UDK 821.111.09 Clayton F. W. FRANK CLÄRES ROMAN THE CLOVEN PINE (1942): ZEITDOKUMENT UND FIKTIONALISIERTE AUTOBIOGRAPHIE Thorsten Fögen ,,'For a foreigner,' he politely conceded, 'German politics are very complicated.' - 'Very,' I agreed." (Christopher Isherwood, Mr Norris Changes Trains, 1935)' Abstract Bei dem Roman The Cloven Pine, der 1942 veröffentlicht wurde, handelt es sich nicht nur um ein beachtliches literarisches Werk, sondern zugleich um ein wichtiges historisch-politisches Dokument zu Deutschland während des Nationalsozialismus. Im Zentrum der Handlung stehen ein junger britischer Lehrer und ein deutscher Junge, zwischen denen sich allmählich eine komplexe Freundschaft entwickelt. Thematisch-motivische Parallelen zu anderen britischen Schriftstellern wie z.B. Christopher Isherwood, aber auch zu deutschen Autoren sind auffällig. Jedoch nimmt der hier diskutierte Roman in verschiedener Hinsicht eine Sonderstellung ein. - Dieser Aufsatz entstand im Zusammenhang mit einer deutschen Übersetzung des Romans, die im Herbst 2003 erschien wird und eine Wiederentdeckung in Fachkreisen wie auch bei sonstigen interessierten Lesern anregen soll. 1. VORBEMERKUNGEN ZUM VERFASSER Der Roman The Cloven Pine erschien im Jahre 1942 bei dem renommierten Londoner Verlag Secker & Warburg unter dem Pseudonym „Frank Clare", hinter dem sich Frederick W. Clayton (1913-1999) verbirgt2, Lehrstuhlinhaber für Klassische Philologie an der südwestenglischen Universität Exeter von 1948 bis 1973. Sein Studium am King's College der Universität Cambridge schloß er 1937 mit einer Arbeit über Aspekte der Dekadenz primär in der römischen Antike ab3. Das Umfeld am King's College war für Clayton prägend: Eigenen Aufzeichnungen zufolge machte er hier 1 Zitiert nach folgender Ausgabe: Christopher Isherwood, Mr Norris Changes Trains, Harmondsworth 1969, 184. 2 Einzelheiten zur Vita Claytons, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann, finden sich im Annual Report of King's College Cambridge (October 2000), 32-36. 3 Diese Arbeit wurde nie gedruckt; das Typoskript von 204 A4-Seiten ist jedoch - zusammen mit einigen persönlichen Dokumenten wie Briefen, Notizen und Photographien - im Archiv des King's College Cambridge zugänglich. 81 erste eindringlichere Begegnungen mit der Welt der Kunst, Literatur und Politik4. Seine Kompetenz im Umgang mit den alten Sprachen belegen einige akademische Preise. Sein Interesse an Deutschland und der deutschen Sprache bringt ihn zunächst 1935 nach Wien, wo er sich mit den beiden Söhnen einer jüdischen Witwe anfreundet5. 1936 geht er nach Dresden, um an der Kreuzschule für ungefähr ein Jahr als Englischlehrer zu arbeiten. Zu der Familie eines seiner Schüler - Götz Büttner-Wobst, Sohn eines Dresdner Lungenfacharztes - kommt er in näheren Kontakt. Es war dieses Deutschland-Erlebnis und insbesondere die Begegnung mit dem Jungen Götz und seinem um ein Jahr älteren Bruder Wolf, die ihm das gesamte Material für seinen Roman lieferten. Von 1940 bis 1946 diente Clayton in der britischen Armee und war ab 1942 in Indien und Burma stationiert. Bei Kriegsende nimmt er die Korrespondenz zu der Dresdner Arztfamilie auf und heiratet schließlich 1948 Friederike Büttner-Wobst, die Schwester des im Krieg gefallenen Götz. In demselben Jahr tritt er im Anschluß an einen zweijährigen Aufenthalt im schottischen Edinburgh seine Professur in Exeter an, publiziert jedoch abgesehen von sehr kurzen Artikeln und zwei als Sonderbände gedruckten Festvorlesungen zur Philosophie der Stoa bzw. zu Shakespeare während seines ganzen Lebens keine einzige umfangreichere wissenschaftliche Arbeit. Dieser Umstand läßt sich nicht allein daraus erklären, daß die zeitlichen Umstände in der universitären Welt Großbritanniens andere waren als heute und Produktivität in Form von Monographien und gelehrten Aufsätzen weniger Gewicht beigemessen wurde. Wie sich dem aus unzähligen Akten bestehenden Nachlaß entnehmen läßt, brachte Clayton seine Gedanken durchaus zu Papier - allerdings ohne die Einbindung von Forschungsliteratur und in zumeist wenig systematischer oder gar leserfreundlicher Form. Daß sich unter diesen Umständen schwer am herkömmlichen Wissenschaftsbetrieb partizipieren ließ, liegt auf der Hand. Mit seiner Herangehensweise an klassische Autoren blieb Clayton jedenfalls ein Außenseiter. 2. DER ROMAN THE CLOVEN PINE So wenig Clayton auch durch akademische Veröffentlichungen hervorgetreten ist, so muß man es als durchaus bemerkenswert ansehen, daß er noch vor seinem dreißigsten Lebensjahr einen Roman publizierte. Mindestens ebenso bemerkenswert ist die Thematik dieses Werkes: Ein Engländer - Clayton nennt sein alter ego David Beaton - geht nach seinem Studium in Cambridge in den späten Dreißiger Jahren nach Deutschland, um seine Kompetenz in der Sprache der Dichter dieses Landes zu 4 In einem Typoskript, in dem Clayton über seine Begegnungen mit Edward Morgan Forster in Cambridge reflektiert, bezeichnet er sich selbst als „cultural climbing plant (...), neither genuine working-class (...), nor born in King's aesthetic purple. My tastes, particularly in art and music, were hesitant, half-developed - still are. (...) Of course, I'm not a genuine son of the soil, but I played with the villageboys, and the small public library was a mile away, and I never went to a proper concert or opera or art-exhibition till I came to Cambridge (...)" 5 In einem handschriftlichen Entwurf eines nie abgeschickten Schreibens an Christopher Isherwood, dem er am King's College in Cambridge durch Edward Morgan Forster vorgestellt wurde, spricht Clayton von „two very attractive sons". Im übrigen datiert Clayton in diesem Brief seine Auslandsaufenthalte in Wien und Dresden selbst auf 1935/36 beziehungsweise 1936/37. 82 vervollkommnen und dabei in gleichsam journalistischer Manier die politische Situation dieser Zeit zu erfassen - nicht ohne missionarischen Eifer, die Deutschen vom Widersinn der nationalsozialistischen Ideologie zu überzeugen6. Wie Clayton selbst war auch der Protagonist seines Romans zuvor bereits in Wien, um das Deutsche zu lernen7. Der Ort der Handlung wird mit keinem Wort genannt8, ebensowenig der Name der Schule, an der Beaton eine Stelle als Hilfslehrer antritt. Seine Tätigkeit ermöglicht ihm einen umfassenden Einblick in die politischen Standpunkte seiner Kollegen, die in der Mehrzahl überzeugte Nationalsozialisten sind und ihr persönliches Credo entsprechend an ihre Schüler weiterzuvermitteln bestrebt sind. Das eigentlich Erstaunliche an diesem Werk ist jedoch nicht so sehr die politische Komponente, sondern vielmehr der stark homoerotische Zug, der den gesamten Roman durchdringt9. Der Protagonist Beaton entwickelt rasch eine starke Zuneigung zu dem fünfzehnjährigen Götz; das sexuelle Ausleben dieser Empfindung ist ganz ausgeklammert, auch wenn zahlreiche Momente erotischer Spannung nicht allein zwischen Beaton und Götz auszumachen sind. Beide Charaktere lernen sich außerhalb des Schulunterrichts erstmals auf einem sonntäglichen Spaziergang näher kennen, den Beaton initiiert (S. 23). Nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten, miteinander die Unterhaltung in Gang zu halten, kommen beide auf die politische Situation in Deutschland zu sprechen. Beaton beschreibt England und Deutschland als zwei verschiedene Welten10, sie landen aber schließlich über einige Umwege bei deutscher Dichtung. Der Spaziergang endet - in einer Art furiosem Finale - mit einer gemeinsamen Rezitation von Goethes Erlkönig (Kap. 4, S. 28-35). Hierin ist gleich zu Beginn mit unmißverständlicher Explizitheit die Beziehung formuliert, die sich zwischen dem Engländer und Götz anbahnt: Ein Älterer - wenngleich in Beatons Fall nicht sehr viel Älterer -fühlt sich zu einem Jüngeren hingezogen, ist fasziniert durch sein Äußeres („Mich reizt deine schöne Gestalt"). Entscheidend ist aber, daß das im Erlkönig angedeutete sexuelle Element bis zum Schluß keine Entsprechung in der Romanhandlung findet. Die Bemühtheit, die gegenseitige Faszination zu unterdrücken, tritt gleich am Tag darauf zutage, wenn es in bezug auf Götz heißt: 6 „When I went to Germany this time, I suppose I regarded myself as a sort of amateur journalist. I was going to find out all about the Third Reich and what people think and say and eat in it. And I was going to convert them, too. And I was going to get a lot of work done - new ideas in Classicism and Romanticism." (Frank Clare, The Cloven Pine, London 1942, 92; nachfolgend nur durch Seitenzahlen zitiert). 7 „It was ostensibly to learn German for purely academic reasons that he first visited Vienna; he wanted to read certain German works on Romanticism." (S. 27). Zu dem österreichischen Akzent Beatons cf. S. 22. 8 Die Gründe dafür nennt der Verfasser selbst in einer typographischen Notiz: „I was purposely vague, even though it was war-time, with frontiers closed, about the location, in case the Nazis should possibly get hold of the book and believe some characters were identifiable. I myself had no idea that its being Dresden had added significance." Zu Dresden vor und nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere Clayton & Russell (1999). 9 Dazu bemerkte Elizabeth Bowen in ihrer Besprechung des Romans im Tatler and Bystander von 1943: „This is a theme of which English fiction has, on the whole, fought shy. But it is a theme essential to the development of Mr. Clare's story (...)" (Bowen 1943: 182). 10 „I mean, certain things must strike you." - „Yes. ... In fact, it's so different that one doesn't know where to begin. It's much harder than I had imagined possible. It's like two worlds. Words don't mean the same thing in them." (S. 32). 83 „After Sunday, ,Blue' Monday - and never had Götz so well appreciated the description. (...) In the grey morning light he began to experience a violent revulsion of feeling, an almost physical sickness, and an intense, if obscure, shame for the day before. This shame was compounded of various elements in himself, and others out of his everyday world were soon to be added. (...) It was not what was said that caused the deepest shame. It was the sense that he had talked too much and enjoyed it too feverishly. He had given himself away with both hands. It had been an orgy, a prostitution, a violation of masculine reserve. (...) It was the Englishman - this Beaton, or whatever he was called - who had made him behave like this, who had made him unclean." (S. 43) Die Verantwortung für sein Empfinden schiebt Götz dem Hilfslehrer zu: Es sei dessen Schuld, daß er im Grunde ganz gegen seinen Willen derart viel über sein Umfeld preisgegeben habe. Doch die Wortwahl verrät, daß mehr dahinter steckt als unangemessene Vertraulichkeit gegenüber einem Fremden. Das Sonntagserlebnis wird als eine „Orgie" und „Befleckung" beschrieben, bei der der Engländer ihn „verführt" und gewissermaßen „Besitz von seiner Seele" ergriffen habe. An diese Beschreibung von Götz' psychischer Befindlichkeit schließt sich ein langer Passus über die Phasen seiner sexuellen Aufklärung an, insbesondere zum Aufkommen des Themas „Sexualität" unter seinen Mitschülern. Für diese ist Götz ein kleiner Junge, der sich seine Unschuld bislang bewahrt zu haben scheint, was sie aber nicht an Anspielungen und Witzen hindert. Ein älterer Junge aus seiner Klasse, Lange, erwähnt ihm gegenüber den 1934 von Hitler fallengelassenen und ermordeten homosexuellen Nationalsozialisten Röhm, katholische Priester und die Sitten der Griechen, was ihm Götz' Haß einträgt (S. 45). Es ist just dieser Lange, der Götz am Montagmorgen auf seinem Weg zur Schule begegnet. Vor der Schule treffen beide den Engländer Beaton, den Lange gegenüber Götz als einen Hundertfünfundsiebziger bezeichnet. Auch wenn Götz auf diese Bemerkung nichts erwidert, so hat er doch durchaus eine gewisse Vorstellung von deren Bedeutung und assoziiert bei sich Homosexualität mit einer anstößigen Krankheit (S. 46). Im wesentlichen fehlt dem Jungen aber eine echte Vorstellung von der physischen Seite gleichgeschlechtlicher Zuneigung, was ihn nur in um so größere Verwirrung stürzt. Nach seiner Rückkehr aus der Schule fühlt er sich krank und bleibt für kurze Zeit zuhause (S. 50). Als er bald darauf wieder am Unterricht teilnimmt, begegnet er Beaton, mit dem er zunächst eher scherzhaft eine Diskussion über das Verhältnis zwischen Deutschland und England beginnt (S. 52). Einige Tage danach setzen beide ihre Unterhaltung fort, diesmal in Anwesenheit eines Klassenkameraden von Götz. Im November 1937, das vom Erzähler angesetzte Datum, ist dies angesichts der Appeasement-Politik Chamberlains gegenüber Hitler und der Entscheidung über Krieg oder Frieden ein Thema von brennendem Interesse. Vor allem die Expansionsbestrebungen NaziDeutschlands und deren Rechtfertigung durch die Raumideologie werden von Beaton und Götz als Propaganda eingestuft, mit der man den simplistischen Vorstellungen der Masse willfahren möchte. Der Engländer verweist zugleich auf die Widersprüchlichkeit, die zwischen dem angeblichen nicht ausreichend vorhandenen Raum 84 für die Deutschen und der von den Nazis eifrig betriebenen Ankurbelung der Geburtenraten ins Auge fallen muß (cf. S. 53f.). In derartigen Debatten fühlt Götz sich hier wie auch an anderen Stellen gehalten, die Doktrinen nationalsozialistischer Politik kritisch zu überdenken. Dabei fühlt er sich hin- und hergerissen zwischen deren ihm vor allem in der Schule vermittelten offiziellen Lesart, die ihre Gültigkeit allein schon aus der Unzahl von Anhängern Hitlers zu beziehen scheint, und echtem Zweifel an ihrem Sinn. Gleichwohl erscheint er als jemand, auf den die systematische NS-Propagandamaschine zumindest in einem gewissen Grade bereits ihre Wirkung ausgeübt hat (cf. z.B. S. 55). Interessant ist nun, daß diese Begegnung mit Beaton von Götz als wesentlich weniger beunruhigend als die erste eingestuft wird. Er hat den Eindruck, weniger an Persönlichem gegenüber dem Fremden preisgegeben zu haben; doch ahnt er, daß die Sachlichkeit und Zurückhaltung, durch die ihre Diskussion gekennzeichnet war, nicht von Dauer sein kann (S. 55f.). Von noch größerer Wichtigkeit ist seine Erkenntnis, daß der Engländer im Gegensatz zu seinen gleichaltrigen Mitschülern mit ihm ein Gespräch über ein substantielles Thema geführt hat, das ihn zur Reflexion über seine Welt veranlaßt und ihm eine Selbstpositionierung abverlangt. Diesen forcierten Akt der Stellungnahme, zu der Götz gebracht wird, beschreibt er selbst als den Verlust von Jungfräulichkeit und Unschuld11. Nicht nur an dieser Stelle erkennt er, daß er dabei ist, die Schwelle zum Erwachsensein zu überschreiten und damit in eine andere Welt hinüberzuwechseln, die der bislang genossenen Unbeschwertheit entbehrt. Der Junge geht sogar so weit, sich zur Selbstdisziplin zu zwingen (cf. S. 81f.: kalte Bäder im Winter) und seinen Reifungsprozeß durch die Lektüre von Klassikern - also durch die Besinnung auf das Alte und die Abwendung vom aktuellen Zeitgeschehen - bewußt zu unterdrücken (S. 94). In dem zuvor betrachteten Abschnitt bleibt auf Götz' Seite vorerst nichts zurück als Verwirrung und in gewissem Sinne zugleich Überforderung: „He thought - everything and nothing. He was going to be - everything and nothing. He was tough and manly, soft and charming, a farmer, a parson, an explorer, Nazi and non-Nazi, believing in God and not believing in God." (S. 59) Das mit Götz' Unsicherheit einhergehende Problem systematischer Indoktrination der Jugend während der Nazi-Zeit veranschaulicht Clayton sehr differenziert durch Charakterskizzen einzelner Vertreter des Lehrerkollegiums der Schule, an der David Beaton tätig ist. Einer derjenigen Lehrer von Götz, der am wenigsten die politische Situation in seinem Land begrüßen kann, ist Herr Oehme, zuständig für Geschichte und Geographie. Obwohl er Direktor seines Instituts ist, wird er von den meisten seiner Schüler aufgrund seiner Weichheit belächelt. Er verkörpert damit den Anti-Typus des 11 „With schoolfriends, indeed, one hardly had conversations. One exchanged sentences which were themselves part of the background, like the writing on a tapestry (...) But this stranger, standing there, it appeared, without any background at all, had compelled a real conversation, a self-declaration, and had thereby committed Götz to views and a character, not only in his, the stranger's eyes, but also in Götz' own consciousness. Only with him could that character exist, properly, freely; and he forced it to exist. (...) Oh, why hadn't he left him alone, to preserve virginity, which was mystery and potentiality and unlimited, and to postpone choice a little longer?" (S. 58). 85 idealen nationalsozialistischen Pädagogen, der zur Aufrechterhaltung der Disziplin hart durchzugreifen bereit ist. Andererseits ist er kein Widerständler, sondern beschränkt sich auf gelegentliche implizite Hinweise, die die Einseitigkeit der typischen NS-Sichtweise mindern (S. 56). Überzeugte Anhänger Hitlers sind dagegen die zwei ganz unterschiedlichen Charaktere Professor Klinge und der noch recht junge Ludwig Kästner. Englischlehrer Klinge, der David Beaton als Hilfslehrer in Götz' Klasse einführt, liest mit seinen Schülern Bücher über Rassentheorie und nutzt auch sonst jede Gelegenheit, um seine Zöglinge in der aufdringlichsten Manier mit nationalsozialistischem Gedankengut zu infiltrieren. Um so unsympathischer und zugleich verabscheuungswürdiger macht ihn die Tatsache, daß er als Wendehals bekannt ist, der sich vor der Machtübernahme verächtlich über Hitler und dessen Programm geäußert hatte (S. 8f.). Der Religionsund Deutschlehrer Kästner, dessen Herkunft im achten Kapitel (S. 60-67) ausführlich geschildert wird, erscheint im Roman als eine Art Rivale Beatons im Werben um die Gunst von Götz. Der Erzähler verweist ausdrücklich auf Kästners homosexuelle Neigung, die er mit dem Engländer teilt (cf. S. 25) und ihn anfänglich beinahe zur Lebensaufgabe treibt (S. 61). Als Lehrer erfreut er sich bei seinen Schülern nicht zuletzt aufgrund seines Alters großer Beliebtheit und wird von ihnen seit einem gemeinsamen einwöchigen Sommerausflug in die Berge bei seinem Vornamen genannt. Götz selbst scheint er besonders gewogen zu sein und stößt bei diesem keineswegs auf Ablehnung (S. 11 f.). Schlüsselepisode für die direkte Gegenüberstellung der beiden Figuren Kästner und Beaton ist die von ihnen begleitete Ski-Freizeit von Götz' Schulklasse. Diese SkiFreizeit, deren Darstellung über fünfundreißig Seiten gewidmet sind (Kap. 12 bis 15), bildet die exakte Mitte des Romans und ist auch thematisch eine zentrale Schnittstelle. Die Abgeschiedenheit in den Bergen bringt die Gruppe in eine besondere Situation, die den Kontakt mit der Außenwelt unmöglich macht. Die Zugfahrt in die Berge wird als „moving into another world, an Arctic zone, neither sea nor land" beschrieben. Der Marsch zur Berghütte und die dortige Einquartierung werden mit einem Gefängnisaufenthalt verglichen (S. 95). Ludwig Kästner stellt während der gemeinsam verbrachten Tage wiederholt fest, daß Götz und der Engländer in verschiedener Hinsicht vergleichbar sind und etwas gemeinsam haben. Götz entzieht sich den körperlichen Berührungen Ludwigs, der nicht zuletzt dadurch zu ahnen beginnt, daß er in der Sympathie des Jungen hinter dem Engländer wird zurücktreten müssen. Das Paradox besteht aus seiner Sicht darin, daß Götz und Beaton in der Jugendherberge kaum miteinander Kontakt haben, aber sich dennoch immer näher zu kommen scheinen (S. 101). Erschwerend kommt hinzu, daß Ludwig und der Engländer keine richtige gemeinsame Basis finden und wenig fruchtbare Diskussionen miteinander haben, was im wesentlichen durch ihre unterschiedlichen politischen Anschauungen bedingt ist. Der orthodoxe Nationalsozialist kritisiert den Liberalisten für den utopischen Charakter der von ihm vertretenen Ansichten, mit denen er in erster Linie eine klare Positionierung in zentralen Fragen zu vermeiden suche. Liberalismus müsse logischerweise in Bolschewismus enden, der die Menschen in fataler Weise auf dieselbe Stufe stelle und ihnen die Flucht vor unvermeidlichen Pflichten gestatte. Einem solchen Individualismus stehe die von Hitler vertretene höhere Idee der Sozietät, der völkischen Einheit 86 gegenüber, in der man gemeinsam einem erhabeneren Ziel entgegenstrebe, das sich nicht dumpf auf die Befriedigung materieller Bedürfnisse beschränke. Beaton dagegen unterstreicht, daß er skeptisches Nachdenken für wichtiger hält als voreiliges Handeln. Zudem entlarvt er die Widersprüchlichkeit des Begriffs „Nationalsozialismus", wenn er betont, daß Sozialismus nur auf internationaler Ebene verwirklicht werden könne. Der Engländer spürt das Theatralische in Ludwigs grandios-auftrumpfender Verteidigung seines Credos und erkennt zugleich die Gefahr, die in seinen Parolen und Worthülsen steckt. Der nationalsozialistische Traum impliziert für Beaton den Alptraum (S. 104-116). Götz deutet diese von ihm verfolgte erhitzte Debatte später als eine Art Kampf der beiden Lehrer um ihn, als deren Bestreben, ihn für die eigenen Überzeugungen und mehr zu gewinnen (S. 117f.). Sein Wissen darum, daß die beiden Erwachsenen ihn begehren, macht ihm schwer zu schaffen, und veranlaßt ihn, nicht nur Beaton und Kästner, sondern auch sich selbst als moralisch verkommen zu sehen, auch wenn er sich seine körperliche Unschuld bislang bewahrt hat (S. 119f.). Von Ludwigs politischen Ansichten und damit zugleich von Ludwig selbst fühlt der Junge sich abgestoßen12. Am nächsten Morgen geht Götz, zunächst unbemerkt von der Gruppe, allein zum Skifahren, und eine für ihn etwas zu waghalsige Abfahrt endet mit einer Gehirnerschütterung (S. 122). Als sich herausstellt, daß es sich um nichts Ernstes handelt, beginnen Kästner und der Engländer sich über den Jungen zu unterhalten: „They smiled, feeling a twofold relief. He was safe - and suddenly one could talk about him. lEr ist sehr schön,' said Ludwig simply. - 'Ja. Sehr schön.'' - 'Man muss ihn direkt lieben.'' - ' Ja.'" (S. 123) Es bleibt bei diesen Feststellungen; viel mehr haben sich beide nicht zu sagen, doch immerhin stimmen sie damit, wenn auch nicht in politischer Hinsicht, so doch wenigstens in einem ganz wesentlichen Punkt überein. Beaton erscheint bald darauf im Krankenzimmer des Jungen, um sich vor seiner Rückkehr nach England von ihm zu verabschieden. Wie er Götz gegenüber zum Ausdruck bringt, geht es ihm darum, die Dinge zwischen ihnen ins Reine zu bringen, erhält jedoch von diesem nur ein kühles Lebewohl13. Dem kann der Engländer, wenngleich ihm dies nicht leichtfällt, immerhin eine Art verschlüsseltes, doch für Götz wohl unmißverständliches Geständnis seiner Gefühlslage entgegensetzen, bevor er endgültig den Raum verläßt (S. 125f.). 12 Cf. besonders S. 120 unten: „Whoever might have won the argument, Ludwig had lost twice over -damned in his own darkness, or damned/or it." Daß die Begegnung mit dem Engländer für Götz zugleich ein Lernprozeß ist, der ihm im Gegensatz zu seinen Mitschülern Einsichten in die zerstörerischen Elemente der nationalsozialistischen Ideologie vermittelt, zeigt eine Passage auf S. 147: „(...) he was alienated from Ludwig (...). For nobody except Götz seemed to have been much dismayed by the harshness of Ludwig's view as revealed in the great discussion - if anything, they found it exhilarating, not understanding much, but feeling a vague thrill at the rout of weak, white-faced, falsely conciliatory ideas by tough, full-blooded ones." 13 „'(...) I wanted to say good-bye properly - to finish the thing properly, get it straight.' - 'What thing?' - 'Well, between us.' - 'I think it's better to leave it.' - 'But I feel I've made such a mess of it. It would be a mess, anyway. This sort of thing in life hasn't a proper shape, like a novel. But it get much more of a shape if one doesn't end on a note of misunderstanding. I want some conclusion, even if it's only good-bye.' - 'Na also, leben Sie wohl.'" (S. 125). 87 Für Beaton scheint es nicht die Klasse als vielmehr Götz allein gewesen zu sein, die ihn dazu veranlassen, auf Ludwig Kästners Einladung hin als Begleiter aus dem Lehrpersonal mitzufahren. Lange vor diesem Schulausflug bemerkt er gegenüber Götz: „I go ski-ing with you -with your class, I mean." (S. 77). In demselben Gespräch bekennt er wenig später ganz offen, daß er für Götz Sympathie empfindet und an seinem Äußeren Gefallen findet, löst damit allerdings bei dem Jungen eine ablehnende Reaktion aus: „(...) 'You mean what I want with you, from you. I like you.' It was like sealding water, numbing all sensation, so that extreme cold and heat seemedtofuse. 'Butwhy?' Götzfoundhimselfsaying. 'Whyme?/don't 'like' kids in the Quinta.' (...) 'I like looking at you,' said the other, rapidly, desperately. 'Your face, your eyes. ... I like talking to you. ...' -'No. It's no good,' said Götz, hardly knowing what he said. 'Das geht nicht. Das geht nicht.' And he fled." (S. 78f.) Götz wehrt sich beständig dagegen, dem Engländer von seiner Welt zu viel preisgeben zu müssen, und verweist ihn rüde darauf, daß es besser sei, wenn jeder in einer eigenen Sphäre bleibe. Beatons Feststellung, daß Götz den Hitlergruß nicht mag, nimmt dieser zum Anlaß, ihm Deutschenfeindlichkeit vorzuwerfen (S. 78). Hier ist die primär durch die politischen Zustände bedingte Unüberbrückbarkeit des Gegensatzes zwischen den beiden Hauptfiguren des Romans antizipiert, die sich trotz deren weiterer Annäherung bis zum Schluß fortsetzt. Im Anschluß an die Schnittstelle der Ski-Freizeit-Episode bricht der Kontakt zwischen Götz und dem Engländer nicht ab. Zunächst tauscht man sich brieflich aus, dann besucht der Junge zusammen mit einem älteren Mitschüler für zwei Monate Beaton in England. Sowohl vor als auch nach dieser Reise stehen im Vordergrund der Mehrzahl ihrer Briefe aktuelle politische Fragen wie der Einmarsch der Nazis in Österreich und die bereits schwelende Sudetenkrise. Inwieweit es angesichts der Verhältnisse im Nazi-Deutschland der späten Dreißiger Jahre realistisch ist, die beiden Charaktere Briefe mit politisch zum Teil hochbrisantem Inhalt abfassen zu lassen, bleibe dahingestellt14. Immerhin gelingt es dem Verfasser durch diese Erzähltechnik, zusätzliche Schlaglichter auf die beängstigenden Geschehnisse dieser Epoche zu werfen und damit den historischen Hintergrund seines Stoffes zu einem wesentlichen Bestandteil des Romans zu machen. Götz' Aufenthalt in England - zunächst in London, dann auf der Isle of Man, schließlich in Liverpool - und die erneute Begegnung mit Beaton fallen in den Juli 1938. Er reist zusammen mit Hermann Funk, einem Jungen aus einer höheren Klasse, der in jeglicher Hinsicht als Gegenbild zu Götz gezeichnet ist: taktlos, platt und ständig darauf bedacht, England in Vergleichen mit Deutschland als unterlegen erscheinen zu 14 Cf. die Briefe auf S. 138-140,142f., 149f„ 161f„ 200,214,221 und 224f. Es muß der Vollständigkeit halber angemerkt werden, daß Clayton die tatsächliche Gefahr eines solchen Unterfangens bewußt war, wie eine Szene im Roman belegt, in der sich Götz' Schwester Gisela nach dem Inhalt des allerersten Briefs von Beaton erkundigt: „'Is it about politics?' she asked suddenly. 'A bit.' - 'The idiot! He mustn't do it. You must stop him.' - 'Oh, it's all right. What he says doesn't matter. It's what I say. And I shall be very careful. Trust me.'" (S. 141). 88 lassen15. Götz verwahrt sich vor derart plumpen Verallgemeinerungen, da ihm die Verschiedenheiten der Individuen bewußt ist; zugleich er spürt er aber auch, daß man die Eingebundenheit in eine Nation letztlich nur schwer abschütteln kann: „'Sometimes,' he said once to David, 'I think there are only people, you and I and Hermann. I feel, to hell with being English and German and all that. Other times I feel there things in one, national things, that one can't escape from.'" (S. 172) Hermann ist von Anfang der störende Dritte (cf. bereits S. 162 unten), der allerdings durch seine Anwesenheit Götz' Sensibilität um so deutlicher hervortreten läßt. Durch den England-Besuch reift Götz in seinen politischen Ansichten. Zugleich hat er offenbar, wie Beaton in einem Brief an einen Freund schreibt, für den Engländer eine echte Sympathie entwickelt, was diesem große Zufriedenheit verschafft - auch wenn er ahnt, daß er sein eigentliches Ziel der körperlichen Annäherung an Götz niemals wird erreichen können. Und so versucht er, sich mit der Annäherung auf geistiger Ebene zu begnügen16. Im Anschluß an den Inselaufenthalt verbringt der Juiige einige Tage im Hause der Beatons in Liverpool. Gleich zu Beginn dieses Szenenwechsels signalisiert der Erzähler, daß trotz der entstandenen Freundschaft etwas darüber Hinausgehendes nicht möglich sein wird (S. 188). Beaton ist sich darüber im klaren, daß Götz schon bald nach Deutschland zurückkehren muß, und gerät über den Sinn und Zweck des Besuchs in Zweifel; der bevorstehende Abschied erfüllt ihn mit Schmerz (S. 191f.). Es wird deutlich, daß die diesmalige Trennung eine endgültige, irreversible Zäsur markieren wird (S. 193). Gleichwohl bleibt der Eindruck, daß in der Beziehung beider Charaktere zueinander etwas ganz Wesentliches offenbleibt und nicht zu Ende gebracht wird: Beaton spielt am letzten gemeinsamen Abend eine Schallplatten-Aufnahme der Unvollendeten Symphonie Franz Schuberts, die beide zutiefst anrührt. Die Symbolik, die in dieser Szene liegt, ist unübersehbar: „He put on some Mozart first, and then the Unfinished Symphony. 'Yes, that's it!' Götz almost found himself crying after the first bars. He felt that he had never understood music till now. It was not a tune, a lot of 15 Cf. besonders S. 171 und 185. Dieser Gegensatz, der sich selbst auf sprachlicher Ebene manifestiert, wird besonders nachdrücklich von Beatons Mutter in einem Brief formuliert: „'It is difficult,' she wrote, 'to imagine a greater contrast than between him and the other one.' Yes, the other one, this Hermann Funk or whatever he was called. David seemed to think he was a joke, worth having for that alone, but to her he was an uncouth, haunting monster, always at one's elbow when something was boiling over, dropping guttural bricks like rain. It was curious that Götz' imperfections in the English tongue should be attractive, like those of a child, while Hermann seemed to mangle it into harsh, obscene croakings." (S. 184). 16 „But, above all, I know now that he likes me, and that certitude is something I've been after so long that it became an end in itself and now satisfies rather than excites. (...) Oh, I won't be a hypocrite (...) The end, the aim, the motive is physical. But do I really delude myself into thinking that that end will be even once attained? Hardly. (...)" (S. 181). Es ist aber andererseits nicht so, daß Beaton keinerlei Versuche macht, sich dem Jungen auch physisch zu nähern: „Once or twice he repelled advances of David's that seemed to go too far, but he did so without horror and without disgust; rather with something akin to the guilty pity with which we deny alms and a sort of queer gratitude to David for allowing himself to be repelled so easily." (S. 180). 89 notes, a clever pattern. It was David and himself, it was the funeral-triumph march of all desires, a thing whose glory and sadness was that it did not, could not, exist, could not be pushed into being more explicit, into possession and satisfaction, without breaking into pieces. ... Yes. Ludwig Kästner, if he had appreciated irony, might have smiled wryly at this scene. ... 'Well, that's all,' said David, jumping up to take off the needle. 'And it's high time we were going.'" (S. 193f.) Die verbleibenden sechs Kapitel des Romans konzentrieren sich auf Götz' Rückreise nach Deutschland, die als eine Fahrt zurück in die unentrinnbare Realität und zugleich in die Unfreiheit umschrieben ist17. Dort reflektiert der Junge über seinen England-Aufenthalt, politische Fragen und vor allem seine Position zu Beaton, deren Einschätzung ihm kaum Ruhe läßt. Sein Hingezogensein zum eigenen Geschlecht erkennt er um so klarer, als er zusammen mit seinem Mitschüler Lange einige Tage bei einem Bauern zur Heuernte untergebracht ist. Lange bezeichnet ihn als Mädchen (S. 205) und spielt, wie schon zuvor (S. 197), auf die für Außenstehende zweideutige Freundschaft zwischen Götz und dem Engländer an (S. 206). Da bei dem Bauern Gäste eintreffen, müssen Lange und Götz eine Nacht in demselben Bett verbringen. Götz wünscht sich insgeheim sexuellen Kontakt mit Lange und ärgert sich über die verpaßte Chance, David während des England-Besuchs näherzukommen. Obwohl auch zwischen ihnen nichts passiert, so definiert Götz doch erneut das Erlebte als den Verlust seiner Unschuld: „Innocence was dead (...) He had always shrunk from admitting that there was anything about David which even the ill-informed could call 'abnormal' - as he shrank from thinking about the whole thing. But it suddenly struck him now that the world no doubt would call Lange 'normal', and David and Ludwig 'abnormal'. He did not resent this. The idiocy of men seemed nothing to the idiocy of God. He felt foul - yet no fouler than others. He despised himself - yet no more than he despised all life." (S. 208) Bald darauf werden die Anzeichen für das allmähliche Rüsten Deutschlands zum Krieg immer deutlicher. Das von Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien unterzeichnete Münchener Abkommen (29. September 1938) bringt Hitler die gewünschte Räumung des Sudetenlandes durch die Tschechen. Daß es dabei nicht bleiben wird, sondern schon bald der Einmarsch in die Tschechoslowakei als ein weiterer Vorbote des Zweiten Weltkrieges folgen wird, ahnen alle in Götz' Familie. Der Roman endet in den denkbar dunkelsten Tönen mit dem Selbstmord von Götz' Vater. Dessen tiefer Pessimismus angesichts der politischen Entwicklungen hatte sich bereits zuvor abgezeichnet (S. 216, 219, 223) und wird in seinem Abschiedsbrief an Götz auf den Punkt gebracht: Gegenüber einem Regime wie dem Hitlers glaubt er sich gänzlich machtlos, so daß er in seinem Freitod die einzige Lösung sieht - für sich 17 Cf. S. 195, aufgegriffen und ausgeweitet auf S. 196: „This was reality, the other was a dream. There were two worlds, and one must live on one's own world. Perhaps it would have been wiser - whatever wisdom was worth - to have kept to one's own world, not to have known or dreamt ... Ariel, indeed! Ariel in the cloven pine. Erlkönig hat mir ein Leids getan." 90 selbst wie auch für die Familie (S. 228f.). Nachdem Götz den Brief verbrannt hat, verläßt er das Elternhaus und geht in den Wald. Ihm kommt zu Bewußtsein, wie sehr die nationalsozialistische Diktatur ihn und seine ganze Umwelt unterjocht hat und ein echtes eigenes Wollen radikal verhindert. Es ist das Regime, an dem letztlich auch die Beziehung zu Beaton scheitern muß. Freiheit ist in einer solchen Welt eine blanke Illusion, der Mensch ist gefangen (S. 230-232) - ganz so wie der Luftgeist Ariel aus Shakespeares Tempest in dem gespaltenen Kiefernbaum, „The Cloven Pine"18. Es bleibt nur die vage angedeutete Hoffnung, daß sich vielleicht eines Tages die Eigenständigkeit in Denken und Handeln wiedergewinnen läßt19. Fassen wir das Bisherige zusammen: Es wäre zu einseitig, in The Cloven Pine eine Art Coming-Out-Roman zu sehen. Doch läßt sich nicht in Abrede stellen, daß der Protagonist Beaton durch seinen Deutschland-Aufenthalt trotz der mehr als angespannten politischen Lage eine innere Befreiung durchlebt. Zwar gelingt es ihm nicht, sein Vorhaben einer Beschreibung der Zustände in Nazi-Deutschland in Form von Berichten in die Tat umzusetzen und so „die Wahrheit über Deutschland zu erfahren"; ebensowenig unternimmt er es, unter Deutschen politische Überzeugungsarbeit zu leisten. Wahrheitsfindung könne sich höchstens "auf einer anderen Ebene vollziehen: in der Einordnung seines Verhältnisses zu Götz und vor allem dem Weg zu sich selbst (S. 92f.). Dabei ist das Paradox, das Gefühl von Freiheit in einem Land zu empfinden, das sich ganz und gar nicht mit Freiheit assoziieren ließ, folgendermaßen formuliert: „... his relations with his home environment had something to do with every visit after the first [sc. to Vienna, cf. n. 10]. He was seeking freedom of a sort in freedom's most unlikely habitation. There was no one who knew him watching; in an alien world and an alien tongue he could escape from humour and parody and the phrases in inverted commas. He would find out, perhaps, what he really felt and thought." (S. 27f.) An dieser Passage zeigt sich, daß Beaton seinen Auslandsaufenthalt als eine befreiende Loslösung vom Eingebundensein in eine allzu vertraute Gesellschaft begreift und somit als Chance zu einer Redefinition seines Selbst. Daß dies ein ganz entscheidender Grund für ihn war, England für eine Weile zu verlassen, signalisiert er sogar gegenüber Götz bei ihrer ersten ausführlicheren Begegnung während des Spaziergangs20. Der Neuansatz zu einer Standortbestimmung verläuft seiner Ansicht nach 18 Cf. William Shakespeare, The Tempest vv. 250-293: Die Hexe Sycorax schließt Ariel in die Kiefer ein, Prospero befreit den Luftgeist. 19 „Our actions are not our own, in living or dying, killing or being killed. They are an occupied territory. But something we can deny them, obstinatetely and uncompromisingly, and perhaps some day, if we are lucky, from this little corner we have clung to we may return to full sovereignty, over thought and word and act. - He went down into the forest." (S. 232). 20 „I suppose you can't go home yet," he [i.e. Götz] said. - „I don't want to. If half of me is homesick, the other half is almost afraid of going home. It's like - well, it's one of those ways of being Unhappy that seem to be leading somewhere, to some deeper understanding or - or something. The only way out of them is back to earth, but one won't believe that. One feels it's terrifying to have left the land, but now - one must go on to the other shore." (S. 34). Cf. auch die Worte Beatons auf S. 125: „And then one feels irresponsible abroad." 91 interessanterweise über die Befreiung aus dem Netz der Muttersprache, so als müsse er mit dem Erlernen des Deutschen sämtliche hinter den Begriffen stehende Konzepte neu überdenken. So ist es nicht verwunderlich, daß der englische Text eine Reihe von deutschen Wörtern enthält, die nach Auffassung des Autors offenbar etwas spezifisch Deutsches symbolisieren und kein wirkliches englisches Äquivalent aufweisen. Vollends unverhüllt teilt Beatón seinen Seelenzustand nur Alan Reade, seinem in Großbritannien verbliebenen Freund aus der Studienzeit, in Briefform mit. Diese Figur, die im Roman ausschließlich als der Empfänger von Beatons Briefen fungiert, nicht aber selbst in Erscheinung tritt, dürfte durch Claytons Freund Alan Turing, den bekannten britischen Mathematiker (1912-1954), inspiriert sein, der homosexuell war und durch Selbstmord endete21. Reade hatte Beatón während ihres gemeinsamen Studiums in Cambridge auf den Kopf zugesagt, daß sich dieser vor seinen eigenen Gefühlen fürchte, und ihm geraten, sich zu verlieben (S. 27). Genau dies ist Beatón mit Götz widerfahren, wie er Reade in einer Mischung aus Brief und Tagebuchnotiz schreibt, und zwar zum allerersten Mal: „(...) all this talk seems silly, when I ought to be able to say, quite simply, 'I am in love.' The very unorthodoxy of the passion proves its genuineness. I have not been ogled and coaxed by a bevy of match-making aunts into a factitious affair. It has just happened - for the first time, and rather overwhelmingly." (S. 91) Den Versuch, im Verlauf seines Deutschland-Aufenthaltes seine Liebe zu einer früher von ihm verehrten Frau namens Renate zu redefinieren, erklärt Beatón als gescheitert. Denn im Vergleich zu all dem, was er nun für den Jungen empfinde, nähmen sich sämtliche früheren Gefühle für Renate schal aus. Er betont in seinem Brief an Reade, daß er durch das Bekennen seiner Gefühlslage gegenüber sich selbst einen Reifungsprozeß durchlaufen hat (S. 91f.), auch wenn die Ereignisse ihm alles andere als innere Ruhe und Ausgeglichenheit verleihen. Götz nimmt sein ganzes Denken in Beschlag, und Beatón erhofft sich jede Möglichkeit, seine Zeit mit ihm zu verbringen (S. 92). Wie sich zuvor gezeigt hat, durchläuft auch der Junge durch den Kontakt mit Beatón und die Auseinandersetzung mit dessen Ansichten ganz entscheidende Phasen des Erwachsenwerden und des Erkennens. Der Schritt zu einer endgültigen inneren Befreiung beider Charaktere scheitert letzten Endes vor allem an den politischen Umständen, die die Angehörigen zweier Welten nicht zueinander finden lassen. 3. BEZÜGE ZU CLAYTONS SONSTIGEM LITERARISCHEN WERK Neben dem im Jahre 1942 publizierten Roman The Cloven Pine existieren einige weitere unveröffentlichte, erst kürzlich entdeckte Werke aus Claytons Feder: Vier Kurzgeschichten mit den Titeln Little Man. A Short Story (Typoskript von knapp 21 A4-Seiten), The Course of True Love. An Artificial Romance (21 Seiten), A Pound of 21 Zu Einzelheiten cf. die ausführliche Biographie von Hodges (1983), weniger dagegen die von Irrings Mutter Sara verfaßte Monographie über ihren Sohn (Turing 1959). 92 Chocolate (13 Seiten) und The Return (gut 5 Seiten), ferner die zwei Dramen The Foolish Virgin. A Comedy in Three Acts und Small Mercy or The Sponge: Fantasia on a Theme ofJudgement sowie eine Tragödie, die in den zwei unterschiedlichen Versionen Vienna. Tragedy in Three Visits und A Visitor in Vienna vorliegt. Die Entstehungszeit dieser Werke ist unsicher, mit größter Wahrscheinlichkeit hat Clayton sie aber allesamt nach The Cloven Pine verfaßt, vermutlich während seiner Zeit in Exeter. Von besonderem Interesse für die in diesem Beitrag verfolgte Thematik sind die beiden Versionen des Schauspiels über Wien. Wie alle sonstigen Werke Claytons ist auch dieses Drama stark autobiographisch geprägt und basiert auf Erlebnissen während seiner Wien-Besuche22. Auf die inhaltliche Struktur sowie auf die Unterschiede zwischen den beiden Versionen kann in diesem Rahmen nicht im Detail eingegangen werden; vieles deutet darauf hin, daß es sich bei Vienna um eine spätere Fassung als A Visitor in Vienna handelt. Hier wie dort steht das Thema des Antisemitismus im Vordergrund, das in dem Roman The Cloven Pine nur gelegentlich angedeutet war. Die drei Akte des Dramas entsprechen drei Besuchen des anfangs einundzwanzigjährigen Engländers Macdonald in den Jahren 1931, 1934 und 1936. Wie sein Landsmann Watson hat Macdonald, der sich vordergründig zu einem Studienprojekt in Wien aufhält, bei der großbürgerlichen Familie Doktor Wilhelms23 Quartier gefunden. Durch die zeitliche Versetzung der einzelnen Akte gelingt es dem Autor, die politischen Entwicklungen und dabei vor allem die Wirtschaftskrise, die hohe Arbeitslosigkeit sowie die sich immer weiter verschärfende Rassenverfolgung ins Visier zu nehmen, die sich in Österreich schon vor dem Einmarsch der Nazis im März 1938 abzeichneten. Der weit verbreitete Judenhaß ist exemplarisch an der Beziehung und späteren Heirat der ebenfalls im Hause der Wilhelms lebenden Jüdin Else und Ernst, dem zweiundzwanzigjährigen Sohn der Wilhelms, dargestellt. Vater Wilhelm ist als überzeugter Antisemit von Anfang an gegen diese Verbindung und befürwortet gar eine staatliche Gesetzgebung gegen Mischheiraten (Vienna, Typoskript S. 7, 18); mit der Idee eines Großdeutschland sympathisiert er stark (ibid., S. 11). Macdonald dagegen weist in Diskussionen mit Doktor Wilhelm dessen kühne physiognomische Konstrukte von sich und unterstreicht hier wie an anderen Stellen, daß Judenhaß und überzogener Patriotismus allein auf Dummheit und Vorurteilen beruhen (ibid., S. 15-20, 53, 56, 72, 93f.). Emsts und Elses Heirat wird trotz der Widerstände des alten Wilhelm geschlossen, doch da das Paar kinderlos bleibt, ergeben sich Konflikte. Nach einem Streit verschwindet Else und begeht schließlich Selbstmord (ibid., S. 87-89). Ernst hat sich inzwischen von seiner Umwelt vergiften lassen und die verbreiteten antisemitischen Stereotype übernommen: Daß seine Frau den Freitod gesucht hat, ist aus seiner Sicht durch ihre Schuld bedingt gewesen, ihn mit einem anderen betrogen und ein Kind von diesem empfangen zu haben (ibid., S. 99). Die Figur des Ernst, die eine radikale geistige Wandlung von sozialdemokratisch gefärbten Ideen der kompromißlosen Ablehnung rassistischen Gedankengutes zur Akzeptanz nationalsozialistisch beeinflußter 22 Wie Clayton selbst stammt auch der Protagonist des Dramas, Macdonald, aus Liverpool (Vienna, Typoskript S. 14; A Visitor in Vienna, Typoskript S. 14) und hat in Cambridge studiert, in der wahrscheinlich späteren Version des Dramas offenbar Klassische Philologie (Vienna, Typoskript S. 61f., 68). 23 In Vienna ist Doktor Wilhelm ein höherer Staatsbeamter, in A Visitor in Vienna dagegen ein Rechtsanwalt. 93 Ideologien durchläuft, steht als ein Beispiel für viele, die sich in den Dreißiger Jahren von dem „allgemeinen Wahnsinn" anstecken ließen24. Zudem ist es die Zugehörigkeit zu zwei verschiedenen Welten, die zwei Liebenden kein dauerhaftes Glück vergönnt; eine gewisse Parallele zu The Cloven Pine ist damit durchaus vorhanden. Das homoerotische Element ist in den Wien-Dramen allerdings ohne Bedeutung: Freilich verbringt der Gast Macdonald viel Zeit mit den beiden Söhnen des Hauses und ist für den älteren Ernst ein anregender Gesprächspartner. Für den zu Beginn achtjährigen, am Ende fast vierzehnjährigen Karl hat der Engländer eine ganz besondere Sympathie25, doch entbehrt gerade das vermutlich spätere der beiden Stücke jeglicher gleichgeschlechtlicher Zwischentöne26. Die Frage danach, was in Claytons Werk reine Fiktion und was kaum oder gar nicht verhüllter Tatsachenbericht ist, mag für ein besseres Verständnis der Person und Vita des Autors von zentraler Bedeutung sein. Daß er beispielsweise ein Pseudonym für seinen Roman wählte27, hatte seine Gründe, wie er selbst in einer typographischen Notiz schreibt: Mit seiner Entscheidung wollte er in erster Linie den Verdacht einer überzogenen Deutschenfreundlichkeit vermeiden, wie sie sich an der Liebe der Figur des Engländers David Beaton zu dem deutschen Jungen Götz manifestiert. Sympathie für alles, was mit Deutschland zu tun hatte, mußte angesichts der politischen Weltlage der Vierziger Jahre bei der Mehrzahl der Briten den Eindruck einer ganz und gar deplazierten Haltung erwecken28. Die Berechtigung eines eingehenderen Blickes auf die Vita gerade eines Verfassers wie Clayton zeigen vergleichbare Fälle wie zum Beispiel die Werke aller Vertreter der Familie Mann, für die Parallelisierungen von literarischem Gehalt und biographischen Elementen zu neuen Einblicken geführt haben29. Möglich und zulässig 24 Cf. die Worte Macdonalds in Vienna, Typoskript S. 100: „God! How contagious this madness is, like their whole silly propaganda - so mad and yet so simple and straightforward." 25 Cf. besonders die Worte Frau Wilhelms in Vienna, Typoskript S. 83: „Karl and she [i.e. Else] and I are the people he comes to Vienna to see - in that order." 26 In der vermutlich früheren Version A Visitor in Vienna ist das homoerotische Element nur an vier Stellen vage angedeutet, zum einen in dem folgenden kurzen Dialog (A Visitor in Vienna, Typoskript S. 14): „Frau Wilhelm: 'Karl wants to take you to the pictures on Saturday.' - Macdonald: 'That's very nice of him.' - Frau Wilhelm: 'You seem to have made quite a conquest there.' - Macdonald: 'Er - yes.'". In Vienna ist es dagegen Macdonalds Idee, Karl ins Kino einzuladen (Vienna, Typoskript S. 36). In einer anderen Passage bemerkt Ernst gegenüber Macdonald auf dessen Bemerkung, er sei von Natur aus promisk: „You! I never knew anyone whose conversation with women was more sexless." (A Visitor in Vienna, Typoskript S. 36). Schließlich wird Macdonalds Sympathie für Karl Gegenstand eines Gesprächs zwischen Herrn und Frau Wilhelm (ibid., S. 87). Cf. außerdem den Hinweis Emsts am Schluß (ibid., S. 104). 27 Zur Verwendung von Pseudonymen in homoerotischer Literatur allgemein cf. Popp (1992: 32f. und 279) sowie Woods (1998: 336-338). 28 „I had, I admit, hidden behind a pseudonym. I did not want to have to defend myself all over the place against criticism." Wie Clayton andeutet, folgten in der Tat negative Kritiken seines Romans, die dem Autor fehlenden Patriotismus und in einem Falle sogar das Befürworten Hitlers vorwarfen. Daß es Ausnahmen in der Einschätzung seines Werkes gab, zeigt eine andere Passage in einem Typoskript: „In 1942 (...) we were as a nation still sane and civilised and tolerant enough for a young English soldier to write, for an English publisher to produce, for some leading English critics and readers to praise, a book which deliberately offended both patriotic and moral prejudices in order to state that it was possible to love deeply a boy brought up under the Nazi regime (...)". 29 Aus der unübersehbaren Fülle an Arbeiten cf. besonders Reich-Ranicki (1987) und zuletzt Krüll (1991), beide mit zahlreicher weiterer Sekundärliteratur. 94 sind derartige Rückschlüsse jedoch nur dann, wenn das private Denken und Fühlen eines Literaten anhand von geeigneten Quellen wie Tagebüchern, Briefen und sonstigen persönlichen Aufzeichnungen rekonstruierbar ist. Im Fall Clayton ist das Korpus solcher Texte knapp bemessen, bietet aber zumindest einige Anhaltspunkte dafür, daß eigenes homoerotisches Empfinden für den Autor nicht in Abrede gestellt werden kann. Den zugänglichen Niederschriften läßt sich entnehmen, daß seine eigene Sexualität ihn zeit seines Lebens beschäftigt und zugleich beunruhigt hat. Inwieweit aber beispielsweise seine Heirat, aus der immerhin vier Kinder hervorgingen, eine Flucht vor sich selbst und eine Verdrängung seiner gleichgeschlechtlichen Neigungen war, maßen wir uns hier nicht zu beurteilen an. 4. BEZÜGE ZU LITERARISCHEN WERKEN ANDERER AUTOREN Verbindungslinien zwischen Claytons Roman The Cloven Pine und anderen britischen, aber auch deutschsprachigen Autoren derselben Generation sind augenfällig. Wir können uns in diesem Beitrag nur auf die wichtigsten Aspekte beschränken, um den spezifischen Charakter des hier im Vordergrund stehenden Werkes zu extrapolieren. Die Behandlung von Einzelfragen muß künftigen Untersuchungen vorbehalten bleiben. 4.1 Britische Autoren: Isherwood - Spender - Auden Bemerkenswert ist zunächst, daß Clayton sich in eine Art Gruppe britischer Schriftsteller einordnen läßt, die ebenfalls ihre Deutschland-Erlebnisse literarisch verarbeitet haben. In das Zentrum ihrer Frühwerke rückten Autoren wie Christopher Isherwood (1906-1986) und Stephen Spender (1909-1995), zum Teil auch Wystan Hugh Auden (1907-1974), insbesondere die Gefahren Hitlers; zugleich sind wie bei Clayton autobiographische und dabei vor allem homoerotische Elemente stark ausgeprägt30. Doch kann diese oberflächliche Gemeinsamkeit kaum über die zahlreichen Unterschiede hinwegtäuschen: Isherwood wie auch Spender haben Deutschland vor der nationalsozialistischen Machtübernahme im Jahre 1933 verlassen, Clayton dagegen kommt erst im Jahre 1936 nach Deutschland. Sein Roman dokumentiert somit nicht das unübersehbare Heraufziehen der neuen Machthaber, sondern Hitler auf dem Höhepunkt seiner Diktatur sowie die ersten Anzeichen seiner aggressiven Expansionsbemühungen und deren absehbare Auswirkungen. Von einem literarischen Werk dieser Epoche zugleich eine umfassende Analyse der politischen Verhältnisse in Deutschland und Europa zu erwarten, wäre vermutlich zu viel verlangt; dies vermag beispielsweise 30 Besonders wichtig für die hier verfolgten Aspekte sind Isherwoods Mr Nortis Changes Trains (1935), Goodbye to Berlin (1939), Prater Violet (1945), aber auch die späteren Bücher Down There on a Visit (1962) und Christopher and His Kind (1977), ferner Spenders Vienna (1934), das antifaschistische Versdrama Trial of a Judge (1938), The Temple (1988) und seine Journals 1939-1983 (veröffentlicht 1985). Die Sekundärliteratur zu den beiden Autoren einschließlich Auden und ihrem Kreis ist umfangreich; verwiesen sei hier nur auf Page (2000) und Leeming (1999), zu Isherwood cf. den Kurzüberblick bei Popp (1992: 305-319). 95 eine non-fiktionale Dokumentation weit eher zu leisten. Und obwohl weder The Cloven Pine noch die beiden Wien-Dramen diese Aufgabe eines objektiven Reports übernehmen können oder wollen, erfassen sie doch die Tragik Nazi-Deutschlands in ausgesprochen luzider Weise. Dennoch bleibt festzuhalten, daß sich Clayton in seinem Roman bei aller Differenziertheit eine gewisse Beschränkung in der Perspektive selbst dadurch auferlegt, daß er seine Charaktere im wesentlichen nur einer einzelnen sozialen Schicht entstammen läßt, nämlich dem am Beispiel der Arztfamilie Biehl-Bodenhausen und ihrem Umfeld dargestellten gehobenen Bürgertum31. Freilich diskutieren seine Romanfiguren laufend über Politik, nehmen aber dabei nur wenig divergierende Positionen zu Hitler und dem Nationalsozialismus ein. Radikalere Figuren sind lediglich die Lehrer Ludwig Kästner und Professor Klinge. Obwohl das wohlhabendere Bürgertum auch in den beiden Versionen der Wien-Tragödie dominiert, ist dort das Spektrum der politischen Überzeugungen insgesamt facettenreicher, vor allem durch den zunächst sehr ausgeprägten innerfamiliären Gegensatz zwischen Vater Wilhelm und seinem Sohn Ernst. Verglichen damit, deckt beispielsweise Isherwoods Personnage in Goodbye to Berlin das gesamte soziale Spektrum ab und ermöglicht so die literarische Abbildung einer Fülle unterschiedlicher politischer Standpunkte. Auch der zweite Aspekt, das gleichgeschlechtliche Empfinden, hat bei Clayton einen anderen Stellenwert: Es ist nicht die Vorliebe für deutsche „working-class boys", die sein alter ego David Beaton etwa in eine Metropole wie Berlin als Inbegriff homosexueller Ausschweifung zöge, auch wenn vielleicht bei seinem Protagonisten wie bei ihm selbst der Wunsch nach dem Ausleben seiner Sexualität seinen DeutschlandAufenthalt mitbeeinflußt hat. Das Motiv der Großstadt als Ort des Lasters und erst recht käufliche homosexuelle Liebe, wie sie allerdings auch Isherwood nur in seinem weit expliziteren Buch Christopher and His Kind und Spender in The Temple thematisiert haben, fehlen in The Cloven Pine vollständig. Wie zuvor gezeigt, ist bei Clayton die Ebene des Sexuellen keineswegs vollends ausgespart, doch wird sie auf einer ausgesprochen subtilen Ebene behandelt, die das Körperliche höchstens andeutet32. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß Clayton Isherwood einige Male begegnet ist und möglicherweise auch das eine oder andere Werk von ihm, wenn nicht durch eigene Lektüre, so doch zumindest indirekt kannte. Inwieweit er sich durch seinen Roman mit diesem und mit Spender in eine Reihe stellen wollte, läßt sich schwer beurteilen. Ein später konzipierter, jedoch nie abgeschickter und noch dazu unvollständig erhaltener Brief Claytons an Isherwood hilft in dieser Frage kaum weiter. 31 Eine Ausnahme bilden der nazibegeisterte Bauer, dem Götz kurzzeitig zur Hilfe bei der Heuernte zugeteilt ist (S. 202-204), sowie der betrunkene Maler am Ende von Kapitel 20, der Lehrer Oehme und ein paar Schülern einschließlich Götz Uber seinen Aufenthalt in einem Konzentrationslager berichtet und dabei an den Pädagogen appelliert, seinen Schülern über die eklatanten Mißstände und Gewalttaten im NS-Staat die Augen zu öffnen (S. 157-159). 32 Das wohl beste Beispiel dafür ist die Szene einer gemeinsamen Buchlektüre von Götz, David und Hermann während des Aufenthaltes auf der Isle of Man. Während die drei nebeneinander auf einer Bank sitzen, berühren sich Götz' und Davids Hände: „So, in learning English, Götz learned something else. He learned how interesting and exciting it is to have it assumed by someone that every inch of yourself is interesting and exciting, each separate finger, chewed nail, grubby palm. He learned the peculiar electric contact set up by intertwined fingers." (S. 177). 96 4.2 Deutschsprachige Autoren: Das Beispiel Ödön von Horväths Mit dem Nationalsozialismus haben sich bereits während der späten Zwanziger und der Dreißiger Jahre zahlreiche deutschsprachige Autoren literarisch auseinandergesetzt (cf. Müller-Seidel ,1988: 450-453). Zu nennen wären hierbei in erster Linie Klaus Mann, Heinrich Mann, Ernst Toller, Ödön von Horväth, Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht. Es ist davon auszugehen, daß Clayton einige Werke dieser Autoren kannte. Freilich diente ihm für The Cloven Pine niemand aus dieser Reihe als ein unmittelbares thematisches und motivisches Vorbild. Dennoch dürfte Clayton die eine oder andere Anregung aus dieser Richtung empfangen haben. Wir lenken im folgenden den Blick exemplarisch auf Ödön von Horväths Werk Jugend ohne Gott, Es ist denkbar, daß Clayton bei der Abfassung von The Cloven Pine in manchen Punkten von diesem Roman Horväths beeinflußt wurde, auch wenn keine direkten Hinweise darauf erhalten sind, daß Clayton mit Horväths Uterarischem Schaffen vertraut war33. Die dargestellte Perspektive ist in beiden Fällen die eines jüngeren Lehrers, der mit Unbehagen feststellt, welche Folgen die geistig-moralische Infiltration seiner halbwüchsigen Schüler durch die nationalsozialistische Ideologie hat. Während jedoch in The Cloven Pine eine vollends überzeugte, glühende Identifikation mit der NS-Doktrin und dem totalitären Staat unter den dargestellten Schülern kaum auszumachen ist, schildert Horväth seine Vierzehnjährigen ungleich drastischer. Die Figur des Lehrers als Protagonist des Romans beschreibt sie als entmenschlichte Wesen, die Maschinen gleichen und bereits so weit konditioniert sind, daß sie sich dem Terrorstaat blind opfern würden34. Die grenzenlose Indoktrination der Schüler und ihre Erziehung zum Haß reicht zugleich so weit, daß sie all diejenigen eliminieren wollen, die sich auch nur die kleinste Abweichung von dem offiziellen Verhaltensund Glaubenskodex leisten wie ihr Lehrer. Das Kapitel „Das Brot" (op. cit., S. 21-23) beschreibt die Verschwörung der Klasse gegen ihren Lehrer, den sie systematisch boykottieren und endgültig abservieren wollen, weil er Schwarze als Menschen ansieht und damit aus ihrer Sicht als echter Staatsfeind „Sabotage am Vaterland" betreibt (cf. S. 19). Kommunikation mit seinen Schülern ist dem Lehrer nicht möglich, weil sie eine „andere Sprache" sprechen als er (S. 16). Die Verblendung dieser neuen Generation ist bereits so weit gediehen, daß ihre Unzugänglichkeit für jegliche vermittelnde 33 In Claytons nachgelassener Bibliothek sind Horväths Werke nicht vertreten, was aber kein Beleg dafür ist, daß er nie auf diese aufmerksam geworden wäre. Da er sich in den Jahren 1935/36 in Wien aufgehalten hat, ist es nicht unwahrscheinlich, daß er während dieser Zeit mit früheren Arbeiten Horväths bekannt wurde. „Jugend ohne Gott" erschien allerdings erst im Jahre 1937 bei dem niederländischen Verlag Allert de Lange, eine englische Übersetzung im Jahre 1939 (A Child ofour Time andBeing Youth without God. Translated by R. Wills Thomas. With a Foreword by Franz Werfel, and an appreciation by Stefan Zweig, London 1939). 34 Ödön von Horväth, Jugend ohne Gott (Gesammelte Werke, Band 13. Hrsg. von Traugott Krischke), Frankfurt am Main 1983, 24: „Alles Denken ist ihnen verhaßt. Sie pfeifen auf den Menschen! Sie wollen Maschinen sein, Schrauben, Räder, Kolben, Riemen - doch noch lieber als Maschinen wären sie Munition: Bomben, Schrapnells, Granaten. Wie gerne würden sie krepieren auf irgendeinem Feld! Der Name auf einem Kriegerdenkmal ist der Traum ihrer Pubertät." (cf. auch S. 112). Diese Einschätzung wird von einem anderen Lehrer im weiteren Verlauf des Romans folgendermaßen in offizielle Nazi-Formulierungen übersetzt: „Die heutige Jugend, meinte er, sei keineswegs verroht, sie sei vielmehr, dank der allgemeinen Gesundung, äußerst pflichtbewußt, aufopferungsfreudig und absolut national." (S. 83). 97 Argumentation und das fehlende Verständnis für alles Andersartige ausgeprägter nicht sein könnte (S. 23). Bei Clayton wie bei Horväth wird zudem der Blick auf einzelne Lehrer und deren Haltungen gegenüber den nunmehr geltenden Spielregeln eines diktatorischen Regimes gerichtet. In Jugend ohne Gott sind der Schuldirektor wie auch der Protagonist selbst als Opportunisten gezeichnet, die sich in unterschiedlichem Grade mit dem Totalitarismus abfinden, um nicht ihre soziale Absicherung zu verlieren. Der Schuldirektor äußert gegenüber seinem jüngeren Kollegen bei einem Gespräch unter vier Augen: „Junger Mann (...), merken Sie sich eines: es gibt keinen Zwang. Ich könnte ja dem Zeitgeist widersprechen und mich von einem Herrn Bäckermeister einsperren lassen, ich könnte ja hier gehen, aber ich will nicht gehen, jawohl, ich will nicht! Denn ich möchte die Altersgrenze erreichen, um die volle Pension beziehen zu können." (S. 20). Der Protagonist selbst beschränkt sich bei der Besprechung von Schulaufsätzen mit politischen Themen auf Bemerkungen zu Form, Grammatik und Stil und vermeidet es auf diese Weise, Position beziehen zu müssen (S. 16f.). Seine Ablehnung von Stereotypen und ausgrenzenden Ideologien behält er weitgehend für sich. Von seinem beißenden Spott, den er für alle überzeugten Nazi-Anhänger übrig hat, erfährt nur der Leser35. Erst im weiteren Verlauf des Romans macht er eine Wandlung durch, die ihn die existenzbedrohenden Konsequenzen seines Strebens nach Wahrheit ignorieren lassen. Die in The Cloven Pine beschriebene Ski-Freizeit ließe sich höchstens strukturell in eine gewisse Verbindung zu dem Zeltlager in Jugend ohne Gott setzen, da beide Abschnitte in den jeweiligen Werken eine Mittelposition einnehmen und somit das zentrale Kernstück bilden. Inhaltlich werden jedoch gänzlich andere Akzente gesetzt; außerdem trägt Horväths Zeltlager im Gegensatz zu der Episode bei Clayton einen deutlich paramilitärischen Charakter. Insgesamt läßt sich festhalten, daß sich trotz mancher motivischer und gedanklicher Verwandtschaften die Parallelen zwischen Claytons The Cloven Pine und Horväths Jugend ohne Gott in Grenzen halten. Somit mag man höchstens von einer indirekten Beeeinflussung Claytons durch Horväths Werk sprechen, ohne daß sich diese jedoch stringent nachweisen ließe. Eine pazifistische Grundüberzeugung wohnt ohne Frage beiden Autoren ebenso inne wie das Bekenntnis zu Individualismus und zu kritischem Bewußtsein in politischen Fragen. Außerdem entlarven beide die sinnentleerte Phrasenhaftigkeit nationalsozialistischer Ideologie36. 35 Cf. Passagen wie die folgende: "Bäckermeister N horcht auf meine Stimme hin gehässig auf. Er könnt mich wahrscheinlich erschlagen. Mit einer altbackenen Semmel." (S. 88). Des weiteren etwa S. 13 oben, 14 unten, 22 oben, 40f., 89 unten. 36 In Jugend ohne Gott wird dieser Punkt gleich zu Beginn des Romans in der Szene deutlich, in der der Lehrer die Aufsätze seiner Schüler zu dem von oben verordneten Thema „Warum müssen wir Kolonien haben?" korrigiert (S. 12f.). Einer der Schüler vertraut später dem Lehrer an: „Ich mag nicht mehr marschieren und das Herumkommandiertwerden kann ich auch nicht mehr ausstehen (...). Und dann die faden Ansprachen, immer dasselbe, lauter Blödsinn!" (S. 116). Manche Figuren des Werks wie z.B. der Bäckermeister N sind geradezu eine Personifikation rhetorischer Hohlheiten (cf. besonders S. 18f.). 98 5. Zusammenfassung Es konnte hier lediglich die Aufgabe sein, in einem kurzen Durchgang die wichtigsten Aspekte des Romans The Cloven Pine wie auch der beiden Wien-Dramen Claytons zu diskutieren und diese durch einen Vergleich mit thematisch und motivisch verwandten Werken literaturgeschichtlich zu situieren. Daß bislang keinerlei interpretative Analysen zu diesem Werk existieren, ist vor allem auf die zeitlichen Umstände seines Erscheinens zurückzuführen. Was wie der Roman in Kriegs- und Krisenzeiten gedruckt wird, kann oft nicht mit einer breiten Rezeption rechnen und ist der Gefahr ausgesetzt, rasch dem Vergessen anheimzufallen. Ein weiterer Punkt kommt erschwerend hinzu: Da Clayton seine sonstigen literarischen Werke nie publiziert hat, war das Erstlingswerk offiziell zugleich das einzige aus seiner Feder; für die literarisch interessierte Öffentlichkeit blieb er damit weitestgehend ein Unbekannter. Wir haben es hier mit dem seltenen Fall einer Neuentdeckung in mehrfacher Hinsicht zu tun, die eine breitere Beachtung verdient und für die Literaturwissenschaft Möglichkeiten zu einer eingehenden Erforschung eröffnet37. Humboldt-Universität, Berlin BIBLIOGRAPHIE Bowen, Elizabeth. „With Silent Friends". The Tatler and Bystander (10 February 1943): 182-184. Bracher, Karl Dietrich, Manfred Funke & Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.). Nationalsozialistische Diktatur 1933-1945. 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