(Sonderabdruck aus dem »Zoologischen Anzeiger« Ed. XXXIV. Nr. 15 vom 29. Juni 1909.) Kastration und ihre Folgeerscheinungen bei Gryllus campestris L. qL Von Dr. Johann Regen, Professor am k. k. Sophiengymnasium in IVien. I. Mitteilung. Meine im Jahre 1903 gemachte Erfahrung, daB 00 2 -Narkose fiir Gnjllus campestris L. von keiner schadlichen Wirkung ist, beniitzte ich, um Kastrationsversuche an mannlichen Tieren unter Anwendung der genannten Varkose durchzufiihren. Es wurden Larven und Imagines kastriert, wobei nur die Testikel entfernt wurden. Die Imagines zirpten, als sie sich erholt hatten, wie unversebrte Mannchen und aucb ibr Benehmen den Weibchen gegenliber anderte sich anfangs nicht. Sie legten nocb mehrere vollkommen entwickelte Spermatophoren ab. Spater zirpten die entmannten Tiere seltener. Uber ihr nachtragliches Verhalten zu den \Veibchen kann jetzt noch nichts Positives mitgeteilt werden, da zu jener spateren Beobach- tungszeit schon alle Weibchen mit der Eiablage bescbaftigt waren. Von vier im letzten Larvenstadium kastrierten Larven entwickelte sicb eine zum Geschlechtstier \veiter, die iibrigen drei gingen bei der Hautung zugrunde. Die erste hautete sich ohne Schwierigkeit und die Imago war ein auBerordentlich munteres Tiercben, welches in einem groBeren Ter- rarium unter freiem Himmel gelialten wurde. Bei diesem Mannchen, bei dem die spatere Sektion ergab, daB die Testikel nicht regeneriert wurden und vollig exstipiert waren, konnte ich folgende Erscheinungen wahrnehmen: 1) Es zirpte nicht, obgleich es, wie ich an abgeschnittenen Elytren mikroskopisch feststellen konnte, ein vollkommen entwickeltes Stridu- lationsorgan besaB. 478 Einmal bemerkte ich wohl, daB das Tier ein wenig die Elytren erhob und sie ein paarmal gegeneinander schwacli bewegte, als ob es zu zirpen sich anscbickte; es brachte aber dabei keinen Ton, nicht ein- mal ein schwaches Gerausch liervor. Es lieB auch bald die Elytren wiederum sinken und macbte sich mit der Ausbesserung und Keinigung des Ganges zu schaffen. 2 j Dem \Veibchen ist es stets ausgewicken. 3) Die die Spermatophorenhlillen liefernden Driisen produzierten drei Spermatophoren, von denen die erste ziemlich vollkommen ent- wickelt war; die zwei andern hingegen waren ganz verkiimmert. Es ergab sich somit aus diesem vorlaufig einzeln stehenden Falle, daB die anatomischen und morphologischen Oharaktere des friiher ka- strierten Miinnchens wohl ausgebildet, dagegen die sonstigen Lebens- auBerungen desselben in bezug auf das Geschlechtsleben verandert waren. Ich will noch bemerken, daB mein Versuchstier im Terrarium noch lebte, als in der freien Natur in der ganzen Umgebung keine Feldgrille mehr zu finden war. Mit diesen Orientierungsversuchen solite zunachst nur festgestellt werden, ob die erforderliche Operation auszufiihren sei und ob sich die kastrierten Larven zu Geschlechtstieren weiter entwickeln. In diesem Jahre will ich an zahlreichen Larven jeden Larven- stadiums die begonnenen Kastrationsversuche fortsetzen. Uber die Ausfiihrung der C0 2 -Narkose und liber die Operations- technik werde ich bei andrer Gelegenheit ausfiihrlich berichten.