3fS3f Sonderabdruck aus der Monatsschrift «Die Erdbebenwarte» Nr. 5, 6, 7, 8, IV. Jahrg., 1904/05. Ein hochherziges Vermachtnis zur Errichtung von Erdbebenwarten. Durch eine reiche testamentarische Zuwendung des Ehepaares Bohrn wurde der Natunvissensckaftliche Verein zu Karlsruhe in den Stand gesetzt, zu der bereits bestehenden staatlichen auf der groGherzoglichen Landes- sternvoarte (Konigsstuhl) zwei neue Erdbebenwarten einzurichten, die eine in einem unterirdischen Gang im Turmberg bei Durlach, die andere in Freiburg. An diesen beiden Orten werden gleichartige Instrumente, Hori- zontalpendel nach Konstruktion von Prof. Hecker in Potsdam, zur Aufstellung gelangen. Am 13. Janner 1. J. hielt der Naturvvissenschaftliche Verein in Karls¬ ruhe eine Sitzung ab, welche auch der Erbgrofiherzog Friedrich Wilhelm, der diesem modernen Wissenszweige ein grofies Interesse entgegenbringt, mit seiner Anwesenheit ausgezeichnet hat. Der Vorsitzende Geheimrat Dr. Engler begrubte vorerst seine konigliche Hoheit, worauf er den edlen Spendern einer namhaften Geldsumme zur Errichtung von Erdbebenwarten, dem verstorbenen Ehepaare Bolim, einen vvarmen Nachruf widmete. Geh. Hofrat Dr. M. Haid hielt dann einen Vortrag iiber die moderne Erd- bebenforschung, mit besonderer Beriicksichtigung der Ziele und Aufgaben, welche sich die beiden Warten Durlach und Freiburg gestellt haben. Der Vortragende erklarte an einem im Saale provisorisch aufgestellten Apparate die Wirkungsweise der Pendel und die photographische Aufzeichnung ihrer Bewegungen, woraus man die Phasen eines Erdbebens und die Zeiten ihres Eintretens erkennen kann. So konnten von den im Anlagegebaude der technischen Hochschule vorlaufig eingerichteten Instrumenten Auf- zeichnungen zweier Erdbeben, das eine vom 6. November 1904 auf der Insel Formosa und das andere vom 9. Janner 1905 von der andalusischen Kiiste vorgevviesen vverden; ebenso auch die Registrierung der Boden- bewegungen infolge des Sturmes am 5. Dezember 1904 und infolge des Temperatursturzes in der Neujahrsnacht, sovvie auch jene einer vom Ge¬ heimrat Engler veranlabten Explosion im Hofe des Polytechnikums. An der Hand von Planen wurde die bereits fertige bauliche Einrichtung der Durlacher Station in dem unterirdischen Gange im Turmberg besprochen. Nach dem interessanten Vortrage dankte der Vorsitzende dem Redner sowohl fiir seine Ausfuhrungen als auch fiir seine erfolgreiche Tatigkeit 2 an der Spitze der Erdbebemvarten des Vereines und gedachte noch be- sonders der Verdienste des Prof. Leutz, der sich der muhsamen Arbeit, welche die Instandsetzung der schwierig zu behandelnden Apparate er- fordert, unterzogen bat und gab der Hoffnung Ausdruck, daB die groB- herzogliche Regierung die Bestrebungen des Vereines durch Gewahrung von Mitteln fur die Unterhaltung der Warten, fur welche das Bohmsche Vermachtnis nicht mehr ausreiche, unterstutzen werde, wobei er auf das Beispiel Preufiens, das ausschlieBlich aus Staatsmitteln vier Erdbebenwarten einrichte und erhalte, hinwies. So bat die Ehrensitzung des Na.turwissenschaftlich.en Vereines einen rviirdigen Verlauf genommen, die dem Vereine in Hinkunft eine schone, vielversprechende Perspektive eroffnet. Gleichzeitig vvurde der Geschichte des Vereines ein Gedenkblatt eingefiigt, welches dem Ehepaare Bohm ein ehrendes Angedenken fur alle Zeiten sichern wird. Auch wir freuen uns, von einem so seltenen Ereignisse bi er unsern Lesern berichten zu konnen; vielleicht wird die edle Tat ein Ansporn sein, daB auch anderswo unserer jungen Wissenschaft, die staatlicherseits nicht die geniigende Forderung erfahrt, wie eine solche zu rascherem Aufschwunge wunschenswert ware, eine desto ausgiebigere seitens vermoglicher Freunde der Wissenschaft zuteil \verde. Es ist immerhin bemerkenswert, daB sich haufig Gonner finden, die etwa zur Errichtung einer Sternwarte Beitrage leisten oder daB Sternwarten aus Privatmitteln errichtet werden. Es mag auch erklarlich erscheinen, da es fur den Laien gewifi sehr verlockend und nicht ohne poetischen Zauber ist, nacli unbekannten Welten auszu- lugen und den Geheimnissen des Weltenraumes nachzuspuren, immerhin ist aber die Erdbebenforschung von heutzutage auch ftir den Laien eine ungemein verlockende Wissenschaft, wenn man bedenkt, daB es mit Hilfe der gegenvvartigen Erdbebenmesser moglich ist, in einer leiclit lesbaren Schrift jedes bedeutende Erdbebenereignis oder jede Sturmkatastrophe, die sich auf dem entlegensten Teile unseres Planeten abgespielt bat, nach Zeit, Dauer und Starke genau feststellen zu konnen. Wir messen aber auch die leichtesten und leisesten Pulsschlage des Erdkorpers, auf dem wir leben und bauen und wir diirfen erwarten, dafi die fast bestandige Bodenunruhe manche Nachrichten und Aufschlusse aus jenen Tiefen unseres Planeten unseren feinfiihligen Instrumenten uberbringen wird, die dem menschlichen Auge immer verborgen bleiben werden. Der Himmelsforschung kommt allerdings zugute, daB sie uns manchen Nutzen fur das tagliche Leben gevvahrt; das gleiche durfen wir auch von der Seismologie erwarten, wenn einmal die Erdbebenmesser die Werkstatte des Erdbebenforschers verlassen, um auch als unerlafiliche Hilfsinstrumente bei verschiedenen technischen Betrieben zu dienen; vorlaufig werden in dieser Richtung, so z. B. im Bergbau, Eisenbahnbau, in der Sprengtechnik etc., erst Versuche unternommen. Eines darf nicht vergessen werden: wie viel 3 ist geschehen und wie viel geschieht noch heute, um andere Gebiete der Wissenschaft durch Veranstaltung volkstiimlicher Vortrage, Herausgabe gemeinverstandlicher fachwissenschaftlicher Abhandlungen, dann standige Zeitungsnotizen und nicht zuletzt durch Ermoglichung des freien Besuches wissenschaftlicher Institute usw., allen Gebildeten zuganglich und auch an- ziehend zu machen. Volksttimlich ist unsere Wissenschaft noch nicht und gar wenige gibt es, die heute zu urteiien vermogen, ivelchen Zweck es haben soli, auf Ge- bieten Erdbebenruarten zu errichten, wo man dte Erdbeben nur dem Name?i nach aus alten Chroniken und Historien her kennt. In dieser Richtung mufi noch viel geschehen — der alte Cacciatore-Q\iecksiVoer- und Stabchen- Erdbebenanzeiger mufi aus den Lehrbiichern heraus und an seine Stelle der moderne Schuttermesser — dann wird unsere Wissenschaft sicher nicht mehr den * brotlosen Kiinsten> zugezahlt werden. Wir begltickwunschen den Naturwissenschaftlichen Verein zu Karls¬ ruhe zu dem schonen Erfolge, denn sein Verdienst ist es eben, das Interesse fur unsere VVissenschaft geweckt und erhalten zu haben. Der Verein hatte nicht vergeblich fast durch ein Vierteljahrhundert in seinem Schofie eine Erdbebenkommission unterhalten, welche eine recht anerkennenswerte Tatigkeit entfaltete, indem sie die im Lande nicht selten auftretenden Erd¬ beben gewissenhaft gesammelt und das Beobachtungsmaterial auch wissen- schaftlich bearbeitet hat. Der grofie Erfolg ist nicht ausgeblieben, dafi durch diese jahrelange Arbeit die einzelnen Schuttergebiete genau begrenzt und die Ursachen der verschiedenen Bebenereignisse mit ziemlicher Sicherheit festgestellt werden konnten. Es mufi aber auch hervorgehoben werden, dafi die Bestrebungen der Erdbebenkommission eine tatkraftige Unter- stutzung seitens der groflierzoghchen Regierung und seitens der kaiserlichen Oberpostbehorden von allem Anfange an erfahren haben. Hat es aber dem auf dem Gebiete der Erdbebenforschung stets so tatigen Verein bisher noch an Mitteln gefehlt, um Erdbebenwarten, die mit sehr kostspieligen Apparaten ausgerustet sein miissen, zu errichten, so ist ihm nun durch die hochherzige testamentarische Zuwendung die Moglichkeit geboten, das langst erwiinschte Werk in Angriff zu nehmen und konnen wir den Natur- ivissenschaftlichen Verein zu Karlsruhe anlafilich seines 25jahrigen Wiegen- festes zu der schonen Widmung und den riihrigen Obmann der Erdbeben¬ kommission, Geh. Hofrat M. Haid, aus vollem Herzen begluckwunschen. A. Belar. NARODNA IN UNIUER2ITETNA KNJI2NICA Kleinmayr & Bamberg, Laibach.