Dokumentation der künstlerischen Diplomarbeit Studienrichtung Bühnengestaltung Thema der Diplomarbeit Ereignis in der Stadt Goga Goga 33 1/110 von David Mohorič Diplomprüfung vom 08.06.2020 Akademie der bildenden Künste Wien Institut für Kunst und Architektur / Bühnengestaltung Professorin: Anna Viebrock Sommer 2020 Ich bedanke mich bei dem Slowenischen Kulturministerium, welches mein Studium durch ein Stipendium ermöglicht hat. Ebenfalls möchte ich mich bei allen bedanken, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben. Einleitung Thema dieser Arbeit ist ein, außerhalb Sloweniens, wenig bekanntes Drama von einem wenig bekannten Autor. Eine Lektüre, welche dem Expressionismus zugeordnet wird und mich schon eine längere Zeit begleitet. Ereignis in der Stadt Goga ist ein Theatertext, der in der Zwischenkriegszeit entstanden ist. Die Geschichte handelt von einem Mädchen, das in ihre Heimat-stadt zurückgekehrt ist, eine kleine abgelegene Stadt irgendwo in der Provinz. Uns werden die Einwohner vorgestellt: Zwei alte Schwestern, die auf ihrem Balkon ihren Mitbürgern auflauern; ein Buckliger, der von Bühnenbrettern träumt; eine alte Frau, die dem Anschein nach schon "auf die andere Seite geflohen ist"; ein Official, der in Gesellschaft einer Puppe in seinem Keller sitzt. Slavko Grum (1901-1949) wurde in Šmartno pri Litiji geboren. Er war von Beruf Arzt und verbrachte seine akademischen Jahre in Wien, wo er sich mit Welt-literatur und Psychoanalyse vertraut machte. Sein literarisches Schaffen war sehr kurz, Werke selten – er ist am meisten wegen dieses Textes bekannt. Er lebte ein hartes Leben voller Enttäuschungen und Bangigkeit. Goga 33 1/110 ist ein Film, der nach diesem Texte gedreht wurde. Die Stadt Goga entsteht in und in der Umgebung meines Wohnsitzes - dem Studentenheim in der Hagenmüllergasse 33, Zimmer 110. Die Stadtbewohner ziehen ein in die Räumlichkeiten des Gebäudes, während ich Grums Text übersetze. Abstract The subject of this work is a play, written by an author, who is virtually unknown outside of Slovenia. This text is associated with Expressionism and has in-terested me for some time. An Event in the town of Goga is a theatrical text that was written in the interwar period. The story is about a girl who has returned to her hometown, a small remote town somewhere in the province. We are introduced to the residents: two old sisters who are spying on their fellow citizens from their balcony; a hunchback dreaming of the stage; an old woman who appears to have "fled to the other side"; an official sitting in his basement in the company of a doll. Slavko Grum (1901-1949) was born in Šmartno pri Litiji. He was a doctor by profession and spent his academic years in Vienna, where he became acquainted with world literature and psychoanalysis. His prolific period was short lived, works rare - he is best known for this text. He lived a hard life full of disap-pointments and anxiety. Goga 33 1/110 is a film based on this text. The town of Goga appears in and around my place of residence - the dorm in the Hagenmüllergasse 33, room 110. The townspeople move into the building while I translate Grum's text. Goga 33/110 Die erste Absicht war eigentlich nicht einen Film zu drehen, sondern eine räumliche Installation zu schaffen. Mein Wunsch war es, die Möglichkeiten der dramatischen Kunst zu erkunden, wobei der Auftretende (Schauspieler oder Darsteller) davon ausgeschlossen ist und sein Umfeld (die Szene) seine Funktion übernimmt. Ereignis in der Stadt Goga schien mir ein sehr gut geeignetes Material für ein solches Vorhaben; der Text bietet zwei Aspekte an, die ein solches Narrativ ermöglichen würden: die prägende Atmosphäre der Stadt Goga und die Tatsache, dass das im Titel erwähntes Ereignis nicht vorkommen will. Klikots Dach-stube bot sich an als ein Schauplatz dieser Installation. Der Schreiber/Dichter ist eigentlich nur eine Nebenrolle; ein Zeuge des "Nicht-Geschehens" und leidet nur an einer der Neurosen, die die Einwohner der Stadt plagen. Seine Geschichte spiegelt sich aber mit der des Autors; er ist ein Schriftsteller, empfindlichen Geistes, leidend, langt nach Liebe, führt einen "Briefwechsel" mit seiner Muse und wohnt auf einem Dachboden (von Grum sind viele Briefe an Joža Debelak erhalten - seiner erste Geliebten; nach Kralj (1976) wohnte er in jungen Jahren in einem Dachzimmer, das er liebevoll "Sarg" nannte) – man könnte gut glau-ben, dass Klikot in seinem Zimmer hockt und das Drama selbst schreibt. Wegen der Pandemie, die uns Anfang 2020 heimgesucht hat, wurde eine solche Umsetzung sehr schwer durchführbar. Dies war hauptsächlich auf zeitliche und räumliche Einschränkungen (wir hatten seit März keinen Zugang zu den Räumlichkeiten der Akademie) und auf die Unzugänglichkeit materieller Res-sourcen zurückzuführen. Die neuen Umstände, unter denen ich mich befand, waren folgende: Ab Mitte März 2020 war ich, wie alle anderen, auf meinen Wohnsitz (das Studentenheim in der Hagenmüllergasse 33, 1030 Wien) und seine unmittelbare Umgebung beschränkt. Trotz dieser Umstände war ich entschlossen, die Arbeit fortzusetzen, wodurch gewisse Anpassungen an die neue Lage gemacht werden mussten. Ich habe mich entschieden, den Fokus von Klikots Dachboden wieder auf das ganze Werk zu verlagern. Eine Verfilmung des Werkes schien mir als eine gute Alterna-tive, die in dieser Zeit nun einwandfrei gezeigt (geteilt) werden konnte. Ich bemühte mich, der vorher genannten ursprünglichen Idee treu zu bleiben und habe die Motive der Aufnahmen überwiegend auf die Räume und Objekte meines Alltags beschränkt und einen möglichen Auftritt von Schauspielern abgelehnt, stattdessen hauptsächlich versucht, die Atmosphäre des Textes einzu-fangen. Der Text wird nicht gesprochen, sondern dem Betrachter hauptsächlich mit Zwischen- und Untertiteln vermittelt. Eine zusätzliche Einschränkung war auch, dass ich alle Aufgaben selbst erledigt habe (teilweise auch wegen der Einschränkungen, die im März aufgrund des Virus einberufen wurden). Infolgedessen hat sich auch die Art der Arbeit geändert. Durch die Nutzung meiner eigenen Räume und Objekte sind die Grenzen zwischen mir, dem Autor und der Arbeit verschwommen. Das Produkt ist viel subjektiver geworden. Das Ergebnis ist ein Rohschnitt - eine Skizze. * Ein wichtiger Teil der Arbeit war für mich auch die Übersetzung des Textes aus dem Slowenischen. Ich wollte den Stoff möglichst stark dem Umfeld, in dem ich diese Arbeit gemacht habe, annähern. Ich muss allerdings betonen, dass es sich hier nur um eine "Arbeitsübersetzung" handelt, die in erster Linie (wenn nicht nur) der Erstellung des Films diente und näher der slowenischen Sprache bleibt. Dafür habe ich die Erstveröffentlichung aus der Zeitschrift Ljubljanski Zvon (1930) und die Version im Zbrano delo (1976) verwendet. Meine ist auch nicht die erste deutsche Übersetzung. Laut Erwin Köstler (2006) und Slovenski leksikon novejšega prevajanja hat Herta Kralj das Drama be-reits in den 1950er übersetzt und in Klagenfurt wurde es damals auch uraufgeführt. Diese Übersetzung ist leider nicht mehr zu finden. * Slavko Gurm und seine "Goga" sind siebzig Jahre nach seinem Tod eine feste Größe der Slowenischen Literaturgeschichte. Das Stück wird immer wieder aufgeführt, ist Lesestoff in Schulen, nach Grum wurde ein Wettbewerb für Theatertexte benannt etc. Weil der Autor außerhalb Sloweniens nicht wirklich bekannt ist, erlaube ich mir, ihn kurz vorzustellen. Grum wurde 1901 in Šmartno pri Litiji als Teil einer Arbeiterfamilie geboren. Er hat in Novo Mesto die Schule und später das Gymnasium besucht. Er war noch zu jung, um im Ersten Weltkrieg eingezogen zu werden und ist den Massakern auf den Europäischen Schlachtfeldern knapp entkommen. Nach seinem Abitur zog er 1919 nach Wien, um Medizin zu studieren. Er hat das Leiden und die Dekadenz der ehemaligen Hauptstadt des Kaiserreichs erlebt – was ihn angetrieben hat, seine ersten literarischen Versuche zu machen (oder wie er sie selbst beschreibt; "Spielereien"). In den 1920ern lernte er auch Joža Debelak kennen, die sein Leben stark geprägt hat. 1926 starb sein Vater, er eilte in die Heimat und ist nie wieder nach Wien zurückgekehrt. Er lebte und arbeitete als Arzt in Ljubljana und schrieb "Ereignis in der Stadt Goga" 1928/29. Er gewann dafür einen Preis in Belgrad, hatte aber erst Schwierigkeiten mit der Veröf-fentlichung und der Uraufführung. Joža Debelak hat ihn zu der Zeit verlassen und seine Drogensucht, die schon in Wien angefangen hat, nahm stark zu. Er bewegte sich mehr und mehr am Rande des kulturellen Lebens in Ljubljana und ist schließlich 1929 mit seiner Mutter nach Zagorje ob Savi in eine selbstemp-fundene Verbannung gezogen. Ab dann schrieb er weniger und weniger, bis er ganz aufhörte und eine Privatpraxis eröffnete. Als er 1949 starb, war im neuen Jugoslawien kein Platz mehr für seine Werke und er gerat bis ungefähr 1957 in Vergessenheit. (Kralj, 1976) Grums Literarische Arbeit ist schwierig einzuordnen. Er gilt als ein Beispiel für die expressionistische Strömung der slowenischen Literatur, gleichzeitig ist es umstritten ob "Ereignis in der Stadt Goga" und Grums Werk im Allgemeinen dem Expressionismus zugeordnet sein sollten (Dolgan, 1996). Es ist nicht zu leugnen, dass die Sprache und die Motive der Arbeit einzigartig sind. Quellenverzeichnis Dolgan, M.(1996). Tri ekspresionistične podobe sveta/Pregelj, Grum, Jarc. Ljubljana : Znanstvenoraziskovalni center SAZU Grum, S. (1930). Dogodek v mestu Gogi. unter: https://www.dlib.si/details/URN:NBN:SI:DOC-Z462FGQL (abgerufen am 11.07.2019) Grum, S. (1976). Zbrano delo/Slavko Grum. Ljubljana: Državna založba Slovenije. Grum, S. (2007). An Event in the Town of Goga. Ljubljana: Slovene Writers' Association. Köstler, E. (2006). Vom kulturlosen Volk zur europäischen Avantgarde: Hauptlinien der Übersetzung, Darstellung und Rezeption slowenischer Literatur im deutschsprachigen Raum. Bern: Peter Lang AG. Goga 33 1/110 DREHBUCH 1.1 1.2-TB 1.3 00:00-00:11 00:11-00:15 00:15-00:19 Einstellung: -Eingang ins Heim in der Hagenmüllergasse 33. Beschreibung: (TB: Titelbild) - Goga 33 1/110 Ton: -tickende Uhr Einstellung: -Kurze Aufnahme der "Lobby"; ist wie die andere Seite der Sequenz 1.1 Seiten: – Seiten: – Seiten: – SZENE 1 1.4 1.5 1.6 00:19-00:23 00:23-00:26 00:26-00:57 Einstellung: -Flur im ersten Stock. Einstellung: -110 Einstellung: -Ich trage eine Maske und geh ins Zimmer 110. Seiten: – Seiten: – Seiten: – SZENE 1 SZENE 2 1.7 2.1-ZT 2.2-ZT 00:57-01:15 01:15-01:23 01:23-01:34 Einstellung: -Ich lege die Maske ab und fange an zu schreiben. Beschreibung: "Beschreibung der Szene": -Der Text wurde aus der Szenenbeschreibung genommen. Ton: -tickende Uhr (ZT: Zwischentitel) Text (Seiten)↓ Beschreibung: "Beschreibung der Szene" Ton: -tickende Uhr Seiten: – Seiten: 52 Seiten: 52 SZENE 2 SZENE 3 2.3-ZT 3.1-ZT 3.2 01:34-01:45 01:45-01:53 01:53-02:12 Beschreibung: "Beschreibung der Szene" Ton: -tickende Uhr Beschreibung: Tarbula und Afra sitzen auf dem Balkon und "spionieren". Diese Szene dient als eine Einleitung: Hanas Rücker in die Stadt wird besprochen, man sieht auch wie gerne die zwei Schwestern Gerüchte verbreiten und diskutieren – was auch die andere Einwohner tun. Ton: -tickende Uhr Einstellung: -Balkon von unten Untertiteltext (Seiten)↓ Seiten: 52 Seiten: 53 Seiten: 53-57 SZENE 3 3.3 3.4 3.5-ZT 02:12-02:36 02:36-02:58 02:58-03:06 Einstellung: -Balkon mit 2 Gartenstühlen Einstellung: -Wintergarten Glocken Ton: -Kirchenglocken Beschreibung: -Der tote Hauptsteuereintreiber Ton: -Kirchenglocken Seiten: 53-57 Seiten: 53-57 Seiten: 53-57 SZENE 3 3.6-ZT 3.7-ZT 3.8 03:06-03:15 03:15-03:26 03:26-04:13 Beschreibung: -Der tote Hauptsteuereintreiber Ton: -Kirchenglocken Beschreibung: -Der tote Hauptsteuereintreiber Ton: -Kirchenglocken Einstellung: -Balkon mit 2 Gartenstühlen, Dämmerung Seiten: 53-57 Seiten: 53-57 Seiten: 53-57 SZENE 3 SZENE 4 3.9-ZT 4.1-ZT 4.2 04:13-04:19 04:19-04:27 04:27-04:32 Beschreibung: Ende der dritten Szene. Ton: -tickende Uhr Beschreibung: Hana und Tereza kommen ins Zimmer und unterhalten sich. Hana erzählt Tereza über einer Freundin die vergewaltigt wurde. Es wird immer offensichtlicher, dass sie eigentlich über sich spricht. Ton: -tickende Uhr Einstellung: -Arbeitstisch mit Texten. Zwischen den Blattern sind auch zwei Bilder von Frauen: Hana und Tereza. Seiten: 53-57 Seiten: 58-64 Seiten: 58-64 SZENE 4 4.3-4.4 4.5 4.6 04:32-04: 49 04:49-05:09 05:09-05:29 Einstellung: -4.3 – Tereza (5000 anni di moda) -4.4 – Hana (Caligari DVD) Einstellung: -Lehre Schränke. Hana ist erst vor kurzen wieder zurück gekommen, ihre Kleider sind noch im Koffer. Einstellung: -Ein Geräusch bei der Tür? Seiten: 58-64 Seiten: 58-64 Seiten: 58-64 SZENE 4 4.7 4.8 4.6-4.7 05:29-06:07 06:07-06:51 06:51-07:19 Einstellung: -die Bettdecke Einstellung: -Vorhang Einstellung: -4.6 – Hana (Caligari DVD) -4.7 – Tereza (5000 anni di moda) Seiten: 58-64 Seiten: 58-64 Seiten: 58-64 SZENE 4 4.8-ZT 5.1-ZT 5.2-5.3 07:19-07:37 07:37-07:46 07:46–09:22 Beschreibung: Tereza verlässt das Zimmer. Ton: -tickende Uhr Beschreibung: Prelih schleicht sich in Hanas Zimmer. Wir erfahren, dass er derjenige ist der Hana vor Jahren vergewaltigt hat. Ton: -tickende Uhr Einstellung: -5.2 – Hana u. Prelih (Caligari DVD)1 -5.3 – Hana u. Prelih (Caligari DVD)2 Seiten: 58-64 Seiten: 58-64 Seiten: 58-64 SZENE 5 SZENE 6 5.4-ZT 5.5 6.1-ZT 09:22-09:40 09:40-10:03 10:03-10:10 Beschreibung: Hana schafft es, sich von Prelih zu befreien ... zumindest für eine Weile. Einstellung: -5.6 – Hana u. Prelih (Caligari DVD)1 Beschreibung: Tereza kommt wieder zurück. Seiten: 58-64 Seiten: 58-64 Seiten: 58-64 SZENE 6 SZENE 7 6.2.-6.4 7.1-ZT 7.2-7.3 10:10–11:48 11:48-12:10 12:10–13:54 Einstellungen: -6.2 – Tereza (5000 anni di moda) -6.3 – Tür -6.4 – Gepäck Beschreibung: Klikot schreibt ein Brief an Hana. Ton: -tickende Uhr Einstellungen: - 7.2 – Schreibmaschine - 7.3 – Brief Ton: - Der Brief wird auf Slowenisch gelesen. Seiten: 58-64 Seiten: 66-67 Seiten: 66-67 SZENE 8 8.1-ZT 8.2-8.3 8.4-ZT 13:54-14:19 14:19– 14:49 14:49-15:18 Beschreibung: Kvirin und Kaps kommen unter Klikots Fenster. Alle drei spielen ein Ständchen für Hana, dann hält Kaps eine Rede, welche Klikot in Verlegenheit bringt. Er geht in sein Zimmer. Kvirin und Kaps machen sich sorgen, dass er sich umbringen will. Wir erfahren, dass Klikot seine Briefe an Hana nie Abschickt; er bewahrt sie auf und schreibt auch selbst Hanas Antworten. Ton: -tickende Uhr Einstellungen: - 8.2 – "Innenhof" - 8.3 – Klikots Fenster Beschreibung: "Die Blaskapelle" Ton: -tickende Uhr Seiten: 67-70 Seiten: 67-70 Seiten: 67-70 SZENE 8 8.5-8.9 8.10-ZT 8.11 15:18–17:12 17:12-17:31 17:31-18:31 Einstellungen: - 8.5 – Hanas Fenster - 8.6 – T. u. A. Balkon - 8.7 – "Innenhof 2" - 8.8 – "Innenhof" - 8.9 – Hanas Fenster Ton: -O Solitude (Purcell) Beschreibung: "Kaps hält eine Rede" Ton: -tickende Uhr Einstellungen: - 8.11 – Hanas Fenster Seiten: 67-70 Seiten: 67-70 Seiten: 67-70 SZENE 8 8.12-ZT 8.13 8.14-ZT 18:31-18:39 18:39-19:44 19:44-19:50 Beschreibung: "Klikots Flucht" Ton: -tickende Uhr Einstellungen: - 8.10 – "Innenhof" Beschreibung: Ende der achten Szene. Ton: -tickende Uhr Seiten: 67-70 Seiten: 67-70 Seiten: 67-70 SZENE 9 SZENE 10 9.1-ZT 9.2-9.6 10.1-ZT 19:50-20:01 20:01-22:12 22:12-22:24 Beschreibung: Gapit halluziniert in seinem Zimmer. Ton: -tickende Uhr Einstellungen: - 9.2 – "Decke im Flur" - 9.3 – "Flur 1" - 9.4 – "Flur 2" - 9.5 – "Teppichsockelleiste" - 9.6 – "Kaputte Lampe" Beschreibung: Teobald und Frau Prestopil: Ibsen – Gespenster Ton: -tickende Uhr Seiten: 71 Seiten: 71 Seiten: 72-75 SZENE 10 SZENE 11 10.2-ZT 10.3-10.7 11.1-ZT 22:24-22:29 22:29-24:24 24:24-24:31 Ton: -tickende Uhr Einstellungen: - 10.3 – "Festsaal 1" - 10.4 – "Festsaal 2" - 10.5 – "Festsaal 3" - 10.6 – "Festsaal 4" - 10.7 – "Festsaal 5" Beschreibung: Tarbula und Afra können nicht schlafen. Sie unterhalten sich über Afras Vergangenheit. Ton: -tickende Uhr Seiten: 72-75 Seiten: 72-75 Seiten: 75-77 SZENE 11 SZENE 12 11.2 12.1-ZT 12.2 24:31-26:13 26:13-26:22 26:22-27:26 Einstellungen: -11.2 – T. u. A. Balkon (Licht geht an) Beschreibung: Hana kommt nach der Feier zurück in ihr Zimmer. Prelih wartet auf sie. Ton: -tickende Uhr Einstellungen: - 12.2 – "Tür" Seiten: 75-77 Seiten: 77-78 Seiten: 77-78 SZENE 12 SZENE 13 12.3 13.1-ZT 13.2 27:26-27:35 27:35-27:40 27:40-28:16 Beschreibung: Hana wehrt sich. Ton: -tickende Uhr Beschreibung: Afra und die Stille Frau. Ton: -tickende Uhr Einstellungen: -13.2 – T. u. A. Balkon (Licht geht aus) Seiten: 77-78 Seiten: 80-82 Seiten: 80-82 SZENE 13 13.3-ZT 13.4-ZT 13.5-15.7 28:16-28:24 28:24-28:34 28:34-29:15 Ton: -tickende Uhr Ton: -tickende Uhr Einstellungen: -13.5 – "Treppe" -13.6 – "Küche 1" -13.7 – "Küche 2" Seiten: 80-82 Seiten: 80-82 Seiten: 80-82 SZENE 13 13.8-13.9 13.10 13.11 29:15-29:51 29:51-30:00 30:00-31:15 Einstellungen: -13.8 – "Küche 3" -13.9 – "Uhr" Ton: -tickende Uhr Einstellungen: -13.11 – "Brot" Seiten: 80-82 Seiten: 80-82 Seiten: 80-82 SZENE 14 14.1-ZT 14.2-ZT 14.3-ZT 31:15-31:25 31:25-31:35 31:35-31:40 Beschreibung: Klikot, Hana und die Leiche. Ton: -tickende Uhr Ton: -tickende Uhr Beschreibung: Klikot, Hana und die Leiche. Seiten: 85-88 Seiten: 85-88 Seiten: 85-88 SZENE 14 14.4 14.5 14.6-ZT 31:40-31:53 31:53-33:37 33:37-33:57 Einstellungen: -14.4 – "Fenster in die Nacht" Einstellungen: -14.5 – "Leiche" Ton: -tickende Uhr Seiten: 85-88 Seiten: 85-88 Seiten: 85-88 SZENE 14 14.7-ZT 14.8-ZT 14.9-ZT 33:57-34:07 34:07-34:23 34:23-34:42 Ton: -tickende Uhr Ton: -tickende Uhr Ton: -tickende Uhr Seiten: 85-88 Seiten: 85-88 Seiten: 85-88 SZENE 14 14.10-ZT 14.11 14.12-ZT 34:42-35:13 35:13-35:50 35:50-35:53 Ton: -tickende Uhr Einstellungen: -14.11 – "Fenster in die Nacht" Ton: -tickende Uhr Seiten: 85-88 Seiten: 85-88 Seiten: 85-88 SZENE 15 15.1-ZT 15.2 15.3 35:53-36:10 36:10-36:37 36:37-37:07 Beschreibung: -Tarbula, Afra, Alte Frau, Konrad -Gerüchte über einen Mordfall Werden verbreitet. Es fängt an zu "brennen". Einstellungen: -15.2 – Kleiner Platz vor der Kirche 1 Einstellungen: -15.3 – Kleiner Platz vor der Kirche 2 Seiten: 92-95 Seiten: 92-95 Seiten: 92-95 SZENE 15 15.4 15.5-ZT 15.6-ZT 37:07-37:58 37:58-38:09 38:09-38:15 Einstellungen: -15.4 – Kleiner Platz vor der Kirche 3 -Pfarre Ton: -Kirchenglocken Ton: -Kirchenglocken Seiten: 92-95 Seiten: 92-95 Seiten: 92-95 SZENE 16 16.1-ZT 16.2-ZT 16.3-ZT 38:15-38:20 38:20-38:38 38:38-38:41 Beschreibung: -Hana wird von den Glocken aufgeweckt. Sie erinnert sich an ihre Trauma, dann auch gleich, dass Prelih tot ist. Tereza kommt rein, erzählt Hana vom Feuer und Prelih. Ton: -Kirchenglocken Ton: -Kirchenglocken Ton: -Kirchenglocken Seiten: 95-97 Seiten: 95-97 Seiten: 95-97 SZENE 16 16.4 16.5 16.6-ZT 38:41-39:08 39:08-40:07 40:07-40:11 Einstellungen: -16.4 – Fenster, Blick auf den Kirchenturm Einstellungen: -16.5 – Fenster, Blick auf den Innenhof – Sportplatz Ton: -Kirchenglocken Seiten: 95-97 Seiten: 95-97 Seiten: 95-97 SZENE 17 17.1-ZT 17.2-ZT 17.3 40:11-40:19 40:19-40:28 40:28-40:45 Beschreibung: -Prelih erscheint auf der Straße und sorgt für Aufregung bei Tarbula, Afra und der alten Frau. Ton: -Kirchenglocken Ton: -Kirchenglocken Einstellungen: -17.3 – Prelihs Beine 1 Seiten: 97-99 Seiten: 97-99 Seiten: 97-99 SZENE 17 17.4-ZT 17.5-ZT 17.6 40:45-40:58 40:58-41:03 41:03-41:19 Ton: -Kirchenglocken Beschreibung: -Hana und Tereza schließen sich der Gruppe die sich um Prelih versammelt hat an. Ton: -Kirchenglocken Einstellungen: -17.6 – Prelihs Beine 2 Seiten: 97-99 Seiten: 97-99 Seiten: 97-99 SZENE 17 17.7-ZT 17.8 17.11-ZT 41:19-41:25 41:25-41:57 41:57-42:02 Ton: -tickende Uhr Einstellungen: -17.8 – Innenhof, Blick auf das Heim. Ton: -tickende Uhr Seiten: 97-99 Seiten: 97-99 Seiten: 97-99 SZENE 17 SZENE 18 17.8-ZT 17.9 18.1-ZT 42:04-42:25 42:25-42:27 42:27-42:34 Beschreibung: -Gapit freut sich über das "Ereignis". Ton: -tickende Uhr Beschreibung: -Vorhang Ton: -tickende Uhr Beschreibung: -Epilog – nach dem Vorhang. Ton: -tickende Uhr -immer lauter werdende Geräusche der Schreibmaschine. Seiten: 97-99 Seiten: 97-99 Seiten: 99-100 SZENE 18 ABSPANN 18.2-ZT 18.3-ZT - 42:34-42:51 42:51-43:16 43:16-43:46 Ton: -tickende Uhr -immer lauter werdende Geräusche der Schreibmaschine. Einstellungen: -18.3 - Ich höre auf zu schreiben. Beschreibung: -Dieser Film wurde nach Slavk Grums "Ereignis in der Stadt Goga" gedreht. -David Mohorič Diplomarbeit, Juni 2020 -Ich bedanke mich bei dem Slowenischen Kulturministerium, welches mein Studium durch ein Stipendium ermöglicht hat. -Ebenfalls möchte ich mich bei allen bedanken, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben. Seiten: 99-100 Seiten: – Seiten: – EREIGNIS IN DER STADT GOGA Ein Stück in zwei Akten SLAVKO GRUM Personen: Zwei Schwestern, Tarbula und Afra Juta, Dienstmädchen Klef Der verstorbene Hauptsteuereintreiber Laternenanzünder Julio Gapit Eine Puppe Hana Frau Tereza Otmar Prelih, Verkäufer Theobald, ein Bucklige Frau Prestopil Der Schreiber Klikot Pfarrer Kvirin Gerichtsvollzieher Kaps Eine halluzinierte Stimme Stimme eines Mannes Jemand anderes Stille Frau Betrunkener Maler mit seinem Mädchen Eine alte Frau Konrad Scene: Teil der Stadt Goga, wo zu jener Zeit das Stadttor stehen musste und wo die Strasse aufs Feld führt. Alte und abgenutzte Häuser, die sich schräg über die Straße beugen. Sehr wenige Menschen muss es noch in den Häusern geben, in vielen haben schon das Leben aufgegeben. In manch einem Zimmer hängt sicher ein Erhängter, ganz verstaubt und vergilbt, die Gegenstände haben ihn so zu sagen vollkommen unter sich aufgenommen. Ein umfangreiches, totes Gebäude, wie ein verlassenes Schloss, gegenüber zwei, drei Häuser, voll mit Zimmern und Schicksalen. Die Bewohner von diesen Zimmern gehen nicht oft ins Freie, begeben sich nur noch zu den unausweichli-chen Verrichtungen, danach schließen sie sich hastig wieder zwischen ihre Wän-de. Wie aufgeklebt sind sie zwischen den Spiegeln, Wandgemälden, Schränken. Einige dieser Zimmer haben keine Vorderwände, wodurch das Publikum ei-nen ungehinderten Einblick in sie hat. In der Ecke des Ersten Stockwerks des verlassenen Gebäudes ist Hana, die Tochter des vermögenden Händlers Vajd, die gerade aus dem Ausland zurückge-kehrt ist und mit ihrer Rückkehr Unruhe in der Stadt verursacht hat. Im Dachge-schosszimmer des gegenüberstehenden Hauses ist der Schreiber Klikot, der von seinem Fenster direkt ins Hanas Zimmer sieht. (Natürlich ist er verliebt in sie und spielt am Fenster Flöte). Im Gebäude nebenan, in übereinander liegenden Stuben gestopft, die Einwohner; im Erdgeschoss Gapit, über ihm eine Greisin, und im zweiten, ganz oben, der Bucklige Teoblad. Julio Gapit, ein Official, der in der Erdgeschossstube wohnt, die einem Keller ähnelt, ist geistig krank und sitzt an einem Tisch in Gesellschaft einer Kautschuk Puppe. Die Greisin im höheren Ge-schoss hockt völlig regungslos im Lehnstuhl und ist dem Anschein nach schon gestorben. Wahrscheinlich will sie nicht, dass man erfährt, dass sie schon gestor-ben ist und sie hat sich versteckt, als ob sie schlafen würde. Der Bucklige Teoblad liest und deklamiert immerfort Dramen, sein Traum ist es ein Theaterspieler zu sein – wahrscheinlich, weil er einen kaputten Rücken hat. Das Haus, wo im Dach-geschosszimmer der verliebte Schreiber wohnt, hat im ersten Geschoss auch einen Balkon, auf welchem zwei Greisinnen, Schwestern Tarbula und Afra sitzen. Auf diesem Balkon würde wohl der Stadtwächter sitzen, welcher auf Kommende und Gehende aufpassen würde; hier können die zwei Greisinnen gut für Ordnung in der Stadt sorgen und aufpassen, dass keiner entkommt. Der Ganze Schauplatz wirkt grotesk und unreal, wie Häuschen und Figurinen in einer Schießbude. Ein Teil von Hanas Liebesgeschichte stammt aus Zolas Kurzgeschichte "Um eine Nacht der Liebe", die Zola seinerseits von Casanova geborgt hat. ERSTER AKT Abend; in der Luft ist eine zarte, zitternde Melodie einer Flöte. Die Zimmer sind voller Dämmerung, Weiße der Hände und Gesichter. Der Bewohner des Keller-Zimmers ist nicht zuhause, am Tisch sitzt nur die PUPPE. Es ist unmöglich zu sagen, ob sie am Leben ist und ihre Bewegungslosig-keit erzeugt ein Gefühl der Bangigkeit. Ihr gehobener Rock, ihr feines Dessous aus Spitze - jemand muss sie mitten im Liebesspiel verlassen haben. Die STILLE FRAU im Obergeschoss ist in einen Sessel gebeugt und ebenfalls bewegungslos. Beide, die Puppe und die Frau, erregen Beklemmung. Der Bucklige ist über ein Buch gebeugt, TARBULA und AFRA sitzen auf dem Balkon und sind mit Handar-beit beschäftigt. KLIKOT spielt Flöte und lehnt sich gegen das Fenster, als wäre er gebrochen, sein Kopf ist demütig gesenkt. In dem reichen Haus auf der anderen Straßenseite ist alles wie ausgestorben. TARBULA: Wie lange war sie überhaupt nicht zu Hause? Sechs - Acht Jahre? ... Ist sie nicht irgendwann damals gegangen? AFRA: Ja, es war genau zu der Zeit, als die Juhec ihren Neugeborenen ermordet hat. TARBULA: Und warum ist sie nie zurückgekommen? AFRA: Sogar bei der Beerdigung ihrer Mutter musste sie einfach weg, weg - di-rekt vom Friedhof ist sie gefahren. Aus der Ecke von Vajds Haus erscheint JUTA, das Dienstmädchen. Sichtlich beschäftigt, eilt sie aus der Stadt. BEIDE SCHWESTERN: Juta! Juta! JUTA (Bleibt stehen und blickt auf den Balkon). TARBULA: Stimmt es, dass der Baron auch eingeladen wurde? AFRA (unterbricht sie): Kommt er auch wirklich? JUTA: Sie werden alle bald ankommen und er hat sie immer noch nicht geschickt! DIE SCHWESTERN: Wer hat was nicht geschickt? JUTA: Oh, Jontez hat die Blumen nicht geschickt! TARBULA: Ach du dummes Mädchen, willst du sie wirklich auf dem Tisch ver-welken lassen? AFRA: Wurde er wirklich eingeladen? Schau, schau. TARBULA: Aber wird er auch kommen? Wird er kommen? JUTA: Natürlich! Warum sollte er nicht? Er hat sich bereits angekündigt. Gott, ich wünschte, es wäre schon alles vorbei! (Sie eilt weiter.) SCHWESTERN: Juta! Juta! JUTA: Ich kann nicht. Ich kann nicht. (Sie verschwindet.) TARBULA (zu ihrer Schwester): Aber sie können doch nicht daran denken, sie mit ihn zu vermählen? AFRA: Als ob er sich für bürgerliche Krämer interessieren wurde! TARBULA: Sie haben es schrecklich eilig! AFRA: Anscheinend haben sie bei der heutigen Feier keinen ausgelassen, der für Heirat in Frage kommen würde. TARBULA: Weißt du, ich finde es fast unmöglich, dass sie schon einmal verhei-ratet und geschieden ist. Sie würden sich doch nicht trauen so viel Aufsehen zu erregen und so schnell versuchen sie zu vermählen. AFRA: Wer weiß, wer weiß! Vielleicht ist das genau der Grund! Wir müssen mehr aus Juta rausziehen. TABULA: Wenn das Mädchen überhaupt was weiß. Du weißt, dass sie ihr Bestes tun, um es zu vertuschen. Aus dem Hintergrund vom Platz nähert sich ein HINKEBEIN, schon vom weiten schaut er vorsichtig auf den Balkon. Als er genervt bemerkt, dass sich die beiden alten Frauen auf dem Balkon aufhalten, versucht er sich vorbei zu schlei-chen, ohne entdeckt zu werden. TARBULA (sieht ihn sofort und schnappt zu): Oh, Klef, Herr Klef, wohin den so eilig? KLEF (er zuckt gereizt zusammen, gibt dann aber sofort vor, sehr erfreut zu sein, die Schwestern zu sehen): Oh, oh, meine Damen! Guten Abend, liebe Damen, guten Abend! Der Baron, der Baron - und sogar der alte Sort aus Prisanek! Er kriecht nur sonntags aus seinem Loch, aber selbst er konnte es sich nicht leisten, diesen hervorragenden Anlass zu verpassen. Vajd war nie einer für Gesellschaft, nach dem Tod seiner Frau schaute er nicht einmal gern in sein Laden, aber jetzt stehen plötzlich seine Türen weit offen! Unwillig denkt sich der Mensch was da-bei, wenn sie es so eilig haben! TARBULA (die Frauen wollen einfach nicht abgelenkt werden): Also, wohin gehen Sie jetzt, Klef, wohin? KLEF (überhört die Frage mit einem süß-sauren Gesicht): Und der Fremde, der Fremde! Habt ihr schon von ihm gehört? AFRA (kann doch nicht widerstehen): Fremder? Welcher Fremder? KLEF (froh, dass sie den Köder genommen hat): Wisst ihr nicht? Oh, ein Fremder, ein ganz echter Fremder mit seinem Gepäck vor dem "Hirsch." Er spricht nicht mal unsere Sprache! TARBULA: Und man weiß tatsächlich nichts über ihn? KLEF (sehr entschlossen): Keiner weiß etwas. Natürlich haben die Leute alle möglichen Vorstellungen. Einige denken, er sei ein Urlauber, andere befürworten, dass er Vajds Gast bei der heutigen Feier sein wird. Aber wenn Sie mich fragen, ist er weder das eine noch das andere: für einen Urlauber hat er zu wenig Gepäck - nur einen einzigen Koffer und einen Regenschirm - und als Vajds Gast wird er sich wohl nicht in einem Gasthaus niederlassen. TABULA: Ein Urlauber? Lächerlich! Das muss sich wieder Bas ausgedacht ha-ben, damit jeder sieht, wie weltoffen er ist! AFRA: Wer könnte es nur sein? KLEF: Ich wette, es wird das gleiche sein wie letztes Mal: nur ein Reisender, der Nähmaschinen verkauft! Letztes Mal waren auch alle so aufgeregt und dann war es nur ein Reisender für Fotografie Vergrößerung. Haha! Juta kommt zurück. TABULA: Juta, Juta! (zögert ein wenig wegen Klefs Anwesenheit, aber sie kann sich doch nicht zurückhalten) - sag doch, du musst sagen - ist sie wirklich bereits verheiratet und geschieden? JUTA: Ver-Verheiratet? Unsere Fräulein? Ho-ho-ho-ho - Hi-hi-hi-hi - Das muss ich ihr erzählen, das muss ich erzählen. (Eilt weiter und verschwindet um die Ecke von Vajds Haus.) TARBULA: Sie ist immer noch so kindisch! (Sie bemerkt wie Klef die Gelegen-heit nutzen will, um sich davon zu schleichen.) Hoho, Klef, nicht so schnell! Seit wann haben Sie so viel Zeit für Spaziergänge? Zuhause haben sich Ihre Kinder eingekotet und Ihre Frau wird ihre Hände auf dem Waschbrett ruinieren! KLEF (traut sich nicht weiter, flehend): Es ist so unerträglich schwül - ein Mensch kann zwischen den Wänden ersticken. TARBULA: Na, na, es ist nicht so schlimm, wir hatten schon schlimmere Tage! KLEF: He-he - ein Mensch mag es doch frische Luft zu schnappen - ein Mensch muss doch - (Er will weiter.) TARBULA (sieht, dass sie ihn mit Umständlichkeit, nicht in den Griff bekommen wird): Jemand anderes hat die Stadt kurz vor Ihnen verlassen, eine bestimmte Person. Ist Ihnen bewusst, dass dieser Person in der Kirche zu einem Festtag übel war? Sie erbrach sich, sie erbrach sich immer wieder! Gnädiger Gott, sie ist noch nicht mal vierzehn und erbricht sich trotzdem so! (Streng, mit Nachdruck.) Ja, ja, Herr Klef, nicht einmal vierzehn! Im Pfarramt kann man das genaue Geburtsdatum erfahren, sollte man vorbeischauen und nachfragen. Hinkebein beginnt zu schwitzen, sein Mund öffnet sich weit, als er rückwärts rückt. Er beginnt große Kreuze über sich zu schlagen, dann stürzt er sich mit sei-nem schlechten Bein, hinkend, in die Flucht, ¸zurück, Richtung Stadt, als wäre der Teufel hinter ihm her. Die Greisinnen lachen fröhlich hinter ihm, weil sie die Stadt so genau im Griff halten. TARBULA: Der alte Spanhalter will Kinder im Walde verführen! AFRA: Hast du sie gesehen, wie sie sich früher weggeschlichen hat? TARBULA: Warum muss er das tun, verdammt noch mal, wenn er alles zu Hause hat! AFRA: Es wird so ein Tumult, wenn es alle in der Stadt herausfinden! TABULA: Oh, so lange war nichts los! AFRA: Lass uns absichtlich noch eine Weile darüber schweigen, dass wir gesehen haben, wie sie sich jeden Abend aus der Stadt folgten. Sollen die Leute noch ein paar Tage raten, warum sich das Mädchen erbricht. Vielleicht weiß das Kind selbst nicht warum! TARBULA: Könnte sein, das könnte sehr gut sein! Auf der Straße erscheint der vor ein paar Tagen verstorbene HAUPT-STEUEREINTREIBER. Salonmantel, weiße Strümpfe, barhäuptig - genau wie er wahrscheinlich auf der Totenbahre ausgelegt worden war. Sein Verhalten ist sehr verwirrt. Obwohl er tot ist, will er offenbar immer noch seinen täglichen Spazier-gang machen, wie es seine langjährige Gewohnheit war. Die Schwestern tauschen bei seiner Erscheinung Blicke, aber sie sind es so gewohnt ihn um diese Zeit auf der Straße zu sehen, dass sie nicht übermäßig über-rascht sind. TARBULA (empört): Aber Herr Hauptsteuereintreiber - Sie sind doch tot! AFRA: Wir - wir haben Sie schon begraben! HAUPTSTEUEREINTREIBER (erschrickt sich, steht still wie ein Schuljunge, der auf frischer Tat ertappt wurde. Er blickt zu den Frauen auf, bittet hilflos mit den Augen um Vergebung und stolpert wieder zurück in Richtung Stadt). TARBULA: Auch jetzt hat er nicht vor, seine Spaziergänge aufzugeben? AFRA: Wie kann ein Mensch so vergesslich sein! HAUPTSTEUEREINTREIBER (der seine Meinung geändert hat und zurückge-kehrt ist): Entschuldigung - Entschuldigung - Frau Guštin - Kennt ihr Frau Guštin? - ihr kennt meine Frau? Ich war zu Hause und habe überall gesucht, aber das arme Ding ist nirgends zu finden. Es tut mir leid, liebe Damen, dass ich euch belästige - aber ist dies der Weg zum Tisovec? Ich war schon da - jeden Tag bin ich dort hinaufgegangen, aber jetzt scheine ich nichts zu wissen - es ist alles irgendwie fremd - Jesus-Maria, Jesus-Maria, etwas muss getan werden, die Arme darf man nicht so alleine lassen! Meine Frau, wisst ihr - man muss es sagen - sie war nie bei bester Gesundheit, ein wenig gebrechlich war sie - sie - (er zögert und deutet dann langsam einen Kreis auf seiner Stirn; dann nickt er aufgeregt und zeichnet wieder einen Kreis; flüstert) Sie war nicht sehr gesprächig in letzter Zeit, sie ist ver-stummt. Eigentlich musste ich alles zu Hause alleine machen - musste kochen - oh, es macht mir nichts aus, wenn sich die Leute lustig mache, das macht mir nichts aus. - Es wurde vor zwölf Jahren so schlimm für sie - sie hörte ganz auf zu reden, ich habe seitdem kein Wort mehr aus ihrem Mund gehört. Aber - sonst war sie sehr liebenswert - sonntags gingen wir spazieren und sie folgte mir immer ganz sanftmütig. Die Leute haben nie etwas bemerkt, nur dass sie etwas still war und sich nicht viel für Gesellschaft interessierte. Aber wissen Sie, wie es war? Sie verstand nichts mehr! Sie wusste nichts mehr! Ich drückte ihr einen Bleistift in ihre Hände und sie sah mich mit Vertrauen an und befragte mich mit ihren Augen - sie trug den Bleistift in ihren Mund, steckte ihn in ihre Haare - sie wusste nicht einmal, wie man einen Löffel benutzt - tatsächlich musste sie gefüttert werden. Aber wie gesagt, sie war eine treue Gefährtin für mich und wir hatten ein ange-nehmes Leben. (Im Verlauf dieser Rede hatte er begonnen, sich ein wenig zu be-ruhigen, aber jetzt wird er wieder verwirrt, tretet von einem Fuß auf den anderen und vergisst, dass er mit jemandem spricht.) Jesus-Maria, Jesus-Maria! (Er flattert mit den Armen und rennt in die Richtung, aus der er gekommen ist.) Jesus-Maria, Jesus-Maria, Jesus-Maria! TARBULA: Siehst du, es ist wahr, der Kerl hat alleine gekocht. Alles was gut ist, aber -! Die Leute sagten immer, sie hätte ihm sorgen bereitet, aber dass der Mann sich einfach so gehen ließ - ! AFRA: Jetzt verstehe ich! Jetzt verstehe ich! - Als ich sie auf dem Tisovec ausspi-onierte, zeigte er ihr eifrig etwas. Ich ging etwas näher ran - "Das ist eine Blume. Es ist etwas, was von selbst aus dem Boden sprießt und sich dann hier in dieses weiße Ding öffnet, und wir nennen das eine Blüte. Weißt du also, was eine Blume ist?" Er sah mich und wurde verwirrt, dann packte er seine Frau und ging. Ich dachte und dachte darüber nach, aber damals konnte ich es nicht erfassen. Aber jetzt verstehe ich: Sie hat ihr Gedächtnis verloren, also musste er ihr alles von Grund auf erklären. TARBULA: Man sieht nichts mehr. (Sie hört auf mit der Handarbeit.) Der LATERNENANZÜNDER eilt die Straße entlang und zündet die Straßenlater-nen an. AFRA: Es wird heutzutage so schnell dunkel. TARBULA: Wann haben die Glocken das Ave-Maria geläutet? Wir haben das Ave-Maria überhört. AFRA: Ja, wir haben es überhört. (Sie steht auf.) TARBULA: Die Luft ist so stickig. Als ob sich etwas aus der Nacht schleichen will. Sie gehen ins Zimmer. Die Tür bleibt offen - dieser Raum hat eine Vorder-wand, so dass der Innenraum nicht frei zu sehen ist - Im Zimmer geht ein Licht an. In der Fortführung kann man ab und zu durch die Tür die Figuren der beiden sehen, wie sie sich im Raum bewegen. Klikot, der kurz nachdem die Frauen angefangen hatten zu reden, aufgehört hatte auf die Flöte zu spielen, ist wie ein Stein gegen das Fenster angelehnt; die Dunkelheit hat den Buckligen gezwungen, sein Buch nicht zu lesen. Im Allgemei-nen vermitteln alle Personen den Eindruck von Unnatürlichkeit, nur gelegentlich erweckt sie ein versteckter Mechanismus ins Leben, ansonsten sind sie wie leblose Puppen, in ihren Räumen angeordnet. GAPIT erscheint auf der Straße. Er trägt eine schwere Aktentasche unter dem Arm. Mitten im fliehenden Schritt hält er plötzlich an, dreht sich langsam und vorsichtig um. Er würde am liebsten losrennen, traut sich aber nicht. Er kommt vor seine Türschwelle, schließt ganz langsam auf und dreht dann, als er sich si-cher im Inneren fühlt, hastig wieder den Schlüssel und flieht in sein Zimmer. Er sperrt die Türe seines Zimmers auf die gleiche sorgfältige Weise und lässt sich dann, so wie er ist, mit seinem Hut auf dem Kopf und seiner Aktentasche unter dem Arm locker auf einen Stuhl fallen. Er atmet auf. Schweißperlen glitzern auf seiner Stirn. Er beruhigt sich und murmelt mit einem glückseligen Lächeln im Gesicht: Gizela, Gizela! Er steht auf, stellt seine Aktentasche ab und holt eine Seilspule heraus. Er untersucht die Tür sachkundig. Er holt eine Stahlstange aus einer Schublade und prüft die Tür noch einmal, ob sie sicher verschlossen ist, dann verriegelt er sie mit der Stange und vertieft sich in die lange und zeitraubende Arbeit, das Seil vom Türgriff zum Fenster, zum Bett usw. zu spannen, um die Tür vor jedem Verfolger zu sichern. (Die Fenster sind bereits verriegelt.) Wenn er die Arbeit beendet, reibt er sich in geheimer Erwartung der kommenden Freude die Hände und öffnet erneut die Aktentasche. Er nimmt ein Päckchen und zwei Fla-schen Wein heraus. Er öffnet den Wein, stellt ein Glas vor die Puppe und vor eins sich; und schenkt ein. Dann nimmt er das mysteriöse Paket und zieht stolz elegan-te Damenunterwäsche heraus. Er hält die Dessous zuerst an Gizelas Körper und dann kleidet er die Puppe. Während er sie kleidet, wird es sehr offensichtlich, dass Gizela tatsächlich nicht lebendig ist. Ihre Dessous sind äußerst geschmacksvoll und makellos. Der exzentrische Liebhaber musste möglicherweise hungern, um sich ein solches Geschenk leisten zu können. Vielleicht ist er Monate lang vor den Schaufenstern gestanden und hat sich auf dieses Moment des Umkleidens gefreut. Als er fertig ist, setzt er die Puppe wieder an den Tisch, posiert sie wie eine feine Dame und setzt sich ihr gegenüber. Er stößt an, trinkt und schaut selig vor sich hin. Im Eckzimmer des ersten Stocks vom Großen Haus erscheint HANA und zieht TEREZA an der Hand hinter sich her. Licht. TEREZA (leicht vorwurfsvoll): Können Sie wirklich nicht mal eine Minute alleine aushalten? Sie können sehen, wie verrückt es unten ist! HANA: Aber - aber ich möchte nur, dass Sie mir sagen, ob mir mein Kleid gut-steht. TEREZA: Also gut, beeilen Sie sich und ziehen Sie es an! HANA (sammelt die Teile ihres Kleides ein, um sich umzuziehen): Nun gehe, gehe! Es gibt keine Eile! Ihr Haushälterinnen seid so schrecklich verwöhnt. Ihr denken, ihr müsst immer überall dabei sein. TEREZA: Sie haben doch selbst gesehen: Sie wollten auf dem Teppich im Salon tanzen. Es ist so ein Durcheinander, wir sind es nicht gewohnt so viel Gesellschaft im Haus zu haben! HANA (zieht Tereza zu sich auf das Sofa): Egal, setzen Sie sich eine Weile zu mir. Wir haben uns überhaupt noch nicht ausgesprochen! TEREZA: Haben Sie vor etwas - Angst? HANA (mit einem seltsamen gedämpften Lachen): Angst? Haha! Vor wem denn? TEREZA: Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, aber mir ist so, als ob Sie Angst vor etwas hätten. HANA: Ah, komm schon! (Plötzlich starrt sie sie verzweifelt an, weil sie schweigt): Sprechen Sie, um Gottes willen! Sagen Sie etwas! TEREZA (die Worte kommen ihr nicht leicht): Weissen Sie, dass ich bei Ihrer Ankunft gestern fast den Fehler gemacht habe, Ihnen einen Kinderlöffel zum Mit-tagessen zu geben? Auf einmal so eine Dame! Edvarda ist fast so groß wie Sie - sie hat vor anderthalb Monaten geheiratet. HANA (seltsam besorgt, ja, es ist klar zu sehen wie sie von Zeit zu Zeit mit großen Augen bei der Tür hängen bleibt): Ja, ja, Papa hat mir geschrieben. Ich hätte nie gedacht, dass sie so bald vor dem Altar stehen würde! TEREZA: Stimmt, ich habe es auch nicht erwartet. Wissen Sie - (sie muss lachen) - wissen Sie, dass die Leute über Sie sagen, dass Sie schon verheiratet und - ja, sogar geschieden sind! HANA (mit aufrichtiger Freude): Oh Goga, Goga, du wunderbare Stadt! Man hasst diese Langeweile, ist krank von den staubigen Zimmern, aber wenn man in die Welt geht, darf man nicht zu viel zurückblicken - sonst würde man aus dem Wagen steigen und für immer blieben. TEREZA (lachend): Juta hat es mir schwer gemacht. HANA: Nein, nein, das wird nicht passieren. Wir sind nicht alle dafür gemacht, einige von uns sind überhaupt nicht dafür. TEREZA: Oh mein lieber Gott, was reden Sie? Welche ist es dann? HANA: Nein, nein, Reza, bestimmt nicht. Aber ich habe einen Freund, ich sage es offen. Und wie schön er ist! Ich habe ihn lieb, weil er so liebenswürdig ist und mir nie was nachträgt. Frank, Frank - es ist gut, dass er nicht weiß, wie sehr ich ihn liebhabe, sonst würde er mich sicher verlassen. TEREZA: Und sie sagt, dass sie nie heiraten wird? Bevor Sie es wissen, stehen Sie vor dem Altar. Ich weiß, wie es mit meinen eigenen zwei Mädchen war: Ich war mir so sicher - HANA (seltsam trotzig): Niemals, niemals, Tereza! TEREZA: Und darf ich fragen, warum nicht? HANA: Weil - weil - es niemals dauert! TEREZA: Tatsächlich, in meisten Fällen. Aber manchmal schon, manchmal schon. Wenn Sie beide vernünftig sind und wissen, was man opfert - und dann, Hana, Kinder! Wollen Sie keine Kinder? HANA: Oh! Aber - TEREZA: Nun, sehen Sie doch? Ich wusste es. HANA: Aber - (Dann plötzlich): Reza, sagen Sie mir - eines Tages, Reza, Sie müssen es mir sagen - fanden Sie es nicht ekelhaft? TEREZA (geschockt): Ekelhaft? Was soll ich ekelhaft finden? HANA: Reza, ich habe Sie angelogen. Mein Freund - ich habe ihn nicht lieb, weil er nicht nachtragend ist, dass ist es nicht. Er - Er - Er drängt mich nie dazu, ver-langt nicht, dass ich ihm nachgebe. Ich finde das alles - das Bett - so unbeschreib-lich ekelhaft! TEREZA (verständnisvoll): So, so, - Sie auch also, Sie auch! Sie sind nicht die einzige, die sich so fühlt! Sie werde es nicht glauben, jetzt wo Sie es mir schon gesagt haben, wissen Sie, mit mir war es genauso, meine Ehe war nichts als Hölle und Tränen! Und Ekel, Ekel! Er war nicht so, wie dein feiner Kerl - er quälte mich, er quälte mich so sehr, dass ich es kaum ertragen konnte. Er sagte, dass alle Frauen so sind, das sei ihre Natur, dass sie dem Genuss verweigern, um den Schein von Selbstaufopferung zu erschaffen. Er glaubte mir nicht, bis zu seinem Grab hat er nicht geglaubt - Gott, was ich ertragen musste! Wissen Sie, was meine Lebensaufgabe nach all den bitteren Jahren ist? Ich habe es mir zum Lebensziel gesetzt, meine zwei Töchter vor den Schrecken der Ehe zu schützen! HANA (erstaunt): Vor - ? Reza, es ist so grausam in manchen Zimmern! TEREZA: Ja, es ist schlimm in den Zimmern. HANA (starrt auf die Tür): Hat jemand - habe ich gerade jemanden gehört? TEREZA (sie selbst spürt sofort ihre frühere Angst, von der sie sich während des Gesprächs etwas erholt hatte): Hana, ich muss nach unten! Sie werden sich nicht so schnell umziehen. Klingeln Sie einfach, wenn Sie fertig sind. (Will gehen.) HANA (bestürzt, dass Tereza sie alleine lassen will): Nein, nein - (Plötzlich in Tränen) - Niemand liebt mich! TEREZA (ratlos): Hana, Hana - Sie haben - Angst! HANA (versucht zu verbergen, sie lächelt, aber die Tränen fließen): Nein, nicht wirklich - ich habe vor nichts Angst - oh Reza, bleiben Sie! Man hört so viele schreckliche Dinge. (Sie leitet das Gespräch hastig an die beiden Töchter der alten Frau, um sie aufzuhalten.) Aber Ihre eigenen Mädchen haben trotzdem ge-heiratet? TEREZA: Ja, ich habe mein Lebensziel nicht durchgesetzt, aber diese beiden sind nicht unbedingt so wie ich - lieber Gott, überhaupt nicht! Die Leute sagen sogar, es sei eine Krankheit und eine Besonderheit. Und bis jetzt haben meine beiden Mädchen noch heitere Gesichter. HANA (etwas stört sie): Ich war so bewegt von dem, was Sie gesagt haben - Ich habe eine Freundin - ihr wurde übel, wenn sie jemand berührte. Einmal im Tanz-kurs hielt sie jemand zu fest und sie musste aufhören zu tanzen. Sie rannte nach draußen und musste sich übergeben. TEREZA (nickt). HANA: Der Grund, warum sie so war ist - und das sollte man nicht erwähnen; nein, es sollte nicht erwähnt werden - dass sie als Kind, nicht einmal dreizehn Jahre alt, von jemandem vergewaltigt wurde! TEREZA (ist so schockiert, dass sie sprachlos bleibt). HANA: Oh, Es ist so schlimm in den Zimmern, wirklich schlimm! - Sie erzählte mir öfters davon und sie hat alles im Detail wiedergegeben - in der örtlichen Kir-che läutete es gerade dann, es hämmerte gnadenlos durch das Fenster - er hat sie indessen auf das Sofa gezwungen und ihr Böses angetan. TEREZA: Oh Barmherziger Gott, Barmherziger Gott! HANA: Und wissen Sie wer er war? Sie ist sehr wohlhabend, sie stammt aus einer begüterten Familie - sie wohnt irgendwo nördlich vom Oldershafen - (flüsternd, auf die Tür schauend, als ob sie Angst hätte, dass jemand dort lauschen könnte): Ein Diener - ein Fahrer - ein Knecht, wenn Sie wollen! Er schlich sich in ihr Zim-mer und - tat es. TEREZA (entsetzt): Was - was um Gottes willen haben sie danach mit ihm ge-macht? Haben sie ihn eingesperrt? HANA (sie blickt zu ihr, ist verlegen, mit schlechtem Gewissen - dann - schweigt sie kurz, glättet eine Falte in ihrem Rock): Nichts, Nichts. Mein Gott, das Kind konnte doch nicht erzählen - sie hat sich nicht getraut! TEREZA: Nicht getraut? Das - das - muss man! Das muss man! HANA (wie mutlos): Sie hätte - sie hätte gesagt - aber - Sie sehen - (Sie ist in Not; sie benimmt sich im Allgemeinen, als ob es sie persönlich betrifft.) Es ist schwer zu verstehen, wenn man es selbst nicht erlebt hat. Vielleicht - vielleicht - (Sie sieht Tereza flehend an, hofft auf Verständnis) Er hatte solche gequollene Augen, es war alles so widerlich, dass es nicht wahr sein sollte, es konnte einfach nicht wahr sein! Und - und - sie langte danach, halb wahnsinnig könnte man sagen, dass sie eines Tages aufwachen würde und es wirklich nicht mehr wahr wäre, das Schreck-liche würde aus ihrem Gedächtnis verschwunden sein. Sehen Sie - wenn sie es jemandem erzählt hätte - wenn andere es wüssten - dann - dann würde es unmög-lich sein, dass sie eines Morgens aufwacht - dann wäre es für immer wahr! TEREZA: Oh je, oh je, oh je! HANA (ein Seufzer entgeht ihr): Sie haben recht, es wäre viel besser gewesen, wenn sie es ihren Eltern sofort gesagt hätte, sie haben recht! Der Gauner wurde durch ihr Schweigen ermutigt und kam zurück. TEREZA: Er kam zurück? HANA (mit zerbrechlicher Stimme): Viermal ist er gekommen! TEREZA: Nein, nein, nein! - Das Mädchen hätte etwas sagen sollen! Es war leichtsinnig, höchst leichtsinnig von ihr, das Ganze nicht zu gestehen. Sie hätte es ihrem Vater sagen können - nein, Mütter verstehen diese Sachen besser: Ihre Mut-ter hätte alles verstanden und sie geschützt. HANA (verzweifelt): Ja, ja, ihre Mutter hätte es verstanden. TEREZA: Und - und wie ist sie ihn am Ende losgeworden? HANA: Das ist es - das ist es - sie wurde ihn überhaupt nicht los! Sie ist jedoch ins Fremde gegangen, sie hat ihren Vater darum geboten, aber - irgendwann wird sie nach Hause gehen müssen, sie wird zurückkehren, wieder vor ihm stehen - TEREZA: Gott! Oh Gott! Oh Gott! (Sie merkt, dass sie sich verplaudert haben, sie steht auf) Hana, ich muss jetzt wirklich gehen! HANA (greift hastig nach ihrem Kleid): Aber ich bin gleich bereit. TEREZA (hält sie auf): Sie werden die Kleider doch nicht einfach so auf sich werfen! Seien Sie nicht so kindisch, sie müssen sich sorgfältig anziehen! Sie kön-nen sich nicht vorstellen, wie sehr sich Euer Vater gefreut hat Sie zu sehen. Er hat vor Freude so viele Gäste eingeladen, weil er nicht weiß, wem er Sie am liebsten zeigen würde; und wenn jemand um ihre Hand bittet, weiß ich überhaupt nicht was er machen würde. HANA: Werden Sie wirklich kommen, wenn ich für Sie klingele? TREZA: Oh, du armes verwirrtes Kind! Natürlich komme ich sofort. Sie sind ja jetzt zu Hause - (schüttelt sie, als ob sie sie aus Bewusstlosigkeit wecken will) - Sie sind zu Hause, Hana! Was kann Ihnen denn passieren? HANA: Ich bin so seltsam. TEREZA nickt ihr freundlich zu und geht. HANA bleibt stehen und schaut verloren vor sich hin, dann tritt sie ent-schlossen durch das Zimmer. Sie sammelt die Kleidungsstücke, langsam und nach-lässig, als wollte sie sich täuschen, dass sie vor nichts Angst hat, aber bald werden ihre Gesten hastiger, die Gegenstände fallen ihr aus den Händen; sie bleibt mit den Augen auf der Tür hängen. Sie reißt das Oberkleid von sich, zieht ihr Morgen-kleid an und schminkt sich mit fliehender Hand vor dem Spiegel. Plötzlich - sie kann es nicht mehr, kann nicht mehr - alle Kräfte verlassen sie - die Augen, ihre Augen sind an der Tür - sie rückt zur Wand, bleibt daran hängen wie festgenagelt. Sie wartet mit weit geöffneten Augen. Es gibt keinen Zeichen, keine Geräusche sind hörbar, aber sie weiß genau, dass jemand kommen wird, dass er gleich auf-tauchen wird. Unerträgliche Minuten des Wartens. Verkäufer PRELIH. Ohne zu klopfen, schlüpft er langsam ins Zimmer und lä-chelt verlegen. Ein älterer Mann, schäbig gekleidet. HANA ist regungslos, an die Wand genagelt, obwohl jetzt vielleicht etwas weniger angespannt, weil er schon hier ist, weil es jetzt begonnen hat und die unerträglichen Momente des Wartens vorbei sind. PRELIH steht lächelnd an der Tür und tretet hin und her. Dann bleibt er stehen und steht wieder verlegen da, lächelt. PRELIH (als ihm die Stille endlich zu unerträglich wird): Ich verneige mich, Ich verneige mich Fräulein! Schweigen. PRELIH: Du Lieber Gott - schließlich sind wir Freunde - ich meine - (Er wartet, dass sie was sagt.) Verzeihen Sie, aber was kann ich anders, Sie meiden mich. Sie sind schon zwei Tage zu Hause und trotzdem haben wir noch kein Wort getauscht. (Wartet wieder, nimmt dann schamlos einen Stuhl und setzt sich. Er winkt nach-lässig mit der Hand:) Was können Sie tun! Ein Mädchen vergisst nie den ersten! HANA (will Einwände erheben, aber - ihr Gesicht erblasst, sie schlägt hilflos mit den Armen in der Luft; ihre Zunge gehorcht ihr nicht und bildet nur bedeutungslo-se Geräusche): Nein - nein - (Ein durchdringender Schrei:) Das stimmt nicht! Das darf nicht wahr sein! PRELIH (zuckt mit den Schultern): So sagen die Leute. HANA (zuckt nur zusammen, als hätten seine Worte sie verletzt). PRELIH (sieht, dass sein Erscheinen sie stärker beeinflusst als er erwartet hat, wird schroff, gibt ihr Befehle): Komm her! HANA (hebt ihre Füße wie kataleptisch vom Boden und nähert sich mit, in hoff-nungsloser Verteidigung, ausgestreckten Armen). PRELIH: Grüße mich richtig! Guten Abend! HANA (öffnet den Mund, kann zuerst die Worte nicht aussprechen, dann): Abend! PRELIH: Haben Sie mich noch lieb? HANA (anstatt zu antworten, fällt sie auf die Knie und drückt ihr Gesicht an seine Beine). PRELIH (betrunken von Macht, seine Stimme wird rau): Sind Ihre Hände noch immer so süß? Sie hatten früher so süße Händchen! HANA hebt ihre zitternden Hände wie einen Kelch an seine Lippen. PRELIH verschlingt sie hungrig; mit eifrigen, rutschigen Fingern reißt er ihren Körper an sich, küsst sie, während sie, schlaff, wie ein lebloses Ding in seinen Armen hängt. Immer wilder nimmt er sie in Besitz, röchelt, hebt sie auf, um sie zum Bett zu tra-gen - Doch bevor dieses Schreckliche passieren kann, findet Hana plötzlich ihre Kraft, sie löst sich aus seiner Umarmung und rennt zur Glocke -PRELIH fängt sie und packt sie am Arm. HANA: Nein, nein, nein - nicht das - nie wieder - wagen Sie es nicht - wagen Sie es nicht - ich werde schreien - ich werde klingeln -Tereza - ! PRELIH: Den Ersten vergisst man nie! HANA: Nicht wahr, nicht wahr - mein Vater - ich werde es ihm morgen sagen - heute, nur noch heute soll er glücklich sein - er hat sich so gefreute - nur noch heute soll er noch nicht wissen! PRELIH (nimmt sie wieder in die Arme, damit er sie zum Bett tragen kann): Dann sei heute noch ein letztes Mal mein. Morgen kann die ganze Welt zur Hölle fah-ren! Er schiebt sie zum Bett, sie wehrt sich, streckt sich nach der Glocke, erreicht sie endlich und läutet. Erst jetzt sieht Prelih, dass er in seiner Leidenschaft ihre Absicht nicht bemerkt hat und jetzt alles verloren ist. Er lässt sie los. PRELIH: Na dann, später - heute ein letztes Mal! (flüsternd, aber resolut und mit durchdringendem Blick): Wenn ich den Tanz unten verlasse, wird Ihnen auf ein-mal schlecht - Sie werden mir unverzüglich folgen - das Zimmer hier offen lassen - Ich werde auf Sie warten! Sorgen Sie dafür, dass uns niemand stört! Sobald er diese letzten Worte gesprochen hat, erscheint TEREZA an der Tür. Geärgert wegen Prelihs Anwesenheit. PRELIH (wird sofort wieder Knecht und verbeugt sich mit geduckter Zuvorkom-menheit vor Hana, an seinen Lippen das ewige Lächeln aus dem Laden): Ich ver-beuge mich, Fräulein. (Zu Tereza:) Unten nämlich - ist mir zu Ohren gekommen - dass für Fräulein eine Überraschung geplant ist - ein Ständchen, sozusagen, für ein rückkehrendes Mädchen aus der Stadt. Ich bin gekommen, um es unserer edlen jungen Dame zu sagen, damit sie vorbereitet ist. TEREZA (es gefällt ihr nicht, dass dieser Mensch hier ist): Nun, Sie sollen jetzt besser gehen, Sie sehen doch, dass das Fräulein beschäftigt ist. Sie muss sich an-ziehen. PRELIH (verbeugt sich und schleicht davon). TEREZA (als er verschwindet): Was macht dieser Mann hier? - Ich weiß nicht warum, aber ich habe ihn nie gern in diesem Haus gesehen. HANA: Er ist furchtbar aufdringlich. Er kam, um mir von einem Ständchen zu erzählen. TEREZA: Er macht eigentlich nicht falsches, aber ich habe schon mehrmals Ihrem Vater vorgeschlagen, ihn zu entlassen. HANA: Er will sich wahrscheinlich einschmeicheln mit seiner Neuigkeit. TEREZA: Als ob solche Dinge angekündigt werden sollten! Kann er den Men-schen nicht die Freude lassen, wenn sie ihn überraschen wollen! HANA: Ich wusste ihn nicht anders los zu werden, als zu klingeln. TEREZA: Ja, ich sehe, Sie sind noch nicht angezogen. Aber beeilen Sie sich jetzt, Hana, es wird bald Zeit! Viele sind schon angekommen. Der Baron kam mit einem Zweigespann - Sie sollten ihn sehen! (Lacht.) Eine Blume in seinem Knopfloch, so groß wie eine Sonnenblume und - man kann es nicht glauben - er muss betrunken sein. Ich habe oft schon gehört, dass er nie nüchtern ist, aber dass er sich traut so zu erscheinen! Also Beeilung, liebe Hana und klingeln Sie dann. Haben Sie die Blume aufgenäht, so dass sie beim Tanzen nicht abfällt? Vater ist so glücklich. Ich habe ihn seit Mutters Tod nicht mehr so gut gelaunt gesehen. (Geht.) Erst jetzt kann Hana aufatmen. Sie hält ihr Gesicht in den Händen und irrt ziellos durch das Zimmer. Sie setzt sich wieder vor den Spiegel und schminkt sich. Im Haus auf der anderen Straßenseite rührt sich DER BUCKLIGE TEO-BALD, macht ein Licht an. Er geht ein paar Mal im Zimmer auf und ab, setzt sich dann wieder hin und nimmt sein Buch in die Hand. Nach einem Moment legt er es wieder hin, stellt sich in die Mitte des Zimmers und beginnt eine Stelle aus Ibsens „Gespenstern“ zu deklamieren. DER BUCKLIGE: "Seien Sie versichert, man kann ihnen glauben. Sie sind oft erstklassige Fachleute!" (Fasst sich an seinen Kopf.) "Oh, - dass dieses schöne, großartige freie Leben, da draußen - so geschändet sein sollte!" (Er ist unzufrie-den, wiederholt:) "Oh, - dass dieses schöne, großartige freie Leben, da draußen - "- Nein, das ist es nicht! Das ist es nicht! (Entmutigt setzt er sich wieder hin, steht wieder gleich auf und fährt fort:) "Du hast Recht, Mutter. Es tut mir nicht gut. Siehst du, es ist diese verdammte Müdigkeit! Ich mache vor dem Mittagessen noch einen kleinen Spaziergang. Verzeihen Sie, Herr Pastor, Sie können sich nicht in das versetzen, aber ich konnte nicht anders, als es noch einmal zu sagen." (Er ist noch nicht zufrieden, sackt mit einem Seufzer zusammen. Beginnt die Haushälterin hinter der Tür zu rufen.) Frau Prestopil, Frau Prestopil! DIE FRAU (wohnt auf der anderen Seite der Wand, also ist ihr Zimmer nicht zu sehen): Was ist los, Herr Teobald? DER BUCKLIGE: Frau Prestopil, ist es wirklich wahr- hatte dieser Schauspieler wirklich die gleiche Krankheit wie ich? DIE FRAU: Ja, es ist wahr, Herr Teobald, er hatte auch einen schlechten Rücken. DER BUCKLIGE: Wie war sein Name? DIE FRAU: Sein Name? An das werde ich mich wohl nicht erinnern. (Sie er-scheint an der Tür.) Tintiretti, Pitiretti, so etwas. Alle diese italienischen Namen klingen ähnlich. DER BUCKLIGE (nickt nur, sagt nichts). DIE FRAU (während Teobald schweigt): Ich muss noch das Brot anteigen. (Geht.) DER BUCKLIGE (versucht zu lesen, aber er denkt immer noch an diesen Schau-spieler): Wann haben Sie ihn gesehen, Frau Prestopil? DIE FRAU (hinter der Wand): Wann? Oh, vor langer Zeit. In Triest, als ich dort Köchin war. Sie haben unglaublich schön gespielt, alles war so schön beleuchtet. Er war der beste - er war methodisch. Er sollte ein Monster oder böser Geist gewe-sen sein. Wann immer er auftauchte, ergriffen die Leute ihre Brust und brachen in Tränen aus. DER BUCKLIGE (auf einmal völlig entmutigt): Frau Prestopil, dieser Schauspie-ler hatte einen falschen Buckel. Es war aus Pappe gemacht. DIE FRAU (sein Einwand verblüfft sie; wahrscheinlich, weil sie nie über die Möglichkeit nachgedacht hat. Trotzdem möchte sie etwas Nettes für den Buckligen tun): Nein, nein - nein, nein, ich habe den Portier gefragt. (Jetzt wieder an der Tür, will ihm mit gewissenhaftem Eifer überzeugen.) Als ich nach der Vorstellung ging - Sie wissen doch, wie sie an der Tür stehen und sich verneigen, nur deswegen sind sie da, um Gute Nacht zu wünschen - ich habe einen von denen gefragt. Und er sagte, er sei echt - der Schauspieler hatte ihn seit seiner Geburt. DER BUCKLIGE (er glaubt ihr nicht, schweigt; dann): Und habe ich ihn auch seit meiner Geburt? DIE FRAU: Nein, Ihr Rücken hat vor langer Zeit angefangen zu sickern, und Sie haben ihn seitdem. DER BUCKLIGE: Was hat meine Mutter nur mit mir gemacht? Hat sie mich vernachlässigt? - Oh Gott, oh Gott, oh Gott! (Schaukelt hin und her.) DIE FRAU: Sind Sie wütend auf sie? Sie dürfen es nicht sein, Sie dürfen es nicht sein, Teobald. Nur Gott weiß, was sie besaß! Es ist nicht unser Los zu urteilen. DER BUCKLIGE: Ich verfluche sie, verfluche - und - nein, ich würde alles geben, um die arme Frau zu kennen! Ich würde sie in meinen Armen wiegen! DIE FRAU: Gott weiß nur, warum das Leben für sie so schlecht war. Es wird allen so, oder anders verdorben. DER BUCKLIGE: Allen? (Er hebt fragend den Kopf, dann senkt ihm bejahend wieder.) Ja, allen. Ein Mensch lernt, ist talentiert, alle schauen auf ihn, aber wenn es Zeit ist anzufangen - (senkt seine Stimme:) Haben Sie auch jemals mitten in der Nacht Angst, dass alle weggelaufen sind und Sie alleine gelassen haben? Dass Sie morgens zum Fenster treten und niemand mehr da ist? DIE FRAU: Oh, mein armer Junge, mein armer Junge! (Sie macht das Kreuzzei-chen über ihn.) Warten Sie noch eine bisschen, ich muss nur noch das Brot antei-gen und dann komme ich sofort zurück und wir können proben. (Geht mit einem Seufzer.) DER BUCKLIGE (starrt einen Moment vor sich hin und liest dann wieder). Unten, im Keller, springt GAPIT plötzlich auf und lauscht aufmerksam an der Tür. Sein ganzer Körper beginnt zu zittern. GAPIT (schreit): Schweine, Schweine, Schweine! (Er klammert sich an die Puppe und sitzt zitternd und verwirrt da, schaut sich vorsichtig um.) Der Schreiber KLIKOT, der die ganze Zeit am Fenster regungslos war, durchquert nun das Zimmer und macht Licht. Er holt irgendwo zwei Schatullen her und stellt sie dann nebeneinander auf den Tisch - eine rechts, die andere links. Dann nimmt er mit großer Freude ein Blatt Schreibpapier. KLIKOT (schreibt einen Liebesbrief; er spricht die Wörter zuerst laut aus, hört wie sie klingen): "Fräulein Hana!" Nein: "Hana!" Nein - nichts - überhaupt nichts. "Im Dachzimmer auf der anderen Straßenseite lebt ein Mensch, der Sie liebt." (Als er anfängt zu schreiben, geht ein grotesk großer Mond in sichtbarer Bewegung über den Horizont auf und bleibt wie eine riesige Laterne an seinem Fenster ste-hen. - Er streicht durch, was er geschrieben hat und beginnt erneut.) "Hier sitze ich. Ich sitze in einem Zimmer zwischen Schränken, Spiegeln, Gemäl-den, Dunkelheit hängt neben dem Fenster und ich liebe Sie. Es gibt viele Zimmer in unserer Stadt. Überall sind Wände, Tische, Schränke, zwischen ihnen sind Menschen, sie legen ihre Hände auf Gegenstände und haben Beziehungen. Ich habe Sie. Und ich habe eine Flöte. Sie kennen nicht den Menschen, der Sie liebt, Sie kennen seine Existenz nicht und Sie werden wahrscheinlich nie von ihm erfahren. Ähnlich umgibt uns viel Leben, das wir nie kennen werden: Holz knarrt in einem Tisch in der Nacht, und wir hö-ren es nicht, die Dunkelheit tastet sich mit ausgefransten Händen nach oben. Alles Mögliche passieren um uns herum. Wenn ein Mensch viel alleine ist, wird er sehr feinhörig und er weiß jedes Geräusch zu schätzen. Aber diese Dinge interessieren Sie nicht, in Ihren Ohren ist immer noch der Lärm der Großstadt. Ruf des Zei-tungsverkäufers, das Bellen von Autos. Sie werden sich nicht für Schränke und Geräusche aus den Dachböden interessieren. Verweinte Prinzessinnen, die gesenkten Köpfe nachdenklicher Prinzen - Illusion ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können." (Er faltet das Blatt sorgfältig zusammen, versiegelt den Umschlag und legt ihn in die linke Schatulle.) PFARRER KVIRIN und GERICHSVOLLZIEHER KAPS gehen die Straße entlang. KVIRIN, ein dicker, rotgesichtiger kleiner Mann, trägt ein Fagott unter dem Arm. Der Gerichtsvollzieher, unglaublich groß und dünn, er tastet bei den Dächern mit seinen Händen. Er spielt Trompete. Er lacht nie; ist ein Philosoph. KVIRIN (voller Lachen, er versucht einen Witz zu erzählen, aber er kann nicht, weil er so viel lacht): Bitte - bitte - ist das nicht unrecht - ich bin es immer - ich bin immer derjenige, der Bußgeld wegen Friedensstörung zahlen muss - nur weil ich musikalisch bin! (Erstickt vor Lachen.) KAPS (erträgt seine Witze mit stoischer Ruhe und eiserner Ernste). KVIRIN: Nun, heute habe ich nichts zu befürchten, da die Behörde auf meiner Seite ist. Sie erreichen die Stelle unter Klikots Fenster. KVIRIN (legt die Hände an den Mund): Miau - miau - Sicher, erfreut er uns wie-der mit einem seiner unsterblichen Schriften. Klikot, Klikot, erbarme dich, von nun an sind wir alle nett zu dir! KLIKOT (kommt zum Fenster): Scht -! Scht -! Um Himmels willen! Meister, ich bitte Sie! - Ein Moment, nur einen Moment! Er ordnet schnell das eine oder das andere Ding und verschwindet dann mit der Flöte aus dem Zimmer. Seine Freunde unten - Kvirin macht sich lustig: "Scht -! Scht -!" obwohl auch er versucht, nicht zu viel Lärm zu machen - gehen zur nächs-ten Straßenlaterne und setzen sich auf deren Sockel. Klikot kommt mit hochgeklapptem Mantelrevers und tief auf der Stirn sitzen-dem Hut aus dem Haus und schleicht sich übertrieben leise zur Straßenlaterne. Sie flüstern - Kvirin sagt absichtlich manches Wort mit lauterer Stimme, um Klikot zu beunruhigen. Sie drängen sich fest unter der Traufe des Vajd-Hauses unter Hanas Fenster, dann gibt der Gerichtsvollzieher mit einer tragischen Geste ein Zeichen - durch die Straße erklingt eine erschütternde Musik. Ein mitreißendes altes Marschlied. In den Häusern gibt es sofort eine lebhafte Wirkung: Hana, die schon für den Tanz herausgeputzt ist, bewegt sich mit einem lächelnd zum Fenster, aber so, dass man sie von der Straße immer noch nicht sehen kann; ein paar Momente später kommt auch TEREZA ins Zimmer; auch sie ist ganz festlich gekleidet und hell im Gesicht. FRAU PRESTOPIL kommt ins Teobalds Zimmer, ihre Hände sind mit Teig bedeckt. Auch die Schwestern TARBULA und AFRA, die es nicht ertragen können, im Bett zu bleiben, stecken ihre neugierigen Nasen durch die Balkontür. In den verschiedenen Fenstern erscheinen auch viele andere Köpfe - vielleicht sind sie nur mit dicken Augen auf Papier gezeichnet. Die einzigen, die sich nicht rühren, sind Gapit in Keller und die stille Frau im Zimmer über ihm. Die Leute reden aufgeregt miteinander, aber wegen der lauten Musik, hört man sie nicht. Die Musik hört auf. Gerichtsvollzieher Kaps räuspert sich - er will anschei-nend eine Rede halten. Klikot ist alarmiert - er hat den Gerichtsvollzieher nicht so einen schlechten Geschmack zuerkannt, er packt ihn an den Armen und bettelt ihn flüsternd still zu bleiben. HANA (wenn die Musik aufgehört hat, mit kindlicher Freude): Wer sind wohl diese fröhlichen Musikanten? TEREZA: Man sieht nicht, Sie haben sich direkt unter der Dachrinne zusammen-gedrückt. Aber jeder kennt unsere Musiker: Pater Kvirin, Gerichtsvollzieher Kaps - er ist der große, dünne; Sicher erinnern Sie sich an ihn, er macht die Proklamati-onen auf dem Platz - und noch Klikot, der Schreiber - er schreibt auch Gedichte - drüben auf dem Dachboden ist sein Fenster - haben Sie ihn nachts noch nicht Flöte spielen hören? Der Kampf unter der Traufe verrät nichts. Kaps tretet auf den Sockel der Straßenlaterne. Klikot versucht ihn vergeblich bei dem Frackschoß zurückzuzie-hen. KAPS (winkt mit den Armen und trifft fast die Straßenlaterne, er spricht in trister, pathetischer Stimme): Fräulein! Klikot voller Scham; Als Kaps den Mund öffnet, springt erschrocken unter den Balkon, damit ihn die scharfe Schattenkante versteckt. KAPS: Fräulein! Hier unten - unter Ihrem Fenster steht eine Gruppe von Bürgern, in deren geliebte Stadt Sie sich entschieden haben, zurückzukehren und begrüßt Sie. Sie grüßt mit einem schallenden Jubel: Hoch! Hoch! Hoch! Kvirin, der genau weiß, dass Kaps alles versauen wird, amüsiert sich enorm; er tat nichts, um sich einzumischen, während Klikot noch neben ihm war, aber jetzt spornt er den Gerichtsvollzieher scheinheilig an. Und als hätte er auf ein Signal gewartet, ruft er jetzt mit Kaps tierisch "Hoch!" Er spielt den Narren und will ein viertes Mal rufen, als ihn der Gerichtsvollzieher, traurig, den Mund zumacht und seinem Kopf schüttelt. KAPS: Aber dies ist nicht der einzige Grund der uns zu Ihrem Fenster geführt hat; denn hier unten, unter uns - (Unter dem Balkon stirbt Klikot vor Scham.) - ist ei-ner, der dort unter der Regenrinne steht und seine Hand an sein Herz drückt. Er hat Ihre Rückkehr noch eifriger und leidenschaftlicher erwartet als der Rest von uns: Dies ist unser bester Mitbürger, Herr Aloisius Desiderius Klikot, Beamter und Schriftsteller, unser Željko, die Hoffnung und der Stolz unserer Stadt. Er hat Ihren Namen in vielen Gedichten gefeiert und damit auch den Namen unserer Stadt. Ich bin mir seiner Bescheidenheit und seiner Unaufdringlichkeit sehr wohl bewusst und bin sicher, dass er nicht weiteres verlangen würde, als sein ganzes Leben lang, als bescheidener Fremder Ihren Namen zu singen. Aber wäre es nicht eine Sünde - wir müssen uns fragen, meine Herrschaften, bei dieser ruhigen und heiligen Stun-de - wäre es nicht eine Sünde, an dieser Perle vorbei zu gehen, ohne ihn jemals zu treffen? Liegt es nicht an uns, seinen Zeitgenossen, auf diesen bescheidenen, stil-len Schöpfer aufmerksam zu machen? Fräulein! Wenn Sie sich heute Abend fröh-lich in den Armen edler Herren und Tanzpartner drehen, erinnern Sie sich ab und zu an ein schwaches Lichtchen in einem Dachzimmer, ein Lichtchen, unter wel-chem sich unser Schriftsteller bückt und von seiner Stirn unsterbliche Gedanken wischt. Möge Gott ihm ein langes Leben und noch größeres Glück gewähren! Ich verbeuge mich! (Er tritt vom Sockel der Straßenlaterne herunter. Begeistert geht er unter den Balkon zu Klikot.): Was sagst du jetzt? KLIKOT (zutiefst beschämt): Das werde ich dir nie vergessen! (Er geht weg, in sein Gebäude, völlig niedergeschlagen, und schleicht sich in seine Ecke.) Kaps, der immer versucht, etwas Nettes zu tun, aber immer ein Durcheinan-der macht, steht nun mit seinen hilflosen Händen da. Kvirin zappelt ihm nach. Sie schauen sich an. TEREZA (umarmt Hana): Oh, du glückliches Mädchen! Barone, Dichter - alle auf den Knien - du kannst wählen! HANA: Das war sehr schön. Ich denke, ich würde diesen Schriftsteller gerne ken-nenlernen. TEREZA (erst jetzt hat sie Zeit für ihr Kleid): Wunderschön, großartig! (Sie glät-tet alle Falten am Kleid.) Nur die Blume ist vielleicht nur ein bisschen zu niedrig und - nun, ich bin nicht so altmodisch, aber der Rock könnte für ein paar Finger länger sein - Beeilen wir uns jetzt, der Baron hat sich schon vor dem Joseph1 ver-beugt und sogar vor der Wanduhr. (Sie schiebt Hana aus dem Zimmer und schaltet das Licht aus.) 1 Wahrscheinlich ein Portet vom Kaiser Franz Josef. Die Schwestern auf dem Balkon, die aufgeregt flüstern, ziehen ihre Köpfe zu-rück; ihr Licht geht auch aus. Die Haushälterin des Buckligen kehrt ebenfalls zu ihrer Arbeit zurück und überlässt ihn sich selbst; er ist bald in seine Lektüre ver-tieft. Klikot ist in seinem Zimmer im Dunkeln. KVIRIN (er und der Gerichtsvollzieher haben sich bis jetzt schweigend ange-starrt): Du hast Mist gebaut! KAPS (sieht Kvirin traurig an). KVIRIN: Du hast echt Mist gebaut! Du und dein großer Mund! KAPS (sieht ihn weiterhin an). KVIRIN: Siehst du, er ist wirklich in sie verliebt. Das kannst du nicht verstehen, du hast noch nie eine Frau in deinen Armen gehabt. (Imitiert seine schwungvolle Rede.) Ho-ho-ho, holaho, holadrio. Hut ab, du hast wirklich ein Maul. Wie machst du das? (Er öffnet und schließt seinen Mund wie ein Deckel. Er versucht seine Sprachtechnik zu verstehen, dann ergreift er Kaps Kiefer und testet durch Öffnen und Schließen, wie es funktioniert. Kaps steht hilflos da und lässt sich alles antun wie ein Schuljunge; er glaubt, dass ihm der Witzbold wirklich bewundert. Kaps steht am Ende mit offenem Mund da, so wie Kvirin es gelassen hat.) Gott weiß nur, was jetzt wird! Was ist, wenn er sich erhängt? Es ist durchaus möglich, er verliert so verdammt schnell die Hoffnung. Du kannst sogar seines Todes schuldig sein! Mörder, Mörder! Weißt du, er liebt sie zutiefst. Er erzählte mir, dass er ihr fast jeden Tag schreibt, er versiegelt den Brief ordentlich, schickt ihn aber nie ab, stattdessen legt er ihn in ein Kästchen. Er hat bereits eine ganze Menge. Und sie schreibt ihn auch zurück, oder besser gesagt, er schreibt sehr gewissenhaft ihre Antworten selbst und bewahrt diese Briefe dann in einer anderen Schatulle auf. Oh, sie haben einen lebhaften Briefverkehr, es ist eine sehr leidenschaftliche Lie-besbeziehung! Und dann kommst du mit deinem Maul - wuff, wuff - ich möchte heute nicht in deinen Schuhen stehen. Zweifellos wird er alles beenden. (Er geht zu Kaps, schließt seinen noch offenen Mund und zieht ihn hinter sich her.) Wir sollten besser gehen! Er hängt sich dort oben auf! KAPS (erschrocken, springt weg): Aber - das können wir nicht zulassen! KVIRIN: Komm schon, komm schon, wir sind fertig! Wenn ein Mann sich um-bringen will, sollte man ihm auf keinen Fall dabei stören. Er hat zumindest das Recht darauf! Kaps, halb tot, lässt sich von Kvirin wegziehen. Sie verschwinden. GAPIT (der die ganze Zeit die Puppe erbärmlich zitternd umarmt hat, hebt plötz-lich den Kopf und lauscht aufmerksam einem halluzinierten Geräusch an der De-cke): Hörst du es? Hörst du es? Genau wie gestern - dieses verdammte Weibs-stück! Ich habe seit einiger Zeit vermutet, dass sie ihnen hilft. Hörst du? Glaubst du mir jetzt? (Er trommelt mit den Fingern auf den Tisch und kopiert die Morse-zeichen, die er durch die Decke zu hören glaubt.) Was bedeutet das? Was bedeutet das? Ich muss ein Morsealphabet-Buch kriegen. Gizela, Gizela, es gibt kein Zwei-fel mehr, alles passt zusammen. Heute, heute - (seine Stimme erstickt vor Entset-zen) - als der Chef heute früh durch mein Kabinett ging, ließ er ein Stück Schnur, mitten im Zimmer, vor mir fallen. Er versuchte mir zu sagen, dass - dass - (vor Entsetzen nach Luft schnappend) - ich mich aufhängen sollte! (Er schlägt mit der Stirn auf den Tisch.) Ich würde es tun, ich würde es tun, aber ich möchte diesen Teufeln nicht das Vergnügen bereiten, die ganze Stadt ist auf der Lauer und war-tet, dass was passiert; wer das erste Opfer sein wird. Alles hält mit dieser Bande, die ganze Stadt ist verabredet. Sie wissen auch über dich Bescheid, da bin ich mir sicher. Der ganze Kiosk vor dem Büro ist mit Plakaten beklebt: "Kauen sie Gum-mi?" Lass sie ihren Spaß haben, die Teufel! Ich werde sie verwirren! Schon mor-gen kaufe ich mir ein Fahrschein - oh nein, ich gehe noch nicht, ich gehe nicht! Versuchst du mich zu warnen? Du brauchst nicht, du brauchst nicht - ich kann hier am Tisch sagen, was ich will; hier hören sie nicht, nur das Bett ist verkabelt. Mor-gen, ja, morgen kaufe ich sicher! Aber wir fahren nur bis Pekno, um unsere Spur zu verwischen; wir steigen in Pekno aus und nehmen dann den zweiten oder drit-ten Zug. Oh, wir werden ein neues Leben haben, Gizela, ein brandneues Leben; wir werden da draußen ganz neu anfangen! Ich darf nur nicht einschlafen, ich darf nicht schlafen; wenn ich mich ins Bett lege, werden sie mich schnell auf ihre Fre-quenz fangen und mich assimilieren und alle meine Pläne werden aufgedeckt. Ich habe überall bei dem Bett gesucht, aber ich kann nichts finden; irgendwo im Holz oder in der Wand - der Teufel weiß wo - müssen sie ihre Antenne haben! Da hören sie alles, anderswo im Zimmer nicht. Solange ich gestern am Tisch wach blieb, war alles in Ordnung, aber als ich mich hinlegte: "Er geht jetzt ins Bett, er kann nicht mehr, er ist erschöpft - Gott, wie er sich quälte wach zu bleiben! Er will eine Fahrkarte kaufen, will fliehen, über die Grenze will er. Tun Sie nicht so - jetzt haben Sie sich gerade in Bett umgedreht, jetzt halten Sie sich die Ohren zu - Das ist die Assimilierung, die neueste Erfindung, Aussaugen von Gedanken - Antenne, Frequenz C 42! - Ich darf heute Nacht nicht im Bett schlafen, Ich darf nicht, lass uns wach bleiben, Gizela, Trink! Trinken, trinken wir auf unser neues Leben, unser strahlendes neues Leben! Von irgendwo in der Nähe, direkt neben ihm, ertönt ein schreckliches, gruse-liges Lachen - die halluzinierte Stimme der Antenne. Sieghaftes, wildes, ekstati-sches Lachen. Gapit kauert sich neben den Tisch, als würde er gepeitscht. DIE HALLUZINIERTE STIMME (wie von einem Radiolautsprecher): Ich darf heute Nacht nicht im Bett schlafen, Ich darf nicht, Lass uns wach bleiben, Gizela, Trink! Trinken, trinken wir auf unser neues Leben, unser strahlendes neues Leben! Assimilierung, die neueste Erfindung, Aussaugen von Gedanken - Antenne, Fre-quenz C 42! Stille, eiserne Stille. Nach einiger Zeit - lange Sekunden erstickender Stille - Gapit dreht den Kopf - sein Gesicht ist in weißem Schrecken verzerrt. GAPIT (flüstert): Sie sind schon da - sie sind überall! Vorhang ZWEITER AKT Stunden später, mitten in der Nacht; Die Einwohner der Stadt schlafen. Mitten in Hanas Zimmer, voll beleuchtet, wartet der Verkäufer PRELIH. Er trägt seinen besten schwarzen Anzug. GAPIT, ebenfalls beleuchtet, am Tisch, klammert sich fest an der PUPPE und schnarcht; ab und zu springt er auf und öffnet sogar die Augen und schaut sich um, ohne wirklich aufzuwachen. Die STILLE FRAU sitzt wie von Anfang an regungslos im Sessel, umgeben von Dunkelheit. KLIKOT wacht in seinem dunklen Zimmer über seine Liebe. Von seinem Fenster aus kann er nicht tief in Hanas Zimmer sehen. Er sieht zum Beispiel Prelih nicht, der dasteht, sondern kann nur die Schatten von Figuren unterscheiden, die auf den Vorhängen erscheinen. DER BUCKLIGE TEOBALD und MRS PRESTOPIL spielen eine Szene. Er steht in der Mitte des Zimmers, belastet vom Schicksal des Ibsens Osvald, die Frau sitzt auf dem Sofa und liest ihre Rolle- trägt eine Brille. Teobald spielt die Rolle gut, sogar sehr gut, so wie ein ausgezeichneter Berufsschauspieler, die Frau liest ihre Zeilen bescheiden, regt sich nicht auf und vernachlässigt die Bühnenanwei-sungen - bleibt auf dem Sofa -, dennoch stört ihre natürlich müde mütterliche Stimme nicht bei der gegebenen Rolle. DER BUCKLIGE: Nur das Ende noch einmal, diese kurze Szene am Ende! DIE FRAU: Ich wage nicht zu denken, wie spät es ist! Es wird bald Tag! DER BUCKLIGE: Frau Prestopil, Sie sind immer so gut -. Wenn - wenn wir nicht leben dürfen, können wir das Leben zumindest nachspielen - Wenn in Goga nie was passiert, tun wir wenigstens so, als ob was passierte! (Er geht zu ihr und zeigt ihr, von wo sie anfangen soll.) Von hier an! DIE FRAU (seufzt, justiert ihre Brille). DER BUCKLIGE (geht wieder in die Mitte vom Zimmer verdeckt sich die Augen). Sie lesen die Schlussszene von Ibsens "Gespenstern": OSVALD: Mutter, du musst mir jetzt diesen Gefallen tun. FRAU ALVING (schreit): Ich? OSVALD: Ist mir jemand näher als du? FRAU ALVING: Ich? Deine Mutter? OSVALD: Genau deshalb! FRAU ALVING: Ich, diejenige, die dir das Leben gab! OSVALD: Ich habe dich um das Leben nicht gebeten. Und was für ein Leben hast du mir gegeben! Ich will es nicht haben. Du kannst es wieder nehmen! FRAU ALVING: Hilfe! Hilfe! (Rennt in das Vorzimmer.) OSVALD (geht ihr nach): Verlass mich nicht! Wohin willst du? FRAU ALVING (in dem Vorzimmer): Um den Arzt zu holen, Osvald. Lass mich vorbei! OSVALD (auch in dem Vorzimmer): Du gehst nicht raus. Und niemand kommt rein. (Dreht den Schlüssel im Schloss.) FRAU ALVING (kommt zurück): Osvald, Osvald! Mein Kind! OSVALD (folgt ihr): Hast du nicht ein Mutters Herz für mich - du, die mich unbe-schreiblich leiden sieht? FRAU ALVING (nach einem Augenblick, zwingt sich): Hier hast du meine Hand. Ich werde es tun. OSVALD: Wirst du -? FRAU ALVING: Wenn nötig. Aber es wird nicht nötig sein. Nein, es ist unmög-lich. OSVALD: Hoffen wir es, Mutter. Und lasst uns so lange zusammenleben, wie wir können. - Danke Mutter. (Er setzt sich in dem Sessel, den Frau Alving näher an das Sofa geschoben hat. Tag bricht an; die Lampe brennt immer noch auf dem Tisch.) FRAU ALVING (geht vorsichtig auf ihn zu): Bist du jetzt ruhiger, mein Kind? OSVALD: Ja. FRAU ALVING (beugt sich über ihn): Osvald, was für eine schreckliche Einbil-dung! Alles nur eine Einbildung! Diese ganze Aufregung war zu viel für dich. Aber jetzt müsst du dich ausruhen. Zu Hause, mein Schatz, mit deiner Mutter. Du wirst kriegen, was du willst, genau wie als du klein warst. - Siehst du! Der Anfall ist jetzt vorbei. Und war ziemlich leicht. Ich wusste es. - Und siehst du, Osvald, was für ein schöner Tag? Eine glänzende Sonne. Jetzt kannst du endlich einen guten Blick auf unser Anwesen werfen. (Sie geht zum Tisch und löscht die Lampe. Im Hintergrund werden Gletscher und schneebedeckte Gipfel von strahlendem Sonnenlicht beleuchtet) OSVALD (sitzt ganz still im Sessel, mit dem Rücken zu dem Hintergrund; plötz-lich sagt er): Mutter, gib mir die Sonne. FRAU ALVING (am Tisch, sieht ihn erschrocken an): Was hast du gesagt? OSVALD (wiederholt es matt, tonlos): Die Sonne. Die Sonne. FRAU ALVING (eilt zu ihm): Osvald, was ist los? OSVALD (sieht aus, als wäre er vollständig auf den Stuhl geschrumpft; Alle Mus-keln erschlaffen, sein Gesicht wird ausdruckslos, mit einem glasigen Blick). FRAU ALVING (zittert vor Angst): Was ist das? (Kreischt.) Osvald! Was ist mit dir? (Fällt neben ihm auf die Knie und beginnt ihn zu schütteln.) Osvald! Osvald! Sieh mich an! Erkennst du mich nicht? OSVALD (regungslos wie zuvor): Die Sonne ... Die Sonne. FRAU ALVING (springt verzweifelt auf, zieht mit beiden Händen an ihren Haa-ren und schreit): Ich kann das nicht ertragen! (Flüstert.) Wo hat er es hingelegt? (Fummelt hastig durch seine Brusttaschen.) Hier! (Sie taumelt einen oder zwei Schritte zurück und schreit.) Nein - nein - nein! - Ja! - Nein, nein! (Sie steht ein paar Schritte von ihm entfernt, fasst den Kopf in die Hände und starrt ihn sprach-los an.) OSVALD (regungslos wie zuvor): Die Sonne. Die Sonne. DIE FRAU (wird immer schläfriger; Sie spricht ihre letzte Zeile kaum aus, als ihr Kopf nickt und sie einschläft.) DER BUCKLIGE (hat sich in das Stück verwickelt, als hätte er eine Illusion vor seinen Augen; als er nach einiger Zeit den Kopf dreht, ist er enttäuscht zu sehen, dass die alte Frau eingeschlafen ist. Er steckt seinen Kopf in seine Hände, seine Schultern heben sich im Schluchzen): Die Sonne - die Sonne - die Sonne - DIE FRAU (das Schluchzen des Buckligen weckt sie und sie greift mit müder Hand nach ihm): Teobald, was ist los? Teobald? Warum nehmen Sie sich immer alles so schnell zu Herzen? Oh mein lieber Junge! Ich bitte Sie immer, die Schau-spielerei aufzugeben - Sie werden noch verrückt, wenn Sie es immer so sehr auf sich wirken lässt. Ich habe es Ihnen gesagt, wir hätten vielleicht stattdessen lernen sollen, und dann müssten Sie nicht so traurig sein. Sie müssen Ihre Prüfungen bald bestehen - freuen Sie sich nicht darauf, zu avancieren? - Oh je, ihr Kinder seid alle so leichtsinnig, kein Interesse für Arbeit, nur diese dummen Fantasien! Auch unse-re Heda - ihr einziger Wunsch war es, die Welt zu sehen, die Welt! Ein großartiges Leben zu führen! Und jetzt muss sich ihre eigene Mutter schämen! DER BUCKLIGE: Reden Sie nicht so, Frau. Prestopil, vielleicht ist Heda ganz glücklich mit ihrem Leben. DIE FRAU: Sein Sie still! Was wäre, wenn Gott Sie hören würde? DER BUCKLIGE: Um die Wahrheit zu sagen - wenn ich ein Mädchen wäre - wäre ich auch pervers! DIE FRAU: Teobald! DER BUCKLIGE (inbrünstig): Haben Sie nicht bemerkt, dass sich jeder den Mund über Sünde zerreißt, nur weil er Angst hat, dass sich jemand im Glanz der Sünde betrinkt und das Leben genießt, wenn andere es nicht wagen. Glauben Sie wirklich, es ist so böse, pervers zu sein? Alle, alle würden wir gerne so sein, aber uns allen fehlt der Mut! Egal ob deine Heda mit einem Mann schlafen muss, den sie nicht begehrt - wie viele ehrliche verheiratete Frauen fürchten sich davor, jeden Abend ins Bett zu gehen, weil sie sich von Natur aus nicht amüsieren können! Was macht es aus? Am Morgen kann Heda in parfümiertem Wasser baden und mit dem Auto in die Sonne fahren! Und es ist nicht so, als wäre das Leben nur diese erbärmliche Umarmung - es gibt auch Blumen, den funkelnden Tau im Gras, das Lächeln von Kindern - Ist es nicht das größte Übel in Goga geboren zu sein? Sie sollten sich Ihrer Tochter nicht schämen, Frau Prestopil! Die ganze Stadt beneidet Ihre Heda - deshalb beschimpfen sie alle so schnell als Hure! DIE FRAU (wischt sich den Tränen): Sie sind so gut, so gut und ich weiß, dass Sie das sagen, um eine erschöpfte Frau zu trösten. - Aber wir werden nicht mehr schauspielern, ich kann es nicht ertragen zu sehen, wie Sie sich quälen; von nun an lernen wir jeden Abend, damit Sie endlich befördert werden. Wenn Sie wirklich so viel Freude am Theater haben, könnten Sie später in einem Theaterbüro Arbeit als Buchhalter oder vielleicht sogar was Besseres und dann müssten Sie sich auf der Bühne nicht Ihre Glieder brechen. (Sie torkelt steif zur Tür. Sie bleibt an der Tür stehen und dreht sich um.) Bitte, machen Sie das Licht nicht aus; es liegt eine solche Spannung in der Luft, als ob etwas passieren wird. Ich nehme an, es ist, weil es so schwül ist. (Ausgänge.) DER BUCKLIGE (lächelt bitter): Passieren? Noch nie ist was passiert! (Er sitzt eine Weile in seiner Traurigkeit und seinem Nichts, zieht schließlich seine Schuhe aus, zieht sich aus und legt sich hin.) Aus dem Zimmer der beiden alten Schwestern - die Tür zum Balkon ist offen - ertönen schlaflose Stimmen. AFRA: Schläfst du? TARBULA: Wer kann so schlafen? AFRA: Ich konnte meine Augen nicht mal eine Minute lang schließen. TARBULA: Gott beschütze uns vor dem Bösen und dem Tuen böser Geister! AFRA: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name - Schweigen. AFRA (plötzlich): Es wird jetzt zweiunddreißig Jahre sein! TARBULA: Zweiunddreißig? - Zumindest wartet dort auf der anderen Seite je-mand auf dich. Niemand hat mich jemals begehrt. Schweigen. AFRA (sie hat sich unruhig im Bett gedreht und kann sich plötzlich nicht mehr zurückhalten): Aber das stimmt nicht! Das ist nicht wahr! - Auch mich hat Nie-mand jemals begehrt! Ich habe dich angelogen, ich habe mich nur groß aufge-spielt. TARBULA (fassungslos, nicht verstehend): Ich verstehe nicht - AFRA: Ich bin genauso allein wie du. Am Tag bevor er sich umgebracht hat - er war verzweifelt, weil ich ihm seine Freiheit nicht gegeben habe- schrie er mir die ganze grausame Wahrheit ins Gesicht: Er hat immer nur sie geliebt, nur sie, das wertlose Weib! TARBULA (ist erstaunt). AFRA: Gott sei Dank, dass sie es nicht weiß! Sie hat keine Ahnung. Sie ist über-zeugt, dass er mich, seine Verlobte, geliebt hat und sie nur aus Lust verführt hat. Ich werde ihr niemals das Vergnügen bereiten, die Wahrheit zu erfahren. TARBULA (kann sich nicht von ihrem Erstaunen erholen). Schweigen. AFRA (zögernd): Tarba, denkst du, es ist möglich, dass man - dass man auf die andere Seite fliehen kann, ohne eine Hand an sich selbst zu legen? TARBULA: Flucht zu anderer - ? Was meinst du? AFRA: Nun - dass man Selbstmord begehen könnte, ohne sich selbst etwas anzu-tun. TARBULA: Ohne sich etwas an zu tun? Aber sich selbst etwas antun - genau das ist Selbstmord! AFRA: Ich denke, es könnte auch auf andere Weise gemacht werden, oh, das ist durchaus möglich. Schließlich muss man sich nicht wirklich das Leben nehmen; alles was man tun muss ist sorglos damit umzugehen. Einfach verwahrlosen, und so rutscht man langsam heraus. TARBULA: Was versuchst du zu sagen? Es ist sowieso alles so langweilig! AFRA: Scheint es dir nicht möglich, dass jemand so entkommen könnte, wenn sie sich nur weigern würde zu essen? TARBULA: Wir sollten schlafen! Vielleicht wird es jetzt gehen; gegen Morgen wird es leichter einzuschlafen. AFRA: Die Leute sagen, dass es am Anfang sehr schwer ist, aber später versteift man einfach. Angeblich verliert man sogar das Hungergefühl. Schweigen. AFRA: Schläfst du? TARBULA: Ich versuche es. AFRA (zögernd): Tarba, hast du nicht bemerkt, dass sie seit einer ganzen Woche nicht mehr zu sehen war? TARBULA (sitzt aufrecht und stößt nach kurzem Nachdenken plötzlich einen Schrei aus): Das ist es! Das ist es! Du hast Angst, dass sie entkommen wird. AFRA: Ja, das ist es. TARBULA: Du hast Angst, dass sie zu ihm fliehen wird, zu deinem lieben Ver-storbenen! AFRA: Ja, Tarba, davor habe ich Angst. So kann sich ein Mensch zumindest über was freuen - man kann denken: Auf der anderen Seite ist jemand, der vielleicht auf mich wartet. Ich habe sozusagen eine Liebesbeziehung mit ihm. Aber wenn Elza auch mit ihm auf der anderen Seite wäre - nein, nein, das darf nicht passieren! Ich werde morgen früh bei ihr vorbeischauen. Wehe ihr, wenn sie versucht, mich zu täuschen. TARBULA: Aber warum so? Warum sollte sie nicht essen? Man kann sich auch aufhängen! AFRA: Nein, nein, sie würde es nicht so machen. Sie weiß, dass ich mich rächen würde, wenn sie Selbstmord begehen würde; dass ich Teobald verraten würde, wie sie ihn in der Nacht auf die Felder brachte und ihn dort zitternd zurückließ, wes-halb sein Rücken anfing zu sickern; er wäre gestorben, wenn ich es nicht verhin-dern würde und ihn mit meinem eigenen Atem wiederbelebt hätte. Damals musste sie mir versprechen, dass sie niemals versuchen würde zu fliehen. Zweiunddreißig Jahre habe ich sie im Auge behalten! TARBULA: Lass uns nicht reden! Lass uns nicht reden! AFRA: Und ihre Strafe ist, dass sie ohne ihren Sohn leben muss. Wenn sie jemals versuchen würde, ihn wissen zu lassen, wer sie wirklich ist, würde ich ihm sofort erzählen, wie er seinen Buckel bekommen hat. Sie hat am meisten Angst davor, dass ihr eigener Sohn sie verfluchen würde. TARBULA: Vater unser im Himmel - AFRA: Oh, niemand hat mich jemals begehrt! TARBULA: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden - Sie schweigen beide. HANA steht vor der Tür ihres Zimmers. Sie lehnt sich hilflos gegen den Tür-pfosten, in ihrer Hand hält sie einen Schleier, der sich über den Boden zieht. Prelih hatte lange in derselben unbeweglichen Position auf sie gewartet, dann wurde er ungeduldig und setzte sich auf den Stuhl. Als er Hanas Schritte auf der Treppe hört, springt er auf und wartet vorgebeugt darauf, dass sie herein-kommt. PRELIH (wütend): Erst jetzt? HANA (mit der gleichen benommenen Stimme wie im ersten Akt, als Prelih auf-tauchte): Vater - nahm mich auf seinen Schoß - streichelte mich - er ließ mich vorher nicht gehen. PRELIH (hart): Mach die Tür zu! HANA (schließt die Tür mit steifen, ungeschickten Bewegungen). PRELIH: Schließ ab! HANA (Ihre Augen werden groß, sie sieht ihn hilflos an, gehorcht aber trotzdem seinem Befehl.) PRELIH (berauscht, neigt er den Kopf und schließt die Augen): Du! HANA (senkt die Augen). PRELIH: Du wirst es deinem Vater nicht sagen! HANA (wiederholt wie eine sprechende Puppe): Ich werde es meinem Vater nicht sagen. Prelih eilt zu ihr und steckt seine Zunge in ihren Mund. Sie verteidigt sich nicht; es ist keine Kraft in ihr. PRELIH (hebt sie hoch und trägt sie zum Bett): Zum Bett! Zum Bett! Zieh deine Sachen aus! Er stellt sie auf den Boden, wirft sich auf den Stuhl und beginnt verzweifelt, seine Schnürsenkel zu lösen; er ist nicht sehr handfertig. Er murmelt vor sich hin: "Süße - meine Liebe - mein kleines Mädchen -" Hana hebt ihre Hand, lässt ihren Schleier fallen und öffnet ein wenig den Vorhang, der das Bett umringt. In einem letzten Akt schwachen Widerstands dreht sie sich zögernd um: Sie sieht den alten Lüstling, der versucht den Schuh von seinem Fuß mit einer komisch zitternden Hand zu ziehen. Die Benommenheit in der sie sich befand, verschwindet sofort, und ein verachtendes Lächeln erscheint auf ihren Lippen. Ihre Augen wandern durch das Zimmer - sie sieht einen Kerzen-halter auf dem Nachttisch - einen metallischen Schimmer - sie nimmt ihn schnell und wirft ihn auf das Bett hinter dem Vorhang. HANA (täuscht Verlangen, sie schließt die Augen, streckt die Arme aus und flüs-tert): Komm her! Prelih, der es in seiner Erregung immer noch nicht geschafft hat, sich von seinem Schuh zu befreien, sieht sie an; Das Bild der Frau, die sich anbietet zwingt ihn, was er tat, beiseite zu lassen und zu ihr zu eilen. Röchelnd schiebt er sie auf das Bett, sie sind jetzt beide teilweise durch den Vorhang verborgen. Hanas Stim-me: "Den Ersten vergisst man nie!" - ein dumpfer Schlag, gefolgt von Prelih, der aus dem Vorhang zu Boden rollt. Sie hat ihn mit dem Kerzenhalter geschlagen. Hana richtet sich auf, bleibt stehen und für einen Moment scheint ein glückseliges Lächeln über ihr Gesicht zu ziehen. Dann Macht sie einen Schritt. Und jetzt zwei-fellos - sie lächelt! Der Kerzenhalter, immer noch in ihrer Hand, fällt jetzt mit einem schweren Schlag auf den Boden. Das Geräusch erschreckt sie und sie schluchzt. Sie irrt ziellos durch das Zimmer herum. Sie hebt Gegenstände auf und legt sie woanders ab. Von Zeit zu Zeit bricht ihr Gesicht in ein Lächeln aus. Ein Toter liegt da, vielleicht nicht ganz tot; möglicherweise könnte ihm noch geholfen werden - Hana irrt umher wie eine Schlafwandlerin, ordnet Gegenstände neu und lächelt. Langsam kommt sie zur Besinnung. Als käme sie von einem entfernten Ort zurück, als käme sie aus einer endlosen Dunkelheit heraus, wird sie vom Licht geblendet, so dass sie blinzelt. Sie schreit; Trotz der Gefahr, sich selbst zu verra-ten, klopft sie an die Wand und schreit erneut. Dann rennt sie zu dem Toten und schüttelt ihn. Und schüttelt ihn weiter. Sie beugt sich über ihn, legt eine Hand auf sein Gesicht und bettelt, dass er aufwachen würde. Sie macht ein Handtuch nass und wischt ihm damit die Stirn ab. Sie versucht, was sie kann. Sie geht zum Fens-ter, sucht Hilfe und schaut dann zur Tür, um sicherzustellen, dass sie wirklich verschlossen ist. Sie steht mitten im Zimmer und ringt verzweifelt die Hände. Auf einmal schnappt sie die Leiche, hebt sie aufs Bett, bedeckt sie mit einer Decke und mit was auch immer sie sonst in ihrer Eile finden kann. Sie zieht den Vorhang zu, geht weg vom Bett und steht dann einfach da. Sie zittert. Der Mond wird von einer Wolke verdeckt, so dass eine bedrohliche Dunkel-heit einsetzt und die ganze Stadt wacht sofort auf. Es ist ziemlich offensichtlich, dass niemand wirklich geschlafen hat; sie haben alle versteckt in ihren Betten gelegen und darauf gewartet, dass etwas passiert. Lichter schimmern in Fenstern, Fensterläden klappen auf. Köpfe erscheinen. Der Bucklige auf dem Dachboden und Gapit unten im Keller gehen wie wilde Tiere von Wand zu Wand. DIE STIMME EINES MANNES (von einem Fenster hinter den Häusern zu je-mand anderem auf der anderen Straßenseite, der sich aus dem Fenster gelehnt hat): Was ist passiert? JEMAND ANDERES: Es ist etwas passiert. DIE STIMME EINES MANNES: In der Stadt muss etwas passiert sein. JEMAND ANDERES: Die ganze Nacht hatte ich das Gefühl, dass etwas kommt. DIE STIMME EINES MANNES: Heute sind in der Stadt seltsame Dinge los! JEMAND ANDERES: Wir werden morgen früh davon hören! DIE STIMME EINES MANNES: Gute Nacht, Bürger! JEMAND ANDERES: Gute Nacht! Die Haushälterin des Buckligen, die sich gerade anzieht, betritt jetzt sein Zim-mer. DER BUCKLIGE (rennt zu ihr hinüber): Was in Gottes Namen ist passiert? DIE FRAU: Ich weiß es nicht. Jemand muss sich umgebracht haben oder so. Ich dachte, mein Kopf würde bersten. Haben Sie es gehört? DER BUCKLIGE: Ich habe nichts gehört. DIE FRAU: Hinkende Schritte in der Nacht stampften auf dem Straßenpflaster, immer näher und hören dann plötzlich auf - direkt unter dem Fenster hörten sie auf, wollten nicht weiter. Ich hatte Angst, ich lehnte mich aus dem Fenster - und niemand war da! DER BUCKLIGE: Gott, oh Gott! DIE FRAU: Ich habe Ihnen gesagt, dass etwas passieren würde! DER BUCKLIGE: Aber was macht Sie so sicher, um Gottes willen? DIE FRAU (denkt nach): Was macht mich so sicher? - Ja, woher weiß ich das eigentlich? - Aber die ganze Stadt ist auf den Beinen! DER BUCKLIGE: Lass uns gehen und sehen! DIE FRAU: Ich bezweifle, dass es etwas zu sehen gibt, es muss in einem Zimmer sein. DER BUCKLIGE: Oh mein Gott, oh mein Gott! Die Haushälterin geht und der Bucklige wirft sich zurück aufs Bett. DIE FRAU (hinter der Wand): Lassen Sie das Licht an, lassen Sie das Licht an! AFRA (im Bett hebt den Kopf): Hast du gerade etwas gesagt? TARBULA: Nein, ich habe nichts gesagt. Aber - was ist los? AFRA: Irgendwas ist. Etwas ist plötzlich passiert. TARBULA: Jemand hat sich erhängt. AFRA (schreit plötzlich): Oh nein, was ist, wenn Elza entkommen ist? TARBULA: Sehr gut möglich. Heute Abend könnte ich alles glauben. AFRA (steht auf): Ich schau nach! Ich muss es wissen! Ich kann es nicht mehr aushalten! TARBULA: Komm, komm, warum gehst du jetzt in der Nacht! AFRA (zieht sich hastig an): Wehe, wenn sie mich ausgetrickst hat! Wenn sie Selbstmord begangen hat. TARBULA: Nicht doch! Komm zur Besinnung! AFRA: Ich muss sehen! Es quält mich. (Ausgänge.) Für einige Momente herrscht eine angespannte Stille. Man kann Afra sehen, wie sie von ihrem ins Nachbarhaus eilt. Jetzt geht im Zimmer der STILLEN FRAU, das bisher von Dunkelheit erfüllt war, ein Licht an. Die Frau im Zimmer völlig regungslos - eine Puppe, eine Leiche? Afra steht in der Tür zum Zimmer, der jetzt so plötzlich aus der Dunkelheit aufgetaucht ist, ihre Hand ist immer noch am Lichtschalter; in der Mitte des hell erleuchteten Raumes befindet sich ein riesiger Sessel, in dem eine alte, eine uralte Frau mit geschlossenen Augen sitzt. Sie ist mit Staub bedeckt, die Gegenstände haben sie schon vollkommen unter sich aufgenommen. Abgesehen vom Sessel mit der alten Frau gibt es im Zimmer kaum etwas: ein Regal mit Kochutensilien und eine grotesk große Wanduhr, die nicht mehr tickt. Afra stößt einen gedämpften Schrei aus und bleibt stehen, wie angenagelt: sie ist tot - sie ist entkommen! Afra eilt zu ihr und schüttelt sie. Die Frau bleibt steif und regungslos. Afra schüttelt sie noch mehr - endlich rührt sich die Frau ein wenig, blinzelt mit den Augen - öffnet sie endlich mühevoll. Sie sieht die Frau an, die vor ihr steht und erkennt sie nicht. STILLE FRAU: Warum weckst du mich auf? Lass mich -! (Ihr Kopf nickt und sie schläft wieder ein.) AFRA (schüttelt sie wütend): Tu das nicht, tu das nicht, wach auf, sieh mich an! Du wirst dich nicht davonschleichen! Oh, so mancher würde es gerne auf einmal machen, so mancher! (Die alte Frau ist wieder aufgewacht und sieht sie über-rascht an.) Hast du mich versucht auszutricksen? Hast du versucht, dich zu ihm zu schleichen? Haha - du wirst nicht! STILLE FRAU (erkennt ihre Feindin, schreit schwach auf, versucht aufzustehen, ist aber zu schwach und fällt zurück): Du? Warum - warum weckst du mich? AFRA: Du hast versucht wegzukommen! STILLE FRAU: Das stimmt nicht, es ist nicht wahr, ich bin einfach so eingeschla-fen, das ist alles, ich bin eingeschlummert. AFRA: Du lügst! Du wolltest sterben! STILLE FRAU: Nein, nein! Wie - könnte ich wollen - wie könnte ich gegen Got-tes Willen gehen? Möge sein Wille geschehen, möge sein Wille geschehen - ! AFRA: Du kannst kaum reden. Du - du - isst nichts! Du isst nicht, oder? Du hun-gerst dich absichtlich zu Tode! STILLE FRAU (entschuldigt sich schüchtern wie ein Kind): Ich esse, ich esse - oh, ich esse viel - in letzter Zeit war ich nur ein wenig geschwächt, altersschwach - AFRA (stöbert in den Ecken herum und durchsucht das Geschirr): Du lügst, du lügst, keine Spur vom Essen, überhaupt nichts zu essen! (Sie zeigt auf die Wand-uhr.) Und die Uhr steht auch! - Wer bringt dir Brot, wer, du hast dieses Zimmer seit acht Tagen nicht mehr verlassen, oder? Pass nur auf! Wenn du nicht sofort anfängst zu essen, erzähle ich ihm alles über den Buckel und wie du ihn erkältet hast. Du wirst verflucht rumkriechen und verflucht wirst du in die Erde gelegt! Du wirst Glück haben, wenn dich die Gendarmen nicht in die Hände bekommen - im Gefängnis wirst du verrecken. (Afra hat irgendwo eine Brotkruste gefunden, rennt jetzt zu der alten Frau und stopft sie die in den Mund.) Friss, friss! STILLE FRAU (schluckt gehorsam; wenn sie fertig ist, nimmt sie Afra sanft bei der Hand): Afra, Afra, kannst du das wirklich nie vergessen? AFRA: Vergessen?! Wie kann ich vergessen, dass du mir den einzigen Menschen genommen hast, der mich jemals geliebt hat! Weißt du, was es bedeutet zu leben, wenn dich niemand liebt, wenn du Garnichts hast, worüber du dich freuen kannst? Ein Mensch muss etwas haben, irgendetwas, nur eine Kleinigkeit; aber so sein, nichts haben - nein, nein, ich werde es nie vergessen. STILLE FRAU: Bei Gott bitte ich dich - lass mir, dass ich Teobald sage, wer ich bin, lass mir, ihm eine Mutter zu sein! Sag ihm nicht, dass ich seines Rückens schuldig bin. Im Gegenzug gebe ich ihn dir, ich lasse dir den Toten, Ich werde für alle Zeiten auf ihn verzichten, aber bitte lass mich meinen Sohn streicheln! AFRA (verächtlich): Mit welchem Recht schenkst du mir einen Toten, Erik war schon immer mein! Du hast nur seine Lust befriedigt, damit du es weißt! Es war nur für ein paar Tage, dass er dich aus Leidenschaft hatte, aber in seinem Herzen liebte er nur mich! STILLE FRAU (plötzlich wütend, sie verteidigt ihr Eigentum): Du lügst, du lügst, er hat mir geschworen! Ja, wenn du es wirklich wissen willst, hat er mir vor sei-nem Tod geschworen, dass er mich geliebt hat; du hast ihn nur gekauft, als er Student war und nicht über die Runden kommen konnte. Und du hast ihn in den Tod getrieben, weil du ihm seine Freiheit nicht gegeben hast, um mit mir zu sein! AFRA (fassungslos): Also - also - hat er dir geschworen? STILLE FRAU: Genau hier, inmitten vom Zimmer, legte er seine Hand auf sein Herz. AFRA (rennt zur Wanduhr und wickelt sie laut auf): Umso mehr Grund für dich zu leben; umso mehr Grund für mich, dich nicht gehen zu lassen! Haha! Morgen bringe ich dir selbst Essen, ich werde bis zum letzten Bissen hier stehen - haha - das wird ein Schmaus! STILLE FRAU (streckt ihr verzweifelt beide Hände entgegen, wenn sie geht): Afra! Stille bis auf das scharfe, regelmäßige Ticken der Wanduhr. Als Afra in ihr Zimmer zurückkehrt, schaltet sie das Licht nicht ein, sondern, weil Tarbula nicht auf ihre Frage antwortet: "Schläfst du?", legt sich einfach hin ohne zu sprechen. Eine Weile starrt die stille Frau mit glasigen Augen auf die Tür, ihr Atem wird regelmäßiger, ihr Kopf sinkt gegen den Stuhl und sie schläft. Es klopft an Hanas Tür, dann ertönt TEREZAS sanfte Stimme. TEREZA: Schlafen Sie schon, mein Liebling? HANA (kommt erschrocken aus ihrer Erstarrung): Ich schlafe, ja, ich schlafe. (Denkt eine Sekunde nach und ändert ihre Meinung.) Sind Sie das? Sind Sie es, nicht wahr, Tereza? Nein, ich schlafe noch nicht, ich dachte Sie wären jemand anderes. (Sie überprüft schnell den Boden, auf dem die Leiche lag, um festzustel-len, ob es Hinweise auf den Mord gibt; wenn sie feststellt, dass keine Blutflecken vorhanden sind, geht sie zur Tür und schließt auf.) Sie sind es, Tereza, Ich dachte, es wäre jemand anderes. Ich habe solche Angst. TEREZA (kommt rein): Ich konnte nicht anders als hochzukommen - warum sind Sie noch nicht im Bett? Schnell, ins Bett! Vielleicht bin ich nett und halte Sie ein wenig fest, damit Sie leichter einschlafen können. (Sie geht zum Bett und greift nach dem Vorhang, um ihn zu öffnen.) HANA (erblasst; mit großem Aufwand bemüht sie sich, nicht zu ihr zu springen und nimmt stattdessen sanft Tetrezas Hand vom Vorhang, nimmt sie an den Schul-tern und schiebt sie vom Bett weg): Es ist schön zu Hause zu sein, so gemütlich - ich habe vor nichts Angst, es gibt hier so eine wundervolle Ruhe, die Ruhe weht in den Räumen. Wissen Sie, Reza, dass man Ruhe hören kann? Man kann sie hören. Ich höre und sage mir: Das ist der Klang der Ruhe. Es klingt ein bisschen wie Grillen im Gras, im Sommer. Sie steht da und redet sehr schnell, gleichzeitig zittert ihr ganzer Körper und sie faltet ihre Hände wie unter einem Todesurteil. TEREZA: Sie sind krank, Sie sind wirklich krank - Ich dachte, es wäre nur eine Ausrede, als Sie hochgegangen sind. Oh lieber Gott, ich hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte; "Du solltest besser nach ihr schauen", habe ich mir gedacht. HANA: Nein, nein - ich bin nicht krank, es ist nur so schrecklich, so schrecklich - so viel Schrecklichkeit häuft sich mit der Zeit auf eine Person. Reza, möchtest du mich ein wenig auf dein Schoss nehmen, bitte lass mich auf deinem Schoß sitzen - so! (Sie hat Tereza auf das Sofa geschoben und sich auf ihren Schoß gesetzt.) Umarme mich ein wenig - nicht so, nicht so - Drück deine Wange gegen mich. TEREZA (sofort von Tränen überwältigt): Was ist los, Was ist los, mein Schätz-chen Hana? HANA: Reza, Reza, du musst mir helfen, du bist die einzige, die mir helfen kann! TEREZA (erschrocken): Wie kann ich dir helfen? Du weißt, ich mache alles für dich. HANA: Wirklich, wirklich? (Schaut sie skeptisch an, zögert.) Stellen Sie sich die Angst vor, die sie empfand, als sie nach Hause kam, wie entsetzt sie war - er wird wieder in ihre Zimmer kommen, vor ihr stehen und - verlangen! Und - vielleicht würden die Glocken wieder läuten, gnadenlos durch das Fenster donnern - TEREZA: Worüber sprechen Sie? HANA (überrascht, dass sie es nicht weiß): Aber ich habe es dir doch erzählt! Meine Freundin - dieses Mädchen, welchem der Diener Gewalt angetan hat! TEREZA: Oh ja - ja, ja. HANA: Sie ist von zu Hause weggegangen, ins Ausland - aber stellen Sie sich vor, wie sie die Stunde fürchtete, in der sie wieder ihr eigenes Haus betreten müsste! Die Zeit muss kommen, es würde sicherlich kommen, wenn sie wieder ihr Zimmer betreten müsste, und dann - was dann? Was, wenn er sie wieder begehren würde, wieder fordern würde? Dummerweise versuchte sie sich mit dem Gedanken zu trösten, dass er es nicht wagen würde - er würde es nicht tun, es kann nicht ewig so weitergehen! Als sie nach Hause zurückkam und kaum länger als ein paar Mi-nuten allein war, kam er mit seinen schleimigen Fingern in ihr Zimmer und stellte seine Forderungen. Und seine ganze Art war so unhöflich - er kam sofort herein, ohne zu klopfen, ließ sich einfach auf den Stuhl fallen - mein Gott, mein Gott, etwas musste getan werden - etwas - vielleicht könnte sie -? (Sie sieht sie in er-bärmlicher Verzweiflung an.) TEREZA: Also ist sie zurückgekommen? - Um Gottes willen, ich habe gesagt, sie soll es ihren Eltern sagen! HANA: Aber was, wenn - was, wenn sie ihn schon umgebracht hat? TEREZA: Ihn umgebracht? Wie - was? HANA: Sie musste sich von ihm befreien, sonst würde sie für immer ihm gehören! Wenn er sie schon einst hatte - eine Frau vergisst den ersten nie! Er musste getötet werden! Und andererseits wollte sie nie, bei Gott, sie wollte nie was Böses tun - er saß auf dem Stuhl und zog seine Schuhe aus - er war so ekelhaft - ein harter Ge-genstand fand seinen Weg in ihre Hand - ein Kerzenhalter zum Beispiel - Er woll-te nicht mehr atmen, er wollte einfach nicht - er lag einfach tot da. TEREZA (schaut sich um, als würde sie nach der Leiche suchen): Hana, Hana! HANA: Reza, sagen Sie - sagen Sie jetzt - (betrachtet sie angespannt) - Würden Sie diesem Mädchen nicht helfen wollen? Ihr helfen, die Leiche loszuwerden? TEREZA: Hana! Um Himmels willen! HANA (sie ist aus ihrem Schoß geklettert): Reza, dieses zwanzigjähriges Mäd-chen - soll sie aus dem Fenster springen, soll sie - im jedem Fall muss die Leiche weg! Vielleicht brauchen Sie es nicht zu tragen, vielleicht könnte man es alleine tragen, wenn Sie nur mitkommen würden, vielleicht nur um zu ermuntern - TEREZA (klammert sich an sie, schreit): Hana! Hana! HANA: Reza, um Himmels willen, denkst du wirklich, dass es so schrecklich ist, das zu tun? Du müsstest nur mitkommen, vielleicht etwas sagen - Tereza will wieder schreien, Hana legt ihr eine Hand vor den Mund. Entsetzt umarmen sie sich zitternd. Hana erkennt, dass Tereza nicht ihre Komplizin sein wird. Mit großer An-strengung beruhigt sie sich und lächelt leise; obwohl sie selbst völlig erschöpft ist, streichelt sie die alte Frau, wie ein verängstigtes Kind und versucht zu lachen. HANA: Na, na - Reza! Sie ist noch nicht einmal zurückgekommen, sie hat mir nur erzählt - wie kannst du dich so leicht erschrecken lassen? Ich wollte dir nur sagen, was durch den Kopf dieses armen Mädchens ging, dort im Ausland. Kannst du dich wirklich nicht in diese verängstigte Seele versetzen? Sie hat Angst nach Hau-se zu gehen, sie fürchtet sich vor jedem Urlaub und muss immer nach neuen Aus-reden suchen, um fern zu bleiben. TEREZA (beruhigt sich langsam): Friede sei mit Ihnen, liebes Kind, Friede sei mit Ihnen. Nur Gott weiß, womit sie Ihren Kopf da draußen gefüllt haben! HANA: Unzählige Nächte lagen wir Seite an Seite wach im Internat und sie er-zählte mir ihre schrecklichen Geschichten. Sie hatte wirklich Angst, dass es in einem schrecklichen Verbrechen enden würde - genau wie ich es dir erzählt habe - und sie stellte mich vor dieser Aufgabe, die ich dir gerade beschrieben habe. Oh, Reza, es ist schrecklich, wirklich schrecklich in einigen Zimmern, und was du über dein Lebensziel gesagt hast, hat mich wirklich benommen. TEREZA: Warum, warum habe ich Ihnen das erzählt, ich bin so eine dumme Gans, Sie können es nicht ertragen in Ihrem Alter! HANA: Wie kannst du das sagen, wie kannst du nur, du weißt, dass ich genauso bin. Ich kann Frank niemals heiraten! Wäre es nicht eine Sünde, ihn in eine Bezie-hung zu binden, die für ihn so unnatürlich wäre? Ich rannte vor ihm weg, weil ich ihm die Enttäuschung ersparen wollte. War das nicht gerecht von mir? Oh, es war schrecklich, schrecklich, ich sagte ihm es wäre nur für ein paar Tage - er stand am Zug und lächelte - ich wusste, dass ich ihn nie wiedersehen würde. Siehst du Reza, so bin ich jetzt und deshalb bitte ich dich um Hilfe. TEREZA: Friede sei mit dir! Friede sei mit dir, meine kleine Hanka! Wir müssen schlafen! Keine Sorge mehr - sofort ins Bett! Zuerst musst du dich ausruhen - dann kann etwas gefunden werden, eine Kleinlichkeit, damit auch du damit leben kannst. HANA: Ich hoffe, ich habe deinen Schlaf mit meinen albernen Gesprächen nicht ruiniert! TEREZA: Denk nicht einmal daran, vor Mittag aufzustehen! Ich werde dir auch keinen Kaffee bringen. Ich hoffe du wirst nicht krank; du bist so fiebrig. Möchtest du nicht, dass ich dir das Bett mache? (Anstatt ihr zu antworten, lenkt Hana sie sanft zur Tür.) Keine Sorgen mehr, ruh dich aus! (Küsst sie auf die Stirn und geht.) Hana atmet tief auf, macht eine Pause, rennt zum Fenster; sie atmet die Nachtluft ein. Die ersten Sonnenstrahlen tasten sich über die Dächer. KLIKOT war die ganze Nacht am Fenster und hat sie geliebt. Hana bekommt eine Idee, sie winkt ihm zu. Der Schreiber kann es nicht glauben. Hana winkt erneut. Klikot lehnt sich neugierig aus dem Fenster. HANA (ruft leise über die Straße): Ja, kommen Sie her! Ich bitte Sie! Ich brauche Hilfe! Ich werfe Ihnen den Schlüssel. Klikot verschwindet aus seinem Zimmer und erscheint einige Augenblicke später wieder auf der Straße. Hana durchsucht ein Schlüsselbündel und wirft Klikot einen Schlüssel, er steht verwirrt auf der Straße und blickt zu ihr hinauf. HANA: Gehen Sie dort durch diese Tür und schließen Sie hinter sich ab. Wir halten diese Tür immer verschlossen. (Das Haus hat zwei Eingänge: der Haupt-eingang vom Platz, wo die Gäste eingetreten sind - hinterm Haus, ist nicht sicht-bar - und ein Seiteneingang, der sich direkt unter Hanas Fenster befindet.) Klikot verschwindet im Haus. Eine Weile später hört man Schritte vor Hanas Zimmer. Hana öffnet die Tür, damit ihr Besucher weiß, in welches Zimmer er kommen soll. HANA (flüstert): Ich bin hier! Kommen Sie rein, bitte kommen Sie rein! KLIKOT (steht mit dem Hut in der Hand an der Tür; er verbeugt sich -verbeugt sich nochmal). HANA: Bitte setzen Sie sich! Kein Staunen, keine große Augen - dafür gibt es keine Zeit! Ich muss Ihnen sehr eilig erzählen, wovon mein ganzes Leben abhängt. Ich kenne Sie überhaupt nicht, Sie lieben mich, bitte vergeben Sie mir, aber ich muss Ihre Liebe missbrauchen. Würden Sie bereit sein, etwas für mich zu tun, etwas sehr Seltsames und möglicherweise Gefährliches? Würden Sie? Würden Sie? KLIKOT (steht, hat noch immer Angst, sich zu setzen): Ich würde, Fräulein Hana. HANA: Ich bin bereit Sie zu belohnen, ich möchte Ihnen meine volle Dankbarkeit zeigen. Ich werde mich Ihnen ergeben. Ich möchte ganz Euer sein. Nachdem Sie getan haben, was ich verlange, kommen Sie zurück und Sie können mich lieben, wie Sie wollen. KLIKOT (senkt die Augen): Ich werde es auch so tun - ohne Belohnung. HANA (aufgeregt): Nein, nein! Sie müssen zurückkommen! KLIKOT (hebt den Kopf): Was soll ich tun? HANA (ohne sich hin zu drehen, zeigt sie mit der Hand aufs Bett): Dort, hinter dem Vorhang - Verkäufer Prelih. Ich kann es Ihnen nicht erklären. Er hat mir Böses getan. Er wollte mich haben - ich fand ihn abscheulich - da stand eine Ker-zenhalter - ich habe ihn getötet. Die Leiche muss um jeden Preis weg, wohin auch immer, das ist eine Nebensache. Es könnte nur vor die Tür, in die Mitte vom Platz, nur - nur weg aus meinem Zimmer. Werden Sie das tun – werden Sie es - Sie - der mich liebt? KLIKOT (hat während Hanas Geständnis angefangen zu zittern, aber er muss es erledigen): Ich werde es tun. HANA (Erleichterung lässt ihre Beine nachgeben, sie schwankt, fällt auf den Stuhl): Oh, danke! Vielen Dank! (Sie schließt kurz die Augen, überwältigt von Müdigkeit, und ruht sich ein wenig aus. Dann steht sie plötzlich auf und küsst seine Hand.) KLIKOT (erschrocken, zieht seine Hand weg, hebt sie dann aber zu seinen Augen und betrachtet sie selig): Soll ich es jetzt tun? HANA: Jetzt! Jetzt! KLIKOT (er ist offensichtlich ein Feigling und kann die Aufgabe mit nur extremer Selbstverleugnung erfüllen): Aber - die ganze Stadt ist auf den Beinen. Niemand schläft. Sie lauern alle und warten. Sehen Sie die Köpfe - dort, und dort und dort! HANA (irritiert): Das bilden Sie sich nur ein. Das da ist ein Blumentopf und die-ser Kopf dort drüben gehört dem Apotheker, der, wie ich mich aus meiner Kind-heit erinnere, im Sommer immer am Fenster einschläft. Heben Sie ihn einfach auf und tragen Sie ihn. Es muss nicht weit sein, stellen Sie ihn einfach mitten auf der Straße ab! KLIKOT: Aber genau da unten ist so viel Licht! HANA (Tränen drängen sich aus ihren Augen): Bei Gott! Ich bitte Sie! Klikot rührt sich, tritt von einem Fuß auf den anderen. Hana dreht sich weg. KLIKOT (gräbt die Leiche unter den gestapelten Kleidern hervor): Was ist das alles hier? (Ein wenig später bricht seine Stimme.) Er ist immer noch warm! (Er hebt ihn auf seine Schulter und bricht vor Entsetzen fast zusammen.) Jesus! HANA (ihr Gesicht ist zur Wand gewandt): Was ist denn? KLIKOT: Jesus! Jesus-Maria! Er hat mich angefasst! HANA (erzürnt auf den Feigling, obwohl sie selbst vor Angst steif ist): Nehmen Sie ihn einfach weg! KLIKOT: Er hat mich angefasst, er hat mich definitiv angefasst. In Ordnung, in Ordnung, ich nehme ihn. Egal was passiert, ich werde ihn für Sie wegnehmen, für Sie, Hana. Aber er lebt! Hana, die kurz vor der Ohnmacht steht, sucht nach einer Stütze. Klikot hebt seine Füße und geht mit schweren Schritten durch den Raum. Er verschwindet. Wir sehen ihn aus dem Haus kommen und wie er die Leiche über die Straße trägt. Hin und wieder bleibt er stehen und schaut sich um. Er steuert den Weg aus der Stadt an. Von irgendwoher sind Schritte zu hören, die metallisch von der Straßenober-fläche widerhallen. Das Hinkebein! Die Schritte des hinkenden Mannes. Unsicht-bar, kommt er näher und näher und bleibt dann stehen. Klikot bleibt ebenfalls stehen und hört aufmerksam zu. Lange hört er zu und hört zu, die Schritte wollen nicht weitergehen. Der Schreiber fängt an zu zittern, Schweiß perlt auf seiner Stirn, in wahnsinnigem Entsetzen wirft er die Leiche hinunter und rennt unter den Balkon. Nachdem Klikot gegangen ist, dreht sich Hana ängstlich um und steht mit dem Rücken an der Wand. Sie atmet tief ein. Nach einiger Zeit wird Klikot weniger angespannt, vergisst den Toten und schaut auf Hanas beleuchtetes Fenster. Er schaut lange, dann tritt er endlich vor und geht, als ob er schlafwandelt, mit ausgestreckten Armen zu ihrem Fenster. Er bleibt an der Tür stehen und lässt den Kopf sinken, er überlegt es sich anders und lenkt langsam mit widerstrebenden Füßen seinen Schritt nach Hause. Er ändert wieder seine Meinung und geht zurück, wie im Schlaf. Dann bleibt er plötzlich wieder stehen und eilt diesmal ohne zu zögern in sein eigenes Zimmer. Hana hat sich inzwischen zusammengerissen, ja, es ist sogar ein Lächeln auf ihren Lippen; sie zieht ihr Morgenkleid an und tritt vor den Spiegel, um sich schön zu machen. Sie schminkt sich mit Sorgfalt und freudigem Eifer. Dann geht sie zum Bett, zieht den Vorhang auf und ordnet die Kissen neu. Sie bereitet alles wie für ihren Bräutigam. Als sie fertig ist, ordnet sie ihre Haare noch einmal vor dem Spiegel, stellt einen Stuhl ans Fenster und wartet auf den Geliebten. So wie Klikot nicht in die Tiefe ihres Zimmers sehen kann, kann sie nur sein Fenster sehen. Als Klikot in sein Dachzimmer zurückkehrt, schaltet er das Licht an und holt ohne zu zögern, ganz instinktiv, ein Seil heraus, um sich zu erhängen. Er befestigt das Seil an einem Haken an der Wand und stellt einen Stuhl darunter. Er klettert auf den Stuhl, macht eine Schlinge und will seinen Kopf hineinstecken - als er anfängt zu röcheln und taumelt fast runter. KLIKOT (will schreien, aber er hat keine Kraft, er kann kaum die Worte heraus-bringen): Hilfe, Hilfe, - hier ist ein Mensch - ich kann nicht mehr erwarten. (Er schweigt, bewegt sich mit großen Augen weg von der Schlinge und bleibt dicht an der Wand. Dann bleibt er stehen; er zittert.) HANA (ihr erwartungsvoller Blick ist auf das beleuchtete Dachgeschoss gerich-tet, ihre flüsternden Lippen bewegen sich wie von selbst): Beeil dich, worauf war-test du, mein schüchterner Liebhaber? Hast du Angst? Du solltest Angst vor mir haben, meine Hände sind nackt und meine Lippen werden dir Böses antun! (Sie schweigt.) Warum bist du nicht hier? Hast du Angst Almosen anzunehmen? Stehst du vor dem Spiegel und machst dich schön? Zögere nicht, zögere nicht, mein Geliebter, wir haben uns viel zu lieben! - Was ist? Du darfst eine Frau, die be-gehrt, nicht verärgern, du darfst sie nicht mit ihrem Begehren warten lassen! Wer auch immer die Straße entlang geht, komm rauf, hier wartet eine Frau auf ihren Dienst. Komm schon, komm schon! (Sie streckt ihre wollenden Arme aus, wird aber plötzlich von dem Gefühl erstickt, beleidigt worden zu sein.) Oh, wie seltsam sich alles herausstellt! (Sie schiebt den Stuhl weg und schließt das Fenster. Sie geht entschlossen auf und ab, wirft sich auf das Sofa - sie hat immer noch Angst vor dem Bett, weil er dort gelegen hat. Erschöpfung streckt sich durch ihren Kör-per, sie steckt ihre Hände unter ihren Kopf und schläft ein. Sie sieht aus, als wäre sie plötzlich erblüht, sie schläft mit einem Lächeln im Gesicht ein.) Als Hana das Fenster zuschlägt, springt Klikot aus seiner gefrorenen Benom-menheit auf, schaut durch das Fenster und sieht, wie der Vorhang über Hanas Fenster gezogen wird. Entschlossen dreht er sich um und steht der Schlinge ge-genüber und geht Schritt für Schritt auf sie zu, wie ein Verurteilter, der zu seiner Hinrichtung geht. Die Szene wiederholt sich genau wie zuvor: Er steigt auf den Stuhl und will gerade den Kopf durch die Schlinge stecken - fühlt sich dann aber schlecht - er kann seinen Mund kaum mit einem Taschentuch bedecken, bevor er aus dem Raum rennt, um sich zu übergeben. Ein BETRUNKENER MALER und SEINE FREUNDIN überqueren den Platz. Der Maler hat Schwierigkeiten mit seinem Gang. Sie gehen vom Platz zu den Häu-sern vorne. DER MALER: Pasatisten, Pasatisten, Pasatisten! Alles Falschheit und veralteter Pointillismus! Weißt du, Pointillismus - ein Fleck neben dem anderen, kleine Punkte von reiner Farbe, die, wenn du dein Auge zusammenkniffst, in eine Zwi-schenfarbe übergehen, die viel bunter und heller ist, als wenn du versuchen wür-dest, diesen bestimmten Farbton auf der Palette zu mischen. Das ist dieser Kozo! Aber wenn du wirklich einen Ismus haben müsst, dann Expressionismus; was für ein Wort! DAS MÄDCHEN: Was plapperst du? Extrionismus? Dass ist bestimmt wieder so eine Schweinerei, die du immer wieder erfindest, wenn ich in dein Atelier komme. Ich will nichts, ich will nur nach Hause gehen! Du kannst auch nie nach Hause! (Sie sieht die Leiche des ermordeten Prelih auf dem Boden liegen.) Jesus, hier liegt ein Toter! DER MALER: Was, bist du verrückt? Ein Toter? Das ist unmöglich! Als ob je-mand in Goga ermordet werden könnte! Liebling, du täuschst dich, phantasierst, halluzinierst! Hier liegt wirklich ein armer Teufel und er ist ein bisschen klebrig am Kopf. Muss Blut sein. (Er stößt ein wildes Geschrei aus:) Mordio! Feurio! (Er macht eine Pose und erhebt pathetisch seine Stimme.) Bürger, Bürger und Bürge-rinnen! Ein Ereignis ist hier, ein Ereignis in eurer Stadt! Ein echtes und achtungs-volles Ereignis, so eines was anderswo nicht an jeden Arbeitstag zu haben ist! Vor euch, mitten in der Stadt, liegt ein Toter, ein schrecklicher, blutiger Toter, der zu euren Diensten steht: bitte schön! DAS MÄDCHEN (hat die Leiche ein wenig angehoben): Jesus, Jesus, er bewegt sich! Er öffnet die Augen! DER MALER: Ruhig, Mädchen, ruhe du Dämon, geh weg! Als Frau beginnst du sofort zu intrigieren! Jemand machte sich so viel Mühe um diese Leiche und jetzt sagst du, dass sie sich bewegt? Bürger, Bürger, euer Ereignis schmilzt dahin, eure Sehenswürdigkeit vergeht, es ist nur ein armer verkrüppelter Teufel, Sojkas Junge Žan hat ihn in den Arsch getreten! DAS MÄDCHEN: Er ist nur betrunken, er ist schon fast bei Bewusstsein. Er muss hingefallen sein und hat sich verletzt. Es ist Vajds Otmar, der Verkäufer Prelih. Oh, Herr Prelih, Sie haben sich so schrecklich angesoffen - schämen Sie sich nicht? Ich verneige mich vor Ihnen, ich verneige mich Herr Otmar! Und Sie sind auch verletzt. Haben Sie das selbst gemacht oder hat es Ihnen jemand angetan? DER MALER: Oh, Otmar, mein Bruder, warum liegst du auf der Straße herum und täuschst ehrliche Leute? Du solltest besser aufpassen, dass die Bürger nicht herausfinden, dass du tot gespielt hast, sonst werden sie dich lynchen, sie kennen hier keinen Spaß! PRELIH: Lass mich! Verdammt, wo bin ich? Bist du das, Ema? Komm schon, hilf mir auf die Beine, ich fühle mich höllisch schwach. Sie heben ihn hoch, aber er ist unsicher auf seinen Füßen, also müssen sie ihn unterstützen. DER MALER: Menschenskind, schämst du dich nicht, dass du nicht verraten hast, wo heute so ein Suff stattfand! Und das nennt man heutzutage Freundschaft! War-te nur, ich weiß von einem Fest übermorgen; alles bezahlt, viel Essen, lustige Witze, Spiele - du kommst sicher nicht! Ein Hahn kräht. Das Krähen von Hähnen wird häufiger. Tag. DAS MÄDCHEN (zum Maler): Komm schon, du weißt, das Vajd letzte Nacht ein großes Fest geschmissen hat! DER MALER: Oh, verdammt, das stimmt, ich habe völlig vergessen. Nun, das hat dich vom Haken geholt. Obwohl du mir eine Einladung zu diesem Fest hättest geben können ... Menschenskind, was hast du gesoffen, du kannst so nicht unter Menschen! Bist du gefallen? (Zu dem Mädchen:) Der arme Kerl wird sich zu Tode trinken! PRELIH (wegen seiner Gehirnerschütterung kann er sich nicht erinnern, was passiert ist): Weiß der Teufel, weiß der Teufel! Bin ich gefallen? Hier oben ir-gendwo tut es weh - (er fühlt sich am Kopf) - ich blute. Ich weiß nicht was passiert ist, ich kann mich an nichts erinnern. Zur Hölle, ich glaube nicht, dass ich etwas zu trinken hatte - ich kann mich wirklich nicht erinnern, Schnaps vor mir gehabt zu haben! (Er denkt mit großer Anstrengung nach.) Nun, wir hatten einen Schmaus, ja, ja - wir bereiteten ein Fest - den Teppich, ich weiß, wir mussten ihn aus dem Salon rausziehen - aber ich kann mich an nichts erinnern. Hat mich je-mand geschlagen? Wie bin ich nur aus dem Haus gekommen, wenn wir alle drin-nen gewesen sind. Ich kann nicht verstehen, wie ich auf der Straße gelandet bin! Ich wollte in Hanas Zimmer gehen - das hatte ich vor - verdammt, ich habe mein Gedächtnis völlig verloren! DER MALER: Siehst du vielleicht jemals eine Maus, die nachts durch das Zim-mer läuft, bevor du einschläfst? Siehst du jemals gespannte Seile, oder hast du das Gefühl, Spinnweben auf der Zunge zu haben, die du nicht ausspucken kannst? (Er bückt sich und schlägt Prelih auf das Knie, wie es ein Psychiater es tut, um den Kniesehnenreflex zu testen.) Sieht nicht so gut aus! Hören wir doch auf nachzu-grübeln und gehen wir noch auf ein Schlückchen zum "Letztem Groschen", dort kann ich dich genauer untersuchen. (Zu dem Mädchen:) Und du, ins Bett - (Zu Prelih:) sie ist hoffnungslos, wenn es ums Trinken geht. Komm schon, los geht‘s! Es gibt keinen Platz für eine Frau in Gesellschaft von Männern! Husch! DAS MÄDCHEN: Oh, du und dein Maul, habe ich dir nachgejagt? Er schleppt mich die ganze Nacht rum und jetzt ist schon Tag, ich werde zu Hause Prügel bekomme - DER MALER: Prügel? Oh, du bist gesegnet, dass dich eine Hand schlägt, wenn du nach Hause kommst - lass mich dich auf die Stirn küssen. (Er ergreift ihren Kopf und küsst sie.) Du kannst dich ins Bett legen und gottgefällig einschlafen, aber wer wird mich schlagen, wo ist diese gesegnete Hand? (Er ist gerührt.) DAS MÄDCHEN: Du wirst jetzt nicht anfangen zu heulen? - Wohin wirst du ihn ziehen, überall ist schon neunmal geschlossen! Er muss schlafen! Herr Otmar, seien sie vernünftig und gehen Sie ins Bett! PRELIH: Ich gehe schon! Was denn sonst! Mein Kopf dreht sich! Mir ist schlecht. Gute Nacht! (Er lehnt sich an die Wand und taumelt um die Ecke.) DER MALER: Wohin gehst du? Warte! PRELIH: Ich kann nicht, ich kann nicht, mir ist übel -! DER MALER (aufrichtig mitfühlend): Der arme Kerl kann immer weniger und weniger halten! Er muss krank sein! - Was jetzt? Willst du mit mir zum "Letzten Groschen" gehen? Oh, Ema Liebling, komm mit, ich kaufe dir einen Likör, einen Kirschlikör. DAS MÄDCHEN: Bist du verrückt? Kannst du nicht sehen, dass es schon Tag ist? Ich werde Glück haben, wenn Mutter noch nicht auf ist! Du solltest auch nach Hause gehen! DER MALER (fängt fast an zu weinen): Nachhause, Nachhause! Ich würde gerne nach Hause gehen - aber du weißt nicht wie schrecklich es in einigen Zimmern ist! Du hast eine Mutter, die dich schlägt - aber was ist mit mir? Man kann genau sehen, wo mein Kopf auf dem Sofa gelegen hat, und in meinem Zimmer befindet sich ein Spalt auf dem Boden vom Fenster bis zur Tür! Manchmal komme ich nach Hause und warte eine Weile vor der Tür, weil ich Angst habe, sie zu öffnen. (Jetzt flüstert er und sieht sich ängstlich um, um zu sehen, ob jemand lauscht.) Manchmal, weißt du - manchmal denke ich, ich könnte sie austricksen - das abge-nutzte Sofa, die Gegenstände im Zimmer - ich würde Ungezwungenheit vortäu-schen, mit einem gelangweilten Tritt aus dem Zimmer gehen, darauf achten, dass ich mich nicht mit einer hastigen Bewegung verraten würde, und dann würde ich anfangen zu rennen, zu rennen. Und in meiner neuen Wohnung würde ich hin und her laufen, mir vor Freude die Hände reiben und lachen, weil es so gut geklappt hat. Die Gegenstände in meinem alten Zimmer würden auf mich warten - aber ich würde nie auftauchen. Ist das nicht eine großartige Idee? Vielleicht würden sich die Dinge für mich dann ändern, vielleicht würde ich neu anfangen können - Ich tu es ich tu es, vielleicht schon morgen - ein neues Leben, ein strahlendes neues Le-ben! DAS MÄDCHEN (bewegt sich ängstlich weg): Du fantasierst jetzt! Gute Nacht! (Sie rennt in dasselbe Haus, in dem Klikot auf dem Dachboden wohnt.) DER MALER (schreit verzweifelt nach ihr): Ema, Ema Liebling, warte - nicht - der Kirschlikör! Sie ist gegangen! (Er steht alleine da.) Ich bin schon wieder al-lein! (Jammert.) Ich habe überhaupt niemanden, keine Menschenseele kümmert sich um mich. Oh, fröhliches, fröhliches Mädchen, das in diesem Moment von der Mutter verprügelt wird - wenn sie einschläft, wird sie zweifellos auf Zehenspitzen zu ihr gehen und sicherstellen, dass sie gut bedeckt ist. (Er sieht neidisch auf das Haus in welches das Mädchen verschwand - sieht mit großer Freude, dass in Kli-kots Zimmer noch Licht ist. Er fängt sofort an, zu rufen.) Klikot, Klikot, Mein Bruder in den Künsten, was machst du? Schreibst du etwa? Schreibe, schreibe nur, die Heimat schnarcht und wartet! Ich wusste, dass ich in dieser großen Stunde nicht allein bin, Ich bin nur überrascht, dass du es erträgst drinnen im Zimmer zu sein, du müsst genauso ein Loch haben wie ich, mit einem Spalt in der Mitte! Komm runter, Desiderius Aloisius, komm doch auf ein Wort! Ich lade dich ein auf einen Schnaps! Hallo, hallo, Desiderius, sag etwas - Alois, Alois, es ist nicht nett, sich zu verstecken. Komm runter, jetzt hast du die beste Möglichkeit, etwas Bil-dung zu bekommen! Ich bin nicht immer so gut gelaunt, ich streue meine Witz nicht einfach so, weißt du - komm schon, ich erzähle dir alles über die Kunst der neuen Sachlichkeit - ich erkläre dir die Zinnmalerei. (Er pfeift laut.) KLIKOT (der gerade zurückgekommen ist und als er die Rufe hört, lehnt er sich aus dem Fenster): Bist du das? DER MALER: Es ist einfacher die Toten herbei zu rufen als dich! Nun, komm runter - wir gehen zum "Letzten Groschen" auf ein Tröpfchen. KLIKOT: Warum bist du so früh auf? Ich kann nicht, ich habe mich noch nicht rasiert und - DER MALER (sieht Klikot mit äußerster Verachtung an und spricht dann das einzelne Wort aus): Bürokrat! (Stolz dreht er sich um und geht zum Platz.) Klikot dreht sich vom Fenster weg und als er die Schlinge an der Wand sieht, bedeckt er mit beiden Händen seine Augen. Eine Idee kommt zu ihm und er wird ganz lebendig. Energetisch bereitet er ein Schreibpapier vor, setzt sich an den Tisch gegenüber der Schlinge und beginnt fieberhaft zu schreiben. Ab und zu hebt er die Augen auf das tödliche Seil. Er hat Material für eine Novelle gefunden. Der Morgen funkelt. Auf der anderen Straßenseite löscht der LATERNEN-ANZÜNDER die Straßenlaternen. TARBULA kommt mit einem Gebetbuch in der Hand aus ihrem Haus. Zur gleichen Zeit eilt die ALTE FRAU über den Platz an der Ecke des Vajd-Hauses vorbei. Sie geht auch in die Kirche. Sobald Tarbula sie sieht, schreit sie hinter ihr her. TARBULA: Frau Župecki, Frau Župecki, guten Morgen! Warten Sie einen Mo-ment, meine Schwester kommt gleich! DIE ALTE FRAU (tritt eifrig auf sie zu): Wissen Sie schon? Wissen Sie? Angeb-lich hat er sie mit einer Axt, ihr Kopf ist ganz eingeschlagen! TARBULA: Wer, was? DIE ALTE FRAU: Oh, haben Sie noch nicht gehört? Franzosen-Marija! Jemand hat sie in der Nacht getötet. Sie liegt blutüberströmt in ihrem Zimmer. TARBULA (zu Afra, die gerade aus dem Haus gerannt ist): Afra, Afra, hast du gehört? Franzosen-Marija! (Zu der alten Frau:) Ich wusste es! Es musste passie-ren! AFRA: Was, Was - Franzosen-Marija? TARBULA: Er hat sie getötet. Jemand schlug sie mit einer Axt nieder. Die ganze Wand ist mit ihrem Gehirn bespritzt! AFRA: Jesus! Aber wer hätte es tun können? DIE ALTE FRAU: Man weiß es noch nicht, keiner weiß es. AFRA: Aber wo haben Sie so früh am Morgen davon erfahren? DIE ALTE FRAU: Wo habe ich davon erfahren? Ja, wo habe ich es eigentlich erfahren? (Sie ist plötzlich erstaunt zu bemerken, dass sie nicht weiß, wo sie die Nachrichten gehört hat.) Ich denke, es war Polona, die mir erzählt hat, nein, nein, ich habe es ihr erzählt. In der Nacht gab es Schreie. Also muss es passiert sein! TARBULA (zu Afra): Und anscheinend ist sie halbnackt! Stimmt es nicht, Frau Župecki, dass sie sehr entblößt ist? DIE ALTE FRAU: Ja, ja, sie hat fast Garnichts an, man könnte sagen, dass sie völlig nackt ist. Gott weiß nur, was er ihr angetan hat, bevor er sie ermordet hat! Er hat es offensichtlich nicht wegen Geld getan, weil sie nie welches hatte. TARBULA: Oh, aber ich denke sie hatte Geld. Denken Sie nur an all die Männer, die immer bei ihr waren! DIE ALTE FRAU: Glauben Sie? Ich bezweifle es sehr. Es war nur der eine oder andere Betrunkene, der noch ihre Treppe hinaufstieg. AFRA: Ja, Männer hatten Angst vor ihr, überall war bekannt, dass sie mit Franzo-sen war. Anscheinend hatte sie sogar ein völlig verfaultes Loch auf dem Kopf, aber sie wusste es zu vertuschen. TARBULA: Oh, sie hat viel durchgemacht! (Seufzt vor Neid.) Es musste so kom-men, es muss eine Bestrafung geben, wenn man so viel genießt. AFRA: Glauben Sie, dass sie ihn fangen? Haben sie einen Verdächtigen? Wer hat sie in letzter Zeit viel besucht? (Selbst weiß sie mehr als die Befragte.) DIE ALTE FRAU: Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie ihn nicht fangen werden. Bei solchen Frauen sind sie immer schwierig aufzuspüren. Denken Sie nur daran, wie viele Männer sie besuchen und immer andere, nachts, Fremde, betrunken! Oh, es wird nicht leicht sein, ihn zu finden! AFRA (bemerkt KONRAD, den Metzgerhelfer, auf dem Platz hinten, der gerade den Laden öffnen will; sie ruft sofort über die Straße): Konrad, Konrad, - Metz-gers Konrad, ist da, er sollte etwas wissen, er lebt im selben Haus! - Wurde sie wirklich ermordet? KONRAD (überquert die Straße, um näher zu kommen): Was ist? AFRA: Na, Franzosen-Marija! KONRAD: Was ist mit Franzosen- Marija? AFRA: Mach nicht so! Wurde sie wirklich getötet? KONRAD (lacht): Wer hat Ihnen das weisgemacht? ALLE FRAUEN: Also ist es nicht wahr? KONRAD: Wer hat sich das wohl ausgedacht! Tot ist sie nicht, aber auch nicht weit davon entfernt. AFRA: Also hat sie doch jemand! KONRAD: Wer hat sie? Niemand hat ihr etwas angetan! Sie war wieder angesof-fen - ich fand sie völlig bewusstlos auf der Treppe liegen, ich musste sie in ihr Zimmer tragen. DIE ALTE FRAU: Oh, pfui, Abschaum! AFRA: Aber ist sie - ist sie noch am Leben? KONRAD: Was sonst! - Der Teufel weiß nur, wo sie noch Schnaps bekommt, da sie keinen Groschen hat! AFRA: Wenn du sie tragen musstest - war sie völlig bewusstlos? Vielleicht hat sie doch was - vielleicht hat sie was geschluckt? KONRAD (lacht von ganzem Herzen): Geschluckt, geschluckt, und ziemlich viel musste sie geschluckt haben! Was sich Menschen nicht alles ausdenken! DIE ALTE FRAU (etwas beleidigt, sie sagt nichts, dann bleibt sie hartnäckig): Etwas muss doch gewesen sein! AFRA: Oh, ohne Zweifel! Es muss etwas passiert sein, nur keiner weiß noch ge-nau was es war. DER LATERNENANZÜNDER (läuft über den Platz hinten): Es brennt, es brennt! Auf der Schanze2 brennt es! 2 Im Originaltext ist es „Breg“, was direkt übersetzt Hügel heißen würde. Ist wahrscheinlich ein hügliger Stadtteil; ich fand die Übersetzung „Schanze“ am besten passend, weil sie gleichzeitig eine Topographie beschreibt oder ein Ortsname sein kann (z.B. Wien, An der Schanze). Die Frauen tauschen wissende Blicke aus. DIE ALTE FRAU: Jesus-Maria! Ein Feuer! TARBULA: Sehen sie! AFRA: Das war es also! Die ganze Nacht roch es nach Schwefel und Rauch, der Teufel selbst hat gestern Abend seine Krallen in der Stadt geschliffen! KONRAD: Deshalb habe ich Hlima zum Rathaus rennen sehen. Er hat die Feuer-wehr geholt! (Rennt weg.) Die Frauen bewegen sich aufgeregt hin und her, ohne zu wissen, ob sie sich das Feuer anschauen oder nach Hause gehen sollen. DIE ALTE FRAU: Jesus, Jesus, was für Dinge passieren! So schreckliche Dinge! Juta kommt um die Ecke und schließt sich sofort der Gruppe an. JUTA: Wisst ihr schon, wisst ihr schon? TARBULA, AFRA: Es brennt! Auf der Schanze brennt es! Die ganze Schanze ist schon in Flammen! Es wird schwierig sein irgendwas zu retten! JUTA: Das kann nicht sein! Sobald es beginnt, geht alles schief! Herr Vajd hat im "Morgenblatt" gelesen - er bekommt es direkt von Saloniki, noch vor der Post - ein Abgeordneter in Berlin - alles ist in die Luft geflogen! Es wird Krieg geben! Die Arbeiterschaft hat sich widersetzt, sie wollen keinen Krieg und streiken alle - es wird schrecklich! Ihre Zuhörer sind sprachlos und schnappen nach Luft - Geschehen! DIE ALTE FRAU (als ob sie sich schuldig fühlen würde, weil ihre erfundene Nachricht Ereignisse in Gang setzte, die jetzt nicht mehr aufzuhalten sind): Oh Herr, Herr Gott, es könnte trotzdem noch zu nichts führen, es könnte sich doch noch beruhigen! TARBULA: Gott allein weiß, was alles noch kommt! AFRA: Es wird alles auf einmal auf uns herabkommen! Sie rennen auseinander. Juta eilt um den Platz und erzählt weiter ihre Nach-richt. Die anderen gehen zur Schanze, um das Feuer zu sehen. Im Folgenden sehen wir Konrad und den Laternenanzünder einige Male über den Platz rennen. Vom Kirchturm läuten die Glocken, donnern durch Hanas Fenster. HANA wacht auf und springt auf. Ihre Erinnerung - sie drückt sich krampf-haft die Ohren zu, ihr Gesicht ist vor Leiden verzerrt. Plötzlich - ein schüchternes Lächeln zieht über ihre Lippen - dann lächelt sie mit einem glücklichen, entspann-ten Lächeln. Freude überflutet ihren Körper, sie holt einen Koffer heraus und wirft Kleidung hinein, so dass alles durch die Luft fliegt. TEREZA an der Tür. TEREZA (erstaunt): Schon aufgestanden? Habe ich dir nicht gesagt -! HANA (umarmt sie wahnsinnig): Mein Morgen! Mein Morgen! Es ist nicht mehr wahr - es gab nie etwas! TEREZA: Ich bin gekommen, damit Sie sich nicht erschrecken würden- die Glo-cken - es brennt anscheinend. HANA: Es brennt? Ich dachte, die Glocken riefen uns zum Morgengottesdienst. TEREZA: Wieso schmeißen Sie ihre Sachen rum? Sie verwüsten doch alles! HANA: Ich habe Sie wirklich lieb - und ich werde mehrmals wiederkommen, aber - Ich muss weg. TEREZA: Vergeben Sie mir Hana, aber -! Vor ein paar Stunden haben Sie doch gesagt - HANA: Ich sagte, ich sagte - aber denken Sie nur! Er hat seit drei Tagen nichts von mir gehört, ich habe ihm nicht mal eine Zeile geschrieben. Er wird sich sorgen machen! Ich muss zu ihm! TEREZA: Bitte hören Sie auf, mit allem herumzuwerfen! Wer hat jemals so etwas gesehen! Wenn Sie es wirklich ernst meinen, lassen Sie mich. Wie auch immer, Sie werden vor Mittag keinen Zug erwischen! HANA (hört auf, Dinge in den Koffer zu werfen): Und jetzt? Am Morgen? TEREZA: Um Himmels Willen, in aller Ruhe! Wenn Sie wirklich vorhaben zu gehen, Werden Sie wohl nicht einfach abhauen! Sicher wollen Sie sich noch von ihrem Vater verabschieden! HANA: Ich bin so dumm! Weißt du, ich habe vor zu heiraten! TEREZA (sieht Hana ein wenig traurig an): Ich weiß nicht, sind Sie wirklich so leichtsinnig da draußen geworden - Sie sagen nicht zweimal das Gleiche! HANA (klatscht wie ein Kind mit den Händen): Gehen wir zum Tisovec, von dort aus haben wir eine herrliche Aussicht! Ich wollte schon immer Goga brennen sehen! (Zieht sich schnell an): Du kommst auch, oder, Reza? TEREZA: Und Prelih - er hat uns so viele Sorgen bereitet! Er kam heute Morgen in einem solchen Zustand - HANA (verblässt, erstarrt in Bewegung): Prelih? TEREZA: Er kam gerade nach Hause, als ich aufgestanden bin - schmutzig und blutend. Er musste den Buckel vollgekriegt haben. HANA (springt hinter den Schranktüren hervor, wo sie sich umgezogen hat): Das ist doch unmöglich! TEREZA: Warum regen Sie sich so auf, der Säufer ist es nicht wert! Ich war bis jetzt bei ihm und habe versucht, ihn zur Besinnung zu bringen. HANA (geht zu Reza und schüttelt sie): Reza, Reza, bei Gott, hast du Prelih - gesehen? TEREZA: Was ist mit Ihnen? Warum sollte ich Prelih nicht gesehen haben? Ich fragte mich auch, wann er aus dem Haus hätte torkeln können. HANA: Und er lebt? Er lebt? TEREZA: Jemand muss ihm irgendwo zusammen gehaut haben - nur Gott weiß, wo sich der Trottel herumgetrieben hat! Sieht so aus, als hätte er eine Gehirner-schütterung gehabt ... Er weiß nicht, was passiert ist. Alle Erinnerungen sind weg! Eigentlich sah er gar nicht so betrunken aus, es war eher eine Verletzung. HANA (regungslos): Also lebt er dann - er lebt - aber ich habe ihm doch - (merkt, dass sie sich nicht verraten darf.) Aber ich - aber - TEREZA: Was haben Sie gemacht? Was ist? HANA (ein glückseliges Lächeln huscht über ihr Gesicht): Oh, nichts, nichts - gestern - wie dumm war es, als er auf mich zukam, um mir von diesen Ständchen zu erzählen! Er kann den Menschen nicht die Freude lassen, wenn sie ihn überra-schen wollen, oder, Reza? (Ihre freudige Überraschung über diese Nachrichte überwältigt sie und sie kann nicht anders, als auszurufen.) Lang soll er leben! Lang soll er leben! - Nur solange er tot ist! TEREZA (sieht sie verwirrt an). In der Ferne ist eine Feuersirene zu hören. HANA (schon angezogen, sie lenkt Tereza aus dem Zimmer): Lass uns gehen, lass uns gehen! TEREZA: Aber ich muss mich auch anziehen! (beide verlassen das Zimmer.) PRELIH erscheint mit verbundenem Kopf und seltsam angezogen aus der Ecke des Vajd-Hauses. Juta, die inzwischen von ihrer Runde zurückgekehrt ist, versucht ihn an den Enden seines Mantels zu fangen. Der Mann kann kaum auf den Beinen bleiben. JUTA (fast weinend): Seien Sie doch vernünftig, seien Sie vernünftig, Otmar! Was wird Frau Reza sagen? Wie haben Sie es geschafft, Ihren Anzug zu finden, wir haben ihn doch vor Ihnen versteckt - Sie können nicht für eine Minute allein ge-lassen werden! PRELIH: Was kümmert mich Frau Reza? Darf ich nicht zum Feuer gehen! Es ist nicht etwas, das jeden Tag passiert. JUTA (drückt ihn zurück, er will sie loswerden): Ich flehe Sie an! Sie hat mir befohlen, auf Sie aufzupassen. Sie sagte, Sie wären verrückt! PRELIH: Was hat sie gesagt? Dass ich verrückt bin? Warte nur, ich werde sie an ihrem Kiefer packen. Ich bin neugierig zu sehen, wer verrückter ist, ich oder das alte Weib. Wo brennt es nochmal? (Er sieht sich verwirrt um und taumelt ein wenig.) Juta, sag mir bitte, wo es brennt. Mein Kopf fühlt sich wirklich komisch an. (Er legt seine Hand auf den Kopf und ertastet den Verband.) Wer hat mich verbunden? Juta, nimm das Ding von mir! Ich bin nicht verwundet, nur drinnen ist es arg. Wenn sie mich so sehen, fangen alle sofort an, die Zungen zu wetzen. TARBULA, AFRA und die ALTE FRAU kommen über den Platz zurück. Als sie Prelih sehen, beschleunigen sie sofort ihren Schritt. TARBULA: Prelih - er wurde verletzt - schau, wie er ganz verbunden ist! (Sie schreit ihn schon aus der Ferne an) Stimmt es, dass Sie angegriffen wurden, Herr Prelih? Ist es wirklich wahr? PRELIH (zu Juta): Lass uns hier weg - die Weiber kommen. (Er taumelt.) Nun, nimm mich zurück, ich will zurück! JUTA (vergisst jetzt Prelih): Nun, was ist los? Wo brennt es nochmal? DIE ALTE FRAU: Oh, komm jetzt, du weißt ja, wie es hier ist; alle machen gleich so einen Tumult! Es gab nur ein paar Bretter unter einer Harpfe, und selbst die wollten nicht brennen! TARBULA: Geschieht ihnen recht, dass es kein Feuer gibt - sie tauchen immer zu spät auf! (Zu Prelih) Hat Sie jemand auf den Kopf geschlagen? Wer war es? Ha-ben Sie wirklich ihr Gedächtnis verloren? KONRAD erscheint von irgendwoher und schließt sich der Gruppe an. KONRAD: Hoho, Prelih! Stimmt es, dass dir jemand eine um die Ohren gegeben hat? Prelih ist völlig verwirrt. Er würde gerne nach Hause gehen, weiß aber nicht wie; er packt Juta an der Hand und versucht sich kopfüber aus der neugierigen Gruppe von Menschen, die sich um ihn versammelt haben, herauszudrängen. Um die Ecke erscheinen HANA und TEREZA, sie gehen aus der Stadt zum Tisovec. TEREZA (als sie Prelih in der Gruppe sieht): Heilige Maria! Was macht er hier? Ich habe seine Kleider versteckt! Das Mädchen muss zum Feuer, um zu gaffen, gegangen sein. (Sie sieht Juta.) Habe ich dir nicht gesagt, auf ihn aufzupassen? Du -! (Gibt Juta einen bösen Blick, sagt aber nichts.) Prelih, nach Hause und sofort ins Bett! Ich ziehe ihn aus, ich lege ihn ins Bett -! Ich habe mir so zu schaffen mit ihm! Prelih, sofort ins Bett! Warten Sie, Hana, ich muss ihm helfen, nach Hause zu kommen. HANA (wirft den Kopf zurück und lacht herzlich): Warum spuken Sie herum, Prelih? Wurden Sie nicht getötet? Und wie geschickt er verbunden ist, wer hat Sie den so verbunden? Die Leute in der Gruppe sind sehr dankbar und grinsen über Prelihs traurigen Zustand. TARBULA: Frau Tereza, falls Sie noch nicht wissen, es waren nur ein paar Stü-cke Holz, die Feuer gefangen haben. TEREZA (Prelih stützt sich jetzt auf sie, als sie und Juta ihn nach Hause bringen): Sehen Sie, Hana, Ich habe gewusst, dass es nichts sein wird. Lass uns nach Hause gehen. Warum sollten wir diesen steilen Hügel umsonst besteigen? HANA (fragt alle dort): Also brennt das Feuer nicht mehr? TARBULA: Es waren nur ein paar Bretter und ein Haufen Heu, das war alles. (seufzt tief) Hier passiert nie etwas! AFRA: Überhaupt keine Ereignisse! HANA (nicht lachend): Doch, doch, es ist etwas passiert: jemand wurde letzte Nacht ermordet! Ihr Publikum lacht, weil das Fräulein sich über Prelih lustig gemacht hat. KONRAD: Lass uns ihn auf den Friedhof bringen! Lachen. Der MALER überquert den Platz, ganz außer Atem, er hat die Bemühun-gen übernommen, das Feuer zu löschen. Er geht von Fenster zu Fenster, legt seine Hände wie eine Tröte vor den Mund und schreit leidenschaftlich: "Ta-da-da-da! Feuer! Bürger rettet euren Besitz!" Er rennt von Straße zu Straße: "Feuer! Ein Ereignis! Ta-da-da-da!" DER MALER (nähert sich der Gruppe): Feuer! Feuer! Lauft und rettet, was euch gehört! AFRA: Dieser Säufer hat immer noch nicht gehört, dass es nichts gewesen ist. KONRAD: Meister, Meister, das Feuer ist schon gelöscht! Es wollte nicht einmal brennen! Warum gehen Sie nicht zum "Letzten Groschen", alle anderen sind jetzt da! DER MALER: Halt die Klappe, du Gottloser, misch dein lügnerisches Maul nicht, ins göttliche Schicksal, das dieser unwürdigen Stadt ein Ereignis beschert hat! Feuer! Feuer! Die ganze Schanze brennt! KONRAD: Dieser Teufel würde so weit gehen, sich selbst in Brand zu setzen! Ich würde sagen, er ist wirklich begeistert davon! DER MALER (mit geneigtem Kopf und hilflos leeren Händen): Vielleicht wird es jetzt möglich sein, irgendwie anders zu leben, vielleicht kommt was anderes - ein neues, ein strahlendes neues Leben! Vorhang Wenn das Publikum die Schauspieler zurück auf die Rampe ruft, wird der Vorhang wieder geöffnet. Alle Bewohner sind wieder in ihren Zimmern. Sie sind bewegungslos wie Puppen in einer Schießbude, einer nach dem anderen wird von einem verborgenen Mechanismus erweckt, später fallen sie wieder in ihren toten Zustand zurück. KLIKOT (steht wie zerbrochen in der Mitte seines Zimmers): Holz knarrt in einem Tisch in der Nacht, und wir hören es nicht, die Dunkelheit tastet sich mit ausge-fransten Händen nach oben. - Illusion ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können - Afra steht vor der stillen Frau und stopft eine Brotkruste in den Mund. AFRA: Friss, friss! (Rennt zur Wanduhr und wickelt sie laut auf.) Umso mehr Grund für dich zu leben; umso mehr Grund für mich, dich nicht gehen zu lassen! Die Wanduhr beginnt in einem metallischen Rhythmus zu ticken. GAPIT (hebt sein Glas): Trinken, trinken wir auf unser neues Leben, unser strah-lendes neues Leben! DIE HALLUZINIERTE STIMME (wie von einem Radiolautsprecher): Trinken, trinken wir auf unser neues Leben, unser strahlendes neues Leben! Assimilierung, die neueste Erfindung, Aussaugen von Gedanken - Antenne, Frequenz C 42! GAPIT (Gapit kauert neben den Tisch, als würde er gepeitscht, dann dreht er den Kopf - sein Gesicht ist in weißem Schrecken verzerrt): Sie sind schon da - sie sind überall! PRELIH (steht vor Hana): Den Ersten vergisst man nie! HANA schlägt hilflos mit den Armen in der Luft. Der verstorbene HAUPTSTEUEREINTREIBER erscheint und geht die Straße vom Platz entlang. Er kommt direkt an die Rampe, sieht sich verwirrt um, dreht sich um und stolpert lautlos zurück in die Stadt. Ende Verbindung zum Film Goga 33 1/110: https://www.youtube.com/watch?v=Tc3wApSCXwE