DAS DYNASTISCHE DENKEN IN DER HISTORIA AUGUSTA J. BURIAN Akademie der Wissenschaften, Praha Die Nachfolgeordnung gehörte seit dem Beginn der Kaiserzeit im antiken Rom zu jenen Problemen, deren Bedeutung allgemein anerkannt wurde, aber deren Lösung von Fall zu Fall gesucht werden m usste. Eine Regel, die auf eindeutige Art und Weise einen Mann zum Nachfolger des herrschenden Kai­ sers prädestinierte, gab es im kaiserzeitlichen Rom nicht. Die Wege, auf de­ nen die Prätendenten zur kaiserlichen W ürde gelangten, w aren verschieden. Der K aiser verfügte begreiflicherweise faktisch über das Recht, seinen Nach­ folger zu nennen und ihn dem Senat als zukünftigen H errscher vorzustellen. Die einfachste Möglichkeit bestand dabei darin, dass der Nachfolger in erster Reihe u n ter den Söhnen des Kaisers, bzw. unter seinen nahen, aber auch we­ niger oder m ehr entfernten Verwandten gesucht w urde. Wenn die Umstände diese Lösung nicht erlaubten, suchte m an einen Ausweg in der Adoption, die es theoretisch ermöglichte, den tauglichsten Mann als Nachfolger des Kaisers rechtzeitig zu finden. Nicht einm al diese Praxis w ar aber ohne Komplika­ tionen, wie H.-G. Pflaum an dem konkreten Fall der Nachfolgefrage u nter H adrian überzeugend aufgezeigt hat.1 Neben dem dynastischen Prinzip, das durch die Adoption modifiziert w er­ den konnte, w ar bei der H errschaftsübertragung noch ein weiteres Element im Spiel. Es w ar die Akklam ation des Prätendenten durch die Armee, die den kaiserlichen Hof sowie den röm ischen Senat eigentlich vor eine bereits vollen­ dete Tatsache stellte und vom Senat nur formell zur Kenntnis genommen und bestätigt werden sollte. Die Legitimierung der erworbenen Macht, die dadurch erfolgte, w ar allerdings fü r die neu gewordenen H errscher von ihrem subjektiven Standpunkt her sicher nicht unbedeutend. Doch verfügte der Se­ nat nicht über einen wirklichen Einfluss, der ihm erlaubt hätte, die Entschei­ dung der Armee abzulehnen, bzw. in seinem eigenen Sinn zu ändern. Im 3. Jh. u. Z. w aren die Soldaten als Kaiserm acher in allen Schichten der röm ischen Gesellschaft bekannt und die Soldatenkaiser w urden von der Reichsbevölke­ rung m eistens als regelrecht gewählte Herrscher akzeptiert. Die Entw icklung nach dem Tod des Probus fasste im 4. Jh. u. Z. der senats­ freundliche Geschichtsschreiber Aurelius Victor m it folgenden W orten zu­ sam m en : Abhinc militaris potentia convaluit ac senatui im perium creandique ius principis ereptum ad nostram memoriam, incertum , an ipso cupiente per desidiam an m etu seu dissensionum odio (Caes. 37,5). Die Geschichte der Kaiserwahl im 4. Jh., die J. Straub gründlich erö rtert hat, erb rach te weitere Beweise für den Einfluss der Armee auf die Entschei­ dung, w er der höchste R epräsentant des Röm erreiches werden sollte.2 Die Anhänger des Senats, insofern m an ihre Meinung den Lobreden des Q. Au­ relius Symm achus entnehm en kann, teilten die zurückhaltende Einstellung zur K aiserakklam ation durch die Armee m it Aurelius Victor w eder eindeutig noch konsequent. Für Symmachus galt die Erhebung Valentinians I. durch die Truppen als durchaus rechtm ässig und er sah keinen objektiven Grund und kein subjektives Hindernis, die Zuständigkeit der castrensia decreta (Orat. 1,3) zu bezweifeln.3 Der dynastische Gedanke w urde durch diese Entwicklung nicht verdrängt ; die V erw andtschaft m it dem herrschenden Kaiser spielte in der Nachfolgeord­ nung eine wichtige Rolle und zu wesentlichen Zügen des H errscherbildes bei den Panegyrikern gehört der Umstand, dass der regierende Kaiser die H err­ schaft seinem Sohn übergibt. Die Söhne der regierenden Kaiser werden in den Lobreden als Garanten das W eiterbestehens des hochgepriesenen zeitge­ nössischen W ohlstandes des Im perium s bezeichnet, denn sie werden ganz m echanisch als Fortsetzer des W erkes ihres Vaters aufgefasst, gleich ob diese Voraussetzung stim m t oder nicht.4 Die Nachfolgeordnung im röm ischen Im perium bildete einen wichtigen B estandteil des politischen Gedankeninhalts der HA. Die Bedeutung, die der Biograph dieser Frage zuschrieb, w ird durch die system atische Aufmerksam­ keit bewiesen, die der HA-Verfasser der H errschaftsordnung in sachlich expo­ nierten Zusammenhängen widm ete. Ebenso wie auch in anderen Fällen legt er dem Leser keine zusam m enfassende Erklärung vor, indem er an einer ein­ zigen Stelle klar und ausführlich sagte, was er über das Problem genau denkt. Seine Anschauugen über das Wesen des dynastischen Prinzips, die von W. H artke und in der letzten Zeit erneut von J. Béranger ausführlich behandelt w urden, sind in einzelnen Biographien zerstreut. In ihrem Komplex verraten sie jedoch eine Gedanken- u nd Anschauungseinheit, die offensichtlich auf einen einzigen Verfasser zurückzuführen ist. W. H artke hat seine Untersuchung der einschlägigen Stellen m it der Fest­ stellung abgeschlossen, die HA lege Wert in erster Reihe »auf die Beteiligung des Senats bei der Auswahl des Herrschers«, was für »den offenbar stadt­ röm ischen Kreisen zugehörigen Verfasser« und die von ihm propagierte Se­ natsideologie typisch sei.5 Ebenfalls J. Béranger konstatiert den Einfluss, den die senatsfreundliche Einstellung der HA auf ihre Konzeption des dynasti­ schen Prinzips ausgeübt hat. Die HA verhalte sich zu diesem Prinzip jedoch nicht eindeutig — in einigen Fällen sei sie neutral, in anderen beurteile sie es offensichtlich positiv, jedoch an den m eisten Stellen äussere sie sich kri­ tisch dazu.6 F ür die Beurteilung der Frage, in welchem Mass die HA die dynastische Nachfolgeordnung respektiert oder ablehnt, sind diejenigen Passagen wichtig, in denen der Verfasser sich über die Berechtigung des dynastischen Prinzips äussert und dessen Auswirkungen charakterisiert, so w eit sie sich in der Ge­ schichte des Im perium s w ährend des von ihm behandelten Zeitraums wider­ spiegeln. Für den T/A-Verfasser ist in dieser Hinsicht diejenige Frage am wich­ tigsten, ob die Zugehörigkeit zu einem angesehenen Geschlecht einen hinrei­ chenden G rund bildet, einen Mann als kaiserlichen Nachfolger zu prädesti­ nieren. Eine klare, und m an kann voraus schicken, negative Antwort auf diese Frage bringen die bereits oft untersuchten Stellen, die sich in der HA auf das nomen Antoninorum beziehen.7 Der Name, dessen Ruhm in der HA auf An­ toninus Pius und auf M arcus Aurelius zurückgeführt wird, wird durch aus­ gesprochen positive A ttribute charakterisiert. So w ird nomen Antoninorum als amabile {Dd. 6,2), carum {Hel. 1,5) und vor allem sanctum {OM 7,7—8) bezeichnet und jeder Mann, der es trug, konnte von vorherein damit rechnen, dass er sich allgemein verbreiteten Sympathien erfreut. Nach der HA hat m an in Rom das nomen Antoninorum als einem kaiserlichen Standesnamen aufgefasst : et fu it quidem tam amabile illis temporibus nomen Antoninorum, ut qui eo nomine non niteretur, mereri non videretur imperium {Dd. 6,2). Unter diesen Umständen kam es nach der HA zu den Versuchen, weitere Kai­ ser u n ter die Antonini einzuordnen: unde etiam quidam et Severum et Per­ tinacem et Iulianum Antoninorum praenominibus honorandos putant, unde postea duos Gordianos, patrem et filium, Antoninos cognominatos putant {Dd. 6,3). Auf die terminologische Verwirrung, die in der HA im Zusammenhang m it dem Antoninusnam en zu verzeichnen ist, hat W. H artke hingewiesen; wenn die HA den häufig vorkom m enden Namen Antoninus entweder als praeno­ m en oder als nomen auffasst, ist darin die Praxis der spätantiken Namen­ gebung zu suchen.8 N atürlich rechnet die HA Septim ius Severus, Pertinax, Didius Iulianus und die Gordiane nicht zu den A ntoninen; sie registriert je­ doch diejenigen M änner als Mitglieder der Dynastie, die das nomen Antoni­ norum als einen titulären Nam en an sich brachten. Zu dieser Praxis verhält sich der Biograph negativ, weil auf diesem Wege die durch Commodus einge­ setzte Reihe der schlechten Antonine verlängert wurde. Den Anstoss zu dieser Entwicklung gab Septimius Severus, der seine Söhne als Antonine erklärte, um an die berühm te Dynastie anzuknüpfen (Sev. 19,2 vgl. 20,1). Dieser Schritt h atte schwerwiegende Folgen für die antoninische Tradition im Römerreich. Caracalla w ar seines Nam ens M. Aurelius Anto­ ninus unw ürdig, was sich negativ auf die allgemeine Popularität des nomen Antoninorum unter dem Volke ausw irkte (Sev. 20,11). Der Name Antoninus blieb jedoch unter den Soldaten beliebt und dieser Um stand führte nach der Darstellung der HA den M acrinus zur Entschei­ dung, seinen Sohn Diadum enianus Antoninus zu nennen und ihm dadurch die Sym pathien seitens des H eeres zu verschaffen {OM 5,1; 6,6; Dd. 1,5—8; 2,7.10). Diese willkürliche Aneignung des beliebten Namens wurde vom Volke m it folgendem Witz kom m entiert : Sic Macrinus est Severus, quomodo Dia­ dum enus Antoninus {OM 5,7). Die HA m acht jedoch in geeigneten Zusam­ m enhängen darauf aufm erksam , welche Gefahr für den Staat die Aneignung eines allgemein positiv beurteilten Namens m it sich bringt. Niemand könne näm lich verhindern, dass ein unw ürdiger und schlechter Mann, ob er nun durch B lutverw andschaft, Adoption oder durch eigenm ächtige Entscheidung zu seinem Träger werde, sich auf diesem Wege auch der kaiserlichen Macht bem ächtige und sie zum Schaden des röm ischen Staates ausübe. Als abschreckendes Beispiel, wie der Name m issbraucht werden kann, dient der angebliche Sohn Caracallas — Antoninus Heliogabalus, der das nomen Antoninorum durch seine Lebensweise besudelte (Hel. 3,1 ; 9,2; 17,4; 18,1). Das G esam tbild von der Entwicklung des nomen Antoninorum im 2. und 3. Jh. und des von der HA zusam m engesetzten gleichnamigen kaiserlichen Hauses führte also zur krassen Diffam ierung des Namens (AS 2,2) und zum Verfall der kaiserlichen Macht. Dies stellt die HA mit folgenden W orten fest : denique versus extant cuiusdam poetae, quibus ostenditur Antonini nomen coepisse a Pio et paulatim per Antoninos usque ad sordes ultimas pervenisse, si quidem solus Marcus nom en illud sanctum vitae genere auxisse videatur, Verus autem degenerasse, Commodus vero etiam polluisse sacrati nominis reverentiam ; iam quid de Caracallo Antonino, quidve de hoc ( = Diadumeno) potest dici? postrem o etiam quid de Heliogabalo, qui Antoninorum ultim us in sum m a inpuritate vixisse m em oratur? (OM 7,7—8). In diesem Verzeichnis fehlt Geta, den die HA als den sechsten Antoninus bezeichnet (OM 3,4 vgl. Geta 1,5; 5,3), dem sie aber auch sonst nur wenig A ufm erksam keit schenkt. Die eigenmächtige Aneignung eines Geschlechtsnamens, der seinen Träger autom atisch in die hohe Gesellschaft eingliedert, w ird also von der HA als Form und Möglichkeit des Em porkom m ens abgelehnt. Um diesen Grundsatz möglichst klar zu belegen, beschreibt der HA-Verfasser weitschweifig die offensichtlich fiktive Szene, in der einer der besten Kaiser, nämlich Alexan­ der Severus, den ihm vom Senat angebotenen Antoninusnam en nicht akzep­ tieren will. Um seine Haltung zu begründen, skizziert der K aiser nach der Darstellung der HA die Schicksale des Namens : Antonini ipsi Augusti sunt dicti : sic Anto­ ninus, id est Pius, Marcum et item Verum iure adoptionis vocavit, Commodo autem hereditarium fuit, susceptum Diadumeno, adfectatum in Bassiano, ri­ diculum in Vario (AS 10,4—5). E r selbst fühle, dass er kein Antonine sei, und sehe auch keinen Grund, weswegen er Antoninus heissen sollte : Si enim An­ tonini nom en accipio, possum et Traiani, possum et Titi, possum et Vespa­ siani (AS 10,2). Die Antwort des Senats ist zwar eindeutig — Quomodo Au­ gustus, sic et Antoninus (AS 10,3), aber Alexander b eh arrt stur auf seiner Meinung. Der Sinn dieser Passage ist unm issverständlich : Alexander Severus drückt offensichtlich diejenigen Ansichten aus, die der HA-Verfasser selbst vertrat. Es handelt sich, wie W. H artke bem erkt hat, um eine klare Ablehnung des m it dem dynastischen Namen verbundenen Anspruchs auf die kaiser­ liche W ürde.8 3 Zu den tragischen Folgen des dynastischen Prinzips rechnet die HA jene Fälle, in denen die H errschaft über das römische Reich als Erbschaft einem ungeeigneten Nachfolger übergeben wurde, oder w enn auf diese Weise die Kinder zur kaiserlichen M acht gelangten.9 Zwei M änner sollen in der HA die Gefahr veranschaulichen, die das römische Im perium durch das hereditarium im perium bedroht; es ist Commodus, der Sohn des guten Kaisers M arcus 29 — A rheološki vestnik 449 Aurelius, und Fiorianus, der angebliche B ruder des von der HA hoch ge­ schätzten Kaisers Tacitus.1 0 Bei Commodus konnte der Biograph dessen Lebensgeschichte als Gegen­ satz zu der des Marcus Aurelius auffassen und den Unterschied zwischen dem Vater u nd seinem schlechten Sohn auf diese Art und Weise betonen. Von dem 7/A-Verfasser w ird Commodus zu den schlimmsten K aisern gezählt (Tc. 6,4). Dieser U m stand sollte jedoch dem Herrscherruhm des Marcus Aurelius nicht schaden, was die HA durch eine eigenartige Geschichte zu zeigen versuchte : Aiunt quidam, quod et verisimile videtur, Commodum Antoninum, successo­ rem illius ac filium, non esse de eo natum, sed de adulterio, ac talem fabellam vulgari serm one contexunt (MA 19,1); denique Antonino, cum suos mores sem per teneret neque alicuius insusurratione m utaretur, non obfuit gladia­ toris filius, uxor infam is: deusque etiam nunc h a b etu r. . . (MA 19,11—12). Bei Fiorianus betont die HA die eigenmächtige M achtergreifung, die seine nega­ tiven Charakterzüge verrät, näm lich die effusio und imperandi cupiditas, ob­ wohl er sonst danach trachtete, den Tacitus in seinem Wesen nachzuahmen (Tc. 14,4). Auch in diesem Zusammenhang betont der Biograph, dass das hereditarium im perium den Senat aus der H errschaftsübertragung eigentlich auschliesst: Hic frater Taciti germanus fuit, qui post fratrem arripuit im pe­ rium, non senatus auctoritate, sed suo motu, quasi hereditarium esset im pe­ rium, cum sciret adiuratum esse in senatu Tacitum, ut, cum mori coepisset, non liberos suos, sed optim um aliquem principem faceret (Tc. 14,1). Die Tat des Fiorianus konnte das Andenken seines Bruders nicht beflecken und die HA verhält sich in diesem Falle analogisch, wie bereits im Falle Commodus’ ver­ zeichnet. Obwohl Verfasser der HA meistens über Fiorianus als über einen B ruder des Tacitus spricht, fü h rt er doch eine V ariante an, nach der die bei­ den eigentlich Stiefbrüder w ären : Nam diversis patribus nati ferebantur (Tc. 17,4). Die Haltung des HA-Verfassers zu dem dynastischen Prinzip ist also kri­ tisch, denn in dessen Auswirkungen überwiegen die negativen Seiten offen­ sichtlich die positiven. Man m uss aber die Frage stellen, unter welchen Bedin­ gungen, in welchen Zusammenhängen und in welchem Masse die HA dessen mögliche positive Züge sieht und anerkennt. Die Antwort geben u. a. jene Stellen, in denen die HA ihre Sympathien zum konstantinischen Haus zum Ausdruck bringt und Claudius II. als dessen angeblichen Begrüder preist (CI. 1,1. 3 vgl. 3,1—2; 10,1.7; 13,2.9; A 44,4; Gall. 7,1; 14,3). Die Verdienste um den Staat bildeten den H auptgrund dafür, dass er sam t seinen Verwandten in der Sicht der HA das Recht besass, die kaiser­ liche M acht zu übernehm en und eine Dynastie zu gründen : talis in re p. fuit, ut eius stirpem ad im perium sum m i principes eligerent, emendatior senatus optaret (Cl. 2,8). Der Biograph versucht in der überlieferten Lebensgeschichte des Claudius system atisch nachzuweisen, dass das V erhältnis zwischen Kaiser und Senat im m er freundlich w ar; diese Einstellung seitens des Senats ist u. a. durch Akklamationen dokum entiert, w odurch die Senatoren angeblich die E rhebung des Claudius bestätigt haben sollen (Cl. 4,1—4). Gute Beziehun­ gen zwischen dem Senat und dem künftigen Kaiser seien nach der HA bereits in jener Zeit bezeugt, als Claudius noch ein privatus w ar: Habuit et senatus iudicia, priusquam ad im perium perveniret, ingentia (Cl. 18,1 vgl. 18,2—4). Die HA trach tet offensichtlich danach, die senatsfreundlichen Züge in der Lebens­ geschichte des Kaisers zu betonen und ihn eigentlich als einen Senatskaiser darzustellen. In dieses Licht rückt nicht n u r Claudius selbst, sondern es fällt auch auf die berühm ten Mitglieder seines Geschlechtes. Es ist kennzeichnend, dass die HA darunter auch K aiser Probus rechnen m öchte : Multi dicunt Pro­ bum Claudi propinquum fuisse, optim i et sanctissim i principis, quod, quia per u n u m tantum Graecorum relatum est, nos in m edio relinquemus (Pr. 3,3 ).u W enn auch der Biograph die Richtigkeit der von ihm erw ähnten Über­ lieferung bezweifelt und das Problem ungelöst lässt, da die von ihm heran­ gezogene griechische Quelle offensichtlich fiktiv war, insinuiert er im m erhin dem Leser den Gedanken, die verwandschaftliche V erbindung zwischen Pro­ bus u nd dem konstantinischen H aus sei doch nicht auszuschliessen.1 2 Obwohl die HA die Meinung vertritt, genus Claudii ad felicitatem rei p. di­ vinitus constitutum (Cl. 10,1—3), beurteilt sie die einzelnen Mitglieder des Geschlechtes nach ihren Leistungen (merito virtutum — Cl. 12,3). In diesem Sinn charakterisiert sie auch den ephemären Kaiser Quintilius, der ein B ru­ der des Claudius w ar : Qui factus esset imperator, etiam si frater Claudii prin­ cipis non fuisset (Cl. 1 . c.).1 3 Unabhängig davon, dass der Biograph die konstantinische Dynastie und ihren U rsprung im panegyrischen Ton beschreibt, gibt er im m er zu erkennen, dass er gegenüber dem dynastischen Prinzip Bedenken hegt. An geeigneten Stellen zeigt der HA-Verfasser klar, unter welchen Bedingungen und Voraus­ setzungen es für ihn annehm bar ist: und zwar, w enn bei der H errschafts­ übertragung der Senat aktiv m itw irkt, wenn ein senatsfreundlicher Mann zum Kaiser gew ählt w ird und w enn dabei in erster Reihe seine Leistungsfähigkeit für den röm ischen Staat berücksichtigt wird. Analoge Grundsätze können den Passagen entnom m en werden, die den Gordiani tres gewidmet sind. Die HA versucht deutlich, diese Kaiser als eine Dynastie darzustellen, deren Geschlecht sich durch ehrwürdige Ahnen kenn­ zeichnet ( Gd. 2,2). Die Familie, zu der Gordianus I. m it seinem Sohn und Enkel gehörte, w ar reich und ihre Vorfahren haben sich nach der HA um den röm ischen Staat besonders verdient gemacht (Gd. 2,2—3). W ir sind leider nicht im stande, die Richtigkeit der prosopographischen, nur in der HA über­ lieferten Angaben zu überprüfen. Die Meinung, die auf Grund der Schilderung der HA entstanden ist, die Gordiani wären röm ischer, bzw. italischer H er­ kunft, ist von A. R. Birley in dem Sinn korrigiert w orden, dass ihr Ursprung wahrscheinlich in Kleinasien zu suchen ist.1 4 Um die Bedeutung der Gordiani im politischen Leben des 3. Jh. zu beto­ nen, erw ähnt die HA w eitere gleichnamige Persönlichkeiten : Aelius Gordianus, Gordiani im p era to ris... (AS 68,1): Mitglied des kaiser­ lichen Rates unter Alexander Severus ; vgl. PIR 2 A 181 ; Aurelius Gordianus (A 41,3), identisch m it Velius Cornificius Gordianus (Tc. 3,2), angeblich Konsul im J. 275. E r spielte nach der Darstellung der HA eine wichtige Rolle bei der W ahl des Kaisers Tacitus im Senat. PIR2 A 1519 vgl. PLRE I, S. 398 ; Maecius Gordianus, praefectus (Gd. 30,1) ; nach der HA w ar er mit Gordia­ nus III. verwandt. Die Existenz dieser M änner, die sonst nicht bezeugt sind, ist fragwürdig und höchst wahrscheinlich auf die Phantasie des HA-Verfassers zurückzu­ führen. Die Absicht, m it der er diese Gordiani in sein Werk einführte, ist offensichtlich klar genug ; er versuchte zu zeigen, wie die mächtigen Geschlech­ ter bei wichtigen Ereignissen ihren Einfluss ausüben sollten. Sie sollten da­ bei ihre K räfte in erster Reihe dem Senat zur Verfügung stellen, wobei sie sich selbst m it dessen Zustimm ung bis zur kaiserlichen W ürde em porarbeiten könnten, ohne jedoch das E rbrecht daran für im mer zu gewinnen. Die zweideutige Einstellung des ÜA-Verfassers zu den M ännern angese­ hener Abstammung hilft ihm bei der positiven Einschätzung der illyrischen Soldatenkaiser, deren H erkunft er zwar auf keinen Fall als vornehm bezeich­ nen kann, die aber zur W iedervereinigung und Erneuerung des römischen Staates in der zweiten Hälfte des 3. Jh. entscheidend beigetragen haben. Dies ist allerdings der Fall des bereits erw ähnten Claudius II. (CI. 13,1—4 vgl. besonders: de avis nobis parum cognitum; varia enim plerique prodide­ runt) und des Probus (Pr. 3,1). Ähnlich verhält sich die HA bei der Charakte­ ristik der H erkunft des Aurelianus, der einerseits als clarissimus princeps, severissim us imperator für seine Verdienste um das römische Reich (A 1,5), andererseits als princeps necessarius magis quam bonus (A 37,1) wegen seiner harten Politik gegenüber dem Senat (A 21,6 vgl. 21,8 und 50,5) bezeichnet wird. Über seine H erkunft führt die Biographie an : ... divus Aurelianus ortus, ut plures loquuntur, Sirm ii familia obscuriore, ut nonnulli, Dacia ripensi (A 3,1), . . . Aurelianus modicis natus parentibus (A 4,1). Der Biograph stellt in Bezug auf die Bedeutung der H erkunft eines Kaisers ausdrücklich fest : nec tamen magnorum principum in rebus sum m a sciendi est, ubi quisque sit genitus, sed qualis in re p. fuerit (A 3,3). In der folgenden Passage spricht die HA von den G eburtsorten berühm ter Philosophen, wodurch der Sinn der zitierten Behauptung bewiesen werden soll (A 3, 4—5); es ist jedoch klar, dass der G eburtsort nur eine Seite des angeschnittenen Problems darstellt; die andere besteht in der Frage nach der gesellschaftlichen H er­ kunft, m it anderen W orten nach der Abstammung und eventuellen Legitimität des Anspruches auf die kaiserliche Würde. In diesem Zusammenhang sind die W orte kennzeichnend, die die HA den Senatskaisern des J. 238 widmet : Ego principes dico, vos firmate, si placet, sin minus, meliores ostendite; M aximum igitur atque Balbinum, quorum unus in re militari tantus est, ut novitatem generis splendore virtutis evexerit, alter ita clarus nobilitate est, ut et morum lenitate rei p. sit necessarius et vitae sanctimonia (M B 2,6—7). Der Mann, dem die HA diese W orte in der Senatssitzung in den M und legt, heisst Vectius Sabinus; diese offensichtlich fiktive Persönlichkeit stam m t nach der HA ex familia Ulpiorum (MB 2,1); es sei hier darauf hingewiesen, dass die M utter Gordianus’ I. angeblich Ulpia Gordiana hiess und m it dem Kaiser Traianus verwandt w ar (Gd. 2,2). Wir haben also m it einem weiteren Mann aus dem Umkreis der Gordiani zu tun, der einen wichtigen Einfluss auf die politischen Ereignisse in der ersten Hälfte des 3. Jh. laut der HA ausübte. Das resultierende Bild des dynastischen Denkens in der HA kann also etwa auf folgende Art und Weise zusammengefasst w erden : Die Auffassung der idealen kaiserlichen Nachfolgeordnung, die der HA entnom m en werden kann, ist in ihren wesentlichen Zügen antidynastisch. Dies ist eine begreifliche Folgerung der senatsfreundlichen Haltung der HA, die die kaiserliche Wahl für ein unbestreitbares Recht und eine selbstver­ ständliche Pflicht des röm ischen Senats hält. Der V erfasser der HA w ar sich jedoch dessen bewusst, dass w eder das dynastische Prinzip, noch die Ak­ klam ation des Prätendenten durch die Armee als Form en der M achtergreifung aus dem politischen Leben ausgeschaltet werden können. E r fordert also, dass dem Senat eine aktive Teilnahm e an der kaiserlichen Wahl eingeräum t werde, denn nur dieser kann garantieren, dass die beiden Prinzipien nicht m issbraucht werden. In d er Interpretation der HA w ird das dynastische Prinzip eigentlich auf die Praxis beschränkt, dass der Senat aus seinen Reihen und aus seiner freien Entscheidung einen Mann zum K aiser wählt, der eventuell einem angesehenen Senatorengeschlecht angehört, ohne ihm dadurch gleichzeitig das Recht zu erteilen, die ihm anvertraute M acht autom atisch auf seinen Sohn, bzw. auf einen anderen seiner V erw andten zu übertragen. Der Senat und seine aus adligen senatorischen Fam ilien stam m enden führenden Persönlichkeiten sol­ len also entscheiden, ob ein K aiser auf dem dynastischen Wege gewählt w er­ den soll, oder ob bei der Wahl eher technokratische und m ilitärische Fähig­ keiten des in Frage kom m enden Mannes massgebend sein sollen. Es erübrigt sich zu beweisen, dass diese Anschauungen keine Aussicht besassen in der spätantiken Gesellschaft, in der m ilitärische Macht eine wichtige innenpoliti­ sche Rolle spielte, auf die Dauer als Grundsätze der Nachfolgeordnung durch­ gesetzt zu werden, und dass ihre utopischen Züge die aussichtslose Lage der­ jenigen Schicht bezeugten, deren Interessen die HA zu verteidigen versuchte. Es handelte sich bekanntlich um die stadtröm ischen altröm isch gesinnten senatorischen Kreise. 1 Le règlement successoral d’ Hadrien, BHAC 1963 (Bonn 1964) S. 95—122; vgl. J. Carcopino, Encore la succession d’ Ha­ drien, REA 67 (1965), S. 67—69; T. D. Bar­ nes, Hadrian and Lucius Verus, J RS 57 (1967), S. 65—79; A . Chastagnol, Reeher- ches sur VHistoire Auguste (Bonn 1970), S. 7. 2 J. Straub, Vom Herrscherideal in der Spätantike, Stuttgart 1939 (Nach­ druck 1964), S. 7 ff. 3 Über den Gang der Ereignisse vgl. J. Straub, Vom Herrscherideal, S. 15 ff. Zur Haltung des Symmachus vgl. S. 33 f. 4 Die erwähnten Gedanken kommen bei den Panegyrikern in verschiedenen Zusammenhängen wieder. In ausgepräg­ ter Form sind sie beispielsweise von Na- zarius in den Schlusskapiteln seiner Lob­ rede an den Kaiser Konstantin ausge- drück (Pan. 4 B, 36—38; vgl. 36,2: Tuos Constantine maxime, tuos liberos ac deinceps nepotes tecum optat (sc. Roma), ut tanto a pluribus petantur, quanto maiora noscuntur. Siehe auch Pan. 12 B, 26,5: Quamvis enim, imperator invicte, iam divina suboles tua ad rei publicae vota successerit et adhuc speretur fu­ tura numerosior, illa tamen erit vere beata posteritas ut, cum liberos tuos gubernaculis orbis admoveris, tu sis omnium maximus imperator. 5 Römische Kinderkaiser. Eine Struk­ turanalyse römischen Denkens und Da­ seins (Berlin 1951), S. 92 ff.; 121 f. 6 L’ hérédité dynastique dans l’Histoi- re Auguste, BHAC 1971 (Bonn 1974), S. 1 ff. Vgl. Julien Apostata et l’ hérédité du pouvoir impérial, BHAC 1970 (Bonn 1972), S. 75—93 7 W. Hartke, Römische Kinderkaiser, S. 123 ff.; Sir R. Syme, Emperors and Biography: Studies in the Historia Au­ gusta (Oxford 1971), S. 78 ff. 8 W. Hartke, Römische Kinderkaiser, S. 125 ff.; 131. 8 a W. Hartke, Römische Kinderkaiser, S. 142. 9 Ihre negative Einstellung zu den Kinderkaisern drückt die HA in der be­ reits berühmt gewordenen Passage aus: Dii avertant principes pueros et patres patriae dici inpuberes etc. (Tc. 6,5—6). Diese Probleme wurden von allen in Fra­ ge kommenden historischen Gesichts­ punkten von W. Hartke, Römische Kin­ derkaiser, S. 190 ff. erörtert. 1 0 Zu diesen Problemen zusammen­ fassend W. Hartke, Römische Kinderkai­ ser, S. 95 ff.; 190 ff.; J. Béranger, BHAC 1971 (Bonn 1974), S. 7 ff. 1 1 Vgl. dazu J. Béranger, BHAC 1971 (Bonn 1974), S. 7. 1 2 In diesem Sinn beruft er sich noch auf das Zeugnis einer anonymen und of­ fensichtlich auch fiktiven Ephemeris: unum tamen dico, quod in ephemeride legisse me memini, a Claudia sorore Pro­ bum sepultum (Pr. 3,4). Zu dieser Stelle s. auch W. Hartke, Römische Kinder­ kaiser, S. 103, Anm. 1 . 1 3 W. Hartke, Römische Kinderkaiser, S. 95. 1 4 The Origins of Gordian I. In: Bri­ tain and Rome. Studies presented by his students to Eric Birley on the occasion of his sixtieth birthday. Edited by Mi­ chael G. Jarret and Brian Dobson (Ken­ dal 1966), S. 56 ff. Zu diesen Problemen vgl. auch Sir R. Syme, Emperors and Biography, S. 166 ff. 1 5 Sir R. Syme, Emperors and Bio­ graphy, S. 100 f.; 257. DINASTIČNO MIŠLJENJE V DELU HISTORIA AUGUSTA Povzetek Idealno nasledovanje vladarjev, ki ga indirektno zagovarja Historia Augusta, ni dinastično nasledstvo. Misel pisca je logična, posebej ker je bil naklonjen senatu. Ta je namreč smatral volitev vladarjev za svojo nesporno in samo po sebi umevno pravico. Hkrati pa si je bil pisec dela Historia Augusta na jasnem, da je zaradi pohlepa po oblasti nemogoče odstraniti iz političnega življenja dinastično misel in tudi ne zahteve vojske po umeščanju vladarja. Pisec zahteva, da ima senat aktivno udeležbo pri volitvi vladarja, kajti zgolj senat lahko zagotovi, da bi oba principa ne bila zlorabljena. Historia Augusta interpretira dinastični princip v bistvu kot prakso, da senat iz svojih vrst in neodvisno izvoli vladarja, ne da bi mu hkrati dodelil pravico, da to oblast avtomatično prenese na sina ali drugega sorodnika. Senat sam in vodilne osebnosti, izvirajoče iz plemenitih senatskih rodbin, morajo odločiti, ali naj bo nov vladar izvoljen po dinastični poti ali naj raje odločajo tehnokratske in vojaške sposobnosti. Nepotrebno je dokazovati, da ni bilo nikakih izgledov, da bi se v pozno antični družbi, v kateri je igrala vojaška oblast odločilno notranje politično vlogo, ta nazi- ranja uveljavila. Take utopične ideje so spričevale zgolj brezizgleden položaj tistih slojev, katerih interese je delo Historia Augusta skušalo braniti, in to so bili staro­ rimsko nastrojeni senatorski sloji v metropoli sami.