/ onLkVttkX Gedtiilrblntttr jU Ljireii der 70. iöklnirlsfkikt des litt! .11. Ipril .1806 geborenen vaterländischen Dichters Scmrsttlsms (tzriin, (Anton Alexander Graf von Auersperg) von Mit dem Portrait des Jubilars. Preis pr Exemplar 25 kr ö W Wien 1876. CommissionSverlag von Ang. Hesse in Gea;. Ingsiasms-Griin-Zmr, abgehalteu i>u Zoficusuaic;n Mm am iti. Mär) i!!76. Nachdem erst vor wenigen Wochen die Wiener Studentenschaft das fünfzigste Wiegenfest I. V. Scheffel's begangen, feierte sie heute mit einem solennen Commers in den Räumen des Sophienbadsaales den siebzigsten Geburtstag des größten lebenden heimischen Dichters, Anastasius Grün. Die Hörer der Uni¬ versität, Technik und der Hochschule für Bodencultur hatten sich vereinigt, um die Feier zu einer möglichst großartigen und würdigen zu gestalten. Den hell erleuchteten Saal füllten schvn vor 8 Uhr Tausende von Studenten, entweder in voller Wichs oder im schlich¬ ten schwarzen Kleide. Die einzelnen Burschenschaften und Verbindungen waren an riesigen Längtntaseln gruppirt. Die Logett der Galerien hielt ein Kranz von Damen dicht besetzt. An der Stirnfront des Saales war das Bild des gefeierten Dichters angebracht. Von den Schleifen des Lorbeerkranzes, der es zierte, hingen breite schwarz-roth-goldene Bänder nieder. Unmittelbar unter dem Bilde waren die Tische für die Ehrengäste aufgestellt. Unter den Letzteren befanden sich Professoren mit ihren Frauen und Töchtern, zahlreiche Wiener Schriftsteller, den Nestor Bauernfeld an der Spitze, Vertreter der Kunstwclt rc. Um halb 9 Uhr fielen die Schläger klirrend auf die Tische, und der Obmann des Lesevereins der deutschen Studenten erklärte den Commers für eröffnet. Nun folgte die Absingung des „Anuäoanms", und als die Klänge des herrlichen Liedes verhallt waren, begrüßte der Vorsitzende die Versammlung und gab dem Bedauern Ausdruck, daß ihr nicht die Freude beschieden, den Jubelgreis in ihrer 1 2 Mitte zu scheu. Bon Anastasius Grün sei an ihn, Redner, das nachfolgende Schreiben eingelangt: „Euer Hochwohlgeboren! Soeben erhielt ich die im Auftrage des Comites an mich gerichtete, mit Ihrem werthen Namen unterzeichnete telegraphische Einladung zu dem Festcommers, welchen die Studen¬ tenschaft Wiens für den 16. d. M. zu Ehren meines 70. Geburtsfestes veranstaltet. Gestatten demnach Euer Hochwohlgeboren, daß ich mich gleichfalls an Sie mit dem Ersuchen wende, der gütige Uebermittler meines innigsten und tiefgefühlten Dankes an sämmtliche Anordner und Teilnehmer jenes Festabends sein und es zum vollsten und herzlichsten Ausdrucke bringen zu wollen, wie sehr ich mich durch diese Manifestation gütevoller Gesinnung, sympathischen Wohlwollens und freundlicher Theilnahme überrascht, geehrt und beglückt fühle. So innig es mich erfreut und erfrischt hätte, einige Stunden in deni belebenden Kreise jugendlicher Zeitgenossen zuzubringen, so muß ich mir diese Freude doch versagen, wenngleich mit schwerem Herzen, und ich darf wol auf geneigte Nachsicht rechnen, wenn ich mein Nichterscheinen für entschuldigt zu halten bitte. Ich vermag es nämlich nicht über mich zu bringen, in Aussicht stehenden Ehrenbezugnungen entgegenzu¬ reisen, welche mein geringes Verdienst, wenn davon überhaupt die Rede sein könnte, so hoch überragen. Eines aber wird mir immer in unentreißbarer, dank¬ barer Erinnerung bleiben, nämlich die wohlthuende Kunde, daß Manches von dem, was ich angestrebt, in den Herzen der Jugend, in der die Zukunft meiner theuren Heimat lebt, Anklang und Nachhall gefunden hat, und mit ihr vielleicht auch noch auf spätere Tage übergehen wird. Mit dem Ausdrucke herzlicher Dankbarkeit und ausgezeichneter Hochachtung Euer Hochwohlgeboren ergebenster „Anton Auersperg." Graz, 11. März 1876. Das schreiben wurde mit stürmischen „krosit« ausgenommen. Die Festrede hielt Oanll. pllil. Engelbert P e r- nerstorffcr: „Hochverehrte Festgenossen! Kommilitonen! Wenn wir von: Gipfel des Kahlenberges hcrabsehen auf die große Stadt vor unseren Augen, gus die weiten Ebenen, auf den Kranz der Berge, die sich süd- und westwärts unabsehbar fortsetzen, da überkommt uns ein weh¬ mütiges Gefühl, rückwärts schauende Sehnsucht. In dämmeriger Ferne sehen »vir die Ostmark und gedenken ihrer Kämpfe, und in uns taucht die Erinnerung auf an all das deutsche Blut, das hier für des deutschen Namens Herrlichkeit Jahrhunderte hindurch vergossen ward. Was deutscher Geist gekämpft und gerungen, tritt klar in unser Bewußtsein; wieder erleben wir mit die glanzvolle Vergangenheit unseres Volkes, das auch hier in engem Bezirke in guten und schlimmen Tagen nicht verleugnet hat, daß es ein nicht ganz unwürdiges Glied der großen Gesammtheit sei. Doch nicht geschichtliche Erinnerungen allein sind es, die unser Herz so wunderbar erheben. Noch andere tönen in uns fort, Erinnerungen an freudig frohen Sang, an tausendfältig sinnvollen Scherz und an all das heitere Wogen und Treiben da unten in unserem Heimatlande, an den Höfen der Herzoge, in den Städten der Bürger, bei den Tänzen der Bauern. Und aus den Büschen rings zu uns treten alt¬ bekannte Gestalten: der Schalk Neidhart, der fröhliche Herzog Otto, sein frommes Weib Elisabeth, der tief¬ sinnige Pfaff Wigand. Sa hat dich, du herrliches Land, unser Anastasius Grün besungen. So hast du, o herrliches Land, den Dichter begeistert. Aus deinem Boden ist er lebendig hcrausgewachsen als eine der schönsten Blumcnblüthcn. Heute drängt sich ein neu erwachtes junges Ge¬ ll* schlecht um dich, du holde Dichterblüthe, und will dir danken und dir nahe sein. In der Hellen Ostmark, so weit nur die Sonne blinkt, summt's und schwirrt's in diesen Tagen gar wonnevoll, und alle die Menschenkinder, die in ihr sind, rüsten sich, einen gottbegnadeten Dichter zu feiern. Was Wunder, wenn da die Jugend sich vordrängt und die erste sein will bei fröhlicher Gratulation! Was der Dichter besungen — Lenz und Liebe, Freude und Frohsinn — das sind ja die Lebensele- mcnte der Jugend. Aber nicht sie allein hat er besungen. — Wie die Gluth für die höchsten Güter der Menschheit stets in seinem Herzen geflammt hat, so hat er ihr auch im¬ merdar wahrhaftigen Ausdruck gegeben. An seiner Begeisterung für die idealen Güter des Volkes rankte er sich immer und immer wieder empor zu lcbcnsfrischcr Haftung. Ob er aber mit bitteren Worten den Wegweiser über die Ruinen Wiens macht, oder die Klagen des einsamen Gefangenen gen Himmel schickt, — all sein Schauen und Segnen ist auf die Zukunft gerichtet. Der Gedanke, daß seinem Hoffen einst die Erfül¬ lung folgen werde, wie die Ernte der Saat, der Ge¬ danke hat ihn aufrechterhalten und gestählt gegen alle Niedrigkeiten und Erbärmlichkeiten des Lebens. Und so ist er uns ein Bild unseres österreichisch- deutschen Volksstammes nach den zwei edelsten Seiten, die er aufzuweisen hat. Von der Natur ist er immer ausgegangen, zur Natur immer wieder zurückgekehrt. Aber nicht in beschauliche Betrachtung hat er sich zurückgezogen, — nein, mitgearbeitet hat er treulich und unablässig, anspornend und treibend — ein Vorbild für Alle. Wir haben heute nicht allein den Dichter Anastasius Grün zu feiern. Wie er sein Lied hell ertönen ließ für Freiheit und Recht, so hat er auch sein ganzes Leben hindurch gezeigt, daß er bereit sei, für das, was 5 er gesagt und gesungen, auch einzutreten mit seiner ganzen Persönlichkeit. Daß Anastasius Grün einer der wenigen Edlen war, die es wagten, ihr ganzes Leben lang nichts weiter sein zu wollen, als sie selbst; daß er unbeirrt durch die Gunst oder Ungunst der Hohen und Geringen hochhielt, was er einmal als Recht erfunden; daß er mit dem frohen Siegesbewußtsein, das uns immer die Ehrlüchkeit unserer Sache einflößt, im Vordergcfecht als einer der ersten stand; daß er den Mith nicht sinken ließ in den trüben Tagen der Stürme und Gefahren; daß er immerdar für seines Volkes Freiheit und Befreiung kämpfte: das ist es, was uns an ihn nicht weniger bindet, als seine fröhlichen Liedergaben. Und wenn wir heute über ihn, den Dichter und Mann," die Fülle unserer Segenswünsche ausschütten, so findet unser Beginnen Widerhall, nicht nur vom Erz- und Riesengebirge bis an das rauschende Meer hin, — nein, weit hinaus über die Grenzen unserer Heimat, allüberall, wo der süße Mutterlaut der deutschen Sprache Herz und Ohr erfreut, stimmen sie mit uns ein in den brausenden Jubelruf: „Möge er ewig leben in den Herzen der Menschen!" Die Capelle stimmte das feierliche Studentenlied „Bom hohen Olymp!" an, in dessen Melodie der Chor begeistert einstimmte, Im Saale herrschte bereits lebhafte Bewegung und die Präsides und Senioren vermochten kaum mehr, durch das Aufschlagen der klirrenden Schläger auf die Tafeln die Situation zu beherrschen. Allgemeine Stille trat aber alsbald ein, als Hofschaufpieler Krastel auf der Rednertribüne erschien. Er trug mit kräftigem und frischem Ausdruck ein recht gelungenes Festgedicht von Conrad Löw (Senior der „Gothia") vor, dessen Hauptstrophe lautete: Dem Sänger, dessen Her; noch Frühling süllt, Deß Locken aber schon vom Herbst gebläßt. Winkt heut' rer goldene Lorbeer seines Volks An seinen, stebzigjähr'gen Wiegenfest. 6 Durch alle Lande braust der Jubelruf: Grün-Auersperg, Du kühner Deppelaar, Der Du Dich ausschwangst zu der Sonne Licht, Sei uns gegrüßt, Du greiser Jubilar; Das Gedicht wurde mit lebhaftem Beifall ausge¬ nommen; die Versammlung dankte dem Künstler für den trefflichen Vortrag und rief dann den Dichter auf die Tribüne, der sich aus derselben in Koller und Kanonen, mit dem Federbarett auf dem Kopf und dem Schläger an der Seite, präsentirte. Nachdem der Jubel sich gelegt hatte, wurde in üblicher Weise ein präcis ausgeführtcr „Salamander" zu Ehren Ana¬ stasius Grün's gerieben. Unmittelbar darauf folgte das Lied „Frei ist der Bursch" mit der Eingangsstrophe: Stoßt an! Grün soll leben! Hurrcih hoch! Dessen Wort für Wahrheit und Recht erklang, Der der Freiheit hohes Lied uns fang! Hoch Grün! Hoch! Sodann deklamirtc Herr Arnau vom Stadt¬ theater das Gedicht „Sieg der Freiheit" von Anastasius Grün. *) Der Vorsitzende verliest folgendes Telegramm, welches Anastasius Grün seinem oben mitgetheiltcn Schreiben aus Graz folgen ließ: „Nochmals zum heutigen Abend meinen herzlichsten und wärmsten Dank den Fcstgebern und Fcstgeuosscn. Zur selben Stunde erhebe ich in der Ferne meinen Festbccher auf das Wohl der Studentenschaft Wien's. Wenngleich Ton und Wort nicht hörbar, weile ich doch unter Ihnen mit Herz und Sinn als Ihr dankbarer Gast Anton Auersperg". Nun folgten die verschiedenen Toaste: Studiosus Pernerstorfcr brachte einen stürmisch aufgcnommenen Toast auf die geliebten Lehrer, die Professoren der drei Wiener Hochschulen, aus, welche nicht nur die g Siehe Seite 30. Mühen und Sorgen, sondern auch die Freuden der Studentenschaft theilen. Diesen Toast beantwortete Professor Karl T o ma- sch e k (philosophische Facultät): „In Anastasius Grün feiert die Jugend einen guten Theil ihrer eigenen Ideale, einen guten Theil der Gegenstände ihrer höchsten Begeisterung. Aber nicht einmal den Freund der Jugend, der mit Allem, was sie schätzt, eng verwandt ist, feiert sie in Anastasius Grün; er ist für sie, die begeistert strebende, er ist zugleich für uns Alle ein Musterbild gereifter echt menschlicher Entwick¬ lung. Kein Problem hat die deutsche Literatur neuerer Zeit, insbesondere die der elastischen Epoche, gleich eifrig dichtend und denkend ' zur Darstellung und Lösung zu bringen gesucht, als das Problem einer menschlichen Bildung, welche allen Anforderungen des praktischen ernsten Lebens zu entsprechen im Stande wäre, aber nicht irgend auf den jugentlichcn Idealismus verzichten sollte. In unserem großen vaterländischen Dichter steht ein Muster vor uns einer solchen harmonischen Men¬ schenbildung. Er hat erreicht, was Schiller als das höchste Glück menschlicher Entwicklung preist, er hat Schwärmers Ernst mit Weltmanns Blick zu verbinden gewußt. (?rosit!) Wir Professoren, welchen zugefallen ist, die idealen Güter der Menschen im Vereine mit der Jugend zu pflegen (krosit!) und mit dem prak¬ tischen Leben zu vermitteln, sind begeistert der Auffor¬ derung, an Ihrem herrlichen Feste thcilzunehmen, gefolgt, erblicken in dem freundlichen Gruße, den Sie uns dargebracht hahen, den sicheren Beweis Ihrer sympathischen Uebercinstimmung mit uns und stimmen begeistert ein in den Ruf: Hoch der österreichisch-deutsche Dichter, welchem es gelang, echte Schwärmerei mit weltmännischem Wesen, jugendlichen Idealismus mit gereifter, gesunder, tüchtiger Männlichkeit harmonisch zu verbinden. Hoch Anastasius Grün!" (Langanhaltender Beifall.) Professor Dr. Szeberini (evangelisch-theologische Facultät): „Mir als Theologen ist es wohl gestattet, an das Wort des großen „Denkers von Wunsiedel" zu erinnern: „Die Theologen sollen zur Leibgarde die Dichter haben und jeden Tag ein gutes Herz und Gemiith erfrischendes Gedicht lesen." Die Dichter und Theologen haben viel Homogenes. Sind ja doch die Dichter die Priester der Völker gewesen und haben ihnen als Leitsterne in dunkler Nacht vorgelcuchtet. Aber nicht dazu habe ich das Wort mir erbeten. Ich habe cs genommen, um namens der einzigen protestantischen theologischen Fakultät im dualistischen Oesterreich dein Manne den Dank auszu- sprcchen, der in den denkwürdigen Sitzungen des Jahres 1872 im Herrenhause mitgewirkt hat, daß die theologische Faculität nicht mehr vor der Thür zu stehen braucht, sondern eingereiht wurde in die Uni¬ versität. Ich erhebe das Glas auf die Begeisterung der Jugend für religiöse Ideale, gepaart mit der Freiheit des Geistes und dem Ernste der Wissenschaft! "(Stür¬ mischer Beifall.) Seinen Höhepunkt erreichte der Commers mit des Hofschauspielcrs Lewi usky Vortrag des Bauern- feld'schen Gedichtes. Lewinsky, von langanhaltendem Beifall begrüßt, wurde während des Vortrages des schwungvollen Gedichtes oft vom stürmischen Beifall unterbrochen. Bauerufeld's Gedicht lautet: In Juiistssms Erün. (Zu seinem siebzigsten Geburtslage.) Wie wie zusammen waren In frischen, jungen Jahren, So mulhig, hoffnungsreich! Und kamen schlimme Zeiten, Da galt's ein kühnes Streiten Wir führten manchen Streich. Du hast in dunklen Stunden Das rechte Wart gesundet,, Wie du der Rechte bist! Du hieltest dich im G'leise In deiner edlen Weise, Derselbe fort und fort — Und als dein Wart erklungen, , Nachjanchzten's alle Zungen, Das erste Freiheilswort! Du wecktest uns rum Lichte; Es nennt dich die Geschichle Freiheits-Protagonist! 9 Ein Ritter du, ich Knappe, Das Volk, schwiegst du auch lange. Wir brachten manche Schlappe Begehrt nach deinem Sange, Dem Gegner spottend bei — Ich höre, wie es ruft: Ich war der Unbequeme Die Gluth ist nicht geschmolzen, Dem Schlendriansystome, Censnr und Polizei. Er spannt das Rohr, der Bolzen Schwirrt tönend durch die Lust! Und ward es trüb und trüber, Zeit ist's, daß wir dem Schönen Die Zeiten sind vorüber, Uns wieder angewöhnen, Wir steh'n auf festem Grund Im mächtigen Bei eine, Stark gegen das Gemeine, Ein tiicht'ger Männerbünd. Doch nicht mit Lanzenspitzrn, Mit Versen und mit Witzen Verfolgten wir den Feind — Du immer brav und tüchtig, Ich manchmal unvorsichtig, Doch war es gut gemeint. Der Arbeit wär's g'mug; Fort von des „Hauses" Schwelle Und aus kastal'scher Quelle Thu' herzhaft einen Zug! Der Dichter war ein Streiter, Doch immer sangesheiter, Auch humoristisch mild; Und wie es draußen tose, Er Pflegt dabei die Rose, Sein duftend Lieblingsbild. Dich preis' ich und dein Walten,Da find' ich dich denn wieder, Der Aeltere den Alten, . Die Leier legst du nieder Dich Preist das Vaterland. Und wirkst im „hohen Haus" — Kein Wühlen mehr, kein Wogen,Du "hilfst Gesetze schassen, So nimm den gold'nen Bogen, Und ärgern dich die Pfaffen, Nur wieder frisch zur Hand. Wir machen uns nichts d'raus. So winde sie zum Kranze! Ein Dichter bist geboren, Du kamst im Frühlingstanze, Das sei dir unv.crloren, Im süßen Lenz zur Wüt — Was ewig dich erhält. Bauern selb, auch knstioooampius. Nachdem Lewinsky geschlossen, brach ein unendlicher Beifallssturm los. Immer wieder erschollen die Rufe: Bauernfeld!, bis endlich der greise Dichter auf die Tribüne trat und die folgenden schlichten Worte mit tiefergriffener Stimme sprach': „Meine Herrn! Ich habe Ihnen nur ein paar Worte zu sagen. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Freundlichkeit, aber vergessen Sie nicht, daß der heutige Tag der Feier eines Besse¬ ren gilt." (Bravo!) Noch erwähnen wir, daß aus verschiedenen Theilen des Reiches von Privaten, „alten Häusern" und Studenten - Corporationen, Zustimmungs - Telegramme und Briefe cinlangtcn, die zur Vorlesung gebracht wurden. I. V. Scheffel hatte das nachstehende Schreiben an das Comite gerichtet: 10 „Ein schmucklos' Büchlein liegt vor mir, vergilbt und zerlesen: „Schutt", Dichtungen von Anastasius Grün, und vor dem. Tittelblatt stehen, von der Hand der geliebten Mutter im Jahre 1843 geschrieben, die Zeilen: Wie süße, halbvergeß'ne Räthselworte, Wie Sehnsuchtshauch, dec eig'uer Brust entflie h:, Ducchschültern mich die mächtigen Äccorde, Sie sind mein eig'ues Weih und Wiegenlied, Die gute Mutter ruht längst im Frieden Gottes; der Sohn aber, dem sie die Verehrung des hohen Meisters, seine Vaterlands- und Freiheitsliebe, seinen Glauben an des Frühlings und der Welt Auferste¬ hung in das Herz zu pflanzen wußte, sendet Gruß und Heilruf dem Jubilar und wünscht ihm mit seinen eigenen Worten „die Lcbcnsschale voll reinsten Sonnen¬ lichtes, dem Rößlein Futter in Menge und daß zu allen Zeiten der Himmel voll Geigen ihm hänge!" Karlsruhe, 15. März 1876. Joseph Victor v. Schefel. Auch vom Bürgermeister von Karlsruhe und von der Karlsruher Studentenschaft waren Telegramme eingelaufen. Der Culturhistoriker Dr. Karl Grün bringt als Deutscher zum heutigen Feste die Grüße des deutschen Volkes außerhalb der schwarz-gelben Grenzfähle und liest zum Schlüsse ein her.lichcs, warm ausgenommcnes Widmungsgedicht an Anastasius Grün vor, dem der Sprecher vor 38 Jahren seine erste schriftstellerische Arbeit gewidmet. Um halb 12 Uhr trifft vom Landwirthschaft- lichen Club in Wien die Mittheilung ein, daß derselbe gleichzeitig mit der Studentenschaft Anastasius Grün einen begeisterten Salamander gerieben hat. Professor Reitlinger erhebt das Glas auf die Un¬ sterblichkeit Grün's, auf daß bis in die fernste Zeit, wo man Schwert und Kreuz nicht mehr kennt, der Name Grüns bleibe. (Bravo!) 11 Noch ein Toast auf die anwesenden „Commilito- ninnen", Einiges aus den „Spaziergängen", vorge¬ tragen von Herrn Krastel, und der osficielle Theil des Commcrses konnte mit dem „danllsarnus" abge¬ schlossen werden. Vir Inastssms Zrüu-Iritr in Eraz. Am folgenden Tage, das ist am 17. März ver¬ anstaltete die Studentenschaft der Universität Graz zu Ehren des Dichters Anastasius Grün in der Pun¬ tigamer Bierhalle einen Festcommers. Demselben wohnte der Dichter selbst bei, sowie auch der Statt¬ halter Baron Kübeck, Bürgermeister Dr. Kienzl, Dr. Rechbauer, Sectionschef v. Kalchberg, der Rector der Universität Dr. Demelius, Reichsraths- und Land¬ tags-Abgeordnete, Professoren rc. Um halb 9 Uhr erschien, von nicht enden wollenden Jubelrufen begrüßt, Graf Anton Auersperg in Begleitung seiner Frau Gemalin im Saale und unmittelbar darauf erklärte der Präses den Commers für eröffnet. Professor Dr. Schönbach besprach vom literarhistorischen Standpunkte das Wirken und Streben und die culturelle Bedeutung des Dichters Anastasius Grün für Oesterreich und für die deutsche Dichtung und bezeichnet den Tag als eiuen Tag der Auferstehung für unsere Heimat, als das erste Liederhest Grün's erschien. Der Redner schloß mit dm Worten: „So lange ein Mann wie er für uns das Wort führt, so lange ein Mann wie er uns voranschreitet, so lange wird kein — gestatten Sie, daß ich ein vielmißbrauchtes Wort anwcnde — „wahrer Oesterreicher" den Muth sinken lassen und den Glauben verlieren an die Zu¬ kunft seines Volkes. Es lebe, blühe und gedeihe Ana¬ stasius Grün!" (Lang anhaltender Beifall.) Mit wahrer Begeisterung wurde Graf Auersperg begrüßt, als er die Tribüne betrat, hinter welcher sein eigenes, mit Lorbeern bekränztes Porträt sich befand. Anastasius Grün sprach: „Wenn ich diesen festlichen 12 Kranz, in welchen die edelsten Blüthen, die Frauen, auch eingeflochten find, überblicke und mich daran er¬ innere. daß mich die Jahre auf Ruhe und Stille Hin¬ weisen^ daß ich ein Eremit des einsamen Studirstüb- chens und ein Fanatiker der Zurückgezogenheit bin, so frage ich: Wie komme ich hicher, woher nahm ich den Much, die Tapferkeit, ich möchte sagen, die Stirne, um Ehren cntgegenzugehen, von denen ich weiß, daß ich wegen mangelnder Würdigkeit sic nicht verdiene? Welche sind denn meine Verdienste? Siebzig Jahre alt zu werden, ist weder ein Verschulden, noch ein Verdienst. Ich wenigstens kann versichern, daß ich dabei nicht die geringste böse Absicht gehabt, daß ich mich aber auch einer besonders lobenswerthen guten Absicht nicht rühmen kann. Was sonst noch gerühmt wird als mein Verdunst, war wol nur Sache des Glücks und des Zufalles und selbstverständliches, pflicht¬ gemäßes Verhalten. Denn dafür einzustehcn, was man als Recht und Wahrheit anerkannt hat, ist des Man¬ nes Pflicht. Also nicht Eitelkeit, nicht Selbstüberhebung hat mich hiehcr geführt, es ist eine stärkere, edlere Macht gewesen. Es ist ein Act heiliger Pflichterfüllung all dein Wohlwollen und all der Freundlichkeit gegen¬ über, welche mir sowol von Ihnen, als von so vielen anderen Seiten entgegcngebracht wurde, es ist das Gefühl der Dankbarkeit. Und diese ist eine starke, un¬ besiegbare Macht, wie die Liebe, vielleicht nur noch ungeduldiger, weil sie drängt, zum Ausdruck zu kom¬ men. Wo anders sollte ich diese Gefühle zum Aus¬ druck bringen, wo anders als in der Stadt, in welcher ich eine liebe, zweite Heimat gefunden habe, wo an¬ ders, als in diesem Kreise, in welchem ich mich als Dichter und als Patriot hineingezogcn fühle? Als Dichter, weil ich in diesem Kreise junger 'Männer jene ideale, heilige Flamme in ihrer vollen Ursprüng¬ lichkeit, Wärme und Reinheit leuchten sehe, genährt von den Hohenpriestern der Wissenschaft — und als Patriot führt mich in diesen Kreis das Bewußtsein, hier die Träger der Zukunft meines Vaterlandes zu finden; Arbeit wird denselben jedenfalls bleiben, Arbeit stirbt in der Welt nicht aus, Arbeit ist das strenge Los, aber auch der herrliche Schmuck des Menschen¬ lebens. In diese späteren, ernsteren Tage retten Sie einen Theil jener Flamme, welche Sic jetzt begeistert, und welchen Lebensbernf Sie auch immer wählen mögen, sie wird Ihnen ein trefflicher Führer und Helfer und jedenfalls aus Ihrer Lebensbahn förderlich sein. Mag die Zeit, wie sie materiellen Bestrebungen zugewendet erscheint, auch darüber lächert — sie selbst bedarf wenigstens eines Funkens dieses Feuers und nirgends kann sie diese belebende Flamme vermissen. Ich selbst bin mir bewußt, noch ein Fünkchen dieser Flamme in mir zu tragen, und da dies der Fall ist und das Studium nicht aufhört, so sehe ich mich noch immer als Ihren Commilitionen an (stürmischer Bei¬ fall) der zwar sich den Collegienbesuch seit Decennien abgewöhnt hat, dafür aber auf dem besten Wege ist, sich das Commersiren anzugewöhnen. Gehoben, er¬ frischt und ermuntert, wie ich durch Ihr Wohlwollen bin, schleicht sich in diese schöne und mir unvergeßliche Stunde doch auch ein Gefühl von Wehmut. Es ist das unerbittliche Naturgesetz, welchen: sich Keiner ent¬ ziehen kann. Unmerklich 'kommt die Zeit, der Werk¬ mann trifft mit der Axt die Richtung nicht, der Sän¬ ger verfehlt die Saite, der Schreiber kann die Feder nicht mehr führen und selbst dem Redner, wie Sie sehen, rollte die Rede nicht so fließend dahin wie einst. Und der Klang der Becher dieser Abendfeier läutet für mich vielleicht schon den Feierabend ein. — Dessen können Sie sicher sein, ich werde singen und reden, so lange ich es vermag. Was aber nicht verklingen wird, das ist die Dankbarkeit für die Zeichen der Theilnahme, der Anerkennung und des Wohlwollens, die nur hier, in Wien und anderen Orten zu Theil wurden. Ich habe erst vor wenigen Stunden den Be¬ richt über das schöne Fest in Wien gelesen, ich habe 14 ihn gelesen mit dankbarem Herzen, mit feuchten Augen. — Indem ich nun Ihnen, meine verehrten Herren, ein Herzliches Hoch ausbringe erlauben Sie mir, mein Hoch auch etwas zu erweitern, in einen größern Kreis zu ziehen, indem ich ein Hoch rufe der jugendlichen Ritterschaft des deutschen Geistes, der Studentenschaft Oesterreichs." Mit einem feierlichen Salamander in iaonorom illustrissimi viri Anastasius Orün schloß der officielle Theil des Festes, zu welchem auch der akademische Gesangverein eine effectvolle Festhymne von W. A. Remy gebracht hatte. Iiue Schwalbe vsr dem Inihling. Lin Lichtrrgriir« an Ämitasiuü Lriiii. (Anton A. Graf Auersperg.) Zu seinem siebzigsten Geburtstage am 11. April. Bergönne Du, den Gott zum Dichter schuf, Dem kleinen Liede, in Dein Heim zu dringen; Verhallt es doch in tausendstimm'gen Ruf, Der Oest'reichs treuem Posa wird erklingen I Den Tag, der Dich dem Vaterlande gab, Den feiern höh're geistige Gewalten; Ich — will, dem großen Jubelchor seitab, Dein Fest, stilltreu, in meiner Seele halten. D'rum fliegt Dir, ehe noch der Frühling kehrt. Die Schwalbe zu, den Lenz Dir zu verkünden, Den Lenz, der Deines Geistes Thaten ehrt, Dein Haupt mit ew'gem Lorbeer zu umwinde». Ich hab' als Jüngling, wol noch halbbewußt, Den Geist der Freiheit schon in Dir bewundert, Der Dir geschwellt die edle Dichterbrust, Und der noch leuchten wird durch manch' Jahrhundert. Du pflanztest nicht das rothe Banner auf, Das, statt der Freiheit, Willkür kündet Allen, Die — Menschenwürde bietend zu Verkauf — Das Schlechte nicht, — das Gute läßt zerfallen. Du trugst die Oriflamme uns voran, — Da fiel der Schleier von den Angen nieder. Da brach i» Oesterreich d er Morgen an — Es klang die Memno nssäule Deiner Lieder I Wer hat's vor Dir gewagt — gekonnt, so rein Wie Dn in wunderbarer Dichtung Klangen Den Samen heil'ger Früchte auszustreu'n, Die Geisterschlacht zu schlagen in Gesäugen —!? Den Glanz des Namens, Deinen Ahnenruhm — Du warfst ihn sort —- u ch wardst des Volkes Slreiter; Das Vaterland ward Dir Dein Hciligthum — Sein Hohepriester Dn — ein Gottgeweihter! Daß Deutschland einst im Bußhemd hat gekniet Im Vorhof der Maitresse von Canossa, Dn hast's gesühnt im flammenträcht'gen Lied, Ein Held im Geist ein zweiter Barbarossa! Wenn Alles Staub — und neu die Welt ersteht, Dann denkt ein edles Volk noch Deiner Lieder. Ein Same, den wol keine Zeit verweht — Mit jedem Geisterfrühling lebst Du wieder! Otto Prechtler. Anastasius Grün hat an Otto Prechtler aus Anlaß dieses Gedichtes, folgendes Schreiben gerichtet: „Poesie dem Poeten! — So dachten Sie wol, als Sie mich mit Ihrem prächtigen und schwungvollen, nur mein geringes Verdienst etwas allzu dichterisch über¬ schätzenden Festgedichte überraschten. Die liebe „Schwalbe vor dem Frühling" hat soeben ihren Einzug bei mir gehalten und Freude in mein Haus getragen. Ich sollte Ihrem dichterischen Fluge gleichfalls auf den Schwingen des Liedes folgen und die Gegengabe meines Dankes in wohltönenden Rhythmen an Sie gelangen lassen, um auch meinerseits Poesie dem Poeten zu bieten ; allein die Muse ist eigensinnig lind nicht zur beliebigen Stunde zu haben, der Dank aber ist ungeduldig und will ohne Verzug expedirt sein. Und so nehmen Sie denn freundlich und wohlwollend wie immer auch den prosaischen Ausdruck eines Gefühles, in welchem jedoch ein volles und warmes Herz pulstrt, mit Nachsicht und Güte entgegen. Das Wörtlein „Dank" klingt so schlicht und kurz, aber Sie wissen, wie viel sich in seine vier Lettern cinschließen läßt; ich lasse kein Win- kelchesi unausgcfüllt. So trete es vor Sie mit den herzlichsten Grüßen alter treuester Gesinnung und mit 16 dem erneuerten Ausdrucke aufrichtigster Hochachtung Ihres wahrhaft und dankbar ergebenen AntonAuers- perg. Graz im März 1876." Jir Anastasius Erün's hrbWstem Geburksfeste am II. April 1876. Dem Dichterfürsten soll mein Lied erklingen, Dem Krösus an Gesta ltnngdkrast, Der mir des Geistes ewig jungen Schwingen Errungen sich die Meisterschaft, » Der seiner Heimath herrliche Geschichte, So reich an Thaten, als an Helden auch, Len Adelsbrief geschrieben im Gedichte, Und sie geweiht dnrch seiner Muse Hauch; Der J o i e f s Bild so wundervoll besungen, Daß es in seinem Volke ew g lebt, Der nicht vergeb-ich nach dem Ziei gerungen, Vergeblich nicht den Dichterkranz erstrebt; Und wären selbst die tausend andern Blüthen, Die uns sein Geist voll Poesie gestreut, N'cht weiter als ein Kranz von Nieten, Sein „Sieg der Freiheit" birgt Unsterblichkeit! Ein Kranz von Nieten!? — Nein! nur Edelsteine, Ein jedes Lied ein köstlicher Juwel, Ein jedes Bild so edel wie das Deine, Und jeder Ton sür's Her; ein Labungsquell, So klingen Deine Lieder durch's Jahrhundert, Das Volk von Frühtingstränmen wie berauscht, O sieh', wie es in Ehrfurcht und verwundert Der Freiheit echler Zukunftsmusik lauscht. So stehst Du fest als wie aus Erz gegossen Ein Meister da, der deutschen Dichtkunst Zier, Die Last der Siebzig trägst du unverdrossen, Und schwingst der Muse holdes Reichspanier So schwing' es noch durch viele lange Jahre, Stimm uns noch oft ein Heer von Liedern an, Es schreibt die Nachwelt Dir aus Deine Bahre: „Du warst ein Dichter und ein großer Mann!" Jürg Simani. (Anton Alexander Graf von Auersperg) gehört der lyrischen Gegenwart Oesterreichs an, weil er in diesem Augenblicke nicht vergessen ist, er gehört der Zukunft an, weil seine großen kulturgeschichtlichen Poesien sich der Literarhistorie eingereiht haben, er gehört einer Vergangenheit an, die er völlig und mit vollem Rechte Am 11. April 1806 zu Laibach in,Krain ge¬ boren, in seinem väterlichen Namenschlosfe, dessen Ge¬ bieter er nachmals geworden, aufgewachsen, trat er im Jahre 1813 in die theresianische Ritterakademie ein, in welcher er bis 1818 blieb. In dasselbe Jahr fiel auch der Tod seines Vaters, und mit diesem Faktum war ein Wendepunkt auf seinem Lebenswege gegeben. Dem künftigen Majoratsherrn gegenüber wollte die Vormundschaft die militärische Laufbahn nicht ver¬ antworten. Eigentlich war es aber die Eingebung des Genius der Poesie, welche den jungen Grafen nach der Bahn friedvoller Studien lenkte. Er kam in Graz in ein Privatinstitut, woselbst er zuerst Philosophie, dann die Rechte studirte und das letztere Fachstudium an der Hochschulx zu Wien sortsetzte. Philosophie und Rechte erfüllen seinen praktischen Geist, es waren die Disciplincn, die ihm zur leuch¬ tenden Offenbarung dienten. Zu diesen Studien trat im Jünglinge auch die Liebe und Begeisterung für alles Gute, Wahre und Schöne in einer Weise hervor, daß er ein Apostel dieses heiligen Dreiklangs wurde. Schon die ersten Blätter der Liebe, ein Büchlein, das in den Jahren 1825 bis 1829 entstand, wiesen, auf einen ganzen merkwürdigen Baum von kolos- 2 saler Struktur und von jenen Früchten, mit denen er sein Vaterland schon im Jünglingsalter beschenkte. In einer viel objektiveren Gestalt als bei den Lyrikern in Masse — wußte sich schon das Gefühl der ersten pla¬ tonischen Liebe bei Anastasius Grün geltend zu machen. Er sagt in der „Bestimmung", wie des Weibes Berus die Liebe sei, er koquettirt mit keiner bestimmten lyrisch-photographirten Individualität, vom reizenden Scheitel bis zur niedagewesenen Fußzehe. Er stellt das Liebespaar im Familiengemäldc neben das Großeltern¬ paar, um uns des Lebens Dvppelspiegcl der Vergan¬ genheit und Zukunft vor das Auge zu führen. Er begegnet, nachdem er im „Frühlingslied" an dem Busen der Bram „Natur" hing, einein „Liebes¬ paar" — also, er schaut abermals die Liebe objektiv," außer sich und fühlt sich in seiner Vergangenheit elend. Ja! sogar das zu Compositionsmotiven so glücklich be¬ nützte Anakrcontische Liedchen: „Die Brücke", die aus Küssen von Mund zu Munde erbaute Brücke führt uns in ihrer Verbildlichung nach der Außenwelt hin. Im „Blatt im Buche" dieser sinnigen lyrischen Bal¬ lade in zwei Strofen sieht Grün die Liebe als ein Vcrmächtniß der Vergangenheit, durch die Großmutter¬ brille der Erinnerung an, in der „Mannesthräne" charaktcrisirt er die Erfahrung des Licbcsschmcrzes, in den „Fragen", das Unendliche der Liebe, die wie die Wellen und wie die Sterne ewig ist. An den „Blättern der Liele" also läßt sich er¬ kennen, was diesem Baume sehr bald für Früchte zu tragen bestimmt ist. Die ersten Goldfriichte aus den Gärten der Hcs- pcriden sind: Der Balladenkranz, „Der letzte Ritter", ein lyrisch-episches Gedicht (erste Auflage 1830) und die „Spaziergänge eines Wiener Poeten", lose zusam¬ menhängende Gedichte lyrisch-rcflektiver Natur mit fast durchgängig prägnanter politischer Pointe. Ein Mann von 25 Jahren — wer solches schreibt ist ein Mann, entwickelt uns Anastasius Grün in seinem „letzten -IZ- Ritter" cin Gemälde der Maximilianischen Zeit, wie es an Glanz und Saftigkeit des Kolorits, an plasti¬ scher Gestaltungskraft und an inniger Begeisterung, mit welcher der Dichter seinen Helden und sein Volk erfaßt, vielleicht unübertroffen dasteht. Auch in der Form der wechselvoll angewandten Nibelungenstrofe, beweist der Jüngling schon Meisterschaft. Diese Abthcilung „Kaiser Max auf der Mar- tinswand" kann man füglich ein hohes Lied der Tyroler Alpen und des Tyroler Volkes nennen, welches die breitspurige und reimklappernde Vorbehandlung Colins zum Glück schon allenthalben verdrängt hat. Der eigentliche Weiheknß, den die Muse im „letzten Ritter", ihrem Liebling aufgedrückt hat, liegt aber in dein elegischen Hauche, von dem die Dichtung zitternd durchweht ist, mit welchem Weihckusse gewisser Massen die Dichtung von der Verherrlichung des Mittel¬ alters Abschied nimmt. Wie sinnig bereitet Grün auf die Poesien des modernen Weltbürgerthums dadurch vor, daß er im „Max" bereits von den letzten Helden des Mittel¬ alters sich trennt, um noch das Bürgerthum im ersten Morgenrothe zu glorificiren. Es war ein städtisches Patricierthum, das der Graf hier zu Ehren gebracht, um als Wiener Poet neu zu erstehen und ein viel weiteres Bürgerthum, als das städtische, ein. freies, neues Menschenthum im Staate, um ein liberales Staatsbürgerthum mit allen Mitteln seiner genialen Kraft zu apotheosircn. Mit Recht hatte dieser letzte Ritter durch Deutsch¬ land die Runde gemacht, mit weit größerem Rechte kann inan aber Auerspergs „Spaziergänge eines Wie¬ ner Poeten" in den Jahren 1830—1832 entstanden — für Oesterreich eine Offenbarungsschrift nennen und eine cutlichcrc Apokalypse als die Johanni's. Eine Schrift, die idealer und zugleich praktischer gewesen wäre, als diese Spaziergänge, existirt nicht. Gibt es beispielweisc etwas Realeres, Prosaischeres, Praktischeres 20 als einen Mann der Duane, etwas prosaisch Schreck¬ licheres als eine Seuche, wie die Cholera, etwas Ab¬ strakteres, als die Einrichtung der Censur, etwas Starreres, als den inncrn Anblick eines Zeughauses, und aus alledem wußte Anastasius Grün auf seinen „Spaziergängen,, das Idealste zu schassen. Das kann eben nur geschehen, wenn eine gewaltige poetische Ge¬ staltungskraft an ihre erhabenen Ziele mit Kühnheit herantritt, wenn alles durch die beherrschende Gewalt des echten Humors in den Aether des Ideales getaucht wird, wie cs die Feder dieses zum Meister gewordenen Poctcnjünglings oermochte. Unter dem Drucke der alten vormärzlichcn Zeit stand einer der größten Staaten Europas. Aus sei¬ nem deutschen Kerne löste sich ein deutscher Dichter- los, der dem Reiche deu Spiegel der'Zukunft hinhielt. Bald im edlen Zorne sprühend wie ein Vulkan, über¬ schüttet er mit Sarkasmen den Modcrduft der alten bureaukratischcn Zeit, aus der sich etwas Neues ge¬ bären muß. Uiberall wo er hinblickt, Verdunkelung und Schranke! Wo des Jünglings glührother Zorn aufhört, dort zittert blos ein elegischer Ton durch, der sich aber in weiser Voraussicht der Dinge, die da kommen werden, zu einer bei politischen Dichtern unerreichten Begeiste¬ rung emporhebt. — Wenn der Prophet singt: „Freiheit ist die große Losung, deren Klang durchjauzt die Welt" und sich unter Oesterreichs Sängern der Erste unter dieses Banner stellt mit einer wahren heroischen Un¬ erschrockenheit, wenn er uns ein etwa zwanzig, Jahre später in's Leben tretendes Bild der Märztage des Jahres 1848 entrollt: „Als Cocarden junger Freiheit hat er (der Lenz) Blüten ausgesät, ha! wie rings das Land voll bunter Cocarden steht", wenn er einem nach Amerika auswandcrnden Jüngling zuruft: „Ja ich weiß es — es wird der Strom der Freiheit rauschen einst voll Majestät und Glanz, ja, ich weiß es, denn 21 ' in uns Allen lief und stillverborgen sprüht manch ein lichter Funke jenes Morgcnrothes im Gcmüth, ja des Rechtes klaren Morgen werden wir noch tagend sehen, liederreich im cw'gcn Frühroth über unser» Häuptern stehen", — dann war Graf Auersperg selbst die erste Lerche dieses Lenzes, den er ahnend nicht bloß gesungen, für den er auch im Mannes- und spätern Alter wacker gekämpft. Es steht fest, daß, wenn sich in so edlem Dichtcr- busen die Forderung der Freiheit wie ein Spiegel der Zukunft kristallisirt, daß sie zur Wahrheit werden muß. Sein Ideal hat sich nicht bloß verwirklicht, sondern er hat dasselbe verbreiten geholfen. Mit solcher Uiberzcugungstreue und warmer hoff¬ nungsreicher Begeisterung zugleich haben die Maltitze, die Fallersleben, die Prutze und die Hcrweghs niemals ein politisch Lied gesungen. Als am 12. Juli 1839 der edle Graf die Gräfin Maric v. Attems, die Tochter des steirischen Landeshauptmanns sich zur Gemalin erkor, wie klaffte ihm eine lügnerische Meute um die Umkehr seiner Uiberzeugungcn an, da sic zufällig eine Pallast- und Sternkrcuzordensdame gewesen. Georg Herwegh nahm den Mund breit mit einem satyrischen Refrain: „Den Arm Dame, wir gehen zu Hofe", —- während der edle Sänger auch im spätern Alter der Muse und Muße lebte, ein freier Mann, vom Hofe gesucht, aber ihn nicht suchend; Herwegh aber leider in dem Badenser Putsche sein Maulheldenthum zu Grabe trug. „Reißt die Kreuze aus der Erden, alle sollen Schwerter werden", rief Herwegh, während der kon¬ templative Rcformpoct Anastasius Grün im „Schutt" in seinen fünf Ostcrgesängen nach Jahrtausenden ein Kreuz ausgraben läßt, und daran würdevolle Gedanken der Wandelung knüpft. Man hat auch der Grün'schen Muse aus manchen metrischen Härten ein wahres Verbrechen imputirt. So zu feilen, zu glätten, wie sein heraldischer und poetischer Bruder Graf Platen 22 verstand Auersperg allerdings nicht. Dazu war seine stürmische Natur uicht geschaffen, die rasch praktischen Zielen nachhing. Er gefiel sich nicht darin, mit seinen: eigenen Leid zu spielen. Er begeisterte sich stürmisch für die großen Ideale der Welt und legte sie in gewaltigen Werken nieder. Nach den genannten Werken blieb ihm nahezu nichts mehr zu schaffen und doch möchte ich ihn den glücklichsten aller Poeten nennen; denn im Mannesalter und später war ihm vergönnt wie wenig Sterblichen die bildnerische Hand anzulegen an seine Jugendidcale. Wäre ihm das Glück nicht bcschiedcn worden, an der Zeit so richtig und kühn zu bauen, die er herbeisang, daun wahrlich hätte er mit seinem Ruhme vercinsammen müssen, wie mancher andere Dichter vor ihm und nach ihm. So aber berief ihn der Kaiser am 11. April 1861 zum lebenslänglichen Reichsrath und erhob ihn zu seinem geheimen Rathe am 12. März 1863. Im Fauteuil des Herrenhauses wie am Präsidcntcnstuhl der cisleithanischen Delegation bleibt Graf Auersperg— der sich zu einem glänzenden, geistreichen und mächtigen Redner umwandclt, — ein ächtcr Kämpfer für das wahre Oesterreicherthum. Bevor er zu dieser hohen Praktischen Wirksamkeit berufen worden, hatte er jedoch der Poesie noch manche bedeutende Werke geschenkt. Darunter zählen die „Nibe¬ lungen im Frack" (1843), „der Pfaff von Kahlenberg", „Volkslieder aus Kram" (1850 und „Robin Hood", Balladenkranz nach englischen Volksliedern 1864,). Ein wahrer Schatz lyrischer Ergüsse, die mit kontemplativen und beschreibenden Gedichten wechseln, liegt aber in seinen gemischten Poesien geboten, die in den fünfziger und sechziger Jahren wieder erschienen. So enthält die zwölfte Auflage derselben (Berlin Weidmann 1857) Gcnre's, die von ihm früher nicht gepflegt wurden, wie die sinnige und humoristische Abtheilung „Romancero der Vögel" eine Art satirischer 23 lustiger Fabeln, weit entfernt von dem ledernen Tone der Utz, Hagedorn und Gellert. Da ist alles frisch und heiter, saftig wie der Name „Grün" und hoffnungsreich wie der Name „Anastasius". Und das Alles hat sich in der Welt der Reclame ohne dieselbe geltend gemacht! — Wenn wir fragen, welchem Poeten gleicht dieser Poet? — Nur sich selbst! — Die seltsame Mischung begeisterter Zuversicht und freudiger Hoffnung, mit erbarmungsloser Aufdeckung aller Schäden und Gebrechen unserer moralichen und materiellen Welt — dieses ausgelassene, geistvolle fröh¬ liche Lachen der ganzen Seele ist eben nur ihm eigen. Man hat bei Grün, da das vollkommenste zu tadeln der Mensch liebt — die häufige Wiederkehr seines Bildes von der Rose getadelt. Es ist wahr, sie kommt beinahe in jedem zweiten Gedichte vor, aber wie mannigfaltig angewendet! Daß der Dichter auf die Rose so große Stücke hält, mag mehr dieser Schöpfung der Natur zur Zierde gereichen, als ihm zum Vorwurf. Haben ja die alten Griechen dem alten Anakreon sein Spiel mit den Rosen auch nicht verübelt. Daß aber Anastasius Grün die Rose hoch im Werthe hält, geht wohl daraus hervor, daß er dem „Standbild" Kaiser Josefs einen solchen Schmuck vindicirt. „Ja! mit Recht gab Dir der Bildner Brust und Stirn und Hand von Erz, aber küssen, brünstig küssen rnöcht' ich diese Hand von Erz, doch ich weiß nicht, ist Ls kindischer Unverstand, aber eine Rose gerne säh ich Ln der ehr'nen Hand." Möchte uns der Dichter noch viel neue Rosen ßpenden, als welche wir jedes seiner Gedichte anschen, -voll Glanz, Licht und Duft. Hlumrnltft aus Ilmstsßus Grünes lyrischrn VklEen. Das ülatt im Luchr. Ich hab eine alte Muhme, Dis ein altes Büchlein hat, Es liegt in dem alten Buche Ein altes, dürres Blatt. So dürr sind wohl auch die Hände Die einst im Lenz ihr's gepflückt. Was mag wohl die Alte haben? Sie weint, so oft sie's erblickt. M a n !i r s t h r ä ii c. Mädchen, sahst du jüngst mich weinen? — Sieh, des Weibes Thräne fließt Wie der klare Thau vom, Himmel, De» er ans die Blumen gießt. Ob die trübe Nacht ihn meinet, Lächelnd ihn der Morgen bringt, Stets nur labt der Thau die Blume Und sie hebt ihr Haupt verjüngt. Doch es gleicht des Mannes Thräne Edlem Harz aus Ostens Flur, Tief ins Herz des Baums verschlossen, Quillt's freiwillig selten nur. Schneiden mußt du in die Rinde Bis zum Kern des Marks hinein, Und das edle Naß entträufelt Dann so golden, hell und rein. Bald zwar mag der Born versiegen, Und der Baum grünt sort und treibt, Und er grüßt noch manchen Frühling, Doch der Schnitt, die Wunde — bleibt. Auersperg Graf Anton. 25 Denke Mädchen jenes Baumes Auf des Ostens fernen Höhn; Denke, Mädchen, auch des Mannes,. Den du weinen einst gefehn. S c st i m m u n g. Als der Herr die Rost erschaffen, Sprach er: du sollst blühn und duften I Als er hieß die Sonne werden, Sprach er: du sollst glühn und wärmen! Als der Herr die Lerch' erschaffen. Sprach er: flieg' empor und singe! Als geformt des Mondes Scheibe, Sprach er: rolle hin und leuchte! Als der Herr das Weib erschaffen, Sprach er: sei geliebt und liebe! Aber als er dich erschaffen, Hal er wohl dies Wort vergessen. Denn wie könntest du sonst sehen Mond und Sonne glühn und leuchten, Rosen blühen, Lerchen steigen Und geliebt sein und nicht lieben? Die Krücke. Eine Brücke kenn' ich. Liebchen, Drauf so wonnig fichs ergeht. Drauf mit süßem Balsamhauche Ew'ger Frühlingsodem weht. Aus dem Herzen, zu dem Herzen Führt der Brücke Wunderbahn, Doch allein der Liebe offen, Ihr alleinig unterthan. Liebe hat gebaut die Brücke, Hat aus Rosen sie gebaut! Seele wandert drauf zur Seele, Wie der Bräutigam zur Braut. 26 Auersperg Graf Anton (Anastasius Grün). Liede wölbte ihren Bogen, Schmückt' ihn lieblich wundervoll; Liebe steht als Zöllner droben, Küsse sind der Brückenzoll. Süßes Mädchen, möchtest gerne Meine Wunderbrücke schon» ? Nun es sei, doch mußt du treulich Helfen mir sie aufzuboun. Fort die Wölkchen von der Stirne! Freundlich mir in's Äug' geschaut! Deine Lippen leg' an meine: Und die Brücke ist erbaut. Fragen. Wenn die Stern' am Himmel blinken, Wenn ihr Neigen nächtlich webt, Künde treu mir, wo der erste, Wo der Sterne letzter schwebt? Wenn im regen Wogenlanze Welle mit der Welle tauscht, O so zeig mir, wo die erste, Wo der Wellen letzte rauscht? Und vermagst du's, so gib Kunde, Löse nur das Schwerste frei - Wann im Herzen wohl die Stunde Erster — letzter Liebe sei? Der letzte Dichter. „Wann werdet ihr, Poeien. Des Dichtens einmal müd? Wann wird einst ansgesnngen Das alte ew'ge Lied?" „Ist nicht schon längst zur Neige Des Ueberflußes Horn? Gepflückt nicht jede Blume, Erschöpft nicht jeder Born?- Auersperg Gras Anton (Anastasius Grün). 27 So lang der Sonnenwagen Im Azurglcis nach zieht, Und nur ein Meuschenantlitz Zu ihm empor noch sieht; So lang der Himmel Stürme Und Donnerkeile hegt, Und bang vor ihrem Grimme Ein Herz noch zitternd schlägt; So laug nach Ungewitlern Ein Regenbogen iprüht, Ein Busen nach dem Frieden Und der Versöhnung glüht; So laug die Nacht den Aether Mit Stcrnensaat belät. Und noch ein Mensch die Züge Der goldnen Schrift versteht; So lang der Mond noch leuchtet, Ein Herz noch sehnt und fühlt; So lang der Wald noch rauschet Und einen Müden kühlt; So lang noch L-nze grünen Und Roscnlauben blühn, So lang noch Wangen lächeln Und Augen Freude iprühn; So lang noch Gräber trauern Mit den Cypressen dran, So lang ein Äug' noch weinen, Em Herz noch brechen kann: So lange wallt auf'Erden Die Göttin Poesie, Und mit ihr wandelt jubelnd Wem sie die Weihe lieh. Und singend einst und jubelnd Durchs alte Erdenhaus Zieht al« der letzte Dichter Der letzte Mensch hinaus. — - Noch hält der Herr in Händen Die Schöpfung, ungeknickr Wie eine frische Blume, Auf die er lächelnd blickt. 28 Auersperg Graf Anton (Anastasius Grün)! Wenn diese Riesenblume Dereinstens abgeblüht, Und Erden, Sonnenbälle Als Blutenstaub versprüht: Erst dann fragt, wenn zu fragen Die Lust euch noch nicht mied, Ob endlich ausgesungen Das alte, ew'ge Lied ? Göthc's Heimgang. Süß mag das Ang' des Sterbenden silli schließen Der Freudenthränen aus der Stirne fühlt, Die drauf wie eine Todestaufc fließen. Daß sich der bange Schweiß des Sterbens kühlt. Doch Götterloos ist's, unbeweint zu scheiden, Venn man der Thränen und der Trauer werth I Wozu soll eine Seele um sie leiden, Weun die Vollenduug zu den Sternen fährt? Ja, Götterloos ist's, unbeweint zu scheiden! Zu scheiden, wie der Tag im Abendroth! Er gab uns Wärme, Licht genug und Freuden, Und zieht dahin, weil seine Zeit gebot! Zu fallen wie ein Feld voll goldner Aehren Die schlank gemalt im grünen Jugendkleid, Doch nun ihr lastend Haupt zur Erde kehren! Wer weint darob, daß es nun Erntezeii? In Nacht zu sinken wie des Meeres Wogen Drauf Sonncnglanz, Goldwimpel, reiche Pracht, Gesang und Schwäne tagesüber zogen! Die Zeit ist um, ihr Recht will auch die Nacht I Und zu zerstäuben wie die flücht'ge Wolke ! Sie hat Gcdeih'n geregnet auf die Flur, Deu Frieaensbogen hell gezeigt dem Volke, Und löst sich nun in leuchtenden Azur. So schied auch er, der nun dahingegaugen, Der hohe Mann, der kräft'ge Dichtergreis, Auf dessen Lipp', aus dessen bleichen Wangen Der Kuß des Glücks noch jetzt verglühet leis'. — Auersperg Graf Anton (Anastasius Grün). Ein kalter starrer Arm, reglos gebeuget, In dem die gold'ne Leier lich voll blitzt; Ein greises Silberhaupt, im Tod geneiget, Drauf immergrün der frische Lorbeer sitzt! Sah dies mein Äug', nie könnt' cs Thränen thauen! Nein, stillbefriedigt, ruhig glanzcrhellk Mußt unabwenbar draus es niederschauen, — Fürwahr, durch eine Thräne wär's entstellt! 29 Schiiler's Standbild. Lodert ihr deutschen Herzen in Flammen! Schlaget zu einem Brande zusammen. Daß sich das Erze Formend belebe! Daß sich des Dichters Bild draus erhebe! Riesig und glänzend, Tönend soll's ragen, Memnon Germania'?, Da es will tagen! Doch auch zu tönen Soll es bedacht sein, Brüch' einst in Deutschlands Heizen die Nacht ein! Dann in der Zwietracht Düsteren Tagen Weit soll es dröhnen Laut soll es sagen: Lodert ihr deutschen Herzen in Flammen! Schlaget zu einem Brande zusammen! L o t r n a r t. Der Graf kehrt heim vom Festturnei, Da wallt an ihm sein Knecht vorbei. Hola, woher des Wegs, sag' an! Wohin, mein Knecht, geht deine Bahn? „Ich wandle, daß der Leib gedeih', Ein Wohnhaus such' ich mir nebenbei." Ein Wohnhaus? Nun, sprich' grad' heraus, Was ist gescheh» bei uns zu Haus? 30 Auersperg Gras Anton (Anastasius Grün). Mein treues Hündchen todeswund! Sprich, wie begab sich's mit dem Hund? „Im Schreck eu'r Leibroß aus ihn sprang, Drauf lief's in den Strom, der es verschlang." Mein schönes Roß, des Stalles Zier! Wovon erswrack das arme Thier? „Besinn' ich recht mich, erschrack's davon, Als von dem Fenster stürzt" eu'r Sohn " Mein Sohn? Doch blieb er unverletzt? Wohl Pflegt mein süßes Weib ihn jetzt? „Die Gräfin rührte stracks der Schlag, Als vor ihr des Herrlnus Leichnam lag." Warum bei solchem Jammer uno Graus, Du Schlingel, hütest du nicht das Haus? „Das Haus? Ei, welches meine ihr wohl? Das eure liegt in Asch' und Kohl'! Die Leichenfrau schlief ein an dec Bahr', Und Feuer fing ihr Kleid und Haar. „Und Schloß und Stall verlodert im Wind, Dazu das ganze Hausgesind! „Nur mich hat das Schicksal aufgesport, Euch's vorzubringen auf gute Art." Zicg der Freiheit. Freiheit ist die große Losung, deren Klang durchjauchzt die Welt; Traun es wird auch wenig frommen, daß fortan ihr taub euch stellt! Mild und bittend sprach sie einstens; eure Taubheit zwang sie jetzt, Daß sie im Kanonendonner nun ihr Wort euch übersetzt. Freiheit, die erkenne Jungfrau, schwingt das Banner unsrer Zeit; Daß fortan ihr blind euch fistlet, o fürwahr es hilft nicht weit! Da ihr nicht geseh'n dos Banner, als es weiß und rein und hell, Ei was Wunder, wenn^mit Blute sie's gefärbt nun roth und grell! Ihr nur habt die schöne Jungfrau mit dem K'iegesgott gepaart I Waffenspiel und Bluigewänder sind wohl sonst nicht ihre Art; Aber siegen muß sie immer! dieß bleibt ihre Art und Macht, Uiber Herzen in dem Hause, über Speere in der Schlacht! Auersperg Graf Anton (Anastasius Grün). 31 Wenn mit Rocken nicht und Spindel, und mit Wort und Blicken süß, So als erzgeschuppte Palla? mit dem Schwert und Schild gewiß! Und bei uns auch wird sie siegen, ja ich künd' es laut und frei: Wunsch und Hoffnung meines Herzens riesen gern den Sieg herbei! Dort auf dem vulkan'schen Boden muß wohl ^in Vesuv es sein, Der die Lust mit Flammcnruthen wieder fege hell und rein! Dort auf stürmereichem Meere tobt sich erst das Wetter aus, EH' erhellt, gereint, geläutert Prangt des Aethers blaues Haus! Doch in unserm Nebenlande, hier in milder Blüthenau, G'uügt ein lauer Frühlingsregcn, frische Lust und Morgenlhau! Fürchtet nicht die edle Gährung; gährt ja doch auch unser Wein, Daß er zweifach dann erquicke, doppelt golden süß und rein! Nicht das Schwert sei unsre Waffe, nein, das Wort, Licht und Gesetz ! Denn der fröhlich heitre Sieger ist der schönste Sieger stets! Seht den Lenz, den Freiheitshelden, lernt von ihm es wie man siegt. Wenn mit dem Hymnen Winter er im harten Kampfe liegt! Winter ist ein Erzdespote, gar ein arger Obscurant, Denn in seine langen Nächte hüllt er ewig gern das Land; Winter ist ein arger Zwingherr, in den ris'gen Fesseln fest Hält des Lebens freihritlust'ge, frische Quellen er gepreßt. Sieh, im Lager überrumpelt hat den trägen Alten schnell Jetzt mit seinem ganzen Heere, Lenz, der fröhliche Rebell! Sonnenstrahlen seine Schwerter, grüne Halme seine Speer'! O wie ragen, und wie blitzen Speer und Schwerter ringsumher! Seine Trommler und Trompeter das sind Fink und Nachtigall, Seine Marseillaise pfeifen Lerchen hoch mit lautem Schall, Bomben sind die Blumenknospen, Kugel ist der Mergenthau! Wie die Bomben und die Kugeln fliegen über Feld und Au! Und den Farbelosen, denen die drei Farben schon zu viel, Zeigt er keck des Regenbogens ganzes, buntes Farbenspiel. Als Cocarden junger Freiheit hat er Blüthen ausgesät, Ha, wie rings das Land voll bunter, farbiger Cocarden steht! Rundum hat die Städl' und Dörfer der Rebell iu Brand gesetzt: Ja, im goldnen Sonnenbrände glänzen hell und blank sie jetzt! Drüber flatternd hoch sein Banner äthcrblau und leuchtend weht, Drin als Schild ein Nosenwölkchen mit der Inschrift: Freiheit! steht. Hei, der Winter ist geschlagen; und mit seinem Fesselband, Seinem Froste, seinen Nächten, flieht ec fort nun aus den, Land! Frei und fröhlich zieht statt seiner rasch der junge Sieger ein Mit Gesang und grünen Kränzen, Blüthenscherz und Sonnenschein! 32 Auersperg Gras Anton (Anastasius Grün). Und in grüne Farbe kleidet er Gebirge, Thal und Hain: Freiheit geb' ich euch, und Gleichheit! Gleich beglückt sollt all' ihr sein! Solch ein heitrer Sieg des Lichtes kröne dich, mein Oesterreich, Und dem schönsten Frühlingstage werde deine Freiheit gleich! Ä. n t w orte n. „Dichter, bleib bei deinen Blumen! Nicht an Thronen frech gemeistert ; „Wenn dich mehr als Blnmenkconen eines Fü stm Kron' begeistert, „Fsi're, wie's so manch' beschetdner, vaterländ'scher Sänger thut, „Hohe Fest- und Namenstage, huldigend mit Sangesglnth!" Hohn bedünkt es mich, de:, Fürsten sonst znm Ruhme nichts zu singen, Als daß sie geboren wurden und auch Namen gar empfingen! Buben mögen solches rühmen! Aber schweigen laßt mein Lied, Bi« es große Thateu ragen, Licht und Freiheit strahlen steht! „Wie du doch so unerträglich! Freiheit stets, und Freiheit wieder! „Stets dasselbe Liedlein leiernd! Kennst du sonst denn keine Lieder? „Willst du winseln nur und klagen, nimm dir doch eilt andres Ziel, „Suche andre Stoff' und Weisen, in der Welt ist Jammers viel!" Soll ich unser Land wohl schmähen? O kein schön'res find' ich wieder I Soll ich unser Volk verlästern? Das ist treu und gut und bieder! Einen Fehl nur haben beide: daß die Freiheit ihnen fehlt. Drob das Herz nur ein- Klage, nur ein Lied den Mund beseelt! „Ei dein Schmer; sei dir gelassen! Doch was störest du die Andern, „Die zu deinen schönen Bergen, duft'gen Wäldern fröhlich wandern, „An der reifen Saal sich fr u ud, labend sich am goldnen Wein? „Was in ihren Jubel raffelst du mit unser» Ketten drein?" Eben weil in solchem Jubel, zwischen solchem Blüthenleben, Zwischen golduer Saaten Säuseln, zwischen Kränzen duft'ger Reben, Unter Bäumen, grün und laubig, unter Lerchen leicht beschwingt, Das Geraffel arger Ketten gar so wunderschaurig klingt! - . 'e' ' .