Sonderabdruck aus der Monatsschrift «Die Erdbebenwarte» 1903/04, III. Jahrg., Nr. 1 und 2. Uber Erdbeben. Auszug aus dem von Herrn phil. M. Topolansky am 28. April d. J. in der chemisch- physikalischen Gesellschaft zu Wien gehaltenen Vortrag. Einleitend besprach der Vortragende in kurzen Worten die heute gangbaren Theorien und wendete sich dann dem praktischen Teile der Erdbebenmessung zu. Der Vortragende fiihrt aus, daB es keineswegs un- moglich sei, Erdbebenbeobachtungen ohne Instrumente zu machen. Zur Fixierung einer Bewegung sind ja nur vier Momente notwendig, und zwar: die Zeit des Eintrittes, die Dauer, die Art (sukkusorisch oder undulatorisch) und die Richtung der Bewegung. Zur Festhaltung der Zeit genfigt jede Uhr. Die Dauer kann schatzungsweise bestinunt werden. Es spielt hiebei die Furcht keineswegs so unangenehm mit, wie man glauben konnte. Man hat z. B. bei dem Laibacher Beben vom Jahre 1895 gesehen, daB die Zahl der tlbereinstimmenden Schatzungen eine hinlanglich groBe war, um die Angabe als richtig hinnehmen zu konnen. Was endlich die Richtung der Bewegung anlangt, fiihrt der Vortragende ein paar von ihm selbst gemachte Wahr- nehmungen an, von denen eine hier wiedergegeben sei. Es hat sich namlich gezeigt, daB die Schiefer, womit die Dacher einer beilaufig 200 Meter langen Ilauserfront gedeckt waren, bei Herannahen eines Stofies klaviatur- artig aneinander schlugen und daB sich dieses Gerausch die ganze Lange der Front entlang fortpflanzte und so leicht die Richtung des Stofies erkannt werden konnte. (Beobachtung, gemacht an der Hauptfront der Laibacher k. k. Tabakhauptfabrik.) Da aber solche Messungen nie zu einer tatsachlichen Erdbebenforschung ftihren konnten, muBte man schon fruh darauf bedacht sein, Instrumente zu bauen. Der Vortragende bespricht einige altere und neuere Erdbeben- meBinstrumente und wendet sich dann zur Erklarung von Seismogrammen, welche ihm der Leiter der Laibacher Erdbebenwarte in gewohnter Bereit- willigkeit zur Verfugung stellte. Hiebei kommt er auch auf die Vorphase zu sprechen. Man nimmt bekanntlich nach Belar an, daB diese durch die durch das Erdinnere sich fortpflanzenden Wellen hervorgerufen werde, vvahrend der Hauptausschlag durch das Zusammenwirken dieser und der sogenannten Oberflachenwelle entsteht. Mit Hilfe dieser Annahme konnte man sich doch sehr leicht auch die Erdbebeninseln und -brticken erklaren, indem man ja nur an eine Interferenz dieser Wellen zu denken braucht. Den eigentlichen Vortrag bildete dann ein Referat uber eine Arbeit des Fursten B. Gallitzin: «Uber seismometrische Studien.» Was namlich die Theorie der Erdbebenmessung anlangt, wurde bisher wenig geleistet. Die Arbeiten von Poincare und Lippmann haben zwar als die altesten historisches Interesse, aber theoretisch sind sie wenig wertvoll, da Lippmann nur zwei und vor ihm Poincard gar nur einen Parameter einfuhrt. Beide denken gar nicht an die Moglichkeit, dafi auch Neigungen vorkommen konnen. Erst Schliiter sucht diese und baut zu diesem Zwecke einen eigenen Apparat, Klinograph genannt, doch gelingt es ihm nicht, Neigungen nachzuweisen. Ftirst Gallitzin gibt dem Klinographen die Schuld an diesem negativen Ergebnisse, indem seiner Ansicht nach derselbe zufolge seiner mechanischen Registriervorrichtung mit der Wand des Beobachtungszimmers ein starres System bilde, weshalb Ftirst Gallitzin eine optische Registrierung vorschlagt. In seiner eigentlichen Arbeit verurteilt Ftirst Gallitzin das Horizontal- pendel, schlagt an dessen Stelle ein sogenanntes Bifilarpendel vor und sucht tiberhaupt die Frage der Erdbewegungen allgemein zu losen, d. h. durch Einfiihrung von sechs Parametern, und zwar je einer fortschreitenden Bewegung langs der drei Achsen eines rechtwinkeligen Koordinatensystems und je einer Drehung um jede Achse. Der Sinn ist der gewohnliche und sei hier nur des leichteren Ausdruckes halber in Fig. 1 (siehe Tafel III) rviedergegeben, darin bedeuten also die Pfeile den positiven Sinn der fort¬ schreitenden, beziiglich den der drehenden Bewegung. Das Koordinaten- system selbst ist so gelegt, dafi die ;r-Achse nach Norden, die j/-Achse nach Osten und die ^-Achse nach dem Zenith zeigt. Es handelt sich also in der Arbeit des Fursten Gallitzin darum, die sechs Unbekannten x y z cf< ip / zu bestimmen. Er behandelt, wie ervvahnt, zuerst die Theorie des Horizontalpendels und kommt schliefilich zu folgenden zwei Gleichungen: Fiir ein im Meridian schwingendes Pendel gilt: ®" + 2.©' + \ ~ (*" - M © - 7 (/' + g
und if’ bestimmen zu konnen. Ftlrst Gallitzin bietet sonach durch seine Arbeit die Moglichkeit, jede Erdbewegung nach allen moglichen Richtungen zu untersuchen. Man braucht ja hiezu nur einen Apparat zur Bestimmung der Vertikalkomponente z, einen Apparat zur Bestimmung der Drehung % um die Vertikale, einen Apparat von Davidson zur Bestimmung der Drehung f um die jr-Achse, einen Apparat von Davidson zur Bestimmung der Drehung i/> um die ^-Achse, ein Bifilarpendel gibt dann die Verschiebung x, ein zweites Pendel die Verschiebung y. So hatte denn Fttrst Gallitzin seine Aufgabe vollkommen gelttst, aber leider nur theoretisch; denn soviel dem Vortragenden bekannt, bestehen diese Apparate nur am Papier. Die Arbeit ist aber trotzdem von enormer Bedeutung, da sie eben die erste derartige ist. Kleinmayr & Bamberg, Lalbach.