halbe Stadt Platz gefunden hat, noch auf die römischen Baureste bei Salona, wo einst cäsarische Pracht und Herrlichkeit die Küste belebten. Spalato ist ganz eine Stadt der Neuzeit und die Menschen, die in ihr wohnen, scheinen ein neues Geschlecht vorzubereiten und zu entwickeln, während in den übrigen dalmatiuischen Städteu das öffentliche Leben mehr oder weniger stagniert oder, wie in Zara, nur künstlich auf einer gewissen Höhe erhalten wird. Der Kaufmann in Spalato blickt jetzt mit Zuversicht auf seineu Handel mit Trieft, Bosnien und dem jenseitigen Apnlieu; er legt Magazine an uuo hofft ein erhöhtes Gedeiheu von der kleinen Eisenbahn, die mit der Zeit von Dernis ihre Fortsetzung nach Kroatien finden soll. Wo es vielVeben giebt, fehlt es auch uichl au originellen Menscheu jedeu Standes. Eine charakteristische Staffage des Hafens und der Straßen von Spalato bilden die zahlreichen Barcariole (Varkenfiihrer > und die Fachini (Lastträger), welche au oer> Riva uud in den Gassen vor den verschiedenen Kaufläden und Kaffeehäusern hernm lungern. Kapetan Spiro hat unter ihnen einen alten Bekannten, den armen Iaknwe (Jakob) aus dem nahen Poljize, der immer seiueu guten Tag hat, so oft der „Erzherzog Max" in Spalato anlegt. Sonst aber ist Iakuwc ein recht armer Tenfel. Er hat nur ein Paar recht alte Tchnhe, teine Strümpfe, blane, zerrissene türkische Pump- — 113 — hosen, ein Hemd und einen langen, braunen Mantel, der an den senden durch einen Strick zusammengeschnürt ist. Auf dem kraushaarigen, breiten Kopfe trägt er eine rote morlakische Mütze, und in einem Sacke au der linken ^rustseite des Mantels einen kurzen Tfchibuk. Iakuwe schläft wo er kann: er isst, was man ihm schenkt, und trinkt Wasser, wo und wann er es findet. Mit dem Wasser geht es ihm im Sommer am schlechtesten, denn Spalnto besaß wol vor 1300 Iahreu eine prachtvolle, aus Ouadern gebaute Wasserleitung, welche das frische Ouellwasser eine Stunde weit aus Salona nach Spalato führte, aber die liegt heutzutage in Trümmern. Heute teuut mau iu Spalato uur Negenwasser aus den Zisternen. Versiegt dieses im Hochsommer, was beinahe jedes Jahr der Fall ist, dauu miisseu die Spalatiner wieder zu dem frischen Quellwasser der Salona greifen, das sie in Fässern und auf kleineu Eseln nach Spalato bringen. Auch Iakuwes Heimatsort, Poljize, war einst eine weit reichere Gegend als heutzutage, ja noch unter der Herrschaft der Penetianer ein reiches, blühendes Stück Vaudcö, das feines Obst und Tabak in solcher Menge und solcher Güte erzengte, dass die Poljizaner ein berittenes l^'orps von dreihundert Rciteru auf eigeuc Kosten ausrüsten und erhalten kouiiteu, weuu die NcpMil Krieg führte. Weil aber in den Ritzen uud Schluchten des glühenden, gelben Gesteins, aus welchem der Bodeu bei Poljizc besteht, wol Tabak uud Obst, aber kein Getreide wächst, so haben die ^andslente Iatnwcs beinahe nichts zu essen. Ihre gewöhnliche Nahrung sind Maisbrod und wildwachsende Kräuter, die sie mit etwas Essig genießbar '.'. G >ni >,' t oV ic <, Vl>or allzu großem Elende bewahren. Da gibt es znm Beispiel hinter dem Platze, der den volltönenden Titel „Herrenplatz" — Piazza dei Signori — führt, gewisse alte halbzerfallene Häuser, lim eine bestimmte Ttuude werden da aus bestimmten Fenstern dic Überreste der Mahlzeit auf die Ttraße geworfen. Das weiß ^aknwe und er findet sich regelmäßig ein, um das in Empfang zn nehmen, was er als eine ihm gewohnheitsmäßig gebürende Abgabe betrachtet. Huude, die ihm die Beute streitig machen wollen, verjagt er. Auch kennen ihn dieselben schon und seheu nur ans gehöriger Entfernuug mit lüsternen Angen zn, wie Iaknwe speist. Offenbar thun sie es in der Erwartung, dafs er doch etwas übrig lafsen könnte, aber diese Erwartung wird oft getäuscht, denn Iakmve hat die Kinnbacken eines Esels und die weißen funkelnden Zähne eines Raubthieres; — 115 — den Appetit hat er von beiden. Und so mnss ein Bein schon sehr hart sein, wenn unser Iatnwe es nicht zermalmen kann. Zudem ist Iakuwe trotz seines Elends ein Mann von riesiger Stärke und er wäre im Stande, jeden Hund ohneweiters zu zerreißen, der es wagen würde, mit ihm anznbinden. Nnd das scheinen auch die Hunde zu wissen. Das Bedürfnis, wie andere Dalmatiner, Kaffee ;n trinken, hat Iakuwe offenbar niemals gehabt: hingegen ist er ein Freund des Tabaks und weiß sich ihn anch billig zu verschaffen. Wenn er gespeist hat, sind so ziemlich anch alle anderen Veute mit dem Mittagmahle fertig nnd vor dem auf der Piazza del Signori befindlichen Kaffeehause „Troccoli" sitzen die Qfficicre der Garnison, die in Spalato ihren Standort hat. Dorthin schleicht Iatnwe und glotzt so lauge die Officiere an, bis sie ihm ein paar Finger voll Tabak oder ein Stückcheu Cigarre zuwerfen. Dann zieht er den kurzen Tschibuk aus dem Mantel und fängt an ;u rauchen. . . Wohin er dann geht? Natürlich zum Meere und zwar an jenen Puntt des Quais, der zum Vandnngsplatze der anlangenden Dampfer bestimmt ist. Dort sitzt er stundenlang, die Füße über die Quaismauer hiuabbaumelnd und mit den Wellen sprechend, die nnter ihm au das graue Gestein klatschen. Ist der Tabak zu Ende, so verspeist er ans irgend einer verborgenen Tasche seines branneu Mautels einige Zwiebeln und planscht mit Seinesgleichen, bis der Abend gekommen. Überkommt ihn dann der Schlaf, so geht er, fast wie jeder andere Spalatiner, zn Bette. Längs des Hafens von Epalato ;ieht sich nämlich eine schöne, breite Straße, 8* — 116 — deren Häuser der Artaden wegen, mit denen sic versehen sind, den stolzen Namen „^roeuratis nuove" führen. In dieser Straße ist ein Gasthans, dessen Küche sich im Souterrain befindet. Auf dem Boden der Vorhalle ist ein horizontales Eisengitter angebracht, dnrch welches die heißen Dünste herausströmen. Dieses Gitter ist Iakuwes Winterbett; dort schläft er. Trotz seiner sonstigen Gutmütigkeit giebt er es nicht zn, dass einer der armen, vor Kälte zitternden ^andslente, die des Vettelns wegen ans Poljize nach Tpalato gekommen, sein ^ager theile. Es würden deren ;n viele kommen und dann hätte Iakuwe selbst nicht mehr Platz. Darum verjagt er sie, sobald sie sich blicken lassen. Im Sommer, da ist es anders und weit besser; Iaknwe ist dann in seinem Elemente. Mit dem Sommer kommt nämlich allerlei Obst nnd Gemüse anf den Markt und dann bilden alte Rüben, weggeworfene Meloncn-schalen nnd dergleichen Dinge eine angenehme nnd nahi> hafte Zutost ;u dem Fntter, das man Iaknwe aus dem Fenster zuwirft. Er schläft dann anch nicht mehr anf dem Gitter der warmen Wirtshansküche; gan; Spalato gehört dann ihm und es giebt tciuen Wintcl im alten Baiser-Paläste, wo er nicht, wenn es ihm beliebt, sein Nachtquartier aufschlageu könnte. Ob Iatuwc jemals etwas arbeitet? Kavetan Spiro hat ihn m ;wan;ig Jahren mir selten dabei ertappt uud ;war ans dem Grunde, wcil Iakuwe weder Arbeit uoch verdienst nötig hat. Nur selteu macht er den Fachini von Spalato Concurrcu; und trägt eine ^ast odcr ein Reisegepäck nnr dann, weun Not an Maun ist, oder wenn ihm der eben angekommene — 117 — Passagier gefällt. Nur selten steigt Iakuwe in eine Barke, um den Barcariolen um einige Toldi (Kreuzer) Hilfe zu leisten, denn Iakuwe ist ein lediger Mann, der zwar sein bescheidenes, aber ein sicheres Einkommen in Spalato hat. ... So lebt Iakuwe Jahr aus Jahr ein und mit ihm noch mele andere in den dalmatinischen Küstenstädten, wo es wenig reiche und arbeitsame, aber viel arme und bescheidene Menschen giebt. 5. ^Xus Irrtncn und ^Xltsrrüiru Das Fürstentum Serbien, ein ^and von 48.700 Quadrat-Kilometern und 1,^00.000 Einwohnern, ist erst durch den Berliner Vertrag vom Jahre 1878 m die Reihe der europäischen Staaten getreten, nachdem es schon vor 75 Jahren nnter Kara-Djordje, oder Georg Petrovics, wie er nach seinem Familiennamen hieß, den Kampf der Befreiung von Spahis und Dahiö, den türtischen Grundbesitzern und Bedrückern, begonnen halte. Der größte Theil des hentigen Fürstentums Serbien bildete ehemals die Schupanien von Raschka, Morawa, Timok und Schumadia, von denen die letztere als der historische Krystallisationspunt't des Fürstentums anznsehen ist, das sich erst aus politischen Gründen den Namen Serbien beigelegt hat. Nach der Schlacht ans dem Amselfclde (1^89) war das serbische Neich nach und nach in mehrere Theile zerfallen, von denen der östlichste von einem sogenannten Despoten regiert wurde. Nach der Türtcninuasion (145)9) war daun Scrbien der Schauplatz blutiger stampfe. Venn der Halbmond nnterlag, stand das heutige Serbien zuerst unter der Oberhoheit ungarischer Könige nnd dann — 119 — unter dem Schuhe der kaiserlichen Truppen, welche im Jahre 1788 unter General Mihaljevics ;um letzten Mal serbischen Boden betreten hatten. In dieser Zeit österreichischer Occupation diente der nachmalige Befreier Serbiens, Kara-Djordje, als Tschetafiihrer bei den Kaiserlichen. Damals hatte nämlich der Serbe Kotscha ein Freicorps gebildet, nm die Action der Österreicher, welche Serbien von den Türken befreien wollten, zn unterstützen. Wie in allen Theilen der Valkauhalbinsel die einheimische slcwische Urbevölkerung durch die eingedrungenen Osmancn aus ihren ursprünglichen Wohnsitzen nordwärts gedrängt wurde, so hat sich auch die Bevölkerung des osilichen Theiles des ehemaligen serbischen Reiches an die Save und Donau ge;ogen, den südlichen Theil ihrer alten Wohnsitze den uachdrängeudeu Bulgareu uud Alba-msen überlassend. Hente concentriert sich das gesummte politische uud social einflnssreiche Leben Terbieus in der Landeshauptstadt Belgrad, welche an der Miindnng der Saue in die Donau liegt, 28.000 Einwohner zählt und zu deu am schönsten gelegen Dolianstädtcn gehört. Freund Kanitz, der berühmte Orientreisende, möge unser Führer sein. Den besteu Allssichtspunkt über Belgrad uud Umgebung hat man von: Pavillon der dortigen Hochschule, überragt von Flaggeubanneru, Minareten und einem Uhrturme, erscheint im Osteu die Festuug so klar und nahe unter unsere Augen gerückt, dass wir mit Leichtigkeit die Geschütze alls den Wällen nnterscheidcn können. Weiter rechts steigen ans dein üppigen Grün, welches zügellos in dcu Gärten des Dortjol wuchert, die Kuppeln einiger Dfchamicn und die zum Theil schon ihrer metallenen — 120 — Zierden beraubten Minarete empor. Festnng und ehemalige Türkenstadt bespült der breite Donaustrom, getheilt durch Inseln, welche durch Anschwemmung entstanden fein sollen. Hart am Festnngsglacis erhebt sich Belgrads grüßte, dem heiligen Erzengel Michael geweihte Kathedrallirche. Um die Kathedrale gruppieren sich noch andere größere Bauten kirchlicher Bestimmung, so das Seminar nnd die Residenz des Metropoliten. Die mehr nach Westen sich ausdehnende Savestadt enthält beinahe ausschließlich Läden und Magazine -. Leben nnd Bedeutung geben ihr nur die zahlreich vor Anker liegenden Dampf- und Segelschiffe, welche diefe leeren und füllen. Am liebsten haftet der Blick an dem Bilde, welches über die evangelische Kirche und das österreichische Generalkonsulat weg im Südwesten das Panorama abschließt. Welches wechselvolle Detail von Wald, Wasserlinien, Alleen, Gärten, Culturen, stattlichen Bauten und Häuschen bis herab zur düster blickenden Batal-Dschamia mit ihrem braun oxydierten Gemäuer! Nahe dcr Äatal-Dschaniia erhebt sich das hübsche städtische Spital, und noch etwas weiter gegen Westen weht die rot>blaii'weiße serbische Nationalflagge von hohem Mäste. Sie ist auf dem Dache des fürstlichen Palastes aufgezogen. Dieses einstöckige, durch einen Mittel- und zwei Eckrisalite gehobene Gebäude von fünfzehn Fenstern Front erhebt sich in Mitte eincs hübschen Gartens und eines englischen Partes. Eine anschließende Rotunde enthält die Localitäten der dnrch zwei GesäMe bezeichneten Hanptwachc. lim den im Polksmund? „Konak" genannten fürstlichen Palast gruppieren sich im weiten ilrcisc, zn beiden Seiten der „Terasija", der — 121 — größten Straße Belgrads, dessen hervorragendste Neubauten. Zunächst die durch ihre hohen Flaggenmaste und Wappenschilds gekennzeichneten verschiedenen Consulate, dann beinahe alle Ministerien und wichtigeren Administrations- und Militärinstitute. An die Mehrzahl dieser Gebäude und beinahe aller Privatbauten, welche die Vncken zwischen deu^ selben ausfüllen, schließen sich Gärten an, welche dem ganzen, terrassenförmig von der Save aufsteigenden Stadttheile, von ferne gesehen, den Charakter eines großen Villencomplexes geben. Cinen hübscheu Mittelpunkt desselben könnte die gegenüber dem Senatsgebäude sich erhebende, zu Ehren der heiligen Auferstehung erbante Garnifonslirche bilden. Treten wir hinein in das bunte Treiben voll Mannigfaltigkeit und geräuschvoller Bewegung, welches die ;um fürstlichen Palais führende „Terasi>a" erfüllt. Da s Straß m-leben Belgrads beginnt fehr früh. Zu einer Stunde, wo unsere occidentals Damen sich noch gewöhnlich in süßen Träumen wiegen, ist bereits die Terasija das Rendezvous der Belgrader Hausfrauen, von großentheils „schwäbischen" Dienstmägden uud Männern begleitet, welche persönlich die Einkäufe für Haus und Küche besorgen. Es sind dies nicht immer Männer niederen Standes, sondern oft auch Kaufleute und Beamte, die cincr feilschenden Dame ein hübsches Fleischstück oder eiucn schönen Fisch streitig machen. Der Brennpunkt des farbenreichen Markttreibens ist ein hübscher Brunnen. Au Frcitageu und in den Fasten thun Donau und Save ihr bestes, um ihn glänzend auszustatten. Prachtvolle Karpfeneremplare, Hechte, Störe uud Barben — 122 — tummeln sich dann in den Bottichen der Pertäufer. Eine Fischsuppe, mu saurer Milch bereitet, gehört zu den Lieb-liugsgerichten der Terben; getrocknete Fische kommen ron der ungarischen Theiß. Tie bilden einen bedeutenden Einfuhrartikel uud werden großentheils von der Landbevölkerung während der sommerlichen haften con-sumiert. Während der letzteren spielen znuächst Bohnen, Gurten in Tal; und Essig, junger Knoblauch und Kraut eine Hauptrolle. Ganze Berge dieser durch den Ritus begünstigten Gemüse werden auf den Belgrader Markt gebracht. Der serbische Vandmann zieht sie selbst. Nicht so die feineren Sollen. Diese, uud hierzu zählt auch merkwürdigerweise die noch ziemlich wenig verbreitete Kartoffel, werden beinahe ausschließlich von den nahe bei Belgrad angesiedelten Bnlgaren gebaut oder durch Höckerinneu aus Temlin eingeführt. Bis vor wenigen Jahren herrschte das Maismehl in den besten Kucheu der Hauptstadt vor. Nicht uur zu Brot im Hause gebacken, sondern als ^juwara mit Butter und Nahm, oder als Omelette mit Eiern zubereitet, ist es schr beliebt. Gegenwärtig, wo die Traditionen aller Natlo-uatspeiseu durch die immer mehr vordringende europäische Küche Abbruch leiden, werden die Gewölbe, in welchen die Feinmehlsorteu der österreichischen Mühlen verkauft werden, start gesucht. Einen sehr freundlichen Anblick gewähren die hübschen Trachten der bäuerlichen Verkäuferinnen, welche auf über die Achsel geschwungenen Steigen Geflügel aller Art ;u Markte bringen. Am wenigsten appetitlich sind die zahlreichen Fleischerläden der Tcrnsija. Auge und Nase werden — 123 — nicht selten durch bis aufs Trottoir an Haken hinaus-gehängte, oft ekelhafte Fleischstücke und ganz bluttriefende vämmer beleidigt. Sie sind den ganzen Tag der Sonne und den Insecten ausgefetzt und werden nur manchmal durch ein Fliegengitter vor diesen geschützt. Zum regelmäßigen Eintauf für den serbischen Tisch geHort Lammfleisch, denn es wird in mannigfacher Weise, am liebsten mit Reis bereitet. Auf dem Lande lebt man beinahe einzig davon und der Schafskopf gilt als Leckerbissen. Dort wird auch noch viel Ziegenfleisch gegessen, selten aber Kalb« fleisch; denn es ist Sünde Jungvieh zu schlachten. Rindfleisch erhält man nur in den Städten, und in einigen auch nicht alle Tage. Es schmeckt selten gut, denn das Rindvieh wird nicht gemästet, sondern größtentheils im mageren Zustande nach Osterreich verkauft. Mehlspeisen, wie Pita und Guswara (Strudel) gefüllt mit Fleisch, Käse, Kraut u. s. w. werden gerne an Feiertagen, Schweinefleisch mit Tanerkrant mehr im Winter gegessen. Mitten durch das laute Feilschen, Schreien und Fluchen — Flüche entsprechen im Gespräch der unteren ^oltsclasseu dem nie fehlenden Paprika ihrer Gerichte — ertönen die schrillen Rufe „Meta! Mleka!" (Milch!) der am frühesten Morgen die Straßen durchziehenden Milch-verkäufcr, welcher immer zwei Kübel mil sauerer und süßer Milch an einer Stange auf der Schulter balancieren. Auch die Obstverkäufer lassen an lautem Anpreisen ihrer Ware es nicht fehlen. Alles Obst wird uach dem Gewichte, aber lcidcr größtcnlheils im unreifen Zustande verkauft. Selten vcrmisöt man hingegen in dem wahrhaft betäubenden Gewühl auf der Terasiia die Trage uud — :24 — sonstiges Holzgeschirr feilbietenden Zigeuner-Nomaden. Lebhaft, lustig und zugleich melancholisch, finnlich, rachsüchtig, über alles spottend, was anderen heilig, jeden Komfort verachtend nnd den Müßiggang liebend, hat der Zigeuner doch Geschick zu allem, was nicht besonderer Anstrengung nnd Ausdauer bedarf. Mit primitiven Werkzeugen, welche beinahe mit jenen der Steinzeit an Einfachheit wetteifern, kann er und macht er alles. Es giebt nichts, wozu er sich nicht gebrauche« lässt. In der Türkei besitzt er ausschließliches Musikmonopol. Man findet ihn aber ebenso oft in den Vorzimmern der Bojaren, Paschas und Mudire, denn er weiß sich überall, als Rosselenker, Wagner, Schmied, Schlosser, Schneider, als Diener, Koch, Schlächter, Tänzer und — Henker nützlich zu machen. Ist der Markt zu Ende, so wird dann die von der Tcrasija ehemals durch die demolierte Stambol-Kapia nach dcr Hochschule fuhrende Tscharfchia von dem serbischen Landvolte beinahe ausschließlich beherrscht. Durch eine Reihe von Gewölben im türkischen Bazarstyle, von welchen jedes einzelne durch möglichst auffalleudc Schaustellung seiner Schätze die sonntäglich geputzten ländlichen Schönen anznzichrn sticht, strömt die buntfarbige Menge, ihre kleinen Einkäufe besorgend. Es sind dies gewöhnlich Gegenstände, welche man unmöglich im Hause selbst anfertigen kann. Der Äaucr vertieft sich gerne in den Inhalt eines Wasfeuladeus. Wie dem Manue die Waffe, su erscheint jeder Serbenfrau möglichst reicher Kopf- und Halsschmuck gerade;» unentbehrlich, ^b echt oder falsch, damit nimmt cö die serbische ^andschönc uicht geuau. Um Reinigkeiten, wegen einiger Para, wird oft cine halbe Stunde mit dem — 125 — geduldigen, all seinen Witz und Redefluss aufbietenden Kaufmanne gefeilscht. Alle übrigen, und jedenfalls solideren Herrlichkeiten ihres An;uges, das schöne, mit selbstgefärbter Wolle geflickte Hcmd, die reich ornamentierte 3chür;e, die buntgemusterten Strümpfe und selbst ihre Bundschuhe verfertigt die fleißige serbische Bäuerin neben ihren Feldarbeiten im Hause selbst. Die Krämer arbeiten gewöhnlich sehr wenig und begnügen sich, müßig im Gespräche vor den Laden hockend, mit dem oft fehr bescheidenen, zufälligen Erlös des Tages. Abends entwickelt sich, namentlich in erregten Zeiten, ein wütendes Zeituugslescn und Politisieren. Öffentliche Gast- und Kaffeelocale besucht der Belgrader Kaufmann äußerst selten, wie deun ein gesellschaftliches Vebcu außerhalb des Hauses überhaupt in Belgrad noch bis heute nicht ;ur Blüte gelangen konnte. Zu den Gasthäusern findet man nur einige unverheiratete Beamte, ^?fficiere, junge Männer, welche im Auslande er;ogcu worden sind, fremde Kaufleute uud Handworker. Man unterhält sich mit Kartenspiel, Billard und Musik. Das Nalionaliustrnmcut, die Gnsla, nnd Viedergesang beherrschen noch immer die von beuten der unteren blassen besuchten Wein- nnd Nakiaschenken. In den Kaffeelocalen dcr verschiedenen im europäischen Ttilc geführten Gasthö'fc, fo ;. B. „zur Krone" und „',um Hirschen", flößt mau jedoch auf böhmifche uud deutfche Harfenisten, Musikanten und Coupletsänger. Eine halbe Ttnnde von Belgrad entfernt liegt der fürstliche 3ommcrsitz Toptfchider. Dnrch eine Allee schattiger Akazien gelangt mau an das kleine, im türtischen Ttilc — 12« — erbaute rustschloss, in dem Fürst Milosch Obreuowics am liebsten wellte, und wo er sein reich bewegtes vebm beschloss. Verehrern des Mannes, welcher durch eigene Kraft den Hirtenstab mit dem Scepter tauschte, werden des Fürsten Sterbezimmer, Todtemnaste nnd andere Cr-iunernngen an dessen letzte Tage gezeigt. In einem Saale befindet sich auch eine historische Äildcrgallerie, welche aber mehr dnrch die dargestellten Persönlichleiten, als durch deren Knnstwert interessiert. Alle Arbeiten in den freundlichen, mit Statuen nnd Kiosken gezierten Garten-räumen, in Gewächshäusern, (Gemüsebeeten, in der Abstund Baumschule, sowie in der kleinen fürstlichen Musterwirtschaft werden von der in Toptschidcr befindlichen Kolonie zuc Zwangsarbeit vernrtheilter Sträflinge ausgeführt, Entlang am Bache, dic Hohen hinan, zicht ein prachtvoller Wicsenrasen, begrenzt von saftig-grünen Vaubhölzeru, welche eigentlich dcn größten Rei; Toptschiders bilden. In dcrNähc drs fürstlichen Wildparts sammrlt sich an Sonn-und Feiertagen in dcn Dichtungen der schattigen Wäldchrn nnd namentlich nm den Krystallgnell der „Hajdulschta-Tschcsma" (HajdutenBrnuueu» die Belgrader Welt bei Tau; und ländlichen Spieleu, welche gewöhnlich mit fröhlichen Mahlen im Freien oder in der nahen Restauration beschlossen werden. . . Selten findet man iu einein Ncinen vande eine so reiche Mannigfaltigkeit des Kostümes als in Serbien. Es gilt dies namentlich von den Frauen. Von >trois ;u Kreis, ja oft von Bezirk zn Bezirl m ein verschiedenes Kostüme üblich. Auf dem Vande find faltige weiße vcincn-gewandcr, ein bunter Gürtel um die Mitte des veibcs — 127 — und braune oder lichte Überkleider von Wolltuch bei beiden Geschlechtern in Gebrauch. Sehr einfach ist der Sommeranzug des serbischen Bauers. Er trägt als Kopfbedeckung beinahe ausschließlich den Fes,, ein niederes, rotes Ka'pftchen, großentheils ohne, seltener mit dnnkler herabhängender Knaste. Das Beinkleid, weit und faltig, reicht bis an den Fußknöchel. Das ^einenhemd, an der Brust geschlitzt, wird über der Hose getragen und in der Leibesmitte mit einem, gewöhnlich rotein, Wolltuchgürtel nmwunden, Ans diesen wird ein rotbrauner Ledergnrt geschnallt, in dessen verschiedenen Abtheilungen ein bis zwei Pistolen, der messingene ^ad-stock, der Handschar, das Sacktuch versorgt, rückwärts aber die lederueu, gestickteu oder metallenen Patrontäschchen befestigt werden. Au der Seite rechts häugeu überdies ein kurzes Messer in lederner Scheide, ein sseuerstahl und eilie Fettbnchse zur Ölung der Nassen an Schnüren herab. Macht der Mann einen weiteren Weg, so zieht cr ein buntgestreiftes Westchen an, hängt eine dicke, mit blauen Schnüren ansgenähte Tnchjacke oder einen Mantel mn und vervollständigt seinen Waffenschmuck durch ein langes über die Schnlter gehängtes Gewehr, was sein kriegerisches Aussehen nicht wenig erhöht. Die Fußbekleidung besteht ans bnntgcstricktcu Strümpfen uud Bnudschuheu aus ungegerbtem Veder. Im westlichen Serbien trägt der Bauer gewöhnlich weitgeschnittene Beinkleider von braunem Tuch, welche nnmitlclbar nnter dem Knie gamaschenartig sich verengen, mit messingenen Haften befestigt werden und so das 5inie fest umschließen. — 128 — Jin Tiiden Terbiens treten viele albancsische Elemente in der Volkstracht auf: so das weiße, um den Fes gewundene Tuch, die aufgeschlitzten Ärmel an der kurzen braunen oder schwarzen Tuchjacke, und bei Regeuwetter der rote weite Mantel. Im 3üd-Osten herrscht als Kopfbedeckung die bulgarische Echaffellmütze, im Osten die romanische Tracht vor. In den Tta'dten ist die Männertracht, soweit sie nicht der europäischen gewichen ist, eine reiche und zugleich höchst tleidsame. Dunkelblau ist die vorherrschende Farbe im Anzug. Von blauem Tuch ist das türkisch geschnittene, mit schwarzen Tchnürcn reich besebte Beinkleid, die im Winter mit Pel; verbrämte, eben so reich verzierte ^ber-iacke. Der handbreite, mehrere Ellen lange Thawl-güttcl aus Garn fest gewebt, bunt gestreift, manchmal aber von kostbarem (5achcmir- oder Teidenstoff. Die Weste über dem lnrnriüs gestickten feinen ^cinenhcmde gewöhnlich wrmoisinrot nnd mit Goldschnüren reich aufgenäht. Dem Waffengurt mit silberausgelcgten Pistolen schließen sich rückwärts ;wei zierlich ornamentierte Patrontäschchen vom gleichen Metalle an. Die Kopfbedeckung bildet derbes mit langer dnntclblaucr Knaste; die Mß-bctleidnng bunte oder weiße Ttrümpfe nnd weitaus-grschnittcne schwane ^cderschnhe. >>5in frei herabhängendes besser, ein Fcuerstahl, ^adcslock, Fetlbiich^chcn und ein feines Tacktnch vervollständigen den Anzug des Ttädters. Die Francntracht anf den« Vandc zeichnet fich dnrch ihre reiche Abwechslung im Kopsputze anö. Bci Belgrad trägt das Mädchen die Haare gewöhnlich vou liulö nach rechts getheilt, und die mit Blumen nnd Mün;en durch — 129 — flochtenen Zöpfe vom Qhre nach rückwärts gehängt. Die Haare über der Stirne werden kurz abgeschnitten und in einer fortlaufenden Reihe kleiner Schnörkeln auf dieser angeordnet. In vielen Gegenden und auch in der Stadt trägt das Mädchen ein kleines rotes Käppchen mit dunkler Quaste, um welches der Zopf von rückwärts nach vorne schräg gcwnndcn wird. Dieser kleidsame Kopfputz wird immer durch eine Blume oder durch ein blinkendes Geldstück gehoben. Die verheiratete Frau trügt auf dem Lande nur selten den Fes; an seine Stelle tritt eine Art mit Münzen bedeckter Helm, welcher unter dem Kinn mit Bändern befestigt wird, und von dessen Spitze ein buntgeblümtes Tuch auf den Rücken fällt. Das Gesicht erscheint in einem förmlichen Metallrahmen, da bei den Wohlhabenden auch die Bindbänder mit Silbermünzen geschmückt sind. Im serbischen Westen trägt die Fran gewöhnlich einen tellerförmigen Kopfputz mit einem weißen, nach rückwärts in reichen Falten herabhängenden Tuche, im Poscharewazer Kreise eine vorne mit Münzen dicht besäte Kappe, welche wenig vom Haare sehen lässt, gleichfalls mit einem Tuche, welches nach rückwärts lose herabfällt. Sehr eigentümlich ist der Kopfputz im Krusche-wa;cr Kreise. Das Haar wird ;n beiden Seiten des Gesichtes in sehr breiten Zöpfen mit künstlichen Einlagen (Chignons) und großen Münzstücken nach rückwärts gesteckt. Auf dem Scheitel wird ein aufrechtstchender, mit Straußen- oder Pfauenfedern geschmückter, diademartiger Aufsatz befestigt, von dein ein weißes Tnch und ein dicht mit Münzen besetzter Streifen bis zur Mitte des Rückens v, G >! urlouics, PiMnm mid die Ncbeullnidl'r. 9 — 130 — herabfällt. Sehr hübsch, und an Italien mahnend, ist dcr Kopfputz im südlichen Serbien. Das Costume der serbischen Bauersfrau ist im übrigen trotz der verschiedensten Variationen ziemlich einfach. Das wichtigste Stück desselben bildet das lange, wm Halse bis zu den Knöcheln reichende, am Brustschlitz, den Achseln und Ärmeln reich mit bunter Wolle gestickte Hemd von starker, im Hause gewebter Leinwand. Auf drm Felde fommt selten mehr dazu, als zwei buntgestreifte Schürzen, die nach vorn und rückwärts gebunden sind, ein Leibgürtel und manchmal ein kurzes, vorn offenes, giletartigcs Jäckchen. Das Obrrkleid, welches nur selten im Hause getragen wird, ist ein mit bunten Streifen, Tuchroscn n. dgl. besetzter, vorne offener, ärmelloser Rock von weißem starken Abatnche. Bunte Strümpfe nud Opanken bilden, wie bei den Männern, die Fußbekleidung. Das Malerische des An;ngcs wird, abgesehen von dem reichen phantastischen Kopfputze, noch durch mannigfachen Schmuck: durch Perlen, Münzen in breiten Reihen, an Hals und Brust, Silber- oder Messingspaugen am Gürtel, durch Armringe von Metall, oder Glasperlen, Ohrgehänge und Ringe von Silber- oder ^alschschmuck, gehoben. Die Tracht der serbischen Städterin ist ebenso reich als kleidsam nnd hat den großen Vorzug, dass sie bei-i'cihe gar nicht von der Mode beeinflusst wird. Nichts Reizenderes als der Kopfvlch einer juugeu serbischen Dame. Auf dem Hinterhnupte sitzt ein niedlicher kleiner ^cs, welcher von dem schönsten, natürlichen Diadem, dem leiten, den Oberkopf umrahmenden Zopf festgehalten wird. — 131 — Blumen, und besonders gern eine knospende Rose, bilden dessen natürlichen Schmuck. Bei der verheirateten Frau ist die ganze sichtbare Oberfläche des Fes, von dem Punkte, wo sonst die Quaste befestigt wird, reich mit Gold uud Silber gestickt oder spiralförmig mit eng aneinander gereihten Goldstücken, bei deu Reicheren aber mit Perlenschnuren so dicht besetzt, dass der rote Stoss vollkommen verschwindet. Auch der Fran gilt ein breiter, dunkler Zopf als höchste Zierde; natürlich ist er nicht immer echt uud manche Dame sncht denselben durch emgeflochtene Sammtbänder küustlich zu verbreitern. Am Hochzeitstage tritt zum Zopfe als bleibender Schmuck eiu zollbreiter runder Willst hinzu, welcher uebeu dem Zopfe kranzartig befestigt uud mit einzeln angehefteten Goldstücken oder Iuweleu geziert wird. Noch mehr als auf dcm ^andc gehört znr tadellosen Kopftoilette einer vornehmen Serbin die Schminke. Zu dem schwarzgefärbten Haare und den künstlich verlängerten Augenbrauen verlangt die Sitte weiß uud rot geschminkte Waugeu uud hochgefärbte kippen. Zu deu natürlichen Reizen gesellen sich künstliche, welche leider deu frühzeitigen Ruin des Teints, der Zähne uud verschiedene Krankheiten zur Folge haben, da die Färbemittel selten rciu sind, sondern oft gefährliche Gifte, Älcipräparate uud Sublimate enthalten. Nie der Kopfputz ist auch die Bekleiduug des Oberleibes vollkommen orientalisch. Gu leicht gewebtes, reich gesticktes Hemd bedeckt deu Oberkörper, welcher besonders bei den Mädchen noch dnrch ein über die Schulter gewor- frucs, uach vorn gekreuztes Seidentnch bedeckt wird. Unser 9. — 132 — Mieder ist in Serbien noch wenig gekannt. Der sehr kurze Schnürleib reicht nicht hoch hinauf; in hygienischer Beziehung hat also dieser Theil des serbischen Frauenanzuges vor der Pariser Fashion seine Vorzüge. Auf dem Krcuzungspunkte des Umhängtuches ist bei dem Mädchen gewöhnlich ein kleines Blnmenboncmet, bei den Frauen, welliger poetisch als blendend, ein Goldstück. Es bildet den Abschluss der vielen Korallen-, Perlen- oder Ducaten-reihen, w elche den beliebtesten Halsschmuck serbischer Damen bilden. Besonders kleidsam ist der Schnitt des Ober-jäckchens von schwerem, einfarbigem, grünem, blauem oder Nosa-Seidenstoff. Seine nach unten weitgeschlitzten Ärmel lasseu die feingestickteu Ausgänge des Hemdes sehen; es ist reich mit Gold uuo Silber gestick, lässt den Oberkörper frei und reicht bis zur Leibesmitte. Um letztere wird eine schwere brocatene Schärpe geschlungen, deren reich ornamentierte Enden nach vorn über deu buntseidenen Nock von europäischen: Schnitt lang herabfallen. Ein oft goldgesticktes Sacktuch, ein Fächer, Bouquets, breite Armbänder, möglichst viel Ringe, vervollständigen die bunte Toilette. Im Winter hüllt sich die serbische Stadtdmne in ein mit Pcl; verbrämtes Tuch - Obcrkleid, welches im Schnitte den vinicn des Anzuges folgt. An den Rändern wird es hänfig mit Gold- oder Silberschnüreu beuäht. Die lebhafteu ungebrochenen Farben sind in der serbischen Damenkleiduug ebenso vorherrschend wie der dunkle Grund-tou im An;ugc des Mannes. Wie wohnt der Serbe? Im Gegensatze zu den oft stattlichen Banten Belgrads und einiger Kreisstädte — 133 — sind die Wohnhäuser in den kleineren Flecken und auf dem Lande sehr primitiver Art. Das Gebäude besteht immer aus einem Gerippe roh mit der Axt behauener, vertical, horizontal und schräge ineinandergefügter Pfähle, deren Zwischenräume mit Lehmziegeln ausgefüllt werden. Die so hergestellten Außenmauern umschließen einen Raum von 15 Schritt Breite und 15 bis 20 Schritt Länge. Im Innern wird dieser Raum durch Zwischenwände zwei- bis dreimal getheilt. Die Hanptthiire führt in den mittleren und größten Theil des Baues. Er dient als Küche und ist, im Gegensatze zu den beiden anschließenden kleinen Wohnstuben, ohne Oberdecke, um dem Rauche leichteren Ausgaug durch die im Dache befindliche Öffnung zu gestatten. Wenn feuchtes Wetter den Rauch niederdrückt, ist dieser der gauzeu Familie zum Versammlungsort dienende Bau ein wenig angenehmer Aufenthaltsort. Nur Gewohnheit vermag ihn erträglicher zu machen. Die ursprünglichste Bedachung der Häuser mit Stroh oder Holz ist im Osten Serbiens dcm Zicgeldache gewichen. Das Innere des eigentlichen Wohnraumes sucht der Serbe in seiner Weise möglichst wohnlich ein-zurichteu. Der Estrich wird mit Nohrmaltcn und bei den Wohlhabenden mit im Hause gewebten Teppicheu belegt. Diese mit einigen Kissen bilden gleichzeitig das nächtliche Lager. Bettstellen und Schränke sind äußerst selten. Die besseren Kleider werden in Truhen aufbewahrt, welche, bunt bemalt, einen bedeutenden Einfuhrartikel aus dein siebenbmgischcn Kronstadt bilden. Auch Sesfel mit Lehnen sind in Bauernhäusern kaum gekannt. Ein niederer Schemel auf drei Füßen vertritt ihre Stelle. — 134 — Nur hie und da findet man einen Ofen. Hingegen setzt jedes bessere Haus seinen Stolz darein, ein möglichst bunt coloriertes Bild des Schutzpatrons zu besitzen. Eine Zinnlamfte hängt vor demselben, neben dieser gewöhnlich eine Gusla und als Hauptzierde der Waffenschmnck der Männer des Hauses. Manchmal schmücken auch das Porträt des Fürsten, Vithografthien alter serbischer Helden, dann cinigc bunte Trinkgläser, Geschirre und Zinnteller anf einem schmucklosen Wandbrette die weißgetiinchte Mauer. Der Schutzpatron eiueö Hauses ist von gan; besonderer Bedeutung, weil die Serben weder den Namens-tag, noch den Geburtstag, sondern den Tag des Schutzpatrons der Familie feiern, von dem man, nächst Gott, alles Gute für Hans, Hof und Feld erwartet. Diese Feier ist bei den Serben nuter dem Namen der „Slawa" betannt nnd gilt so viol, dass auf der Baltauhalbinsel die Slawa^cier als ein ^haraitcrisiikniu der Serben angesehen wird, welches sie von den übrigen Tüdslauen in fast anschließender Weise unterscheidet. Der häuslichen Slawa sseicr geht ein feierlicher Goltrsdicnst iu der ,^rtslirchc voraus. Im Hause selbst bildcu Gelage den Hauptbestandtheil der Feierlichkeiten, zu denen nur die Verwandten, die >iume (Pathcn), Po-bratimc ^verbrüderten ^ uud besten Freuude geladen werdeu. Treten wir in ein Haus, in welchem die Slawa gefeiert werden soll. Das Haus wurde schon am Tage znvor ;um wiirdigen ^mpfaiM d^r Gäste gescheuert uud manchmal mit Grün und Vlnmcn, am liebsten mit dem ans Oslindicu und — 135 — Persien stammenden Basilicum geschmückt. In der Mitte der großen Wohnstube des Starjeschina (Hausiiltesten) hat man ans frischgespaltenen Brettern eine lange Tafel auf niederen Füßen errichtet. Das Speiseservice besteht in einigen buntbemalten irdenen oder hölzernen Tellern, einigen Holzlöffeln, Gabeln — ein Messer führt jeder Serbe stets bei sich — und einem Salz« und Paprikafässchen. Die Mitte dcs Tisches nimmt ein großes Brot von runder Form ein, das in dem religiösen Theile der Frier die Hauptrolle spielt und nach der liturgischen Vorschrift einzig nur aus Weizenmehl bereitet werden darf. Seine obere Seite erhält durch das Aufdrücken cincs Modells ein erhabenes Kreuz und die Initialen dcr Worte „Jesus Christus", seine Kehrseile aber, nachdem es gebacken, einen Krenzschnitt. Als wir gleichzeitig mit dem Popen in die Stube eintraten, war die Versammlung bercils vollzählig. Man hatte sich gegenseitig begrüßt, und nach serbischer Sitte beim Eintritt auf beide Wangen geküsst. Auf der Mitte dcs Brotes, wo fich die beiden Kreuzlinien berühren, war eine hohe dünne Wachskerze aufgesteckt; an diefe wurden in halber Höhe zwei kleinere angeklebt, so dass sie angezündet, einen Trilir, das Sinnbild der h. Dreifaltigkeit dmttellten. Ncbcn dem Brote stand ein Krng mil Wein gefüllt, welcher als gU'ich unentbehrlich zur religiösen Ceremonie gehört. Bclleidet mit dem Cpitrachiliou — einem Gewände, das dcr Priester um dcn Nacken trägt, und ohne welches er keine gottcsdienstliche Handlung verrichten kann — stellte sich der Pope au die östliche Schmalseite des Tisches. — 136 — Ihm schloss sich zur Linken der Starjcschina, diesem der älteste Sohn des Hauses mit den männlichen Familiengliedern an. Znr Rechten des Popen standen die Kmne, die nahen Verwandten und geladenen Gäste; die Franen füllten den Hintergrund der Stube aus. Der Pope eröffnete die Feier mit dem Ablefen eines langen Gebetes, in der monotonen, aber eigentümlich feierlichen Weise der orthodoxen Litnrgie. Hierauf weihte er unter fortwährendem Beten mit einem Ranchgcfäße das hl. Brot ein. Er rief dabei Gottes und des Hauspatrons Segen auf das Haus herab, „dass die Ähren so hoch wachsen mögen, als die Decke dieses Zimmers" und ähnliche fromme Bitten folgten nach. Wohlriechende Thymiandüfte erfüllten die Stube und zogen hier und da, angestrahlt vom hellen Kerzenfchimmer, in kräuselnden Wolken Aureolen um die dnrch tiefe Andacht verschönten Kopfe der einfachen Naturmenschen. Der Starjeschina nahm dic Kerzen ab, griff dann nach dem Brote und brach es gemeinsam mit dem Popen in zwei Hälften, nachdem fie es nuter Absingen der vorgeschriebenen bieder dreimal in den Händen gedreht hatten. Hierauf begofs der Pope das Brot mit Wein; der Starjeschina und Kmne sogen diesen mit den Lippen auf uud brachen sodann dic beiden Hälften nochmals. Nach dein Herkommen erhielten nur der Pope, der Starjeschina und die Hansfran Theile des geweihten Brotes, während die Gäste nach den übrigen Broten des Tisches laugten. Die liturgische Feier war ;u Ende. Der Pope entledigte sich seines (5pitrachilions und nahn: den (5hrensitz — 137 — bei dem nun folgenden Mahle ein. Es begann mit einer warmen, sauren Ragoutsuppe, welcher Fische, Bohnen, Käse, Obst und Kaffee folgten; zum Trunke wurde Raki und Wein gereicht. Während des Mahles brachte der Pope einen Trintspruch zu Ehren Gottes aus. Der Hausherr folgte mit einem Toaste auf das Wohl seiner Gäste und insbesondere des Fremden, der — es wäre von guter Vorbedeutung für sein Haus — dasselbe gerade am Tage des Heiligen betreten habe. «UnoZ^'g. IMä/ „Noch viele Jahre!" erscholl im Chore der immer schöne serbische Rundgesaug, abwechselnd mit Trinkspriichen auf das Wohl des Hausherrn, des Kume, der Freunde, welch allen aber jener auf das „lange ^eben" des Foszwäar (Landesherrn) vorausging. Der Frauen wurde jedoch — es ist charakteristisch für deren sociale Stellung — mit keinem Worte gedacht. Trink- nnd Segenssprüche dürfen bei keinem serbischen Mahle fehlen. Sie übersprudeln oft von schönen Bildern und poetischen Gleichnissen, nnd in dem einfachsten Serben findet man oft etwas von dein dichterischen Nalnrcll, welches die Sänger von Profession, die blinden Guslare, auszeichnet. Ein solcher Trintspruch lautet: „Auf Dein Wohl, Ärnder Hausherr! Mit Hilfe Gottes und im Namen Gottes haben wir nnS versammelt, um Deinen Ruhm zu mehren nnd Deinen Wein zu mindern? Möge Dir Gott dafür geben Weizen nber Weizen, nnd Korn iiber Korn! Wenig mögest Du säen, viel aber ernten und alles verzehren mit Deinen Minen hicr an Deinem Tische und zum lobpreis Gottes, und nicht vergessen, Deine Freunde dazu einzuladen! Möchte er Dein Haus schmücken, — 138 — Deine Erde segnen, Deine Herde mehren, und möge sie Dir Käse schütten, wie die Mühle Mehl schüttet, nnd Dn Gäste bewirten nnd Gott loben, stets einschenken und ein leeres Fass haben! Mögen Dich Deine Brüder lieben, und Freunde aus allen Enden des Landes bei Dir einkehren nnd Dir bringen Licbe, Lob und Leben, und möge jeder Schritt, den Du aus Deinen: Hause thust, Dich in dasselbe Mückführeu, mit Ehre, Segen und Glück! Möge das Thor, durch welches Freuude zu Dir tommen, osfcn stehen allezeit; das Thor aber, durch welches die Feinde ins Haus wollen, mit Disteln «erwachsen! Möge > Gott Dir ferne halten glimmende Asche, treulosen Freund, türtischen Bogt und jegliches Unheil! Und mm dieser Becher mir, der andere Dir!" Nach dem Mahl finden sich die Anwesenden zum Tan; und Gesang zusammen. Die Jüngeren ergeben sich dem nationalen Krcistauze, Kolo, die Ältcreu wagen ab und zu auch eiu Tänzchen, triukeu danu drauf los und hönn deu Volksliedern zu, die entweder von der Jugend gesnugcu werden oder die ein alter Gnslar vorträgt, wobei er am liebsten aus der nationalen Geschichte, von der Heldenzeit des serbischen Voltes, wm Hercules der Sndslcweu, dem Kraljevics Marko, Lieder zu singen pflegt. Neben der Kirche, an einer Brücke auf cincm freien Wieseuplane nimmt der Sänger Platz und seiuc ^usla, ein mit Nosöhaarsaitcu bespanntes, der Mandoline ähnliches Instrument, lässt vorerst znr Einleitung ein einfaches, melancholisches Präludium vernehmen. Dann folgt der Gesang mit dem einförmigen Vortrage, mehr recitierend als singend, in langgezogenen Tönen nach. — 139 — Nach der Sage war Kraljeuics Marto der Sohn des Wukaschin, des Despoten von Serbien. Schon seine Jugend war durch Heldenmut und glorreiche Thaten verherrlicht und erst nach seines Vaters Tode, der 1371. nach einer gegen die Türken verlorenen Schlacht als Flüchtling von einem treulosen Diener erschlagen wurde, büßte er seinen früheren Ruhm ein, da er sich mit den Moslims vereinigte und unter dem roten Banner Bajasidl. gegen Mir;a, den Ban der Walachei, kämpfte. Trotzdem wnrde das Volk nicht müde, seine Heldenthaten zu besingen. Die Mythe lässt ihn 300 Jahre leben, und ;ur Stunde sagt jeder Serbe noch: Held Marko schlafe und werde jählings wieder erwachen. Unzertrennlich vmi der Gestalt deS Helden ist die seines Pferdes Scharaz, dem aus den Hufen lebendiges Feuer, aus den Nüstern blane Flammen sprühen. Zn der Schnelligkeit deS Renners giebt ihm die Sage noch als wnuderthätige Waffe eine ^anzc, die er wirbelnd iu die Luft zu schleuderu weiß, und eine scchsgezacktc Keule, die 96 Ota an „kaltem Eiseu, weisem Silber und gutem Golde" wiegt. So ausgerüstet tritt Marto in die Welt. Noch kennen ihn die Wojwodcn nicht und nennen ihn den „Schwächsten". Doch als er im Zweilampfe den Mohren Scknla besiegt, der sich mit einer schlanken Tanne Fühlung zufächelte, hat sich Marko für alle Zeiten den Ehrennamen „der Stärkste" erworben. Cr fügt unit Heldenthat an Heldenthat. Seine Mutter Euphrosine, die mit ihm die weiße , setzen ans die Straße Als den blinden Bettler ohne Führer, Dass er bettle um die karge Nahrung." Nur die Viebe hilft: die Königstochter erlöst ihn mit Hilfe seines Freundes Doicil, und Marko zieht wieder nach Prilip. Knrzc Zeit darauf schmachtet Marko wieder durch drei Jahre im Kerker des Kaisers in Stambul. Die Sage lässt ihn vor dem Sultan erscheinen, als in der allgemeinen Not niemand den Albancsen Mußa zn bekämpfen wagt, der von seinem Schlosse an der Küste ans raubend und verheerend das ?and durchzieht. Marko erscheint; ihm hing das Haar bis znr ^erse nnd verhüllte so seinen ganzen Körper; des Kerkers Moder hatte ihn verwildert, so dass er grau geworden wie das Gestein, Er verspricht dcn >tamvf nnd släitt sich durch drei ganze Monate mit jrdcr Speise nud jedem Trank. Das Schwert, das ihm geschmiedet wm'de, vermaa. seine Riesenkraft noch zn brechen Ulld des Waffenschmiedes Arm fällt zur Strafe dafür nntcr einem ein;igen Streiche. Endlich zieht er ans, kämpft einen halben Sountag um Mnßa lind fast von diesem unterjocht ruft er die Wile Rawisojla znr Hilfe an. Sic fliegt — 143 — zu ihm herab, um mit ihrer bezaubernden Schönheit des Mußa Blick zu fesseln; dieser sieht nach ihr — nud Markos Schwert senkt sich indessen tief in des Riesen Herz. Den nach Stambul Zurückgekehrten will der Sultan mit hundert Goldducaten belohnen; er weist das Geschenk zurück, erbittet sich aber für ein ganzes Jahr volle Trinkfreiheit bei Stam-buls Wirten, und treuherzig sagt darum das Lied: „Weilte Marko noch eines Jahres Tage, Blieb kein Tropfen Wem in Ttambul übrig" Endlich empfindet auch Marko Liebe im Herzen: die Sehnsucht nach eiuem häuslicheu Herd verfolgt ihn auf allen Zügen, die aber nicht immer von günstigen Erfolgen begleitet waren. Es scheint, dass seine reckenhafte Erscheinung wenig angethan war, Liebe zu erwecken. Nach mehreren ärgerlichen und hoffnuugsloscu Versuchen will Marko Nosanda heimführen, die Schwester des Landeshauptmanns Leka, die schlankste und herrlichste Schönheit ihres Landes, selbst die Wile an Nci; uud Anmut über-trcffeud. Mit Marko werbcu noch zwei Serbenfürsten um das Mädchen, Milosch, der blühendste unter allen Helden, und Ralja, der Beflügelte. Leka empfängt die Freier mit ehrender Auszeichuung in semer prächtigen Feste. Als er das Begehren der Helden angehört, zaudert erRosanda zu rufen, denn viernndsiebmzig Freier hat sie schmähend schon zurückgewiesen, doch auf des Bruders Bitte erscheint sie, von ihren Frauen umgeben. Sie hört den Wnnsch der Wojwoden, weist aber mit stolzen beleidigenden Sorten dic Bewerber zurück, au jedem Nmnen einen Makel sindend, unfähig ihn mit dem ihrigen zn verbinden. Die Helden schweigen; Veka — 144 — wagt kein Wort zu erwidern, denn in Markos Augen glüht die Zornesfackel. Er siehl Marko znm Hof hinabsteigen, wo Rosanda lachend sich vergnügt; Marko fagt ihr süße Worte und fleht, nur einmal ihr Angesicht sehen zn dürfen. Tie richtet den stolzen Blick auf ihn, doch nur um das Schwert zu sehen, das ihre schöne Rechte vom Arme trennt, den scharfen Dolch, der ihre kalten Augen mit seinem Feuer durchbohrt. So rächt Marko die Antwort der übermütigen Schönen. Doch bald der Schmach vergessend, die ihm geworden, wirbt er, auf seiner Mutter Bitte, um Widosawa, die Tochter des Bulgarenlönigs Schischman. Er erhält ihre Hand, führt sie in reichem Hochzcitsznge nach der Feste Prilip, freut sich dann ihrer Treue dem Verrate des Freundes gegenüber, der sie noch als Markos Brant an den Dogen von Venedig verkaufen wollte. Fortan schmückt die Phantasie des Volkes das häusliche ^eben Markos mit einer Reihe reizender Züge, die wie milde Sonuenstrahleu das Helden« leben des rauhen Mannes durchleuchten. Widosawa wird so das sänftigende, ausgleichende Princip im ^eben Markos. Dass Marko die Heiligkeit der Ehe nnd ihre Würde aufrecht zu halten wusste, beweist die schöne Antwort, welche er dem Tiirkenhelden Halil-Aga gab, als dieser von Marko im Wettschicßcu mit dcm Pfeile Tataranka, dcn neun Habichtfedern schmücken, besiegt, dem Gegner sein Schloss und seine Gattin als Sicgespreis anbieten will: „Nicht bedarf ich deiner lyaltin, Temi bei un5 nicht ist'? wie bei dm Türken, Wo die Tclavin ist gleichwie der Gattin. Habe selbst zu Prilip eine Gattin, 3chon gleich Leiner, Namens Widosawa." — 145 — So setzt sich aus vielen losen Zügen ein schönes, in kräftigen Umrissen gezeichnetes Lebensbild Markos zusammen. Er erscheint als ein treuer Mann, uoll überquellender Empfindung, vertrauend ans seine märchenhafte Kraft und zu ursprünglich angelegt, um bei der Verteidigung seines Rechte's oder Landes eine Grenze seiner Grausamkeit zu kennen. Veg Konstantin hat Marko nur drei schlechte Thaten vorzuwerfeu uud selbst in deren Erfindung zeigt sich die schlichte, fromme Gesinnung eines noch in unverdorbenen Begriffen befangenen Volksstammes. Marko wies einst zwei Arme von seiner Thüre, als sie aber wiederkehrten in prächtigen (Gewändern, gab er ihnen den Ehrcnsitz im nause; daun setzte er zwei Greise an das untere Ende seines Tisches, weil sie in schlechte Gewänder gehüllt waren, und cudlich - das Schmählichste von allem — er gab ein Fest und lud nicht Vater und Mutter, „um zuerst vom Weine mit ihm zu trinken". Der Vorwurf dieser drei Thaten «erfolgt anch den Helden durch die letzten Lebensjahre. Seine Kraft nimmt ab und sein Arm vermag nicht mehr die sechsgezackte Keule zu schwingen. Er liegt schwer krank in, Schatten eines Vnlnncs: nnr ein Habicht briugt dem Helden in seinem krummen Schnabel Wasser und breitet seiuc Flügel schützend über Kraljemcs Marko. Noch einmal erstarkt Marko, im kurzen Aufleuchten seiner Lebenskraft. Endlich sind die :i()0 Jahre vorüber uud dem altcrudru Helden naht die letzte, vom Volke märcheu-haft ersonueue Stuude. Er reitet auf seiimn getreuen Reimer ins Gebirge Uuwina- dem Tcharaz fallen große Thränen aus den Augen und die Wile dcntct das seltsame Zeichen auf Markos nahe Sterbestunde. V. Gl> url ov i c ö, Vosmm und die AcbcM'ind«, 10 — 146 — Sie führt ihn zu einem Brunnen auf einsamer Tannenhöhe und in dessen klaren Fluten erblickt Marko sein erblassendes, entstelltes Angesicht. Hierauf tödtet Marko den Schara;, den er dnrch 160 Sommer geritten, zerbricht den Säbel in uier, die Lanze in sieben Theile, streut sie über die Wipfel der Bäume und wirft die Keule über alle. Berge — weit hinaus ins uferlose Meer. „Wenn cms! die Keule ans dem Meer gelangt. So mag auch wieder dieser Zomie Licht ein ktttäblein schauen, Ter zum Helden wird gleich wie der Marko" singt der sterbende Recke und theilt noch sein geringes Vermögen in drei Theile — das Testament neben sich auf den grünen Nasen legend. Den ersten Theil bestimmt er für sein Begräbnis, den zweiten für die Kirche, den dritten für die lahmen und Bliuden, „dass sie das Land durchwandern nnd des Marko noch im Lied gedenken". Dann legt er sich ruhig auf des Brunneus Nand, um dort zu sterben. „Lügnerische Welt, du falsche Blume, schön rot warst du!" ruft er noch einmal der sinkenden Sonne zu nnd dann bricht sein Ange. Die Vorübergehenden weichen scheu zurück, denn sie fürchten den gewaltigen Helden zu wecken, der wie schlafend daliegt. NnrderAbtwn Swctogana; erkennt die Wahrheit, theilt Markos Vermögen nach des Verstorbenen Willen nnd begrabt ihn auf dem heiligen Berge in der Siledankirche. „Dcich teilt „pichen sehte er dem Hcloen, Tas-H uon seinem Grade nienmno wisse, Uno kein "veind sich räche wei Theile getheilt, derm östlicher Theil bei Prischtum vorzugsweise das Ainselfeld genannt wird. Diese ungewöhnliche orographische Bildung enthält in Folge ihrer nnmimldaren Niihe bei drei Hochgcbirgssto'äcn 10^ — 14s — imd divergierenden Stromgebieten, zugleich die Wasserscheiden für nicht weniger als drei Meere, nnd zwar für das Adriatische, das Ägä'ische und das Schwarze Meer. Der westwärts gegen Scutari gewendete Drin, die nördlichsten Zuflüsse des bei Salonich sich ergießenden Wardar und das fächerartig ausgebreitete ^uellgebiet der Morawa — alle diese Gewässer entspringen in den fruchtbaren Thal-furchen des Kosowo Polje und es giebt mehrere Stellen, wo der Reisende kaum wahrnimmt, dass er eine Haupt-Wllssevfcheide überschritten hat. Eine besonders seltsame Formation dieser Art ist die tiefe Einsattelung zwischen Katschanik und Warosch mit einer relativen Erhebung von nnr wenigen Metern, welche einen Theil der Nasserscheide zwischen dem Ägäischeu und dem Schwarzen Meere bildet und von der Straße wie von der Eisenbahn Talonich-Mitrowi;a mit Vcichtigteit überschritten wird. Ein gutbcvöltertcö, fruchtbares Becken, drsscn Thal-sohlen die durchschnittliche Höhe von 150^) Fuß erreichen, eine Fläche, von der Straßen und Thäler nach allen Veltrichtungen ausgehen, musste von allen Heereo- und BolterMen heimgesucht werden, welche sich im Lanfe der Zeiten über die westliche Halste der Haltanhalbinsel ergossen, und nach wie vor wird nnr der Herr des Amselfeldes auf die Dauer auch der Beherrscher Bosniens, Albaniens und Mace-doniens sein uud bleiben tonnen. In unmittelbar vorosmanischer Zeit war das Amsel-fcld nur vou Scrbcu bewohnt und bildete einen Theil Rascieus, zu dem auch das heutige Paschalik von Nowibasar gehörte, infolge unerträglichen Druckes der türÜschen Herrschaft verließen im ^ahrc ltoso»oo durch die Hand des Serben 'il'bilics fiel. Des Snllans Veiche liegt irgendwo in Kleinasien begraben und in dem Türbch zeigt ein Scheich — 150 — bloß die Waffen und Kleider, welche Murad in der Schlacht getragen haben soll. Das Tiirbeh ist ein schmuckloser Ban, von einer kleinen Kuppel überwölbt, und die nackten weißen Wände sind nnr mit türkischen Gebet-inschriftt'n geschmückt. Prischtina ist eine vorwegs nwha-medanische Stadt vou 10.000 Einwohnern mit einem Dutzend Moscheen und zahllosen Minarets, angeblich eine Gründung der Witwen der in der Schlacht ron>iosowo gefallenen Tiirtcn. An jeden Stein und jede ,vlur der Thalebcne bei Prischuna knüpft die serbische Polkssage Erinneruugen an die vergangene Größe und Herrlichkeit des serbischen Reiches und an die Gewaltthaten, welche das Volt nach der Entscheidungsschlacht von den Türken zu erdulden hatte. So giebt es eine Flur der Gehenkten, der Gepfählten, der Vebendigbegrabenen, nnd die locale Volkssage erzählt, dass sich Sitniza, Niorawa und der Drin am St. Beitstage, dem Jahrestage der Schlacht, blutigrot färben — bis das Türtenjoch abgeschüttelt sein wird. Bekanntlich erwählt die serbische Vegende, dass die Schlacht am 15. Inni 1389 hauptsächlich durch den Verrat des Wut Orankouics verloren ging. Brantovics ist seit jenem Tage unter den Serben die aphoristische Bezeichnung für jeden Landesverräter geworden, wenngleich mit großem Unrecht, da, die ernste Geschichtsforschung bisher keinen einzigen sicheren Anhaltspuukt für den mythisch überlieferten Perrat zutage gefördert hat. ^m Gegentheil hat der anfgefnndene schriftliche Verkehr des Vrankovics mit der Ragusaner Republik erbeben, dass er ein kluger nnd vorsichtiger Mann war uud niemals nach dem Throne >tnes Vasars, des damaligen Scrben-bchcrrschcrs, getrachtet habe. Sicher ist nur soviel, dass — 151 — das Heer der christlichen Verbündeten, „der Ungläubigen der sieben Zungen", wie es Seat-Eddin, der türkische Chronist nennt, dem Heere Mnrad I. beiweitcm überlegen, dass aber weder Knes ^asar, noch sein Reich und Volt im Stande waren, den anstürmenden Osmanen Niderstand zu leisten, die ja schon drei Jahre vorher die Serben zu einem schmachvollen Frieden bei Nisch gezwungen nuo das bulgarische Reich unterjocht hatten. Knes Vasar war ein bescheidener, gerechter nnd friedliebender Regent, der aber weder seiner schweren Zeit, noch den endlosen Zwistig-keiten gewachsen war, welche das Innere seines Reiches zerstörten. Es ist demnach kein Nnnder und eine Thatsache, die sich in der Geschichte aller Reiche wiederholt: dass ein Volk, das um seine Selbständigkeit kommt, die Schuld nicht sich, sondern einem seiner Heerführer oder Regiernngsmänner zuschreibt, der ^and nnd ^ente mn ein Stück Geld dein Feinde verraten haben soll. Das Schlachtfeld von Kosowo bildet eine von leicht ansteigenden Höhen begleitete Ebene, welche von dcr Sitniza in eine östliche und westliche Hälfte getheilt wird. Auf dem rechten Ufer, den Rücken gegen Norden gelehrt, standen am 15. Juni 1.",8N die Serben. ,^nes 5/asar befehligte das Mitteltrcffen, sein Eidam und ')icffe Wuk Arankovics, der angebliche Verräter, den rechten, uud Konig Twrtko von Bosnien del« linken Flügel; die Hilfs-truppen der Magyaren, Vulgären nnd Her;egowiner bildeten das Hintertreffen. Sultan Mnrad stand mit seinem Heere auf dem linken Ufer der Sitniza, und er selbst befehligte mit Owswezier Ali Pascha im Centrum die Ianitscharcn nnd auserlesenen Bogcnschüdcn; den rechten Flügel mit den asiatischen Truppen führte sein — 152 — ältester Sohn und Thronfolger Bajafid, den linken mit den europäischen Truppen sein Sohn Iakub. Die osmanischen Bogenschützen begannen, gegen beide Flügel sich ausbreitend, die Schlacht. ?angc wnrde mit großen Verlusten, abcr ohne Erfolg, anf beiden Seiten gekämpft; da rückten die christlichen Heere im Sturmschritt vor, durchbrachen die feindliche Schlachtlinie und brachten den linken Flügel der Osmancn in vollständige Unordnnng. Schon schien sich der Sieg anf Seite Vasars zu neigen, da stürzte sich Bajasid mit den Seinigen in die Flanke der anstürmenden Serben nnd entschied damit den Tag. Das Vlnt der Christen und Mohamcdaner floss in Strömen nnd weit und breit war das Schlachtfeld „gleich einem buntfarbigen Tulpcnbect" von den Köpfen der Gefallenen bedeckt, unter denen sich mich Knes ?asar befand. Dic Verbündeten, welche nicht dnrch die Schwerter und Keulen der Mohamednner umkamen, wnrden in die Sklaverei abgeführt. Aber anch der Sultan entging seinem Schicksale nicht. Milosch Obilics, ein schwer-verwundeter Serbe, drängte sich unter dem Vorwande, dass er willens sei, sich zum Islam zu bekehren und dass er dem Sultan etwas mitzutheilen habe, an denselben heran und stiesi ihm, als er zum Fußknssc zugelassen wurde, einen Dolch in den Unterleib, worauf Murad nach wenigen Stuuden verschied. )cicbt minder blntig war die zweite Schlacht, welche Iohauu Huuyady uach seinem Zuge durch Serbien am 18. und IN. October 1448 auf dem Amselfelde gegen die Übermacht Sultau Murads II. verlor. Die Schlachtordnung war eine ähnliche, wie wr nennnndfünfzig Jahren ; die Ungarn am rechten, die Türten am linken Ufer der — 153 — Sitniza. Hunyady stand nut den Tiebeubürgeru und den böhmischen Artilleristen im Centrum -, Johann Szekely befehligte achtundreißig Fähnlein Ungarn ans dein linken Flügel; den rechten bildeten die Nalacheu nnter Daniel. Sultau Murad commandierte die Iauitscharen und die os-manische Artillerie im Centrum, Turathan die enropäischen Trnppell ans dem rechten, Großuezier Halil die Asiaten auf dem linken Flügel. Die Schlacht blieb am ersten Tage unentschieden und am Vormittag des zweiten bis zum Tode SMety's war der Sieg in den Händen Hnnyady's. Da gingen die Walachen mit Daniel an der Spitze zu den Türkeu über, uud obwol neben 15.000 Christen 34.000 Osmanen die Wahlstatt decken, war Mnrad II. doch am Abend des 19. October Sieger. Nnr mit Mühe entkam Hnnyady, ohne Waffen uud Soldaten, welche iu die Häude der Ianitscharen fielen, nach Serbien. Crst nach langen Irrfahrten uud zweimonatlicher Haft in Semendria, wo ihn der serbische Knes Georg Brankovics gefangen hielt, gelangte Hnnyady in die hartbedräugte Heimat— dic nördliche Hälfte derBaltnuhalbinsel auf Jahrhunderte hinans der osmauischeu Herrschaft überlassend. Kosowo-Polje ist das heute rwu eiuem feindseligen Volke bewachte Grab des serbischen Reiches. Seine Wiege steht nicht weit davon, einige Meilen weiter gegen Nordwcsten, im mclgcuauntcn Sandfchak von 3cowibasar, wo die Füstentülner Serbien nnd Montenegro auf eine 45> Kilometer breite Strecke einander nahe treten. Es ist dieö das alte Naöcien, jener „Halö" zwischen den südslawischen Fürstentümern, welcher fitr den Beherrscher dcö Amselfeldcs ciue uuerläftliche Vorbedingung dauernden Besitzes ist. — 154 — Von den ewig beschneiten, über 3000 Meter hohen Häuptern des „verdammten Gebirges" — Prokleta Pta-nina — am Ostrande des Scutarisees streicht nordwärts der Bihor, ein massiger Hochgebirgsstock, nach dem serbischen Greu;gebirge Iawor und theilt so das Paschalik von Nowibasar in zwei Theile, von denen der nördliche, orographisch genommen, ;n Bosnien, der südliche zu dem Flussgebiete des vor drei Jahren nengebildetcn Pilajets von Kosowo gehört. Auf der nördlichen Abdachung die stol;e, goldene Bosna, auf der südlichen das Amselfeld mit seinen radial auseiuandergehenden Verkehrslinien; zu Häupten des Bihorgobir^cs das arme Ätontenegro, '^u seinen Füßen das wohlhabende Serbien -— darin liegt die große Bedeutung des Sandschats von Nowibasar und der politischen Stellung, welche dort nnsercr Monarchie durch den Berliner Vertrag Anerkannt worden ist. Der Sandschal von Nowibasar ist ein etwa 45 Kilometer breiter ParaUclstreifen, mit einen: Flächeninhalte von 8057 Qnadratlilom. nnd einer Vcvölkernng von ctwll 130.000 Seelen, so dass also nicht ganz sech;chn Seelen auf den Quadrattilcm. lommeu. Das Paschalit von Nowibasar gehört demnach zn den am dünnsten bevölkerten Gebieten Europas. Nach der Nationalität genommen, ist die slavische Bevölkerung mit etwa 100.000 Seelen die vorherrschende und außerdem wohnen etwa 30.00!.) Albanescn, 1500 Zigeuner nnd einige hnndcrt Juden im Vande. Nach dem Ncligionobclenntnis herrscht die griechisch-orientalische Konfession vor, indem sie 70.000 Serben zä'hlt, während sich der größte Theil der 30.000 Albanefcn und 30.000 Serben ;mn Islam bekennen. Die Urbevölkerung, nämlich seit der Bölkerwaudcrnng, ist die slavische; die — 155 — Albanesen sind erst nach dem Jahre 1737 aus Mittel-Albanien eingewandert, da infolge der osmanischen Herrschaft und Gewaltthätigkeit ein Theil der eingebornen Serben unter dem Bischof Arsenije IV. Iovanovics nach Österreich übersiedelten. Achtuudvier;ig Jahre früher, waren, wie schon einmal erwähnt, ^7.000 Familien nnter dem Patriarchen von Ipek, Arsenije III, Tschernojevics, aus dem Amselfelde nach der habsbnrgischen Monarchie ausgewandert. Wie in allen Provinzen des türkischen Reiches die Mohamcdaner in den wegsameren und fruchtbarsten Gegenden wohnen, so ist es auch in dem ehemaligen Rascieu der Fall. Längs der Heerstraße, die von Sarajewo über Sjeuiza nach Mitrowiza fiihrt, und in den ergiebigeren Thalgebieten wohnen überall und vorherrschend Mohamedaner, so dass für die Christen nur der Raum nördlich gegen die serbische und südlich gegen die montenegrinische Grenze übrig blieb. Die Albaneseu beginnen d auch der Pascha wird sie nnr verhängen, — 161 — wenn seine Macht zu deren Vollzug ausreicht. Wer eine» Mord begeht, muss aus der Heimat fliehen; sein Hab und Gut wird confisciert und die übrigbleibenden Verwandten des Mörders zahlen je nach ihren Vermögens-verhältnissen eine Geldbuße im Werte von 1(1 bis 50 österreichischen Gulden. Infolge der durch die Sitte geheiligten Blutrache ist die Familie des Gemordeten verpflichtet, an jener des Mörders Pergeltung zu üben; die nächsten männlichen Verwandten des Mörders und Gemordeten sind Ziele oder Vollstrecker der Blutrache. Raub und Diebstahl, an Fremden begangen, sind straffrei; an Stammgeuossen begangen mir eine Angelegenheit für cwilrechtliche Untersuchung. Unbedeutende Affairen werden durch den Altenrat geordnet; große Processe vor rin Schiedsgericht gewiesen, um dessen Zusammensetzung die streitenden Parteien von Fall zu Fall ansuchen. Processe unter mächtigen Gegnern daueru gewöhnlich so lange, bis gegenseitige Ermüdung zum Vergleiche führt. Die aldanesischcu Stämme sollen eiu ziemlich ausgebildetes Kriegsrccht haben. Der Friede muss aufgesagt, die Kriegserklärung durch eine Herausfordernug und Gewehrsalve erfolgen. Angebot zu Friedeusverhandlungcn, wie Herolde dicnste überhaupt, werden durch Weiber, welche als schwache Wesen im Kriege unverletzlich sind, überbracht. Trotzdem nehmen Franen und Mädchen an den Kämpfen theil, nm Todte und Verwundete wegzuschleppen, beim Vorriicken die ge-falleucu Feinde zu pliiuderu, ihnen die Köpfe abzuschneiden, den Streitenden Munition und ^ebensmittel zuzutragen, Steine voll den Höhen anf die anstürmenden Feinde herabznwerfen. Überhaupt ist die Stellung des albancsischcn Weibes eine ganz exclusive. Es wird nicht gefreit, souderu gekauft, V. Gyurlovlc«, Vosick'N >md die ^cbr»>ä»der, ,1 — 162 — und der Erlös von 10 bis 30 österreichischen Gulden bleibt dem Vater der Braut. Die Aruauteu ans dem Hochgebirge nehmeu ihre Weiber nie aus dem eigenen, sondern aus einem der benachbarten Stämme, weil gemeinsame Abstammung ciu Chehinderuis bildet. Mit der Heirat tritt das Weib aus den: Verbände seines Stammes und wird in die allgemeine Gütergemeinschaft der neuen Familie, damit anch in den Stamm ihres Mannes aufgenommen. Die strenge Eousecmcn; dieser Sitte und der Constitution der Clane ist der Ausschluss der Weiber von der Erbschaft, so dass Frau und Tochter als Erben hinter den entferntesten männlichen Verwandten zurückstehen. Alle diese Sitten und Gebräuche finden sich in der eben geschilderten Allgemeinheit nnd Präcision allerdings nur in jeuen Gebirgsgegenden, wo die uralte Institution des Stammes noch ungebrochen und von jeder fremdeu Invasion ganz unbeeinflusst geblieben ist, so z. V. in den Hochgebirgen nord- und südöstlich von Scutari zu beiden Seiten des Driu. Iu der sumpfigen Küsteustrccke sind die alten Gebräuche wie der Volkscharakter degeneriert und dort erst beginnt die Herrschaft der Pforte, welche in den Gebirgen zwischen Nowibasar und Elbasan kaum etwas mehr als Obrigkeit ist. An der Küste treibt auch der Albauese Haudel uud Ackerbau, wie der Grieche, Tiirke oder Walache, mit dein er beisammen wohnt, aber nichtsdestoweniger ist der ^'»ltnrclle Abstand ;wischeu dcu albauesischeu uud griechischen Hnfeuorlcn ein ungeheurer, und trotz des unmittelbareu europäischen Einflusses bewahrt der Albanesc anch an der Küste seinen wilden, kriegerischen Sinn nnd seine Enltnr-Widerspenstigkcit. Es ist merkwürdig genug, dajs dem albaucsischeu Volle trotz seiner 163 weltbekannten Wchrhaftigkeit und ungehenren Widerstandsfähigkeit gegen fremde Elemente im Laufe von drei Jahr-taufenden die Bildung eines nationalen selbständigen Staates nicht gelingen wollte. Es hat wol alle Eindringlinge wieder zum Vaude hinausgedrängt, sogar sein Machtgcbict nach allen Richtungen gegen die Serben, Bulgaren und Griechen ansgedehnt, aber es blieb stets so streng Passiv, dass man allen Grnnd hat, an der Enltnrfähigkeit dieser breitschädligen Nasse zu zweifeln. Nicht so sehr vielleicht wegen des Mangels an Intelligenz, denn die Geschichte des Skenderbeg, des Desftotats von Eftirus, des Ali Pascha uou Tepeleni und die vielfach von Nlbanesen geführten Frciheitskämpfe der Neugriechen sprechen ebenso für die Gewalttätigkeit wie für die Schlauheit des albanesischcn Volkes. Aber es herrscht eben in dieser urultcn Rasse jener bereits obenerwähnte Instinct des Konservatismus gcgcn alles Fremde, der bald durch barbarische Gewalt, bald durch zähes Ausharren immer wieder zu dem Eigenen zurückkehrt. Ob es je den Bemühungen der europäischen Enltur gelingen wird, die hochgewachsenen, sehnigen Älpler odel die kleinen, fahlgelben, vom Sumftsfieber declinierten Küstenbewohner Albaniens ans der nach Jahrtausenden zählenden Stagnation auf;>niittcln, muss die Mnnft lehren. Jedenfalls giebt es nnr zwei Mittel da;n und die sind: Viel Geld nnd noch mehr physische Macht, denn ein albanesisches Sprichwort sagt: „I<6 kN8<^,t »Lll^atH, «,t,j6 I)68H." — „Wo das Schwert ist, da ist auch der Glaube". . . Kehren wir wieder zum Gebiet von Nowibasar zurück, das '^'^ Jahre lang das Eentrum des serbischen Reiches war. Als nämlich die Köiligswürdc von den Gros^Schupanen — 164 — von Dloclea — bei Podgori;a und Scutari — an die Schupane von Rascieu und damit an die Familie Nemauja überging, residierten die serbischen Könige in Nowibnsar. Im Kloster Mileschewo bei Prjeftolje ruhten 350 Iahrc laug die Gebeine des Honigs Wladislaw und des National-Heiligen Erzbischof Sawa, welche Siuan Pascha im Jahre 1595 in Belgrad verbrennen ließ. Erst Zar Lasar, der in der Schlacht auf dem Amselfelde 1389 dcu Osmanen unterlag, verlegte im Jahre vorher die Residenz nach Prisren; dagegen schlugen dessen Nachfolger ihren Sitz in Semendria an der Donau auf. Die ruhmreichste und bedeutungsvollste Periode der altserbischen Geschichte ist also an Gebiete gekuiivft, wo heute eine fremde und feindselige Bevölkerung vorherrscht, uud im ^aufe der letzten zwei Jahrhunderte sind die Serben gegen die Donau, den mitteleuropäische!! Culturstrom, in stetiger uud naturnotweudiger Folge nordwärts gerückt — gewiss nur zum Segen uud zur gedeihlichen Entwicklung dieses Volkes. Die alten Sagen uud Volkslieder erzählen von Rascien, der Zeta und ^osouw, wo hcutc Mmnesen wohnru, und der serbische Hcrculesmythus besingt Kralje-vics Marko, den Sohn des «o'nigs Wutaschin, der als türkischer Vasall in Priliv residierte, wo heute eiuc durchaus bulgarische Bevölkerung die Nachbarschaft der Arnantcn bildet. Der Hochgcbirgscharakter des Bandes bedingt dessen geringe Frnchtbarkcit, so dass von dcm gcsammten MchciN'aumc von 8050Quadratkilom. uur etwa 17^5 dem Feldbau zufallcu, während 3450 Quadlatkilom. von Wald, Wiesen uud Hntweiden bedeckt und 2875 Qnaoratlilom. ganz unfruchtbar siud. Die Vcvo'lkcruug lcbt daher vorzugswcisc vou der Viehzucht uud bisher auch von — 165 — der Dnrchfnhrsbewegung, welche die commercielle und militärische Verbindung Bosniens mit dem übrigen türkischen Reiche vermittelt. Von weit geringerem Belange war der Transoersalverkehr, der zwischen Serbien und Montenegro ans einzelnen Wegen oder im Thale des^im nnd Ibar größten theils als Viehhandel unterhalten wmde. Diesen Verhältnissen entspricht anch der topographische Charakter des Sandschats von Nowibasar. Die bloß in Thalgründen nnd Mnlden gelegenen kleinen Städte und Dörfer sind nnr dnrch Saumpfade mit einander verbunden. Der einzige Fahrweg, welcher das Paschalil durchschneidet und Mitrowiza mit Sarajewo verbindet, ist jetzt zum großen Theile für leichtes Fuhrwerk nicht mehr passierbar. Anch hier erprobt sich die alte Erfahrung, dass eilt ^mid in der Rcgcl nnr solche Communication besitzt und erhält, welche es brancht nnd verdient. Das Tragthier ist in der Türkei, selbst wo es gnte Straßen giebt, das eigentliche Verkehrsmittel nud darum müssen sogar gut angelegte Gebirgsstraßen, deren Erhaltung viel Mühe nnd dosten verursacht, in dcr Türkei nach tnrzer Zeit verfallen und der Kiriadschi (Pferdetreiber) sncht dann wieder seine alten und kürzeren Smlmpfade auf. Der hervorragendste Ort des Paschalits ist die Stadt Nowibasar mit etwa 8000 Mohamedanern und 1000 Christen iu 1600 Häusern. Die Stadt ist neueren Ursprunges, und der Name, welcherso viel als „Nenmarkt" heißt, weist anf die commerciellc Cntstehungsnrsache des Städtchens sehr dentlich hin. An der Stelle von Nowi" basar stand vor Iahrhnnderten Naschn (Nascia), die Residenz dcr rascischcn Schnpauc nnd späteren Könige aus dem Hause der Nemanja, wie der Sitz der rascischen - 165 — Bischöfe und vieler Ragusaner Kaufherren. Eiue halbe Stunde nördlich der Stadt steht die uralte Kirche zu 3t. Peter und Paul, in der König Stephan Nemauja getauft worden sein soll, und etwa drei Viertelstunden von Nowibasar die Nniucn des Klosters „Djnrdjewi Stubowi", iu dein Mönche die Porträlsfresteu dcs genauuteu Königs zeigten. Nowibasar wie seine Ilmgebnug mit dem Kloster Softotschani, deu Ruinen von Deschewo und Rcljiua ist eines der interessantesten archäologischen Gebiete der Ballanhalbiusel, da dort altrömische, serbische und osma-nische Baulichkeiten eine ;weitansendjährige Geschichtsperiode zur Anschauung bringen. Nenn vielleicht auch die Mönche der geuamtteu Peterstirche ;u weit in der Behauptung gehen, dass dieselbe an der Stelle eines im Jahre 62 v. Ch. erbanten Heidentempcls steht, so ist dagegen das eiue Halde Stuudc östlich der Stadt im Ilidschathale gelegene kleine Schwefelbad ohne Zweifel römischen Ursprunges. Inmitten von Nowibasar erheben sich drei alte Knlas (steinerne Blockhäuser), in donen die serbischen Könige Garnisonen hielten; in nenester Zeit, gan; besonders seit dein serbischen 5lriege l8?6, haben die Türtcu vier Ncdouten aus^eryald der Stadt angelegt. Nuf der Strafe von Nowibasar nach Mitrowi;« liegt das Dorf Banjsta mit .'»00 Seelcn, weit nud breit be-kauut durch seiue Schwefelgllellen und cine Kula, dic von deu Türken aus deu Ruinen einer Kirche und eines Klosters zum hriligeu Stephau erbaut wurde. Mitrowi;a ist eiu kleiucs u!0hamedauischl,'s Städtchen von etwa ^">().» Ein' wohnern, das jetzt ebenfalls von einigen Redouten umgebeu nud auch als Kopfstatiou der von Zalouich tomlueuden Eisenbahn ein militärisch und cominen'iell besonders wertvoller — 167 — Punkt ist. Der Besitz von Mitrowiza sichert gegen Süden nicht nur jenen des Sandschats von Nowibasar, sondern ist auch der nnerlässliche Ausgangspunkt für Unternehmungen im Amselfelde, welches wieder die Beherrschung des südwestlichen Thsiles der Valkanhalbinsel entscheidet. Reist man von Nowibasar in der Richtung gegen Sarajewo, so ist der nächstwichtige Ort Sjeniza mit etwa 1500 Einwohnern, zugleich der nördlichste von Albancsen bewohnte Punkt der Türkei. Auch dieses armselige, zwischen kahlen Höhen gelegene Städtchen ist seit drei Jahren von den Türken neu befestigt worden, wogegen die Serben, gan; besonders im letzten Herbste, an den Grenzhöhen des Iawor Befestigungen errichtet haben. Weiter nördlich folgt das „bosnische Sibirien" bei dem znmeist von Christen bewohnten Nowa-Warosch, wo der Schnee alljährlich von Dimitri bis (^eorgi an den nächsten Höhen liegen bleibt. Abseits der Ronte Sarajcwo-Mitrowiza, nämlich gegen Süden, in den romantischen Thälern des Lim, Ibar nnd der Narenta, liegen folgende Orte: Prjepolje an der Mündung des Baches von Mileschewo in den ^im mit etwa MX) Einwohnern, von denen sich die größere tiirkische Hälfte mit Feldban, die christliche vorzugsweise mit Viehhandel beschäftigt. Eine Stnude östlich des Städtchens im Thale des Baches Mileschewo liegt das gleichnamige, bereits erwähnte Kloster, das ehemals nnter dem ^amcn der „serbischen Vawra" bekannt war und heute noch ein nationaler Wallfahrtsort ist. Nach der Schlacht von >iosowo gelangte das jetzt rnincnhafte Kloster in den Besitz der Wojwodcn von Zähmn, welche sich znerst Grabcshüter vom heiligen Sawa und dann Herzoge desselben Heiligen nannten. Pon diesem Titel erhielt — 168 — auch dann ihre Heimat Zähmn den Namen der Herzegowina. In reizender Lage befindet sich die zweite größte Stadt des Sandschaks, Plcwlfe oder Taschlidscha an der Tsche« Hotina, einem Nebenflüsse der Narenta, mit 6000, ;n zwei Dritteln mohamcdanischen Einwohnern. Der ge-wcrbsflcißige und handeltreibende Ort ist in Folge der Thätigkeit des berüchtigten Mufti von Taschlidscha in der letzten Zeit sehr viel genannt worden, aber er ist an sich auch in jeder Beziehung ein interessanter und wichtiger Punkt. Römische Ruinen und eine Kapelle zieren die Höhen des Eliasberges im Südosten der Stadt, und im Nordosten anf dem Golubinjc-Verge steht das serbische Kloster der heiligen Dreifaltigkeit. Nennen wir das noch von .-iOOO, zumeist Rändern bewohnte Ojclopolie (Atowa >, so haben wir aller Orte gedacht, in denen schon in einiger Zeit die schwarzgelbe Fahne mit dem Dopftcb aare flattern wird, den bcdeiitumMwücn AlMick gegen Süden nach dem fruchtbaren Amsclfeldc nnd den ewig beschneiten Oebirgsstocken der Protlcta - Plaimia und des Schar-Dag — «.n äel^ «,16 Nitrovioa. gerichtet. I cucl vu,< O. <Äisl°l «l Cu. in Wir». Mlder's Mmsche Wbliolhek für öie Zugend! Herausgegeben von Z!r. Alois Ggger von Möllwald. «isher erschienen: 1. Kaiser Mniimilia» l. Von Tr. v. ltraus. Preis «4 Ir. 2. Kaiser Friedrich lll. und Herzog Albrecht V!. Von Dr. K. Iarz. Preis 6l lr. 3. Marln Tlirresia vor ihrer Thronbesteigung. Von E. ?lelschker. Preis 60 lr. 4. Herzog keopold Vll. der Glorreiche. Von Dr. W. SlaNa. Preis 64 lr. 5. Nikolaus kenau. Ein Dichterleben. H^on Dr. L. Smolle. Preis 48 lr. rrsttin. Von Tr. Ä. I. Schober. Mit 1 Povtrlit. Prciö 48 lr. 11. Murin Theresia im (irbfolgclricgc. Von E. 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