Uber die geographische Verbreitung von Daphne BIagayana Freyer. Von Prof. Alfons Paulin. Die Konigsblume (Daphne Blagayana Frey er), eine der schonsten und seltensten Zierden unserer Flora, wurde bekanntlich im Jahre 1837 vom damaligen Besitzer der Herr- schaft Billichgraz, Richard Ursini Grafen Blagay, auf der Nordseite des Lo r e n z i b er ges als ein bishin unbekanntes Gewachs aufgefunden. Der damalige Kustos des Landes- museums, Heinrich Freyer, glaubte in dieser fremden Pflanze eine neue Seidelbastart erkennen zu milssen. Nachdem die zu jener Zeit hervorragendsten Botaniker Deutschlands, Prof. R e i c h e n b a c h in Dresden und Prof. Koch in Erlangen, Freyers Urteil bestatigten, wurde dieser Seidelbast von Freyer in der botanischen Zeitung «Flora* 1838 als neue Artbeschrieben und dem Entdecker zu Ehren Daphne Blagayana getauft. Wie leicht begreiflich, hat das Auffinden einer so ausgezeichneten neuen Spezies berechtigtes Aufsehen in Fachkreisen erregt. Welch grofies Interesse dieser Entdeckung aber auch invveiteren Kreisen entgegengebracht vvurde, kann daraus ersehen werden, dafi der Kdnig von Sachsen, Friedrich August II., die Muhen und Beschvverden einer damaligen so weiten Reise nicht scheute, um Daphne Blagayana an ilirem Fundorte selbst zu beobachten. Am 14. Mai 1838 bestieg dieser erlauchte Junger der scientia amabilis, geleitet vom Grafen Blagay und Kustos F r e y e r, den 823 m hohen Lorenziberg, um diese prachtige Seidelbastart an Ort und Stelle selbst zu pflucken. Zur bleibenden Erinnerung an diesen hohen Besuch liefi Graf Blagay am Siidabhange des Lorenziberges ober dem Dorfe Billichgraz einen aus krainischen Marmor gefertigten Obelisken errichten, der folgende, dieses Ereignis verdolmetschende Inschrift tragt: 2 Pridie Idus Mayi Diei Fausto Dum Serenissimus Saxoniac Rex Friedcricus Augustus Aug. Caes. Adfinis Plantam a D. Frcyer Custode Musei Labacensi Recognitam Novam Nomine Donatam Daphnem Blagayanam Botanices Amore Loco Natali Visendam Advenit, Altitudinem Non Abhorens MDCCCXXXVIII. Richardus Comes Ursini Blagay, Loči Dominus, In Memoriam P. Geraume Zeit hindurch, fast volle zwei Decennien, blieb die Fundstelle am Lorenziberge als einziger Standort be- kannt und wurde als pflanzengeographischeš Ratsel angestaunt, als es dem bekannten serbischen Botaniker Prof. Pančic (1856) gelang, unsere Art auch in Mittelserbien, und zwar auf dcn Serpentinbergen stldlich von Belgrad, nachzuweisen. Spiiter (1871) gliickte es dem Musealkustos Karl Desch- mann, audi bei uns zu Lande einen neuen Standort unter dem Katharinenberge, an den Gehangen des nordwestlich von Laibach gelegenen Jetrbcnk, auch Peterbenk und Hirtenberg genannt (600 bis. 750 m), zu entdecken. Im Jahre 1881 konnte ich das Vorhandensein dieser Art auch auf dem zwischen demjetrbenk und dem Lorenzibergebefindlichcn Bergriicken, Grmada(850m) konstatieren, 1889 vvurde ein weiterer Standort an dem stldlich vom Lorenziberge bei Altoberlaibach gelegenen Razor (400 m) nachgewiesen und in neuester Zeit auch das Vorkommen auf dem die AVestseite des Ločnicagrabens bildenden Hohenzuge Igal vrh (700 m) bekannt. Die standigen Begleiter von Daphne Blagayana an diesen Lokalitaten, deren geognostische Beschaffenheit eine kalkige ist, bilden der dreischnittige Baldrian ( Valeria.ua tripteris L.), das Fruhl i ngsheid e- 3 kraut {Eriča carnea L.), der g e m e i n e Seidelbast ( Daphne Mežereum L.), die neunblatterige Zahnwurz ( Dentaria enneaphyllos L.), das Leberblumchen {Anemone Hepatica L.) das Krainer Fingerkraut {Potentilla Carniolica Kern.) und zum Teile auch der Zungen-Mausedorn {Ruscns Hypoglossum L.). Bald nach Auffindung unseres Standortes am Jetrbenk hatte aber Pančič (1875) unsere Pflanze auch am Durmitor in Montenegro aufgefunden. Im Jahre 1886 entdeckte sie Seunik bei Sarajevo, am Berge Ormanj, und seither wurde diesen Fundorten eine ganze Reilie weiterer Ortlichkeiten ihres Vorkommens auf der Balkanhalbinsel, in Kroatien und Steier- mark angefiigt. Uberdies wurde von Simonkai noch nach- gewiesen, dali auch der von Seli ur (1866) aus der Flora von Siebenbtirgen als Daphne Lerchenfeldiana beschriebene Seidel¬ bast mit Daphne Blagayana identisch ist und dafi somit unsere Art, welche aber tibrigens in Siebenburgen sclion 1816 von Baumgarten aufgefunden, jedoch verkannt worden war, auch an mehreren Lokalitaten in Siebenburgen vorkomme. Eine Zusammenstellung der bisher bekannt gevvordenen Standorte 1 ergibt nun folgende geographische Verbreitung: Krain: Auf der Nordseite des St. L o r e n z i b e r g e s (Blagay, 1837); am Jetrbenk (De selim a n n, 1871); am Nordabhange der Grmada (£aulin, 1881); am Razor bei Oberlaibach (Voli, 1889); am Igal vrh (Boršt n er, 1902). Steiermark: Auk den westlich von Romerbad, zwischen St. Margarethen und St. Georgeu gelegenen Hohen, namentlich unweit des Dorfes Turje (Kolatschek, 1894; Ulili c h); am West- 1 Literatur: Freyer in «Flora», 1838, I. — Pančic, Verzeichnis der in Serbien wild wachsenden Phanerogaraen in «Abh. d. zool.-bot.Ver.», 1856. — Pančič, Die Serpentinberge in Mittelscrbien in «Verh. d. zoolog.- bot. Gesellsch.», 1859. — Schur, Enum. pl. Transsylv., 1866. — Deseti¬ ni an n, Die Konigsblume in «Laib.Tagbl.», 1870, Nr. 10. — Pančič, Elenchus pl. vase. in Crnagora, 1875. — Simonkai, Enum. pl. Transsylv., 1886. — 4 Kroatien: Bosnien: Herzegowina: Montenegro: Albanien: Mazedonien: Serbien: abhange des Berges Male Kozje, gegenuber von Steinbrtick(Logar, 1902), welcher Standort sich fur Steiermark als neu erweist,Prof.Fritsch wenigstens erwahnt denselben nicht. In den ostlichen Auslaufern des Uskoken- gebirges am Ostabhange des Berges Oštrc ober dem Dorfe Rude nachst Samobor (Gjurašin, 1888; O. Abel, 1898). Am Or manj nordwestlich von Sarajevo (Seunik, 1886); amOzrenbeiMaglaj (Sprung, 1889); am S mol in und Mati na bei Žepče (Gschwind, 1889); auf der Duboštica (Reiser); am Konj (Brandis, 1890); am Cicelj bei Čajnica (Delič, 1890). Am Glogovo bei Jablanica (Van d as, 1890); im Ladjanicatal bei Kojnica (Fiala, 1893). Am Durmitor nicht weit vom Riblje jezero (Pančič, 1874); auf der Sinjavana, am Jablan und Ključ (Baldacci, 1890 bis 1892). Wurde hier nach Beck im Jahre 1889 von Schilling gefunden. Bei Allchar im Nidge-Gebirge (Hatkinson, 1892; Dorfler, 1893). Am, Stol im Čačaker Kreise (Pančič, 1856); am Diočibare (Pančič, 1875). Wettstein, Verh. d. zoolog.-bot.Gesellsch., Sitzuggsber. XXXVIII, 1888. — Vofi, Florenbilder in «Jahresber. d. Staatsrealsch.», Laibach 1889. — Gjurašin, Glasnik Hrvats.-Naravosl. društva V., 1890. — Kerner, Pflanzenleb. II., 1891. — Seunik und Delič, D. Blagayana in «Wissen- schaftl. Mitteil. aus Bosnien und Herzegowina», I., 1893, — Beck, Die Konigsblume in «Wiener illustr, Gartenzeit.«, 1893. — Romer, Uber das Vorkommen der Konigsblume in Siebenbiirgen in «Wiener illustr. Garten- zeitung,, 1894. — Keifiler, Die Arten der Gattung Daphne aus derSektion Daphnanthes in Englers bot. Jahrb. XXV., 1898. — Paulin, Beitr. zur Kenntnis der Vegetationsverh. Krains I., 1901. — Beck, DieVegetations- verhaltnisse der illyrisčhen Lander, 1901. — Fritsch, Uber die Auf- findung von Daphne Blagapana in Steiermark in «0. LIL, 1902, Nr. 4. 5 Bulgarien: Am Troja npasse (Urumoff, 1896). Siebenbiirgen: Um Kronstadt am Bucseecs und Schuler oder Kereszteny-Havas (Baumgarten, 1816) und am Hohenstein oder Peatra m are = Nagy-Kohavas (Simonkai, 1886; Komer 1900); bei Vidra im Bihargebirge (Simonkai, 1886). Aus den vorstehenden Standortsangaben ergibt sich, dali Dupline Blagayana ihr Hauptverbreitungsgebiet auf der Balkanhalbinsel, namentlich in Montenegro, in der Herzegowina und in Bosnien habe und dafi sie demnach ein Burger der in dlesen Gebieten selJhaften illyrischen Flora sei, welche ein Glied des westpontischen Florengebiptes bildet. Die isolierten Vorkommen in Krain, in Stidsteiermark und dem angrenzenden Kroatien mussen demnach als Residua des seinerzeit viel weiter nach Norden und Westen vorgeschobenen Verbreitungsgebietes angesehen werden, die sich zum heutigen Ilauptareale wie vorgelagerte Inseln zum Festlande verhalten. Wie ein Vordringen westpontischer Gewachse in dem ange- deuteten Sinne erfolgen konnte und was die Ursache ihres vielfach wieder erfolgten Rlickzuges war, darliber belehren uns die fiir die Geschichte der Pflanzenwelt so wichtigen Ent- deckungen, welche die Studien iiber die Entstehung der gegen- wartigen Flora im Bereiche der Alpen ergeben haben. Es kann hier nicht der Platz sein, auf dieses so interessante Thema naher einzugehen. Es sei demnach nur kurz darauf hingewiesen, dalj auf die Glacialperiode, in der, wie sich aus dem Befunde der pliocanen Ablagerungen ergibt, ein grolJer Teil der am Ende der Tertiarzeit bei uns existierenden Arten vernichtet wurde, eine warmere, durch Kohlenschichten zwischen den Moranen erwiesene, jedenfalls wie auch die Glacialperiode nur allmahlich, innerhalb sehr langer Zeitraume eintretende, als Steppenperiode oder Interglacialzeit bezeichnete Periode gefolgt war. In dieser Periode mit sehrwarmen Sommern war nebst anderen illyrischen Typen, wie z. B. CvKsium pauciflorum S pr., Scabiosa silenii — folia W. K., Hedraeauthus Croaticns Kern., Viola Zoisii 6 WuIf., Ruscus Hypoglossum L., auch unserer Konigsblume dieMoglichkeit geboten, nach Norden und VVesten vorzudringen und sich in unseren Gegenden anzusiedeln. Durch dieVerhalt- nisse, die nun in der auf die Steppenperiode folgenden zweiten Glacialperiode geschaffen wurden, muCten diese Ansiedler in ihrer wahrend der Interglacialzeit errungenen neuen Heimat vielfach wieder unterliegen, und nur an besonders gunstig exponierten Standorten war ihnen die Moglichkeit geboten, diese zweite Glacialperiode in unseren Breiten zu iiberdauern- Als solche besonders zusagende Expositionen haben wir nun unsere Vorkommnisse von Daphne Blagayana zu betrachten. An diesen Lokalitaten kon.nte diese den durch die zweite Glacialperiode herbeigefiihrten ungtinstigen ldimatischen Ver- haltnissen Trotz bieten, wahrend sie anderwarts denselben erlag, wodurch der kontinuierliche Zusammenhang mit ihrem urspriing- lichen Hauptareale zerrissen wurde. Hat nun Daphne Blagayaua durch die konstatierte Ver- breitung viel von dem Nimbus verloren, der sie anfanglich umgab, so bleibt immerhin unser inselformiges, vom Haupt- verbreitungsgebiete raumlich so weit getrenntes Vorkommen interessant genug, um derselben die grofitmoglichste Schonung hier angedeihen zu lassen, was leider seit einigen Jahren nicht mehr der Fali ist. Daphne Blagayaua ist bei uns in den letzten Decennien eine Modepflanze gewisser Kreise geworden, die sich nicht damit begniigen, einzelne BliiteiizM T eige zu pflucken, die vielmehr ihre geradezu kindische Leidenschaft durch das Kopfen von Hunderten von Stocken erst befriedigt vvissen. Kaum sind die ersten Strauchlein erbliiht, werden schon formliche Pliinderungsztige mobilisiert, derjetrbenk, als nachst- gelegener Standort, von allen Seiten gesttirmt und Strauch auf Strauch rucksichtslos gekopft. Wie leicht begreiflich, konnte diese Gier nach der Konigsblume auch der Landbevolkerung nicht entgehen und diese vufite, wie in solchen Fallen immer, diesen Umstand auszuntitzen und sich daraus einen, wenn auch geringen Erwerb zu schaffen. Infolgedessen wird Daphne Blagayana nicht nur an Ort und Stelle buschenweise fcil- 7 geboten, sondern auchKorbe voli nach Laibach selbst zu Markte gebracht. Ervvagt man, daC wegen verhinderter Autogamie und sparlichem Insektenbesuche bei uns nur auBerst selten Frtichte zur Reife gelangen und dafi somit selbst bei weitgehendster Schonung die Vermehrung durch Samen nur einen minimalen Nachwuchs liefern kann, und berticksichtigt man ferner die aus den Achseln der innersten Bliitenstutzblatter des gipfel- standigen Blutenkopfchens hervorgehende Verzweigung, so wird man es erklarlich finden, da(3 bei solchem Vandalismus die Pflanze am Jetrbenk stellenweise fast schon ganz ver- nichtet wurde. So habe ich heuer an Lokalitaten, wo ich vor 15 Jahren Hunderte von Stčicken zalil en konnte, nur mehr ganz vereinzelte kiimmerliche Individuen vorgefunden. Es ware demnach im Interesse der Erhaltung unserer Konigsblume sehr zu w(inschen, dafi die berufenen Organe in geeigneter Weise einschritten, zumal das vom krainischen Landtage erlassene Gesetz zum Schutze dieser Pflanze in der gegebenen Fassung wenig oder gar nicht geeignet ist, dieselbe vor Ausrottung zu schiitzen. Anders verhalt sich die Sache in ihrem Hauptverbreitungs- gebiete, wo die Pflanze an den betreffenden Standorten in grofien Mengen wachst und auch reichlich fruchtet. Da droht derselben nicht die Gefalir der Vernichtung, wenn sie auch hier, wie namentlich in Bosnien, eine von der einheimisclien Bevolkerung seit alters her gesuchte und geschatzte, unter dem Namen «Jaglika» l oder « Bori ca » bekannte Blume ist. So wird sie nach S e u n i k in Zepče, wo sie am S m o 1 i n und Mati n a massenhaft vorkommt, nach altem Brauche ihres angenehmen Duftes vvegen von den Kmeten den Agas als Liebesgabe gebracht. Ebenso halten auch die Katholiken von Čajnica ilire zierlichen weiftlichen Bltiten als erste Boten des ersehnten Friihlings hoch in Ehren. Schon Ende Marž wird 1 Interessant ist, dafi^die Lcutc im Ločnicagraben unsere Pflanze mit dem staram vervrandten Namen «igalka» bezeichnen. 8 hier die Borica vom Cicelj geholt und von Kindern in den Gassen feilgeboten, und am Palmsonntage setzen Frauen und Madchen ihren Stolz darein, Kopftuch und Brustlatz damit zu schmucken. Nicht weniger beliebt ist die Borica aber auch bei den Mohammedanern von Čajnica, die nach Delič folgende Sage liber ihre Entstehung zu erzahlen wissen: In einer am Abhange des Cicelj unter einer grofien Linde sich erhebenden Tekia (d. i. eine ttirkische Grabhalle) iebte vor 300 und mehr Jahren Murad-Zath der Gute, — auch Dedja genannt, weil er Scheih gewesen — und hat auch hier seine Grabstatte in einem in der Mitte der Tekia befind- lichen Sarkophage, an dem fromme Mohammedaner noch jetzt ihre Gebete verrichten. Murad Dedja hatte ein sehr frommes gottgefalliges Leben gefiihrt und mit Gottes Ililfe viele gute Werke in der Umgebung von Čajnica geschaffen. Zu diesen vielen Werken zahlt auch die Erschaffung der Borica. Die Tekia, welche Murad Dedja bewohnte, war namlich eines Tages in Brand geraten und stand alsbald in hellen Flammen. Da rief eine geheimnisvolle Stimme aus dem Fichtenwalde: Murad Dedja, es brennt deine Tekia, fliehe langs der Strugovi! Zugleich sah man eine Lichterscheinung, die langs der Strugovi, dem Lieblingsaufenthalte Dedjas am Cicelj, davonlief. Tags darauf konnte man, da Schnee den Boden bedeckte, in.diesem die Tritte bemerken, wie Dedja die Tekia verlassen hatte, um nicht zu verbrennen. In Strugovi verblieb Murad so lange, bis die Tekia und der Sarkophag neu hergestellt waren. Dann kehrte er zuruck und liegt, wie erwahnt, noch jetzt dort bestattet. VVahrend der eiligen Flucht aus der brennenden Tekia sei nun der fromme Dedja in Schvveifi geraten, und wo ein Schwei6tropfen von seiner Štirne niederfiel, da sei eine Borica entsprossen und erbliiht. Sonderabdruck aus den Mitteilungen des Musealvereins fiir Krain, Jahrg. XV, 1902, H. III u. IV. NARODNA IN UNIVERZITETNA VOn ' S ' V ' Kle!nmayr & Fed ' Ramber ® in Laibach ' KNJILNICA mirnim 00000465012