Die Völker Oesterreich-Ungarns. Ethnographische und kulturhistorische Schilderungen. Zehnter Band. Erste Hälfte. Die Slovenen. Von Josef Lu man. Wien und Teschen. Verlag von Karl P r v ch a s k a. 1881. Vir Romunu Von Josef 8um a n. Wien und Teschen. 'Verlag von Karl P r o ch a s k a. 1881. Alle Rechte Vorbehalten. Buchdruckcrci von Karl Prochaska in Tcschcn- Inhalt. Seite Einleitung. Die Wohnsitze der Slove nen . 1 Die Namen der Slovencu . 3 Das Alter und die Ursitze der Slovenen. 4 Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze ... 14 Culturzustände der heidnischen Slovenen .27 Die Christianisierung der Slovenen.36 Skizzierte Geschichte der von Slovenen bewohnten Länder .... 67 Sitten und Gebräuche der Slovenen.79 Die slovenischc Sprache und ihre Geschicke.106 Die slovenische Literatur.123 Die Pflege der Künste uns Wissenschaften.173 Prospekt. österreichisch-ungarische Monarchie ist in mehr als einer ^^Beziehnng ein anziehender Gegenstand wissenschaftlicher For¬ schungen und Darstellungen. Schon ihr Landschaftsgepräge mit seinen schlagenden Gegen¬ sätzen, hier der Alpenwelt und dort der Steppenfläche, mit allen Gebirgsfvrmen und Gesteinsarten, überkleidet mit der mannigfaltig¬ sten Pflanzendecke, bevölkert von der reichartigsten Thierwelt, bietet eine seltene Abwechslung auf dem verhältnißmäßig engen Gebiete eines Reiches. Seine Grenzen umfassen zugleich die Gegensätze des kalten Nordens und die Eisregion der höchsten Alpenzüge, und wieder des heißen Südens, welcher nach Dalmatien die glühenden Winde des Seirocco von Afrika herüberschickt. Doch Aehnliches bieten auch andere Staaten in noch engeren Grenzen; eigenthümlich ist der österreichisch-ungarischen Monarchie ein noch interessanteres Schauspiel. Auf ihrem Gebiete begegnen sich die Ausläufer des Morgenlandes und des Abendlandes und die herrschenden Volks- stümme von Europa: die Germanen, die Slaven und die Romanen; und sie haben sich hier vermengt, in einander geflochten nnd verknotet. Zwischen ihnen wohnen noch andere Bolksstämme vvn wichtiger Bedeutung: voran die Magyaren, aus Asien eingewandert nnd hier zu einer großen Machtstellung gelangt, nnd die Semiten, welche mit besonderer Lebenskraft nnd vvrragendem Geschäftstrieb ansgestattet, auch in der weit zerstreuten Eingliederung doch in einem geistigen Zusammenhänge stehen, der ihren Einfluß als Volksstamm sichert. Und nm die Erscheinung noch bunter zu machen, bewohnen nicht bloß gleich¬ sprachige Stämme der genannten Volksracen unsere Monarchie, sondern von jedem Volke wieder mehrere in den Mundarten und Sitten, sowie in der Cultur-Entwickelung verschiedene Zweige, so von der romanischen Race: Italiener, Ladiner und Rumänen; von der germanischen: Schwaben, Sachsen und Franken; von der slavischen: Czechen, Polen, Ruthenen, Slovenen und Serben; von der magyarischen: Magyaren, Jazygier, Knmanier und Szekler. Die Gebiete der Geographie, der Zoologie, der Botanik und Mineralogie Oesterreich-Ungarns sind in zahlreichen wissenschaft¬ lichen Bearbeitungen dargelegt worden; das hochinteressante Gebiet der Ethnographie und CultUrgeschichte seiner Volker liegt fast brach. Die neuesten Geschichtswerke über Oesterreich-Ungarn, auch die besten, schildern nur die Reichs- und Staatengeschichte und werfen nur Streiflichter auf das Volksthum; dieses ist aber der geistige Träger der geschichtlichen Ereignisse, der großen Thaten, die seine Völker vollzogen haben, der schweren Leiden, die sie erdulden mußten und die ihren Charakter, ihre Sitten und ihren Brauch beeinflußten und änderten und ihr Wesen und ihre Eigen¬ heiten zur charakteristischen Erscheinung brachten. Das hier vorliegende Werk stellt sich als ein Versuch dar, in dieser Richtung ergänzend einzutreten und durch Vereinigung der Ethnographie und Kulturgeschichte aller Völker Oesterreich- Ungarns in einem von dem Geiste der Versöhnung getragenen und in allen seinen Theilen gleichmäßig durchgeführten Werke ein Gesammtbild von deren Entwicklung, Fortschritt und heutigen: Zustande zu geben. Die innere Eintheilung des Stoffes ist folgende: 1. Geographisches Gepräge des Wohngebietes, insoweit das Land auf den Charakter seiner Bewohner, auf ihre leibliche und geistige Entwickelung Einfluß übt. — 2. Einwanderung und Ansied¬ lung, Culturzustand zur Zeit derselben. Ausbildung des staatlichen Gemeinwesens. -- 3. Religion und geistiges Leben. 4. Soziale Entwickelung. — 5. Volkswirthschaftliche Entwickelung. — 6. Die neue Zeit und die Stellung des Volksstammes im Staate. Die neue Erhebung des nationalen Geistes. — 7. Gegenwärtiger Stand: Statistisches. Territoriale Bertheilung. Sitten und Gebrauche. Sage und Volkslied. Geistige Entwickelung. — 8. Stellung inmitten der anderen Volker und Verhältniß zu denselben. Das ganze Werk wird folgende 12 Bände umfassen: Band 1^4. Oie Deutschen und zwar: Band 1. Die Deutschen in Nieder- und Ober-Oesterreich' Salzburg, Steiermark, Kärnthen und Kram. Von Or. Karl Schober, k. k. Gymnasial-Director in Wr.-Neustadt. Preis ft. 3.50 kr. oder M. 6.50, gebunden 80 kr. oder M. 1.60 mehr. Band 2. Die Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien. Von Otto Lohr, Secretär des deutsch-historischen Ver¬ eines in Prag. Band 3. Die Deutschen in Ungarn und Siebenbürgen. Von vr. J. H. S chwicker, Ghmnasial-Professvr in Budapest. Preis sl. 4. — oder M. 7.50, gebunden 80 kr. oder Bi. 1.60 mehr. Band 4. Die Tiroler. Von vr. Josef Egger, Gym- nasial-Professor in Innsbruck. Band 5. Oie Magyaren. Von Panl Hunfalvy, Ober¬ bibliothekar der ungarischen Akademie in Budapest. Preis fl. 2.40 oder M. 4.50, gebnndeu 80 kr. oder M. 1.60 mehr. Baud 6. Oie Rumäne» in Ungarn, Siebenbürgen und der Bukowina. Von Joan Slavici in Bukarest. Preis fl. 2. 40 oder M. 4.50, gebunden 80 kr. oder M. 1.60 mehr. Band 7. Die Semiten. Band 8—11. Die Slaven und zwar: Band 8. Die Czecho-Slaven. Von I)r. Jaroslav Vlach, Professor am Realgymnasium in Kolin. Band 9. Die Polen und Ruth en en. Von IR-. Jos. Szujski, Professor an der Universität in Krakau. Band 10. Erste Hälfte: DieSloveneu. Von Josef äuman, Professor am k. k. akademischen Gymnasium iu Wien. Preis fl. 1.80 oder M. 3.50. — Die Kroaten. Von Josef Starä, Gymnasial-Director in Belovar. Band 11. Die Süd-Slaven in Dalmatien und im süd¬ lichen Ungarn, in Bosnien und in der Herzegovina. Von Theodor Stefanoviü, Ritter von Vilovo. Band 12. Die Digrnncr in Ungarn. Von vo. I. H. Schwicker, Gymnasial-Professvr in Budapest. Jeder Band bildet ein für sich abgeschlossenes, einzeln verkäufliches Buch. Bis November 1881 sind erschienen: Band 1 broschirt ü fl. 3.50 oder M. 6.50, — Band 3 broschirt ü fl. 4. — oder M. 7.50, — Band 5 broschirt ü fl. 2.40 oder M. 4.50 — Band 6 broschirt ü fl. 2.40 oder M. 4.50. — 10 erste Hälfte ü fl. 1.80 oder M. 3.50. Gebundene Exemplare ä 80 kr. oder M. 1. 60 mehr. Bis Mitte des Jahres 1882 wird das Werk vollständig vorliegcn. Karl Prochaska. Teschen, November 1881. Einleitung. Die Wohnsitze der Slov en ein Die Slvvenen bilden im slavischen Stamme den nördlichen Zweig des südslavischen Astes. Sie berühren sich im Süden auf der ganzen Strecke vvm adriatischen Meere bis znm unteren Mur- Laufe mit den Kroaten, deren Sprache sich von der slovenischen nach Maßgabe der südlichen Entfernung allmählich abzweigt, sv zwar daß die Mundart, wie sie im sogenannten Civil-Kroatien, in den Älpanien Agram, Varasdin, Kreuz gesprochen wird, von dem gegenwärtig größten Kenner der slavischen Sprachen, von Miklosich zu der slovenischen Sprache gerechnet wird. Im Westen reichen die Slovenen bis an das adriatische Meer, sv in Istrien und Triest, oder bilden die Grenze gegen das Königreich Italien, so im Görzischcn und im südwestlichen Kärnthen; zwischen der kärnthnisch-görzischen Landesgrenze und Kvrmin im Görzischen überschreiten sie die Reichsgrenze nnd bilden in der Präfectur Udine eine müßige Bucht ins Königreich Italien. Im Osten wohnen die Slvvenen über die Grenze von Steiermark hin¬ aus auch in Ungarn, und zwar im Szalader, Eisenburger und theilweise in: Veszprimer Cvmitat. An der Nordgrenze berühren Dlc Slovenrn ven Prof. I. äuman. 2 sich die Slovencu mit den Deutschen auf der ganzen Strecke von der kärnthnerischen Grenze bei Pontafel bis St. Gotthard in Ungarn. Als ideelle Grenze zwischen den Deutschen und Slovenen außerhalb Ungarns könnte uran sich eine Linie von Villach in Kärnthen bis Radkersburg in Steiermark ziehen; diese Linie würde nahezu mit dem geographischen Breitegrade 46'6 zusainmen- fallen; au den Gebirgsküinmen überschreiten die Slovenen diese Linie, in den Ebenen werden sie von den Deutschen znrück- gedrängt. Die Slovenen bewohnen demnach an den südöstlichen Ausläu¬ fern der Alpen und am Karst einen zusammenhängenden Lünder- eomplex von 251 sisiN". Sie bewohnen das Herzogthnm Kram außer Gotschee in der Zahl von 420.400 Einwohnern, das südliche Kärnthen 96.580 Einwohner, Unter-Steiermark 431.730 Einwohner; dann die Grafschaften Görz und Gradiška, das Gebiet von Triest, das nördliche Drittel von Istrien, zusammen 235.225 Einwohner; ferner einen Streifen im westlichen Ungarn 55.000 Einwohner und den Ostrand des Königreichs Italien 27.000 Ein¬ wohner. An der Grenze und in den größeren Städten sind ein¬ zelne fremde Ansiedelungen der benachbarten Stämme, in den Grenzstädten selbst ist im Westen die italienische, im Norden die deutsche Bevölkerung vorherrschend. Die slovcnische Bcvölkerungs- ziffcr betrügt demnach, die kroatischen Slovenen ungerechnet, min¬ destens 1,300.000 Einwohner. Dem Religionsbekenntnisse nach sind die Slovenen fast durch¬ wegs Katholiken, nur in Ungarn sind in vier Pfarren ungefähr 15.000 Protestanten. Die Slovenen sind in der österreichischen Monarchie ein wich¬ tiger Factor, sowohl als Grenznachbarn gegen Italien, als auch als Mittelglied zwischen der deutschen und der übrigen südslavischen Bevölkerung; mit der ersteren leben sie in mehr als tausendjährigem Verkehre, mit den Südslaven sind sie durch die Sprache und Abstammung in engster Verwandtschaft. Die Namen der Slovenen. Im Munde der deutschen Nachbarn werden die Slovenen Wenden, Winden und ihre Sprache die windische genannt. Nebst unsern Wenden heißen die slavischen Reste in der Ober- und Niederlansitz auch Wenden; überhaupt werden von: VI. bis XII. Jahrhundert alle slavischen Stämme bei den Schriftstellern des Westens, namentlich bei den deutschen und italienischen Schrift¬ stellern mit dem Namen Wenden, Winden bezeichnet, bei den alten griechischen und römischen Schriftstellern findet sich der Name Veneden vder Veneter. Der Name Slowene ist der einheimische Name unseres Volksstammes und lautet im Slowenischen selbst Slvvönec, zur Zeit des Trubar und Dalmatin 1550, 1578 auch noch in der Form Slovön. Mit diesem Namen verwandt ist der Name Slovak, die Bezeichnung des nordungarischen Slaven, und der Ländername Slavvnien. In griechischen Quellen reicht der Name Slovön wahrscheinlich bis Ptolomäus (175 nach Christi) zurück, ,wv er als Stavan für Stlavan mit eingeschaltetem t überliefert ist; ' in der lateinischen Sprache findet sich der Name zuerst bei Jor- uandes (552 nach Christi) in der Form Sclav, Sclavin mit ein¬ geschaltetem c. Heutzutage bezeichnet der Name Slovönee die Individualität unseres slowenischen Stammes zum Unterschiede von Slovön oder Slovan, womit der gesummte slavische Volksstamm bezeichnet wird. Der heutige Gesammtname Slovön, Slavan, Slave bezeichnete anfangs nur einen Thcil der slavischen Bevölkerung und 4 zwar gerade unsere heutigen Slovenen und ihre engeren Verwandten in Pannonien, Dacien, Mösien; wit dem Gesammtnamen hießen die Slaven ursprünglich bei den Ausländern Wenden, im Volke selbst aber wahrscheinlich Svrben oder Serben, ein Name, der sowohl im Norden bei den Lausitzer-Wenden, als auch im Süden bei den Slaven des Fürstenthums Serbien u. s. f. erhalten ist und von Prokop (552 nach Christi) in der mangelhaften Form Sporen aus Sropen überliefert zu sein scheint. Wann und wie der Specialname Slovön, Slovan zur slavischen Gesammtbezeich- nung geworden, ist nicht ermittelt? Miklosich meint, dem Umstande, daß die Slovenen in Noricum, Pannonien, Mösien und Dacien zuerst christianisiert und so den Culturnativuen im Westen und Süden, den Deutschen und Griechen bekannt geworden sind, sei es zuzuschreiben, daß in Folge der weiteren Christianisierung der Slaven nut der slovenischen Schrift und den liturgischen Büchern zugleich auch der Name der Slovenen auf die übrigen slavischen Stamme, und zwar mit einer geringfügigen Mvdifieativn über¬ tragen worden sei. Das Alter und die Ur sitze der Slovenen. Die Frage über das Alter und die Ursitze der Slovenen hängt mit der dicßbezüglichen Frage rücksichtlich aller Slaven enge zusammen. Es bestehen darüber zwei widerstreitende Ansichten. Einige Geschichtschreiber haben die Slaven für ein neu einge¬ wandertes Volk erklärt, das erst im V. Jahrhundert nach Christi in Gemeinschaft mit den Hunnen, Avaren und andern asiatischen Barbaren in Europa eingedrungen sei und sich vom schwarzen Meere aus zwischen 460 — 638 über den Westen und Norden Europas ausgebreitct habe. Die andere Ansicht dagegen, die seit ? / isti o dem Aufblühen der sprachvergleichenden Wissenschaft täglich mehr an Boden nnd Glaubwürdigkeit gewinnt, geht dahin, daß die Slaven, weil sie der Sprache und der Abstammung nach zur europäischen Gruppe der indoeuropäischen, oder wie sie auch genannt wird, der indogermanischen Völkerfamilie gehören, deshalb anch ihre Stammsitze in Enropa gleichzeitig mit ihren europäischen Ver¬ wandten eingenommen haben müssen. Und in der That erscheinen die Slaven bei den Schriftstellern, die ihrer um die Zeit der Völkerwanderung ausdrücklich erwähnen, in Europa als ein zahl¬ reiches, ausgedehnte Lünderstrecken bewohnendes, ansässiges Volk. Von ihrer Einwanderung in Europa um die Zeit der Hunnen ist nirgends die Rede, im Gegentheile ihre Seßhaftigkeit tritt aus den bezüglichen Nachrichten deutlich hervor. Die erste urkundlich sichere Nachricht über die Slaven reicht bis ins IV. Jahrhundert nach Christi Geburt und rührt von Jornandes her. Jornandes, ein Gothe an der unteren Donau nm 552 nach Christi, sagt nämlich im Anfänge seiner Geschichte der Gothen, daß an der Nordseite der Karpathen und von den Quellen der Weichsel an über einen unermeßlichen Raum der volkreiche Stamm der Wunden (Wenden) angcsiedclt sei. Obwohl die Namen der Wunden nach Verschiedenheit der Stämme und Sitze verschieden seien, so werden sie doch vorzugsweise Selavinen und Anten genannt. Jornandes bezeichnet dann in: einzelnen die Wohnsitze der Slaven, allerdings mit Rücksicht auf seine Zeit, in der sie sich bereits weiter gegen Süden ausgebreitet hatten. Nach ihm wohnten die Anten am schwarzen Meere da, wo es eine Krümmung macht, zwischen Dniester nnd Dnieper; die Selavinen westlich von den Anten und gegen Norden bis an die Weichsel. Eine zweite Nach¬ richt desselben Schriftstellers berührt die Zeit, in der sich die Slaven an den bezeichneten Wohnsitzen bereits vorfindcn; es ist 6 das nämlich die Zeit zwischen 332—350, wo der Gothenkönig Ermanarich mit ihnen Krieg führte. Erwähnenswerth ist hiebei, daß sie Jvrnandes an dieser Stelle Veneter nennt. Ähnliches berichtet über die Slaven der Zeitgenosse des Jornandes, Proko¬ pius von Caesarea, ein berühmter Staatsmann und Secretär des Belisar. „Die Lander im Norden des schwarzen Meeres," schreibt Prokop, „enthalten die unzähligen Völkerschaften der Anten. Die Slaven und die Anten führten vorher einen Namen, sie hießen nämlich vor Alters Sporen" - ein Name, der wahrscheinlich ans Sropen entstanden und dem heutigen Sorben, Serben, entspricht. - „Der größte Theil der Länder ans der nördlichen Seite des Jster ist in ihrer Gewalt." Wir erfahren also aus Jornandes und Prokop, daß das flavische Volk schon von Alters her und sicherlich um 332 — 350 nach Christi, somit vor dem Eindringen der Hunnen iu Europa (375) im Norden der untern Donau und der Karpathen einen großen Flächenraum bewohnte und mit dem (fremden) Gesammtnamen Wunden respective Veneter oder Veueden (Wenden) und dem (einheimischen) Namen wahrscheinlich Sorben genannt wurde, außerdem aber noch Speeialnamen hatte, von denen der eine der Name Slovenen, Slaven war. Wir haben aber noch weitere und altere Nachrichten über die Slaven. Wir finden nämlich bei Plinius (79 nach Christi), Tacitus (100 nach Christi), Ptolomäus (175 nach Christi) und auf einer alten Völkcrkarte, genannt Peutinger'sche Tafel (16 l bis 180 verfaßt, 423 nach Christi revidiert) den Namen der Veneden (auch Vonoti geschrieben), ein Volk, welches nach den genannten Schriftstellern und Urkunden am rechten Weichsel-Ufer nördlich von den Karpathen gegen die Ostsee hin wohnte. Auch Kaiser Volu- sian ließ im Jahre 253 zum Andenken an seine wenn auch erfolg¬ losen Kriege eine Münze prägen, worauf neben den andern Titeln 7 auch der Titel FinnicuS und Vendieus zu lesen ist. Freilich ist auf letzteren Urkunden die Nationalität der Veneden nicht naher bezeichnet, allein nebst dein Namen sind ihre Wohnsitze bestimmt, und die Wohnsitze stimmen mit den von Prokop und Jornandes bezeichneten Wohnsitzen der slavischen Winiden, respective Veneter im wesentlichen überein. Es ist somit schon aus dem Namen und den Wohnsitzen der Schluß auf die Continuität der Wohnsitze und somit auf die Nationalität der Veneden respective Veneter des Plinius und Tacitus berechtigt. Das Alter der Slaven geht aber noch weiter zurück. Es ist auch von vorne berein wahrscheinlich, daß ein so zahlreiches Volk, wie es heute die Slaven sind und es zur Zeit des Prokop und Jornaudes bereits waren, ein Volk, das mit den europäischen Hauptvölkern verwandt ist, auch im Punkte der Einwanderung in Europa die Schicksale derselben getheilt habe; es ist wahrscheinlich, daß die Slaven mit den übrigen europäischen Hauptvölkern den Griechen, Romern und Thrakern, den Kelten, Germanen und Lithaneru entweder gleichzeitig oder wenigstens nicht viel spater ans dem europäischen Schauplatze erschienen sind. Die Lage ihrer Wohnsitze erklärt es, daß die Slaven so wenig nud so spät den Griechen und Römern, den damaligen Trägern der Cultnr und Wissenschaft bekannt wurden, und daß wir deshalb aus alter Zeit so spärliche Nachrichten über die Slaven besitzen. Wissen wir doch selbst über die Kelten und Germanen nichts weiteres, als was uns die Römer und Griechen über sie mitgetheilt, seit sie mit ihnen in Krieg oder friedlichen Verkehr geriethen. Schafakik führt es geradezu aus, daß die Slaven seit den nrältesten Zeiten im Osten der Kelten und Germanen, im Norden der Thracier, im Westen der Sarmaten und Scythen, ursprünglich bis zur Ostsee hinauf wohn¬ ten, daß die Slaven es waren, welche den vom griechischen 8 Geschichtschreiber Hervdvt (490-449 vvr Christi) erwähnten Bernstcinhcmdcl trieben. Der Bernstcinhandel reicht aber bereits in die Zeiten Hesiod's (750 — 700 vor Christi) zurück. Der¬ selbe wurde auf drei verschiedenen Straßen betrieben. Die erste, wie es scheint, älteste Straße ging vvm Ostsee-Ufer über den Eridanus (wahrscheinlich die heutige Düna, vordem Rudon) durch die Länder hinter den Karpathen nach dem Süden an das schwarze Meer, namentlich zn der griechischen Colonie Olbia; die Zweite über die Karpathen durch Pannonien an das adriatische Meer zu den dort ansässigen Venetern; die dritte endlich über Germanien und Gallien nach Massilia und von da weiter nach Phönicien und Carthago. Die Behauptung, daß slavische Veneter, an der Ostsee ansässig, den Bernsteinhandel betrieben, begründet Schafatik folgender¬ maßen. Es bestand bei den Griechen eine alte Überlieferung, daß der Bernstein vom Norden aus dem Lande der Veneter komme, wo der Fluß Eridanus sei. Ju späterer Zeit hatte sich Zwar die Überlieferung bei den Griechen so verdunkelt, daß man an die Veneter am adriatischen Meere dachte und den Eridanus mit dem Padus identisicierte- Dies war nm so leichter möglich, als die Veneter zwischen 340—320 vor Christi durch die Gothen, die aus Skandinavien kamen, von der Ostsee abgedrängt wurden. Jndeß der Fundort des Bernsteins Bannoma, welcher Wenden¬ heimat bedeutet, und der Name wendischer Busen, eine alte Bezeich¬ nung der Ostsee, bezeugen genugsam die Thatsache, daß einst an der Ostsee Veneter saßen; an der Küste des adriatischen Meeres war dagegen niemals Bernstein zu finden. Ferners erschienen nach Pompvnius Mela und Plinius im Jahre 58 vvr Christi an der germanischen Küste seefahrende Inder, die vvm indischen Meere nach dem germanischen Meere verschlagen wurden. Diese Inder 9 waren aber nichts anderes als Winden, Wenden, Reste der an der Ostsee seßhaften slavischen Veneter. Die Schreibung Jndi für Vindi ist nm so begreiflicher, je bekannter es ist, daß die Aus¬ sprache des Consonanten W bei den alten Germanen und Galliern einem bloßen labialen Hauch glich. Schafarik geht noch nur einen Schritt weiter und erklärt nicht bloß die Venedi, Veneti, im Norden der Karpathen, sondern auch die Namensväter von Venetien und Venedig, die Veneter am adriatiichen Meere für ursprüngliche Slaven, indem er sich hiebei ans den Rainen Veneter und auf Polybius beruft, der die Sprache der Veneter als von der Keltischen verschieden bezeichnet. Die Slaven hatten nach Schafakiks Ansicht ursprünglich auch die Donau-Länder inne gehabt, ihre Sitze reichten in der ältesten Zeit vom adriatischen Meere bis zur Ostsee, von der Oder bis zu den Quellen des Dnieper und Don, und der slavische Stamm war seinem Volksreichthum nach schon damals den stärksten europäischen Stämmen gleich, ja hat sie übertroffen. Im Laufe der Zeit erst wurden einige ursprünglich von Slaven bewohnte Länderstriche von andern Volkern in Besitz genommen, so daß die Slaven dort zum Theile' verdrängt, zum Theile unterjocht wurden. Insbesondere sind die Gothen, welche ursprünglich im Gothaland, Skandinavien gewohnt hatten, erst mit der Zeit, wahrscheinlich im IV. Jahr¬ hundert vor Christi an die Ostsee gezogen, wo sie der gelehrte Pytheas vorfindet, den die griechischen Colonisten in Masfilia uni 320 vor Christi ansgesandt hatten, um Nachrichten über die Bernsteinknsten cinzuholen. Für diese Zeit, beiläufig 320 vor — 182 nach Christi, wurden die dortigen Slaven zwischen der Oder und Weichsel zum Theile vertrieben, zum Theile den Gothen dienst¬ bar gemacht. Daraus erklärt sich auch, wie Plinius die Gothen Zu den windilischen, d. h. zu den im Lande der Winden ansässigen 10 Germanen zählt. Ein ähnliches Bewandtnis;, wie mit den Win- diliern, hat es mit den Vandalen. Im II. Jahrhundert nach Christi nun, als die Gothen von der Ostsee-Küste gegen das schwarze Meer zogen und die Gegenden zwischen Duiester und Duieper besetzten, rückten die Stauen im Norden wieder an ihre Stelle nach, respective die früher unterjochten lebten wieder auf, während sich im Süden die Gothen längs der ganzen Krümmung des schwarzen Meeres ansbreiteten und sich den benachbarten Völkerschaften und dein byzantinischen Reiche durch ihre Streifzüge furchtbar machten (zwischen 182 — 376 nach Christi), bis sie durch die Hunnen und die Völkerwanderung verdrängt auch hier den Slaven Platz machten. Ähnlich wie die Gothen drangen auch die Kelten (Gallier) erst in Folge der Übersiedlung ans ihrer ursprünglichen Heimat ans Gallien und Britannien sowohl nach Süd-Deutschland als auch in die Alpen- und Donau-Länder ein und verdrängten hier, mitten in die Slavensitze vorrückend, die Slaven für eine Zeit aus deren ursprünglicher Heimat oder unterjochten dieselben. Als der Zeit¬ punkt der keltischen Wanderung der Bojer, Tanrisker und Skordisker nach Süd-Deutschland, den Alpen- und Donau-Ländern ist das IV. Jahrhundert vor Christi anzusetzen; denn Herodot, der die Völker an der untern Donau in Thracien und Illyrien recht gut kannte, erwähnt die Kelten dort noch nicht, während sie Alexander den Großen, als er im Jahre 336 einen Feldzug durch Thracien bis an den Jster unternahm, bereits durch Abgeordnete begrüßten. Demgemäß fand die Einwanderung der Kelten in die Länder der Donau, Drave und Save zwischen 350—336 vor Christi statt, also etwas nach der Zeit des Einbruches der Kelten in Italien- Einzelne slavische Überreste hatten sich auch nach der keltischen Occupation an den südlichen Abhängen der Karpathen erhalten, Einleitung. n vor den Angriffen der Feinde durch die unzähligen Berge geschlitzt. Sie trieben dort Ackerbau und Viehzucht; später, als im Jahre 50 nach Christi die Jazygen die fetten Gegenden an der Theiß zwischen Dacien und Pannonien besetzt hatten, erscheinen sie unter dem Namen Satager, ein Name, der sich noch heute in dein slovakischen Stamme der Totaler erhalten hat, oder als dienende Sarmaten, die sich hänfig gegen die Jazygen empört hatten, um freilich neuerdings wieder den Qnaden und dann den Hunnen tributpflichtig zu werden. Daraus, daß sich Reste von Slaven, allerdings zu verschiedenen Zeiten den Kelten, dann den Jazygen, Gothen, Qnaden und Hunnen unterthanig und tribut¬ pflichtig im ursprünglichen Stammsitze erhalten haben, erklärt sich, schließt Schafarik, die überraschende Erscheinung, daß sich das Slaventhnm in den Donanländern im VI. und VII. Jahrhundert aus friedlichem Wege so rasch verbreitet hatte. Hören wir auch den russischen Chronisten Nestor, der um 1100—1114 schrieb. Nestor erzählt, daß von den vielen Völkern aus dem Stamme Japhets eines das slavische Volk war. Das slavische Volk habe sich an der Donau angesiedelt, dort, wo jetzt das ungrische und bulgarische Land liegt. Von hier aus Hütten sich die Slaven über die Erde verbreitet und nach den verschiedenen Wohnsitzen besondere Namen angenommen. Dann seien die Kelten (Machen) zu den Slaven an der Donau gekommen, hätten ihnen das Land weggenommen, worauf sich dann die Slaven nach dem Norden zurückgezogen, um sich mit ihren Stammesbrüdern zu vereinigen. Diese Nachricht von der Verdrängung der Slaven aus den Donau-Ländern durch die Kelten hat Nestor nach der Ansicht Schafakiks aus der slavischen Tradition geschöpft. Daß die Slaven wie später so auch damals ihre Heldenlieder hatten, daß sie darin 12 das Lob ihrer Helden, das Schicksal ihres Volkes besungen, darüber haben wir ausdrückliche Zeugnisse. Noch heutzutage finden sich in den Fragmenten alter Volkslieder und Volkssagen viele, deren Ursprung in das graue Alterthum zurückrcicht. Dem Nestor standen die Volkslieder und Volkssagen in großem Maße zu Gebote, Quellen, aus denen er sowohl viele andere das Gepräge der Volkssage an sich tragende Nachrichten geschöpft hatte, als auch die Kunde von der Ansässigkeit der Slaven an der Donau, ihre Bedrückung durch die Kelten und den Rückzug hinter die schützenden Karpathen. Die Behauptung SchafakikS, daß die Slaven gleichzeitig mit den übrigen europäischen Völkern der indoeuropäischen Völker¬ familie von Alters her Europa bewohnen, wird von der sprach¬ vergleichenden Wissenschaft vollends bestätigt. In neuerer Zeit hat August Fick es versucht, jene sprachlichen Eigenthümlichkeiten znsammenzufassen, die alle indoeuropäischen Sprachen besitzen und dann solche auszusondern, welche einzelne Gruppen auszeichnen. Aus dieser Darstellung ergibt sich ein faßbarer Gegensatz der asiatischen und europäischen Gruppen der indoeuropäischen Sprachen. Unsere Frage steht nun so: Wohin kommen nach dieser Eintheilung die slavischen Sprachen zu stehen? Die Antwort lautet: zur europäischen Gruppe, d. h. nachdem die europäischen Völker der indoeuropäischen Völkerfamilie vom asiatischen Stamme abgetrennt bereits in Europa lebten, waren die Slaven bei den europäischen und nicht bei den asiatischen Stammesgenossen. Und diese Zeit liegt sicherlich schon vor der Zeit Homers. So weit das Resultat der Sprachvergleichung, welches die europäische Gruppe anlangcnd allgemeine Anerkennung findet. Ob es der sprachvergleichenden Wissenschaft auch gelingen wird, jenen Theil der Behauptung Schafariks, wornach die Slaven vor der durch die Hunnen ein- IS geleiteten Völkerwanderung südlich von den Karpathen und am adriatischen Meere gewohnt haben sollen, aus eventuellen Sprach¬ resten nachzuweiseu, ein Versuch, den gegenwärtig Davorin Trstenjak anstrengt, darüber wird die Zukunft entscheiden. Wir knüpfen in der nachfolgenden Auseinandersetzung an die Nachrichten des Prokop und Jornandes an. Die Einwanderung der Slvvenen in die heutigen Wohnsitze. In den heutigen slovenischen Ländergebieten finden wir in der Zeit der römischen Herrschaft zahlreiche Städte, trefflich ge¬ baute Handels- und Heerstraßen, in den Städten nicht unbedeu¬ tende Bauten, deren Spuren nach erhalten sind, kurz wir finden deutliche Zeichen vvm Kulturleben der damaligen Bevölkerung. Ob nun au diesem Kulturleben in Panuvuieu, Norieum, Libnrnieu, Istrien und Carmen auch slavische Hände unter römischem Cvm- maudv mitgearbeitet, in den daselbst ausgehvbencu Legivueu auch slavische Recrnten und Soldaten gedient, dem römischen Wohlleben auch slavische Kaufleute und Handwerker die Mittel geliefert haben, in doppelter Botmäßigkeit vorerst unter der ihrer ersten Gebieter der Kelten, dann aber beide die Kelten und Slaven dem römischen Machlgebote gehorchend, diese Frage lassen wir in der Schwebe und gehen sofort zu der Erörterung über, wann und wie die heutigen Slvvenen in ihren Wohnsitzen nach der Völkerwanderung erschienen sind. Das heutige sloveuische Gebiet hat von jeher die vermittelnde Heerstraße zwischen Italien und dem Osten Europas gebildet. Diese Straße benützte auch, wie es scheint, die große Völker¬ wanderung, die Europa eine neue Gestalt gab, indem sie das morsche römische Reich niederwarf und neue Reiche begründete. Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. 15 Die Völkerwanderung beginnt mit den Hunnen. Die Hunnen, ein wilder ural-altaischer Vvlksstamm, drangen 376 über die Wolga. Nachdem sie das vstgvthische Reich am schwarzen Meere niedergeworfen hatten, zogen sie nach Westen, die Ost-Römer zahlten ihnen Tribut; 443 kam Attila, die Geisel Gottes, zur Regierung; verstärkt mit den Resten der besiegten Völker vom easpischen Meere bis zum Rhein, namentlich der Gothen, Gepiden, Thüringer, zog er 450 zerstörend und verwüstend nach Gallien. Nach einem mörderischen Kampfe in den catalannischen Gefilden wurde er veranlaßt nach der Theißgegcnd zurückzukehren, wo er bei Tokai seinen Hof hielt, um das Jahr darauf von neuem nach Italien aufzubrechen; er zerstörte Aquilea, verwüstete Italien, bis er durch Bitten und Geschenke zum Rückzüge bewogen wurde. Nach seinem Tvde 454 löste sich bald sein Reich ans. Es unterliegt keinem Zweifel, daß unter den Hunnen auch die Slaven nach Dacien und Pannonien gezogen sind, daß sie theilweise sich dort angesicdelt und mit den Hunnen in einem gewissen erträglichen Verhältnisse gelebt haben. So wenigstens ist es erklärlich, daß die griechischen Abgeordneten am Hofe des Attila in Ungarn nach dem Berichte des Priscus von einheimischem Volke mit Hirse und Mcth, den slavischcn Nationalprodueten bewirthet wurden, oder daß bei Attilas Begräbnis; nach der Mittheilung des Jornandes die slavischen Leichenmahle, stinva genannt, stattfanden. Daraus ist es auch erklärlich, daß die Slaven nicht nur von byzantinischen, sondern auch von abendländischen Schriftstellern häufig als Hunnen angeführt und daß der Name der Slaven in der gleichzeitigen Geschichte der Hunnen nicht genannt wird. Mit der Bewegung der Hunnen hangen die nach Westen gerichteten Bewegungen der germanischen Völkerschaften zusammen, so die der Gothen, der Vandalen, der Langobarden, die sich in 16 Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. Folge des markomannischen Krieges, 166 — 181, in der Zeit zwischen dein II. — V. Jahrhundert nach Christi vom Norden nach dem Süden gezogen hatten. Die Gothen hatten zwischen 182—215 an dem schwarzen Meere ein großes Reich gegründet, das 220 in ein ost- und westgothisches getheilt wurde. Das ostgothische Reich war durch die Kriegszüge Ermauarichs 332—350 zu einer bedeutenden Macht gelangt, die durch das Vordringen der Hunnen gebrochen wurde. Den Vandalen wurden die Sitze um 280 vom Kaiser Probus in Pannonien an der Grenze Daeiens angewiesen; 406, als die Hunnen vordrangen, zogen sie weiter, nut suevischen Stämmen verstärkt, zuerst durch Alemannien, dann nach Spanien 411, zuletzt nach Afrika 429. Die Langobarden kamen von der untern Elbe über das Rugiland (Mähren), wo sie sich zwischen 487 — 491 aushielten, nach Pannonien 548. Unter den germanischen Volkern machten sonach die Longo- barden den Schluß dieser Wanderungen; ans sie folgten die Avaren, die Nachfolger der Hunnen und die Vorgänger der Magyaren, mit den beiden genannten Völkern verwandt. Die Avaren kamen gleich den Hunnen ans Asien, bis 557 trieben sie sich östlich von der Wolga herum, um diese Zeit gingen sie über die Wolga, verheerten zwischen 559—561 das Land der Anten am Dnieper und Don, zwischen 567-568 setzten sie sich in Pannonien fest, wo sie in ihren Lagern, den nenn großen Avaren-Ningc», durch 200 Jahre zum Schrecken der benachbarten Volker hausten, bis ihre Macht gebrochen und durch Karl den Großen vernichtet wurde 788—799. Die Einwanderung der Slovenen in Pannonien und Noricum füllt, wie es scheint, mit d,er Einwanderung der Avaren, resp. mit / dem Abzüge der Longobstr^m zusammen. In Paul Diaconns (st nm 799) lesen wir, daß der vom sränkischen Könige neu ein- ! Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. 17 gesetzte bairische Herzog Thassilo im Jahre 595 zweimal ins Land der (karantanischen) Slaven einrückte, und daß er das erstemal siegte, das anderemal durch die unvermuthete Ankunft des avarischen Chans eine Niederlage erlitt. Wir finden also im Jahre 595 die Slovenen bereits im Kampfe mit ihren unmittelbaren Nachbarn, den Baiern. Die Slovenen kamen wahrscheinlich vom schwarzen Meere und der unteren Donau, somit von jenen Sitzen her, die Jornan- des und Prokvp den damaligen Slaven znweisen. Diese Sitze hatten die Slaven nach der hunnischen Bewegung und nach Abzug der Gothen eingenommen und dieselben auch bald nach Dacien bis Pannonien d. i. die heutige Walachei, Moldau, Siebenbürgen und das südliche Ungarn vom Pruth bis zur Einmündung der Drave ausgebreitet, denn nach Ankunft der Avaren in Pannonien 567 finden wir die Slaven im Osten, also im Rücken der Avaren als freie und von den Avaren unabhängige Bewohner Daciens, der avarische Chan unternahm erst über Aufforderung des griechischen Kaisers Tiberius Constantinos 581 einen Feldzug dorthin. Die Slaven mußten daselbst eine bedeutende Macht entwickelt haben, indem seit Justinian 527 bis zum Vordringen der uralisch-finnischen Völkerschaft der Bulgaren 678 von häufigen Einfällen der Slaven in das byzantinische Reich berichtet wird. Heut zu Tage sind diese Slaven, die sogenannten dacischen Slovenen, nachdem der Zusammenhang mit ihren Stammesgenossen durch die magyarische Einwanderung 898 abgeschnitten worden war, von der walachischen Nation absorbiert worden, obzwar sie noch im XVII. Jahrhunderte, wie die Ausgabe des slovenischen Katechismus zur Zeit der Reformationsbeweguug beweiset, ja Reste von ihnen selbst bis zum Anfänge unseres Jahrhundertes vorhanden waren. Von der unteren Donau und von Dacien aus Die Slovenen von Prof. I. Auman. 2 18 Die Einwanderung der Slowenen in die heutigen Wohnsitze. verbreiteten sich diese Slaven, die nächsten Verwandten unserer Slovenen, welche Miklosich wegen ihrer späteren Schicksale die bul¬ garischen Slovenen nennt, im Laufe des VI. Jahrhundertes all¬ mählich und geräuschlos über die trausdanuvischen Länder des ost- römischen Reiches: Mösien, Thracien und Maeedvnien; einzelne Stämme drangen im VII. und zu Anfang des VIII. Jahrhun- dertes nach Thessalien und Epirus, vorübergehend selbst nach dem Peloponnes vor, daher anch der Name des Peloponneses Mvrea aus moija slavischen Ursprunges ist. Anfänglich waren sie wahr¬ scheinlich den Byzantinern unterthänig, später standen sie unter eigenen Fürsten, bis sie sich im Lause der Zeiten völlig von den Byzantinern losrissen. Im Jahre 678 brach der uralisch-finnische Stamm der Bul¬ garen in Mösien ein, unterjochte die Slaven und, indem er sie unterjochte und ihnen seinen Namen anfdrückte, nahm er seiner¬ seits von ihnen bis auf geringfügige Residua die Sprache, Sitte und Lebensweise an, zwischen 678 — 860. Das ist der Ursprung der neuen slavischen Vvlksindividuali- tät, der Bulgaren. Sie sind dem Kerne und der Sprache nach Slaven und zwar mit nnsern Slovenen am nächsten verwandt, führen aber seit der bezeichneten Invasion bei fremden Schrift¬ stellern den Namen Bulgaren, nach dem Namen ihrer durch sie absorbierten uralisch-finnischen Eroberer, während sie selbst sich wie zuvor Slovenen nennen und die slovenische (bnlgarisch-slovenische) Sprache sprechen. Im Jahre 86 t wurde der Bulgarenfürst Boris angeblich vom Slavenapostel Methodius getauft, die Bevölkerung hatte zuni Theilc schon vor der Invasion die Taufe erhalten. Zur Zeit seiner größten Ausdehnung umfaßte das bulgarische Reich die gesammten ehemaligen Slaven im heutigen Rumänien, Sieben¬ bürgen und Ostnngarn bis an die Karpathen; im Süden gehörten Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. 19 twßer Mösim zeitweilig Stücke von Thracien, Macedonien und Albanien dazu. Das östliche uud südliche Ungarn kam nach der Vernichtung des avarischen Chanats durch die Frauken 798 an die Bulgaren uud wurde mit slavischer Bevölkerung neu cultiviert. Nach der Vernichtung der Avaren finden wir in ganz Ungarn Slaven, davvu hatten den westlichen Theil die pannvnischen Slovenen inne. Über die Art und Weise, wie die Slovenen in die neuen Wohnsitze gelangt waren, sind die Ansichten der Forscher getheilt. Schafaüik läßt sie nebst den Avaren über die Karpathen kommen. Aus dem Umstaude nämlich, daß die Slovenen mit den Kroaten und Serben der Sprache nach am nächsten verwandt sind, folgert Schafarik, daß sie deren frühere Heimat getheilt haben. Die frühere Heimat der Kroaten und Serben war aber nach allgemeiner Annahme das Land im heutigen östlichen Galizien und Rothrnß- land. Von dort kamen um 634 die Kroaten, denen der byzan¬ tinische Kaiser Heraklius Dalmatien zum Wohnsitze überließ; etlvas später um 636 ließen sich die Serben südöstlich von den Kroaten an dem Flusse Verbas, an der Bosna und Drina nieder. In gleicher Weise sollen demnach auch die Slovenen in ihre neuen Sitze ge¬ kommen sein. Die andere Ansicht geht dahin, daß die Slovenen von der Donau ans sich über Pannonien' und Noricum ausgebreitet haben. Das Slovenische ist nach Miklosich die Sprache jener Slaven, welche im VI. Jahrhundert am linken Ufer der untern Donau sitzend bei Prokopios und Jornandes Sclabönoi (Sclaveni) hießen: von diesen zog ein Theil über die Donau nach dem Süden und erhielt da den Namen Bulgaren; ein anderer Theil wanderte nach dem Westen und drang in die nvrischen Alpen: die Sprache dieser Slovenen bezeichnet Miklosich als die norisch- jetzt neuslove- nische; ein Theil setzte sich in Pannonien fest und verbreitete sich 20 Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. über die Donau an den Fuß der Karpathen: die Sprache dieser Slovenen heißt er pannonisch- oder altslovenisch; ein Theil endlich behielt seine Sitze: die Sprache dieses Theils wird als dakisch- slovenisch bezeichnet. Was nun die Ähnlichkeit der serbischen, kroatischen und der heutigen slovenischen Sprache anbelangt, so ist festzuhalten, daß die Slovenen mit den Kroaten und Serben zur ostlicheu Gruppe der slavischen Völker gehören und somit von Haus ans nahe ver¬ wandt sind; ferners werden die Kroaten und Serben von den Slovenen und Bulgaren umgeben und verkehren untereinander durch mehr denn 1200 Jahre; endlich hatte auf die Sprache der Kroaten und Serben die altflovenische Büchersprache und Liturgie einen nicht unbedeutenden Einfluß ausgeübt. Die Abweichungen der neuslovenischen Sprache von der altslovenischen lassen sich größtentheils als jüngere Phasen des Altslovenischen erkennen und deren Zusammenhang mit dem Altslovenischen vermitteln. Auf die Ähnlichkeit einiger Volks- und Ortsnamen im heutigen slovenischen und dem hinterkarpathischen Gebiete ist um so weniger Gewicht zu legen, als sich derartig ähnliche Namen bei allen slavischen Stämmen vorfiuden. Wegen dieser notorischen Verwandtschaft des Neuslovenischen mit dein Altslovenischen und Bulgarischen läßt daher Miklosich unsere Slovenen von der Donau herauf in die heutigen Wohn¬ sitze gelangen. Sie verbreiteten sich dann von der untern Donau und von Dacien aus immer weiter gegen Westen über Pannonien und Noricum bis nach Istrien und dem adriatischen Meere hin. Die weitere Frage, ob die Slovenen vor oder nach der Ankunft der Avaren oder mit ihnen gleichzeitig erschienen seien, beantwortet sich dahin, daß einzelne Ansiedlungen der Slovenen schon vor der Ankunft der Avaren weit über Pannonien hinaus gereicht haben, Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. 21 weil inan sonst nicht begreifen könnte, wie die Slovenen bis zur bairischen Grenze, wo wir sie 595 finden, mitten durch Pannonien, welches um diese Zeit die Avaren inne hatten, gekommen wären. Deshalb ist es wahrscheinlicher, daß die Slovenen in ihrer meist ruhigen und colvnisatvrischen Ausbreitung zur Zeit der Ankunft der Avaren in Pannonien, bereits bis dahin und spora¬ disch noch weiter vorgedrungen waren, und daß sie durch die Avaren zum Theile unterjocht, zum Theile aber weiter nach dem gebirgigen Westen, nach Noricum vorgeschoben worden sind, so daß nunmehr auch in Noricum die slovenische Bevölkerung dichter geworden ist. Freilich wäre die rasche Ausbreitung der Slovenen noch viel verständlicher, wenn die Annahme einer vorerst durch die Kelten, dann durch die Römer niedergehaltenen slavischen Ur¬ bevölkerung in diesen Gegenden, die nach dem Aufhören der römischen Herrschaft durch das Ferment der neuen slovenischen Ansiedelung, ähnlich wie in neuester Zeit dieses in Elsaß oder in Bulgarien der Fall ist, zum neuen nationalen Leben erwacht sein müßte — mehr denn eine Hypothese wäre. Vom VII.—XI. Jahrhunderte erstreckten sich die Sitze der Slovenen gegen Norden, Westen und Osten weiter hinaus als dies gegenwärtig der Fall ist. Damals bildeten die Scheide des Slaven- thums und Deutschlands die Gebirge von den Quellen der Drau bis zur Salzach, von da weiterhin dieser Fluß und der Inn bis zur Donau (wohinein auch die in Baiern zerstreut umherliegen¬ den Ortschaften gehörten), im Norden die Donau von Passau bis nach Wien. Als Erinnerung an die einstige Ausbreitung der Slovenen sind nach Schafarik die slovenischen Ortsnamen, deren es in diesen Gegenden eine überaus große Menge gibt, z. B. die mit Windisch zusammengesetzten: Windischland, windische Mark, Windischbaum- 22 Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. garten, Windisch- (oder Kroatisch-) Wagram, Windischlandsbcrg^ Windischmatrei (zum Unterschiede von Bairischmatrei), Windisch- garsten (zum Unterschiede von Steiergarsten) u. s. w. oder andere offenbar slvvenische wie Feistritz, Kulm, Tanplitz, Krakau, Lupitsch, Radmar, Rackan, Bielach, Modriach, Sadnitz, Rakuitz, Dober, Metuitz, Preprad, Osterwitz, Gradisch u. s. w. Ähnlich äußert sich Adolf Ficker. „Weit über die jetzige» Grenzen des Slovenen- thums nach Norden und Westen bis zum Inn und den Drau- quellen erstreckten sich die Niederlassungen der Slovenen. Sie erfüllten den Pinzgau und kamen in das Zill- und Wupperthal, bis tief an die Saale hinab; sie verbreiteten sich von Pongau bis an den Übersee, sie erschienen an der Steier und Krems, an der Loiben und Dietach, an der Erlav und Traisen. Noch heutzutage erinnern daran nicht bloß Benennungen von Localitäten im rein deutschen Gebiet, welche offenbar slavischen Ursprungs sind, wie Graz, Leoben, Kraubat im Kroatengau, Vorder- und Hinter-Stoder am Fuß des Steinberges, Priel, Osterwitz, Weißpriach bei Hermagor„ Glatschach im Lungau, Zlap im Möllthale, Scharnitz, Pusterthal, Wntzlach, Zedelach, Mellnitz, Eischnitz, Frasnitz, Staniska an und nächst der Jsel u. a., sondern auch die Beifügung des Wortes Windisch in Gegenden, wo man gegenwärtig keine Slaven mehr sieht." Von besonderen slovenischen Stämmen sind zu nennen: die Duljeben zwischen dem Plattensee und der Dinr, die Horwateu als Ansiedler der Mnrgegend zwischen dem heutigen Knittclfeld und Leoben, die Suzeler an dem Lasnica-Flusse, die Stodercr an der Steier angesiedelt. Die erste Zeit ihres historischen Auftretens mußten die Slovenen unter dein schweren Joche der avarischen Herrschaft seufzen, die sich zu Anfang des VII. Jahrhunderts vom Fichtelgebirge bis zur untern Donau und von den Karpathen bis. Die Einwanderung der Slovcnen in die heutigen Wohnsitze. 23 zur Save erstreckte und somit den größten Theil der heutigen österreichisch-ungarischen Monarchie umfaßte. Die böhmischen und mährischen Slaven und einen Theil der Slowenen, nämlich die so¬ genannten Karantanerslaven, befreite Samo vom avarischen Joche, indem er die Slaven nördlich und südlich der Donau — und diese berührten sich damals unmittelbar — zu einem Bunde vereinigte und mittelst desselben ein unabhängiges slavisches Reich begründete, das erste dieser Art, welches die Geschichte kennt. Es lag im Gebiete der westlichen Hälfte der heutigen österreichischen Monarchie, im Norden bis zum Zusammenflüsse der Saale und Elbe hinauf- reicheud, und im Westen wahrscheinlich bis zum ober» Main und behauptete sich von 623 bis zum Tode Saums 658 gegen alle Angriffe der Avaren, Franken und Longvbarden mit Erfolg. Die Nachrichten über Samo stammen aus zwei verschiedenen Quellen: aus Fredegar, dessen Chronik in der 2. Hälfte des VII. Jahrhunderts geschrieben, die fränkische Geschichte von 592 bis 641 behandelt, und aus einer Schrift über die Bekehrung der Bewohner Baierns und Karantaniens, welche 871 oder 873 von einem Unbekannten in Salzburg (daher Anonymus von Salzburg genannt) mit der Tendenz verfaßt wurde, das Anrecht des Bisthums Salzburg auf die kirchliche Verwaltung sowohl der Karantaner¬ slaven als auch der paunonischen Slovencu zur Geltung zu bringen. Fredegars Erzählung ist folgende: „Im Jahre 623 verband sich ein gewisser Samo, ein Franke ans dem Gaue Sennvnago, mit mehreren Kaufleuten und zog in Handelsgeschäften zu den Slaven, die man auch Wenden nennt, welche damals anfiengen, sich gegen die Avaren zu empören. Schon von alten Zeiten her wurden die Wenden von den Avaren mit viehischer Grausamkeit behandelt. An allen Zügen der Avaren mußten die Slaven 24 Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. Antheil nehmen, und während die Avaren sich vor dein Lager aufstellten, mußten sie kämpfen; siegten sie, so rückten ihre Herrn vor, um Beute zu machen; erlagen jedvch die Wenden, so sammelten sie, gestützt ans der Avaren Hilfe, neue Kräfte. Die Avaren brachten alle Winter bei den Slaven zu, die sie unerhört bedrückten- Die Slaven vermochten dieses schreckliche Joch nicht länger zu ertragen und griffen 623 zu den Waffen. Es fügte sich, als das slavische Heer gegen die Avaren zu Felde zog, daß Samv das Heer der Wenden beim Auszuge begleitete, und seine Tapferkeit erprvbte sich ans wunderbare Weise. Eine Menge Avaren fiel durch das Schwert der Wenden. Diese wählten nun Samo zu ihrem Könige, der 35 Jahre lang herrschte und in vielen Schlachten die Unabhängigkeit seines Volkes behauptete." So weit berührt Fredegar die Befreiung der Slaven von der Herrschaft der Avaren. Nun fvlgt die Erzählung über den Kampf mit den Franken und ihren Verbündeten. „Es geschah hierauf 630, daß wegen eines von Wenden an fränkischen Kaufleuten verübten Mvrdes und Raubes der fränkische König Dagobert den Sicharius an Samo sandte, um Genugthuung und Entschädigung zu verlangen. Samo lehnte es ab, den Abgeordneten zu hören. ' Sicharius aber nahm seine Zuflucht zur List, legte slavische Kleidung an und gelangte so vor Samo, dem er die Forderung seines Königs vor¬ trug. Samv suchte Ausflüchte, stellte, da auch von fränkischer Seite Beleidigungen vorgefallen waren, Gegenforderungen, so daß Sicharius erzürnt zu drohen anfieng, daß das Volk und das Land der Slaven dem Könige der Franken zinsbar sein müssen, wor¬ auf Samv entgegnete: Wvhl wollen wir Dagobert ergeben sein, aber nur, wenn er Freundschaft mit uns halten will. Als sich nun Sicharius die Schmähung erlaubte: die Franken als Christen können in keiner Freundschaft mit Heidenhunden stehen, wurde er 25 «us Samos Nähe entfernt. Sv kam es zum Kriege zwischen Samo und den Franken. Ein gewaltiges Heer aus ganz Austrasien wurde aufgeboten und zog in drei Abtheilungen gegen Samo und die Wenden. Auf Anregung Dagoberts standen auch die Longo- barden gegen die Slaven auf. Diese und die Alemannen unter ihrem Herzoge Chrodobert erfochten einen Sieg über die Slaven und führten eine Menge Gefangener mit sich fort, die Austrasier dagegen erlitten in einer dreitägigen Schlacht bei Wvgastisburg eine vollständige Niederlage. Seitdem fielen die Wenden oft in Thüringen und in die benachbarten Gaue ein. Die Folge dieser Niederlage war, daß der Sorbenfürst Dervan, der bisher den Franken gehorcht hatte, unter Samos Herrschaft sich begab." Die Lage von Vogastisbnrg, wo die Austrasier von Samo in einer dreitägigen Schlacht besiegt worden waren, ist zwar nicht mit Sicherheit ermittelt. Jedenfalls ist aber Vogastisburg in Böhmen oder in der Nähe von Böhmen zu suchen. Von Böhmen aus ist die Verbindung Samo's mit dem Sorbenfürsten Dervan und die häufigen Einfälle der Slaven in das Land der Thüringer begreiflich. Diese Auffassung bestätigt auch die Richtung von Dagoberts Zügen gegen Samo in den Jahren 631 und 632, die derselbe von Metz aus über den Main und Thüringen unter¬ nommen hatte; ferner das Freundschaftsbündnis^, das der Thüriu- gerherzvg Rudolf mit den Slaven schloß, endlich das Versprechen der Sachsen, gegen Erlaß des schuldigen Tributes die Grenzen des Frankenreiches gegen die Slaven zn schützen. Die andere erwähnte Quelle, die Schrift eines Ungenannten über die Bekehrung der Bojoarier und Karantaner, nennt den Samo einen Fürsten der Karantaner. Daß Samo zugleich über das heutige Käruthen geherrscht habe, geht mittelbar auch aus den Worten Fregedars hervor, der wie angeführt wurde, schreibt, daß auf 26 Anregen des fränkischen Königs Dagobert auch die Longobarden gegen die Slaven anfstandcn. Die Longobarden wohnten nämlich damals in Oberitalien, ihr Angriff konnte daher nnr den Karan- tanerslaven gelten. Fredegars Worte sind heutzutage aus diesem Gründe fremdartiger, weil er von den Slaven redend sowohl die Slaven nördlich der Donau als auch die südlich der Donau gemeinschaftlich bald mit Winidi bald mit Selavini bezeichnet; es waren ihm nämlich die heutigen Slovencu und die böhmischen Slaven eine ungetrcnnte Einheit, die er durch die gemeinsame Bezeichnung Winidi, Wenden oder Selavini, Slaven für seine Zeit deutlich genug benannte, während wir Heutigei: Tages, wo zwischen Böhmen und Kram viel deutsches Volk wohnt, die ein¬ heitliche Bezeichnung erst dann begreifen können, wenn nur uns die damaligen nationalen Verhältnisse vergegenwärtigen. Fredegars Bericht, daß gegen Samo die Franken kämpften und in einem dreitägigen Kampfe besiegt wurden, und die weitere Mittheilung, daß auch die Lougvbardeu gegen Samo fochten und daß diese wie die Alemannen über die Slaven siegten, ist also so zu verstehen, daß die Slaven in Böhmen über die Franken siegten, dagegen über die Slaven in Karantauien die Alemannen und Longobarden den Sieg errangen und eine Menge Gefangener mit sich führten. Was aber den Gesammterfolg des Kampfes betrifft, so blieben auch die Karantauerslaven frei uud unabhängig, wie dieses aus Paul Diakvnus fürs Jahr 670, uud aus Auvnymus fürs Jahr 748 hervorgeht. Daß Samo der Nationalität nach ein Slave war und zwar wahrscheinlich von den im Jahre 622 unter fränkische Botmäßigkeit gebrachten Weleten aus der Gegend des heutigen Utrecht herstammte, dafür sprechen gewichtige Gründe, ebenso auch dafür, daß das Reich Samo's einen Völkerbund, eine Geineinschaft von slavischen Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. 27 Stämmen gebildet hatte. Nach dem Tode Samo's 658 fiel das große Slavenreich, eine ungewöhnliche Erscheinung in der Geschichte, nach dem natürlichen Laufe der Dinge ebenso schnell als es entstanden war; die slavischen Stammesfürsten, die zur Zeit der Noth und der Fremdherrschaft durch die mächtige Hand eines glücklichen Anführers von außen her vereinigt gewesen waren, machten sich nach seinen! Tode unstreitig selbst an die Zerstörung des großen Werkes, zu dessen weiterer Erhaltung und Befestigung ihr Geist nicht hinreichte. Die Slaven in Nieder-Österreich kamen ohne Zweifel wieder unter die avarische Herrschaft, während Karantanien eine Zeit hindurch unabhängig blieb, daun 748 unter die bairische und fränkische Oberhoheit gelangte. Zu Karantanien gehörte damals außer Kärnthen, das östliche Tirol und der nvrische Theil Steiermarks; eine Linie vom Wechsel südwärts gezogen über die Raab-Quellen und die windischen Büchelu, Pettau einschlie- ßcnd über den Wotschberg (Uoö) und Cilli zur Save und von da zu den Karavankcn gibt die ungefähre Grenze Karantaniens gegen Osten und Süden in jener Zeit. Cult Urzustände der heidnischen Slovenen. Die heidnischen Slaven verehrten einen höchsten Gott (VoK), den Urheber des Himmels und der Erde, des Lichtes und des Gewitters, diesem waren die andern Götter unterthan. Sein Name war Svarog, was etymologisch svnro-A den sich bewegenden Himmel, den Wolkenhimmel bedeutet. Der oberste Gott in der besonderen Äußerung als Urheber des Donners hieß Perun. Als Söhne des obersten Gottes werden die Sonne und das Feuer angeführt, als dritter Bruder galt der Mond, als Schwester der 28 Morgenstern. Für den Sonnengott sind uns eine Anzahl von Namen erhalten, die auf eine besondere Verehrung schließen lassen. Neben slunlss nsl. solnos schlechtweg hieß er als Spender des Reichtlmms OuLclido^; rührt ja doch alles Gedeihen und die Fruchtbarkeit in der Natur von den belebenden Sonnenstrahlen her. Ein weiterer Name war IIrü8, dein wahrscheinlich das heutige Wort Xrs« entspricht, das Sonnenwende und Sonnen¬ wendefest bedeutet. Der Triglav, welcher bei den Pvlaben als Sonnengott verehrt wurde, scheint auch unseren Slovenen zuge- sprocheu werden zu sollen. Als Theomorphose der reinen heiteren .Luft ist 8 vstavit anzusehen. Als Gott der Herden nennt man Vslss. Außerdem sprechen die Quellen von 8tridoA, dem Gotte 4er Winde, des Sturmes und Ungewitters, von UaäAO8t, Unssvit, Uö8omnr und anderen männlichen Gottheiten, deren Wesen nicht vollends aufgeklärt ist. Unter den Göttinnen verehrten die heidnischen Slovenen die VS8NN oder Imäa, die Repräsentantin der heiteren Jahreszeit, und die Döv-mu, vövn (Jungfrau), die Göttin des Frühlings und der Fruchtbarkeit. Unter den bösen Gottheiten (döch steht obenan die Morana die Repräsentantin des Winters und des Todes; auch Stribog ist hieher zu ziehen. Mythische Wesen niederen Grades waren die Vilm (zu ver¬ gleichen mit den griechischen Nymphen), die Herrscherinnen über Flüsse, Wälder und Berge; bei den Slvveneu speciell die UoLclsnios, Uojsniss und 8vLäsnio6, Zossnios die Geburts- und Schicksals¬ göttinnen; ebenso die finsteren Mächte: llnAa-bnda, Uö8 und Vöä, letzterem wurden die Mond- und Sonnenfinsternisse zuge¬ schrieben. Jngleichen bestand bei den Slovenen der Glaube an Truden: Nora, eine besondere Äußerung der Narairn, und an Vampyre VollcociluU. Tie Einwanderung der Slovcnen in die heutigen Wohnsitze. 29 Jede Sippe, sowie der Stamm verehrte noch in den Seelen der abgeschiedenen Häuptlinge besondere Gottheiten, ja jedeA Haus hatte seinen besonderen Hausgeist, uud gehören hieher die Namen Doch Üatslr, UuoZilr, (lospoäaröoU u. a. Die Götterverehrung geschah durch Gebet und Opferung- Das Opfer bestand in der Verbrennung von Feldfrüchten, von Thieren, vorzüglich Rindern nnd Schafen. Einen eigenen Priester¬ stand gab es im allgemeinen nicht, ebensowenig eigens gebaute Tempel, es opferte der Häuptling des Stammes oder in der Familie der Familienälteste (stai-ssina), letzterer am Hausherde (oZiüsöa), ersterer für den ganzen Stamm an der Versammlungs¬ stätte in dem befestigten Burgwall (tzmaä, ^rackisLa). Die heidnischen Feste schlossen sich an den regelmäßigen Wechsel der Jahreszeiten an und hingen mit der Vorstellung des Kampfes der Naturkraft des Lichtes mit dem Dunkel, des Frühlings init dem Winter zusammen. Da war denn das Fest der Winter¬ sonnenwende (iroloäa), an dieses schloß sich die Feier des Frühlingsanfanges als der Zeit der Befreiung der als Lichtgvtt- heiteu gedachten Naturkräfte aus der Gewalt des Winters, des Todes der Natur: die Morana wurde verbrannt, das Wieder¬ erscheinen der Vesna festlich begangen und ihr Opfer gebracht. Nicht minder wichtig war das eigentliche Frühlingsfest (Istnioa, heutzutage bedeutet Istuies in der Mehrzahl Ostern). Die Reihe der Hauptfeste beschloß die Feier der Sommersonnenwende (Irrös) mit ihrem durchwegs heiteren Grundcharakter, entsprechend der Phase des Naturlebens, dem zu Ehren sie begangen wurde. Innerhalb dieser Hanptfeste gab es noch eine große Anzahl kleinerer Feste. Schon die heidnischen Slovenen glaubten an die Unsterblichkeit der Seele, an den Aufenthalt der Seeligen im ras (Paradies) und- Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. ZO der Verworfenen iin psici, dem Schattenreich. Ihre Tobten ver¬ brannten sie theils, theils begruben sie dieselben, beide Bestattnngs- wcisen kommen neben einander vor. Auch das Verbrennen der Leichen auf Schiffen war üblich, wobei natürlich das Schiff mit¬ verbrannt wurde. Sv lange der Tobte nicht bestattet war, flatterte die Seele in der Lnft und auf den Bäumen herum, ein Glaube, der noch heutigen Tages unter dem Namen inovgs bezüglich der ungetauft verstorbenen Kinder fortlebt. Zu Ehreu der Verstorbenen wurden Kampfspiele (trirum) und Leichenmahle (strava, heutzutage ssciiuiua) veranstaltet und denselben Leichenhügel ftuoM-Ia: Konailu) errichtet. Selbstverständlich kamen bei verbrannten Leichen nur die Aschenkrüge in die Leichenhügel, außerdem wurden in den¬ selben auch Gerüthe, Kleider und eine Wegzehrung in den landes¬ üblichen Gefäßen beigegeben. » * -i- Die Familienverfassung war, was sie nvch heute bei einigen slavischen Völkern zum Theile ist, eine patriarchalische, bestand alsv darin, daß die Einwohner eines Ortes eine durch die Bande der gleichen Abstammung, der Blutsverwandtschaft geknüpfte Sippe obüiuu asl. oblstiuu, roci bildeten, in Rücksicht auf diese Ab¬ stammung einen gemeinsamen Namen trugen, sowie ein gemein¬ schaftliches Hab nnd Gut besaßen und unter einem durch Wahl hiezu bestimmten Ältesten standen, dem die Leitung aller gemein¬ samen Angelegenheiten anvertraut war. Dieser sorgte für das materielle Wohl der Sippe, überwachte die Hciligthümer, opferte den Göttern, hielt die Ordnung im Haushalte durch zweckmäßige Vertheilnng der Arbeit unter die Mitglieder der Sippe und schlichtete die Streitigkeiten. Das natürliche Familienoberhaupt war ursprünglich der Vater selbst und nach seinem Tode der durch die Wahl hiezu bestimmte Fähigste, ebenso bei weiterer Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. 31 Verzweigung der Sippe derjenige, den das allgemeine Vertrauen dazu erwählte. Den gemeinsamen Namen erhielten die Mitglieder der Sippe von dem Ahnherrn beziehungsweise Ältesten, nach welchem gewöhnlich auch der von der Sippe bewvhnte Ort genannt wurde. Sv heißen die Nachkommen Radovans und der von ihnen bewohnte Ort Radovanim, jene des Bvdislav Bodis- lavci, jene Bojans Bojani u. s. w. Erweiterte sich die Sippe derart, daß ein Zusammenleben unmöglich wurde, so schied ein Theil ans dem Verbände und siedelte sich wo möglich in nächster Nähe des Ursitzes au, bei weiterer Vermehrung in entlegeneren Landstrichen. Diese Zweigansiedelungen bildeten neue Sippen und erhielten neue Namen, ohne jedoch den Cvntact mit der Mutter¬ sippe anfzugeben. Den Zwcigansiedelungen wurden die Namen in der Regel nach den Sitten, der Tracht oder Beschäftigung der Sippe, seltener nach der Beschaffenheit des Ortes beigelegt. Ans mehreren solchen Sippen bildete sich der Stamm plmnv und stand an der Spitze desselben wieder ein Ältester, das Stammesvberhaupt, das neben dem Rechte der Anführung im Kriege alle jene Rechte und Pflichten in sich vereinigte, die in der Sippe den Geschlechtsältesten zukamen. Während also die Angelegenheiten der Sippe durch deu aus ihr gewühlten Ältesten geleitet wurden, lag die Erledigung der den ganzen Stamm betreffenden Fragen in erster Linie in der Hand eines von den Senatoren der einzelnen Sippen hiezu Erwählten, — des Stammes- hauptes, in der Regel eines von dem Stammesahn in unmittelbarer Folge Abstammenden. Auch deu Stamm charakterisierte ein besonderer Name, der hinwiederum hauptsächlich der Beschaffenheit des heimatlichen Bodens den Bergen, Flüssen u. dgl. entnommen ward, vgl. Uööuns Flußbewohner, LnLnns — Bugbewvhuer Uoljaniu — Ebenenbewohuer, .lo^srune, vrövljainz, Noruvunc! 32 Die Einwanderung der Slovencu in die heutigen Wohnsitze u. s. w. In compacteren Ganzen haben sich die Stämme, wie es scheint, nur zur Zeit der Noth und später erst nach dem Mnster anderer Staaten organisiert. Die bezeichneten Einrichtungen waren darnach angethan, die persönlichen Rechte des Individuums und die individuelle Freiheit nicht verkümmern zu lassen; durch das Recht der Wahl des Ältesten und die gemeinsame Habe war das Princip der Gleichberechtigung aller Glieder virtuell ausgesprochen. So sind auch die Nachrichten von Gewährsmännern aus historischer Zeit zu verstehen, welche dahin lauten, daß die Slaven die Herr¬ schaft eines Mannes über sich nicht anerkennen, sondern vielmehr der Demokratie huldigen. Daß auch die Frauen an den Rechten der Familie theilnahmen, ist daraus zu entnehmen, daß sie selbst zu Starosten ernannt wurden. Daß den Lichtseiten dieser Verfassung Schattenseiten entgegenstandcn, ist selbstverständlich, die größte Schattenseite war wohl die, daß der Mangel einer größeren staat¬ lichen Organisation den einzelnen Stämmen in der Nähe von wohl organisierten kriegerischen Völkerschaften zuerst den politischen und dann den nationalen Tod brachte. -X- -r- -k- Außer der Vieh- und Bienenzucht haben die Sloveneu früh¬ zeitig Ackerbau getrieben. Ans den gemeinslavischen Namen für Ackergeräthe, Getreidearten, Baumgattnngen von Fruchtbäumen, ebenso aus den gemeinslavischen Namen fürs Haus und die Ein¬ richtungsstücke im Hause und andere ähnliche Dinge ist zu entnehmen, daß die Slaven schon vor ihrer Trennung, somit an ihrem Ursitze das Feld bebauten, Häuser und Eigenthum besaßen. Sie kannten den Pflug sptuA sammt dessen Bestandtheilen leiwsZ Pflugschar, die Getreidearten rüL Korn, xssniou Weizen, syLinsn Gerste, oves Hafer, xroso Hirse. Von den übrigen Feldfrüchten räxu Rübe, tz'i'aUü Erbse, lostu Linse, bol> Bohne, maU Mohn und 33 andere. Ebensv verarbeiteten sie das Getreide auf der Handmühle Lrtnüv und der Wassermühle muliir zu Mehl raalru und weiter zu Brod lllöb. Auch andere bei der Landwirthschaft gebräuchliche Geräthe waren ihnen nicht unbekannt, so trosa die Sense, srtp Sichel, inotitru Haue, loputa Schaufel, vor: Wagen. Gemeinsam ist ferner die Benennung des Hauses äoiu, des Vorhauses vöLa, des Kellers xiviniou, die Bezeichnungen für die Wand stsua, Fenster ollno, Dach strölm, Schwelle Ofen posti; auch für die Befestigungen Aimci, oüop Schanzgräbeu. War aber auch der Ackerbau die Hauptbeschäftigung der Slowenen, so betrieben einzelne Sippen noch vor der Abtrennung vom Gesammtstamme allerlei primitive Gewerbe, wie die Sprache dies hinreichend bezeugt. Allgemein verbreitet war die Kenntniß des Flechtens xlosti und Webens tülluti (pluttuo Leinwand), der Anfertigung von allerlei Kleidungsstücken (suüuo Tuchkleid, xlusti Mantel, null risa Kleid, Lrövij Stiefel), des Zimmerns tssuti bei Anwendung von eisernen Instrumenten, wie des Meißels älöto, der Zange lllösta, der Axt sollten n. a. Der Handel war ein Tauschhandel, die erste Bezeichnung für Geld ist slcot, welches Wort aber zunächst das Vieh als das werthvollstc Objeet des Tausches und dann erst das Geld bezeichnete, der Ausdruck pöno§ pönox ist dem deutschen Pfennig entlehnt. Daß die Slaven frühzeitig Handel getrieben und ihre ältesten Städte Handelsstädte gewesen seien, läßt sich aus der Geschichte nachweisen. Selbstverständlich gingen sie auch dem rauhen Kriegcrhandwerke nicht ans dem Wege, wo sie dazu ge¬ zwungen waren, um ihr Hab und Gut, Weib und Kind, und die Freiheit Aller zu wahren und zu schützen; hiefür erinnern wir vor allem andern an die Worte nitK Schwert, lall Bogen, vojvoäa Herzog. Die Slovenen von Prof. I. änman. 34 Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. Im übrigen waren aber die alten Slaven dem Frieden und der friedlichen Beschäftigung besonders ergeben, was schon ihre allseits gerühmte Neigung zum Ackerbaue beweiset. Daß mit dem Ackerbau das Rechtsbewußtsein und edlere Gesittung zusammen¬ hange, wird allgemein anerkannt. Es ist dies auch ganz natürlich, mit der Aussaat beginnt die feste Ansiedelung, der Sämann wartet auf die reifende Frucht, es beginnt aber auch die Erkenntniß des Eigenthums, der Sämann legt den Samen in den eigenen Boden, will selbst ernten, und wie er es thut, so will er es auch dem Nachbarn gewähren. Mit Recht gilt daher der Ackerbau als eine Kulturstufe und diese muß den Slovenen frühzeitig zugesprochen werden. Darauf weisen auch einige hieher gehörige gemeinslavische Worte, worunter die Worte pravo praväu Recht, Lullou Gesetz, sack Gericht obenan stehen. Einen hervorragenden Zug der Slaven bildet von Alters her die ungewöhnliche Gastfreundschaft, die sie nicht bloß gegen Cvnnationale, sondern auch gegen friedliche Fremde übten. Die Slovenen hatten vor ihrer Christianisierung keine Buch¬ stabenschrift. Der Mönch Hraber (10. - 11. Jahrhundert) erwähnt ausdrücklich, daß die heidnischen Slovenen mit Strichen zählten und mit Einschnitten wahrsagten. Sie hatten also wie alle arischen Völker eine Bilderschrift, was auch das Wort pisati beweiset, welches nebst den verwandten Worten xisau pistr bunt urprünglich nicht schreiben, sondern einschneiden, schmücken, sticken, bilden bedeutete. Wir haben daher über das ursprüngliche geistige Leben der Slovenen keine andern Nachrichten, als die uns die Sprache selbst sowohl in ihrem Wortschätze als auch in den alten Märchen und Sagen, ferner in den alten Sprichwörtern, Sprüchen und Räthseln, endlich in den alten Volksliedern bietet. Von den Liedern, Sprüchen, Räthseln, Märchen und Sagen gehen nämlich viele, was aus Die Einwanderung der Slovenen in die heutigen Wohnsitze. ZA ihrem Inhalte erkenntlich ist, in das heidnische Alterthum zurück. Alle diese Reste zeugen von der hohen poetischen Anlage und dem geweckten geistigen Leben der Slovenen, wie dieses noch heutigen Tages bei den einfachen und unverfälschten Slovenen der Fall ist. Ebenso hat die Sprache selbst gerade in jener ältesten Zeit ihre Kraftperiode, welche auf ein intensiv geistiges Leben und Schaffen, auf eine scharfe Beobachtung der Natur und des Lebens und ein gemnthsvolles poetisches Erfassen aller Erscheinungen in der Natur und im Leben schließen läßt. Die Christianisierung der Slavenen. Das Licht des Christenthums kam zu den Slovencu auf zwei Wegen und von zwei Seiten, ans der einen Seite über Aguilea von den italienischen Geistlichen, auf der andern Seite über Salz¬ burg von deutschen Priestern. Die Anfänge der Verbreitung und der Annahme der christlichen Lehre liegen anch hier wie anderweit im Dnnkel. Schon vom heiligen Kolumban berichtet sein Biograph, der Abt Jonas, daß derselbe um 610 — 612, nach seiner Vertreibung aus Burgund durch den König Theodorich, beschlossen habe, zu den uorischen Slaven zu gehen, um ihnen die christliche Lehre zu bringen; überzeugt aber, daß die gelegene Zeit zu deren Bekehrung noch nicht gekommen sei, habe er von seinem Vorhaben abgestanden. Um 630 kau: der heilige Amandus, Bischof von Utrecht, unter der Herrschaft des Samo über die Donau in das südöstliche Noricum, um den Slovenen das Evangelium zu verkünden. Diese waren damals unter dem Drucke der Avaren in großer Erbitterung; Amandus fand unter ihnen Gönner und Verehrer, aber auch Verfolger. Die sehnlich erwartete Palme des Märtyrerthums ward ihm jedoch nicht zu Theil. Amandus kehrte über den Rhein in seine Heimat zurück. Obwohl nun der Lebensbeschreiber dieses Heiligen ausdrück¬ lich versichert, es habe derselbe einige Slaven zum christlichen Die Christianisierung der Slovenen. 37 Glauben bekehrt, so ist es dennoch gewiß, daß diese Anfänge der neuen Lehre sehr bald wieder verschwanden. Die Geistlichen ließen sich dadurch nicht abschrecken und wandten fort und fort ihre Aufmerksamkeit der Bekehrung der Slaven zu. Um die Mitte des VII. Jahrhunderts (649—652) nahm Emmeran, der aus Frank¬ reich über Baiern in das Land der Slaven zog, schon am Rhein den der slavischen Sprache kundigen Priester Vitalis als Dolmetsch mit, was sich nur so erklären läßt, daß entweder slavische Ansied¬ lungen von der Ostsee und der Donau hin und wieder bis zum Rheine reichten, oder daß fromme Priester, um den Slaven das Evangelium zu verkünden, die Sprache dieses Volkes fleißig erlernten. Nach diesen vorläufigen Versuchen nahm sich der Bischof Rupert von Worms der Bekehrung der Slovenen noch viel eifriger an. Er stammte vom fränkischen Königsstamme ab und legte, nachdem er den bairischen Herzog Theod bekehrt hatte, im norischen Juvavia, dem heutigen Salzburg, am Eingänge Karantaniens, nicht ohne Widerstreben der benachbarten Slaven, ein Bisthum und viele Klöster an. Er unternahm Reisen in die Alpcnländer, d. h. nach Kärnthen, taufte die Slaven auf den Wunsch ihres Fürsten und lehrte nach der Reise über die Alpen die Winden weiter nach Osten und Süden, stiftete Klöster und Kirchen und ließ Geistliche und Mönche in genügender Zahl im Lande zurück. Sein Nachfolger Vitalis suchte es ihm in Eifer für die Bekehrung der Slaven gleich zu thun. Die freiheitsliebenden Slaven legten diesen Bemühungen politische Gründe unter und suchten sich daher der Geistlichen soviel als möglich zu erwehren. In das VIII. Jahrhundert (um 750) setzen neuere Geschicht¬ schreiber die Ermordung der Einsiedler Marinus und Anianus durch die Slaven, obwohl der in den Legenden gebrauchte Aus¬ druck Vandali gleicherinaßen auf die Avarcn, wie ans die Slaven 38 Die Christianisierung der Slovenen. bezogen werden kann. Nachdem die Winden dem Joche der deutschen Herrschaft unterworfen worden waren (748), trugen die bairischen Herzoge und die Bischöfe Sorge für die völlige Bekeh¬ rung ihrer Unterthanen. Thassilo II. (748—788) und Virgilius erwarben sich hierdurch zumal einen Namen. Der Bischof Vir¬ gilius, der im Jahre 745 den Salzburger Stuhl bestieg, war 40 Jahre hindurch (er starb 785) der Leiter aller Bekehrungs¬ maßregeln, welche diesseits und jenseits der Alpen für die Slaven unternommen wurden. Dies hat ihm anch bei der dankbaren Nachkommenschaft den Namen des Apostels der Kärnthner erworben. Zwar besuchte er selbst, trotz Chotimirs Einladung, die Karan- taner nicht, war aber nm so besorgter für die Zusendung eifriger Missionäre, welche Priester und Kirchen weihten. Maria-Saal in Kärnthen, Tiburnia (Lurnfeld), Undrima u. a. gelten mit für die ältesten christlichen Kirchen in den Slavenlündern. Das gemeine Volk widersetzte sich auch damals noch jeder aus der Fremde kommenden Neuerung; dreimal entbrannte die Empörung und als Chotimir im Jahre 769 starb, wurden sogar alle Priester verjagt, so daß einige Jahre hindurch, bis der Fürst Vladuh wieder frische Unterstützung aus Baiern empfing, kein fremder Priester in Karan- tanien zu finden war. Thassilo II. von Baiern hat in seinem Streben, das fränkische Joch abzuwerfen, sein Augenmerk vorzüg¬ lich auf Karantanien, als die Hauptstütze seiner neuen Macht, gerichtet: dazu schien ihm die Ausbreitung und Befestigung des Christenthums eines der vorzüglichsten Mittel. Auf seinen Befehl und unter seinem Schutze wurden an den Thoren Karantaniens neue Klöster errichtet, z. B. die Scharnitzer Abtei in Tirol im Jahre 764 (769). Von ihm erhielt (770) Aribo, Bischof von Freisingen, die Stadt Jnnichcn nebst der daranliegendcn Pflege bis nach Windisch-Matrei und Windisch- oder Velber-Tauern 39 unter dem ausdrücklichen Bedingnisse, für die Bekehrung der Winden Sorge zu tragen. Das Freisinger Bisthnm erhielt aus Lurnfeld an der Drau und Lisar bedeutende Zehnten. In gleicher Weise mehrten sich die Klöster in den nördlichen Gegenden des Windenlandes z. B. durch die Kremsmünster Abtei (777). Nach Thassilo's Falle und der vollständigen Unterwerfung der Slaven durch die mächtigen Franken (788) stand der Verbreitung des Christeuthums unter den Winden durch die westlichen Geistlichen kein Hinderuiß mehr entgegen. Arno, der Nachfolger des Virgi- lius, vollendete das von andern begonnene Werk. Schon im Jahre 798 erhielt er vom Kaiser und Papst eine Vollmacht zur Bekehrung der pannonisch-norischen Winden, durchzog alle Länder derselben und setzte einen gewissen Theodorich zum Bischof im Lande südlich der Dran ein (nm 803), obgleich der Patriarch von Aguilea, zu dessen Sprengel dies Land gehörte, Widerspruch dagegen erhob. Einer der windischen Fürsten, Ingo, voll christ¬ lichen Geistes, unterstützte ihn hiebei ganz besonders. Arno ver¬ sah das Land mit einer beträchtlichen Zahl von Priestern und Mönchen. Sein Nachfolger Adalrammus setzte den Otto (nach 823) zum slavischen Bischof ein. Unter dem Erzbischöfe Liupram (836 — 858) wurde die Kirche Karantaniens durch den Bischof Oswald verwaltet. Während dieses ganzen Zeitraumes erwähnt die Geschichte nichts von einer Theilnahme der Geistlichkeit von Aguilea an der Bekehrung der Slovencu, man müßte denn die Nachricht, daß der fromme Martinus sich aus Friaul uach Kroa¬ tien gewandt habe (um 837 — 867), hieher ziehen. Den Streit zwischen dem Patriarchen von Aguilea und dem Erzbischöfe von Salzburg entschied Kaiser Karl (810) insoweit, daß er die Dran für die Scheide beider Sprengel festsetzte. So standen die Slovenen forthin unter Aqnileä und Salzburg und bedienten sich beim 40 Gottesdienste der lateinischen Sprache nach der Weise der römischen Kirche. Aus der Zeit dieser Bekehrung ist uns ein werthvoller Rest der damaligen karantanisch-slovenischen (norisch-slovenischen) Sprache erhalten. Es sind dies die sogenannten Freisinger Denkmäler. Diese Denkmäler enthalten zwei Beichtgcbcte und eine Homilie über die Sünde nnd die Heiligmachung und sind in der lateinischen Buchstabenschrift geschrieben, wobei die speeifisch slovenischeu Laute sehr mangelhaft wicdergegeben sind. Die Beichtgebete sind in einer ziemlich richtigen Sprache verfaßt nnd rühren wahrscheinlich von einem gebornen Slovenen her, dagegen die Homilie verwechselt häufig die Laute p und b, was einen deutschen Schreiber verrüth, der die slovenische Sprache zum Zwecke der Bekehrung gelernt haben mochte. Die Freisinger Denkmäler stammen sicherlich aus dem X. wo nicht aus dem IX. Jahrhundert. Die Handschrift wurde im Freisinger Kloster des heiligen Korbinian aufgefunden und befindet sich gegenwärtig in der Bibliothek zu München. Eine neue Wendung in der Bekehrung der Slovenen tritt mit dem Erscheinen der thessalonischen Brüder Konstantin und Method ein. Constantin und Method wurden zunächst vom Fürsten Rastislav ins großmührische Reich berufen, welches von 855—907 blühte. Um dasselbe auch im Innern zu ordnen und zu befestigen, namentlich aber nm die Unzukömmlichkeiten und die Ungleichartigkeit, welche das gleichzeitige Wirken von fränkischen, italienischen nnd griechischen Glaubcnsboten zur Folge hatte, zu beseitigen, bat Rastislav 863 den damaligen byzantinischen Kaiser- Michael III., er möge ihm solche Glaubcnsboten senden, die im Stande wären, dem Volke in seiner Sprache den Glauben zu ver- küudeu, die Gebote Gottes zu lehren und den Weg zur Wahrheit zu weisen. Der Kaiser erfüllte den Wunsch Rastislav's und schickte Die Christianisierung der Slovenen. 41 ihm die Brüder Constantin und Method, zwei hochgebildete edle Griechen aus Thessalonich, diese seine Wahl durch die merkwürdigen Worte begründend: „Ihr seid ja ans Thessalonich und die Bewohner von Thessalonich sprechen die slovenische Sprache rein." Constantin und Method waren nach der Überlieferung zu Thessa¬ lonich, einer halbslavischen Stadt Makedoniens von griechischen Eltern vornehmen Standes geboren. Constantin, später mit dem Klosternamen Cyrill genannt, erhielt wegen seiner ungewöhnlichen Talente und ausgezeichneten Gelehrsamkeit den Beinamen Philo¬ soph, womit man damals gelehrte Männer auszuzeichnen pflegte. Beide Brüder hatten sich in der volkreichen Handelsstadt die Kenntniß mehrerer Sprachen erworben; sie hatten ohne Zweifel schon damals im elterlichen Hause die slavische Sprache erlernt, welche zu jener Zeit nicht bloß in Macedonien, sondern fast durch ganz Griechenland zugleich mit der griechischen gesprochen wurde. Im reifem Alter ward Constantin von seinen Eltern nach dem damals gleichfalls halb slavischen Constantinopel geschickt, wo er die Priester¬ weihe empfing, während sein Bruder schon früher in einen Mönchs¬ orden getreten war. Von Constantinopel begab sich Constantin zuerst zu den Kosaren am Pontus und der Mäotis in der Absicht, dort den Samen des Christenthums zu streuen. Bald kehrte er von da mit den Überresten des heiligen Clemens, eines römischen Bischofs, der im taurischen Chersones den Märtyrertod erlitten, und dessen Gebeine man bei der Stadt Cherson gefunden hatte, nach Constantinopel zurück. Dort wandte er nebst seinem Bruder Method seine Aufmerksamkeit dem slavischen Volke zu, welches ausgedehnte Landstriche in Griechenland und Bulgarien inne hatte, und obwohl zum größten Theile getauft, doch noch häufig zum alten Götzen¬ dienste zurückkehrte, da ihm Belehrung in der Muttersprache fehlte und es in Bulgarien unter heidnischen Fürsten lebte. Er erwog, 42 Die Christianisierung der Slowenen daß außer den Griechen die Armenier, Iberer, Lyrier, Kopten und andere Völker, die gleichfalls ihre Gotteshäuser in Constan- tinopel hatten, sich in Sachen der Religion ihrer Muttersprache mit Erfolg bedienten und gedachte auch die Slaven dieser Wohl- that theilhaft zu machen. In dieser Absicht setzte er neue slavische Schriftzeichen zusammen und machte sich ohne Verzug an die Übersetzung der Evangelien und Episteln, der Psalmen und anderer zum Gottesdienste vorzüglich nöthiger Schriften. Dies Geschenk wurde von den griechischen und bulgarischen Slaven mit Entzücken angenommen; ja sogar die uralischen, damals bereits slavisierten Bulgaren, wurden durch die Macht des göttlichen Wortes erweicht und.Method taufte den bulgarischen Fürsten Boris im Jahre 861 persönlich. Nach der Überlieferung war es der Anblick eines von Method angefertigten Gemäldes, das jüngste Gericht vorstellend, das den heidnischen König im Innersten der Seele in solchem Grade erschütterte, daß er durch die heilige Taufe in die Gemein¬ schaft der Christen aufgenommen zu werden verlangte. Solcherge¬ stalt begann die slavische Liturgie im Jahre 855—862, zuerst in den griechischen, sodann in den bulgarischen Slavenländern, die an der Donau bei Pest, unterhalb des Matragebirges bei Erlau und weiterhin am Toryssa-Flusse unmittelbar an das groß-mährische Reich grenzten, Eingang zu finden. Auf diese Weise erklärt sich die Bekanntschaft Rastislav's mit dem Wirken slavischer Glaubens- Apostel. Bei ihrer Ankunft in Großmähren begannen nun Cyrill und Method mit ihren Gehilfen in einheimischer Sprache zu predigen, in einheimischer Sprache die gottesdienstlichen Handlungen auszuüben und die ganze Liturgie slavisch zu gestalten. Über den freudigen Eindruck, den dieses beim Volke hervorbrachte, berichtet die Legende schlicht und erhaben: „Und voll Wonne waren die Slaven, daß sie die Wunder Gottes in eigener Sprache hörten." Die Christianisierung der Slovencu. 43 Jndeß bald stießen diese Glanbensboten auf gewaltigen Widerstand. Die fränkisch-bairischen noch im Lande befindlichen Priester sahen ein, daß sie bei ihrem fernerem Wirken in einer dem Volke unver¬ ständlichen Sprache den Wettkampf mit den slavischen Aposteln nicht aufnehmen könnten. Sie suchten daher der Thätigkeit der Slavenapoftcl alles Mögliche in den Weg zu legen. Weil sie abev die wahre Ursache ihres Umnnthes und der Feindseligkeit gegen die Slavcnapostel nicht cinbekennen mochten, so stellten sie, auf den dogmatischen Standpunkt sich flüchtend, die Behauptung ausi der Gottesdienst dürfe nur in drei bestimmten Sprachen, der hebräischen, griechischen und lateinischen gehalten werden. Allein die thcssalonischen Brüder ließen sich nicht beirren und setzten das. begonnene Werk erfolgreich fort, bis sie der Papst Nicolaus I., der von ihrer großen und segensreichen Thätigkeit Kunde erhalten hatte, im Jahre 867 nach Rom berief. Auf ihrer Reise dahin lernten sie auch den pannonischen Fürsten Kocel kennen. In Pannonien war nämlich nm diese Zeit ein mehr oder weniger unabhängiges slovenisches Fürstenthum, als dessen Fürsten zwischen 800— 830 Pribislav, Cemicas, Stojmir und Etgar genannt werden. Die Namen Pribislav und Stojmir sind entschieden slavisch, während die beiden andern avarisch zu sein scheinen. Von der Zeit zwischen 830 — 836 an finden wir Pribina als Fürsten von Niederpannonien, welcher den Franken ergeben, unter ihrem Schutze sowohl im pannonischen, als auch in: benachbarten Nitraer Fürstcn- thume herrschte. Im Jahre 861 wurde er wahrscheinlich im Kampfe mit dem mährischen Fürsten Nastislav von den Mährern erschlagen, worauf sein Sohn Kocel die Herrschaft übernahm. Des. Fürstcnthums Nitra hatte sich Rastislav bemächtigt und dasselbe dem Neffen und späteren Nachfolger Svatopluk gegeben. Diesen pannonischen Fürsten Kocel nun wußten Constantin und Method 44 Die bhnstianisicnmg der Slovenci,. derart für ihre Sache einznnehmen und für ihre Bestrebungen zu gewinnen, daß er nicht nur selbst die slavischcn Bücher zu lernen anfieng, sondern zugleich 50 Jünglingen aus seinem Reiche das Gleiche zu thnn befahl. In Rom selbst rechtfertigten Constantin und Method vor Papst Hadrian II. — Nicolaus I. war mittler¬ weile gestorben — nicht nur ihre Lehrweise und ihr Beginnen, sondern erwarben sich auch durch die Darbringung der Überreste des heiligen Clemens, sowie durch ihre hohen Tugenden das Ver¬ trauen und die Gunst desselben in solchem Grade, daß er den Method zum Erzbischof und den Constantin zum Bischof erhob. Letzterer lehnte aber diese Würde ab nnd gieng in ein Kloster, wo er den Namen Cyrill annahm. Bald darauf starb er am l4. Februar 868. In Folge der freundlichen Aufnahme der slavischen Glaubensboten in Rom, schickte auch der pannouische Fürst Kocel Abgeordnete dahin, um den Papst zu bitten, daß er die kirchliche Verwaltung seines Fürstenthnms deni Method anver¬ trauen möge; der Papst willfahrte dieser Bitte, indem er das durcki die Völkerwanderung zu Grunde gegangene pannouische Erzbisthum von Sirmium wiederherstellte und Method zum pannonisch- mührischen Erzbischof ernannte. Während der Reise der beiden Brüder nach Rom und ihres dortigen Aufenthaltes war eine große Veränderung in der politischen Lage Mährens eingetreten. Es war nämlich mittlerweile Lothar II. von Lothringen ohne Leibeserben gestorben und da sich seine Onkeln Karl der Kahle von Frankreich nnd Ludwig der Deutsche über die Erbschaft nicht einigen konnten, suchte Karl seinen Bruder von der Geltendmachung seiner Erbansprüche dadurch abznhalten, daß er die Slaven gegen ihn auiwiegelte. An der Spitze der anfge- wiegelten Slaven stand Rastislav. Die Söhne Ludwig's drangen rasch in das mährische Reich ein, Svatoplnk, Rastislavs Neffe, Die Christianisierung der Slovenen. 45 unterlag zu Neitra Karlmanns Heere und schloß mit diesen einen geheimen Vertrag. In Folge dessen brach in Mähren zwischen Onkel und Neffen ein Bürgerkrieg aus; Raftislav wollte den Svatopluk gefangen nehmen, dieser kam ihm jedoch zuvor und lieferte seinen Oheim dessen Hauptfeinde Karlmann aus, der den unglücklichen Greis mit Ketten beschwert nach Regensburg sandte^ worauf ihm der König Ludwig beide Augen ausstechen ließ und ihn in ein Kloster steckte, wo er umkam. Svatopluk hatte bald darauf sein Bündniß mit den Feinden des Vaterlandes zu bereuen. Die deutschen Gewalthaber hatten sich in Mähren eingerichtet und Svatopluk selbst ans Mißtrauen eingekerkert. Da erhoben sich die Mährer, das Glück war ihnen günstig, Svatopluk, welcher unterdessen frei gesprochen und mit einem Heere gegen sie geschickt wurde, schlug sich an die Seite seiner Landsleute und setzte den Kampf gegen die Deutschen mit Erfolg fort. Unter solchen Verhältnissen konnte natürlicher Weise Method in Mähren nicht wirken, und verblieb, von Rom zurückgekehrt, im Lande Kocels, um seine Thätigkeit als Oberhirt im Pannonien zu entfalten und bis zu den Karantauer Slovenen auszudehuen. Die slavische Liturgie gewann rasch außerordentlichen Anhang, dagegen sank das Ansehen der bairischen Geistlichkeit so tief, daß deren Erzpriester Richbald 870 nach Salzburg zurückkehren mußte. In Folge dessen stieg die Feindschaft der fränkisch-bairischen Geistlichkeit so hoch, daß sie sich nicht mehr begnügte, Method die Recht¬ mäßigkeit seiner erzbischöflichen Würde streitig zu machen, sondern sie wußte es sogar dahin zu bringen, daß er festgenommen und als Gefangener nach Deutschland abgeführt werde. Erst nachdem der deutsch-mährische Krieg zwischen Ludwig dem Deutschen und Svatopluk durch den Frieden zu Forchheim 874 beendet worden war, wurde das mährisch-pannvnische Erzbisthum auch von Ludwig -46 anerkannt, und Method konnte seine apostolische Thätigkeit sowohl in Pannonien bei Kocel, als auch bei Svatopluk in Mähren fvrt- setzeu. Papst Johann VIII. nahm Methods Erzbisthun: in zwei Breven an Ludwig 874 und Karlmann 875 in Schutz; als er aber die Salzburger Geistlichkeit, die den Method falscher Lehre beschuldigte, nicht zum Schweigen bringen konnte, rief er denselben nach Rom 879. Method legte ein feierliches Glaubensbekenntniß ab, ward für unschuldig erklärt, die slavische Liturgie wurde belobt und gestaltet, zugleich aber die lateinische in ihrem Rechte belassen und Wiching, ein Deutscher, zum Bischof von Neitra iu Svatopluks Gebiete eingesetzt 880. Damit trat ein Wendepunkt ein; der schlaue Wiching war auf jedwede Weise bemüht, den Method nicht nur aus der Liebe und Gnade Svatvpluk's zu ver¬ drängen, sondern quälte ihn auch durch allerlei andere Kränkungen bis an sein Ende. So lange Method lebte, wußte er alle Anschläge seiner Widersacher abzuwenden; aber nach dem Hinscheiden des verehrungswürdigen Mannes in: Jahre 885 .brach eine gräuliche Verfolgung der slavischen Priester aus. Die vornehmsten der¬ selben, Gorazd, der Nachfolger Methvd's, Clemens, der nachherige Bischof von Belica iu Macedonien, Vavriuec, Nauru, Angelar u. a. wurden auf Anstifter: der deutschen Priester ohne Svatvpluk's "Wissen erst grausam gequält, daun aus dem Lande vertrieben. Zwar erhielt sich die slavische Liturgie noch einige Zeit hie und da in Mähren und Pannonien und zum Theile auch in Böhmer:, allein herrschend zu werden vermochte sie nicht mehr. In: Jahre 899 sandte Papst Johani: IX. auf der: Wunsch des mährischer: Fürsterr Mojmir den Erzbischof Johann mit zwei Bischöfen nach Mähren und Pannonien, welche dort einen neuen Bischof weihten, wogegen die Erzbischöfe von Mainz und Salzburg in dringender: Zuschriften un den Papst protestierten 899 — 900. Ihr leidenschaftlicher Streit 47 War unnütz. Der Einbruch der Magyaren (892 — 907) erstickte alsbald die erste Saat des christlichen Glanbens zugleich mit der Vernichtung der slavischen Bevölkerung im größten Theile von Pannonien. Es entsteht nun die Frage, in welcher slavischen Mundart die slavische Liturgie des hl. Cyrill und Method abgehalten und die kirchlichen Bucher verfaßt worden seien. Einige Forscher nennen die liturgische Sprache des heiligen Cyrill und Method altbulgarisch, andere altslovcuisch, noch andere altslavisch und stellen sich unter letzterer eine Sprache vor, aus der sich erst im Laufe der Zeiten alle lebenden slavischen Mundarten entwickelt hätten. Jndeß es bestanden schon damals slavische Mundarten vergleichbar den heutigen. Schafakik hat in den serbischen Lese¬ kornern das Vorhandensein des serbischen Dialectes in der an das Jahrhundert des Cyrill und Method zunächst grenzenden Zeit- Periode nachgewiesen; derselbe Beweis läßt sich für das Bulgarische, Croatische und Russische ebenso gut und heutzutage noch leichter führen als im Jahre 1833, wo Schafarik schrieb. Da demnach die slavischen Dialecte schon in die Zeit des hl. Cyrill und Method zurückgehen, so bleibt nach Ausschluß einer altslavischen Sprache nur mehr die Annahme der altbulgarischen und altslovenischen Sprache übrig. Die altbulgarische Hypothese bezeichnet den bulgarischen Stamm, die altslovenische dagegen den im Gebiete des alten Pannoniens wohnenden slovenischen Stamm als den Träger und die Quelle der liturgischen Sprache. Jene Hypothese hat in Schafakiks diese in Miklosich ihren gewichtigsten Vertreter. Beide Richtungen werden durch historische und sprachliche Gründe gestützt. Die Wichtigkeit der Frage bringt es nut sich, daß wir die hauptsächlichsten Gründe für und gegen kurz andeuten. In der 48 historischen Begründung sucht Schafarik nachzuwcisen, daß die Erfindung der slavischen Buchstabenschrift und die Bibelübersetzung auf bulgarischem Boden fuße, daß diese literarische Thätigkeit der slavischen Apostel zunächst zum Zwecke der Bekehrung der Bulgaren stattfand und bereits in das Jahr 855 fällt, daß dann die bul¬ garische Sprache und Liturgie von dieser ihrer Heimat aus nach Mähren und Pannonien übertragen worden sei; Miklosich dagegen bringt die Erfindung der Buchstabenschrift und die Bibelübersetzung mit der Berufung nach Mähren und Pannonien im Jahre 86A in Zusammenhang und führt aus, daß von der mährisch-panno- nischen Heimat aus die Verbreitung der slavischen Liturgie und der liturgischen Sprache nach Kroatien, Bulgarien und den andern Ländern erfolgte. Schafarik stützt die altbulgarische Hypothese zunächst auf das Zeugniß des bulgarischen Mönches Chraber, eines Chronisten aus dem X. oder XI. Jahrhundert. Chraber schreibt: „Die urältesten Slaven, Heiden, hatten keine Schriftzeichen, sondern schrieben mit Linien und Strichen. Nach ihrer Taufe schrieben sie die slavische Sprache aus Noth, unrichtig, mit lateinischen und griechischen Schriftzeichen. Dabei blieb es lange Jahre, bis ihnen Gott den Constantin, Cyrill genannt, erweckte, der ihnen ein Alphabet zum Theile mit Rücksicht auf die griechischen Schriftzeichen, zum Theile nach Bedürfniß und Genius der slavischen Sprache zusammen¬ setzte . . . Fragst du die slavischen Schriftsteller: Wer hat euch die Schrift erfunden oder die Bücher übersetzt? Alle werden es wissen und werde» antworten: Der heilige Constantin, genannt Cyrill, der hat uns die Schrift erfunden und die Bücher übersetzt, sowie Method, sein Bruder. Fragst du aber: In welcher Zeit? Auch das wissen sie und sagen: Zur Zeit Michael's, des grie¬ chischen Kaisers, Boris des bulgarischen Fürsten, Nastislavs des Die Christianisierung der Slovencu. 49 mährischen Fürsten und Kocels, des Blatener-Fürsten, im Jahre der Erschaffung der Welt 6363 (— 855 nach Christi)." Dasselbe berichtet die Lebensbeschreibung des heiligen Clemens, genannt die bulgarische Legende. In dieser Legende, die wahrscheinlich aus dem X. Jahrhundert stammt, heißt cs: „Unter Boris fing das bulgarische Volk an, der Taufe und des Christenthums theilhaftig zu werden. Constantin nämlich und Method sahen die Menge der Gläubigen und bemerkten ihr Bedürfnis) nach geistiger Speise; darum erfanden sie neue Schriftzeichen und verfertigten eine Über¬ setzung der Bücher in die bulgarische Sprache, damit das bulga¬ rische Volk, den seythischen Jrrthümeru entrissen, den wahren und unfehlbaren Weg zum Heile zu erkennen vermöge." Desgleichen berichtet der Duklaner-Priester (um 1161), daß der hl. Constantin nach seiner Rückkehr von den Kosaren die Bulgaren bekehrt und dann erst nach Mähren sich begeben habe. Der Hradischter- oder Opatro- wicer-Mvnch des XII. Jahrhunderts nennt die cyrillische Schrift eine bulgarische, nach Mähren gebrachte. In demselben Sinne spricht die mährische Legende, sowie die Legende von der hl. Ljudmila. Bei der Vergleichung mit diesen alten klaren Zeugnissen, schließt Schafatnk, verschwindet der Widerspruch des entfernten und im Jrrthnme befangenen Nestor, der das Alphabet in Mähren erfinden und die Schrift umgekehrt von Mähren nach Bulgarien gelangen läßt; nicht von Mähren nach Bulgarien, sondern von Bulgarien nach Mähren, auf dem natürlichen Wege, behauptet Schafakik, habe sich die slavische Liturgie ansgebreitet und gerade die in Bulgarien bereits bestehende slavische Liturgie habe den Rastislav veranlaßt, die Slaven-Apostel in sein Land zu berufen. Sv weit die historischen Gründe für die altbulgarische Hypo¬ these. Dazu kommen noch die sprachlichen Gründe. Bezeichnend ist für den Unterschied der slavischeu Sprachen unter andern die Die Slowenen von Peof. I. äuman. 50 Art und Weise, wie die ursprüngliche Lautgruppe tj und äs behandelt wird. Während nämlich die neuslovenische Sprache tj durch ö, äs durch g, dagegen das Kroatische und Serbische durch ö und äs, das Böhmische durch 6 und 2 wiedergibt, wird tj in der liturgischen Sprache und im Neubulgarischen durch st, und äj durch Lä wiedcrgegeben, woraus Schafakik folgert, daß die litur¬ gische Sprache der damaligen bulgarischen Sprache entnommen sei. Wenn ferner in der liturgischen Sprache des hl. Cyrill und Method auch deutsche und lateinische Fremdwörter enthalten sind, und dieser Umstand gegen die altbulgarische Hypothese angeführt wird, so erklären sich nach Schafakiks Meinung die deutschen Worte aus den vormaligen Sitzen der Gothen und die lateinischen aus den Resten der römischen Verwaltung. Übrigens sei die Über¬ setzung der hl. Schrift, namentlich der Evangelien, von der späteren bulgarischen Sprache des XI. Jahrhunderts, wie sich diese in den in Bulgarien geschriebenen Handschriften findet, wesentlich in nichts verschieden: die Entartung der heutigen bulgarischen Sprache beginne erst mit dem Falle des bulgarischen Reiches 1019, sei eine Folge der Vermischung der Slaven mit Walachen, Arnauten und Griechen, und sei erst unter der türkischen Herrschaft eine allgemeine geworden. Dagegen sei die altbulgarische Sprache den Slaven in Mähren und Pannonien verständlich gewesen, weil die Sprachcnunterschiede damals überhaupt noch geringer waren. Das sind die hauptsächlichsten Gründe Schafariks, weshalb die liturgische Sprache des heiligen Cyrill und Method die alt¬ bulgarische genannt werden soll. Wir führen nun die Ansicht Miklosichs ans, wornach die liturgische Sprache des heiligen Cyrill und Method die altslovenische zu nennen sei. Hinsichtlich des Namens, bemerkt Miklosich, sollte auch derjenige, der die Heimat der slavischen Kirchensprache in Bulgarien gefunden zu haben 51 meint, der Benennung slovcuisch znstiimnen, denn mich die bul¬ garischen Slaven gehören, wie die dacischen, die Pannonischen und norischen dem slovenischen Stamme an. Man würde durch den Gebrauch des historisch einzig berechtigten Namens dein offenbaren Widerspruche entgehen, der darin liegt, daß zur Bezeichnung einer slavischen Sprache der Name der hunnischen Bulgaren dienen muß. Im übrigen läßt sich die Ansicht Miklosichs in folgende drei Punkte zusammenfassen: erstens die Erfindung der slavischen Buchstabenschrift fällt nicht ins Jahr 855, sondern in die Zeit der Berufung nach Mähren, also 863; zweitens die liturgische Sprache des Constantin und Method ist die Sprache der damaligen Pannvnischen Slovenen und nicht der Bulgaren; drittens auch die damaligen Mährer haben die slovenische Sprache gesprochen. c/ Erstens die Erfindung der slavischen Buchstabenschrift fällt nicht ins Jahr 855, sondern in die Zeit der Berufung Constantins und Methods nach Mähren, also ins Jahr 863. Diesbezüglich stützt sich Miklosich auf die Lebensbeschreibung des heiligen Method, auf die sogenannte pannonische Legende. Miklvsich hält die genannte Legende für die in dieser Hinsicht wichtigste und älteste Quelle und setzt mit Ernst Dümmler ihre Entstehung aus inneren Gründen, die hier nicht weiter erörtert werden können, bereits in die zweite Hälfte des IX. Jahrhunderts, und zwar gleich in die nächste Zeit nach dem Tode des heiligen Method. Dieser Quelle gegenüber weichen alle andern Quellen an Alter und Glaub¬ würdigkeit. Die pannonische Legende nun bringt die Erfindung der slavischen Buchstabenschrift mit der Berufung der beiden Slavenapostel nach Mähren unmittelbar in Verbindung und es lautet die betreffende Stelle folgendermaßen: „Es war in jenen Tagen Rastislav mit Svatopluk Fürst der Slovenen und sie schickten aus Mähren Bvten zum Kaiser Michael, welche alsv 52 sprachen: Durch die Gnade Gottes befinden wir uns wohl, und es kamen zu uns viele christliche Lehrer aus Italien, Griechenland und Deutschland, welche uns in verschiedener Weise lehren, aber wir Slovenen sind einfache Leute und haben Niemand, der uns in der Wahrheit unterrichten und den Sinn der Schrift deuten könnte. Wohlan, Herr, schicke uns einen Mann, der uns die ganze Wahrheit lehren soll. Dann sagte der Kaiser Michael zu Constantin dem Philosophen: Horst du, Philosoph, diese Worte? Ein anderer konnte dieses nicht thnn als du. Ich werde dir viele Geschenke geben und du nimm deinen Bruder, den Abt Methvd, mit und ziehe hin. Ihr seid ja Thessalonicher, und die Thessa¬ lonicher reden rein slovenisch. Da nun wagten sie nicht, sich Gott und dem Kaiser zu widersetzen gemäß des Wortes des heiligen Petrus, der da sagte: Fürchtet Gott und ehret den König. Als sie aber das große Wort gehört hatten, verlegten sie sich aufs Gebet mit den andern, die mit ihnen des gleichen Sinnes Waren. Ta offenbarte Gott dem Philosophen die slovenischen Buchstaben und nachdem die Buchstaben gebildet und die Sprache geordnet war, machte sich dieser mit Method sogleich auf den Weg nach Mähren." Nach dieser pannonischen Legende, schließt nun Tümmler, dürfte es sehr zweifelhaft scheinen, ob jener durchaus nicht Lleich- zeitigen Angabe des Mönches Chraber, welcher jene Erfindung dem Jahre 855 zuschreibt, wirklich Glauben zu schenken sei. Denn während es nicht ersichtlich ist, welche Beweggründe Con¬ stantin im Jahre 855 zur Schöpfung einer slavischen Schrift gehabt hätte, bietet im Jahre 863 der Wunsch der Mährer, die Bibel näher und besser kennen zu lernen, die natürliche Veranlassung dar, sie in ihre Sprache zu übertragen und zu diesem Behufs eine Schrift zu erfinden. Noch bestimmter äußert sich Miklvsich, indem er schreibt: Die Behauptung, die Geschichte der bulgarischen 53 Kirche beginne um das Jahr 852 (respective 855) mit der Erfindung des slavischen Alphabets durch den heiligen Cyrillus und der von ihm veranstalteten Übersetzung liturgischer Schriften in die Mundart der macedonischen Slaven oder in die südliche Mundart der bul¬ garischen, muß so lange als unbegründet znrückgewicsen werden, als sie sich nicht auf bessere Zeugnisse stützt, als die von A. Gilferding aufgefundene Legende, die mit den gleichzeitigen Zeug¬ nissen in unlösbaren Widerspruch tritt: die Wirksamkeit Cyrills unter den Slaven Bulgariens ist nicht besser bezeugt als die des Apostels Andreas bei den Russen: alle Völker sind bestrebt, ihre Christianisierung mit berühmten Namen in Zusammenhang zu bringen. Ein politischer Gedanke war es, dem das altslovenische Schriftenthum sein Dasein verdankt. Die politische Unabhängigkeit des großmährischen Reiches sollte durch die kirchliche Trennung angebahnt werden. Dieser folgenreiche politische Gedanke entstand im Kopfe Rastislavs, nicht in dein irgend eines slovenischen, noch weniger eines bulgarischen Häuptlings in Bulgarien. So weit der erste Punkt bezüglich der Zeit der Erfindung der slavischen Buchstabenschrift. Was den zweiten Punkt unserer Frage anlangt, daß die liturgische Sprache des Constantin und Methvd die Sprache der damaligen pannvnijchen Slovenen sei, gründet sich Miklvsichs Ansicht auf den sprachlichen Charakter der vorhandenen Handschriften, in welchen die literarischen Arbeiten des Constantin und Method und ihrer Mitarbeiter und Schüler niedergelegt sind. Indem nämlich Miklosich die vorhandenen Handschriften überschaut, in denen die besagten literarischen Arbeiten niedergelegt sind, findet er, daß einige Handschriften den Charakter der bulgarischen, andere den der serbischen, wieder andere den der kroatischen und andere schließlich den Charakter der russischen Sprache erkennen lassen. Außer den genannten bulgarischen, 54 serbischen, kroatischen und russischen Handschriften gibt es aber noch eine Gattung von Handschriften, die einen hervorragcnd- alterthümlichen Charakter zeigen und kein Merkmal jener genannten Mundarten an sich tragen. Diese letzteren Handschriften nennt Miklosich die pannonischen und ihre Sprache die pannonische, hinweisend auf die Thatsache, daß nm die Mitte des IX. Jahr¬ hunderts in Pannonien und nur in Pannonien eine kirchliche Literatur in slovenischer Sprache begründet wurde. Das Hauptmerkmal der pannonischen Denkmäler besteht im Gebrauche und zwar dem richtigen Gebrauche der Nasalvveale a und s. Es ist dies nur ein einzelnes Merkmal der Sprache, wodurch man gleichwohl in den Stand gesetzt wird, die panno- nifchen Denkmäler von den nichtpaunonischen zu unterscheiden; denn die Sprache der bulgarischen Denkmäler ersetzt .ja durch ga; die Sprache der serbischen und kroatischen Denkmäler ersetzt das pannonisch-slovenische a durch u, s durch s; die Sprache den russischen Denkmäler ersetzt die pannonischen Nasale a s durch u ga. Außerdem ist der Ursprung der lateinischen und althochdeutschen Lehnwörter, die der vorcyrillischen christlichen Terminologie entstammt in die slavische liturgische Sprache eingedrungen sind, nur dem begreiflich, der Pannonien zum Ausgangspunkte der liturgischen Sprache nimmt, wo vor Cyrill und Method deutsche Priester und die lateinische Liturgie herrschte. Was ferner die Lautgruppe st. und Lei anlangt, die für die altbulgarische Hypothese angeführt wird, so ist zu bemerken, daß die Lantgruppe st und Lä auch den damaligen Sprache der pannonischen Slovenen zuzusprechen isft wie sich dieses aus den magyarischen Lehnwörtern nachweisen läßt. Alle diese Umstände nun, ferner der Umstand, daß sich die gegenwärtige bulgarische Sprache von der alten liturgischen Sprache mehr entfernt, als irgend eine andere slavische Sprache derselben. Die Lhrisncmisiuung der Slorenen. 55 Ordnung, daß der Charakter der bulgarischen Sprache bezüglich der lautlichen Entartung nicht neu ist, sondern sich im Psalter von Bologna bis ins Jahr 1186—1196 zurück verfolgen läßt, während die norisch-slovenische Sprache, wie sie in ihrem ältesten Sprachreste, in den Freisinger-Denkmälern, hervortritt, trotz einiger Unterschiede, im Ganzen der Sprache der pannvnischen Denkmäler dennoch näher steht, als irgend ein anderes slavisches Denkmal, das nicht ans einem pannvnischen Texte floß, berechtigt zum Schluffe, daß sich die norisch-slovenische Mundart und die alte liturgische Sprache auch territorial am nächsten standen, d. h. daß die Heimat der letzteren wohl nur in Pannonien zu suchen sei. Wir kommen zum dritten und letzten Punkte dieser unserer Frage, daß auch die damaligen Mährer die slovenische Sprache gesprochen haben. Es ist nämlich trotz der Voraussetzung der pannonischcn Heimat der altslvvenischen Kircheusprache kaum begreiflich, wie es kommt, daß Cyrill und Methvd, die doch den geringsten Theil ihrer Thätigkeit in Pannonien, dagegen den größten in Mähren zugebracht, dennoch für ihre literarischen Arbeiten die pannonische und nicht die mährische d. i. böhmisch¬ mährische Sprache angewendet haben, und zwar, da obendrein noch Mähren das politisch gewichtigere und umfangreichere Terri¬ torium bildete. Auf diese, wie es scheint, berechtigte Einwendung gegen die pannonische Heimat der altslvvenischen Kirchensprache antwortet Miklosich mit Dümmler damit, daß damals auch in Mähren die slovenische Sprache gesprochen wurde. Während also Schafaöik nicht bloß das heutige Mähren und die Slovakei im nordwestlichen Ungarn, sondern auch das Gebiet am rechten Donau-Ufer bis zum westlichen Ufer des Plattenseees der mährischen Mundart zuweiset, geht umgekehrt die Ansicht Miklosichs und Tümmlers dahin, daß nicht bloß alles Land am rechten Donau- 56 User, sondern auch das Gebiet der heutigen Slovakei und ein Theil von Mähren von einem slavischen Volksstmnine bewohnt war, der die slovenische und zwar die pannonisch-slovenische Mundart gesprochen hatte. Dümmler stellt sich vor, daß zwischen dem Jahre 822, wo Mähren zuerst in der Geschichte, den Böhmen benachbart, unter eigenem Namen vorkommt, und dem Jahre 1030, wo sich Böhmen mit Ungarn in den Besitz des grvßmährischen Reiches theilte, eine durchgreifende Umwandlung der Bevölkerung, namentlich durch die Kriege des Jahres 897 und 900 platz¬ gegriffen habe, und in Folge dessen erst die böhmische Mundart durch den Zufluß der böhmischen Bevölkerung in Mähren allmählich herrschend geworden sei, während die frühere slovenische Mundart verschwand. Miklosich äußert sich über diesen Punkt unserer Frage, wie folgt: Wenn ich den Ausdruck pannonisch gebrauche, so muß ich bemerken, daß ich anerkenne, daß der Ausdruck, um der Sache vollkommen zu entsprechen, auch Mähren in sich begreifen sollte. Ich bin nämlich jetzt der Ansicht, daß der slovenische Volksstamm nicht nur auf dem rechten, sondern auch auf dem linken Ufer der Donau wohnte, freilich ohne über den Unifang seiner Wohnsitze im Norden der Donau auch nur eine Vermuthung aussprechen zu können. Zu den Gründen, mit welchen E. Dümmler in seiner Abhandlung über die pannonische Legende diese Ansicht vertheidigt hat, fügt Miklosich noch die Form des Namens Svatopluk hinzu, der beim griechischen Biographen des Bischofs Clemens Sventoplektos, im Briefe des Papstes Johann VIII. von 880 Sfentvpnlchns und in der germanisierten Form Zwen- tibald lautet, Formen, die der einheimischen Sprache des Landes, in welchem der Fürst herrschte, entnommen sein dürften und das altslovenische svotü, nicht irgend einen böhmischen Reflex dieses Wortes voraussetzen. Ebenso nennen die Slvvaken heutzutage noch ihre 57 Sprache slovönslr/ juT^lr slovenische Sprache, bezeichnen sie also mit dem gleichen Namen, wie ihn die norischen Slovenen gebrauchen und ohne Zweifel auch die pannonischen Slovenen gebraucht haben. Nach dieser Auffassung sind die ungarischen, kroatischen und die Slovenen der östlichen Steiermark die directen Descendenten jener Slaven, in deren Sprache die liturgischen Bücher des heiligen Cyrill und Method geschrieben worden sind. Nicht minder gehören nach dieser Ansicht zu dem gleichen Stamme die Slovaken, deren Sprache sich gegenwärtig dem böhmischen Idiome genähert hat. Das ist der Standpunkt der altslovenischen Hypothese im Gegen¬ sätze zu der oben ausgeführten altbulgarischen. Die glagolitische und cyrillische Schrift. Die liturgische Sprache wurde und wird noch gegenwärtig sowohl mit der glagolitischen als auch der cyrillischen Buchstaben¬ schrift geschrieben, und so auch die Bücher gedruckt. Die glagolitische Schrift, einfach Glagolica genannt, wird noch angewendet in einigen Gegenden Istriens, des kroatischen Litorales, des nördlichen Dalma¬ tiens und auf den benachbarten Inseln; die cyrillische Schrift, auch Cyrilica genannt, herrscht bei den Serben, Bulgaren, bei den Russinen und Russen. Das glagolitische Alphabet enthält 40 Buchstaben, die durch ihre umständlichen Züge und Rundungen gegenüber den einfachen cyrillischen Buchstaben den Charakter des Alterthümlichen haben; drei Laute (7 ll »>) sind dem griechischen Alphabet entnommen. Das, cyrillische Alphabet hat 43 Buch¬ staben, darunter 24 griechische Buchstaben, jene l4 Laute, die in der griechischen Sprache nicht vorkommen und zwei Jotierungen (,ju jo) sind ans dem glagolitischen Alphabet entlehnt, zwei Jotie¬ rungen (ju jo) und zwei andere Laute (L sind neu hinzugefügt, dagegen ist der variierte Laut der im glagolitischen Alphabet 58 neben A vvrkommt, in der Cyrilica weggelnssen. Die Buchstaben des glagolitischen Alphabets haben ihre eigenen durch die Ordnung des Alphabets bestimmten Zahlenwerthe, während sich die Zahlen- werthe der Cyrilica an die der griechischen Buchstaben anschließen. Vergleiche folgende Tabelle: 59 Der Name glagola oder glagolica ist slavisch und bedeutet soviel als Laute, dagegen kann Cyrilica die von Cyrill erfundenen Buchstaben bezeichnen. Der letztere Name hat bezüglich des Alters und Ursprunges der beiden Alphabete und Schriften nicht geringe Zweifel heroorgerufen, indem man bei dem Umstande, als es überliefert ist, daß Constantin, genannt Cyrill, die slavische Buchstabenschrift erfunden hat, geneigt war, die cyrillische Schrift als die Erfindung des heiligen Cyrill und somit als die ältere Schrift zu bezeichnen, dagegen jene durch die alterthümlichen Züge und Rundungen ausgezeichnete Schrift, die man jetzt die glagolitische nennt, als die jüngere Schrift anzusehen. Miklosichs Ansicht geht dahin, daß die glagolica von Constantin, genannt Cyrill, erfunden wurde, die Cyrilica dagegen vom gelehrten Clemens, dein Schüler Methods und Bischof von Velica in Maccdvnien (st 916), der einer zuverlässigen Überlieferung zufolge die damalige slavische Schrift verbessert hatte, eingeführt worden ist. Die Frage, warum Cyrill nicht lieber das griechische Alphabet beibehalten und dasselbe mit Zeichen für die der slavischen Sprache eigenthümliche Laute ergänzt habe, beantwortet Miklosich dahin, daß wahrscheinlich die Slovenen selbst damals dieses Alphabet bereits besaßen. Die tiefe Kenntnis) des slvveuischen Lautsystems der Halb- und Nasen- vvcale müßte man am Grammatiker Constantin mit Recht bewundern, während die Annahme eines alten, von den Slovenen von jeher gepflegten, im Lanfe der Zeiten immer mehr vervollkommten Alphabets weniger befremdend wäre. Die Slovenen konnten ihr Alphabet bald nach der Einwanderung in Pannonien von den Griechen durch die Illyrier bekommen haben. Eine andere Ansicht geht dahin, daß das ältere glagolitische Alphabet auf Hieronymus und Ethicus ins IV. Jahrhundert nach Christi zurückgehe. Der wichtigste Vertreter dieser Ansicht Pertz 60 (äö cosinoAimpüür Milici Berlin 1853) sucht nachzuweisen, ein gewisser Eihicus aus Istrien, genannt der Philosoph, der zn Anfang des IV. Jahrhunderts nach Christi lebte und in seiner griechisch geschriebenen Kosmographie Proben einer eigenthümlichcn mit der Glagolica vergleichbaren Schrift gibt, dieser sei der Erfin¬ der der glagolischen Schrift gewesen. Der heilige Hieronymus hatte des Ethicus Kosmographie in die lateinische Sprache über¬ setzt und in dieser Übersetzung sind die fraglichen Schriftzeichen erhalten. Indem nun Pertz diese fraglichen Schriftzeichen, die in mehreren Handschriften der übersetzten Kosmographie überliefert sind, und die glagolitischen Buchstaben vergleicht und analysiert, will er unverkennbare Ähnlichkeiten finden und nachweisen, daß der Jstriauer Ethicus ein Slave war und das glagolitische Alphabet im Anfänge des IV. Jahrhunderts erfunden habe. Damit stimme auch die Überlieferung der dalmatinischen Slaven überein, welche dahin geht, daß das glagolitische Alphabet, von ihnen das hieronymische genannt, auf den hl. Hieronymus zurückzuführen sei. Auch Briefe von Päpsten bezeichnen die glagolitische Schrift als die hiervnymische. Miklosich dagegen sncht mit Dobner den Ursprung der Über¬ lieferung, daß die glagolitische Schrift vom hl. Hieronymus her¬ rühre, auf folgende Weise zu erklären. Als unter Papst Alexan¬ der II. (1061—1072) in einer Synode zu Spalato beschlossen wurde, daß die Messe nicht mehr in slavischer Sprache abgehalten werden solle, und unter andern Gründen auch vorgebracht wurde, daß sich in die slavischen Bücher Jrrthümer eingeschlichen, daß selbst die Übersetzung der heiligen Schrift von der Vulgata des heiligen Hiervnymns abweiche, so verbesserte man die slavische Übersetzung nach der Vulgata des hl. Hieronymus, und diese so verbesserte Übersetzung wurde die Hieronymische genannt. Bei der Unkenntnis) der Geschichte entstand dann die Meinung, die Übersetzung selbst 61 rühre vom hl. Hieronymus her, der sie gemacht und zu dieser Zeit die slavischen Buchstabenschrift erfunden, resp. die von Ethicus erfundenen angewendet habe. Wie es nun anch mit der räthselhaften Erfindung des Philo¬ sophen Ethicus stehen mag, so viel ist gewiß, daß die glagolitische Schrift die ältere und die cyrillische die jüngere ist. Die glagoli¬ tische Schrift ist die slovenische Schrift, wie sie in der Lebens¬ beschreibung des hl. Clemens und vom Papst Johann VIII. bezeichnet wird. Von Pannonien ans wurde die glagolitische Schrift und die glagolitischen liturgischen Bücher mit der Vertreibung der Schüler Methods aus Mähren und Pannonien in Bulgarien und Dalmatien eingeführt. Dort wurde sie bald mit der cyrillischen vertauscht, während sie sich in den eingangs erwähnten kroatischen Gebieten bis zum heutigen Tage erhalten hatte. Vorübergehend war sie auch in Prag in einem Benedictinerkloster im Gebrauche, wo sie 1347 eingeführt sich beiläufig 100 Jahre behauptet hatte. > Die altslovenische Sprache steht nach Wohllaut und Fvrmreich- thnm keiner der indoeuropäischen Sprachen nach. Jin Vocalismus kommt sie dem Reichthum der griechischen Sprache gleich, ja über¬ trifft sie durch die Halb- und Nasenvocale. Im Konsonantismus steht die altslovenische Sprache auf dem Standpunkte der indo¬ europäischen Grundsprache, hat keine Lautverschiebung, außer wenn man den Wegfall der aspirierten Media (bh:b) so nennen will. Die Kehllaute erleiden eine zweifache Erweichung vor den weichen Vocalen, vor denen sie wie im Italienischen und Französischen Zisch- und Sauselaute werden. Von den übrigen Consonanten werden nur u 1 r und ä t und zwar nur vor praejvtierten Vocalen erweicht, die Erweichung von *cija und *tja zu Län und sta bildet eine Eigenthümlichkeit der altslovenischen Mundart. Mit diesen innerhalb der bezeichneten Grenzen durchgeführten Erweichungen 62 scheint die Kraft und die Milde in der Sprache günstig vertheilt zu sein. Eigenthümlich ist das altslovenische Auslautgesetz, welches darin besteht, daß im Auslaute keine Consonanten stehen, sondern entweder abfallen, oder wenn sie Nasale sind, sich mit dem vor- ausgehenden Vocal zum Nasalvocal verbinden. Was den Formreichthum in der Flexion anlangt, so hat die altslovenische Sprache außer der Einzahl und Mehrzahl auch die Zweizahl sowohl am Hauptwort als auch am Zeitwort bezeichnet; die Declinatiou besitzt sieben Endungen, anßer den sechs Endungen der lateinischen Sprache noch den Local; die Declinationsstämme sind consonantisch und vocalisch wie im Sanskrit und in den classischen Sprachen der Griechen und Romer. Das Adjectiv hat eine doppelte Declination, die eine nominal wie die Substantiv«, die andere zusammengesetzt aus der nominalen und pronominalen, wobei das nachgesetzte Pronomen, den Artikel der griechischen oder deutschen Sprache vertretend, mit der nominalen Declination zu einer neuen Worteinheit verschmilzt. Das Verbum hat der Form¬ fülle noch mehr. Es bildet in einfachen Formen das Prüfens, Jndicativ und Imperativ, den starken und schwachen Aorist, letzteren mit s und in einer jüngeren Gestalt mit li; dann fünf Participien, das Supin und das Verbalsubstantiv; mit Hilfe der Participien und des Hilfszeitwortes bildet es dann die zusammengesetzten Zeiten. Das Passiv ist zweifach, ein mediales Püssivum, welches durch den Zusatz des Reflexivs an das Activ gebildet wird, und ein wirkliches Passiv aus dem passiven Participien in Verbindung mit dem Hilfsverb. Außerdem hat das Altslovenische, wie auch die heutigen slavischen Sprachen, für die Zeitstufe der perfectiven und imperfectivcn Bedeutung getrennt ausgeprägte Verbalthcmen, eine Eigenthümlichkeit, die in dieser Vollständigkeit keine andere indoeuropäische Sprache besitzt. Mit dieser eigenthümlichen Bildung 63 der perfectiven und imperfectiven Verba, die nach der Beschaffenheit der Handlung, je nachdem sie mmnentan, dauernd, wiederholt oder gewöhnlich ist, stets neue Formen zulassen, ersetzt die Sprache den ihr fehlenden Conjunctiv. Den Optativ der andern Sprachen, der im Slavischen die Function des Imperativs übernommen hat, umschreibt sie mit dem Particip und dem Aorist des Hilfszeit¬ wortes. Bezüglich der Reichhaltigkeit der Verbalstümme genüge zu sagen, daß die altslovenische Sprache außer den einsilbigen Wurzelverbeu abgeleitete Berbalthemen auf u ö i u besitzt. In der Wortbildung hat Miklosich l85 Nominalsuffixe nachgewiesen WaS den Wurzelvvrrath anlangt, so steht die altslovenische Sprache keiner andern der ausgebildetsten indoeuropäischen Sprachen nach. Die syntaktischen Gesetze sind kann: geeignet für eine übersichtliche statistische Darstellung; indeß läßt sich von dem Reichthume der Formen auf die Concinnität der Verbindung schließen. Die Klarheit der Lautgesetze, die Reichhaltigkeit der Formen, die Harmonie der syntaktischen Erscheinungen, vor Allem aber die Gründlichkeit der Durchforschung und die nahe Verwandtschaft mit dem SanSkrit und den elastischen Sprachen der Griechen und Römer und mit der deutschen Sprache hat der altslovenischen Sprache einen hervorragenden Ehrenplatz in der indoeuropäischen Sprach- grnppe erworben; an allen bedeutenderen Universitäten Europas wird sie gelehrt, von keinem Sprachforscher hintangesetzt; die alt- slvvcnische Sprache ist das herrlichste Monument, die elastische Sprache der Slovencu des IX. Jahrhunderts, um so achtens¬ wertster, je begründeter die Annahme ist, daß sie ohne jede Vor¬ schule, so zu sagen, unmittelbar ans dem Volke in diese so vollendete Schriftsprache übertragen worden sei. Den Inhalt der altslovenischen Schriften bildet die Über¬ setzung der heiligen Schrift und der liturgischen Bücher, dann 64 Homilien und Legenden, das Nvmocanon (Kirchengesetze), Paterieon (Erzählungen über das Leben des heiligen Vater) und ähnliches. In glagolitischer Schrift sind bis jetzt folgende pannouische Denk¬ mäler bekannt geworden. 1. Das Evangelium aus dem Kloster Zographos auf dem Berge Athos, 304 Blätter, von denen 17 (41—57) jüngeren Ursprunges sind. Die Handschrift befindet sich jetzt in der öffentlichen Bibliothek in Petersburg. In cyrillischer Transcription herausgegeben von B. Jagiü, Berlin 1879. 2. Der Olutzolitu (Roräunus, Homilien griechischer Kirchen¬ väter enthaltend, 12 Blätter in Trient, 2 in Innsbruck; jeue sind herausgegeben von B. Kopitar, Wien 1836, diese von Miklvsich in den Denkschriften der kaiserlichen Akademie X 195—214, beide von Sreznevskij S. 164 — 220. 3. Das Evangelium aus dem Skitu der heiligen Jungfrau Maria auf dem Berge Athos, Mariencoder, von Sreznevskij Athosevangelium genannt, 171 Blätter, im Besitze des Herrn V. I. Grigoroviü in Odessa, 2 Blätter ehedem Eigenthum von A. v. Mihanoviü, jetzt Miklvsich. Proben bei Sreznevskij S. 91 bis 115. 157—162. -x /XX 4. Das Evangelium Asfemani's 159 Blätter, jetzt in der vatikanischen Bibliothek in Rom, herausgegeben von RaLki, Agram 1865; Dr. Ornüiü, Rom, 1878. 5. Das Evangelium von Ochrida, 2 Blätter, jetzt im Besitze des Herrn Grigoroviü, heransgegeben von Sreznevskij S. 74—87. 6- Das macedonische Blatt, eine Homilie Ephraein's und anderes enthaltend, jetzt im Besitze des Herrn Grigoroviü, heraus¬ gegeben von Sreznevskij S. 220—234. 7. Die Liturgie von Sinai, 3 Blätter, jetzt im Privatbesitze in Petersburg, herausgcgebeu vou Sreznevskij S. 243—257. 65 Das ^.lmoeimrimn ImlAuricmm, das bei Sreznevskij S. 235 bis 242 abgedruckle Fragment, das noch nicht vollständig entzifferte Palimpsest von Bojana, einer Stadt bei Sofia (Lröckloi), in welchem Marc 7. 31—37 gelesen wurde, so wie das aus 2 Blät¬ tern bestehende, das Herr C. von Tischendorf vom Berge Sinai mitgebracht, find nur als vorhanden zu erwähnen. In cyrillischer Schrift find folgende pannonische Denkmäler erhalten: 1. Das Kavu-evuuAalium, Laviim liniAn, 129 Blätter, in der typographischen Bibliothek in Petersburg, herausgegeben von J. I. Sreznevskij Drovnik sinvgnnslris pnmsntllil^i jn8ovnAo pisinra. Sanct Peterburg 1868, S. 1 — 154. 2. Der crocksx LupraMsnsis, 185 Blätter, von denen 118 in der k. k. Stndicnbibliothek zu Laibach, das übrige grvßtentheils in der Bibliothek des Herrn Grafen Zamojski in Warschau, 24 Heiligenlegenden und 22 Homilien griechischer Kirchenväter enthaltend, aus dem XI., vielleicht sogar X. Jahrhundert, heraus- gcgeben von Miklosich, Wien 1851; einzelnes bei Sreznevskij S. 174-186. 225—240. 3. Die Catecheses des Cyrillus von Jerusalem, 2 Blätter herausgegeben von dem Besitzer Herrn GrigoroviL in IsvSstija imp. ulcuäsmü rmuirm I. S. 89 — 96, auch abgedrnckt bei Srez¬ nevskij 187 — 191. 4. Evangelium von V. M. Undolskij, 2 Blätter, jetzt im Moskauer Museum, heransgegeben von Sreznevskij S. 194—196. 5. Psalter von Sluck. Probe bei Sreznevskij S. 155—165. 6. Evangelium von Novgorod, 2 Blätter, herausgegeben von Sreznevskij S. 166—173. 7. Das macedonischc Blatt, enthaltend einen Theil des Prologs von Joannü dem Exarchen von Bulgarien, herausgegeben von Sreznevskij S. 192—193. Die Slovencu von Peof. I. ömucm. 5 66 Von den angeführten pannonischen Denkmälern sind die glagolitischen die älteren, die cyrillischen können Abschriften ans glagolitischen Handschriften sein. Die Zuknnft dürfte noch mehr Handschriften an das Tageslicht fördern. Es gehen aber außerdem noch viele bulgarischen, namentlich aber serbische nnd kroatische und viele von den zahlreich erhaltenen russischen Handschriften (Ostro- mir'sche Evangelium, die Homilien des Gregvrius von Nazianz, das Evangelium von Turovü, Antiochs Pandcktes, Svjatoslav's Jzbvrnik rc.) mittelbar oder unmittelbar auf pannonische Originale zurück, wie dieses daran erkenntlich ist, daß einige Pannonismen beibehalten sind, während andere im Sinne der Mundart des Abschreibers abgeändcrt worden sind. An die altslovenischcn Denkmäler knüpft sich eine nicht unbedeutende philologische Literatur. Skizzierte Geschichte der von Slovenen bewohnten Länder. Zusammeilgestellt von Fr. Fasching. Die Geschichte des flovenischen Volksstammes nach Samo's epochemachendem Auftreten läßt sich am besten nach den Landern darstellen, die noch heute von Sloveuen bewohnt werden. Wir beginnen also mit Kärnthen. Nach der Auflösung des Reiches Samo's N58 stand Karantanien unter unabhängigen einheimischen Fürsten, bis es sich 748 dem Herzoge von Baiern unterwarf und 788 sammt Baiern dem großen fränkischen Reiche einverleibt wurde. Das große fränkische Reich hatte in den Dvnau-Alpen- ländern zwei Marken errichtet, die Friauler-Mark — südlich der Dran in Steiermark bis an die Etsch und die Adria — und die Mark im Ostlande. Die Mark im Ostlande umfaßte Steiermark nördlich der Drau, Kärnthen und das Land im Osten der Enns bis an die Raab und March. Letzteres Land war die Ostmark im engeren Sinne, auch Avaria und Sclavia, d. h. Slavenland genannt. An die Stelle der letzteren trat nach der Einwanderung der Magyaren das Grenzland Ostarrichi, Österreich, das 876 bis 1246 vom fränkischen Hause der Babenberger regiert, 1276 an das Hans Habsburg gelangte, welches durch die Errichtung einer Hausmacht den Grundstein zur Bildung der österreichischen Monarchie 68 Lkizzierle Geschichte rc. legte. Mit dem fränkischen Reiche nun beginnt die Germanisicrung Karautauiens, welche durch die Einführung des fränkischen Ver¬ waltungssystems, dnrch deutsche Ansiedlungen, durch Schenkungen von Land und Leuten an Hochstifte durchgeführt wurde. Besonders seit 824 scheint die karolingische Reichspvlitik immer entschiedener die Verwaltung Knrantaniens und der angrenzenden Marken in deutsche Hände gelegt zu haben; slovenische Häuptlinge räumen deutschen Grafen den Platz. Bis 995 bildete Karantanieu einen integrierenden Bestandthcil des Herzogthums Baiern. Die Empörung Heinrich des Zänkers veranlaßte Otto II., Karan- tanien und seine Vorlande Steiermark, Krain, Istrien, Friaul und die Mark Verona von Baiern abzutrennen, nm dadurch des Herzogs Macht zu schwächen. Von da an erscheint Karantanieu als Herzogthnm für sich, seit l035 ohne die Marken, und stund' bis 1073 unter Herzogen aus verschiedenen Häusern. 1073—ll 22 waren die Grafen von Eppenstein im Besitze dieses Herzogthums dann kamen die Grafen von Sponheim, deren Geschlecht mit Ulrich III. 1269 ansstarb. Zufolge eines Erbvertrages kam Kärnthen, nachdem zuvor 1180 Steiermark abgetrennt worden war, an den böhmischen König Ottokar II., und nach dessen Sturze an Meinhard II. Grafen von Görz-Tirol 1286. Dieser nahm nach althergebrachter slavischer Sitte vom Lande Besitz. Diese Sitte bildet eine eminente slovenische Antiquität und besteht in einer Eidleistnngs- und Huldignngsceremvuie, die nach der Neimchrvuik Ottvkar's von Steiermark und nach der Chronik Johannes von Viktring folgendermaßen beschrieben wird. Unter Karnbnrg in der Nähe der Kirche St. Peter befindet sich ein Stein, auf welchen sich ein freier Bauer setzt, der vermöge der Abstammung und des Erbrechtes zu diesem Amte befugt ist. Ihn umgibt in unüber¬ sehbarer Reihe das Volk, des neuen Herzogs gewärtig. Dieser Skizzierte Geschichte rc. 69 umgeben von Edlen und Rittern, zieht abseits seine kostbaren Kleider aus und wird mit bäurischen bekleidet, und zwar mit Rock, Hosen und Mantel von grauem Stoffe, Bundschuhen und einem grünen Hut. So augethan und in der einen Hand einen Stab haltend, mit der andern ein scheckiges Rind und ein Pferd von gleicher Farbe führend, nahet der Herzog dem Steine, hinter ihm feine Begleitung im Feierkleide und größten Schmuck. Sobald der auf dem Steine sitzende Bauer den Herzog erblickt, ruft er iu slowenischer Sprache: „Wer ist, der dort nahet." Alle Umstehen¬ den antworten: „Es ist der Fürst des Landes". Darauf der Bauer: „Ist er ein gerechter Richter? Liegt ihm des Landes Wohl am Herzen? Ist er freien Standes? Ist er ein Verehrer und Beschützer des wahren Glaubens?" „Er ist es und wird es bleiben," wird ihm von allen Umstehenden geantwortet. „Aber mit welchem Rechte," fragt der Bauer weiter, „kann er mich von diesem Sitze bringen." „Er kauft ihn von dir," antwortet die Menge, „mit 60 Pfennigen, mit diesen scheckigen Thieren und mit den Kleidern, mit denen er bekleidet ist, und frei machen wird er dein Haus von allen Abgaben." Nun gibt der Bauer dem Fürsten einen leichten Backenstreich, steht auf, nimmt die beiden Thiere und räumt dein Fürsten den Platz. Dieser setzt sich auf den Stein, schwingt das entblößte Schwert nach allen Seiten und gelobt dem Volke ein gerechter Richter zu werden. Noch thut er ans seinem Banernhnt einen Trunk frischen Wassers zum Zeichen seiner und seines Volkes Mäßigkeit und der Genügsamkeit damit, was der heimische Boden zum Unterhalte des Lebens darbietet. Von da begibt sich der Fürst zur Kirche Maria-Saal zum feierlichen Gottesdienste. Nach Beendigung desselben hält er mit Adel und Ritterschaft ein Mahl und begibt sich sodann, um Gericht zu halten und Recht zu sprechen, aus die Wiese bei Maria-Saal, woselbst -^0 Skizzier!e Geschichte re. ein richterlicher Sitz errichtet ist, wo der Fürst den Schwur den Erbhuldigung empfängt und Lehen verleiht. Diese Sitte, in ihren Grnndzügen sicherlich in die erste Zeit der Christianisierung zurück¬ reichend, und zwar in eine Zeit, wo das slovenische Volk noch keinen Adel kannte, gab noch äußerlich das Merkmal der einstigen Freiheit und Selbständigkeit der Karantaner Slovencu. Auch die Habsburger fügten sich dieser Sitte, als 1335 nach dem Tode des Herzogs Heinrich aus dem Hause Gvrz-Tirol, Kärnthen an Öster¬ reich kam. Ernst der Eiserne war der letzte, der im Jahre 1414 nach dieser Sitte zum Kärnthnerherzog eingesetzt worden war. Sein Sohn Friedrich III. wollte sich dieser Ceremonie nicht unter¬ ziehen, und zwar, wie Valvasor erwähnt, in Anbetracht, daß er römischer König wäre, dem es nicht anständig zu sein schien, im Bauernkleide aufzuziehen. Aber Friedrich's Sohn, Kaiser Max I., der dem slovenischen Volke besonders geneigt war und auch die slovenische Sprache erlernt hatte, war bereit, die alte Sitte in's Werk zu setzen, allein er wurde durch die Kriege an der Aus¬ führung verhindert. Der Chronist Megiser schreibt noch 1610: „Da sich die löbliche Landschaft dieses uralten Herkommens mit dem Bauern noch nie gänzlich begeben, sondern nur Erzherzog Carl und Ferdinand damit verschont wurden.gegen Cantion und Erklärung der Schadloshaltung, so sei nöthig den Bauernstuhl zu erneuern . . sonst läßt man die Sache gar abkommen und dadurch könnte eine Freiheit oder ein löbliches Herkommen nach dem andern fallen." Noch ist der Herzogstuhl in Kärnthen ein sprechendes Denkmal und ein Rest dieser Sitte. Seitdem die Habsburger die Erbschaft Kärnthens angetreten hatten, blieb Kärnthen bei Österreich. 1500 wurde das Pnsterthal an Tirol abgegeben, im Wiener Frieden 1809 wurde der Villacher- Kreis Oberkärnthens vorübergehend au Napoleon abgetreten und Skizzierte Geschichte:c. 71 bildete mit Kram, Triest, Görz, Gradišča, Istrien rc. die illy¬ rischen Provinzen. Nachdem diese 1814 an Österreich zurückge¬ fallen waren, wurde dieser Name im allgemeinen beibehalten, nur der Ausdruck Provinzen in den Titel Königreich umgeändert. Seit 1816 stand Kärnthen als Klagenfurter und Villacher Kreis unter dem Gubernium Laibach. Nach der Auflösung des König¬ reichs Illyrien 1849 wurde Kärnthen als eigenes Krvnland orga¬ nisiert. Steiermark. Steiermark bildete ursprünglich einen Theil Karantaniens. Seit ungefähr 960 erscheinen die ersten Spuren von besonderen Marken: die obere und untere Karantaner Mark, d. i. Ober- und Unter-Steiermark mit eigenen Markgrafen, die seit 1035 diese Marken unabhängig von den Karantaner Herzogen ver¬ walteten. Die Vereinigung dieser beiden Marken gab später das heutige Herzogthum Steiermark. Unter den Dynasten, welche ma߬ gebend in die Geschicke der Steiermark eingriffen, sind die Traun- gauer Grafen die bedeutendsten; von ihnen gieng die eigentliche Gründung dieses Landes aus. Dieses altbairische Geschlecht erscheint schon 876 im Besitze der Traungauer Grafschaft in Ober¬ österreich. Um 980 legte Ottokar I. am Flusse Steier eine Burg gleichen Namens an, um welche sich bald die Stadt Steier erhob. Ottokar III. erwarb, nach dem Aussterben der Wels-Lambacher Grafen 1055, neben bedeutenden Liegenschaften in Obersteier auch die Markgrafenwürde in der oberen Mark 1056, Ottokar IV. die Güter der Grafen von Rein an der mittleren Mur 1118, Leopold der Starke im Jahre 1122, als der letzte Herzog von Kärnthen aus dem Hause Eppenstein starb, dessen Güter vom Ursprünge der Mürz bis nahe an Göstiug bei Graz, das Aflenz-Thal, die vielen Besitzungen an der vbern Mur bis au die jetzige Kärnthner-Grenze. Dadurch wurden die bisher zerstreut gelegenen Besitzungen in ein 72 Skizzierte Geschichte rc. Ganzes verbunden und der schvn von Ottokar III. 1070 ange- nonnnene Titel Markgraf von Steier gieng auf die Gesammtbe- sitzungeu der Traungauer Grafen über; seither erscheinen Obersteier und der Traungau zur Mark Styra vereinigt. Ottokar V. erbte 1148 die reichen Güter des Grafen Bernhard von Marburg zn Tüffer, Gairach, Marburg, St. Florian und Stainz und erhielt 1149 neben vielen Besitzungen im Cillier Kreise auch die Verwal¬ tung der unteren Mark, und nach dem Tode seines erblvien Ver¬ wandten, des Grafen Eckbert III., die Mark Pütten (von Semme¬ ring bis Wiener Neustadt). Unter Ottokar VI. (VIII.), dem letzten Traungauer, wurde die Steiermark als selbständiges Herzogthnm von Kärnthen abgetrennt 1180 und kommt kraft eines Erbvertrages 1192 au die Babenberger zu Österreich, 1282 au das Haus Habsburg. Seit der Theilung der babeubergischen Länder zwischen Ottokar von Böhmen und Bela IV. von Ungarn 1254 blieb die Mark Pütten bei Niedervstcrreich, die Länderstrecken au der Traun, Steier und untern Enns wurden 1379 für immer von Steiermark getrennt, dafür aber wurde der südliche Theil von Steiermark, welcher sich in Folge der Erhebung der Cillier Grafen in den Reichsfürstenstand 1436 der Gewalt des steirischen Herzogs ent¬ zogen hatte, nach dem Tode Ulrich's von Cilli 1456 mit der übrigen Steiermark vereinigt. Krain. Die Slovenen in der Gegend des heutigen Kram und Istriens standen vermuthlich zn den Slovenen Karantaniens in nahen Beziehungen. In den häufigen Kämpfen mit den Frianler Herzogen, denen ihre Häuptlinge zeitweise tributär waren, wird das Land 738 zum ersten Male Carnivla genannt. Nach den fränkischen Siegen über die Avaren 790—796, an welchen Vvni- mir, Herr der Slaven zwischen Friaul und Pannonien (Krain), nicht geringen Antheil hatte, erscheint Krain als Theil der Frianler Skizzierte Geschichte re. 73 Mark unter fränkischer Herrschaft. Liudewits Versuch einer selbst¬ ständigen Staatenbildung unter den Slovenen endet nut der voll¬ ständigen Unterwerfung der Krainer und Karantaner Slaven und hatte die Auflösung der Friauler Mark in vier besondere Gebiete zur Folge 824. Eine solche Mark bildete auch Krain (Chreina Marche). Unter Ludwig dem Kinde 900—91 l giengen die öst¬ lichen Marken an die Ungarn verloren, wurden jedoch nach dem entscheidenden Siege Otto's I. auf dem Lechfelde 955 wieder her- gestellt. Seit der Treunnng Karantaniens von Baiern 976 erscheint Krain in engem Verbände mit Kürnthen. Im XII. Jahrhundert erscheint Krain unter mehrere Dynasten getheilt. Seit 1077 war zwar der Patriarch von Aguilea Herr von Krain (Oberkrain) und der windischen Mark (Unterkrain und südliche Steiermark) und war es nominell durch 300 Jahre; allein thatsächlich herrschte schon 1093—1122 in Krain das Geschlecht der Eppensteiner, die Kärnthner Herzoge. Nach diesen kamen die Sponheimer seit 1122 vorzugsweise in Oberkrain, und neben ihnen seit 1173 die Grafen von Andechs (als Markgrafen von Istrien Herzoge von Meran genannt) in Unter- und Jnnerkrain bis 1230. Neben diesen Dynasten erwarben die Babenberger 1229 die Freisinger Lehen au der Gurk, Kulva uud Zeyer; Friedrich der Streitbare nannte sich schon, wie die Herzoge von Kärnten, Herr von Krain. Nachdem der letzte Sponheimer Ulrich III. von Kärnten, welcher zugleich über ganz Krain herrschte, 1269 gestorben war, wurde Ottokar von Böhmen vertragsmäßig Herr von Krain und der Mark, welchem Besitz er 1276 zu Gunsteu der Habsburger entsagen mußte. Rudolf von Habsburg belehnte 1282 seinen Sohn Albrecht mit Österreich, Steiermark und Krain, und legte so den Grund zur habsburgischen Hausmacht und der österreichischen Monarchie. Doch blieb Krain als Pfandschaft in den Händen der 74 Skizzierte Geschichte re. Grafen von Görz-Tirvl. Erst nach Erlöschen des Mannsstaimnes dieser älteren Görzer Linie, die seit 1286 auch Kärnthen erworben hatte, ging Kram sammt Kärnthen in den faetischen Besitz der Habs¬ burger über 1335. 1364 nahm Rudolf IV. den Titel eines Herzogs von Kram an. Zehn Jahre später fiel durch den Tod Albrechts IV. von Görz nebst der Grafschaft Mitterburg (nord¬ östliches Istrien) das Gebiet an der Poik und die Herrschaft Metlik mit Oernembl an Österreich, dazu kam noch das ganze Karst- gcbiet 1374. Die Gottschee, um 1347 noch eine große Wildnis; zwischen —1360 von deutschen Ansiedlern kolonisiert, befand sich seit 1420 nebst andern Besitzungen in Oberkrain und in der Mark in den Händen der Cillier Grafen, deren Erben die Habs¬ burger wurden, 1456. Die altgörzischen Besitzungen Wippach, Senvsea, Prem und Adelsbcrg wurden erst 1527 mit Kram ver¬ einigt, ebenso im Jahre 1783 Jdria, das bis dahin als Bestandtheil der Hauptmannschaft Tolmein zu Görz gehört hatte. Sv wurden die verschiedenen Gebiete Krams in "der Hand der Habsburger- dauernd vereinigt. In der Zeit der Napoleonischen Occnpation 1809—1814 bildete Kram einen Theil der illyrifchen Provinzen. Nach seiner Restitnierung an Österreich gehörte es seit 1816 als Gouvernement Laibach zum Königreich Illyrien und wurde 1849 als eigenes Kronland organisiert. <. Istrien. Istrien theilte seit dem Erscheinen der Slaven in diesen Gegenden die Geschicke des benachbarten Krain. 824 löste es sich als selbständige Mark von der großen Friauler Mark ab und fiel 952 mit den übrigen südlichen Marken an Heinrich I-, den Bruder Otto's I. Seit der Trennung Kärnthens von Baiern 995 umfaßte Istrien als Theil des Küruthner Amtsgebietes nebst dem heutigen Istrien auch den südlichen und östlichen Theil von Kram (Inner- und theilweise Unter-Kram). Istrien wurde als Skizzierte Geschichte :c. 7o deutsche Reichsmark von Markgrafen verwaltet und übte seit 1093 neben der Titularherrschaft von Aquilea das Haus Eppenstein die thatsächliche Herrschaft über Istrien aus. 1112 wurde der nord¬ östliche Theil als Grafschaft Mitterburg abgelöst, welche 1248 an die Görzer Grafen überging. Die Personalverbinduug Istriens mit Kärnthen wurde durch das Erlöschen des Eppensteiu'schen Geschlechtes 1.122 gelöst und von 1173 an bis 1248 erscheinen im Besitze der Markgrafschaft Istrien die Grafen von Andechs, welche sich von nun an Herzoge von Meran nennen. Das westliche und südliche Istrien (venetianisches Istrien) fiel seit 1190 bis zum XIV. Jahrhundert den Annexionsgclüsten Venedigs zum Opfer. Die Grafschaft Mitterburg, welche 1374 von den Habs¬ burgern erworben worden ist, bildet mit der 1400 zugefallenen Herrschaft Castua (ein Theil des alten Liburnien am Busen von Guarnero) das österreichische Istrien. Zufolge des Friedens von Campoformio 1797 besetzte Österreich den venetianischen Antheil, der aber 1805 an das Königreich Italien abgetreten wurde. Seit 1809 den illyrischeu Provinzen beigezählt, kam ganz Istrien 1814 dauernd unter die österreichische Herrschaft als Theil des Königreichs Illyrien. 1849 erfolgte die Auflösung Illyriens in die drei Kron- läuder Kärutheu, Kram und das Küstenland, wozu man Gvrz, Gradiška, Istrien und Triest rechnet. Görz. Die Geschichte der Görzer Landschaft ist mit der Friauls verknüpft. Der Name der Stadt wie der gleichnamigen Grafschaft taucht zuerst im X. Jahrhundert auf. Seit 1028 deutsches Reichsgebiet gehörte die Grafschaft dem Patriarchen von Aquilea, von 1031 — 1090 als Aquileer Lehen dem Hause Eppen- stciu, von welchem es 1090 an die Grafen vom Lurngau-Heim- föls überging, die sich mit dem Patriarchen in den Besitz des Görzer Stadtgebietes theilteu und sich von 1122 an Grafen von 76 Skizzierte Geschichte re. Görz schrieben. 1180 erhielten sie die Landeshoheit in ihrem Stammgebiete im Pusterthale. Die Görzer Grafschaft umfaßte das Gebiet zwischen Wippach und Ronzina, der Krainergrenze und dem Jsonzv und das Gebiet van Cvrnwns. In ihrer Eigen¬ schaft als Schirmvögte des Aguileer Hochstiftes, dessen Vasallen sie waren, wußten die Görzer-Grafen ihren Besitz ans Kosten ihres Lehensherrn zu vergrößern und auch über einen Theil von Krain auszudehnen (Wippach, SenoseL, Prem, Adclsbcrg, Jdria). Nach dem Aussterben der Andechs-Meraner 1248 erhielten sie auch die Grafschaft Mittcrbnrg in Istrien, Besitzungen in der windischen Mark, 1253 auch Tirvl. 1267—1272 thcilte sich das Görzer Haus in zwei Linien, die ältere oder Tiroler Linie erhielt Tirol bis zur Mühlbacher Klause, die jüngere oder Görzer Linie die eigentliche Grafschaft Görz, die kärnthnisch-tirvlischen Besitzungen, Mitterburg sammt dem krainischen Besitzantheil. Im Jahre 1340 trat in der jünger» Linie eine abermalige Besitzzersplitternng ein durch die Bildung dreier Ländergebiete; nach dem Tode Albrechts IV. siel sein Besitzantheil, nämlich die Grafschaft Mitterburg, die Poik- landschaft und die Herrschaft Möttling in der windischen Mark dem Hanse Habsburg zu. Nach dem Erlöschen der jüngeren Linie 1500 kam die Grafschaft Görz sammt ihren Dependenzcn an Österreich, mit dem es unter dem Titel „gefürstete Grafschaft" bis auf die Zeit der französischen Occupation 1809—1814 bleibend vereinigt ist. Die Grafschaft Görz und Gradisea nebst Tolmein werden mit dem Gesammtnameu „österreichisches Friaul" bezeichnet zum Unterschiede von dem venetianischeu. Das Gebiet von Tolmein am oberen Jsvnzv, mit dem bis' 1783 auch Jdria vereinigt war, gehörte anfänglich zu Aquilca und wurde von diesem 1379 an Cividale verpfändet. Erst im XV. Jahrhunderte kam Tolmein an die Grafen von Görz, 1500 an Österreich. Seit dieser Zeit Skizzierte Geschichte rc. 77 wechselte es noch oftmals feine Besitzer, bis es zuletzt endgiltig bei Görz verblieb. Gradisea. Die Stadt Gradiška wurde 1473 von den Venetiauern zum Schutze gegen die Türken angelegt und von Maximilian I- 1516 erworben. Indem Ferdinand III. die Stadt sainmt Gebiet als gefürstete Grafschaft von Görz abtrennte, schenkte er sie 1647 dem fürstlichen Hanse Eggenberg, nach dessen Erlöschen sie 1717 an Österreich zurückfiel. Von da an blieb die Grafschaft mit Görz vereinigt. Triest. Die ältere Geschichte der Stadt Triest ist im all¬ gemeinen in die Geschichte Istriens verwoben. Bald zu Venedig, bald zn Aqnilca gehörig, stand Triest seit 948 zeitweise unter dem Regimente seines eigenen Bischofs, der 1295 den Rest seiner Hoheitsrechte an die Stadt verkaufte. Doch konnte die Stadt ihre vollständige Freiheit neben dem mächtigen Venedig nicht behaupten. Um nicht von Venedig anuectiert zn werden, unter¬ warf sie sich 1382 dem Hanse Habsburg und ist seit dieser Zeit sammt ihrem immunen Stadtgebiete bis auf die Zeit der napo¬ leonischen Occupation bleibend mit Österreich vereinigt. Wenn wir zum Schlüsse die Geschichte des Gesammtstammes der Slovenen überblicken, sv zeigt sich, daß sie seit dem Auseinander- fallen von Samo's Reiche eine fortwährende Schmälerung des slavischen Stammes und Verengung des von demselben ursprünglich bewohnten Gebietes ist. Der slovenische Stamm und die Familie wurden durch deutsche Colonien zersetzt, es trat das Adels- und Unterthänigkeits-Verhältniß ein. Die Bischöfe und Klöster standen dem Markgrafen hilfreich zur Seite, mit der katholischen Religion die deutsche Sprache und Sitte verbreitend. War so der Grenzgan umgewandelt, sv wurden die Marken weiter gerückt. Ohne Zweifel hätten die hiesigen Wenden im Laufe der Zeiten das Schicksal der 78 Skizzierte (beschichte rc. Sorbenwenden getheilt, wenn nicht der Lauf der Geschichte eine andere Richtnng genommen hätte. Es hatten sich nämlich die deutschen Herrscher aus dem Hause Habsburg in und uni die Ostmark des deutschen Reiches, welche den Namen Ostarrichi d. i. Österreich angemunmen hatte, eine Hausmacht eingerichtet, die mit der Zeit immer mehr ihren Schwerpunkt in sich selbst suchte und fand. Zur Großmacht herangebildet hatte Österreich seine Selbst¬ ständigkeit mit Erfolg vertheidigt und wurde 1804 zum öster¬ reichischen Kaiserreich ausgerufen. Seit dieser Zeit vollzieht sich die innere Einrichtung und Verfassung des Staates. Die Idee der nationalen Gleichberechtigung, zuerst leise aufflackernd, ist nun gemäß der Forderungen der Gerechtigkeit und der nationalen Verhältnisse des Reiches zum Staatsprineip erhoben, eiu Princip, dessen Durchführung im Einklänge mit der historischen Autonomie der Länder und der nothwendigeu Einheit des Staates gegenwärtig noch immer das Object der inneren Verfassnngsfragen bildet. Auf dieses Princip der Gleichberechtigung gründet auch der gegen¬ wärtige Rest des slovenischen Volkes die Hoffnungen-einer besseren Zukunft. Freilich ein großer Theil der Slovenen im Norden ist bereits germanisiert, im Osten ist der größte Theil der pannvnischen Slovenen von den Magyaren absorbiert worden und im Westen haben die italienischen Staaten, namentlich die Republik Venedig, die slovenischen Grenzen weit einwärts geschoben, im Süden dagegen wurde die slovenische Bevölkerung im heutigen Kroatien und namentlich in Slavouien durch den Zuwachs der vor den Türken sich flüchtenden kroatisch-serbischen Bevölkerung so sehr variiert, daß in Slavonien heutzutage die kroatische Sprache und Bevölkerung die herrschende geworden ist nnd auch in Kroatien in neuerer Zeit die der Abstammung nach slovenische Bevölkerung die kroatisch¬ serbische Schriftsprache angenommen hat. Sitten und Gebräuche der Slovenen. Dargestellt von Fr. Hubad. All den Slovenen laßt sich die Abhängigkeit der Körper- und Geistesbeschaffenheit voll äußeren Umständen, vom Klima und dem Bvden, ganz deutlich beobachten. In den Gebirgsläuderu, in Oberkrain und Kärnthen, theilweise anch in Jnuerkrain und im Küstenlande finden wir große kräftige Gestalten von kerniger Mus¬ kulatur, breiten Schultern, wettergebräuntem Gesichte. Im Hügel- laude, besonders wo die Rebe gedeiht, ist der Menschenschlag kleiner, schmächtiger und beweglicher, aber doch nur selten schwächlich. Eben solchen Ausdruck zeigt die Physiognomie: Während die Miene der Steirer, sagt Professor W. Urbas, (Programm der Staats-Oberrealschule in Triest, 1873), eine gewisse Sorglosigkeit, ja Fröhlichkeit kund gibt, auf dem Gesichte des Unterkrainers oft eine eigenthümliche Gleichgiltigkeit, um nicht zu sagen Stumpfheit, lagert, im ruhigen Antlitz des JnnerkrainerS und Küstenläuders sich eine auffallende Entschlossenheit ausprägt: zeugt das unter breiter Stirn hervorblitzende Auge des Ober¬ krämers von unbezweifelbarer geistiger Begabung! I. Baudouiu de Courtenay sagt, die reinsten slavischen Physiognomien habe er in Jnnerkrain gefunden, weil dieselben lebhaft an den Typus der Polen erinnern. Jenen zunächst kamen dann die Oberkrämer, 80 mit Ausnahme der Wocheiner, unter denen schon germanische und romanische Typen vorwalten. Dies ist auch aus der Geschichte leicht zu begreifen und ans der Volksbewegung leicht zu erklären. Das weibliche Geschlecht steht dem männlichen in dieser Beziehung nicht nach; freilich ist es auch wahr, daß die Jugend- blüthe der Frauen schnell verwelkt, was jedoch bei der Land¬ bevölkerung wohl bei allen Nationen der Fall ist. Die geistigen Anlagen der Slovenen sind jedenfalls keine geringen, freilich darf man sie nicht aus dem Gesichtspunkte eines Touristen beurtheilen, welcher die Gegenden gleichsam im Fluge durchwandert, nur mit wenigen und auch mit diesen nur in vor¬ übergehende Berührung kommt. In dieser Beziehung gelten Anastasius Grün's Worte (Vorrede zu dessen Übersetzung der Volkslieder aus Krain) über die Krainer wohl für alle Slovenen. Der genannte Dichter äußert sich dort: Krams Volk und Land aber haben dieses gemein, daß sie ihre guten Eigenschaften und unbestreitbaren Vorzüge nicht zur Schau zu tragen wissen, wie denn das Land gerade seinen unschönsten und unfruchtbarsten Theil an der großen Heerstraße ausgcbreitet hat, das Volk selbst aber gegen die seiner Sprache und Sitten unkundigen Fremden kalt und verschlossen, mißtrauisch und unzugänglich bleibt. Über die geistige Begabung herrscht unter den competenten Beurtheilern eine Meinung; die Schüler bringen in die Schule meist einen guten Kopf, einen guten Willen, daher wird ihnen das Lernen leicht. Besonderes Talent haben sie für Sprachen, wie denn selbst der gemeine Mann, der etwas in der Welt herumgekommen ist, gewöhnlich eine oder selbst zwei Sprachen neben der Muttersprache versteht. Die Anzahl geborener Slovenen, welche dem Staate in den verschiedensten Bernfssphären dienen, ist im Verhältnisse zur Zahl der Nation jedenfalls eine bedeutende zu nennen. Die Sitten und Gebräuche der Dlovenen. 81 Bewohner der Alpengegendcn sind jedoch auch hier, wie an phy¬ sischen Kräften, den übrigen Stammesgenossen überlegen. Gemüth und Humor kann man ihnen auch nicht absprechen. Besonders groß ist die Zahl von Autodidakten nicht nur auf technischem, sondern auch auf künstlerischem Gebiete. Wer sich einige Zeit unter ihnen befunden und Fühlung mit den unteren Classen gewonnen hat, kommt häufig in die Lage Zimmerleute zu bewundern und es zugleich zu bedauern, daß dieselben keine Gelegenheit hatten, sich im technischen Wissen auszubilden, oder er stößt auf Maler, deren Altarbilder und Zeichnungen schönes Talent verrathen, wenn sie auch nie bei einem rechten Meister in die Schule giengen, von Perspective, Anatomie u. dgl. nie gehört haben. Bei ihnen muß eben die natürliche Anlage alles das ersetzen, was ihnen an Technik abgeht. Musik, besonders Gesang lieben sie ungemein. Leider hat aber der unberechtigte Eifer, mit welchem die Geistlichkeit in einigen Gegenden gegen das weltliche Lied und die weltliche Musik zu Felde gezogen ist und noch zieht, manche Perle der Volkspoesie der Vergessenheit überliefert. Von vielen Volksliedern, welche offenbar aus alter Zeit stammen, ist nur der Text erhalten, die Melodie ist vergessen und man muß das Vertrauen von Männern oder Frauen in sehr hohem Grade genießen, wenn sie sich herbei¬ laffen, wenigstens den Text herzusagen; noch schwieriger aber ist es sie zum Reden zu bringen, wenn man ein solches Product der Vvlkspoesie niedcrschreiben will. Im Laufe der Zeiten hat sich das Volk immer mehr verschlossen, denn es mußte nur zu häufig von geistlicher wie weltlicher Seite Hohn und Spott über seine alten Gebräuche und Lieder hören. Freilich sind jetzt die Zeiten anders geworden, ganze Gesellschaften bemühen sie, die Schätze alten Glaubens, alter Sitte und nationaler Poesie der Vergessenheit zu Die Slovenci, von Prof. I änman. 0 82 entziehen, aber die Arbeit ist eine sehr schwierige geworden; manches ist unrettbar verloren. Diese Verschlossenheit zeigt sich selbst im Familienleben; der Vater z. B- hält es für unpassend, seine Liebe zu Frau und Kindern öffentlich zu zeigen; nach dem Äußeren urtheilend könnte der Beobachter Mann und Frau, Vater und Sohn, Mutter und Tochter für einander ganz fremd halten, so kalt und gemessen ist ihr Betragen gegen einander und doch fühlt ihr Herz nicht minder- warm, ist ihr Gefühl nicht minder herzlich als bei anderen, die es auch äußerlich zeigen. Nicht zu leugnen ist es, daß besonders in einigen Theilen des Sprachgebietes die Bevölkerung zu Gewaltthaten geneigt ist, besonders zeigt sich der Blutdurst und die Rachgier in den Stadien, wenn Wein die Gemüther erhitzt. Solche Ausbrüche der Rohheit kommen jedoch bei jedem Volksstamme vor und find besonders in Gebirgsländern nicht allzu selten. Wer jedoch den Gründen dafür nachforschen wollte, würde dieselben jedenfalls in der Cultur- geschichte des Volkes finden. Im Ganzen jedoch muß man sagen, daß der Slvvene einen gewissen Mannesstolz besitzt, daß ihm Handschlag und Manneswort heilige Dinge sind, die ihm mehr- gelten als Brief und Siegel. Mißtrauen gegen Fremde ist ihm angeboren, denn die niedere Volksklasse kommt nicht gerade mit den besten Charakteren unter den Fremden in Berührung, dagegen ist er meistentheils selbst gegen Unbekannte, wenn sie mit ihm in der Mutter¬ sprache verkehren können, oft nur allzu leichtgläubig; besonders theilt er mit den meisten andern Völkern den Fehler, daß ihm Fremdes besser scheint als das Heimische; dieser Umstand hat schon manche gute alte Sitte zu Gunsten neuer, fremder vergessen gemacht. Fleiß und Sparsamkeit zeichnen den Slovenen aus, leider hat er aber auch ein gut Stück Eitelkeit. Dieser Fehler richtet manchen Sitten und Gebräuche der Slovenen. 83 zu Grunde; er macht ihn fremden Einflüsterungen zugänglich und bewegen manchen im Wirthshause sitzen zu bleiben statt nach Hanse zu gehen, denn die leichtfertige halb scherzhafte Bemerkung eines Kumpans, er sei ja doch Herr im Hause oder, sein Vermögen gestatte es ihm doch noch ein Glas zu trinken, erregt in ihm den Wunsch die Anwesenden zu überzeugen, daß er ein strenges Regiment führe und auf den Kreuzer gerade nicht zu achten brauche. Solche Kleinigkeiten halten häufig den besten Mann vom Hause fern, Vorstellungen der Seinen erbittern ihn nur, bis er endlich im Wirthshause Trost und Ruhe sucht und sein Verderben findet. Ein nicht genug zu rügender Fehler ist auch die in einigen Gegenden oft freilich auf äußere Ursachen zurückznführeude Proceß- und Streitsucht; von dem Hange zur Prahlerei kann man auch nicht alle freisprechen. Treue, innige Anhänglichkeit an die Heimat zeichnet den Slvvenen aus und doch regt sich in dessen Brust oft ein unwider¬ stehlicher Drang in die Welt hinaus, dabei schützt ihn seine Accvmmvdativnsfähigkeit gewöhnlich vor dem Heimweh, welches andere Nationen unwiderstehlich in die Heimat zurückrnft. Muth und Tapferkeit hat das Volk in den verschiedensten Kümpfen genugsam bewiesen, besonders wenn es um Sachen gieug, für welche es sich erwärmen konnte, welche gleichsam in seinem Gesichtskreise lagen, doch hat es auch Gehorsam gelernt; ein beliebter tüchtiger Führer, der sich das Vertrauen seiner Untergebenen zn erwerben weiß, kann dasselbe zn den tapfersten Thaten führen. Dabei unterstützt den Mann ein energischer Wille, welcher sich um so kräftiger äußert, je länger er brauchte, nm einen Entschluß zu fassen. Werfen wir noch einen Blick auf die Lage des Weibes, so müssen wir zwar gestehen, das demselben die Rechte, welche es bei 6* 84 Gebildeten genießt, allerdings im Großen nnd Ganzen noch nicht zu Theil geworden sind; eine Erklärung dafür finden wir auch in der Culturgeschichte, so sind z. B. in den Hochzeitsgebräuchen noch bis zum heutigen Tage Anklänge an den Mädchenraub des grauen Alterthums erhalten geblieben. Daß es jedoch auch in dieser Beziehung nicht so arg stehe, wie mancher glauben möchte, beweist einestheils die schon erwähnte Charakter-Eigenthümlichkeit und anderntheils die Thatsache, daß die Frau in der Führnug des Hauswesens vom Manne gewöhnlich gar nicht beeinflußt wird; das Sprichwort ferner, „die Frau stützt drei Ecken des Hauses, der Mann nur eines" beweist deutlich genug, daß das Volk die Thätigkeit der Frau vollständig zu würdigen wisse. Des Volkes Weisheit offenbart sich am besten in dessen Sprich¬ wörterschatze; derselbe zeigt uns die Denkweise desselben in treffenden Sätzen, welche den Vergleich mit jeder andern Nation nicht zu scheuen brauchen. Manche derselben zeigen die deutlichsten Spuren ihres Alters an sich, sie stammen aus vorchristlicher Zeit und verdienei: nm so mehr die Aufmerksamkeit der Culturhistoriker und Ethnographen, als sie neben den Gebräuchen und manchen aber¬ gläubischen Meinungen, an welchen das Volk bis auf den heutigen Tag festhält, fast die einzige Handhabe bieten, die Mythologie des¬ selben wieder herzustellen, wobei freilich die Entscheidung oft schwer wird, was als gemeinschaftlich indoeuropäisches, was als speciell slavisches Gut zu betrachten ist. Wenn einmal der erste Schnee gefallen ist, da rückt die Familie enger zusammen; in der Wohnstube schwirren die Spinn¬ räder unter den Tritten der weiblichen Hausgenossen, der Haus¬ vater sitzt hinter dem Webestuhl und webt die Leinwand für den Bedarf des ganzen Hauses, die übrigen Männer haben auch manches zu richten; da wird ein altes Rad ausgebessert, ein Pflug 85 in Stand gesetzt u. s. w. Neben diesen Beschäftigungen fließt die Rede munter fort. Nicht lange erzählt die Mutter den Kindern von den lichten Engeln, die allabeuds die vielen tausend Lichtlein am Himmel anzündeu, die jedem Neugebvrnen einen neuen Stern anfachen und für jeden Gestorbenen einen auslöschen, daß er in weitem Bogen zur Erde fällt; bald beginnt ein Alter wohl auch von den Vilen und den „wilden Frauen" oder „heidnischen Fräulein" zu erzählen, die einst, in der glücklichen alten Zeit vom nächsten Hügel herab im Frühjahr dem Bauer zuriefen, wann er Erbsen setzen, Getreide säen und sonstige Arbeiten verrichten solle und von dem Glücke des Gehorsamen, dann kommen wieder die Rojenice und Sojenice an die Reihe, die dem neugebvrnen Erden¬ bürger gleich nach der Geburt das Lebensschicksal bestimmen, von dem Äratelj, der die Schätze tief im Berge bewacht, vom OateL, der halb Mensch halb Bock jedem gerne hilft, der seiner nicht spottet, wer ihn aber durch Ansstrecken des Zeige- und des kleinen Fingers stoAe Un-mU — Hörner zeigen) beleidigt, den vernichtet er, indem er Felsen auf ihn wälzt, vom „wilden Manne", der im Walde hanst, dem „Wasfermanne" (pov eäoii moL), der tief in der Save, dort, wo ein Nebenfluß in dieselbe mündet, seinen Palast aufgeschlagen, der schon ost am Tanzplatze erschien, als galanter Ritter irgend eine spröde, hoffährtige Schöne bezauberte und mit ihr tanzte, bis der Abend heranbrach und zuletzt dieselbe in wildem Galopp in sein nasses Heim hinabriß. Da hört man von der Torka sagen, die in der Nachb vom Samstag zum Sonntag säu¬ migen Mägden die Kunkel verwirrt, von der Mora (Alp), die den Schläfer ängstigt und wohl auch von Vampyren, die selbst nach dem Tode noch Unheil anstiften. Dann kommt die Rede wohl auch auf die Prvphezeihnngen der Sibyllen und es findet sich in der Gesellschaft selten ein Älter, der nicht genau anzugeben wüßte, 80 wie sich deren Weissagungen bewahrheitet haben. Ein eigenthüm- liches Licht werfen derlei Voraussagungen auf die national-ökono¬ mischen Begriffe des Volkes; so hörte der Berichterstatter in Krain wiederholt, in dem Buche der Sibyllen stehe geschrieben, es werde so weit kommen, daß vor jeder Mühle ein Steuerbeamte stehen werde, um vom Bauer, der sein Getreide zum Mahlen brächte, Abgabe zu verlangen; da werde ein Bauer mit seinem letzten Sacke Korn erscheinen; erzürnt über die Steuerforderung werde er den Beamten mit einer Wagendeichsel erschlagen; dann würde ein starker Wind entstehen, auf einmal werde alles drunter und drüber gehen, Blut werde fließen, daß es die Mühlräder in Bewegung setzen würde, aber darauf werde der allgemeine Weltfrieden erscheinen. Neben diesen findet man häufig Anklänge an die apokryphe Literatur, so über die Entstehung der Welt ans einem Saudkvrne, welches der Teufel auf Befehl Gottes aus dem Urmeere geholt. Satanas aber, erzählt man, wollte dabei Gott hiutergehen und versteckte etwas Sand im Munde, um sich auch eine Erde zu schaffen; als aber auf das Wort des Herrn der heranfgeholte Sand sich immer mehr ansbreitcte und die Erde eben und glatt entstand, fing auch der verheimlichte Sand in Satan's Munde zu wachsen an, da mußte ihn derselbe ausspeien und daraus entstanden die Felsen und Berge. Bei solchen Versammlungen hat man Gelegenheit auch über die abergläubischen Vorstellungen des Volkes Auskunft zu erhalten, vorausgesetzt, daß man Zutrauen genug genießt, daß sich die Erzähler mit der Sprache herauswagen. Da hört man von Ver¬ zaubern, Verschreien, Teufetsbannen, Wettermachen, Segensprechen und Wahrsagen. Ein altes Mütterchen weiß zu erzählen, daß es in der Jugend, als es noch die Kühe hütete, eine Schlange gebissen; mit Mühe habe es sich nach Hause geschleppt, der Fuß sei furchtbar angeschwollen, als aber der Bauer ins Haus trat, 87 der das Besprechen des Giftes kannte, habe es Kühlung gespürt, als vb ein leichter Wind um den Fuß wehte; nachdem gar der gelehrte Manu einen Bissen Brod unter geheimuißvollem Murmeln geweiht, den Fuß mit Speichel benetzt und ein Vaterunser gebetet, sei Geschwulst und Schmerz mit einem Male verschwunden gewesen. Kaum hat die Alte geendet, ergreift ein Greis das Wort und erzählt von der Schlange, die den Demant im Kopfe (oder in der Krone) trage; ein Deserteur habe sich einstwochenlang am Triglav vor seinen Verfolgern versteckt gehalten. Eines Tages bemerkte er in einer Schlucht eine riesige Schlange, unverzagt jagte er ihr eine Kugel durch den Kopf; da schlug das Ungethüm mit dem Schweife herum, daß es die stärksten Bäume niederwarf. Als aber der Deserteur nach einigen Tagen wieder in die Gegend kam, fand er den Wurm todt, in dessen Haupte aber erglänzte der Edelstein, der ihm dann in der Nacht leuchtete, daß es licht war wie bei Tage. Mit dem Steine in der Hand, schließt der Erzähler, erschien nun der Flüchtling vor dem Kaiser und erhielt als Preis für den Demant Straflosigkeit und unermeßlichen Reichthum. Doch es führte uns zu weit, wollten wir es versuchen die Erzählungen vom Schlangenkvnig u. s. w. auch uur anzudeuten. Für die verschiedenartigen Naturerscheinungen hat das Volk ein scharfes Auge; daß es sich dieselben oft nicht erklären kann, wer wird es dafür verantwortlich machen wollen? Ein glänzendes über den Himmelsranm fliegendes Meteor, das mit dumpfem Knalle Platzt, ist ihm z. B- ein Heiliger, der einen andern besuchen geht; das Aufleuchten des platzenden Meteors stammt daher, daß in diesem Augenblicke der Himmel sich öffnet, der sich aber mit deutlich wahrnehmbarem Knall sofort wieder schließt. Glücklich, wer in solchem Augenblicke einen Wunsch auszusprechen vermag, derselbe wird ihm gewiß gewährt. 88 Blitzt und donnert es, so treibt Elias, der Stellvertreter des heidnischen Perun, den Teufel vor sich hin. Dabei geräth er so in Eifer, daß er die ganze Welt zertrümmerte, wenn ihn der Herr nicht zurückhielte; den Teufel aber ergreift solche Angst, daß er sich selbst unter ein Kreuz zu flüchten nicht scheut, darum warnen Mütter ihre Kinder, sich bei einem Ungewitter unter ein Kreuz zu flüchten, da der hl. Elias selbst ein Kreuz zerschmettert, um den unter demselben versteckten Teufel zu vernichten. In einigen Gegenden aber erklärt man sich Donner und Blitz durch einen Drachen, der über die Erde dahin fliegt, Feuer und Flammen speit und mit seinem Schweife Thürme und Bäume niederwirft. Nur ein Schüler aus der „schwarzen" Schule mag mit Erlaubnis; des Pfarrers einen solchen Drachen zu bändigen. Das Hagel- und Wettermachen verstehen auch die Schüler der schwarzen Schule und die — Geistlichen; doch will diese Macht niemand eingestehen, sagen die Leute, wie denn in den seltensten Fällen irgend ein solcher Schwarzkünstler einen Nach¬ folger findet, den er für würdig hielte, ihn in seine Kenntnisse einzuweihen. Gegen Gewitter kennt man verschiedene Mittel. Das Schießen mit geweihtem Pulver, erzählt man, hat schon manche Hexe aus den Wolken auf die Erde geworfen, das Wetterläuten schon manche Hagelwolke vertrieben, das Anzünden von am Palmsonntage geweihten Ruthen schon manches Bauern Flur geschützt. Doch nicht Hexen allein erregen Unwetter, hoch in den Alpen gibt es auch Wetterlöcher, ein Stein von unvorsichtiger Hand hineingeworfen, erregt das furchtbarste Gewitter. In den Gebirgen ist überhaupt die Heimat vieler abergläubischer Vorstellungen, aber auch der duftigsten Blüthen nationaler Poesie; dazu gehört z. B. das sinnige Märchen von Zlatorog, welches durch die poetische Bearbeitung Sitten und Gebräuche der Slovencu. 89 R. Baumbach's so weite Verbreitung erfahren. Wir wollen es hier folgen lassen, wie es K. Deschmann in der „Laibacher Zeitung" (Nr. 43 vom 21. Februar 1868) mitgetheilt: „Das Jezerca-Thal und die felsige Komna waren einst ein Paradies der Alpen. Dort wohnten die weißen Frauen (bslo Lsns), Wesen von sanftem, mild- thätigem Herzen, deren noch heutzutage das Volk dankbar gedenkt. Sie erschienen häufig im Thale, den Armen in Nöthen zu helfen, den Wöchnerinnen leisteten sie Beistand, die Knaben, von denen jene mit ihrer Beihilfe genesen, waren ihr Lebelang unter dem besonderen Schutze der Weißen Frauen. Sie lehrten den Hirten die Heilkräfte der Kräuter kennen, an den kahlen Felswänden des Gebirges ließen sie kräftiges Gras sprossen, damit die Ziege des Armen dort Nahrung finde. Dem Danke der Thalbewvhner entzogen sie sich, und wagte es jemand, in die Nähe des Hoch- thales der weißen Frauen zu dringen, so wehrten sie ihm den weiteren Gang mit drohenden Geberden ab. Wenn ein Verirrter oder Verwegener in die Nähe ihrer Wohnungen kam, wurde er durch dichten Steinhagel, starke Güsse und Gewitter, die vom Gebirge niedergingen, zur Heimkehr gezwungen. Am Gebirgsgrate, dessen Wände zum Jsonzo-Thale steil abfallen, weideten ihre schneeweißen Gemsen und hielten daselbst Wache; sie lösten beim Nahen jedes Eindringlings Felsblöcke am Gebirgs¬ rande los. Diese Gemsen waren unter der Leitung eines statt¬ lichen Bockes mit goldenen Krickeln, Zlatorog*) genannt. Die Weißen Frauen hatten ihn gegen jede Verletzung gefeit. Hätte ihn auch die Kugel des Schützen getroffen, wohin nur ein Tropfen seines Bültes fiel, sei es der kahle Fels oder die eisige Schnee- *) In den Steiner-Alpen cursiert die Sage von einer Gemse mit goldenen Schalen, d. i. Klauen. Der Beleg soll von einer Goldquelle herriihren, nach der die Schatzgräber schon lange, jedoch vergebens suchen. 90 Sitren und Gebräuche der Slevenen. fläche, zur Stelle entsproß jedem Blutstropfen ein Kraut von wunderbar heilender Kraft, der Wunderbalsam oder die Triglavrose genannt. Ein Blatt dieses Krautes, vom Zlatorog gekaut, machte ihn sogleich genesen und wäre er von der Kugel ins Herz getroffen worden. Noch größer war der Zauber seiner goldenen Krickeln. Wem es gelänge, dem Zlatorog beizukommen und eines der goldenen Hörner zu erbeuten, der besäße den Schlüssel zu all den Schätzen von Gvld und Silber, welche von einer vielköpfigen Schlange im Berg Bogatin bewacht werden. Ein venezianischer Goldsucher stand am Eingänge der Grotte des Bogatin auf der Lauer; er sah, wie Zlatorog mit seinem Krickel die Schlange berührte, sie wurde sanft wie ein Lamm und gewährte ihm, daß er in dem Gvldbache, der die Grotte durchfließt, seine goldenen Hörner netze. Der Schatzgräber gelangte später zu einem Splitter des goldenen Hornes, das sich Zlatorog an einem Felsen abgewetzt hatte, alle Schätze der Welt konnte er damit heben; sein Lebelang trug er Säcke mit Gold aus dem Bogatin, die alle nach Welsch¬ land wanderten. Nicht so glücklich als jener Schatzgräber, war ein Jäger aus der Trenta, ja der Undank und die Habgier der Menschen haben das Hochthal der weißen Frauen in eine Steinwüste verwandelt. Dies trug sich also zu. Damals gab es im Flitscher Boden noch keine Straßen, unr¬ ein Saumpfad führte von Karfreit über Flitsch nach Tarvis; dort trugen die Maulthiere italienischer Säumer die reichen Waren Venedigs nach Deutschland. Am Zusammenflüsse der Koritenca und Soöa stand eine besuchte Herberge der Säumer. Die treffliche Wirthiu war in hohen Ehren, sie verstand es durch guten Imbiß und rothen Wein die Rast zu versüßen. Noch mehr Gefallen 91 fand jedermann an der Wirthin Töchterlein, sie war sittsam und das schönste Mädchen im ganzen Thale. Viele Freier warben um sie, doch hatte sie ihr Herz einem Burschen aus der Treuta geschenkt; dieser galt als der beste Jäger weit und breit, man nannte ihn den Trentajäger. Er war der Sohn einer blinden Witwe, die er in ihrem Alter in treuer Kindesliebe pflegte, auch hieß es allgemein, er stünde unter dem Schutze der weißen Frauen. Alle Stege des Gebirges waren ihm bekannt, er durfte zn den höchsten Gipfeln hinanfsteigen, ohne den Steinhagel zu besorgen, manchen fetten Gcmsbock, manchen Auerhahn und herrliche Blumen¬ sträuße hatte er zur Herberge der Säumer gebracht und so die Liebe des Mädchens gewonnen. Doch wie Gold und Schmuck gar manchem den Kopf verdrehen, so hatte sich auch mit den Bemerkungen und Schmeicheleien den Krämer aus Welschland der Hochmuth in des Mädchens Herz eingcschlichen. An einem Sonntage, als der Winter zu Eude ging, waren welsche Kaufleute mit reichen Saumlasten aus Venedig in der Herberge eingetroffen. Einer derselben, ein reicher, junger Herr, suchte durch Gold und Versprechungen des Mädchens Sinn zn berücken, er steckte ihr goldne Ringlein an die Finger und Hieng ihr eine Perlenschnur um den Hals, er spendete den Gü'ten feurigen italienischen Wein und ließ die Geiger zum Tanze auf¬ spielen. Da kam auch der Trentajäger dazu. Als er sein Mädchen zum Tanze auffvrderte, that sie gar spröde, und als er ihr den gvldnen Schmuck des Fremdlings vorwarf, meinte die Schöne in spöttischer Weise, die Welschen seien artige Herren, viel feiner als ihr Geliebter, der doch alle Schätze der Berge kenne und ihr bis jetzt nicht einmal eine Triglavrose gebracht. 92 Und wie der Spott nicht weiter geht als von den Lippen zum Busen, so fühlte der Bursche im Herzen den Stachel der Rede, er erwiderte dem Hohne des Mädchens mit gleicher Antwort: „Ich weiß auch," sagte er, „wo man den Schlüssel zu den Schätzen des Bogatin findet, und hab ich ihn, dann bin ich ein König gegenüber deinen welschen Krämern, deren Schänkin du bleiben magst." Tief gekränkt verließ er die Herberge; am Wege traf ihn ei n wüster Geselle, der „grüne Jäger", von dem es allgemein hieß, er habe schon manchen braven Burschen in die Ewigkeit befördert. Dieser wußte ihm viel von den Schätzen des Bogatin zu erzählen, von den schönen Mädchen in Welschland, bei denen sich mancher Schatzgräber eingestellt. Noch in der Nacht brachen beide ins Gebirge auf, um zum Zlatorog heranzuschleichen, der Trentajäger kannte ja seine liebsten Lagerstätten; schon Vormittags erschlichen sie ihn. Die Kugel des Schützen traf den Zlatorog, schwer verwundet schleppte sich der Gemsbock auf eine schmale Felsleiste, die an einer unersteiglichen Felswand endete. „Folge mir," rief der grüne Jäger, „die Schlüssel zum Bogatin sind unser!" Da sah der Bursche auf dem gefährlichen Pfade zwischen Eis und Schnee die schönsten Rosen, und unter ihnen auch das Kräutlein des Edelweißes, dies hatte er in seiner Jugend häufig gepflückt, um seiner Mutter daraus ein Augenwasser zu bereiten. Die Erinnerung an seine Mutter, seiu Schutzengel riefen ihm zu: „Laß ab von weiterm Beginnen, begnüge dich mit den Triglav- rosen, beschämt wird dein Mädchen dich wegen des angethanenen Spottes um Verzeihung bitten." Da rief der grüne Jäger: „Noch ist's Zeit, den Zlatorog zu bändigen, ehe er den Wunderbalsam genossen, faßte Muth, reicher sollst du werden, als alle die Krämer, die dein Mädchen zur Untreue verführten." Sitten und Gebräuche der Slovencu. 93 Da obsiegte die Stimme des Bösen, längs der mit Rosen bezeichneten Spur des blutenden Gemsbockes schlichen die beiden Gesellen am Pfade zwischen Leben und Tod. Doch Zlatorog hatte sich mit dem Wnnderbalsam gekräftigt, neu belebt stürmt er gegen seine Nachfolger am schmalen Pfade heran, seine Horner glänzten herrlicher als je im Sonnenscheine, geblendet blickte der Trentajäger in die bodenlose Tiefe, schon wankt er, noch ein Sprung des Zlatorog, da verlor er den Boden unter den Füßen und stürzt in den Abgrund. Hohnlachend rief ihm der grüne Jäger „eine glückliche Reise nach Welschland" nach. Jndeß hatte bittere Reue des Mädchens Herz erfaßt, sie wartete mit Harm auf das Wiedererscheinen des Jägers. Erst als die Schwalben wiederkehrten und die Flnthen des Jsonzo von den Hauenden Schneemassen im Gebirge hoch gingen, schwamm auf dem Flusse die Leiche des Trentajägers, in der Hand hielt er ein Sträußlein der Triglavrosen. Als im Hochsommer die Hirten in die Nähe des Jezerca-Thales kamen, fanden sie eine wüste Felsgegend, die „weißen Frauen" hatten für immer diese Gegend verlassen und mit ihnen die schnee¬ weißen Gemsen; vom einstigen Paradiese der Alpen sollte gar keine Spur übrig bleiben, Zlatorog hatte in seiner Wuth die schönen Grastriften aufgewühlt, noch heutigen Tages sind im felsigen Boden die Eindrücke seiner goldenen Hörner sichtbar." Außerdem findet sich ein reicher Märchenschatz noch im Munde des Volkes, besonders reich ist aber die Sagendichtung. Dieselbe schließt sich enge an die der übrigen Südslaven; so findet man besonders häufig Erzählungen vom Königssohn Marko (KraljeviL Marko), dem Nativnalhelden der Serbo-Krvaten und Bulgaren, zu dessen Sagenchklus sich ans dem slovenischen Gebiete beachtens- werthe Beitrüge gewinnen ließen. Neben Marko finden wir vor Sitten und Gebräuche der Sloveuen. ollem den König Mathias (llnmlj NntjnL) d. i. Mathias Cor- vinns, an dessen Namen sich Sagenhaftes aus den Erzählungen von Krok wie von Kaiser Rothbart geschlossen haben. Auch er kam auf wunderbare Weise auf den Thron, auch von ihm erzählt man, er sitze schlafend mit seinem Heere (Lima vogslrn — schwarzes Heer—Landsturm) in einer Grotte, nach einer Variante im Triglav. Wenn sein Bart, heißt es, siebenmal um den Tisch gewachsen sein wird, an dem er sitzt, werde er mit seinem Heere ans dem Berge hervorbrechen und Frieden auf der Erde stiften. Andere Helden find der Vojvode Janko, Lombergar, der Besieger des Pesvglavec .(—Hundskopf) Pegam, der bekannte Baron Raubar und der Kriegs¬ held Laudon. Diese und andere Helden geben Stoff für die poetische und prosaische Erzählung. Außer diesen allgemein bekannten finden wir aber viele Lvcalsagen, so in Ober-Krain die vom Weibergarten (babji vrt), die lebhaft an die Frau Hütt in Tirol erinnert, die Sage vom Veldeser See, die vom Heidenschloß frfiäovsbi Araä), an welche Presiren die Erzählung von (irtomir in seiner „Taufe an der Saviea" (trist pi-i 8avioi) geknüpft hat. An alte Ruinen knüpfen die Bewohner der Nachbarschaft die wunderbarsten Erzählungen. Die Mauern der Ruine Flödnig (Linlectnitr) z. B. sollen mit Mörtel gebaut worden sein, der mit Menschenblut zubereitet worden war, deshalb seien sie so fest. Tausenderlei hört man über die Bedrückungen der armen Bauern, bis zuletzt der Teufel dem grausamen Besitzer im Spiele Hab und Gut und Leib und Seele abgewiunt. Am Gründonnerstage, heißt es, kommt die verwunschene Jungfrau aus den Trümmern der Burg hervor, vor Sonnenaufgang sieht man sie neben einem Leintuch, welches mit Dukaten bedeckt ist, auf den Erretter, einen siebenjährigen Knaben, der sich vor Sonnenaufgang an der Quelle am Fuße des Berges gewaschen, warten. Sitten und Gebräuche der Slovenen. 95 Neben solchen finden wir aber auch humoristische Erzählungen in Menge, so von Peter Klepec, Martin Kerpan, Berdavs u. a. Helden, die sich besonders durch Körperstärke auszeichnen. Die wichtigsten Gebräuche haben sich an den einzelnen Fest¬ tagen des Jahres erhalten; manches Heidnische ist zwar unter dem Einflüsse des Christenthums anders gedeutet, anderes an andere Feste angeschlosscn worden, nichts destoweniger bleibt bei manchem der heidnische Ursprung noch deutlich erkennbar, haben sich ja noch bis auf den heutigen Tag Ortsnamen wie korlruuja. vos, kerkuisti vrb erhalten, welche jedenfalls mit dem Namen des heidnischen Slavengottes Perun zusammenhängen, ja die Bewohner der sogenannten Murinsel fluchen noch jetzt: Usrüu ts ubij! (— Perun erschlage dich). Der Gegensatz zwischen Sommer und Winter, welchen wir in allen Mythologien finden, ist auch den Slovenen deutlich bewußt, dies beweist die reichlich vertretene Elaste der Märchen, in denen ein Prinz (Sonnengott) eine verzauberte Prinzessin (die inr Winter erstarrte Erde) befreit, oder ein junger Held eine Prinzessin trotz aller Verwandlungen aus allen Schlupfwinkeln, in welche sie der böse Zauberer (Winter) versteckt, zu finden weiß. Weihnachten ist dem Slovenen die heiligste Zeit des Jahres; der Name boLiö lDeminntivnm von LoZ, Gott) deutet schon auf die vorchristliche Vorstellung, daß zu der Zeit der junge Sonnen¬ gott geboren werde, was die südslavischen Gebräuchelieder noch deutlich beweisen. Scheint zwar den Slovenen das Bewußtsein davon, wie andern Völkern auch, vollkommen entschwunden zu sein, so zeugen doch davon die vielen Erzählungen, welche davon gang und gäbe sind In der Weihnachtsnacht blühen die Blumen unter der Schneedecke, statt Wasser fließt Wein in manchen Quellen, die Thiere erhalten die Sprache, wer Farrensamen unbewußt mit sich 69 trägt, kann sie verstehen. Wer um Mitternacht an einen Kreuzweg geht, sieht iu den Wolken, was das nächste Jahr bringen wird, feurige Schwerter, kämpfende Heere, Getöse von Waffen deutet auf Krieg, Särge zeigen ein großes Sterben an. Daher scheint es, daß das überall übliche Schießen zu dieser Zeit seinen Ursprung nicht in deni Bemühen, das Fest zu verherrlichen, habe, sondern vielmehr den Zweck hat, die Zauberer und Hexen zu vertreiben, gegen welche das Schießen und Peitschenknallen bekanntlich als das wirksamste Mittel angesehen wird. Wer einen Stuhl aus neunerlei Holz in der richtigen Zeit zu verfertigen versteht und sich während der Mette darauf setzt, erkennt alle Hexen in der Kirche. Denselben Zweck erreicht er, wenn er durch das Astloch eines schon gebrauchten Sargbrettes schaut. Um sich vor deren Rache zu schütze», muß er jedoch unter die Dachtraufe fliehen; rüttelt er an einem Zaun, so verdorren die Hexen. In dieser Nacht ist auch ein Blick in die Zukunft möglich; Mädchen sehen in: Wasserspiegel einer Quelle ihren künftigen Gatten; wer von der Mette nach Hause kommt, sehe durchs Fenster ins Wohn¬ zimmer, da sieht er, ob im künftigen Jahre jemand sterben wird. Zu der Zeit bauen sich die Kinder Krippen, der Hausvater zieht abends um's ganze Haus und um alle Gebäude, räuchert mit Weihrauch, sprengt mit Weihwasser um sich, betet für das Wohlergehen von Menschen und Vieh, er ist wie in heidnischen Zeiten Priester. Diese Nacht liegt eigens gebackenes Brod (po¬ potuj Ur) auf dem gedeckten Tische. In Südsteiermark wird noch am Vorabende irua-Irrnb (illna-Brod) gebacken, jedoch sind die Hausfrauen schon selten geworden, welche wissen, was für Kräuter beigemischt werden sollen; besonders wichtig sind wilde Erbsen, (u/inplmmr ulbu), Knollen der Schwertlilie. Diese Pflanzen sammeln daher die Betreffenden schon im Sommer. Wenn die 97 Hausfrau das Laib in den Ofen gibt, betet sie heimlich ein Gebet, daß alle glücklich sein mögen, die dieses Brad essen: daß die Frauen leicht entbinden, Kühe und Säue trächtig werden, die Saaten gedeihen n. s. w. Das Brod wird dann im Zimmer aufbewahrt und am Morgen des Festes ißt jeder Hausgenosse ein Stück auf nüchternen Magen und auch jedes Stück Vieh bekommt einen Bissen. Der hl. Stefan wird in Krain als Viehpatrvu verehrt, in seinen Kirchen wird am Feste dieses Heiligen Salz geweiht, die Bauern kaufen vor dem Gotteshause Wachsbilder der verschiedensteu Hausthiere, tragen sie beim Opfergange um den Altar und legen sie nebst einer Geldgabe auf denselben, andere bringen z. B. Hafer in natura und schlitten denselben, wie der Berichterstatter es selbst gesehen, am Altäre aus. In Krain wird an diesem Tage an einigen Orten den Pferden ein leichter Schnitt in den Obergaumen gemacht und die Wunde mit geweihtem Salze eingerieben; in Steiermark gießen die Leute geweihtes Wasser in die Quellen, damit dieselben nicht versiegen und besprengen die Äcker, um deren Fruchtbarkeit zu vermehren. Am Johannestage wird Wein geweiht (der Johannessegen, äontjanLsvoo) und davon in jedes Faß etwas gegossen. Jetzt wird dies allerdings gewöhnlich mit dem Hinweise auf den Becher Gift erklärt, das der Heilige ohne Schaden getrunken haben soll, es muß aber die Sitte von der Kirche ans dem Heidenthum her¬ übergenommen worden sein, da auch die Slaven wie die Germanen das Minnctrinken kannten, auch bei ihnen Libationen und Trinken einen Bestandtheil der Opfer bildeten. Am Tage der unschuldigen Kinder ziehen in vielen Gegenden Kinder von Haus zu Haus, um den Bewohnern unter leichten Ruthenhieben Glück und Gesundheit zu wünschen. 7 98 Die ganze Zeit von Weihnachten bis znni Dreikönigstage ist heilig, erinnert noch immer an die zwölf heiligen Nächte, daher hat auch der Neujahrstag Bedeutung, obwohl die Anzeichen, daß die Slaven den Jahresanfang erst im März feierten, nicht verloren gegangen sind. Zwischen Weihnachten nnd dem Dreikönigstage ziehen in einigen Orten noch jetzt die lloleäa-Sünger herum; früher war es überall üblich; diese wünschen in alten Liedern Glück und Segen, wie bei den südlicheren Stammesverwandten. Im Laufe der Zeiten hat sich die ältere Irolsäu (der Name selbst scheint nicht slavisch zu sein) zu einer Ankündigung der heiligen drei Könige umge¬ staltet und dabei natürlich allen mythologischen Werth verloren. An dem Feste derselben ziehen die Bauern wieder Weihwasser sprengend, betend und räuchernd durch Haus und Hof und bezeichnen Thüren und Thvre mit deu Anfangsbuchstaben der drei Heiligen; diesen Zeichen schreiben sie schützende Kraft zu, wie solche im Heidenthume die verschiedenen Drudenfüße haben mochten. Der Fasching geht an der Landbevölkerung auch nicht ohne Lust und Freude vorbei. In diese Zeit fallen ja die meisten Hochzeiten, die Arbeiten ruhen eben mehr vder .minder, es hat also der Bauernsohn Zeit sich in's Joch der Ehe zu bequemen. Im Durchschnitte spielt die Liebe der Brautleute die geringste Rvlle; die Sorge für eine standesgemäße, — die Standesnnterschiede zeigen sich eben auch auf dem Lande — reiche Partie entscheidet meistens; die Eltern des Bräutigams suchen demselben gewöhnlich die Lebensgefährtin. In Begleitung eines redegewandten Mannes kommt der Ehecandidat in's Haus der Ausersehenen, um nach manchen Winkelzügen die Geneigtheit der Eltern zu erforsche». Dabei bietet die Feststellung der Mitgift ost die meisten Schwierig¬ keiten. Ist alles glücklich geordnet, die Ehepacten geschlossen, die Rollen für die Feier vertheilt, zieht der Bräutigam mit seinem Sitten und Gebräuche der Slovesen. 99 Beistände und die Braut mit ihrer Kranzeljungfrau ihre Ver¬ wandten einzuladen; dabei sparen die Männer Geld und Pulver nicht, der Wein darf nicht ausgehen, die Pistolen müssen knallen, um die Leute von ihrer Ankunft zu benachrichtigen. Ehe der Hoch¬ zeitstag anbricht, bringt man in feierlichem Aufzuge die Aus¬ stattung auf hochgethürmtem Wagen, auf welchem eine Wiege und eine buntbemalte Truhe, darauf ein riesiger Brodlaib nicht fehlen dürfen. Den Burschen des Dorfes muß der Bräutigam seine Braut durch eine Abgabe an Geld oder Wein abkaufeu, versäumt er es, so läuft er Gefahr, daß ihm dieselben irgend einen derben Schabernack spielen. Kommt aber der Hochzeitszug die Braut zu holen, findet er meistens die Thüre des Hauses geschlossen, der Führer desselben muß all seiuen Witz aufwenden, bis es ihm nach langem Parlameutieren gelingt, die Herausgabe des Mädchens zu erlangen, wobei er aber oft noch lauge herumgefoppt wird, indem ihm verschleierte alte Weiber zuerst vorgeführt werden. Nach der Trauung fängt das Festmahl au, welches oft mehrere Tage dauert. Essen, Tanz und allerlei Kurzweil, wobei die Musikanten die lustigen Personen spielen, wechseln ab, die Burschen der Nachbar¬ schaft kommen, um ein Glas Wein, ein Stück Braten oder dgl. zn erhalten; gelingt es ihnen, sogar den Hochzeitskuchen zu ent¬ wenden, so bedeutet dies den größten Spott für die Hochzeitsgäste, die das Gestohlene nut schweren Opfern an Geld und Wein wieder erkaufen müssen. Wird die junge Frau in's Haus ihres Gemahls geführt, so wird sie nicht selten mit Getreide beschüttet, an der Schwelle mit Wein und Brod beschenkt, oder erhält als Symbol künftigen Kindersegens ein kleines männliches Kind auf den Schoß. Sie muß dagegen eine Münze in's Wasferschaff werfen, oder sie wird dann feierlich zum nächsten Brunnen geführt, um Wasser daraus zu holen. Vor den Gästen muß sie die Stube kehren und andere 7* 100 häusliche Arbeiten verrichten. Nachdem sie die Braut reich beschenkt und auch der Köchin nicht vergessen, verlassen die Gäste das Haus^ und die jungen Eheleute beginnen ihre Wirtschaft. Doch wehe den Mädchen, denen sich die gehoffte Ehe zer¬ schlügt, die Burschen spotten ihrer am letzten Faschingstage, indem sie einen Block durch das Dorf schleifen, während andere in Weiberkleidern hinter demselben weinen. Die symbolische Eröffnung der Feldarbeiten geschieht an manchem Orte durch das Pflugziehen. Die ornüi (Pflüger) ziehen einen Pflug von Haus zu Hans, ziehen damit im Schnee oder in lockerer Erde eine Furche, ein maskierter Fuhrmann treibt sie^ während ein anderer in einen Korb Gaben sammelt, die dann gemeinschaftlich verzehrt werden. Außerdem ziehen am Faschings¬ dienstage auch verschiedene Masken im Dorfe herum und treiben manchmal recht derbe Possen. Ein reichlicher Schmaus, der bis zur Mitternacht währt, beschließt die Faschingszeit. Am Abende pflegt man in Krain den Fasching zu verbrennen (pust LZnti), indem die Kinder mit brennenden Besen über's Feld laufen, um den Fasching (altes Jahr) zu vertreiben. Zu Mitsasten, erzählt man, werde ein altes Weib, jedenfalls eine Personifikation des alten Jahres, zersägt (bado ün^nti). Der Brauch, der ehedem an einer Puppe wirklich vollzogen wurde, lebt jetzt nur noch in der Erzählung, höchstens sucht man damit die Kinder neugierig zu machen; als Erinnerung an die alte Zeit hat sich aber die Gewohnheit erhalten, daß an diesem Tage besser gegessen wird als sonst. Am selben Tage wälzen die Knaben in der Nähe von Neumarktl ein mit Wasser und Steinen angefülltes Faß von einem Hügel in's Thal, daß es im Bache zerschellt. Dies nennt man: Vsbtro-ibabo Icotulionti (die Vsbtnn-bnba, die Königin der weißen Frauen, wälzen). Da diesem Wesen auch Sitten und Gebräuche der Slovencu. 101 die Erzeugung des Schnees, besonders des Graupenschnees (derselbe heißt bezeichnend genug dadja kasa, Weiberbrei) zukommt, so scheint sich der Brauch ans die alte Neujahrsfeier zu beziehen. Die Vsdtim- lmim, deren Gebiet die Steineralpen und das Bachergebirge umfaßt, wohnt in Hainen, auf Hügeln, im Sommer wohl auch in der Tiefe eines Sees, im Winter schläft sie in einer Höhle; sie kann Hundegebell nicht leiden; im Winter spinnt sie gern, daher segnet sie die Herden jener Hirten, die ihr im Sommer Flachs gebracht haben. Die Hirten spielen auf den Alpen besondere Spiele, bei welchen sie singen: „VsdtraHm gib uns Segen, nur geben dir Flachs dafür!" Auch wird von Hirtenmädchen eine Gespielin mit einem aus Binsen geflochtenen Mantel bekleidet und dann mit Wasser begossen, wobei man singt: „Vodtea-dada gib uns Weizen, unsern Kühen Gras und Futter." Dies erinnert lebhaft an die serbische Dodvla. Das Osterfest bildet wieder einen wichtigen Abschnitt im Jahre. Geweihte Palmen oder Schalen von geweihten Ostereiern ums Haus gestreut, schützen dasselbe vor Schlangen, geweihter Kren schützt auf Beete gestreut vor dem Maulwurf, geweihtes Kornelkirschcnholz und Arsenik bewahren das Vieh vor Schaden, wenn man sie unter der Stallthüre vergräbt, während ein unter der Hausthüre vergrabener Besen, Hexen den Eintritt verwehrt. Die Osterfeuer, welche man nm diese Zeit anzündet, sowie die radförmigen Kuchen (NolaL), welche man zu dem Feste bäckt, deuten wohl auf das alte Sonnenfest, wahrend die Oster¬ eier wahrscheinlich auf das Frühjahrs-Tvdtenfest, wie es die Orthodoxen noch jetzt feiern, zn beziehen sind. Das Essen von „Aleluja" (getrocknete Rübenschalcn klein gehackt und gekocht), welches in Oberkrain üblich ist, wird auf die Noth zurückgeführt, welche in einem von Türken belagerten Schlosse herrschte, wo die Vertheidiger am Ostersonntage nichts anderes zu essen hatten. 102 Der eigentliche Frühlingsheilige ist aber wie bei allen Slaven der Drachentödter Georg, dessen Legende ihn ja schon als Licht¬ gottheit hinstellt. Außerdem ist er Herdenbeschützer und König oder Hirt der Wölfe (vuöji pastir); er weist diesen Raubthieren die Beute zu und beruft sie zu diesem Zwecke zu bestimmten Zeiten unter eine große Eiche. Am Morgen seines Festtages, erzählt man, fällt von der Sonne ein Wunderspiegel herab; wer ihn findet, sieht darin, was weit und breit geschieht. In den an Kroatien angrenzenden Gebieten zieht zu der Zeit „der grüne Georg" Ostani ckni-i) herum. Ein Bursche in frisches Laub gehüllt, zieht von Haus zu Haus, tanzt nach der Musik einer Hirtenflöte und einer Trommel und singt ein passendes altes Lied, während ein vierter Gaben einsammelt. An diesem Tage wird auch das Vieh bekränzt unter mancherlei Ceremvnien auf die Weide getrieben. Am Feste des hl Florian ziehen in Südsteiermark Burschen herum mit dem Florianisegen; sie entzünden auf dem Herde ein Feuer, machen sich eine Eierspeise oder empfangen andere Gaben. Zu Pfingsten schmieren die Hirten ihre Peitschen mit geweihtem Wachs nnd knallen, um die Hexen zu vertreiben. In manchen Gegenden treibt inan das Vieh in der Nacht auf die Weide, taucht vor Sonnenaufgang Weißbrod in fließendes Wasser nnd gibt es den Kühen zu fressen, damit dieselben mehr Milch geben. Ziehen Gewitter über den Himmel, so sucht mau sie durch Glockengeläute, geweihtes Feuer oder durch Schießen zu vertreiben, wobei die Landleute manchmal Ofengabeln ins Freie tragen, Stühle, Sensen u. dgl. hinwerfeu, daß sich die aus den Wolken fallenden Hexen daran todtschlagen mögen. Fehlt hingegen Regen, so glaubt man ihn herabzulocken, wenn man in einem Flaschenkürbis Wasser auf deu Acker trägt, einen Sitten und Gebräuche der Slovencu. 103 gestohlenen Ziegel oder einen Pflug ins Wasser wirft oder wenn ein unschuldiges Mädchen in einem Korbe Feuer anfacht und den Korb auf der Mur schwimmen läßt (im LIuri lrui-iti). Beim Säeu steckt der Bauer am Ende des Ackers geweihte Stäbe in den Boden, wirft auch wohl etwas Getreide auf die Straße den Vögeln zum Fressen. Die Sommersonnenwende hat ihren solaren Charakter ganz bewahrt, wenn man auch die Johannesfeuer damit zu erklären versuchte, Johannes der Täufer hätte den Juden gesagt, er sei in der Wüste dort zu finden, wo man ein Feuer sähe; als aber Herodes die Häscher ansgesandt, um ihn zu fangen, hätten die¬ selben so viele Feuer gesehen, daß sie nicht Wichten, wohin sie sich wenden sollten und den Heiligen nicht fanden. Am Vorabende werden die Wohnstuben mit Johannes- oder auch mit Farrenkraut bestreut, Abends zündet inan die Sonnwend¬ feuer (krös) an, singt und springt um dieselben, erzählt Märchen und Sagen. Der Thau vor Sonnenaufgang gesammelt hat besondere Kraft, wie auch die Heilkräuter zu der Zeit am wirk¬ samsten sind. In Kärnthen ist die Erinnerung noch nicht verschwunden, daß man in alten Zeiten mit Stroh umwundene und in Braud gesteckte Wagenräder von Hügeln in die Tiefe rollte, um das Svnnenrad darzustellen. Im Herbste bilden die sogenannten Primizen, die Feier der ersten Messe eines eben ausgeweihteu Theologen beliebte Feste, da es den größten Stolz eines Bauern bildet, wenn er seinen Sohn als Priester sieht. Am Allerscclentage werden eigens gebackene Brodlaibe (in Krain nennt man sie xrssos) unter die Armen vertheilt, in Wein¬ gegenden läßt man wohl auch in der Nacht Wein auf dem Tische 104 stehen, damit sich die Seelen der Verstorbenen daran laben mögen, ein Überrest der alten Todtenopfer. Beim Tode nnd Leichen¬ begängnisse haben sich zwar nicht viele alterthümliche Sitten und Gebräuche erhalten, denn dabei ist der Einfluß der Kirche zu groß, erwähueuswerth ist aber, daß sich in einigen Gegenden die Todtenklage bis auf den heutigen Tag erhalten hat, während das Tvdtenmahl (ssciiniim, Icarrninn) überall in Brauch ist, wobei jeder Theilnehmer ein Laib Brod bekommt, welches zu Hause unter die Hausgenossen vertheilt und nach Gebeten für den Verstorbenen verzehrt wird. Der hl. Martiuus wird ebenso gefeiert wie in anderen Län¬ dern, der hl. Nikolaus kommt auf weißem Schimmel geritten und bringt den braven Kindern Geschenke, während der Teufel oder der Bartel (parlrolj) die bösen holt. Wenn an dessen Feste ein Weib zuerst in eine Mühle kommt, so halten die Keile das ganze Jahr schlecht. In Steiermark bäckt man am Tage der heiligen Lucia kleine Brode (lnvisZönIch; eines bekommt der „xolnLnr« d. i. der Bursche, welcher in aller Frühe, ehe die Hausgenossen aufstehen, kommt und dem Vieh Futter vorwirft; ebensolche Brode, in denen ver¬ schiedene Samen nnd zu Johannis gesammelte Kräuter cingebacken sind, erhält auch das Vieh, daß es gedeihe. Kommt der xolaimi- nicht ins Haus, so weicht alles Glück von demselben. Eine genauere Aufzählung der Sitten und Gebräuche würde den zugemessenen Raum weit überschreiten, darum wvllen wir nur noch einen Blick ans die Kleidung nnd die Wohnungen der Slove¬ ncu werfen. Die alte nationale Tracht, welche freilich nach den einzelnen Landestheilen verschieden war, verliert sich immer mehr; sie nähert sich gewöhnlich der in den angrenzenden Gebieten. Die hohen Sillcn und Gebräuche der Slcvenen. 05 Stiefel«, Lederhosen, kurzen Röcke, smnmtnen Westen, init dichten, dicken, oft silbernen Knöpfen der Oberkrämer haben sich wohl noch am meisten erhalten; im Küstenlande tragen die Bewohner Schuhe, Strümpfe, Kniehosen und kurze Röcke, in einigen Gegenden findet man noch selbstgcfertigten Loden; die Wäsche wird an vielen Orten aus Hansleinwand hergestellt, während viele leider theure und schlechte Baumwollwaren vorziehen. Die Häuser sind häufig aus Holz, doch bauen wohlhabendere Leute lieber mit Stein und Ziegeln, die alten Strohdächer ver¬ schwinden immer mehr und mehr. Um die Hütten schlichten die Armen unter dem Vordache ihr Brennholz auf. Das Haus hat eine große Wohnstube mit Bänken längs den Wänden und einem großen grünen Backofen, der zugleich zum Kochen dient. In diesem Raume drängt sich die ganze Familie im Winter zusammen, die Kammern, die sich im Hause vorfiuden, dienen als Schlaf¬ räume und Aufbewahrungsorte der verschiedenartigsten Habselig¬ keiten. Stall und Tennen sucht man immer mehr vom Wohn¬ hause zu sondern. Den großen Hof nimmt der Düngerhaufen gewöhnlich in sehr gesundheitsschädlicher Weise ein. Außer diesen Gebäuden findet man in Krain noch sogenannte Harfen (IroMlso), in denen das Getreide geschützt gegen den Regen getrocknet wird. Im allgemeinen sieht man aber das Streben, die Gebäude immer zweckmäßiger, freundlicher und lichter zu machen, was eiuesthcils dein Drängen der Behörden, anderntheils aber auch der wachsenden Erkenntniß und Bildung zugeschrieben werden muß. Die slovenische Sprache und ihre Geschicke. Die slovenische Sprache kommt unter allen lebenden slavischen Sprachen der altslovenischen am nächsten. Es sind ja einzelne Theile des slovenischen Volkes directe Descendenten jener Slove- nen, in deren Sprache die altslovenischen Denkmäler geschrieben worden sind. Jndeß auch in der Sprache gibt es keinen Stillstand und so kommt es, daß trotzdem einige Abweichungen von der alt¬ slovenischen Sprache zu verzeichnen sind. Die Vocale sind theilweise vereinfacht. Bezüglich des Consonantismns ist schon oben bemerkt worden, daß das altslov. st aus *tj durch ö, im äußersten Südwesten des Sprachgebietes verdünnt als v gesprochen, dagegen das altslov. -uk aus *ckj einfach durch s wiedergegeben wird; außerdem ist die Erweichung des r geschwunden und tritt im Wortschlusse einfaches r, im Inlaute rj ein, also cesar, eesarsa. Alle übrigen eonsonantischen Erscheinungen des Neuslovenischen decken sich mit dem Altslovenischen. In der Flexion sind einige Vereinfachungen eingetreten. Die syntaktischen Unterschiede des Altslovenischen und Neu¬ slovenischen hangen zum Theile mit den Formdifferenzen zusammen, zum Theile sind sie davon unabhängig. Es kommen innerhalb des slovenischen Sprachgebietes auch noch Unterschiede und Mundarten Tie sloverüsche Sprache und ihre Geschicke. lO7 vor, wie dieses ja in jeder lebenden Sprache der Fall ist. Diese Unterschiede betreffen hauptsächlich die Aussprache und den Worttvn. So z. B. wird das harte I (das polnische k) am Ende der Worte noch in Zagorim rein gesprochen, also xil, während es sonst voca- lisiert als xio lautet; in der Mitte des Wortes vocalisiert sich das altsloo. silbenbildende i, respective lü zu u, soust wird es im allgemeinen gesprochen, nur in Ober-Krain wird es stark verdickt, so daß ein Siu als »va lautet. Von den übrigen Consonanten sei zunächst der Gruppe tj gedacht, die bei Görz, Tolmein, Unter-Krain und auch bei Pouigl iu Steiermark stellenweise als U gesprochen wird. Bezüglich des Wortaceentes wäre im allgemeinen zu erwähnm, daß die westlichen Sprachbezirke an den zweisilbigen Worten den jambischen, die östlichen den trochäischen Rythmus bevorzugen; außerdem unterscheiden die westlichen Slovenen nicht bloß ans den langen, sondern auch ans den kurzen (mittleren) Silben einen fallenden und steigenden Ton, was im Osten nicht der Fall ist. Was die Schriftsprache anbelangt, so halten die Slovenen iu Steiermark, Käppthen, Krain, Küstenland iu der Schriftsprache ihre Zusammengehörigkeit aufrecht und dient ihnen schon seit Trubar eine gemeinsame Bücherschrift und Schriftsprache; die ungarischen Slovenen haben ihre eigene Bncherschrist und Orthographie; die kroatischen Slovenen, von den Kroaten lcajlruvoi genannt, weil sie das Fragewort was mit buj ausdrücken, während die Kroaten selbst wie die Serben dasselbe Fragewort nut Lto ansdrücken und so stolruvoi heißen, diese kroatischen Slovenen nun sind seit l 836 mit den eigentlichen Kroaten in der Schriftsprache vereinigt; vor dieser Zeit hatten sie ihre eigene Schriftsprache und darin eine nicht unbedeutende slovenische Literatur. Die Sprachgrenze zwischen den Slovenen Kroatiens und den eigentlichen Kroaten geht von Pitomaöa an der Dran oberhalb Virovitica, an Belovar 108 Die slovenischc Sprache und ihre Geschicke. und Cirkvena vorüber, hinter Kapela bis Lupoglava; von da an Jvaniü vorüber in der Moslavina bis zur Ortschaft Lonja und Jasenovac an der Save, jenseits der Save bis Petrinja, jenseits der Kulpa bis Karlstadt und von da gegen Nordwesten über Draganiä, Krasiä und Jastrebarsko bis Draga in der Nähe von Kram, Sichelburg als kroatische Sprachinsel einschließend; auch die Murinsel ist von dem gleichen Stamme der Slovenen bevölkert; der Name Slavonien endlich, welcher bis 1526 ausschließlich die Gegend zwischen der Drau und Save bezeichnete, rührt bekanntlich nicht minder von der slovenischen Bevölkerung her, die ursprünglich dort die herrschende war, während der Name Kroatien erst nach dieser Zeit in Folge der Einwanderung der Kroaten in Übung kam, die sich vor den Türken dorthin flüchten mußten, Ebenso hieß die slavonische Grenzwehr, deren Generalat sich seit 1595 seinen Sitz in Warasdin hatte, die windische Grenze zum Unterschiede von der eigentlichen kroatischen Grenze, deren Generalat sich seit 1579 in Karlstadt befand. Trotz dieser Mischung der kroatischen und slovenischen Bevölkerung, trotz der Geringfügigkeit der sprachlichen Unterschiede, trotz der wiederholten Versuche wurde bisher noch keine Vereinigung der Schriftsprache der Kroaten und Slovenen erzielt; daß sich die kroatischen Slovenen jemals mit ihren slovenischen Stammesbrüdern literarisch vereinigen würden, nachdem sie bereits mit den Kroaten vereinigt sind, ist Wohl nicht denkbar; viel näher liegt die Mög¬ lichkeit, daß sich nach dem Vorgänge der kroatischen Slovenen auch alle übrigen Slovenen, ungeachtet ihrer politischen Trennung und ihrer nicht wenig ausgeprägten Individualität, einstmals dennoch niit dem kroatisch-serbischen Zweige literarisch vereinigen könnten; vorläufig bleibt es bei der althellenischen Wechselseitigkeit. Geschrieben wurde die slovenischc Sprache bereits im IX. Jahr¬ hunderte und zwar in der Glagolitica und Cyrilica, aber auch Die slovenische Lprache und ihre Geschicke. 109 mit der lateinischen Buchstabenschrift. Reste von Denkmälern in lateinischer Buchstabenschrift finden sich aus dem X., XIV. und XV., zahlreicher vom XVI. Jahrhundert an. Die latei¬ nische Buchstabenschrift wurde 1584 durch Bohoriö geregelt. Diese Schrift, die Bohoriüica genannt, bestand bis 1814. Ein älteres Alphabet mit lateinischen Buchstaben findet sich in einem Codex des Bencdictinerstiftes zu Admont aus dem XIV. Jahrhundert. Die gegenwärtig übliche Buchstabenschrift, welche die Palatalen durch ö, L, s und die entsprechenden Sibilanten durch o, 2, s. ausdriickt, wurde 1844 durch Bleiweis eiugeflihrt, der sie der kroatischen Schreibweise entnahm, die Ljudewit Gaj eingeführt hatte, daher ihr Name Gajica ; Gaj selbst hatte diese Schreibweise der böhmischen Rechtschreibung entnommen. Im XIII. Jahrhundert wurde die slovenische Sprache noch in ganz Kürnthen gesprochen, wie dieses Ulrich von Lichtenstein in seinen: Gedichte vom Jahre 1255, genannt Franendienst bestätigt. Der genannte Dichter zog als romantischer Ritter in weiblicher Kleidung, die Frau Venns vorstellend, ans Italien durch die Alpen- ländcr und wurde in Kürnthen vom Landesfürstcn in slovenischer Sprache mit den Worten begrüßt: UnAo cvns piäioi Ai-alva (ürnigova) V0QU8 d. h. grüß Euch Gott, königliche Venus, über die Inthronisation der Kärnthner-Herzoge war oben die Rede. Noch zu Ende des XIV. Jahrhunderts wurde der Gottesdienst in slovenischer Sprache abgehalten. Ans der Vorrede zur deutschen Übersetzung von Dnrandi's „Uatiou-Uo äivinorcuu cMciorunUst die 1384 Albrecht nut dem Zopfe unfertigen ließ (der Codex befindet sich in der k. k. Hofbibliothek in Wien), ist ersichtlich^4uiß-chwsts anch -a m Hose zu Wien d e r -FM -war?- Die betreffende Stelle lautet wörtlich: „zum dritteu Male (zum ersten Male lateinisch, zum zweiten griechisch) wird die Messe in windischer 110 Die slovenische Sprache und ihre Geschicke. Sprache abgehalten wegen der Allgemeinheit und der großen Ver¬ breitung dieser Sprache, denn keine andere Sprache ist so weit verbreitet als diese Sprache, die man die windische nennt." Baron Sigmund Herberstein, geboren 1486, schreibt in seiner Selbstbio¬ graphie: zn Wippach habe ich Deutsch und Windisch gelernt, die windische Sprache hat mir viel Mühe gemacht, dennoch hat mich Nichts abwendig machen können die Sprache zn erlernen, die mir später in vielen Dingen (bei der Gesandschaft in Rußland) zn großem Nutzen gereicht hat. Valvasor schreibt in VII. p. 404 seines Werkes „Ehre des Herzogthums Krain": .. Daher kommt es, daß noch heutzutage (1689) in der windischen Mark (Unter-Krain), wie auch in andern Gegenden Krams beim Gottesdienste und bei kirchlichen Ceremonien die allgemein verständliche slovenische Sprache angewendet wird. Im Jahre 1495 wurde von den Bürgern Laibachs und Krainburgs selbst für die deutsche Stadt Aachen ein Benefieinm errichtet mit der Bestimmung, daß in der dortigen Muttergvttes-Kirche für slovenische Wallfahrer ein slovenischer Priester bestellt werde; 1625 wurde die Stiftung erneuert und Valvasor zählt in seinem Werke die slovenischen Beuefieiate bis 1675, namentlich auf. Kaiser Maximilian I. ließ sich von Berlogar in der slovenischen Sprache unterrichten; am Hvfe dieses Fürsten lebten viele slovenische Gelehrte und bildeten eine kleine slovenische Colonie, die sich dem Heimatlande vielfach nützlich erwies. Zur Zeit der kirchlichen Reformation und Gegenreformation wurde die slovenische Sprache als Agitationsmittel neu belebt. Aus dem .Jahre 1574 stammt die Nachricht, der Abt des Cistercienser-Stiftes Rein bei Graz habe einen Frater eigens nach Krain geschickt, damit dieser die slovenische Sprache erlerne, deren Kenntnis) für die Verwaltung der Besitzungen in Untersteier wöchig war. Die angesehensten Männer ihrer Zeit: Schönlcben der Zeit nach der IU erste Geschichtschreiber Krams, Valvasor der berühmte Verfasser der „Ehre des Herzogthums Kram", der Bischof Hren (Chrvn), der Diplomat und Herausgeber der russischen Chronik Nestors Sigmund Edler von Herberstein, Karbonarius (Oglar) der Leibarzt und Vertrauensmann Peter's des Großen u. a. bekannten sich offen nnd ohne Rückhalt als Slovenen. Zu Ende des XVII. und im Anfänge des XVIII. Jahrhunderts unter der Regierung Josefs I. machte sich nicht nur in Kärnthen und Steiermark, sondern auch in Kram die Germanisierung immer breiter, nm intensivsten unter Josef II. Nach Josef II. lebte die slovenische Literatur von Neuem auf; der unvergeßliche Baron Sigmund Zois versammelte in seinen nationalen Salons die edelsten Männer der slovenischen Nation, die Dichter und Schriftsteller seiner Zeit, ihre geistigen Schöpfungen würdigend und zu neuen Schöpfungen ermunternd, ein echter Maecen, von dem der Dichter singt: rnriö, KrLiil.jrr ime.Irr hubsöZ'A, ni. „Der Boden Krams trug keinen lieblicheren Sohn". Darauf folgte die französische Invasion, die in Kram und in den westlichen Gebieten der slovenischen Sprache ihre Rechte in größerem Maße einrnumte. Dann kam die Zeit Metternichs, die Germanisation war in voller Blüthe, bis das Jahr 1848 die Nationen wie vom Schlafe aufschüttelte und sie znm neuen Leben erweckte, das die Bach'sche Periode wohl zu unterdrücken, aber nicht auszulöschen vermochte. Mit 1860 beginnt in Österreich das neue Verfassnngs- leben und mit diesem die theoretische Verkündigung der nationalen Gleichberechtigung, worauf nun, wie es zu hoffen steht, die praktische Durchführung derselben erfolgen wird. Gelehrt wurde die slovenische Sprache auch schon seit langer Zeit. Zur Zeit der Reformation war dieselbe in Kram in den 112 Die slowenische Sprache und ihre Geschicke. von den Ständen gegründeten höheren Lehranstalten eingeführt. In der diesbezüglichen Schulordnung der evangelischen Landes¬ schule bildete sie nach einer im Laibacher Museum aufbewahrten Urkunde nebst der lateinischen und deutschen Sprache einen Hauptgegenstand dieser Schulen; Unterricht wie Gesang waren abwechselnd in slovenischer und deutscher Sprache; das von Bohoriö verfaßte Schulbuch führte den Titel: Llsrnsutui-s lubussuss ounr uoiuonelaturu triuin tiuKuaruin, InUnuo, Asrinunious st slu- vouieus. In Unter-Krain uud iu Istrien galt wegen des Ver¬ kehres mit Kroatien und Dalmatien als Bedingung für die Ver¬ wendbarkeit im Schuldienste die Kenntniß der cyrillischen und glagolitischen Schrift. Als im Jahre 1586 Erzherzog Karl zum Zwecke der Bekämpfung der Reformation das Jesuiten-Gymnasium in Graz in eine Universität für die inner-österreichischen Länder erweiterte, begründete er diese seine Stiftung dahin, „daß die Ver¬ hältnisse seiner untergebenen Länder und Völker von so verschiedener Abstammung, von so verschiedenen Sprachen und Mundarten eine solche Einrichtung nvthwendig fordern." Nach der Stiftungs-Urkunde hat demnach die Grazer Univer¬ sität ausdrücklich auch für die geistigen Interessen der slovenischen Nation Sorge zu tragen. Einige Jahre nach der Errichtung der Grazer Universität wurde auch in Laibach „zur Ausrottung der lutherischen Lehre" ein Jesniten-Cvlleginm errichtet, das in seinen Schulen neben der lateinischen und deutschen Sprache auch den Unterricht in der slovenischen Sprache Pflegte; eine diesbezügliche Urkunde erwähnt, daß im Jahre 1599 zu Weihnachten in einem Schülerconcerte lateinische, slovenische und deutsche Lieder gesungen wurden, was zur Förderung des guten Rufes der Schule von großem Belange gewesen sei. Aus dieser Zeit rührt auch die Notiz, daß von den Schülern des Jesuiten-Collegiums ein slove- Die slovenische Sprache und ihre Geschicke. 113 uisches Theaterstück „das Paradies" aufgeführt wurde. Nach einer Urkunde vom Jahre 1606 konnte der Richter der Stadt Laibach eine Zuschrift nicht lesen, weil sie deutsch war. Zur Zeit Maria Thcresia's hatte sich Graf Edling nur das slovenische Schulwesen in Krain große Verdienste erworben; er selbst übersetzte den kleinen Katechismus ins Slovenische 1777, und die große Kaiserin geruhte die Widmung dieses Büchleins auzuuehmen. Damals hatte auch der berühmte Bienenzüchter Anton JauLa, ein sloveuischer Bauer aus Krain, der nicht lesen und nicht schreiben konnte, im Augarten und später im Belvedere in Wien — Vorträge über Bienenzucht gehalten; Maria Theresia berief ihn als Autorität in diesem Fache nach Wien, wo er, da er der deutschen Sprache nicht mächtig war, seine Erklärungen in sloveuischer Sprache ausführte, die ein eigens bestellter Dolmetsch für die Zuhörer interpretierte. Zur Zeit der französischen Occupativn wurde in Krain und den westlichen Gebieten die deutsche Sprache aus den Nvrmalschulen vollends entfernt nnd die slovenische eingeführt; an den damaligen Mittel¬ schulen Krams zu Laibach, Adelsberg, Krainbnrg und Rudolfs- Wert wurde die slovenische Sprache als Gegenstand gelehrt; die französische Regierung beabsichtigte dieselbe auch schon als Unterrichtssprache einzuführen, wie dieses aus dem Brief¬ wechsel zwischen Vodnik und Primec hervorgeht. Wie mächtig damals das nationale Leben pulsierte, zeigt unter andern auch der Umstand, daß in Laibach im öffentlichen Theater slovenische Theaterstücke von Dilettanten aus den höheren Ständen bei voll¬ gepfropftem Hause und unter großem Jubel der Bevölkerung aufgeführt wurden. Aus dieser Zeit ist Linhardt's Lustspiel Natiöolr 86 Leni. Manches Mal bekam man auch bei den italienischen Opern slovenische Couplets zu hören. Über die Wirkung Tie Llovencn von Prof. I. äumem. 114 Die slovenische Sprache und ihre Geschicke. solcher slovenischen Einlagen berichtet Kopitar, indem er schreibt: Als man oft keine Ahnnng hatte, daß ein slovenisches Lieb gesnngen werde, begann der Sänger oder die Sängerin mitten in der italienischen Oper ein von Baron Zvis gedichtetes slovenisches Lied zu singen und im Parterre und den Logen erhob sich ein Beifallssturm, den man nicht beschreiben kann. Dr. I. Bleiweis ergänzt diese Bemerkung in der Lebensbeschreibung des Baron Zvis im Kvledarüek 1855 mit dem ebenso einfachen als wahren Worte: Und so war der heimische Laut auch im Theater in Laibach von jeher der süßeste Laut. Der Reflex dieses nationalen Lebens in Krain drang auch nach Steiermark. Die in Graz lebenden Slvvenen gründeten unter Primec's Führung 1810 einen Verein „sooistus sloveinoo/ß der die Ausbildung der Mitglieder in der slovenischen Sprache zum Zwecke hatte. Auf Anregung des den Slvvenen wohlgesinnten Gubernialrathes Josef Edler von Jnstel bewilligten die Stände im Jahre 1812 die Lehrkanzel der slove¬ nischen Sprache auf der Universität mit der sehr richtigen Moti¬ vierung, „daß zur Erhöhung der Cnltur des Landes und Auf¬ klärung des gemeinen Mannes die Beförderung der Ausbildung in der Muttersprache . . . das einzige bewährte und untrügliche Büttel sei." Die auf diese Art gegründete Lehrkanzel der slovenischen Sprache an der Grazer Universität besetzte zuerst Ivan Priniee, Scriptor an der dortigen Lyeealbiblivthek. Leider war die Lehr¬ kanzel nur kurze Zeit besetzt, indem Primee nach beiläufig andert¬ halbjähriger Thätigkeit geisteskrank ward und 1818 in seiner Heimat in Zalog starb. Die slovenische Lehrkanzel in Graz war dann eine Zeit unbesetzt, bis sie au Koloman Kvas 1823 zuerst provisorisch, seit 1836 definitiv verliehen wurde; Kvas lehrte daselbst die slovenische Sprache nahezu bis zu seinem Ableben 1867. In Laibach ertheiltc 1795—1798 der würdige Beneficiat und Katechet Die slovenische Sprache und ihre Geschicke. 115 an der Mädchenschule bei den Ursulinerinnen, mit Namen Janez Debevec, den angehenden Priestern Unterricht in der Grammatik der slavischen Sprache, die sie in ihrem Berufe alle Tage sprechen und also doch auch grammatisch sprechen müssen. Diese Schule wurde in Folge der französischen Invasion eingestellt. Durch die Bemühungen Navnikars, des slovenischen Schriftstellers und späten: Bischofs von Triest, wurde 18.17 eine öffentliche Lehrkanzel der slovenischen Philologie am Lyeenm in Laibach errichtet. Diese Lehrkanzel wurde mit allerh. Sanetion vom 14. Februar 1817 an Franz Metelko verliehen, der somit in Laibach der erste öffentliche Lehrer der slovenischen Sprache war. Metelko hat große Verdienste um die grammatische Ausbildung der slovenischen Sprache, die er schriftlich und mündlich, zuerst am Lyceum, dann am Ober- Gymnasium bis zu seinem Ableben am 27. December 1860 gelehrt hatte. An den Gymnasien außerhalb Krams besteht der Unterricht der slovenischen Sprache seit 1848, ebenso wurde derselbe an den Gymnasien Krams erneuert, nachdem die durch die Reformation und später durch Napoleon eingeführten Schulen inzwischen germa¬ nisiert worden waren. Im Jahre 1848 wurde die slovenische Sprache an den Gymnasien zuerst in freien Stunden und freiwillig gelehrt und gelernt; seit 1852 ist der Unterricht für slovenische Schüler obligat und in der Weise geregelt, daß jeder Clasfe gewöhnlich zwei slovenische Sprachstunden zufallen: seit 1860 sind in der 1. und 2. Clasfe je drei Stunden bewilligt. An den Realschulen dagegen ist der Unterricht der slovenischen Sprache in den verschiedenen Ländern des slovenischen Territoriums sehr verschieden uud erscheint dieselbe gegenüber der französischen und englischen Sprache selbst für slowenische Schüler überall im Nachtheile, trotz¬ dem man meinen sollte, daß ihr der Charakter der Landessprache und das tägliche Bedürfnis; den Vorzug zuerkennen müsse. Seit 8„ 1848 besteht an der Universität Wien die Lehrkanzel für slavische- Philologie, wo der rühmlichst bekannte Miklosich zuerst als außer¬ ordentlicher, seit 1850 als ordentlicher öffentlicher Professor wirkt. An der Universität zu Graz besteht die Lehrkanzel für slavische Philologie seit 1867, wo Dr. G. Krek zuerst als Privat-Docent, seit 1870 als außerordentlicher und seit 1875 als ordentlicher öffentlicher Professor lehrt. An beiden genannten Universitäten werden die Mittelschul-Professoren über die Kenntniß der slovenischen Sprache zum Zwecke der Ertheilung des slovenischen Sprachunter¬ richtes geprüft und zwar in Wien seit Einführung des Gymnasial- Organnationsentwurfes, in Graz seit 1870. Im Jahre 1.848 bestand auch die Absicht, in Laibach eine Universität und zwar zunächst eine Rechtsfacultät mit slovenischer» Unterrichtssprache zu errichten. Am 5. October 1848 wurde von der Unterrichtsleitung der Landesregierung in Laibach eröffnet daß zu diesem Zwecke zwei Professoren bezeichnet werden mögen, welche die Vorträge über das österreichische Civilrecht und die Straf¬ gesetze vorerst versuchsweise und unentgeltlich übernehmen wollten (Navias 1. November 1848 p. 186); am 10. März 1840 begann Anton MaLgvu, k. k. Aetuar, die slovenische Vorlesung über das Strafgesetz vor 30 Hörern; gleichzeitig begann Dr. Lehmann die slovenische Vorlesung über das Civilrecht (Mviaa 21. März 1849 p. 50); im September enthielt die deutsche Laibacher Zeitung die Nachricht, daß mit dem neuen Schuljahre die iu Laibach eröffneten slovenischen Vorlesungen laut eines Ministerialerlasses an die Universität Graz zu verlegen sind. So finden wir im folgenden Schuljahre die slovenischen Vorlesungen an der Universität in Graz Im Jahre 1850 lehrte an der Universität in Graz im 1. und 2. Semester Dr. Kopaö iu slvvenischer Sprache das römische und das Kirchenrecht, im Jahre 1851 die Strafproceßorduung; Die slovenische Sprache und ihre Geschicke. 117 Dr. Kranjc 1850 und >851 das bürgerliche Gesetzbuch; Dr. 8kedl im 1. Semester 1850 die Finanzwissenschaft, im 2. Semester und 1851 das Strafgesetz. Diese Vorlesungen bestanden noch im Sommer, worauf sie mit dem Bach'schen System der versuchten 'Germanisierung Österreichs verschwanden. Gegenwärtig theileu sich die Stimmen der Patrioten, indem die einen die Errichtung einer slovenischen Rechtsakademie in Laibach, andere die neuerliche -Einführung von slovenischen Vorlesungen aus den praktischen Fächern zur Heranbildung von slovenischen Juristen an der Universität in Graz, endlich andere diese Einrichtung an der Universität in Agram befürworten. Bis die Regierung für die Sache einen ernsten Willen zeigt, werden sich die Stimmen sicherlich vereinen. An den Mittelschulen wurde neuerdings ein Schritt zur Durch¬ führung der sprachlichen Gleichberechtigung im Jahre 187 l unter¬ nommen, als für die Gymnasien in Kram die Erlanbniß ertheilt ward, die slovenischen Schüler in einigen Gegenständen mittelst der slovenischen Sprache zu unterrichten, was im angeführten Jahre in der ersten Classe der Gymnasien in Rudolfswert, Krainburg und einer Parallclabtheilnng in Laibach geschah. Im folgenden Jahre jedoch wurde die Sache grvßtentheils wieder rückgängig gemacht. Gegenwärtig wird in Rudolfswert, Krainburg und in Laibach in einer slovenischen Parallelabtheilung die lateinische Sprache in der 1. und 2. Classe, und die Religion im Unter¬ gymnasium, ebenso in Laibach die Naturgeschichte in der 1. und im 1. Semester der 2. Classe slovenisch gelehrt (Jahresbericht des Obergymnasiums zu Laibach 1880); alle übrigen Gegenstände werden aber gleich von der l. Classe an und so alle Gegenstände von der 3. Classe angefangen aus deutschen Büchern und mittelst der deutschen Unterrichtssprache gelehrt, so auch an allen übrigen 118 Die slovemsche Sprache und ihre Geschicke Anstalten des slovenischen Territoriums alle Gegenstände und zwar gleich von der l. Classe an. Da nun der Unterricht der slovenischen Schüler mittelst der deutschen Unterrichtssprache, so lange sie die¬ selbe nicht verstehen, ein pädagogischer Mißgriff ist, da ein solches Beginnen mit der Humanität und der verfassungsmäßig gewähr¬ leisteten Gleichberechtigung im Widerspruche steht nud die mate¬ riellen wie die geistigen Interessen der slovenischen Bevölkerung schädigt, so ist das Streben der Slowenen gegenwärtig dahin gerichtet, daß die slovenischen Schüler in den Mittelschnlen in allen Gegenständen und in der deutschen Sprache so lange mittelst ihrer Muttersprache unterrichtet werden, bis sie der deutschen ! Sprache so weit mächtig sind, um den Unterricht mittelst der deutschen Sprache mit Erfolg genießen zn können, worauf dann in den Oberclassen einige Gegenstände bloß in deutscher, andere bloß in slovenischer Sprache vorgetragen werden sollten, damit die Schüler beim Übertritte an die Universität und im praktischen Leben neben der vollendeten Kenntnis; der Muttersprache auch der deutschen Sprache in Wort und Schrift vollkommen mächtig seien. In den Volksschulen ist die slovenische Sprache selbstverständ¬ lich meist die Unterrichtssprache; indeß der Unterricht in der deutschen Sprache wird namentlich in Steiermark und Kärnthen so vorgedrüngt, daß dadurch das Wesen der Volksschule alteriert erscheint. Während man nämlich bei allen andern Nationen für die Volksschule das Ziel dahin steckt, daß die Schüler außer dem Religionsunterrichte lesen, schreiben und rechnen lernen, weiters dann das Gelesene auffassen, eigene und fremde Mittheilungcn richtig niederschreiben und aus concreteu Angaben die Rechnnngs- operationen auffinden, endlich ihren Gesichtskreis in der Richtnng der Natur-, der Heimatskunde und der vaterländischen Geschichte erweitern und einer belehrenden und veredelnden Lectüre Geschmack Die slvvenische Sprache und ihre Geschicke. 119 abgewinnen, um dadurch dm Trieb zur weitern Bildung in sich aufzunehmeu, — und all dieses so zu lernen, ist nur in der Mutter¬ sprache möglich — so wird dem entgegen in den slovenischen Volksschulen gar zu häufig unter Vernachlässigung dieses Zieles die Erlernung der deutschen Sprache als Hauptziel ausgestellt. Die Folge davou ist, daß meist weder das eine noch das andere Ziel erreicht wird; denn sobald die Schüler aus der Schule ausgetreten sind, vergessen sie das Bischen Deutsch, das man ihnen in der Volksschule bei¬ gebracht zu haben wähnt, und lesen dann weder slvvenische Bücher, weil sie in der Schule vorherrschend in deutschen Büchern exerciert worden sind, noch deutsche Bücher, weil sie diese nicht verstehen, und die weitere Folge ist, daß viele langjährige Schulbesucher selbst das Lesen und Schreiben wieder verlernen. Das Streben der sloveni¬ schen Patrioten geht deshalb dahin, die Volksschule ihrem eigentlichen Zwecke zuzuwendeu, damit auf diese Weise wirkliches Wissen und mit dem Wissen der Wohlstand, soweit dieser von der Volksschule abhängig ist, im slovenischen Volke einziehen könne. Die ger¬ manisierenden Schulen können allerdings einzelne Renegaten, nie aber ein gebildetes slovenisches Volk schaffen. Das Streben nach slovenischen Schulen entspringt dem Selbsterhaltungstriebe und kann nicht als Racenhaß ausgelegt werden; daß von letzterem keine Rede sein könne, geht schon aus der Art und Weise hervor, wie mau deu deutschen Sprachunterricht in den Mittelschulen durch- gcführt wissen will. Was den Gebrauch der slovenischeu Sprache im Amte anbe¬ langt, so sollen auch diesbezüglich einige Thatsachen darthun, daß die slvvenische Sprache nie vollends aufgehört hat, Amtssprache zu sein. Außer der Bceidigungs- und Huldigungs-Ceremonie anläßlich des Regierungsantrittes der Kärnthner Herzoge, die, wie oben gezeigt wurde, zu seiner Zeit in slovcnischer Sprache voll- 120 Die slovenische Sprache und ihre Geschicke. zogen wurde, bedienten sich der einheimischen Sprache stets die Friedensrichter in der windischen Mark und in Istrien (Uaäws in letopis Naties slov. 1877 p. 290 u. f.Z dieses war noch zur Zeit Valvasors 1680 der Fall. Aber auch in anderer Weise finden wir die slovenische Sprache ausdrücklich als Amtssprache. In Krainbnrg fand sich im städtischen Archive eine Urkunde, in welcher in slovenischer Sprache vorgeschricben ist der Eid eines Bürgers, eines Rathsherrn, eines Richters, dann wie der Richter einem geschwornen Bürger den Eid vorsagen soll (8tari lokopis LrnisisksAu insstkl. J. Pajk, Marburg 1870 im Gymnasialpro¬ gramm). Diese Urkunde stammt aus der Zeit zwischen 1486—1493 und beweiset, daß um diese Zeit in Krainbnrg die slovenische Sprache auch in der Stadt die Amtssprache war. Eine zweite Urkunde ans dem Jahre 1489 bestätigt dasselbe bezüglich des Klosters Sittich in Unterkrain; nach dieser Urkunde war in Sittich ein Anwalt weltlichen Standes bestellt, der die Vertretung des Klosters und seiner Nechtsangelcgenheiten in slovenischer Sprache besorgte. Im Jahre 1543 unter Kaiser Ferdinand wurde ein Berggesetz erlassen und allsogleich sorgten die Stände von Krain für eine slovenische Übersetzung, die noch in einer Handschrift in der Lycealbiblivthek in Laibach vvrliegt. Über die Thätigkeit der Stände in Krain findet sich eine Nachricht aus dem Jahre 1544, darnach war die Verhandlungssprache der Stände ausdrücklich die slovenische. (Dimitz, Geschichte Krams III. 297.) Zur Zeit der Gegen¬ reformation entgegnet nach einer Urkunde aus dem Jahre 1598 die Gemeinde Mvtling anläßlich eines Wahlvvrschlages, daß der vorgeschlagene Schreiber der slvvenischen Sprache nicht mächtig sei, ein Beweis, daß die Kenntnis; der slovcnischen Sprache ein Erfor¬ derniß war. Aus den: Anfänge des XVII. Jahrhunderts stammt ein Codex, den die Wiener Universitäts-Bibliothek aufbewahrt, 121 worin 17 slovenische Eidesformeln der Stadt Laibach enthalten sind, welche bezeugen, daß damals die Eidesleistung in Laibach slovenisch, von Seiten einiger Stünde ausschließlich slovenisch war. Auch die Commission der Gegenreformation, welche in den ersten Decennien des XVII. Jahrhunderts unter Vorsitz des Bischofs Hren (Chrvn) ihre Thätigkeit über Krain und Steiermark bis Marburg ausgedehnt hatte, ließ diejenigen Personen, die in den Schoß der katholischen Kirche zurückgekehrt waren, den Entsagungs¬ eid in slvvenischer Sprache schwören. Zur Zeit Maria Theresia's wurden wichtigere Gesetze, Verordnungen und Verlautbarungen in deutscher und slvvenischer Sprache veröffentlicht, zuweilen stand das Slovenische in der „Legende" an erster Stelle. Radies fand im Fürst Auersperg'schen Archiv 14 solcher slovenisch-dentscher Ver¬ ordnungen ans den Jahren 1768—4790, die in letopis Natios slovenslre 1879 p. 31 einzeln aufgeführt sind. Daß sich auch die Pytrimvnial-Herrschaften auf die „Gleichberechtigung" ver¬ standen haben, beweiset eine Aufschrift im Schlosse der Herrschaft Lemberg in Untersteiermark, wo neben der Ankündigung des Amts¬ tages für jeden Freitag in deutscher Sprache die gleiche Ankündi¬ gung auch in slvvenischer Sprache angebracht ist. Napoleon suchte die oeeupierten Länder dadurch zu gewinnen, daß er der Bevöl¬ kerung die größtmöglichste Autonomie gewährte und die Sprache des Volkes achtete; die amtliche Zeitung brachte die Verordnungen in französischer und slvvenischer Sprache. Nach diesem Vorgänge wurden nach der Reintegrierung unter der österreichischen Regie¬ rung die Gubernial-Circulare, Patente u. s. w. eine Zeit auch ins Slovenische übersetzt. Zur Zeit Metternich's und Bach's war im Amte die deutsche Sprache die absolut herrschende, ja selbst bei Criminalverhören intervenierten Dolmetsche, die nach ihrer Bildung und Sprachkenntniß sehr oft keine Gewähr für die Richtigkeit 122 Die slcvemsche Sprache und ihre Geschicke. der Übersetzung boten. Aus dieser Zeit rührt der slovenische Jargon, wie er heutigen Tages mitunter aus dem Munde des in der slovenischeu Sprache sehr schlecht unterrichteten Städters gehört wird. Von der Gegenwart läßt sich im allgemeinen sagen, daß die niedern Beamten mit dem Volke in der Regel ohne Dolmetsch verkehren, obwohl sie dabei die slovenische Sprache zuweilen sehr mangelhaft sprechen; im schriftlichen Verkehre dagegen ist die deutsche Sprache im allgemeinen, in Kärnthen und Steiermark aber ins¬ besondere die herrschende, ebenso an der italienischen Grenze die italienische. Daß diesbezüglich auch das Princip der Gleichbe¬ rechtigung noch auf schwachen Füßen steht, beweist ein Fall in Untersteiermark aus der Zeit des Verfassuugslebeus, wo einem Pfarrer die Absetzung drohte, falls er seine pfarrämtlichen Bücher in slovenischer Sprache fortführte. Dennoch wird auch von Seiten der slovenischen Advokaten und Notare mit slovenischen Eingaben und Urkunden der Anfang gemacht, auch einzelne slovenische Erledigungen erfolgen; ebenso geschieht die Publicativn des Reichs¬ gesetzblattes in slovenischer Sprache, auch die politischen und steuer- amtlichen Behörden geben ihre gedruckten Publieationen in der Regel in beiden Sprachen heraus; im Ganzen und Großen müssen aber die Slovenen die Durchführung der Gleichberechtigung auch in diesem Punkte noch von der Zukunft erwarten. Die slovenische Literatur. ' Dargestellt von Dr. Fr. Simoniü. Die verbreitete Meinung, daß vor dem XVI. Jahrhunderte keine Aufzeichnungen in slovenischer Sprache stattgefunden hätten, wnrde schon längst durch die Freifinger Denkmäler aus dem X. Jahrhnnderte, den ältesten der slovenischen Litera¬ tur, in neuerer Zeit noch durch Funde aus dem XIV. nud XV. Jahrhunderte widerlegt. Doch waren solche Aufzeichnungen Trubar und dessen Genossen gänzlich unbekannt, weshalb auch ohne Einfluß auf die werdende Literatur. Diese beginnt erst mit der Reformationszeit und wird gewöhnlich in drei Perioden einge- theilt, wovon die erste die Zeit von Trubar bis Pohlin (1550 bis 1768), die zweite von Pohlin bis zum Erscheinen von Bleiweis' Xovioa (1768 —1843) und die dritte von 1843 bis zur Gegen¬ wart umfassen möge. I. Periode. Von Trubar bis Pohlin (1550—1768). Der Protestantismus hatte schon früh bei dein Herren- und Bürgerstande des slovenischen Ländergebietes Eingang gefunden, doch diese waren mehr oder weniger durch ihre gemeiniglich deutsche Conversativu dem Volke eutfremdet. Wollte man nun die neue 124 Lehre auch unter dem letzteren ausbreiten, so mußte mau sich der slvvenischen Sprache bedienen, was die Prädicanten, abgefallene katholische Geistliche, wirklich thaten, doch die geistliche und welt¬ liche Macht trieb sie aus dem Laude. Diese flüchtigen Prediger wanderten nach Deutschland, unter andern auch der gewesene Laibacher Domherr PrimvZ Trubar, welcher sich nach Württem¬ berg wandte. Hier lebten Slovenen von bedeutendem Rufe, wie Matija Grbec (Nullüas Omrbitins IIFmiaus) aus Istrien, der als Professor au der Universität Tübingen wirkte, Matija Vlamü (LlatlüasOlumns) ebenfalls Jstrianer, der als Korrepetitor (Assistent) in Verwendung stand, der bedeutendste aber der Kanzler und erste Rath des Herzogs Christof Magister Michael Tiffernus — aus Tüffer in Unter-Steiermark, — der einst seinen Herrn mit Hilfe der slvvenischen Sprache.aus der Gefangenschaft befreite. Diese Namen mögen Trubar's Schritte gelenkt haben, bis er zu Nvttenbnrg an der Tauber eine Predigerstelle erlangte. Hier kam er als eifriger Verkündiger der neuen Lehre auf den Gedanken, durch Schriften auf seine sloveüischen Landsleute einzuwirken, wodurch er der Begründer der neuslvvenischen Literatur werden sollte. . PrimoZ Trubar stammte von bäuerlichen Eltern ans dem freiherrlich Auerspergischen Dorfe RaZöiea in Unterkrain her, wo er im Jahre 1508 geboren wurde. Seine Studien machte er zu Fiume, wo er kroatisch und italienisch erlernte, später zn Salzburg und Wien. Als katholischer Priester wirkte er an mehreren Orten Krams und der sloveüischen Steiermark und wurde 1531 als Dom¬ herr nach Laibach berufen. Als ausgezeichneter Prediger bekämpfte er mit Eifer die obwaltenden Übelstünde bis er im Lager des Protestantismus anlangte. Als ihm Bischof Räuber das Predigen verbot, räumte ihm die Landschaft ihre städtische Spitalskirche in Laibach ein, wo er unter ständischem Schutze eifrig für die neue Die slovenische Literatur. 125 Lehre wirkte, bis er 1547 nach Deutschland flüchten mußte. Den ersten schriftstellerischen Versuch in seiner Muttersprache wagte Trubar mit einem Abcedarinm und Katech ismus. Nach vielen Hindernissen und nur mit Hilfe des Professors Grbce war es ihm gelungen in Tübingen einen Buchdrucker zu finden, wo die genannten slovenischen Erstlingsdrucke unter dem Pseudonym ?bilopatriün8 Ul/rious „gedruckt in Sybenburgen durch dew Jernei Skuryaniz" mit deutschen Lettern erschienen. Beide Büchlein wurden zwar mit großem Beifalle in der Heimat ausgenommen, doch wegen der vielen Hindernisse hätte es Trubar bei diesem Versuche bewenden lassen, wenn nicht der ebenfalls wegen der neuen Lehre flüchtige Paul Vergerio Bischof von MvdruZa und Capvdistria an ihn mit dem Anträge, die ganze heilige Schrift ins „Windische und Krabatische" zu übersetzen, herangetreten wäre und Trubar seine Unterstützung, sowie Beihilfe einiger Fürsten und Herren zugesagt hätte. Ans das hin übersetzte Trubar das Evan¬ gelium Mathä i, welches ans Kosten des Herzogs von Württem¬ berg, den Vergeriv dazu bewogen hatte, im Jahre 1555 in Druck erschien. Dieses wurde schon mit lateinischen Lettern gedruckt, wie seitdem alle Werke der nenslovenischen Literatur. Hoher hob sich die ganze Unternehmung, als der Landeshauptmann von Steier¬ mark, Johann Ung n ad Freiherr von Sonek (im Jaun- thale in Kärnthen) wegen des Rcligions-Edictes des Kaisers alle seine hohen Würden niederlegte und nach 39jähriger verdienstvoller Thätigkcit im Dienste des Landesherrn seine Heimat verließ und nach dem ihm vom Herzoge von Württemberg eingeränmten Münch¬ hofe im Städtchen Urach übersiedelte. Ungnad bezog ungestört die Einkünfte von seinen Gütern, die ihm einen kleinen Hof zu halten erlaubten. Dieser tapfere Mann, der früher öfters die Kriegs¬ scharen gegen die Türken führte, setzte seine besten Kräfte darein„ 126 Die slowenische Literatur. nun auf friedlichem Wege die Slaven der Türkei für die neue Lehre zu erobern. Bis nach Cvnstantinopel fall die Glanbens- bvtschaft dringen, denn diese Völker sprechen ja alle eine nnd die¬ selbe slavische Sprache, welche nur durch Dialecte und Schrift- .zeichen geschieden ist. Nun wurde in Tübingen 1560 eine südslavische Druckerei eingerichtet und auf Verlangen Trubar's der glagvlischen und cyrillischen Schrift kundige Gehilfen bestellt. Aus Istrien kam Stephan Cvnsul, daher l8tiiauin genannt, nach dessen Angabe die glagvlischen Lettern geschnitten wurden, aus Dalmatien Anton Dalmata, der die Formen der cyrillischen Schrift angab. Trubar kündigte diese großartige Unternehmung 1561 mit dem kleinen Büchlein „Register und summarischer Inhalt aller der windischen Bücher," die von ihm bis auf dies Jahr in Druck gegeben sind und fernerhin in kroatischer Sprache mit zweierlei Schriften, nämlich der glagvlischen und cyrillischen, gedruckt werden sollen. Als erste Frucht der gemeinsamem Bemühungen Trubar's, Consul's nnd Dalmata's erschien im Jahre 1561 der kroatische Katechis¬ mus in glagolischer und cyrillischer Schrift gedruckt. Weiter kam aus Krain Juri JnriÄö, der auch die glagvlischen Übersetzungen mit unterfertigte und aus Dalmatien Gjuro Cvetiö, die noch überdies der auf der Tübinger Universität studierende Leonardo Mrüeriä, gebürtig aus Dalmatien, beim Übersetzen unterstützte. Die ganze Anstalt blieb im regen Verkehre mit den Heimatländern dieser Männer, die fast durchweg ihre Manuskripte vor dem Drucke durch Sachverständige prüfen ließen. Nun wurde aber Trubar vvu der Landschaft Krain als deren verordneter Prädicant, welche Stelle er ans vieles Drängen wieder angenommen hatte, in die Heimat abberufen, nm dort die gestimmten Verhältnisse seiner Religionsgenossen zu ordnen. Nach zehnwvchentlicher organisatorischer Wirksamkeit kehrte derselbe mit zwei nSkvkischen Priestern Mate Die slovenische Literatur. 127 Popovw und Ivan Malesevac nach Urach zurück, welche Pfarre er schvn früher wegen des Bücherdruckes vvm Herzoge zugetheilt erhalten hatte. Im Jahre 1562 übersiedelte aber Trubar sannnt Familie nach Krain, wohin er diesmal den ersten Buchdrucker Laibach's Johann Manlius, slovenisch Blaudelc, brachte. Die Land¬ schaft hielt ihren Prüdicanten trotz aller Anfeindungen drei Jahre lang, doch im 4. Jahre (1564) mußte er mit zugesicherter Pension sein Vaterland auf immer verlassen. Nach Württemberg zurück- gekehrt, wurde er zuerst Pfarrer zu Laufen am Neckar, dann wegen des slavischen Bücherdruckes zu Derendigen in der Nähe Tübin¬ gens, wo er 1586 starb. Leider war unterdessen den 27. Decem¬ ber 1564 Freiherr von Ungnad gestorben, welcher am Todtcn- bette noch seiner ihm bald im Tode folgenden Gemahlin die slavische Druckerei als „seinen Schatz" empfahl. Ungnad wußte dieser Anstalt Beiträge von deutschen Fürsten und dem Könige Maximilian (späterem Kaiser Maximilian II.) zu erwirken, sowie er etwaige Abgänge großinüthig aus Eigenem bestritt. Außer Trubar waren nämlich alle Übersetzer besoldet, weßhalb sie auch schvn im nächsten Jahre abzogcn, nur Trubar fuhr mit der Über¬ setzung und Herausgabe slovenischer Drucke bis au sein Lebens¬ ende (1586) fort. So war er 36 Jahre schriftstellerisch thütig und hatte in dieser Zeit 18 Schriften, außer Abecedarien durchwegs religiösen Inhaltes, zum Drucke befördert. In der Heimat waren thätig: LukeL Klinec und Janez Schweiger als Verfasser von Kirchenliedern, TulSöak als Heraus¬ geber eines Gebetbuches (Laibach 1579), so wie Trubar's Gehülfe iu Laibach, seit 1565 Superintendent Sebastian Krel als Über¬ setzer von Spangenberg's Postille, die zuerst 1567 in Regensburg, später aber sammt dem 2. Theile 1578 zn Laibach gedruckt wurde. Krel war 1538 in Krain geboren, studierte in 128 Jena und Tübingen, besaß ausgezeichnete Kenntnisse im Griechischen und Lateinischen, in der Theologie und anderen Wissenschaften, und bekundete als slowenischer Schriftsteller in sprachlicher Beziehung einen Fortschritt gegen Trubar, welcher sich beim Übersetzen aus dem Deutschen zum Gebrauche des Artikels verleiten ließ, doch starb dieser begabte Mann leider schon den 25. Deeember 1567 noch nicht 30 Jahre alt. In Kärnthen gab der Historiograph Hieronynzus Megiser (starb l6I6) ein Diatioiiariaiu cpuataor liu- Aaaimna Otzumauieaa, Imtiuas, Illni-iaas Home vuIZo Lolavouiea appkllatai- Italiaoas zu Graz 1592 (2. Auflage 1744) heraus. Die bedeutendste Leistung des Protestantismus ist aber die Übersetzung der ganzen heiligen Schrift von Juri Dalmatin, dessen Lebensumstände uns nur dürftig bekannt sind., Dalmatin wurde zu Gnrkfeld in Unterkrain geboren, studierte an der Universität Tübingen, wo er den Grad eines Magisters der Philosophie erwarb; wurde evangelischer Prediger der Landschaft Krain in Laibach, welche Stelle er mit wenigen Unterbrechungen bis an sein Lebensende (starb 1589) bekleidete. Nur einmal mußte er, von den Katholischen verfolgt, in einer gewölbten Kammer unter dem Pferdestalle des Schlosses Auersperg seine Zuflucht suchen. Die Bibel hat er, wie er sich selbst ausdrückt „aus den Brunn- guellen der Originalsprachcn transferiert." Dvch mit der Druck¬ legung hatte es seine besonderen Schwierigkeiten, da man dein Laibacher Drucker es verbot und ihn schließlich gar aus dem Lande jagte. Die Landschaft Krain forderte nun die Stände Steiermarks und Kärnthens zur Beitragsleistung für die nicht unbedeutenden Druckkosten auf, weshalb noch zuvor eine Ver¬ sammlung slovenischer Philologen und Theologen aus den drei Kronländern zu Laibach abgehalten wurde. Diese beauftragte den gelehrten Nector der ständischen Schule in Laibach Adam Bohorich 129 gleichfalls Magister der Philosophie, mit der Abfassung einer slovenischen Grammatik, nach welcher erst die Bibelübersetzung richtig gestellt und gedruckt werden sollte. Im Frühjahre 1583 reisten die beiden Gelehrten auf Kosten der innerösterreichischen Stände nach Wittenberg, wo Hanns Krafft's Erben den Druck übernahmen. Bohoriü' Grammatik erschien in lateinischer Sprache unter dein Titel L.r6tioa6 llorulas etc!., die ganze heilige Schrift aber als Uilllia, tu ja V8S svotn Uisrau . . . tolwaävNÄ slruÄ llnria Dalmatinu in Folio auf großem Median-Papier mit schönen Holzschnitten und der Widmung „den drei Ländern Steiermark, Kärnthen und Kram," beides zu Neujahr 1584. Bezüglich der Sprache äußerte sich schon Dalmatin in seinem 1578 zu Laibach erschienenen slovenischen Pentateuch, daß er die richtige slowenische Sprache (pravi illoveni-lli jorüll) im Gegensätze zu Trubar's germanisierender Manier schreibe, welche nicht allein die „Krainer, Untersteierer, Karner (Käruthner), sondern auch Krobaten, Wesiaken (Bezjaki sind die Bewohner des Kreuzer-, Warasdiner- und Agramer-Cvmitates in Kroatien, welcher Dialect heutzutage die llajkavLÄna genannt wird und slovenischen Ursprunges ist) Mer- reicher, Karstner u. a." verstehen. Diesen protestantischen Theil der I. Periode beschließt Trubar's zweiter Sohn Felicjan, Magister der Philosophie und seit 1580 deutscher Prediger in der Landschaftskirche zu Laibach, nachher Pfarrer zu Grünthal in Würtcmberg, indem er im Jahre 1595 die von seinem Vater noch herrührende Übersetzung der Hauspostille Luthers, so wie die 2. Ausgabe eines slovenischen „Betbüchlein's" zum Drucke (Tübingen 1595) beförderte. An poetischen Leistungen der Protestanten wären neben Kirchen¬ liedern etwa noch „Schmählieder auf die katholische Klcrisey" zu verzeichnen, über welche sich der Bischof von Laibach beschwerte, 130 Die slovenische Literatur. daß sie der vvn Trubar mitgebrachte Buchdrucker ediere. Für letztere entschädigte« sich die Katholiken ebenfalls durch Schinählieder au ckuri Lolüls, (Georg das Roß), mit welcher schmeichelhaften Benennung sie einen der evangelischen Prediger, wahrscheinlich cknri ckariöiö, nach Anderen cknri Dalmatin anszeichncten. Ein hartes Schicksal traf diese erste und viel versprechende literarische Thätigkeit. Die katholische „Reformations-Commission" mit der Unterdrückung des Protestantismus und Wiederbelebung des Katholicismus betraut, spürte emsig nach diesen Büchern, um sie nach der Sitte jener eisernen Zeit haufenweise den Flammen zu überliefern. Die darauf folgende katholische Ära brauchte aber zwei Jahrhunderte, bis sie durch ihre spärliche Thätigkeit einen vollgütigen Ersatz für den vertilgten literarischen Schatz mit der Übersetzung der ganzen heiligen Schrift zu schaffen vermochte. Zuerst haben wir am Anfänge des XVII. Jahrhunderts eigentlich außer dem religiösen Gebiete ein VoLaboInrio Italiano a Lotüavo (Udine 1607). von Gregor Alasia da Sommaripa, einem Priester des Serviten-Ordens, zu verzeichnen. Die rührigste katholisch reformatorische Thätigkeit entwickelte TomaL Hren (Chrön), Domherr an Stelle Trnbar's und seit 1597 Bischof vvn Laibach. Er war als Sohn eines Laibacher Rathsherrn 1560 daselbst geboren, kam zu seinem Oheim, einem Doctvr der Rechte und Regiernngsrath in Graz, Gaspar Sitnik, welcher ihn an der Wiener Academie studieren ließ. Nach absolvierter Philosophie war er eben im Begriffe nach Italien abzureisen, um dort die Rechte zu studieren, als ihn eine heftige Krankheit befiel, in welcher er gelobte in den geistlichen Stand zu treten. Dies geschah und er wurde 1588 vom Laibachcr Bischöfe ordiniert und nicht lange darauf zum Domherrn ernannt. Mit regem Eifer begann der apostolische Mann an der Bekehrung und Ausrottung 131 der Lutheraner besonders als ausgezeichneter slvvenischer nud dentscher Kanzelredner zn wirken. Doch hier kommt er nur als slvvenischer Schriftsteller recte Übersetzer der Evangelien und Episteln (LvnnASiia. inu i^stnvst Graz 1613) in Betracht, worin er nach Kopitar „Bohoriö's Grammatik strenge befolgte und sogar einige deutsche Wörter des Georg Dalmatin'schen Textes durch gangbare echtkrainerische ersetzte." Weiters versprach er ein II/mso- logioiu Llavienm, an dem er sammelte, als „Gesangbuch auf alle Fest Tag des gesammteu Jahres" herauszugeben, das aber nicht erschien, wie er auch nahe daran war, seiner Residenzstadt Laibach wieder eine Druckerei zu verschaffen. Bischof Hren starb 1630, nachdem er die Gegenreformation in Kram mit Hilfe der Jesuiten vollends dnrchgeführt hatte. Kaum Nenneuswerthes leisteten der Laibacher Dvmdechaut Miha Mikec und ein Priester Adam Skalar (Katechismen und Ähnliches), so wie der Jesuit Janez ()andik. Der verdiente vaterländische Historiker Johann Ludwig Schönlcben, ein geschätzter slvvenischer und deutscher Kanzelredner (geboren zu Laibach 1618, starb daselbst am 15. Octvber 1681) besorgte in slvvenischer Sprache nur eine zweite Ausgabe vvn Hren's LvanAsUn, die er mit Kirchenliedern vermehrte. Im Jahre 1678 beriefen auf seine Verwendung die Stände Krain's einen Buchdrucker I. B. Mayer ans Salzburg nach Laibach. Ein fruchtbarer Schriftsteller war Matija Kastelec, Pfarrer zil Töplitz, später Canonicus der Prvpstei Rndolfswerth. Dieser war in Jnner-Krain zu Kelnberg (Klenik) an der Poik unweit Prem 1620 gebvrcn, stammte demnach aus einer vvn uichtslavischen Nachbarn entfernten Gegend, weshalb seine Schriften sprachlich Ziemlich gut sind, obgleich sie deutlich verrathen, daß er nie Bohoriö' Grammatik zu Gesichte bekommen. Seine Schriften, durchwegs religiösen Inhaltes, sind schon mehr snr's Volk berechnet. 132 Die slovenische Literatur. Handschriftlich hinterließ er ein „krainerisch-deutsch-lateinisches Wörterbuch" und ein „Diotiormriunr Ontino-Oarniolicnma^. Nach Valvasor soll er eine druckfertige Handschrift der heiligen Schrift hinterlassen haben, dies dürfte aber nur ein Auszug gewesen sein. Der berühmte J. V. Valvasor Freiherr zu Galleneck re. (geboren 1641, starb 1693)" schrieb zwar nicht slovenisch, doch enthalten seine reichhaltigen Schriften, besonders dessen Hauptwerk „Ehre des Herzogthums Kram (Laibach 1689. 4 Bände)", das er mit Auf¬ opferung seines Vermögens zu Stande brachte, nicht nur slove¬ nische Orts-Benennungen, sondern auch manche Kram eigen- thümliche Gebräuche im slowenischen Originale, so wie ein slv- venisches Gedicht von Josef Zizenöeli (P. Marko Pohlin nennt ihn Sisenthal!), so daß ihn auch eine slovenische Literatur unmöglich ganz umgehen kann. .1 NNW Ivrstllilc oä LV. LriLn — Joannes Baptista a St. Crnce, gebürtig aus Wippach in Jnner-Krain und Pater Rogerius, gebürtig aus Laibach, wären als zwei Prediger vom Rufe in der Art eines Abraham a St. Clara zu erwähnen, beide Capuciner, von denen ersterer 5 Bünde (8aarum proptuarium re.. Venedig und Laibach 1691—1707) letzterer 2 Bände (kalumrirmr smp/rsuni re., Klagenfurt und Laibach 1731—1743) edierte. Ein anderer Capuciner Pater Hippolyt aus Rndolfswerth stand 1715 eben im Begriffe eine slovenische Grammatik zu ver¬ fassen, als ihm der Buchdrucker den Bohoriü brachte, welchen er dann verstümmelt (Laibach 1715) herausgab, ohne denselben zu nennen. Hippolyt übersetzte den Hampis und I^omenslr^'s Orbis piatus, wovon letztere Schrift im Manuscripte blieb, wie sein Oiotionarium triliiiAus. Ahac StrÄnar, der bischöfliche Vicar zu Oberburg, edierte (Graz 1729) ganz unpvetische Kirchenlieder, die er, sonderbar genug, zuerst lateinisch, dann deutsch und zuletzt slovenisch geschrieben Die slovenische Literatur. 133 hatte. Diese elende Reimerei, wovon noch zu Laibach 1730 die Ablaßlieder erschienen, sollte die weltlichen Volkslieder verdrängen Helsen! Von den Predigten des Jesuiten Jernej Basar schreibt Kopitar, daß er „wohl richtig schrieb, wie er sprach, aber nicht schulgerecht sprach.". Die beiden Pfarrer P. Fr. Klapse und F. M. Paglovec (geboren im Jahre 1679, gestorben zn Stein in Obcr-Krain 1759) schrieben katholische Belehrungsbücher, von denen sich letzterer in seinem „heiligen Kriege" (svatu vojska, 1747) unter anderem Verdienste um die Verbesserung der Gramma- tikal-Orthographie erworben hatte. In diese Epoche und zwar zu Beginn des XVII. Jahr¬ hunderts fallen auch die ersten bisher bekannten Drucke per ungarischen Slovenen, genannt Urskmuroi d. h. die jenseits der Mur wohnenden, die sonderbarer Weise heutzutage noch ihren Dialect mit ungarischer Orthographie und auch im Geiste der Ungarn cultivieren, da sie die ungarische Volksschule, der Clerns und die boutu HunAuriu als willkommene Beute von der Geistesbewegung der Stammesbruder geschickt abzuhalten verstand. Diese wären: ein Katechismus von Fr. Temlin aus dem Jahre 1715, eine „Seligkeitsordnung" (Uüä nvoliosans/Uvu) vom Jahre 1747 und ein „Lehrbegriff der katholischen Glaubenslehre" (Vooro Kr.-ntan- 82ko kratki nävuki) vom Jahre 1754, alle drei in Halle gedruckt Diese erste Periode, welche zn Tübingen mit weitreichenden Hoffnungen einer alle Süd-Slaven umfassenden Thätigkeit be¬ gonnen hatte, schließt also mit dem Verfalle der literarischen Thätigkeit und der Schriftsprache, deren sich nur mehr einzelne Geistliche znr Festigung des Kathvlicismns bedienten, ohne Rücksicht auf die sprachlich gediegeneren Schriften der Protestanten, die sie uns Glanbenseifer mieden. 134 Die slovenische Literatur. II. Periode. V o n P o h li n b i s z n IN E r s ch e i n e n v o n Bleiw e i s' id7o vi L s. (1768—1843) Die zweite Periode beginnen wir mit einem Manne, der als geborener Städter, weder in seiner Jugend noch spater durch seinen Bildungsgang je Gelegenheit gehabt hatte, die unverdorbene Sprache des sloveuischeu Volkes kennen zu lernen, bei alledem aber ein fruchtbarer slovenischer Schriftsteller wurde, der nicht nur durch seine zahlreichen Schriften die Leselust seiner Landsleute weckte, sondern auch fähige jüngere Kräfte heranzog. Letztere veranlaßte er durch seine willkürlichen Neuerungen zum selbständigen Nach¬ denken, wie er durch seine verdorbene Sprache in weiteren Kreisen Widerspruch hervvrrief und dadurch einen rascheren Entwicklungs¬ gang der Sprache und ihres Studiums herbeisührte. Dieser Manu war Marko Pohlin als Augustiner?. Marcus a St. Antonio Paduano genannt, geboren zu Laibach 1735, studierte am Jesuiten- gymnasinm daselbst, trat 1755 in den Discalceaten-Orden der Augustiner, war bis 1775 Prediger in Laibach, von da an Magister der studierenden Cleriker in Wien, 1781 Subprior des Convents in Laibach, 1784 Provincial-Secretär, 1791 Subprior in Wien und seit 1784 Novizenmeister im Kloster Mariabrunn bei Wien, wo er 1801 verschied. Von seinen 24 Druckschriften, neben welchen noch ein bedeutender handschriftlicher Nachlaß existiert, sei vor Allem der Lra^imllu Oraminatilla (Krainische recte slvvenische Grammatik. Laibach 1768) gedacht, von welcher Kopitar sagt: „Pohlin glaubte wagen zu können, den BohoriL und seinen Epito- mator gänzlich zu ignorieren, und sich für den ersten Krainischeu Grammatiker auszugeben. Wohl sieht sein Werk wie ein erster roher Versuch aus, ohne Spur einer Bekanntschaft mit den bcnach- Die slovenische Literatur. 135 barten Dialecten, ohne Spur von philosophisch-grammatischem Geiste!" Und doch erlebte seine Grammatik zwei Auflagen (2. Anfl. 1783), die beide vergriffen wurden; ein Beweis des dringenden Bedürfnisses eines solchen Werkes. Dieses veranlaßte fast alle folgenden Schriftsteller slovenische Grammatiken zu schreiben. Doch des Paters grammatikalische und lexikalische Neuerungen, letztere besonders in seinem parvuna clicüioirru-iuiu triliuAuo (Laibach 1782) — für alle Zukunft unschädlich zu machen, war es Kopitar Vor¬ behalten, welcher es in seiner 1808 erschienenen Grammatik desto gründlicher that. Neben den beiden sprachwissenschaftlichen Werken verdienen die Ulsuuios als erste Sammlung gelehrter weltlicher Dichtung genannt zu werden. Von diesen erschien in den Jahren 1779 und 1780 je ein Bändchen zu Laibach, womit das Unternehmen trotz weiterer Beiträge wieder aufhörte. Metrische Versuche hiezu hatten Martin Nagliö, Janez Miheliö, Valentin Vodnik, Anton Felix Dcv geliefert. Letzterer als Augustiner Johannes Damaseenus genannt, war Professor der Philosophie und Theologie in Laibach und ein warmer Liebhaber der vaterländischen Dichtkunst, in deren „Spielen und Tonen er Linderungsmittel wider die Schmerzen suchte, die seinen kranken Körper häufig heimsuchten" (er starb 1786). Bon Dev erschien hier unter anderen die erste slovenische Oper „Ueliu". Die übrigen gedruckten Werke Pohlin's sind größtentheils religiösen Inhaltes, weshalb nur noch seine Sammlung von Räthselu (IlFnnlla. Laibach 1788) erwähnt werden möge. Handschriftlich hinterließ er unter anderen eine „kurzgefaßte chronologische Beschreibung denkwürdigster Begebenheiten, wie immer das hoch- löbliche Herzogthnm Kram betreffend" (Lruujslln Iri-ouilm llruLsAo popisuvuiriu spominu uroäuooll roöi, lratirs so so llaclog na slavouslli -imulji xsi-Aoäilo) und die lateinisch geschriebene Lllllio- tlmou Oaruioliuo, ein bibliographisches Lexicon aller Schriftsteller 136 Krams (herausgegebeu vvni histvr. Vereine für Kram 1862), womit er sich bleibende Verdienste um sein Vaterland erwarb. Das regere geistige Leben der josephinischen Zeit rief für die Jahre 1781—1787 die ^.eaäanria Oparosorum Tmlmemmiuiü wieder ins Leben. Hier fanden sich neben Pohlin jene Männer ein, welche durch ihn angeregt die eigentlichen Wiederhersteller der slowenischen Literatur wurden. Sv Graf Edling, Blas Kumerdej, Juri Japelj, der schon genannte Anton Felix Dev und Anton Linhart. Johann Nep. Graf von Edling, geboren zu Heidenschaft (Ajdovima) im Gvrzischen, Director der Academie der Opcrosen in Laibach und Mitglied der Arcadier zu Gvrz, ein besonders um das vaterländische Schulwesen verdienter Mann gab Schul- und Methvdeubücher in slowenischer und deutscher Sprache (Wien und Laibach 1777—79) heraus und betheiligte sich an den Pisanice. BlaL Kumerdej zu Veldes in Oberkrain 1744 geboren, war ein feingebildeter Mann, der verschiedene wichtige Schulämter in seinem Vaterlande bekleidete. Durch seine und seines Freundes Japelj Bemühungen wurde in die slowenischen Literatur-Erzeugnisse ein besserer Geschmack eingeführt. Kumerdej legte den Academikern einen „Versuch über die krainerische Rechtschreibung" (Mannscript vom Jahre 1779) zur Beurtheilnng vor. Er arbeitete rastlos an einer vergleichenden Grammatik der slavischen Sprachen, welche aus unbekannten Gründen mit dem Imprimatur von 1793 im Manuscripte liegen blieb, wie sein krainisch-deutsches Lexicon. Sein Freund und Altersgenosse Juri Japelj, im Städtchen Stein in Oberkrain geboren, durchlief als Geistlicher die ver¬ schiedenen Ehrenstufeu nnd Würden zu Laibach und Klagenfurt, wo er als Divcesau-Schulenvberaufseher und Domherr des BiS- thums Gurk, noch am Todtcnbette zu Bischöfe von Triest ernannt, Die slevemsche Literatur. 137 im Jahre 1807 verschied. Japelj war ein eifriger Slavist, der eine nicht gemeine Kenntniß seiner Muttersprache besaß und sich als eigentlicher Urheber der neuen katholischen Bibelübersetzung bleibende Verdienste erworben hatte. Auch er hinterließ eine „slavische Sprachlehre", ebenfalls schon mit dem Imprimatur (von 1807), deren Druck mir fein plötzlicher Tod verhinderte. Bvhoriü' ^rotiaas Iioi-ulau hatte er cvmmentiert und die ersten wirklich gelungenen Übersetzungen von Kirchenliedern geliefert, wo¬ von etliche heutzutage noch gesungen werden. Leider sind seine metrischen Übersetzungen aus Mendelssohn, Gellert, Kleist, Hage¬ dorn, Metastasio re. größtentheils im Manuscripte geblieben. Sein Hauptverdienst liegt, wie gesagt, in der Übersetzung der gestammten heiligen Schrift, wovon er das neue Testament schon 1784 — 8i> mit Kumerdej zum Drucke befördert hatte. Als Mit¬ arbeiter sind zu erwähnen Josef Richer, Modest Schrey, Anton Traven (Traun), Josef Äriujar und Matej Wolf. Die ganze Übersetzung ist eine recht gründliche Arbeit, die jedesmal vor der Drucklegung noch durch eine Deputation revidiert wurde. Grammatikalisch fußt sie auf Bvhoriö. Das ganze Werk erschien in den Jahren 1791 - 1804, das neue Testament in zweiter Auflage, da die frühere unterdessen vergriffen wurde. Kopitar erklärte im Jahre 1808 diese zweite Auflage des neuen Testamentes für das „correcteste" sloveuische Buch. Unter den Schriftstellern, welche sich Pohlin's verdorbener Sprache widersetzten, muß zuerst des bedeutend älteren J. X. V. Pvpoviä (geboren 1705 bei Studeniz in Untersteiermark) eines „genialen Sonderlings und kenntnißreichen Autodidakten" gedacht werden, welcher sowohl BvhoriL als P. Marcus Sprachlehren einer scharfen Kritik unterzog. Doch wohin seine handschriftlichen, grammatischen und lexicalen Arbeiten gekommen, ist unbekannt 138 Tis slovenische Literatur. Üafakik schreibt: „PopoviL besaß eine für seine Zeit seltene, gründ¬ liche nnd ansgebreitete Kenntnis; der gerinnnischcn und slawischen Dialecte. Seine Verdienste um die deutsche Sprachwissenschaft sind selbst von neuern deutschen Sprachforschern anerkannt. Nicht so glücklich war er in der Realisierung seiner weit aussehenden Pläne in Bezug auf die slavische Muttersprache. Die Unempfäng¬ lichkeit seiner, ihn zunächst umgebenden Zeitgenossen für seine neuen, kühnen, hohen Ideen, die dürftigen Umstände, in denen er lebte, und die literarische Vereinsamung, welche die natürliche Folge von jenen beiden war, sind wohl Schuld daran, daß er für die slavische Literatur, wie ein grünender Baum, voll der schönsten Blüthen, nach einem heißen dürren Sommer ohne Früchte untergieng." Nach vielen Wandlungen wurde Popoviü an der Wiener Universität öffentlicher Lehrer der deutschen Beredsam¬ keit, verlebte aber seine letzten Jahre zurückgezogen im Markt¬ flecken Petersdorf bei Wien, wo er im Jahre 1774 starb. In Steiermark traten Fr. A. Gorjup, Commissür zu Neukirchen unweit Cilli in seinen Homilien (OirUovun Isjtu. 1770) und der Jesuit Josef Hazel aus der Cillier Gegend nnd slovenischer Prediger in Laibach in seinen Fastenpredigten (8veti xost. 1770) wider die kanderwälsche Schreibweise Pohlin's auf, doch weniger ent¬ schieden als der Kärnthuer Jesuit Oswald Gutsmauu (geboren 1727, gestorben 1790), ein kenntnißreicher und wackerer Mann. Guts- maun gab im Jahre 1777 eine „Windische Sprachlehre" zn Klagenfurt heraus, wovon Urban Jarnik im Jahre 1829 die 6. Auflage besorgte. (Dieses Werk brachte zuerst statt der uuuöthigen lateinischen Casus Vocativ und Ablativ die dem Slavischen eigenen Casus Local und Instrumental.) Sein deutsch- windisches Wörterbuch vom Jahre 1789 blieb bis auf Murko am brauchbarsten. Selbstverständlich fand Pohlin's Schreibweise noch Die slovenische Literatur. I3S immer Genossen unter seinen nächsten Landsleuten, so an Max Redeskini, den beiden Tanfsrern, Jnnoeenz und Franz, Anton Conti und PH. I. RepeL, welcher im Jahre 1770 2 Bändchen Wallfahrtslicder (Romarslrn dlnZu) herausgab. Die im Wallfahrts¬ büchlein tItoiuai'8lL6 bulvviaa. Udine 1775) erschienenen Lieder sind „roh in Schreibung, Sprache nnd Poesie". Im Jahre 1790 gab der vaterländische Historiker Anton Linhart (geboren zu Nad- mannsdorf 1756, gestorben 1795 als k. k. Secretär der Landes- hauptmaunschaft in Krain) die beiden ersten slovenischen Lust¬ spiele: Xuxanovn Mailca (die Marie des Dorfschulzen) und Veseli cluu (Ein fröhlicher Tag), frei bearbeitet nach fremden Mustern heraus, nachdem beide zugleich mit großem Beifalle anf- geführt worden waren. Erwähnt sei noch des Johanu Miheli« Sammlung slovenischer Sprichwörter aus Krain. (Kransslri xre- Kovori, 1780.) Mit Valenti» Vodnik tritt uns der erste slovenische Dichter entgegen. Dieser wurde ain 3. Februar 1758 zu 8iska nächst Laibach von bäuerlichen Eltern geboren. Des 9jührigen Knaben nahm sich dessen Onkel Marcel Vodnik, Franciskaner zu Nudvlfs- werth, an, der ihn für's Gymnasium vorbereitete, welches er in den Jahren 1770—75 bei den Jesuiten zu Laibach absolvierte, wonach ihn „Grillen" in's Kloster zu deu Franciskanern trieben. Vodnik wurde Ordenspriester, aber schon 1784 vom Laibacher Bischvfe Carl von Herberstein säcularisiert. Im Jahre 1793 kam er als Caplan nach Koprivnik in der Wochcin, wo er mit dem Mücen Kraiu's Sigmund Freiherrn von Zvis bekannt wurde, der ihm von da an „Freund, Rathgeber und großmüthiger Beschützer ward". In der großartigen Natur Oberkrains entfaltete sich sein dichterischer Genius, obgleich seine Erstlinge schon in den Pisanice erklangen, wozu ihn Pohlin aufgemuntert hatte. In 140 Die slovenische Literatur. den Jahren 1795—97 gab er auf Zureden Zois' und Linhart's rinen slovenischeu Kalender mit belehrenden Aussätzen für das Volk, seit 1797 bis 1801 (zuerst als Caplan an der Stadt¬ pfarre St. Jacob in Laibach, seit 1798 als Professor der Poetik am Laibacher Gymnasium) die erste politische Zeitschrift in slovenischer Sprache die Ichndlsainüce Movies (Laibacher Neuig¬ keiten) heraus, welche die beiden ersten Jahre zweimal, das dritte und vierte nur einmal wöchentlich erschienen. Im Jahre 1806 gab er auf Zureden der Freunde die erste Sammlung seiner Gedichte als „poetische Versuche" (iOesinm rm pokušnjo) heraus, welche mit entschiedenem Beifalle ausgenommen wurde. Nach Ein¬ führung des neuen Studieuplanes für Gymnasien erhielt er die Professur für Geographie und Geschichte, die ihm zu einem in deutscher Sprache abgefaßten „Lehrbuche der Geschichte des Herzog- thums Kram" Anlaß gab. In den Kümpfen gegen Napoleon wußte er seine Landsleute durch „Wehrmannslieder" (kasmi rm bramdovos. 1809) zu begeistern, welche er frei nach den Wehr- maunsliederu Collin's gedichtet hatte. Durch den Wiener Frieden (1809) wurde Kram an Frankreich abgetreten und Laibach zur Hauptstadt der illyrischen Provinzen erhoben, wo Vodnik, der des Italienischen und Französischen mächtig war, zum Director der lateinischen uud der Kunst- und Gewerbeschulen bestellt wurde. In dieser Stellung übersetzte er zum Schulgebrauchc Lhomond's französische Grammatik in's Slovenische und verfaßte für die Volks¬ schulen eine slovenische Grammatik (1811). Darin ließ er, wegen Einführung der slovenischeu Sprache in die Schulen, das schöne Gedicht Iliiifn «Livljona (das wiederbelebte Illyrien), welches Napoleon feierte, abdrncken, was ihm in der Folgezeit die öster¬ reichische Regierung so übel nahm und Vodnik vergeblich durch seine Ilii-iju nvoliüuna - kraLevati ilirsko nareöjo i n oboa slovenski gUK 1848). Er schrieb eine russische Grammatik für die Slovenen und gab auch eine Zeitschrift Llavjan (der Slave) mit künstlicher allgemein slavischer Mischsprache heraus, die aber bald cinging. Unter den Anhängern 154 Die slovenische Literatur. dieser Richtung war der bedeutendste Radoslav Razlag mit dem Almanache 2ora (die Morgenröthe) und ZvWäios (die Sternlein), kehrte aber bald wieder zur reiu slowenischen Schriftsprache zurück. Mit seiner allgemein beliebten Rosyrarioa, einer Sammlung der schönsten und gangbarsten Lieder aller slavischen Stämme, hatte er ungleich bessere Erfolge in Bezug auf die slavische Wechselseitigkeit errungen. Die Rrollraurci oder ungarischen Slovenen weisen in dieser Zeitperiode einen Stevan Küzmiö und Josef Tvrkos im XVIII. Jahr¬ hundert, einen Mihal Barta, Juri Cipot und Ivan Kardo« im Anfänge des XIX. Jahrhunderts als protestantische, MikloZ Küzmiö im XVIII. Jahrhunderte, Josef KoZiö und Jakob Sabar im XIX. Jahrhundert als katholische religiöse Schriftsteller und an Kunst-Poesie nur religiöse Liederbüchlein auf. Ko8iö schrieb eine „ungarische Grammatik" (Xratlli navull VoZors^lloM gs^La 1833) nach Szalay, ferner den „aufgeklärten Slovenen zwischen der Mur und Rab" (Zodrisruuri Llovou rvocl Nurov in Radov) und die Begebenheiten des Königreiches Ungarn l^Aoädo voZorW- lloKa lrraljssiitva 1848). Diese zweites Periode bekundet nach dem tiefen Verfalle, in welchem sich die gesummte literarische Thätigkeit bei deren Beginne befand, einen nicht zu unterschätzenden Fortschritt, besonders in Bezug auf Sprache und Poesie. In wissenschaftlichen Werken bediente man sich zwar noch der lateinischen und deutschen Cultur- sprache, doch waren schon verschiedene Schriften populärwissen¬ schaftlichen Inhaltes zu verzeichnen. Die slovenische Literatur. 155 III. Periode, Vom Jahre 1843 bis zur Gegenwart. Die dritte eigentlich nationale Litcraturpcrivde beginnt mit der verdienstvollen Thütigkeit des Dr. Janez Bleiweis und reicht in die Gegenwart, wo das geistige Leben immer tiefer in alle Gesellschaftsclassen dringt, im Kampfe um die uns so hartnäckig verweigerten unveräußerlichen Rechte der Nation. Hier können nur die Haupterscheinungen des literarischen Strebens eine kurze Schilderung finden. Dr. Janez Bleiweis (ursprünglich PlaveL, was weder Amt noch Schule mit ihrem deutschen Schriftthum ansdrücken konnte) wurde am 19. November 1808 zu Krainburg als ältester Sohn eines wohlhabenden Handelsmannes und gewesenen slovenischen Bauers geboren. Die Gymnasialstudien machte er in Laibach, worauf er die Universität zu Wien bezog und dort 1732 im 24. Lebensjahre zum Doctor der Medicin promovierte. Behufs weiterer Ausbildung blieb er noch 11 Jahre in Wien, widmete sich der Thicrheilkunde am dortigen Thierarznei-Jnstitute und gab 1836 in deutscher Sprache das „praktische Heilverfahren bei den gewöhnlichen innerlichen Krankheiten des Pferdes" heraus, welches seinen Ruf unter Fachgelehrten begründete. 1843 wurde er zum Professor an der chirurgischen Lehranstalt zu Laibach ernannt, in welchem Jahre ihn auch die Landwirthschafts-Gescllschaft zu ihrem Secretär wählte. Nach längeren Bemühungen gelang es der Gesellschaft, diesmal auf Fürsprache des Erzherzogs Johann, die Concession zur Herausgabe einer slovenischen Zeitschrift zu erlangen. Die Redactivn erhielt der Secretär Bleiweis und das erste Blatt „Kmetijsko in rokoäelske novioe (Landwirthschaftliche und indu¬ strielle Neuigkeiten) erschien am 5. Jnli l843 zu Laibach. Bleiweis 156 Die slovemsche Literatur. war aber auch mit seinen Kenntnissen, wie kein zweiter, befähigt, Führer und Rathgeber einer in seiner Masse Ackerbau und Vieh¬ zucht treibenden Bevölkerung zu werden, was er auch bis auf den heutigen Tag nicht nur durch die ibiovios, sondern auch eine nicht unbedeutende Anzahl praktischer Schriften geblieben ist. Namentlich möge nur seines mit Dr. Strupi (nachherigen Professors der medicinischen Faenltät in Prag) gemeinschaftlich herausgegebenen Hauptwerkes über die gesummte Thierheilknnde (ÄviucmckruvuiKtvo) in 5 Theilen gedacht werden, als eines vom wissenschaftlichen Stand¬ punkte bedeutenden Werkes. Wie eine Menge anderer Schriften erschien auch dieses Werk mehrere Jahre hindurch als Beilage der Movies, was wenigstens den Vvrtheil hatte, daß es wirklich in die Hände des Volkes gelangte. Nie hätten aber diese landwirthschaftlichen und industriellen b7ovioa ihre thatsächliche Bedeutung erlangt, hätte es nicht Dr. Bleiweis verstanden, dem Bildungsbedürfnisse der Nation durch Ausnahme alles Wissenswerthen entgegen zu kommen. So wurde aber dieses einzige Organ zum Mittelpunkt der gesummten schriftstellerisch thätigen Welt der Nation, indem es geschichtliche, alter- thumsuüssenschaftliche, juridische, naturwissenschaftliche, cultur- und literaturgeschichtliche re. Aufsätze, doch Alles in Bezug auf die von den Slovenen bewohnten Kronländer anfuahm, und so bis auf den heutigen Tag die beste Chronik dieses Vvlksstammes bildet, unentbehrlich für den Cultur- wie Literarhistoriker. Zwar haben den ^oviao andere Blätter schon längst den ersten Rang abgelaufen, doch ihre Tendenz ist bis auf den heutigen Tag die nämliche geblieben, wobei sich nur die Verhältnisse geändert haben, daß ein einzelnes Blatt solchen Anforderungen schon längst nicht mehr zu entsprechen im Stande ist. Das slovemsche Volk hatte diesen auch auf anderen Gebieten verdienstvollen Mann vor allen andern durch Ehrengeschenke ausgezeichnet. Zu seinem 70. Geburtstage Die slovemsche Literatur. 157 im Jahre 1878 ernannten ihn nicht nur alle National-Vereine zum Ehrenmitgliede, sondern auch nahezu 150 Gemeinden zu ihren: Ehrenbürger. Die gesummte Nation verehrt in ihm den xator Mti-ias (oüs 8Iov6U6ov, Vater der Slovenen!). Die vorzüglichsten Schriftsteller dieser Zeit und zugleich Mit¬ arbeiter der Uovioo waren: Matija Vrtovec (1784—1851), Janez Zalokar (1792—1872), Dr. Orel, Fideli Trpinec (Präsident der landwirthschaftlichen Gesellschaft in Kram) als landwirthschaftliche Schriftsteller; Mihal Ambros für Juridisches; die beiden Alter- thnmsforscher Davorin Trstenjak (geboren 1817) und MatevL Ravnikar (PoLenöan II. znm Unterschiede vom älteren dem Triester Bischöfe), der Historiker Peter Hitzinger (1812—1866), der Philvlvge Oroslav Caf (geboren 1814, gestorben zu Pettau 1874), der feurige Slavist Matija Majar, Juri Kosmaö («799, f 1872), Bischof Slomšek, Anton MaLgon, Janez Cerer, Mihal Brno, Professor Karol Robida; die Dichter: JoLef Žemlja (Krajniöan, starb noch im Jahre 1843), BlaL Potoönik (1799—1872), Janez Ciglar (1792—1869), Anton Olibau (1824—1860), Anton Žakelj mit dem Dichteruamen Rodoljub Ledinski (f 1868), Jernej Leviöuik (geboren 1808), Andrej Likar (1826— 1865) und der znm größten Rufe gelangte Jovan Vesel Koseski. Dieser wurde 1798 im Dorfe Kosez in der Nähe Laibachs geboren, absolvierte hier das Gymnasium und in Wien die Rechte, ging in den Staats¬ dienst, wurde Finanzrath, und lebt als solcher in Pension zu Triest. Koseski ist Zeitgenosse PresLrn's; sein erstes Gedicht, ein Sonett, erschien 1817 im „Laibacher Wochenblatt," doch seine Hauptthätigkeit schließt sich an die Uovioe, denen auch gelungene Gedichte willkommen waren. Seinen Ruf als der beste Dichter der Slovenen, den man lange Zeit selbst über Presorn stellen zu dürfen glaubte, begründete sein herrliches Gedicht Llovsnija aaru 158 Die slovenische Literatur. 1?6räinanäu (Slovenim dem Kaiser Ferdinand), das 1844 bei Ankunft des Kaisers nach Laibach als Beilage der Movies erschien und einen Jubel ob des herrlichen Klanges der Sprache, des hohen dichterischen Schwunges und eines würdevollen nationalen Bewußt¬ seins hervorrief, wie kein zweites mehr unter dem sang- rind liederliebenden Vvlklein der Slovenen. Ein hoher Schwung zeichnete diesen Dichter-Genius ans, doch allzu früh, im Jahre 1852, entschwand sein hehrer Geist in Folge einer zerrüttenden Krankheit, von welcher er wohl nach 4 Jahren wieder genas, weiter dichtete, vor Allem aber klassische Dichtungen der deutschen, italienischen, russischen und altclassischen Literatur übersetzte, doch ohne Schwung und Geist der früheren Periode. Möge sein dichterisches Schaffen, wie er selbst meint, den Boden bereiten, woraus künftige Dichter¬ größen hoch in die Lüfte sich erheben sollten. Der Dichter „der Disharmonie zwischen dem Ideale und dem Leben im Sinnbilde unglücklicher Liebe", der elastisch vollendete PreSürn hatte Nach¬ ahmer in Fülle hervorgerufen, der erhabene poetische Genins der so kurzen ersten Periode Koseski's leider noch keinen! Der jetzige Zustand der von ihren Nachbarn bedrängten Nation dürfte ihre Dichter noch eine geraume Zeit die Pfade des ersteren wandeln heißen! Neben den genannten älteren Schriftstellern als erprobten Kräften bildeten sich an den blovioo immer neue heran. Auch Slomšek hatte einen gewissen Sammelpunkt im Jahre 1846 mit seinem Jahrbuche Drobtinao (Brosamen» geschaffen, welches gediegene Aufsätze in Prosa und Versen brachte. Nun kommt das Jahr 1848 mit seiner Botschaft der Freiheit. Die beliebten iUovios genügen trotz einer Unmasse von Beilagen nicht mehr und es erstehen mit einem Male folgende slovenische Zeitschriften: die 8Iovsuijn .(Slovenim), eine politische Zeitschrift redigiert von Cigale; der 159 Illavi 8Iovouso (der echte Slovcne) zur Belehrung des Volkes redigiert von MalavasiL; der VoäeL (der Kundige), Zeitschrift für die Jugend, herausgegeben von Navratil; die theologische Zeitschrift — Osrllvsoi Lnsopis, redigiert von Pogaöar, alle in Laibach; in Triest vom dortigen slavischen Vereine der 8Iav- sunsbi i-oäoljnll (der slavische Patriot) redigiert von Janez Cerer; in Cilli im Verlage des Buchdruckers Jeretiu die politische Zeit^ schrift 8Iov6us!rs uoviuo (Slovenische Neuigkeiten) redigiert von Professor Konsek. Mit Beginn des Jahres 1850 fand sich die Regierung selbst veranlaßt, ein slovenisches Amtsblatt IstudlgkeimIO öusuilr (Laibacher Zeitung) unter der Redactivn des slovenischeu Dichters und Schriftstellers Potoönik herauszugeben. Doch diese neuen Blätter giengen alle mit der Reaetion nach kaum mehr denn zweijährigem Bestände wieder ein, mit einziger Ausnahme des Ool'IrvSni Lusopis, welcher unter dem geänderten Titel Dnincm (die Morgenrvthe) noch heutzutage forterscheint. Außer den Zeit¬ schriften waren praktische Sprachbücher die begehrteste Ware, doch je kleiner, desto willkommener, so wurde z. B. der in Graz erschienene Ickiti-i 8Iovsn6L (der schnelle Slovene) von Janez Öbelaröek (ein Pseudonym!) nur verschlungen, denn in 8 Tagen mußte er wieder aufgelegt werden! Auch andere sorgten für Grammatiken, doch möge hier nur jener Navratil's Erwähnung geschehen, als eines speciellen Sprachbuches für Beamte. Aus den Stürmen des Jahres 1848 erwuchs den Slovcnen der begeisterte patriotische Dichter Dr. Lovro Toman, in der Folgezeit als Redner im Parlamente der tüchtigste Vertheidiger der nationalen Rechte, deshalb seinerzeit der „Liebling der Slowenen" genannt- Dr. Lovro Toman war am 10. August 1827 zu Kamnagorica in Oberkrain als jüngstes Kind eines angesehenen Gewerksbesitzers geboren. Nach absolviertem Gymnasium zu Lai- 160 bach studierte er während der Freiheitsstürme in Wien die Juris¬ prudenz und edierte im Jahre 1849 seine begeisterten Heimats- ktänge Olusi äoiuoroctm. 1852 promovierte er zum Dvctvr der Rechte, worauf er bei der k. k. Finauz-Procuratur zu Laibach in den Staatsdienst trat. Am 22. September 1853 vermählte er sich mit der Tochter des Herrschaftsbesitzers Thuru bei Krainburg Josipina UrbanüiL, welche sich unter dem Namen Josipina Turno- gradska als sloveuische Schriftstellerin, besonders als Erzählerin verdienten Ruf erwarb. Leider wurde dieses schöne Dichterpaar schon am 1. Juli 1854 durch den Tod Josipina's zerrissen. Sie ruht am St. Leonharder Friedhöfe in Graz. Spätere Lieder Toman's find vielfach ihr geweiht. Nach einiger Zeit erhielt Toman die ueuerrichtcte Advoeatur zu Radmannsdorf in Kram, wo er sich allgemeiner Beliebtheit erfreute, weshalb man ihn gleich mit den ersten Wahlen im Jahre 186 l in's Parlament entsandte, wo er sowohl im Krainer Landtage als im Wiener Reichsrathe als tüchtiger Redner und Patriot bis zu seinem Tode witkte. Er starb am 15. August 1870 in Rodaun bei Wien. Das Unterrichtsministerium übertrug bei der Reorganisation der Gymnasien die Zusammenstellung slovenischer Lesebücher für's Untergymnasium dem Dr. Bleiweis, für's Obergymnasium dem Professor MikloZiö. In diesen Lesebüchern schrieb der größte aller Slavisten auch einige Aufsätze in seiner Muttersprache, wo¬ gegen seine wissenschaftlichen Werke entweder in lateinischer oder deutscher Sprache abgefaßt sind. Der Hofrath Professor Ritter voll Miklosiö (Miklosich nach der Orthographie der am Ende dieses Aufsatzes behandelten sloveuischen Literatur der IrusUuvSLiuu in Kroatien und der Murinsel) ist ein steierischer Slovenc, geb. in RadomerZöak bei Luttenberg im Jahre 1815. Er studierte in Warasdiu, Marburg und Graz, wurde Doctor der Rechte und der Die slowenische Literatur. 161 Philosophie, kam als Beamte au die Hofbibliothek, wo ihn Kopitar für die Statistik gewann und wirkt seit 1849 so segensreich als Professor der slavischen Philologie an der Wiener Universität. Seine bahnbrechende Thätigkeit, wodurch er auch seiner Mutter¬ sprache Gesetze dietierte, die sein scharfer Forsch erblick den vergilbten Papieren altslovenischer Denkmäler enträthsclte, ist aller Welt bekannt. Die Riesenleistung seiner „vergleichenden Grammatik der slavischen Sprachen" in 4 Bänden und seines Lexicons pmlaso- sIovöniao-Ai-ueao-Iatinuin genügte schon allein, ihm den Ehrenplatz unter den Slavistcn zn sichern. Ein stiller und um die slovenische Literatur vielverdienter Alaun war Anton Janemö (1828—1869), Professor in Klagenfurt, der 1851 ein gediegenes deutsch-slovenisches und slovenisch-deutsches Taschen-Wvrterbnch herausgab (2. Auflage von 1867 und 1874), nachdem er schon 1848 eine slovenische Grammatik (Llovenslru ickovnioa) ediert hatte. Er versorgte die studierende Jugend mit den besten sloveuischen Sprach- und Übungsbüchern nebst Chresto¬ mathien für Deutsche und Slovenen, die vielmals neuaufgelegt erschienen. Seit dem Jahre 1850 bis zu seinen: Tode im Jahre 1869 war er unermüdet thätig als Herausgeber belletristischer Schriften, welche unter seiner Nedactivn in mustergiltiger Sprache erschienen. Zuerst begann er 1850 mit den: belletristischen Blatte LiovonUra Löellr (die slovenische Biene), die ihre Fortsetzung unter dein geänderten Titel Llovsnslli (llusnilc (der slovenische Bote) fand. Größere Werke erschienen in seinem 1852 begonnenen 6vmd den Ivraff NatsaL (König Mathias Korvinus) finden wir auch hier vertreten. Außer diesen gibt es eine Menge erotischer und anderer Lieder. Die eigentliche Lebensguelle der Volkspoesie scheint aber bei den Slovenen eben so gut, wie bei den westlichen Cultur-Völkeru schon versiegt- zu sein. Nm den Deutschen einen Begriff von dem poetischen Gehalte slovenischer Volkslieder zu geben, möge nur an die Übertragung der „Volkslieder aus Krain" (Leipzig 1850) von Anastasius Grün verwiesen werden, welche dazumal von einem allen nationalen Bestrebungen aufs Entschiedenste abholden Journale mit folgenden Worten begrüßt wurden: „Ein Volk, dessen poetische Psyche in solcher Verklärung den Deckel ihres Sarges bricht, ist als eine neugewonnene Provinz, als ein neuer Zuwachs an Kraft, Eigen- thümlichkeit und Schönheit im Reiche des menschlichen Fortschrittes und humaner Bildung zu begrüßen." Schließlich muß noch, wenn auch in allerkürzester Weise, die selbständige Literatur-Entwickelung der Slovenen Kroatiens und der Murinsel geschildert werden, um das Bild der literarischen Bestrebungen des gesammten slovenischen Stammes zu vervoll¬ ständigen. Gemeiniglich wird diese Literatur nach dein Laude, iu welchem sie gepflegt wurde, die der kroatischen llasKavSöma genannt. Nun gibt aber die Fragepartikel llrff (was) das allge¬ mein bekannte nationale Kriterium der Slovenen gegenüber dem serbv-kroatischen Zto und La der stolravsäina und öalrnvsLins. ab. Juri Dalmatin nannte im XVI. Jahrhunderte diese Slovenen „Wesiaken", welchen Namen Bezjaki und ihr Land Bezjaäko ihnen heutzutage noch die steierischen Slovenen beizulegen pflegen. Diese Die sloveinsche Literatur. 169 ebenfalls mit dem Protestantismus beginnende bis zum Jllyris- mus der Dreißiger-Jahre unseres Jahrhunderts reichende Literatur hat als eine nunmehr abgestorbene Cultnrerscheinung lediglich sprach¬ wissenschaftlichen Werth, welcher um so höher anzuschlageu ist, da dieser Zweig noch am Besten dem Einflüsse einer europäischen Cultursprache entrückt erscheint, indem ihn, mit Ausnahme des nördlichen ungarischen Gebietes, nach allen Richtungen slavische Nachbarn umgeben. Ihren Anfang nahm sie auf der Mnrinsel Oleäjiinurjo), wo auf Ansuchen Buöiü's die Grafen Zrinjski, die mächtigsten Gönner und Anhänger des Protestantismus zu Nede- lisöe eine Druckerei errichteten, die später nach Warasdin verlegt wurde. Der erste mit Sicherheit nachzuweisende Schriftsteller dieses Idioms war Mihal Buüiö, welcher zwischen den Jahren 1564 bis 1574 protestantische Schriften zum Drucke beförderte. Nur Ivan Prgosiü schrieb, eigentlich übersetzte, fVm-böon/s DripsrtitumXsäs- lisös 1574), in der protestantischen Epoche ein Stück weltlicher Lite¬ ratur, alles übrige war ausschließlich dem religiösen Zwecke des immer weiter um sich greifenden Protestantismus gewidmet. Mit der Aus¬ rottung des Protestantismus hörte auch die literarische Thätigkeit auf, bis sie in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts von katholischer Geistlichkeit wieder aufgegriffen wurde. Nun erschienen außer religiösen Schriften auch einige praktische Werke für das alltägliche Leben. Wissenschaftlichen Werth behalten die lexikalischen Leistungen eines Habdeliü, Belostenec, Äisnik und Jambresiö, welche in dieser Richtung nicht nur die gleichzeitigen, sondern auch manche späteren Leistungen der eigentlich slovenischen Literatur bei weitem übertreffen. Juraj Habdeliö, Jesuit, im Übrigen unbe¬ kannt, edierte seinen Dictiouar sOiationsr ili raöi slovonslro 2 vellssAN nlvnp Löbrrms ns. pomoa mlaäsnesv Ilorvstsüo^s l 8lov6nslroFs usroäs, d. h. Wörterbuch oder sloveni sche Worte 170 größtentheils gesammelt als Beihilfe für die Jünglinge des kroa¬ tischen und slovenischen Volkes) 1670 zu Graz. Ivan Belvstenec geboren 1595 in Kroatien, ein Priester des Paulaner-Ordens, der einen großen Theil seines langen Lebens (er starb 1675 im 80. Lebensjahre!) im Kloster zu Lepoglava zugebracht haben dürfte, schritt mit Bedacht und tüchtiger Vorbereitung an die Abfassung seines 6a?oxb)6aeiuiü's. Er hatte nämlich vorher ganz Kroatien, Slavonien, Dalmatien und Istrien sammt einem Theile der sich daran schließenden Inseln bereist und emsig für sein Wörterbuch gesammelt. Deshalb beendete er den Jllyrisch-lateinischen Theil erst im 58. Jahre seines klösterlichen Lebens, den lateinisch-illy- rischen begann er gar erst in einem Alter von 70 Jahren. Das Werk lag dann 65 Jahre im Manuskript und wurde vom Con¬ vente Lepoglava im Jahre 1740 zu Agram dem Drucke über¬ geben. Der Jesuit Ferenc dülsnik lebte zur Wiederherstellung seiner durch Berufsarbeiten geschwächten Gesundheit in behaglicher literarischer Muße zu Agram und arbeitete, unterstützt von seinem Ordeusgenossen Andras Jambresiü (gebürtig aus Zagorje in Kroatien) an einem Wörterbuche, doch 1739 setzte ein plötzlicher Tod seinem rühmlichen Bemühen ein voreiliges Ende. Das Werk selbst brachte sein Genosse Jambresiö zu Stande, der es unter eigenem Namen 1742 zu Agram unter dem Titel: „Ooxieon latinnm intorpretstiono ilZ-riaa, Asrinaniaa, bunAailea loauplss nebst einem Incksx ill)'ri«o- 8IV6 aroLtioo-Iatinus her¬ ausgab. Außer den ziemlich zahlreichen religiösen Schriften bewegte sich diese Literatur in der zweiten Hälfte des XVIII. und im XIX. Jahrhunderte, als am Beginne des letzteren die Magyaren ihre Sprache den Bewohnern Kroatiens aufzudringen begannen, auch schon auf weltlichem Gebiete, wo als die bedeutendsten Schriftsteller Die slovenische Literatur. 171 MiklouLw und LovrenÄü zu verzeichnen sind. TvmaL Miklvu- siä war 1767 zu Jaska geboren, studierte in Agram und Pest, wurde Geistlicher und Professor der Grammatik am Archigymna- sium zu Agram. Seine Schriften in Prosa und Versen bilden eine stattliche Reihe. Dieser warme Patriot starb 1833. Jakob LovrenÄo geboren zu Agram um das Jahr 1770, war mehrere Jahre Provisor des Grafen Draskovw ans dem Schlosse Trako- stjan und lebte später als Privatier zu Warasdin den Musen und der Beförderung der Nativnalliteratur. Die Prosa seiner Erzählungen ist eine elastische Irajüavsöinu! Genannt zu werden verdienten noch T. Brezovaöki, Mat. Jandriä, Aut. Mihanovu-, Jmbrih Domin und mehrere andere. Ihren letzten Vertreter fand sie an Ignaz Kristianovio, geboren zu Agram 1796, Domherr des Agramer Capitels, der neben zahlreichen religiösen Schriften auch eine Grammatik dieser Mundart, die er die kroatische nennt, in deutscher Sprache (Agram 1837) herausgegeben hatte. Ju der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts stellten sich schon Schriftsteller ein, welche zur reinen ünjünvLLinu die öu- öl stoüuvsöinu mischten, so z. B. Graf Peter Zrinjski (im Jahre 167 l als Majestätsverbrecher zu Wiener-Neustadt enthauptet!) in der nach seinem älteren Bruder Nievlaus aus dem Ungarischen übersetzten Sirene (^.äriansüoKu Llona Lirsun. Venedig 1660) und Pavel Ritter genannt Vitezoviü (geboren 1650 zu Zengg, gestorben 1713 in Wien), ein sehr rühriger und um die Erweckung literarischer Bestrebungen hoch verdienter patriotischer Schriftsteller. Indem man stets auf eine weitere Verbreitung dieser so genannten kroatischen Literatur, deren Centralpnnkt schon längst Agram geworden war, bedacht sein mußte, kann es nicht Wunder nehmen, wenn mit der Jnangurierung des Jllyrismus durch Ljudevit Gaj, die besten Kräfte den schon vor Jahrhunderten von den Ragu- 172 sanern gepflegten südwestlichen Dialect ergriffen, welcher die Serben und Kroaten, obwohl unter der Form einer Doppel-Schrift und eines Doppel-Namens zur Einheit führen sollte. Die gestimmte literarische Thätigkeit des in so viele Provinzen getheilten slovenischen Stammes, deren Zersplitterung nicht nur in den Anfängen, sondern auch in ihrer Entwickelung einen jo natür¬ lichen Ausdruck fand, bot uns leider ein allzugetreues Bild des großen Slaventhums im Kleinen! Die Pflege der Künste und Wissenschaften. Die schönen Künste und Wissenschaften sind der Ausfluß des erhabenen geistigen Strebens und Schaffens einer gereiften, politisch selbständigen und wohlhabenden Nation. Bei den Slovenen ist das Streben zu constatieren. Bi u s i k. Der Kunstsinn äußert sich im Volksgesange, der namentlich von der weiblichen Bevölkerung im hohen Grade gepflegt wird. Der Werth der Leistungen in dieser Richtung ist dort erkenntlich, wo eine gewisse Concurrenz nach Nationalitäten eintritt. Dies ist z. B. der Fall bei Wallfahrten, so namentlich beim sogenannten Achteln am Abende des 14. August in Maria-Zell in Obersteicr, wo die Nationen mehrfach vertreten sind und der slowenische Gesang nach dem Urtheile kundiger Hörer, wie des gewöhnlichen Mannes bisher stets den ersten Rang eingenommen hatte. Die Motive des stets in neuen Formen emporsprießenden Volksgesanges sind von Tondichtern vielfach ausgenützt worden. Von besonderer Wirkung ist der Znsammenklang von Prim- und Secondstimmen, wodurch heimkehreude Arbeiterinnen an herbstlichen Abenden Thal und Flur weithin bezaubern. In Gegenden, wo 174 Tie Pflege der Künste und Wissenschaften. der Gesang vorherrschend von der weiblichen Bevölkerung gepflegt wird, ist vielfach ein Rückgang des weltlichen Liedes zu Guusteu des geistlichen wahrnehmbar. Von volksthümlichen Musikinstru¬ menten ist die fiebenstäbige Syrinx und die Flöte im Gebrauche, beide der Hirten eigenes Fabrikat, die sie nicht selten meisterhaft spielen. Auch die Cyther ist häufig zu finden; sic ist das Tou- werk, auf welchem nach vollendeter Arbeit der tanzenden Jugend auf dem Rasenplatze vor dem Hause die Weisen aufgespielt werden. Übrigens findet sich in jeder Gegend meist auch eine Musikbande mit den modernen Blasinstrumenten, Cymbeln und Pauken; diese besorgen bei Hochzeiten, Primizen und ähnlichen Festlichkeiten die Musik; diese Musik ist freilich oft zweifelhaften Werthes; eine Ausnahme machten aber z. B. die Cagraui bei RadkerSburg in Untersteier, eine Musikbande, die durch mehrere Generationen weithin berühmt war. Von den großen Musikern und Cvmpositenren gehört der sloveniichen Nation Jakob Händl an, der in Krain geboren, sich in Mähren ausbildete und von Kaiser Rudolf au den Hof nach Prag berufen ward, wo er bis zu seinem Tode 1591 blieb; er schrieb sich zu seiner Zeit Gallus, wahrscheinlich hieß er von Haus aus Petelin. Als „trefflicher Musikus und guter Compositeur" wird der Jesuitenpater in Laibach, Nikolaus Dolar erwähnt; von diesem wurden viele Stücke um 1665 in Wien gedruckt. In Görz lebte im XVIII. Jahrhundert ein namhafter Orgelbauer, der Priester Franz KriLman, der unter andern auch die Orgel in Admont gebaut hatte. Mit dein Volksleben inniger verschmolzen sind die jüngeren Tondichter, die durch das Lied zur Belebung des nationalen Wesens nnd Lebens nicht weniger beitrugen, als die Dichter, Redner und Gelehrten. Die hervorragendsten slove- uischen Liedercompositeure sind Casper Masek (st 1873), Camillo 175 Masek und Fleisinan in Laibach, Benjamin Ipavec in Graz, Davorin Jenko in Belgrad; vom letzteren rührt das in der ganzen slavischen Welt gesnngene slvvcnische Lied: Xuproj /ustavo 8Iavs her. Anton Slomšek, Valentin OroLen und M. Vilhar componierten zu vielen ihrer Gedichte auch Melodien; das Lied Lje so möge roLioo von OroLen, Xrost'ubo vosolso von Slomšek, Xa gorisru von Vilhar sind in jeder Hütte bekannt. Vilhar componierte auch die Operette ckamslca Ivanka, Benjamin Ipavce die Operette VicmL und die oratorinmartige Composition Xcko gs mar. Der prodnctivste slvvcnische Tondichter von kirchlichen und aucb schonen weltlichen Liedern war Wohl der Priester Gregor Rihar (geboren 1790 zu Billichgraz, gestorben in Laibach 1863); seine Marienlieder, ebenso einfach als von ergreifender Wirkung, sind berühmt. Als fruchtbare slovenische Liedercompositeure sind weiters .zu nennen Lavoslav Belar, Anton Förster (Böhme), Anton Haidrich (st 1878), Angelik Hribar (Franziskaner), Anton Nedved (Böhme) in Laibach; Gustav Ipavec in St. Georgen bei Cilli, ein Bruder des oben genaunteu Benjamin Ipavec; Josip Kociauciö (st 1878), August Leban (st 1879) in Görz; Leviouik in Ober-Krain; I. Miklosiö in Marburg; Andreas Vavken in Cirklach und andere. Zur Pflege und Verbreitung von guten Compositionen besteht seit 1872 der Verein Alaslmna matic-a in Laibach. Baukunst, Bildhauerei. Insofern der Bau dem praktischen Zwecke diente, haben die Slowenen stets ihre Bedürfnisse nach eigenem Sinn und Geschmack in einfacher Weise selbst versorgt, zu Prachtbauten haben sie es gemäß dem Verlaufe. ihrer Geschichte nicht ge¬ bracht. Dem religiösen Gefühle gaben sie durch Kirchenbauten 176 Ausdruck, wobei ihnen im Stil und vielfach auch in der Ausführung italienische und deutsche Meister maßgebend waren. Dennoch sind auch einzelne einheimische Namen überliefert, die in der Baukunst Bedeutenderes geleistet haben. Aus dem XV. Jahr¬ hundert wird ein gewisser Peter aus Laibach als Baumeister erwähnt, der nebst Matej aus Pola die schöne Muttergottcs-Kirche in Neugrad bei Ceppich in Istrien gebaut hatte. Um diese Zeit baute auch ein Meister Andreas aus Laas (in Krain) die Kirche in Pvnigl im Görzischen. In Udine hatte damals ein gewisser Ivan ans St. Peter im Venetianisch-Sloveuischen einen bedeutenden Namen als Steinmetz. In der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts lebte der Baumeister und Steinmetz Johann Alberthal, geboren in Treffen. Bon diesem ist bekannt, daß er bei der Agramer Cathedralkirche den Hauptaltar, das Gewölbe ober dem Presbyterium uud den Thurm gebaut und das Portal zu bauen augefangen hatte. 1664 wird der Bildhauer Ferfila erwühut, ein geborner Krainer. Gegen Ende des XVII. Jahrhunderts lebte in Laibach der Baumeister und Steinmetz Michael Kusa, dessen schönste Arbeit die Kanzel ans weißem und schwarzem Marmor in der Cathedralkirche in Agram ist. Um 1700 bauten die Laibacher Cathedralkirche nach dein Plaue des Jesuiten Andreas Puteis (oder Pozzo) die Krainer Paul JugoviL, nach ihm Gregor MaLek und Zamrl liebst den Mailändern Franz Bombaggi und Peter Janni. 1841. baute derselben Kirche die wvhlgelungene Kuppel Matej Nedved aus Cirklach in Ober-Krain, bis dahin ein ein¬ facher Maurer. Ein hervorragender Bildhauer war Johann Toman und sind gegenwärtig J. Burnik in Radmannsdorf, F. Zajc in Laibach und M. Tomec in St. Veit. Die Pflsze der Kimstc nnd Wissenschaften. 177 Malerei. Die Malerei diente in der alten Zeit nur religiösen Zwecken. In den Klöstern wurde sie schon im XIV. Jahrhunderte gepflegt, dieses beweisen die Bilder einer in der Laibacher Bibliothek anfbewahrten Handschrift äs oivitats äsi von Augustin, die ein Karthäuser-Mönch im XIV. Jahrhundert abgeschrieben hatte. Auch im Cistercienser-Kloster zu Sittich wurde die Malerei gepflegt, wie dies die Miniatnrbildcr einiger Handschriften zeigen, die man ans diesen! Kloster in die Laibacher Bibliothek übertragen hatte. Aus dem Sitticher-Kloster stammt auch das Bildnis der Herzogin Viridis her, welche als Witwe in der Nähe Sittichs lebte nnd das ihres Gemahls Leopold III. von Österreich, der 1386 in der Schlacht bei Sempach fiel. In das Ende des XV. Jahrhunderts fällt der Name des Malers Anton Geriči, von dem das städtische Rathhaus in Laibach mit Malereien ausgeschmückt wurde. 1593 ließen die Krainer Stände die Türkenschlacht bei Sissek malen, ein Bild, welches Valvasor für sein Buch als Vorlage benützte und das in der Folge verloren gegangen ist. Auch die Geistlichkeit ließ eiu gleiches Bild unfertigen, das jetzt noch im Laibacher Museum nufbewahrt wird. Der Bischof Thomas Hren, der eifrige Verthcidiger des Katholicismns gegen den Protestantismus in Kram, hatte viele Kirchen gebaut und auf diese Weise viele Maler beschäftigt, denen er zuweilen selbst den Entwurf für die anzufertigenden Bilder lieferte. Seit dieser Zeit begann sich auch der Adel für die Malerei zu interessieren, indem er die Burgen mit Gemälden ausschmücken ließ. Einige adelige Herren griffen als Dilettanten selbst zum Pinsel, wie Franz Wilhelm Zergollern, Herrschaftsbesitzcr in Krain, der zu Ende des XVII. Jahrhunderts sein neu gebautes Schloß in Nosenbüchel eigenhändig mit Gemälden ausstattete. In diese Zeit fällt auch die Thätigkeit des berühmten Valvasor, der Tie Slovenen von Prof. I. ämncm. 12 178 Die Pflege der Künste und Wissenschaften. selbst Zeichner und Maler, viele Künstler, namentlich Kupferstecher um sich versammelte und so die Bilder für seine Druckwerke vor¬ bereitete. So arbeiteten für Valvasor I. Azelt aus Nürnberg, M. Greißer und Trost, die ersten J'ylographen und Kupferstecher in Kram, Mungerstorf u. a. Auch der Stadtrichter von Rudolfs- wert I. Koch arbeitete als Dilettant für Valvasor. Den Maler Almanach, der im XVII. Jahrhundert in Kram lebte, nennt Valvasor einen großen Künstler; von ihm rührten die Fresken in Refectorinm des Franziskaner-Klosters in Laibach her; erhalten sind von ihm einige Miniatur-Malereien. In der 2. Hälfte des XVII. Jahrhunderts lebte Dominik Kalin, ein geborner Görzer als Historiograph des Kaisers Leopold in München, der zugleich Zeichner, Maler und Musiker war. Simon Grahovar, der als Secretär der Dismasconfvderation, eines Ver¬ eines von Adeligen, Dvetoren, Beamten und andern Honoratioren zum Zwecke der Erweckung des katholischen Glaubenseifers in Krain, die Aufgabe hatte, die Namen der Mitglieder in ein Matrikelbuch einzutragen, begann 1688 neben deren Namen auch ihre Wappen und Sinnbilder in den glänzendsten Farben und mit künstlerischer Auffassung auszuführen. Grahovar war zu Neumarktl in Krain geboren und hatte sich neben seiner Beamten¬ laufbahn auch urit Malerei als Dilletant beschäftigt; seine Arbeiten sind im bezeichneten Matrikelbuche in der Laibacher Bibliothek aufbewahrt; ebenso befinden sich daselbst seine Miniatur-Malereien in einer zweiten Handschrift, tstoatrum irmmonias nostilir, ao aliuao sooiotatis Ilnitoimm. Grahvvar's Sohn Nikolaus, Finanzbeamte, war gleichfalls Maler und stellte eine große österreichische Wappen¬ sammlung zusammen, ebenso eine kleinere, welche die Wappen der steirischen, krainischen und kroatischen Familien umfaßte. Auch Grahovar's Tochter Maria (Nepomucena Sophia) war eine Miniatur- Die Pflege der Künste und Wissenschaften. 179 Malerin und ihres Vaters Gehilfin bei dem erwähnten Matrikel¬ buche; später trat sie in das Kloster der Ursulinerinnen in Graz und erhielt den Namen Nikolaja. Im XVIII. Jahrhundert sind die Maler zahlreicher. Quaglia malte die Fresken in der Kathedral- Kirche in Laibach und in der Bibliothek des Pricsterseminars; die Ausführung ist meisterhaft zu nennen. Weiters gehören in den Anfang des XVIII. Jahrhunderts der Krainer Franz Jelovšek, von dem unter andern das Bild der Mutter Gottes mit dem Jesukinde in der St. Peterskirche in Laibach herrührt; dann Valentin Mencinger, in Wochein geboren, ein ausgezeichneter Maler, der viele vortreffliche Altarbilder für die Kirchen in Krain und Kroatien geschaffen hatte, aber auch profane Bilder und und historische Gemälde; ferner der Maler Kastelce aus Weichsel¬ burg, Fr. Linder aus Klagenfurt, Maler und Kupferstecher, der seine Bildung zuerst bei einem Meister in Laibach, dann in Venedig und Wien genossen hatte; weiter Johann Kanpcrc ans Untersteier, Kupferstecher in Graz; ebenso dessen Sohn Johann Veit, der an der Wiener Akademie unterrichtet, als Maler und Kupferstecher berühmt wurde. Auch die Brüder JanLa Valentin (geboren zu Radein in Obcrkrain 1743—1818) und Lorenz (geb. 1744, gestorben zu Wien 1812), Verwandte des berühmten Bienen¬ züchters, waren Maler, und hatten als solche bei der Wiener- Maler-Academie, wo sie ausgebildet wurden, Anstellungen erhalten; ersterer war Adjunct, letzterer Professor im Landschaftszeichncn. Andreas Herlein war Maler und Zeichenlehrer in Laibach; von ihm stammen unter andern auch die Bildnisse der Gönner des Laibacher Lhcenms, gegenwärtig befinden sich dieselben in der Laibachcr Bibliothek. Endlich gehört nvch in diese Zeit Stefan Dolinar, geboren in Bischoflak 1784, der in Wien gebildet, eben¬ dort auch seine Kunst ansübte. Zu Ende des XVIII. und im 180 Die Pflege der Künste und Wissenschaften. Anfänge des XIX. Jahrhunderts lebte einer der besten Maler der neueren Zeit Franz Kavöiü. Dieser, in Görz von armen Eltern geboren, erregte durch seine Zeichnungen, die er als freien Versuch zu Stande brachte, die Aufmerksamkeit seiner Lehrer und durch Vermittlung des Grafen Veit Koblenz wurde es ihm möglich, sich in Wien in der Malerei anszubilden. Er weilte darauf sieben Jahre in Italien und kehrte als berühmter Maler und Zeichner nach Wien zurück. Nach einem zweiten mehrjährigen Aufenthalte in Italien, wurde er dann in Wien Mitglied der Kunstakademie und später Director der Schule für Maler, Bildhauer und Kupfer¬ stecher. Bon Kavöiö sind viele Gemälde und Zeichnungen vor¬ handen und weit herum verbreitet. Als Directvr der genannten Schule ebnete er die Wege zur Ausbildung eines andern nicht unbedeutenden heimischen Malers, des Mathias Langus. Langus 1793 in Steinbüchel geboren, war bis zum 18. Lebensjahre Nagelschmid und machte nebenbei Heiligenbilder. Nach Klagenfurt zur weiteren Ausbildung gekommen, mußte er sechs Jahre Zimmer malen; erst in Wien, durch die Güte KavÄö's in die Akademie ausgenommen, genoß er der Ausbildung. Darauf kam er nach Laibach und copierte die Bilder des dort weilenden Gvrzer Malers Joseph Tominc. Nachdem sich Langus so einiges Geld erworben hatte, begab er sich nach Italien, und von dort zurückgekehrt, lebte er eine Zeit in Triest, dann in Laibach, wo er viele schöne Bilder, insbesondere für Kirchen gemalt hatte. Lipiö Therese und Oblak Amalie (verehlichte Edle von Hermannsthal) waren seine Schüle¬ rinnen. Der erwähnte Görzer Maler Tominc erzog auch einen bedeutenden Schüler. Während seines Aufenthaltes in Triest nahm er seinen Landsmann Josef Batiü zu sich. Als dieser hier die Malerei erlernt und sich später in Venedig vervollkommnet hatte, nahm ihn Fürst Sanguszko nach Polen mit; später lebte und Die Pflege der Künste und Wissenschaften. 181 malte er wieder in Venedig. Aus dem Anfänge und der Mitte unseres Jahrhnndert sind nennenswerthe slovenische Maler: Johann Bartl, geboren in Tarvis, der in Kärnthen und Triest viel arbei¬ tete, dann Mathias Brodnik, meist Kirchenmaler, und Josef Egartner, ein Schuler des sehr productiven Malers Leier (1722 — 1828); ferner die Ordensschwestern im Ursulinerklvster in Laibach, Aloisia Maria Petriü und Josefa 8trus; ebenso Paul Künl, Michael Stroj, Josef Kogovšek u. a. Vor Kurzem starb Karinger, ein gewandter Landschaftsmaler und Fr. Pvstavrh, ein Priester und Dilettant in der Malerei. Unter den gegenwärtigen ilovenischen Malern sind die hervorra¬ gendsten Johann Franke in Venedig, Johann Wolf in Laibach, und dessen Schüler Johann Ünbic in Venedig, Simon -8ebjc in Wien, dann Johann Urbanöiö u. a. Wissenschaft. Da keine slovenischen Gelehrtenschulen zugclassen wurden nnd es somit auch kein slovenisches gelehrtes Publikum geben konnte, so wurde die Wissenschaft gerade von den größten slove¬ nischen Gelehrten selbstverständlich vorherrschend in lateinischer, italienischer oder deutscher Sprache mitgetheilt. ES ist aber darob die slovenische Nation mit ihren hervor¬ ragendsten Geistesgrößen an der Pflege der Wissenschaft niemals ganz nnbetheiligt gewesen, wenn auch die Früchte der geistigen Arbeit zunächst nicht in den Schoß der eigenen Nation fielen. Schönleben, Valvasor, Linhart, Dimitz u. a. schrieben die Geschichte ihres Landes und Volkes, Jarnik, Kopitar, Miklosich n. a. die Erscheinungen nnd Gesetze ihrer Sprache in lateinischer und deutscher Sprache; MoLnik versorgte das Reich durch mehrere Decennien mit mathematischen Schulbüchern; stets hat die slovenische Nation 182 Die Pflege der Künste und Wissenschaften. de» Bedarf an Lehrern, Medicinern, Juristen, Theologen und Beamten selbst produciert; nicht selten saßen Slovenen an den Usnversitätsstühlen (in neuerer Zeit in Graz Robiö, ^Stanonik, Tvssi, Gegenwärtig Krek, Äibic; in Wien Popvviö, Dolliner, Knolz; außer- dein der Hvsenstvs Cigler ; gegenwärtig OiLman, Btiklosich, Stefan; in Prag Rojko, Strupi; in Innsbruck Jellenz; in Agram Celestin). Alle diese und andere Männer verdienen als Pfleger der Wissen¬ schaft hier genannt und ihre Werke aufgezählt zu werden; indessen wir schließen unsere Darstellung und führen hier nach Dimitz nur noch die biographische Skizze eines Mannes aus, dessen Name bei allen gebildeten Nationen im hohen Ansehen steht, wir meinen den berühmten Mathematiker Georg Vega. Der Bauernsohn Georg Vega, geboren 1754 zu Zagoric in der Moräutscher Pfarre (MoravLech betrat unter Kaiser Josef seine Ruhmesbahn. Nachdem er in Laibach die philosophischen Studien absolviert, wurde er als Navigations¬ ingenieur angestellt, trat aber am 7. April 1780 als gemeiner Kanonier in das zweite Artillerie-Regiment. Binnen Jahresfrist zum Lieutenant avanciert, veröffentlichte er im Jahre 1783 bereits seine „Mathematischen Vorlesungen," ausgezeichnet als Lehrbücher, und die Logarithmentafeln, welche seinen Weltruhm begründeten und im Jahre 1875 bereits in 59. Auflage, (besorgt durch Dr. Brcmiker), erschienen sind. Im Jahre 1782 ward Vega Lehrer der Mathematik an der Artillerieschule, im April 1785 Oberlieutenant, 1787 Haupt¬ mann und wirklicher Professor der Mathematik und machte den Türkenkrieg mit Auszeichnung mit. Im Herbste 1795 wirkte Vega bei der Belagerung Mannheims wesentlich mit durch die von ihm erfundenen neuen weittragenden, neunzölligen Bvmbenmörser mit einer Triebkraft von 1500 — 1600 Klaftern, also fast um die Hälfte mehr, als bis dahin erreicht worden. Im Feldzuge des Jahres 1796 war Vega bei der Vertheidigung von Mainz, wohnte der Belagerung Beamten . 183 von Kehl und den folgenden Feindseligkeiten bei. Erzherzog Karl gab ihm das Zeugniß, daß er bei der Vorrückung der Armee an die Lahn bei der Verfolgung des Feindes sich besonders ausgezeichnet hatte. In den Freiherrnstand erhoben, fuhr Vega fort als Schrift¬ steller auf dem Gebiet der Mathematik und verwandter Disciplinen Zu wirken. Er veröffentlichte im Jahre 1794 seine vollständige Sammlung größerer logarithmisch-trigonometrischer Tafeln, 180 t die Anleitung zur Zeitknnde; sein natürliches Maß-, Gewichts- und Münzsystem gab Kreil 1803 heraus. Am 26. September 1802 verunglückte Vega in der Donau, und nach vielen Jahren soll es an den Tag gekommen sein, daß ihn ein Müller ermordet und in die Donau geworfen. Sv das tragische Ende des großen slovenischen Mathematikers. Hi lfsbllcher: Pletcrsnik in 8Ioivonstivo, IRatica Laibach 1873. Schafarik, slavische Alterlhiimer I. und 11. Fick, Vergleich. Wörterbuch der indogermanischen Sprachen. Miklosich, Vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen N p. 33. Bradaska in letopis Notico slov. 1870. Miklosich, altslovenische Formenlehre in Paradigmen, Einleitung I. — V. Erseh und Gruber, Encp- klopädie, Artikel Glagolitisch von Miklosich. Dimiti, Geschichte Krams. Krone-?, österreichische Geschichte. Radies, Valvasor in letopis Notico slov,. 1877, Laibach. Radies, »ioveEin», letopis Matice slov. Laibach 1879.