Akademische Reise in den Kaukasus. Am 9ten September verließ der außerordentliche Akademiker, Hofrath A. I. Sjögren St. Petersburg, um nach dem Kaukasus zu gehn. Wer Hrn. Sjögren bei seinen frühern Reisen durch das nördliche Äußland gefolgt ist, wird gewiß nicht gleichgültig diesen keine Mühseligkeiten scheuenden Forscher einen ucucn Weg antreten sehen. Seine Reisen durch die von Finnischen oder Finnisch-Tatarischen Völkerschaften bewohnten Gegenden sind ein erfreulicher Beweis von Liebe zur Wissenschaft nnd Ausdauer bei Verfolgung eines vorgesteckten Zieles. Leider hat Hr. Sjögren uns nach seiner Rückkehr nicht so viel Resultate geliefert als es die von ihm dazu gesammelten Materialien gestattet hatten ("), woran sein Augenübel Echuld war; doch was er lieferte verdient vollkommene Anerkennung. Auch durfte ja stine Reise noch keineswegs als vollendet angcsthn werden, denn der ursprünglichen Idee nach sollte dieselbe sich bis hin über den Kaukasus erstrecken. Um unsere leser mit den ZwectM der gegenwärtigen Rcisc des Hrn. Ejögrcn bikaunt zu ma» chen, wollen wir uns seiner eigenen Worte bedienen, wie er solche niederschrieb in der von ihm über diesen Gegenstand bei der Kaiserl. Akademie dtt Wissenschaften eingereichten Note. „Was nun den Kaukasus namentlich betrifft, so hatte es schon früher in dem Plane meiner ersten wissenschaftlichen Reise gelegen, sie eben mildem Kaukasus zu beendigen, weil mir derselbe für cigcntllch Tschudische Völker und Tschudische Spuren gleichsam die äußerste Gräuze nach Süden zu bilden schien.— Alle Sprachen und Völker des Kaukasus jetzt gehörig umfassen zu »vollen, wäre von mir ein thörichtes uud vermessenes Unternehmen; aber das ist es meiner unmaßgeblichen Meinung uach auch uicht, was zur einstigen genauern und vollständiger« Kenntniß dortiger Völker und Sprachen Noth thut. Wir besitzen nämlich zwar eine Menge mchr oder minder reichhalliger, (") In den Denkschriften der Akademie wurden unter Andcrm folgende von ihm verfaßte Abhandlungen gedruckt: Ueber die attcren Wohnsitze der Jemen, ein Beitrag zur Geschichte der Tschudischen Völker in Rußland. (Gelesen d. 29. Sept. 187,0). Wann uud wie wurden Sawolotschje und die Sawolokschen Tschnden Russisch? (Gelesen d. lt. Januar 1852). Ueber die Finnische Bevölkerung des Et. Pctcroburgischen Gouvernements, uud über den Ursprung des Namens Ingermanulaud. St. Pelersl'ura 1855. 4. (."> Rl'l. Ass.). Wag bedeutet das in den Russischen Ehronitc« unter dem Jahr 1024 vorkommende Wort »?//3« < (l«54). aber auch mehr oder minder ungenauer Wörtersammlungen vonGüldenstädt u. A. vorzüglich von Klaproth; über die grammatischen Eigenthümlichkeiten dcrtiger Sprachen aber, mit einziger Ausnahme dcs Georgischen, nichts weiter als kurze fragmentarische Bemerkungen oder höchstens, wie über das Ossetische, eine dürftige Skizze von einigen wenigen Blättern. Kein einziges Idiom ist noch zur Zeit in seiner ganzen Eigenthümlichkeit aufgefaßt und erschöpfend dargestellt, sondern es steht dieses Geschäft, die grammalische Durchdringung und Auseinandersetzung der einzelnen Kaukasischen Sprachen, erst von der Zukunft zu erwarten. Dieß ist natürlich schr schwierig, und etwas ganz anderes, als bloße Wörter oder allenfalls auch einzelne zerstreute Redensarten zu sammeln. Auch haben bisher allerdings die localen und politischen Verhältnisse unüberwindliche Hindernisse in den Weg gelegt, Hindernisse , die selbst jetzt noch zum großen Theil fortbestehen mögen. Indessen wollte ich gerade auf dem angedeuteten schwierigen Felde versuchen zu leisten, was nur irgend mnere und äußere Umsiäude erlaubten. Außer dem T a" tarischen und Georgischen, als zugleich Mittel und Zweck, würde ich zu meinem Hauptstudium das Ossetische wählen, als eine Sprache, die außer ihrer großen allgemeinen Wichtigkeit für mich besonders und in Bezug auf meine bisherigen Studien in doppelter Hinsicht ein eigenthümliches Interesse hat. Klaproth fühtt in stiuer ^51,2 poh-gloNZ (S. 42,82) namentlich die Osseten, als einen besondern Iwcig dcs Indo-Germanischen Stammes in Asien auf, hebt aber S. 88 als besonders bcmerkenswcnh hervor, daß in dem Ossetischen sich dennoch auch viele Wörter fänden, die mit dem !ie-vischen, besonders aber mit dem Wotjakischen, Syrjanischen und Permischen übereinkämen, so wic nach seiner Behauptung auch das Georgische und sogar das Armenische, wie sämmtliche Kaukasische Sprachen überhaupt, viele Berührungspunkte mit Finnischen und andern Sprachen des nördlichen Asiens zeigen sollen (rcrgl. ebendas. S. lN, m und 5il5). Bekanntlich hat derselbe Gelehrte (Reise nach dcm Kaukasus I, L6 ff. und ^ki2p<^ßl. S. 84 ff.) mit triftigen Gründen die Identität der heutigen Osseten mit den As und Alanen dcs Mittclalters geltend gemacht, und so hat man denn in ihncn natürlich auch den Namcn der A sen wiedergefunden, aus dc» ren früheren Wohnsitzen Odin mit einer Colomc von denselben Äsen nach Skandinavien auswanderte, eine Meinung, die, wenn man alle über jene Aus» und Einwanderung vorhandenen Nachrichten zusammenstellt und unter sich vergleicht, wie es der verdiente Schwedische Historiograph Geyer in s-vvea 1'ullie-> llÄs<1ei gethan, allerdings hohe Wahrscheinlichkeit für sich hat und auch dadurch noch mehr bestätigt wird, daß nach der Bemerkung dcsscl« ben Historikers (a. a. O. S. 518) unter den von Klaproth in .X«l2 pol^ßl. V. 86 ff. angeführten 217 Ossetischen Wörtern bei unserer Unter- — 3 — sllchung 61, also ^, sich als Golhilche erweisen. Wink genug alft, »nn zu genaueren Beobachtungen der Sitten und Gebräuche der Osseten und zu speciellen Forschungen über die Eigenthümlichkeiten und den Gcsammtbau ihrcr Sprache, so wie über Traditionen, alte religiöse Meinungen und Volkslieder, falls sie solche haben, einzuladen und aufzufordern. — Das angeführte wird hinreichen, um den Nutzen und die Wichtigkeit meines Vorhabens wenigstens anzudeuten." Diese Vorstellung von Seiten Hrn. Sjögrens war hinreichend, die Akademie zu bestimmen sich für ihn höhcrn Orts zu verwenden, und es ist ihm nun ein Zeitraum von 2 Jahren zur Reise bewilligt worden, mit Bei-bchaltung scines Gehalts und den nöthigen Postgcldern. Mochte doch der Zustand seiner Äugen ihm ununterbrochene Thätigkeit gestatten, und ihm sowohl ofsiciclle wie Privat»Unterstützung von allen Freunden und Beförderen wissenschaftlicher Forschungen zu Theil werden'. K. (St. Petcrsb. Ztg. 1855, Nr. 2<4.)