44568 SEPARAT-ABDEUCK ADS iHSCHAFTLICHE MITTHEILUNGEN AUS BOSNIEN UND DER HERCEGOVINA, IV. BAND, 1896. VOLKS GLADBE UND VOLKSTHUMLICHER CULTUS IN BOSNIEN UND DER HERCEGOVINA. MITGETHEILT EMILIAN LILE K, PEOFESSOE Al OB E11GYMNASIUM IN SAKAJEVO. MIT a ABBITDUNGEN im texte. Volksglaube imd volksthumlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. Mitgetlieilt von Emilian Lilek, Professor ara Obergymnasium in Sarajevo. (Mit 2 Abbildungen im Texte.) JLcli babe mich entschlossen, dio vol ks tlitiml i cli c n religiosen Gebrauche der Bosnier und Hercegoviner zu studiren und aufzuzeichnen. Man muss sicli mit dieser Arbeit beeilen; denn die gemein-europaische Cultur ergicsst sicli mit grosser Maclit iiber diesc Lander und vcrwisclit immer mebr und melir die nationalen Eigenthumlichkeiten der- sclbcn. Es vare ein Verlust fiir die vergleicliende Etlmologie, ein Verlust fiir die Culturgeschichte des hiesigen slavischen Volkes, wenn seine religidsen Altertliiimer der Vcrgessenbeit anheimfielen ; bevor sie ein einziges Mal gesammelt und dargestellt worden sind. Der Stoft' dieser Abhandlung stammt aus verscbiedenen Gegenden und Orten Bosniens und der Hercegovina. Ich babe Nachrichten vom Glasinac und seiner Cm- gebung, vom Skopaljsko und Duvno polje, ferner aus der Posavina, aus Foča, Sarajevo, Trnovo, Zenica, Vlasenica, Kladanj, Žepče, Tešanj, Travnik, Ključ, Banjaluka, Gradiška, Ljubuški, Mostar, Konjic, Nevesinje, Gacko, Trebinje, Ljubinje u. s. w., eingedenk des liierlandischen Spricbwortes: „Wie viel Ddrfer, so viel Gebrauche. “ Das Dargestcllte beruht entweder auf Autopsie und eigener Nacliforscliung, oder auf erhaltenen Nacliricliten. Sehr viel Material liaben mir nacli meiner Unterweisung die hiesigen Gymnasialschuler der IV. — VIII. Classe geliefert. Diesen Stoff tlieile ich in die Capitel: I. Todtengebrauclic und Seelencult. II. Verehrung der Elemente: 1. des Wassers; 2. des Feuers; 3. der Erde; 4. der Luft. III. Verehrung von Thieren. IV. Verehrung von Pflanzen. V. ^^rehrung der Hbn molsko rper. ’>igen .v- , gen. 2 II. Volkskunde. L Todtengebrauche und Seelencult. Da die hiesige slavischc Bevolkerung in die Anh&nger von drei verschiedenen religiosen Bekenntnissen zcrfallt, mnsste icli die Darstellnng der Todtengebrauche und des Seelencultus bei den drei Confessionen gesondert darstellen, damit man sebe, wie weit sich die heidnischen Gebriiuche in der einen oder andern Confession erhalten hab en, und damit ersichtlich werde, inwieferne sich die eine oder andere derselben dem nationalen religiosen Gefuhle und den alten religiosen Volksgebriiuchen accommodirt hat. Da B.este der heidnischen Religion sich am meisten bei den Orientalisch-Ortho- doxen voidinden, werden sie hier an die erste Stelle gesetzt. Ihnen lassen wir die Katholiken und zum Schlusse die Muhamedaner folgen. A. Bei den Orientalisch-Orthodoxen. 1. Versohnung und Terahschiedung auf dem Todtenhette. Wenn der Menscli im Sterben liegt, ist es seine erste Bdi elit, sich von aller Welt zu verabschieden und sich auszusohnen mit allen seinen Vemvandten, Freunden und selbst mit seinen grossten Feinden, Verzeihung zu erbitten von, und sie auch sclbst zu gewahren „dern Vogel in den Bergen, dem Fische im Wasser und der Schlange unter den Steinen“, wie ein hercegovinisches Sprichwort sagt. Erst nach dieser Aussohnung kann der Kranlte ruliig sterben. Wenn Einer langere Zeit in Todesqualen liegt, so meint man hier, dass ilirn Jemand nicht verziehen habe. 1 ) Hat der Sterbende falsclie Masse und Gewichto gebraucht oder sich fremden Boden zugeackert, so wird er nicht eher sterben konnon, als bis man ihm eine Waage und ein Stiick Rasen ge- bracht hat. 2. Verfahren mit dem Todten sofort nacli dem Tode. a) Sterbekerze und Bad. Sobald der Kranke seinen letzton Athem ausgehaucht hat, wird am Kopfende der Leiche eine Wachskerze angeztindet. Zu diesem Zwecke wird im Sterbehause eine Kerze bereit gehalten; denn man sieht es als eine grosse Siinde an, wenn bei dem Todten nicht sofort ein Licht brennt. Dem Todten werden dann die Beine ausgestreekt, dic Hande auf die Brust ge- legt, Augen und Mund geschlossen. Behalt der Todte die Augen offen, so sagt man, er habe einen, den er lieb hatte, nicht mehr gesehen. Ist dies bei einem kleinen Kinde der Fali, so meint man, dieses habe Selmsucht nach der Mutter und ihrer Brust. Ist der Todte nicht starr geworden, so gilt dies als ein Zcichen, dass nach ihm bald \vieder ein Todter im I|ause sein werde. Hierauf wird der r Todte in warmem (in Sarajevo manchmal mit Wein vermischtem) Wasser gebadet. Den mannlichen Todten waschen Manner (dic Leiche eines Popen andere Popen), den weiblichen Weibspersonen. Zu soleher Arbeit werden gew6lmlich beschaftigungslose Manner oder alte Weiber genommen. Die Seife, mit der Tr>«u d (rewasclieTi . 1 1 ' mit - 1 - 1 ‘>11 ■■ 1 [ 403 ] Lilek. Volksglaube und volksthtimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 3 hingegen, z. B. in Mostar, muss beides weggeworfen und das Feuer, an dem das Wasser zum Waschen des Todten gewarmt ivurde, sofort ausgeloscht werden. b) Bekleidung und Schmiiekung des Todten. Nach vollendeter Waschung wird der Todte mit reiner Wasche und reinen Geivandern bekleidet. War der Todte ein Bursche oder ein erivachsenes Madchen, so wird er in seine schlinsten Kleider geliitllt. Am Glasinac ziehen sie dem Todten gewohnlieh reine Leinenhosen, ein reines Hemd, eine Weste und Socken an. Auf den Kopf setzen sie ihm einen Fes, um die Mitte glirten sie ihm ein rothes Band. In Sarajevo kleiden sie eine verheiratete Frau manchmal in ikre Trauungsldeider, \velche von ihr zu diesem Zwecke aufbeivahrt wurden. Ein verlobtes Madchen wird mit dom Verlobungsringe begraben. In Foča pflegen sie ein verstorbenes envachsenes Madchen zu sclnnucken, als wenn es zur Hochzeit ginge, namlich mit Kingen, Ducaten, Blumen und Tiichlein. Dieser reiche Todtenschmuck ivird liier weder ins Grab gesenkt, nocli der Familie zuriickgegeben, sondern der Kirche geschenkt. In der Posavina pflcgten sie frliher den Todten mit einem schimen Tuche zu be- dccken und dieses nach der Bestattung dem Popen zu schenken. Heutzutage geschieht dies nur sehr selten mehr. In der Hercegovina., z. B. in Gaclco, und in Bosnien, z. B. in Sarajevo, pflegen manclie, besonders Frauen, sicli die Todtenkleider nocli zu Lebzeiten anfertigen zu lassen. Manche Bauern fertigen sich auch die Todtentruhe selbst, manclie heben sicli sogar die Gruft selber aus. c) Aufbahrung des Todten. Ist der Todte ein Kind, so wird er, z. B. in Ljubinje, in die Wiege gelegt, aber diese Wiege wird spater nicht mehr verivendet. Erwachsene legt man gewohnlich inmitten des Zimmers auf eine Strohmatratze, Polster oder anderes Bettzeug. Das Gesicht muss gegen O sten gekehrt sein (gegen die Bil der, vor denen eine Lampe brennt). d) Todtenklage. Sobald der Todte gewaschen, angekleidet und aufgebahrt ist, versammeln sich um ihn Weiber, besonders aus seiner Yerwandtschaft, und halten die Todtenklage, wobei sie seine guten Eigenschaften aufzahlen. An manchen Orten, z. B. in Grahovo, beginnen sie mit der Todtenklage schon beiin Ausloschen des Lebens- lichtes. Der Todte wird da bis zur Bestattung beiveint, nachher nocli ein Jahr lang. In Sarajevo heklagen den Todten nur die Weiber aus der Verwandtschaft, und zwar sehr laut; in Ljubinje hingegen klagen sie nicht mit lauter Stimme, sondern zahlen nur die Tugenden des Verstorbenen auf. Gemiethete Klageweiber gibt es hierzulande nur mehr sehr selten. e) Todtenwache. So lange sich der Todte im Hause befindet, muss Jemand bei ihm sitzen und ihn bewachen, damit kein Thier (z. B. eine Katze, eine Maus, Henne o. dgl.) liber ihn gelie oder springe, denn sonst wilrde sich nach dem Glauben des Volkes der Todte in einen Vampyr venvandeln. Auch darf kein Mensch am Kopfende des Todten, sondern jeder nur am Fussende voriibergehen. f) Leichenschmaus. Der Todte muss einen Tag und eine Nacht unbeerdigt liegen. Manner und Weiber aus den angrenzenden Hausern kommen auf Besneli, envahnen die guten Eigenschaften des Entschlafenen, aber keiner wird etwas Boscs liber ihn sagen, sie halten es hierin wie die alten Komer: „nil nisi bene de mortuis“. Man isst und trinkt (Kaffee, Schnaps oder VVein), „auf dass die Seele des Verstorbenen in Frieden ruhen moge“. 26 * 4 II. Volkskunde. [ 404 ] g) Im Hanse des Todten nnd in den benaehbarten Hausern wird das Wasser ausge- gossen; im Todtenhause schiitten sie an manehen Orten auch die Speisen weg; das Feuer wird ansgeloscht; Leute, welche aus dem Todtenhause kommen, miissen sich waschen. Wenn sich in Vlasenica zur Zeit eines Sterbefalles Speise oder Wasser im Todtenhause befindet, so wird beides sofort weggeschiittet. Im Hause wird dann durch drei Tage nicht gekocht, auch kein Feuer gemacht. Wiihrend dieser Zeit bringen die nachsten Nachbam das Essen. Auch in Sarajevo wird das Feuer im Sterbehause ausgeloscht und das Wasser nicht nur in diesem, sondern auch in den zwei rechts und links an- stossenden Hausern ausgegossen. In Zenica giesst man das Wasser ebenfalls nicht nur im Sterbehause, sondern auch in der Nachbarschaft aus. Am Sterbetage wird nicht gekocht; das Essen wird den Leidtragenden an diesem Tage von den nachsten Verwandten oder Bekannten ge- braclit. Auch in Foča giessen sie das VVasser sowohl im Sterbehause, als auch in den angrenzenden Hausern aus. In Sarajevo sagt man: „Wer von dem zur Zeit des eintretenden Todes im Hause befindlichen Wasser trinken wlirde, der miisste sofort bewusstlos werden.“ In der Mahala (dem Stadttheil) des Todten darf man nicht nahen, so lange der Todte im Hause ist, angeblich weil der Erzengel das Schwert abwischt, mit welchem er die Seele herausgenommen hat. Audi im Ljubinjer Bezirk giesst man das Wasser im Todtenhause aus. Das VVasser zum Waschen des Todten warmt man hier auf keinen Fali im Hause, sondern vor demselben. Wallt der Rauch dabei ins Haus, so ist dies ein Zeichen, dass in dem selben bald wieder ein Todesfall eintreten werde; zieht sich der Rauch aber vom Hause weg, so zeigt dies an, dass in demselben lange Nicmand sterben werde. Im Trebinjer Bezirk waschen sich die Leute, wenn sie aus dem Sterbehause kommen. Meistens giessen sie das Wasser blos auf die Finger, reiben sich dann die Ilande und trocknen sie schliesslich mit einem Handtuche ab. h) Stellvertretungsopfer. Wenn in Trebinje der Todte vom Todtenlager zum Wasch- platz getragen wird, so legt man auf das Todtenlager einen Teller voli Getreide und ins Getreide ein durchstochenes Ei. Der Teller mit dem Getreide und dem Ei bleibt bis zur Beerdigung an dieser Stelle. Wird der Todte zur letzten Bestattung gelioben, so wird ihm der Teller mit dem Getreide und dem Ei nacligeworfen. Mančke werfen nur das Getreide und das Ei, den Teller hingegen behalten sie. Dies Alles geschieht damit im Hause nicht so bald wieder Jemand sterben moge“. In Sarajevo tliut man etwas Aehnliches. Sobald namlich der Todte aus dem Hause getragen worden ist, stellen die Bewohner an den Platz, wo er aufgebahrt gewesen, eine Schlissel voli Panahija (gekochter Weizen), ein Glas Wasser und eine angeziindete Kerze. Das bleibt so lange, bis der Geistliche das VVasser segnen kommt. Andere legen an die Aufbahrungsstelle drei Komer Wcizen, drei Ktigelchen Erde und etwas Wasser, damit sich der Verblichene nicht in einen Vampyr verwandle. In Sarajevo besteht noch folgender Brauch. Wenn in einem Hause zwei Personen schnell nach einander gestorben sind, so schlachtet man am zweiten, dritten oder vierten Tage nach dem letzten Todesfall auf der Thlirschwelle irgend ein Thier, das im Hause aufgezogen worden ist, gewohnlich eine Henne, damit sie mit ihrem Tode den Tod einer dritten Person abivenden moge; denn das hiesige Volk glaubt fest, dass in einem Hause, wo zwei Personen in einem Jahre ge¬ storben sind, bald eine dritte nachfolgen werde. Die geschlachtete Henne, \velche Kurban, d. i. Opfer, genannt wird, schickt man armen Leuten zum Essen. Des- [ 405 ] Lilek. Volksglaube imd volksthumlioher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 5 gleichen Avird eine krahende Henne sofort abgestochen, mag Jemand im Hause krank scin oder nicht; denn man glaubt, dass eine solclie Henne eine grosse Krankheit, ja sogar einen Todesfall voraussage. Audi in Gaeko besteht der Glaube, dass, wenn aus einer Familie ztvei Personen in einem Jahre gestorben sind, ihnen bald cin drittes Familienglied nachfolgen werde. 3. Bestattung. a) leichenzug; volksthiimliche Tragbahre (nosila). Nachdem der Todte einen Tag und eine Nacht aufgebahrt gewesen, kommen die Leute, welche ihm zur letzten Ruhc- statte das Geleite geben wollen. Die Manner gelien schweigsam im Zuge einher und tragen abwechselnd den Todten, damit er ilmen Alles verzeihe. Die Weiber stimmen an vielen Orten mit lauter Stimme die Todtenklage an, und loben den Dahingeschie- denen; sie rufen z. B.: „Wehe, o Vater, du guter Fiirsorger! Wie oft haben sich Deine To eh ter Deiner gertihmt!“ u. s. w. — Wenn die Frauen vom Bcgrabnisse heimkommen, sind oft ihrc ersten Worte: „Abcr die kann (oder kann nicht) schon beweinen und bcklagen!“*) — Im Ljubinjer und Gackoer Bczirk gehen die Weiber nicht auf den Friedliof, sondern verabscliiedcn sicli im Hause vom Todten. In Ljubinje diirfen sie bei dieser Gelegenheit nicht einmal Thranen vergiessen, Aveil man meint, dass sie damit den Verschiedenen noch auf dieser Wclt ertranken Aviirden, und dass er dann nicht ins Jenseits kommen konne. In Gaeko pflegen die Weibcr bei Begriibnissen ihrc krank en Kinder aus der Stadt hinaus auf den Weg zu tragen, wo der Leichenzug voriiberzieht, im Glauben, dass dann die Krankheit von ihren Kindern auf den Todten iibergehen werde. Wenn in Gaeko auf dem Lan de wer immer stirbt, so arbeitet im ganzen Dorfe bi s zur Beerdigung des Todten Niemand. In der Stadt beobachten sie diese Enthaltung von der Arbeit nur in jener Mahala, in der sich der Todte betindet. Im Ljubinjer Bezirlc ist folgender Brauch. Arbeitet Jemand an dem Wege, auf dem cin Leichenzug voriiberzieht, so stellt er, sobald er des Leichenzuges ansichtig Avird, die Arbeit so¬ fort cin. Auf dem Wege zum Grabe liisst man auf dem Glasinac den Todten dreimal zur Erde nieder. Auch in Grahovo thun sie das Gleiche und markiren die Stellen mit eigenen Steinen, die sie „Zeichen“ (bilješke) nennen. Wo sie keine Todtentruhe gebrauchen (auf den Dorfcrn ist dies ganz gewohnlich, denn die Bauern, z. B. in der Hercegovina und auf dem Glasinac, lassen sich auf keinen Fali in einer Truhe begi - aben), da tragen sie den Todten auf einer eigens dazu angefertigten Bahre (nosila). Zur Verfertigung derselben nimmt man zwei Stangcn und verbindet sie mit parallelen Stricken, Querstaben oder Brettchen. b) Beerdigung. Das Innere des Grabes. Beigaben. Bei den biesigen Orientalisch- Orthodoxen muss der Todte so beerdigt Averden, dass ihm die Fusse gegen Osten zu liegen kommen. In Foča legt man den Todten auf die blosse Erde. Oben Avird er mit schief gelegten Brettem zugedeekt. In Ljubinje graben sie das Grab bis zu einer Tiefe von D/ 2 — 2 M. Den Todten legen die niichsten VerAvandten ins Grab, aber sie milssen Acht geben, dass ihnen keine Thriine ins Grab triiufelt, denn sonst Avare die Erde dem Begrabenen zu scliAver. *) „Lijepo kukati i svoga žaliti. 6 II. Volkskunde. [ 406 ] Das Grab ist hier nnten ganz bloss. An den Seiten sind zugehauene Steinplattcn gelegt, welche „oklopnice“ heissen. Auf diese Platten Averden, Avenigstens eine Spanne liocli liber dem Todten, andere Steinplatten, sogenannte „poklopnice“ gelegt. Dies thun sie hier deshalb, damit die Erde nicht auf den Beerdigtcn driicke und ihm niclit zu schwer Averde. Auf die „poklopnice“ wird dann Erde gehauft, und jeder Bcgleiter ist verpflichtet, wenigstens eine Erdscholle ins Grab zu werfen und dabei die "VVorto zu sprechen: „I)ie Erde sei ihm leicht“, oder „Gott erlose seine Seele“. In Trebinje ummauert man das Grah von allen vier Seiten beilaufig 60 Cm. hoch. Der Todte wird gewohnlich auf die nackte Erde gebettet. Hie und da unterstiitzt man ihm den Kopf mit einem Polster. Auf die seitlichen Grabwande legt man cbenda horizontale Steinplatten liber die Leiche. Auch in Gacko und in Mostar wird der Todte auf die blosse Erde gelegt. In Gacko legen sie auch an die Seiten dcs Grabes Steinplatten, die hier „bedrcnice“ heissen. Ferner wird je eine Steinplatte am Kopf- und am Fussende angebracht. Auf die „bedrenicc“ Averden liber dem Todten sogenannte „poklopnjače“ gelegt. In Mostar verfertigen sie eigens eine kleine Kiste aus Steinplatten, in welche der Kopf des zu Beerdigendcn gesteckt mrd. In Goražda legen sie den Todten ebenfalls auf die nackte Erde. Seitw&rts und iiber dem Todten werden Steinplatten gelegt; die Seitenplatten heissen hier „lebernice“, die Decliplatten „poklopice“. Auf dem Glasinac schneidet man vier Bretter zurecht, zwei gleichseitig-dreieckigc und zwei langlich-viereckige. Diese werden mit dem Todten zuglcich auf das Grab getragen, und nachdem sie den Todten auf die blosse Erde gelegt, stellen sie die vier Bretter prismatisch iiber ihm auf. Bevor jedoch der Todte derart zugedeckt wird, begiesst ihn der Geistliche mit Wein und O el, worauf ihm die Verwandten imd Be- kannten den letzten Ahschiedskuss geben. In Gacko wirft jeder am Leichenzug Betheiligte drči Erdschollen ins Grab. Fiillt die ausgehobene Erde das Grab nicht aus, so sagt man, dass der Vcrstorbenc ein hab- slichtiger Scharrer gewesen sei. Daher riihrt auch die Redensart Hahsiiclitigen gegen- iiher: „Dass dir docli auch die Erde zu Avenig Avare!“ Ins Grab Averden gelegt: 1. Spielsachen (bei Kindern). (Vor vier Jahren schenkten meine Kinder ihrem kleinen Spielgefahrten cin Bilderbuch, Avelches ihm, als er starb, von seiner Mutter in den Sarg gelegt Avurde.) 2. Schreihtafel und Schulbiicher (hei Kindern). Stirht in Gacko ein Schiiler, so Averden ihm auch seine Biicher ins Grab mitgegeben: „Was sein Avar, das soli er mitnehmen. “ (In Novi Avurde im Jahre 1888 ein Schiller der I. Classe, der Lieblingssohn des Kaufmannes Lazo Sučevič, begraben. Als der Geistliche das letzte Gebet beendct und die Leute dem Todten den Ahschiedskuss gegeben hatten, Avarf der Bruder des kleinen Todten dessen Ahc-Buch und Reclientafel in die Truhe. — In Bosnisch-Gradiška starh einem Taglohner ein junges Schulmadchen. Die Eltern gaben ihr die Schultafel in den Sai - g.) 3. Ein Krug voli Wein. Im Trebinjer und Ljubinjer Bezirk ist an mehreren Orten der Brauch, dass man dem Todten oberhalb des Kopfes einen Krug voli Wein ins Grab stollt. Der dicke Bodensatz, Avelcher sicli von diesem Weine im Laufe der Zeit bildet, ist nach sieben, in Sarajevo nacli neun Jahren ein gutes Arzneimittel gcgen Auszehrung und Wassersucht. [ 407 ] Lilek. Volksglaube und volkstliumlicher Cultus in Bosnien imd der Hercegovina. 7 4. G el d. (In Bosnisch-Gradiška stavb vor einigcn Jahren ein FinanzAvachter. Als man ihn beerdigte, warf seine Fvau einen Papiergulden in das Grab. — Als im vorigen Jahve in Sarajevo der Mehandžija [GastAvirth] Pero Krnjid ins Grab gelegt Avurde, warf ihm seine Tochter anf Andrangen der Mutter ein Vierkrehzerstuck ins Grab.) Auf dem Glasinac wird Geld ins Grab geworfen, Avenn der Todte in ein altes Grab gebettet wird. I)ies thut man, damit die im Grabe Befmdlichen nicht uneinig werden. 5. Unterbeinkleid mit dem Hosenband ftlr das mannliche, Spinnrooken mit der Spindel £ tl r das Aveibliche Kind. Wird im Ključev Bezirk eine Slnvangere Frau begraben, so legt man neben sie in das Grab eine Unterhose mit dem. Hosenband fiir ein mannliches und einen Spinnrocken mit der Spindel filr ein weibliches Kind. G. Schmuok. An welclien Orten man Sclunuck ins Grab legt, Avurde schon oben sub 2. b) envahnt. Noeh einige Bemerltungen zur Bestattung. In Grahovo ist es Brauch, auf jedem Gerathc, mit dem das Grab gegraben und gesclilossen wurde, Kerben einzuschneiden. In Alt-Serbien wird der Todte nach drei Jahren wieder ausgegraben. Findet man die Gebeine gelb, so werden sie aus dem Grabe genommen, in ein Tuch gebunden und in einer Kirchengruft beigesetzt. Sind die Knochen noch nicht gelb, so Avird ein sclnvarzer Hengst herbeigeholt, damit er liber das Grab springe; iiberspringt er das Grab, so tragt man die Gebeine in die Kirche, andernfalls scharrt man sie wieder ein. e) Reinigung der Todtenbegleiter und des Sterbehauses. In den Dorfern Obzer und Kotezi (beide im Ljubinjer Bezirke) besteht folgender Brauch. Sobald die Leute von der Beerdigung zum Sterbehause zurtlckzukehren beginnen, nimmt ein Bewohner des- selben einen Krug Wasser in die Rechte und eine Feuerschaufel voli gliihender Kohlen, worauf er Weihrauch gestreut, in die Lirike, tritt damit auf die Tliiirsclnvelle und lasst Niemand ins Haus, der sich nicht gervaschen und eine Kohle iiber seine Schulter gevrorfen hat. Das geschieht nach der Volkserklarung, damit der Tod im betreffenden Hause keine weitere Ernte halte. Auch in Gacko Avascht man sich nach der Leichenbestattung und wirft gltihende Kohlen iiber sich, bevor man ins Haus tritt. In Ljubinje Averfen die Todtenbegleiter nicht die Kohlen iiber sich, sondern halten blos die Hande liber die Kohlengluth, reiben jene dann gegeneinander und schlagen sie einige Male zusammen. In der Posavina Avascht man sich blos die Hande. In Vlasenica werden die nach dem Verstorbenen zurtickgebliebenen Kleider oft ontweder verbrannt, oder den Armen geschenkt. Auf dem Glasinac Averden die Kleider des Todten gewaschen und sieben Tage lang im Wasser liegen gelassen. Die von der Beerdigung heimkehrenden Leute wasclien sicli die Hande; das Gefass, aus dem sie sich gewaschen, wird nachher zerschlagen, damit es nicht mehr verwendet Averden konne. Auf dem Glasinac und in Gacko w i r d das Plaus gekelirt, sobald der Todte zur Bestattung gehoben worden ist. Der Besen, mit dem das Plaus ausgekehrt worden, wird Aveggervorfen, damit er nicht Avieder gebraucht Averde. d) Nach der Beerdigung Avird auf dem Eriedhofe oder im Sterbehause gegessen und getrunken „auf das friedliche Wohlsein der Seele des Verstorbenen“ (za upokoj duše umr- loga). Sobald der Todte begraben ist, Avird gegessen und getrunken entweder auf dem Friedhofe oder im Sterbehause oder an beiden Orten. Isst und trinkt man auf dem B II. Volkskunde. [ 408 ] Friedhofe, so geschieht dics cntweder 1. am Grabe des Verstorbenen oder 2. in der Todtenkapelle, wie z. B. in Sarajevo, oder 3. an einem bestimmten anderen Orte, z. B. vor der Kirche, wo sich der Friedliof neben einer Kirche befindet. Am Glasinaq besteht folgender Bi'auch. Nachdem sie den Todten begraben, trinken die Leute auf dem Fried- hofe 2—3 Gliiser Branntwein „auf die Bube der Seele des Verstorbenen und auf die Gesundheit der HinterbliebenenL In Sarajevo geht man nach der Beerdigung in die Friedhofskapelle und isst dort, zugleieh mit dem Geistliehen, „koljivo“ (zu diesem Zwecke gekochten Weizen), Fleisch und andere Speisen, trinkt dann Wein oder Branntwein „fur die Seele des Verstorbenen“, Avobei man ausruft: „Gott verzeihe ihm“ (Bog da ga prosti!). Das armere Volk pflegt zugleieh mit dem Todten auch Speiso und Getranke auf den Friedliof zu tragen. In Zenica isst und trinkt man sowohl auf dem Friedhofe, als auch im Hause des Verstorbenen. 4. Verkchr zivisclien dem Verstorbenen und seiner Familie nach dem Begrabnisse. a) Aufenthalt der Seele nach der Beerdigung. Die orientalisch-orthodoxen Bošnjaken meinen, dass die Seele des Verstorbenen nicht sofort in den Himmel fahre, sondern sich nach der Trennung vom Leibe noch 40 Tage im Hause aufhalte und Acht gebe, dass ihr und ihrem einstigen Leibe kein Leid geschehe, weder in Worten noch in Thaten. Auf diesem Glauben beruhen folgende Gebrauche. In Trebinje brennt im Hause des Verstorbenen durch 40 Tage nach dem Tode cine Kcrzc oder Lampe. Einige Leute stiften Kerzen in die Kirche, andere ziinden nachts ein Lampenlicht am Grabe an. In Sarajevo scliickt man durch 40 Tage je einc Kcrze und einen Teller gekochten Wcizens (panahija) in die Kirche. Von der Panahija, die auf den Altar gelegt wordcn ist, damit sie der Geistliche segne (prelije), nimmt Jeder, der sich in der Kirche be¬ findet, und spridit dabei: „Gott verzeihe ihm.“ Nach der Meinung Anderer liiilt sich die Seele des Verstorbenen im Sterbehause auf und umsehivebt besonders s ein e Kleidcr 6—7 Tage. Auf diesen Glauben grtindet sich folgender Brauch. Die \veibliche Venvandtschaft des Verstorbenen setzt die Todtenklage an jener Stelle, wo der Todte gelegen hat, fort. Durch 7 Tage und 7 Nachte steht z. B. in Sarajevo fortwahrend gekochter Weizon im Zimmer, wo der Todte gelegen; nachts aber brennt dasclbst einc Kerze. In Ljubinje wird im Sterbehause durch cine Woche Feuer unterhalten, um wolchcs die Leute oft die ganze Nacht sitzen und wartcn, ob sich die Seele des Verstorbenen nicht bemerkbar mache. — Kleidcr und andere Sachen im Hause werden eingerauchert, damit keine Krankheit entstehe. In Sarajevo sagt man, dass die Seele nach der Beerdigung des Leibes zu den Kleidern des Verstorbenen zurucklcehre und sie umsehivebe. In Trebinje iverden die Kleider des Verstorbenen sofort nach der Beerdigung aus dem Hause gebracht. Die Familie, welche ivunscht, dass die Seele je eher zur Kuhe komme, ruft einen Geistliehen, damit er mit geivcihtem Wasser die Kleider des Ver¬ storbenen besprenge. In Sarajevo nimmt die Witwe die Kleider ihres Mannes Sttick fttr Stlick in die Hand und weint dabei um den Dahingeschiedenen. Das Gleiche tliut die Mutter nach ihrem Sohne und ihrer Tochter. Auch in der Hercegovina besteht der gleiche Brauch. Der Gymnasialschuler Čerovid aus Trebinje sah ein Weib bei Kleidungsstticken iveinen [ 409 ] Lilek. Volksglaube umi volkstliiimUcher Cultus in Bosnien und dei Hercegovina. 9 und dcn Namen ihres Mannes dabei nennen. Auf seine Frage, warum sie bei den Kleidem iv ein e, gab sie ihm zur Antivort: „Ach, mein Solin, wir sehen sie zwar nicht, aber doch schivebt um diese Kleider die Seele meines verstorbenen Ilija.“ Hiehei' gehort auch ein Fali, den mir Gymnasialschuler N i koli n o v i c mitgetheilt hat. Als einmal ali e ITausgenossen sammt dem Geistlichen von einer Beerdigung nach Hause gekommen waren, flog durch das geoffnete Fenster ins Zimmer, ivo der Ver- storbene gelegen ivar, ein grosser schivarzer Vogel, ivelcher die inmitten des Zimmers bcim Koljivo brennende Kerze umkreiste, sie mit seinon Fliigeln ausloschte und dann wieder aus dem Fenster flog. Niemand ivollte die Kerze vvieder anziinden, denn sowohl die Hausleute als aucli der Gleistliche ivaren der Meinung, dass es die siindige Seele des Verstorbenen geivesen, die in Vogelgestalt die Kerze ausgeloscht habe. b) Todtenmale (dače, podušja, sofre, opijela, karmine). 1. Todtenmale, die dem zuletzt Beerdigten gelten. a) Auf dem Gla.sinac (am 7. Tag, 40. Tag, nach J / 2 und 1 Jahr). Am dritten Tage nach der Beerdigung geht einer der Hausgenossen mit Feuer und Weihrauch auf das Grab, um es zu riiuchem. Am 7. Tage wird die „sedmica“ (d. h. das Todtenmal am 7. Tage nacli der Be¬ erdigung) abgehalten. Zu diesem Mal werden Allc eingeladen, die dem Todten die letzte Ehre eriviesen liabcn. Am 40. Tage begeht man die sogenannte „ cetrdesetnica 1 ' (d. h. das Todtenmal am 40. Tage nach dem Tode). Dieses Mal muss immer an einem Samstag abgehalten wcrdcn. Hiezu ivird viel Volk aus den nachsten Dorfern, ferner die ganze Venvandt- schaft, Gevattern, Freunde etc. eingeladen. Die Venvandten, Gevattern und Nachbarn bringen ihren Beitrag (prilog) mit, namlich ein Fasschen (eutura) oder eine Flasche Branntivein, einen grosson Laib Weizenbrod und eine Mohlspeise (pita). Nachdem sicli Alle zu Tiscli gesetzt, geht einer der Hausgenossen ins Zimmer, wo die Beitriige auf- beivahrt sind, und triigt zuerst den des Nachbars, dann den des Pathen, ferner den der Freunde u. s. iv. auf den Speisetisch und nennt bei jedem Prilog den Namen des Spenders mit den Wortcn: „Es kam N. N. zu seinen Venvandten, Nachbarn, Pathen o. dgl. auf Beileidbezeigung und brachte diesen Prilog mit.“ Dann ruft der ganze Chor der Giiste: „Wir danken ihm, Gott erhalte ihn!“ Nachdem sie gegessen und getrunken, vcrabschieden sie sich mit einem Kusse vom Hausvorstande. Ein halbes Jahr nach der Beerdigung ivird (nicht immer) die „polugodišnjica“ (Todtenmal 1 / 3 Jahr nach dem Tode) gefeiert. Zu dieser werden keine Beitriige gebracht. Schliesslich wird die „godina“ (Todtenmal nach 1 Jahre) abgehalten. Auch da gibt os keine Beitriige. Die Cetrdesetnica, Polugodošnjica und Godina heissen hier „podušja“ oder, was geivohnlichor ist, „sofre“. (i) Im Cajničer Bezirk (am 3. [trečina], 740. Halbjahres- und, Jahrestag). 1. Auf dem Lande. Am 3. Tage nach dem Begrabnisse gehen die Venvandten und Nachbarn mit Brot, Kaše, Branntivein u. dgl. auf das Grab. Ist es Fastenzeit, so nehmen sie imr 7 astenspeisen mit. Bcim Male am Grabe erinnern sie sich in Trinkspriichen soivohl des zuletzt als auch der friiher Verstorbenen. Am 7. Tag (sedmina) nehmen sie auch Opfenvein (punje) mit, um das Grab zu begiessen. Nach der Libation ivird abermals gegessen und getrunken. Die Aermeren nehmen nur Panahija und Branntivein mit. Das Haupttodtenmal ist ivie am Glasinac auch hier die Cetrdesetnica. Zu dieser ivird die ganze Venvandtschaft und Nachbarschaft geladen, geivohnlich auf 10 II. Volkskunde. [ 410 ] cin Nachtmahl. Die Glisto, in erster Linic dic Vcrwandt.cn, bringen aucb hier ihre Beitrage mit, dic dann unter den gleichen Ceremonien auf den Tisch gesetzt werden wie auf dem Glasinac. Zur Polugodišnjica und Godina kommen die Glisto gewohnlich obne Beitrage. I)ie Todtenmahle heissen hier „dace“. Ausserdem gehen die Verwandten noch einige Male auf das Grab, um es zu rauchem; manchmal mit einem Geistlichen, der das Grab mit Wein zu begiesson bat. 2. In der Stadt. In der Stadt gehen am 3. Tage nur die Weibcr mit dem Geist- lichen auf den Friedhof. Die Sedmica wird in der Stadt nieht gehalten. Am 40., Halb- jahros- und Jabrestag wird hier das Todtenmahl in der Kirche unter geistlicher Assistenz abgehalten. y) Um Gorazda. Die Bauern um Gorazda halten die Trecina, Cctrdcsctnica, Po¬ lugodišnjica und Godina; die Stadter lialtcn anstatt der Trecina die Sedmica, das Uebrigc wie die Bauern. d) In Gacko (Trečina, Sedmina, Cetrdesetnica und Godišnjica). Am 3. Tage nach dem Begrabnisse wird zuerst die Todtenmesse („opijelo i< ) in der Kirche abgehalten. Die Weiber aus dem Sterbehause gehen dann auf den Friedhof, um dic Todtcnklago anzustimmen. War der Verstorbene der Hausvorstand oder sonst ein Envachsener, so schneiden sie sich aus Trauer um ihn das Haar ab und binden es auf das Grab- krcuz. Ausserdem licften sie noch allerlei Tiichclchcn auf cine Stange oder auf das Kreuz. Zum Beklagen des Todten gibt es hier sehr gewandte Klageweiber, die des Seligen Tugenden und guto Handlungen im nationalen „deseterac“ (Zehnsilbenmaass) besingen. Ferner fragen sic ihn, ob ihm die Erde leicht, ob die Kopfunterlage ctwa zu hart sei; weiters ob er zu ešsen und zu trinken habe, ob er sich nach Vater, Mutter, Verwandten etc. sehne. Nach Beendigung der Todtenklage trinken sic etwas Branntwein und essen Obst. Vom Grabe gehen sie ins Haus des Verstorbenen, wo man ihnen mit Kaffee und Schnaps aufwartet. Am 7., 40. und am Jalirestage gehen die Weibcr nacli der Seelen- messe abermals in das Haus des Verstorbenen, wo sie wieder mit Kaffee und Brannt- wein bewirthet werden. Das Haupttodtenmahl, das auf dem Lande abgehalten wird, ist dic Sedmina. Dicses Todtenmahl muss gerade nicht am 7. Tage, wie es der Name sagt, sondern kann auch frtther oder spater abgehalten vorden. 1 ) Zu diesem Todtenmahle versammelt sich das ganze Dorf. Gegessen und getrunken wird da im Ueberfluss. Weil dieses Todtenmahl tlicuer kommt, konnen es nur die Beichen geben; die weniger Bemittelten laden blos auf Kaffee und Branntwein ein. Diese Mahlc gibt die Familie des Verewigten der Verwandtschaft. Was geben aber die Venvandten der Familie des Verstorbenen? Sie bringen derselben an den ersten Abenden nach dem Tode abwechselnd das Essen. Dies dauert so lange, bis alle Verwandten an die Keihe gekommen sind. Gcwohnlich geschieht es jedoch nur drči oder sieben Abende, je nachdem die Familie eine kleinere oder grossere Verwandtschaft bat. Zu diesen Abendmahlzeiten wird die niichste Sippschaft geladen; hicbei, wie auch bei der Sedmina, und am Grabe, werden Trinkspruche folgenden Inhalts ausgebracht: *) Audi bei den Slovenen heisst jet/.t „sedmina“ das Leichenmahl iiberiiaupt. Dio Sedmina wird bei ihnen entvvedcr sofort nacli dem Begriibnisse, oder 1 / 2 Jahr darauf, oder auch friiher oder spiiter, \vie es gerade Zeit und VermSgensumstande erlauben, abgehalten („služiti sedmino"). [ 411 ] Lil e k. Volksglaube und volkstliiimlicher Cultus in Bosnicn und der Hercegovina. n „Wer ins Jenseits geAvandert, dessen Seele moge Gott ins Paradies versetzen; den Ilinterbliebenen aber gebc or Leben und Gesundheit." s) In Sarajevo (am 3., 7. und 40. Tage, nach 1 / 3 und 1 Jahre). In Sarajevo gelit man am 3., 7., 40., 1 / 2 Jahres- und Jahrestage nach der Beerdigung auf den Friedhof, zlindot am Grabe eine Kerze an, rauchert es und betet ftir die Seele dcs Verstorbenen. Hierauf isst und trinkt man „fur den Frieden der Seele". Ausserdem besuchen sie hier noch ofters das Grab, um es zu begiessen und zu rauchern. (Gelegentlicli einer Beerdigung sah ich, wic ein Weib dem Gcistlicbcn nach vollzogener Einsegnung das Weihrauchfass wegnahm, damit zu den Grabern ihrcr nachsten Venvandten eilte, jedes der Graber einraucherte, von jedem Grabe mit der linken Hand etwas Erde aufliob und sie dann wieder auf das Grab fallen liess.) rj) In Zenica. Am 3. Tage nach dem Begrabnisse geht ein Weib aus dem Sterbehause auf das Grab, ziindet dort eine Kerze an, rauchert es, betet und Aveint. Den 7. und 40. Tag wird Banalna in die Kirche getragen, avo der Goistliche zuerst den Parastos (eine Art Todtenfeier) halt; hierauf geht er auf das Grab, begiesst es mit Wein und berauchert es. Das Gleiche gcscliioht nach einem halbon, einem Jahre ■und zur Zeit der Allerseelentage. (5 j In der Posavina (am 3., 7. und 40. Tage, nach 2 3 / 2 und 1 Jahre). GeAvohnlich Averden in der Posavina die Todtenmahle am 7. und 40. Tage, nach 1 / 2 und 1 Jahre gegeben. An mancben Orten begehen sie auch die Trečina. In den Stadten ti-agen sie • an dicsen Tagen Koljivo in die Kirche, welches geweiht und dann vor der Kirche vertheilt Avird. Was tibrig bleibt, das essen die Hausgenossen auf. Bekannte und Freunde ladet man auf Kaffee und Branntwein. In den Dorfern geht es an diesen Tagen sehr luxurios und frohlich zu. Schweine, Haus- und Perlhtthner Averden geschlachtet; Getranke und Zukost gibt es im Ueber- fluss, auch der Gesang fchlt nicht. Die Todtenmale heissen hier auch „karmine". 2. Allgemeine Todtenmahle fiir die Verstorbenen am grossen Freitag (1. Freitag nach Ostern), am Marcustag und Spasovdan. Die Orientaliscli-Orthodoxen gehen am grossen Freitag, am Marcustage und am Spasovdan auf die Graber ihrer Todten. Da beten sie zuerst fiir die Seelen, dann lagern sie auf den Grabern oder etAvas scitvvširts, essen gefarbte Eier, Kolačen und gebratenes Fleisch und trinken Wcin oder BranntAvein. Eier und Kolačen legen sie auch auf die Graber. Spatcr kommen Arme und nehmen sie mit den Worten: „Gott verzeihe ihm seine Slin den. “ Die orientalisch-orthodoxe Kirche setzte an die Stelle der Sedmina, Cetrdesetnica, Polugodišnjica und Godišnjica zur Erinnerung an die Verstorbenen vier Allei’seclentago, Avelche vor dio vier grossen Fasten fallen, und zwar vor die Oster-, Petri-, Grossfrauentag- und Weihnachtsfasten. Die Allerseelenfeier begeht man am Samstag vor jedem Fasten, z. B. die osterlichen Allerseelen am Faschingsamstag, die Aveihnachtlichen am Samstag ZAvischen dem Demetrius- und Erzengeltage. An diesen Allerseelentagen tragen die Sarajevoer Panaliia und Kerzen in die Kirche, und zAvar so viel Kerzen und so viel IJande voli Panahia, als Todte zu be- Aveinen sind. In der Kirche erinnert man sich aller Todten. Nach der kirclilichen Ceremonie gehen die einzelnen Familien auf den Friedhof, avo die Todtengcbete ver- richtet, die Graber begosson und gerSuchert Averden. In der Posavina Averden die Allerseelen ahnlich begangen Avie in Sarajevo. In der Gemeinde Sokoloviči (Glasinac) foiort das Volk geAvohnlich nur einen Allerseelentag und ZAvar im Winter gegen Ende Februar, acht Tage vor den grossen 12 II. Volkskunde. [ 412 ] Fastcn. Dicse Feier vollzieht sich auf folgende Art. Am Morgen des Allerseelentages vertheilen der Hausvorstand und die Hausfrail an die Hausleute, die an diesem Tage sehr friih aufstehen, Wachskerzen. Jeder von den Hausgenossen widmet die erhaltene Kcrze einem seiner nachsten verstorbenen Verwandten, z. B. dem Vater, Mutter oder Bruder, zlindet sie an und stellt sie dann an die ostliche Zimmenvand. Hierauf beten Alle. Nach Sonnenaufgang gehen der Hausvorstan d, die Hausfrau und noch ein Erwachsener auf den Friedhof; dahin nehmen sie eine Flasche Branntwein, Fleisch, rundliche Kuchen („kolači“), Sahne und andere Speisen mit. Das Gleiche thun auch andere Fa- milien. Nachdem sich Alle versammelt, ziinden sie auf den G rab er n ihrer Angehorigen Kerzen an, rauohern die Graber mit Weihrauch und beten zu Gott ftir die Seelen der Verstorbenen. Nach dem Gebete setzen sich Alle zusammen, stellen die Speisen und Getranke auf den Rasen oder ein ausgebreitetes Leintuch und essen und trinken nun gemeinsam „auf das Wohl der Hingeschiedenen“. Die Speisellberreste — es wird so viel mitgebracht ; dass kaum die Halfte aufgegessen werden kann —• -vverden ge- sammelt und unter den Armen vertheilt. Um Gorazda feiern sie auch nur cinen Allerseelentag, und zwar ebenfalls eine Woche vor Beginn der osterlichen Fasten. Die Graber der Verstorbenen werden an diesem Tage berauchert, beleuchtet und mit Wein begossen. c) Das Aeussere der Graber und die Ausschmuckung derselben. Die Graber der Orientalisch-Orthodoxen haben verschiedenes Aussehen. Auf dem Glasinac z. B. bedeckt man die Graber nur mit Rasen. An anderen Orten gibt man an den Seiten sogenannte „oklopnice“, d. h. steinerne Seitenwande aus je einem oder mehreren Steinen; inmitten des Grabes hauft man dann Erde auf und beraset diese. I 11 Trebinje werden Steine auf das Grab gewalzt. Am Kopfende pflanzt man zwei Reben und zwischen sie einen Staram, an dem die Reben festgebunden wcrden. Andere steclien eine Stange ein und binden an sie allerlei farbige Tiichelchen. Ausserdem pflanzen sie verschiedene Blumen auf das Grab. Im Ljubinjer Bezirk schmiickt man die Graber gewolinlich folgender- weise. Die auf dem Grabe eines K in des eingesteckte Stange wird nur mit ein er Marama geziert; das Grab eines Jilnglings schmiickt man mit mehreren Maramas und Cevrmas; ist es aber das Grab einer Jungfrau ; so werden an die Toljaga (Stange) eine Men ge Maramas und Čevnnas gehiingt, auf die Stangenspitze ein rother Apfel gesteckt und eine Fesquaste und Halslcctte („džerdan“) daran gebunden. Solcher ge- schmuckter Stangen gibt es auf einem Madchengrabe auch 3—4. Die Halskette wird an maneken Orten statt am Grabe in der Kirche vor dem Muttcrgottesbilde aufgehangt. Sehr oft wird auf das Madchengrab noch eine Rose gepflanzt. Die Graber Ver- heirateter werden gewohnlich gar nicht geschmuckt 7 sondern es wird ihnen nur ein spitziger Stein am Kopf- oder Fussende gesetzt (oder anstatt des Steines am Kopfende ein Kreuz ; und das nur von dem, der es vermag). Auf dem Fricdhofe tiberliaupt werden Weiden, Linden, wilde Kastanien, Nuss-, Aepfel- und andere Obstbaume gepflanzt. In der Nahe von Kalinovik, rechts vom Reitwege nach Trnovo, sah ich auf einem Friedhofe mehrere geschmtickte Stangen. Eine dieser am Kopfende der Graber auf- gepflanzten Stangen endete in eine fiinfzackige Gabel. Auf jeder Zacke war ein bereits vertroekneter Apfel aufgesteckt. Unterhalb waren Stlicke von Sclnveiss- und Kopftuchern, Haarlocken, Blumenstrausschcn und ein kleiner runder Spiegel in einer Blechkapsel. Aehnliches fand ich auch auf dem Friedhofe boi der Herzog Stjepans-Kirche un- weit Gorazda, niimlich: ein zerrissenes 1 ) Sacktuch, zwei verschiedene Arten von Cevras, - 1 ) Man zerreisst die am Grabe aufgehangten Kopf-, Schweiss- und Handtiielier, damit sie Niemand stelile. [ 413 ] Lil ek. Volksglaube und volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 13 Stiicke eines Unihang- und Handtuches, einen Spiegel, eine Fibel („bašlija la ), einen kragenartigen Halsschmuck (..jaka 11 ), einen Strauss aus Kunst- und einen aus Naturblumen, eine Quaste aus Papierstreifen und ein ins Haar zu bindendes Band („upletnjak“). Audi in der Umgebung von Sarajevo (von Lukavica gegen Kobiljdol) sah icli auf d en Grabern eingesteckte Štabe, geschmuckt mit zerrissenen bunten Schvveiss- und Kopftiichern, Haaren und Blumen. Selir oft fand ich da audi kleine irdene Weihrauclibehalter. Stirbt im Bezirk Iiogatica ein Jiingling oder eine Jungfrau oder tiberhaupt ein junges Geschopf, so tragen sie vor ihm ein Stangenkreuz, an dessen Spitze allerband Tiichelchen aufgehangt sind. Starb einem Weibe der Bruder, so sclmeidet sie ihr Haar ab und legt es auf dieses Stangenkreuz, das dann so geschmuckt am Kopfende des Grabes eingesteckt wird. In den Bezirken Zenica, Travnik und Županjac lassen sie die Tragbahre auf dem Grabe. In Črni lug (Bivanjsko polje) begraben sie die Todten in Hainen, und zvvar so, dass jedes Grab unter einen Bauni oder einen Busch zu liegen kommt. d) Trauertracht. In Sarajevo bezeigten frilher die alten Weiber ihre Trauer da- durcli, dass sie sich den Kopf mit weisser Leinwand uimvickelten. Im Leicbenzuge gingen sie gevvohnlich in einer vveissen An torij e einher. Diese trugen sie dann ein Jahr lang. Vierzig Tage lang verliessen sie nacli dem Begrabnisse nicht das Haus. Seit der Occupation hiilt man sich schon wenig an die Sitte. Mančke wenden noch den Fes, so lange die Leiche im Hause ist. In der Stadt ist jetzt Sclnvarz die vor- herrschende Trauerfarbe; in den umliegenden Dorfern bingegen uirnvickeln sie den Kopf noch immer mit einer vveissen „okruga 11 und vvenden vvahrend der Trauerzeit alle Oberkleider. In der Niilie des Wasserfalles „ Skaka vac 11 vervvenden die Weiber die iveisse Okruga fiir die kleine, die schvvarze fiir die grosse Trauer. In Ljubinje (Hercegovina) losen die Weiber ikre Haare auf und fleckten sie lkngere Zcit nickt (7—40? Tage). Die alten Weiber vvenden den Fes, die jungen den „gunjac“ (eine Art Oberkleid). Die Miinner rasiren sicli nicht, nelimen die Quaste vom Fes, umvvickeln den „tepeluk“ (der obere, gezierte Theil der Kappe) an der „zavratka“ (der bekannten sckwarzumrandeten Kappe der Montenegriner und Siid- hercegoviner) mit schvvarzem Tucli oder Sammt; ferner wenden sie den „džemadan“ (eine Art Weste), „koporan“ (eine Art Oberkleid mit Aermeln) oder tiberhaupt ein oberes Kleid. Im Sterbehause darf mindestens ein Jahr lang Niemand singen. Stirbt in Mostar oder Gacko ein Hausvorstand, so gekt sein Weib 1—3 Jalire nickt aus dem Hause. Trauerfarbe ist hier neben Sclnvarz auck Weiss, aber Ersteres nimmt jetzt mehr und mehr tiberhand. Auck in Fača bedecken die Weiber den Kopf mit einer weissen Okruga, die Miinner wenden die Oberkleider und nelimen die Quaste vom Fes. Im Sterbehause wird ein Jahr lang nicht gesungen. Stirbt in der Posavina der Hausvorstand, so vverden zu den ersten Ostern nacli dessen Tode keine Eier gefiirbt. Die sclnvarze Trauer dauert 40 Tage. Die Weiber bezeigen ihre Trauer: 1. indem sie ihr Haar auflosen und es eine bestimmte Zeit lang nicht flecliten; 2. indem sie den Schmuck ablegen; 3. indem sie iveisse Trauerkleider (in den Stiidten zumeist sclnvarze) anlegen; das Geivohnlichste ist, x ) heisst sie deshalb, weil sie mit einem Metali- oder Steinkopf („baš“ — Kopf) ge- sclimiiekt ist. 14 II. Volkskunde. [414] dass sie eine weisse Binde ura den Kopf binden; 4. sie wenden den Fes, „gunjac“ und die „6urdija“ (ein kurzer Pelzrock); 5. sie singen niclit im Hause; G. sie hei- raten niclit. Die Miinner drticken ihre Trauer aus: 1. indem sie sicli 40 Tage nach dem Todesfalle weder das Haupthaar schneiden noch rasiren lassen; 2. indem sie jeglichen Sehmuck, auch die Quaste vom Fes, ablegen; 3. das r o tli e Tu eh, mit dem die Bauern den Fes umwickeln, vertauschen sie mit einem \veissen (die Stftdter legen sehon ge- •vvohnlich die scliwarze Trauerfarbe an); 4. sie wenden die Oberkleider; 5. sie singen niclit im Hause; G. sie heiraten niclit. B. Bei den Katholiken. 1. Verabsehiedung und Aussohnung auf dem Todtenbette. Auch bei den Katholiken ist es gebrauchlich, dass sich der Sterbende mit seinen Verwandten, Freunden und Feinden aussohnt und sich von ihnen verabschiedet. Stirbt Jemand plotzlich, so verkiindet der Geistliche am nachsten Sonn- oder Feiertag der versammelten Gemoinde: „Es starb N. N., er bittet Alle um Vei'gcbung“, worauf das Volk die Antwort zu geben pflegt: „Gott verzeihe ihm! Friede seiner SeeleP 2 . Verfaliren mit dem Todten sofort nacli dem Tode. a) Sterbekerze und Bad. Sobald der Sterbende scinc Seele ausgehaucht hat, wird eine Kerze angeziindet (an manchen Orten auch friilier) und der Todte in ivarmem oder kaltem AVasser gebadet. Der Kamni und die Seife werden an einen Ort geworfen, wo sie Kiemand finden kann. b) Ankleiden und Schmiicken der Todten. Der Todte wird mit reiner AVilsche und reinen Kleidern bekleidet. Starb der Hausvater, ein Jungling oder ein envachsenes Madchen, so wird der Todte etwas besser angezogen und geschmticlct. c) Aufbahrung. Den Todten legt man auf eine Hasura (Strohmatratze) oder auf Polster in die Mitte des Zimmers. Dass er mit dem Gesichte nacli Osten gekehrt sein niuss, darauf sehen die Katholiken niclit mehr. d) Beklagen des Todten. Die Todtenklage wird angestimmt, so lange der Todte noch auf der Bahre liegt, dann im Leichenzuge und am Grabe. Die Klage fuhren Weiber aus der Verwandtschaft (z. B. in Ljubuški und Banjaluka). Ist ein Jungling gestorben, so klagt die Mutter z. B. folgenderweise: „Ach Ivo, du racine Sonne, zu schnell bist du mir untergegangen! Du warst der Mutter Stolz! Und jetzt? Deine Genossen und Genossinnen keliren nacli Hause zuriick, und du Armer bleibst allein in der kal ten Erde!“ Ist der Todte ein Madchen, so lautet die Welildage der Mutter beilautig so: „Du Kose, du warst des IJauses Stlitze! Herrlichster der Sterne, du bist nun fiir immer untergegangen! Wer wird jetzt der armen Mutter das Wasser bringen, wer ihr das Holz spalten, wer ihr Feuer machen? O du mein Basilicum aus dem grtinen Garten! Friih bist du aufgebliiht, aber leider auch zu schnell fiir die Mutter verwelkt!“ e) Todtenwache. Die Romisch-Katholischen bewachen den Todten aus denselben Griinden wie die Orientalisch-Ortliodoxen, [ 415 ] Lil ek. Volltsglaube und volksihlimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 15 f) Leichenschmaus. Ich babe vernommen, dass die Katholiken im Bezirk Ljubuški im Lcichenhause „auf das Wolil der Seele“ essen und trinken. Von einem andcrn Orte ist mir dies noch nicht erziihlt worden. g) Stellvertretungsopfer. Audi die Katholiken schlachten eine krfthende Henne aus den gleichen Grtinden wie die Orientalisch-Orthodoxen, und zwar ebenfalls an der Hausschwelle, ob sich nun ein Todter oder Kranker im Hause befindot oder nicht. Dass auch die Katholiken Wasser und Speisen aus dem Leichenhause rvegschtitten und das Feuer ausloschcn, ist mir noch nicht mitgetheilt worden. 3. Bestattung. a) Leichenzug. Die Manner tragen abwechselnd den Todten, auf dem Lande auf der volkstluimlichen Tragbahre („nosila“) oder auf einer Leiter („merdevine“), die Weiber gelien weinend und wehklagend im Zuge einher (z. B. in Ljubuški und in Banjaluka). In Bugojno gelien die Weiber selten mit der Leiche; gewohnlich geht nur ein altes Weib mit ; um auf dem Grabe mit Speisen und Getranken aufzuwarten. b) Beerdigung, das Innere des Grabes. Bei der Beerdigung gibt man Acht, dass die Erde den Todten nicht drticke. I)as Grab wird demnach innen ahnlich dem der 0rientaliscli-0rthodoxen ausgemauert. Lis Grab geben die Katholiken nur gervcihtes Wasser. c) Reinigung des Todtenhauses. Die Katholiken r&uchern das Haus, wenn der Todte fortgetragen ist, mit Weihrauch. d) Leichenmahl auf dem Grabe. Zugleich mit dem Todten tragt man Speisen und Getranke auf die Grabstiitte, um dort essend und trinkend des Verstorbenen zu ge- denken. Einige sagen ; dass man zu diesem Beerdigungsmahle alle Bekannten und Leicliengaste einladen muss, wenn man nicht als Geizhals gelten will. Im Županj acer Bezirk vertlieilt man Zuckcrwerk, Kuchen und Ohst unter die Kinder. 4. Verkehr ztviselieii dem Begrabenen und seiner Farnilie. a) Aufenthalt der Seele nach dem Begrabnisse. Wenn 40 Tage nach der Grablegung ein Vogel oder ein Schmetterling ins Zimmer, wo der Todte gelegen ist, geflogen kommt, so ist dies cin Zciclien, dass dem Todten Jemand nicht verziehen h ah e, oder dass ihn etwas in der andern Welt driicke. Zur Beruhigung der Seele werden dami Mcssen gelesen. Wenn sich jedocli der Vogel oder Schmetterling hernach noch immer z eigt ; so beschworen sie ihn bei Gott und allen Heiligen, dass er doch sage, was ihm fehle. Man glaubt namlich, dass die Seele des Verstorbenen, wenn sie etwas driiclct, die Gestalt eines Vogcls oder Schmetterlings annimmt und so den Angehorigen erscheint, um sie derart zu erinnern, dass sie Messen lesen lassen oder zur Beruhigung der Seele etwas Anderes thun mogen. In Banjaluka nimmt die Erscheinung nicht Vogel- oder Schmetterlings-, sondern Menschcngestalt an, gehullt in weisse Kleider. Erblickt man soleh einen Geist, so muss man sich sofort bekreuzigen. Verschwindet die Erscheinung darauf, so war es der 1 e ul el; luilt sie aber dem Kreuze Stand, so ist es die Seele des Verstorbenen, welche ctivas rviinscht. Diese muss man bei Gott und allen lleiligon besclnvoren, dass sie sage, was sie wtinsche. Auf eine solelie Beschworung wird die Seele ilire Wiinsche kundthun, z. B. dass dem Nachbar die >Schulden bezahlt werden miigen, die der Ver- schiedene nicht beglichen habe; dass man Einen um Verzeihung bitte, vvelcher dem 16 II. Volkskunde. [ 416 ] Verstorbenen nicht verziehen babe; oder dass man fur sie musikaliscbe oder stille Messen lesen lasse. Wenn nun Derjenige, dem der Geist erschienen ist, alle vor- gebraehten Wunsche und Bitten zu erfilllen verspricht, so verwandelt sicli der Geist in eine weisse Taube und entfliegt zum Himmel. Der Glaube, dass sicli die Seele des Beerdigten noch einige Zeit in der Niilie seiner Kleider aufhalte, drilckt sicli im folgenden Brauch aus. In Banjaluka bilten sie die Kleider des Verstorbenen wie Reliquien und singen bei ibnen die Todtenklage. Gewohnlich werden alle Kleider des Dahingeschiedenen zusammen in einen Koffer gesperrt. Dieser wird dann an einem Orte aufbewahrt, wo selten Jemand hinkommt. Die Mutter oder Gemalilin des verstorbenen Mannes iiffnet ibn ; wenn Bekannte oder Frennde zu Besuch kommen, und zeigt diesen dann Stiick fur Stilck aus dem Koffer. Bei dieser Gelegenheit kilsst sie die Kleider und benetzt sie mit ihren Thranen, ferner erwabnt sie dabei die guten Eigenschaften des Entschlafenen, z. B.: „Diese Weste bat die Brust rneines Sohnes bedeckt, geborgen sein Herz ; das rein wie ein Thautropfen und beli wie die Sonne am Himmel war!“ b) Spatere Todtenmahle („dače“). Die Tredna, Sedmina, Četrdesetnica, Polugodišnjica und Godina konnte icb bei den biesigen Katholiken nirgends melir finden. Es seheint, dass die Franziskaner diese kostspieligen Scbmausereien zum Woble des katboliscben Volkes schon ganz in Vergessenheit gebracht haben. c) Das Aeussere der Graber; Schmiicken und Ausstattung derselben; das Beten am Friedhofe fur die Seelen der Verstorbenen. An maneken Orten werden die Todten in Hainen begraben, z. B. in Ljubuški und Bugojno (Marica groblje). Die Graber werden mit grilnem Rasen geziert. Am Kopfende rvird gewohnlich das Denkmal (ein bolzernes oder steinernes Kreuz) gesetzt. An das Kreuz iverden Blumcnkriinze, Kopftticher, ki eine H and tli c h er u. dgl. geliangt. Die Verwandten kommen fast jeden Feiertag auf das Grab, beltr&nzen das Kreuz und befestigen daran Birnen und Aepfel. In Kreševo gelit man be- sonders am Cbarsamstag friih Morgens auf den Friedbof um ftir die Seelen der Ver¬ storbenen zu beten. Das thun sowolil Manner als auclv Weiber. Ausserdem gedenlcen sie der Verstorbenen, so oft sie an ibren Grabern vorubergeben. d) Trauertracht. Die katholischen Weiber geben ihrer Trauer Ausdruck, indem sie: 1. ibr Haar auflosen (z. B. in Ljubuški); 2. den Scbmuck ablegen; 3. den Fes unter dem Jašmak (Frauenkopftuch) wenden, desgleicben das obere \veisse Kleid (in Ljubuški); 4. sicli sclnvarz kleiden; 5. zu Hause nicbt singen. Die Manner bezeigen ikre Trauer folgenderart: 1. sie wenden den Fes und die anderen oberen Kleider; 2. sie singen nicbt zu Hause. C. Bei den Muhamedanern. 1. Aussolinung auf dem Todtenbette. Der sterbende Muhamedaner ruft seine ganze Venvandtschaft, damit er sicli von ibr verabschiede und mit Allen aussolme. Wer zu ibm kommt, bittet aucli ilm um Verzeihung. Erinnert sicli der Sterbende, dass er sonst Jemandem cin Leid zugeftigt, so lasst er aucli diesen zu sicli an das Todtenbett rufen und bittet ibn um Verzeihung; denn aucli die biesige muhamedanische Bevolkerung glaubt, dass sicli die Seele nicbt friiber vom Leibe trennen kbnne, als bis dem Sterbenden Jeder verzieben babe. Audi [ 417 ] Lilelc. Volksglaube und volksthilmliclicr Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 17 das Volkslied bezeugt dies. Die sterbende „Zaova“ (Schvvagerin) verflucht die „nevjesta“ (junge Frau) Ali-begovica. Als auch fiir diese die Sterbenszeit kommt, kann sicb ikre Seele niclit vom Leibe trennen, desbalb bittet sie, dass man sie an das Grab der Schvvagerin trage. „Als sie in des Grabes Nahe kamen, Aus dem Grabe eine Stimme tOnte: Die Verfluchte traget niclit liieher Eh’ sie nieht genug vom Schmerz gebeugt istl“ („Kad su bili na domak turbeta, Iz turbeta sitan avaz dodje: Prokletinju ne nosite amo, Dok je dosta ne ubije jada!“) Man trug dann die Sterbende ins Gebirge, das Gebirge vvollte sie auch nieht auf- nehmen; man trug sie ins AVasser, das AVasser spilite sie aus. Nun brachte man sie abermals zur Schvvagerin. Soba! d ihr diese verziehen, trennte sich sofort ihre Seele von der leibliclien Htille. AVie viol die muhamedanische Bevolkerung Bosniens und der Hercegovina auf die AussOhnung am Todtenbette halt, kann man auch aus der drolienden Redensart ersehen: „Ich vverde sterben, aber verzeihen vverde icb dir niclit! 1 ' („Umriječu, lialalit ti neču!“) 2. Verfahrcn gleich nach dem Tode. a) Der Todte wird gewaschen; dem Aufgebahrten ziindet man am Kopfende eine Kerze an; Nase, Ohren und Mund verstopft man mit Baumwolle. Befiillt den Kranken der Todeskampf, so benetzcn sie ihm den Mund mit feuchter Baumwolle. Der Todte wird im „tenešir £ ‘ (AVaschtrog) mit heissem AVasser gewaschen. Die mannlichen Todten wžischt der Hodža ; die vveiblichen eine Bula (AVeib ; Lelirerin). In der Nacht wird am Kopfende eine Kerze angeziindet. Bei den Muhamedanern ist es Braucli, dem Todten Bauimvolle in die Nase und die Ohren zu steclcen ; auch in den Mund, wenn er nieht geschlossen ist. Einigc stecken sie auch zvvischen dic Finger und Zehen. b) Bekleiden und Schmiicken der Todten. Dem Todten zieht man zuerst ein weisses Hemd an. Dann wickelt man ihn in ein Leintuch, das am Leibe mit Giirteln festgehalten ' v >rd. Ueber alles das kommt nocli ein zweites Leintuch, das liber dem Kopfe zuge- bunden wird. Der Kopf eines weiblichen Todten wird ausserdem nocli mit einem „čember“ (Kopfscbleier aus iveisser Leimvand oder weisser Baumwolle) verhtillt. In Sarajevo schmiicken sie Jiinglinge und Jungfrauen. Zu beiden Seiten der Bahre werden Čevras und Jagluks (gestickte Sclnveisstiicher) gelegt. Bei Jungfrauen wird der Kopf mit einer „čatkija“ (dtinner Kopfschleier aus rother Seide), 1 ) die Fusse mit emer Anterije (Unterldeid mit Aermeln) bedeekt. Das Kopfende wird beim Jiingling und bei der Jungfrau mit einem Blumenstrauss (gewohnlich llauten) geschmtickt. c) Lage des Todten. Der Todte wird in die Mitte des Zimmers derart gelegt, dass seine rochte Gesichtsseite gegen Mekka gekehrt ist. d) Todtenklage. Diese hat sicli nocli bei den Muhamedanern im Gackoer Bezirk erhalten (ferner in Nikšibi in Montenegro). Sobald Jemand verschieden ist, bringt man *) Diesen Kopfschleier tragen Briiute und neugeborene Kinder. Auch bei anderen feierliclien An- lassen wird er venvendet. In Sarajevo nimmt jedoch seine Verwendung melir und mehr ab. Band IV. 27 18 II. Volltskunde. [ 418 ] seme Kleider in die Mitte des Zimmcrs. Um dieselben versammeln sicli jetzt alle Ver- \vandten und Nadiham. Die „jadika“ (das Klageweib) oder der „jadikovac“ (Bejammerer) fallt vor den Kleidern auf die Kniee nnd beginnt die Todtenklage, z. B. (ehedem); „0 du arine r, unseliger Mujo! Warum liast du das Haus vereinsamt gelassen? Wie werden deine Kinder ohne Vater ihr Leben fristen? Wer wird kunftighin die Junaken- scliaar fiihren und den Walachen (Orientalisch-Orthodoxen) im Engpass auflauern? Wer wird kiinftighin abgeschnittene Kopfe nacli Hause bringen? Wer wird die Sdiafe und Rinder heimfuhren? Wann kanu die Mutter einen Solin emvarten, ihn an deine Stelle setzen und ihm deine Waffen iibergeben?“ Daraufhin werden die Heldentbaten des Verstorbenen der Reihe nacli aufgezahlt, wo er llberall herumgestreift, \ven er besiegt und erschlagen u. s. w. Alle Manner und Weiber im Kreise vremen, nur das gemietliete Klagevreib bleibt ungeriihrt. e) Todtenwache. Diese halten auch die Muliamedaner selir genau. In Petrovac steckt man am Kopfende des Todten ein Messer in den Fussboden, damit er sicli nicht in einen Vampyr v er vran dl e, wenn tiber ihn zufallig ein Thier springen oder schreiten solite. Springt jedoch oder gelit das Thier den gleichen Weg vvieder zuriick, so ist nach der Meinung Einiger die Vervvandlung unmoglicli. Wenn sie glauben ; dass der Verstorbene als Vampyr das Haus beunruhigen vverde, so ver- schliessen sie (z. B. in Petrovac und Vlasenica) die erste in das Haus fuhrende Thtlre mit einem spitzigen Weissdornkolben. f) Todtenhalva. In Petrovac bereitet man nocli heute sofort nach Eintritt des Todes die sogenannte Todtenhalva (eine siisse Mehlspeise) und vertheilt sie unter die Nachbarn. Auch in Sarajevo pflegte vor gar nicht langer Zeit nocli das Gleiche zu geschehen. g) Ausloschen des Feuers, Wegschiitten von Wasser und Speisen. Wenn im Hause ein Todesfall eingetreten ist, so pflegt man in Nevesinje sofort das Feuor auszuloschen, die Holzscheite wegzuwerfen ; alles Wasser auszugiessen und die vorhandenen Speisen vvegzuschtitten. In Bihač giesst man nur das Wasser aus. In Žepce, Stolac und Sara¬ jevo wird den Bevvohnern des Leichenhauses das Essen 2—3 Tage von den niichsten Verwandten oder Bekannten gebracht. h) Stellvertretungsopfer. Dem aufgebahrten Todten wird am Kopfende ein Gc- fiiss mit Mehi, in das mehrere Unschlittkerzen gesteekt sind, hingestellt. Am niichsten Morgen ivird beides unter die Armen vertheilt. Starb ein unbeschnittenes Kind, so wird ihm ein Finger gebrochen (z. B. in Sarajevo und Vlasenica), falls sicli statt des verstorbenen nicht ein anderes Kind be- sclmeiden liisst. 3. Bestattniig. a) Leichenzug. Bei den Muhamedanern gelien blos die Manner mit der Leichc und tragen sie abwechselnd. b) Beerdigung und das Innere des Grabes. In Sarajevo wird der mannliche Todte in blosser Erde, der iveibliche in einem Holzsarge begraben. In Vlasenica wird der mannliche Todte nur danil in einem Sarge beigesetzt, wenn sicli im Grabe viel Wasser betindet. In Petrovac werden \veder fur Manner nocli fiir Weiber Sarge venvendet. In Nevesinje wird ein Beg auf einer Hasura in die Erde gelegt. An den Seiten des Grabes werden Sttitzen angebracht, damit die Erde nicht auf den Todten falle. Ins Grab 'vird kein Schinuck vergraben, sondern dieser wird dem Imam oder Muezin gegeben. [419J Lil ek. Volksglaube und volkstliumlicher Cultus in Bosnien und (ler Hercegovina. 19 c) Reinigung des Todtenhauses. Die Stelle, wo der Todte gebadet vurde, wird mit Wasser gereinigt, damit es da nicht geistere. Das Zimmer oder der Ort, wo der Todte gelegen, vird mit AVasser besprengt oder gevaschen, damit die Seele niclit zuriickkehre. Die Kleider des Todten und ali Dasjenige, vorauf er gebettet war, vird gewasclien. Die Kleider gibt man dami den Armen. In Jezero vird, wenn der Todte auf den Friedhof getragen wird, das Zimmer ausgekehrt. Der Besen wird weggeworfen, damit er niclit vieder vervendet verden konne. d) Essen nnd Trinken nach der Beerdigung; Austheilung von Halva (Znckerwerk) und Somuni (Brotlaibe). In Skoplje und Presjenica wird nach der Beerdigung ein gutes Mahi und Kaffee servirt. An anderen Orten vird in reichen Hausem Halva bereitet und zugleich mit den Somuni unter die Nachbarn und Armen vertheilt. Von dieser Todtenhalva und diesen Todtensomuni muss jeder nehmen, dem sie angeboten wird, mag er sie hcrnach auch vegrverfea; denn es vare cine grosse Slin de, nichts davon anzunelnnen. 4. Verkelir zwischen dem Todten und seiner Familie. a) Aufenthalt der Seele unmittelbar nach der Grablegung. Audi die bosnischen und liercegovinischen Muhamedaner glauben, dass die Seele des Verstorbenen bis zum 40. Tage nach der Beerdigung ifts Haus zuriickkehren konne. Auf diesem Glauben berulit: 1. die Todtenklage bei den Kleidern des Begrabenen; 2. dass eine Kerze oder Lampe in demjenigen Zimmer brennt, in welchem der Todte gelegen, und zvar durch 40 Tage und Niichte bei reichen, 3 oder 7 Nachte bei armen Familien. Anderc schicken durch 40 Tage am Abcnd vor jedem Frcitag und Montag je cino Kerze in die Džamia. Hie und da vird auch auf dom frischen Grabe eines „beruhinten“ Mannes eine Lampe angeziindet. Einige Familien schicken durch 40 Tage nach dem Begriibnisse einen Hodža, einen Knaben oder sonst Jemanden aus dem Hause auf das Grab des Verstorbenen, damit er dort aus dem Koran das Jasin-Gebet lese. b) Opfer und Todtenmale. A) Fiir den zuletzt Beerdigten. a) Geistige Spenden: Ge.vh.id-, Jasin-, Hatma- und Elham-Gehet. Das Wort „tevhid“ bedeutet „die Einheit (niimlich Gottes) preisen“. Der Zweck dieser Lobpreisung ist, das dadurch envorbene Verdienst Gott fiir die Seele des Verstorbenen darzubringen. Tevhid beten geviihnlich Frauen. Als vor drei Jahren der Chatib der Kaiscr- moschee in Sarajevo starb, beteten Manner fiir ihn einen Tevhid, und zvar einen 70.000 fachen. Der veibliche Tevhid vird folgendermassen gebetet. Die Hausfrau des Stcrbe- hauses ladet alle benachbarten Frauen auf eine bestimmte Zeit zu sicli. Die ver- sammelten Weiber, unter denen venigstens eine Bula (Lehrerin) sein muss, setzen sicli im Kreise nieder. An der Spitze dieses veiblichen „Kolo“ sitzt die Bula. In die Mitte des VVeiberkreises vird ein grosses Tespi (Rosenkranz) aus 500—1000 nussgrossen Perlon gelegt. Die Bula und jedes von den IVeibern fasst mit der linken Hand cino Tespiperle und ruft dann: „La dlake ilh Allah! 1 ' Nachdem alle diese Worte ausgesprochen, ergreift cine jede, das Tespi nach rechts drehend, die zveitniicliste Tespiperle, und dann rufen sie abermals unisono: „La illalie dl’ Allah!“ 27 * 20 II. Volkskunde. [ 420 ] Das geht so fort, Lis sie den ganzen Tespi zu Ende geLetet haLen. Nach dem TespigeLet liest die Bula eine Stelle ans dem Koran. Hierauf verrichten sie die Dova. Schliesslich halt die Bula nocli irgend eine Moralpredigt. Nach Beendigung alles dessen trinken sie Kaffee und essen Kolačen. Das Tevhid-Gebet wird verrichtet: 1. am Begriibnistage; 2. am 7. Tag nacli dem Begriibnisse; 3. am 40. Tage nach dem Begrabnisse; 4. 1 / 2 Jabr nach dem Begriibnisse; 5. 1 Jahr nacli dem Begrabnisse. An beiden Bajrams geht der Muhamedaner in der Friihe, aus der Džamia heini- kehrend, auf das Grab des Verstorbenen und betet da das Jasin-Gebet. Zur Zeit des Kamazan wird filr einen „beriihmten“ und verdienstvollen Vater oder Grossvater die Batina, d. i. der ganze Koran gebetet (entweder von einer Person oder von mehreren, ' wenn das Koranbuch in Hefte getheilt ist). Kommt ein Muhamedaner, Mann oder Weib, an dem Friedhofe, wo der Vater, die Mutter, ein Bruder, eine Schwester oder sonst Jemand aus der Venvandtschaft begraben ist, vorliber, so steht er stili und verrichtet fiir die Seele des Verstorbenen das sogenannte Elham-Gebet (zuerst ftir den Propheten, dann fiir seinen Verwandten und schliesslich ftir alle anderen Verstorbenen). Materielle Opfer: Schlachtopfer; Vertheilung von Somuni, Halva und Kefarets; Anziindung von Kerzen oder Lampen, — dies Alles „filr die Seele des Verstorbenen Am Ivurban-Bajram schlaclitet der Solin seinem verstorbenen Vater oder seiner ver¬ storbenen Mutter, der Bruder dem Bruder oder der Schwester ein Opfer. Gewolmlicli \vird das Opfer (ein Schaf) einem verdienstvollen Vater oder Grossvater dargebracht, und zwar an jedem Kurban-Bajram. Hat der Verstoi'bene testamentarisch bestimmt, dass ihm ein Kurban geopfei't werden milsse, so ist der geopferte Widder „fur die Seele des Verstorbenen 11 unter die Armen zn vertheilen, sonst wird ,nnr das Blut dem Verstorbenen gereicht, das Uebrige hingegen von den Hausgenossen aufgezehrt. In Sarajevo pflcgt man die ganze linke Seite des geschlachteten Opfers den Armen zu geben, die rechte aber selbst auf- zuessen. In Jezero bei Jajce werden an den Abenden vor den beiden Bajrams Somuni und Halva „ftir die Seele des Verstorbenen 11 vertheilt. In Biha6 triigt man an diesen Abenden Halva und Pita (eine Art Mehlspcise) vor die Džamia und vertheilt sie hier unter die Kinder, ebenfalls „fiir die Seele des Verstorbenen 11 . Damit dem Verstorbenen scine Siinden verziehen werden, theilt man sogenannte Kefarets („čageta“) aus, d. h. so viel in Papier eingewickeltes Geld, dass sich dafiir ein Mensch einmal satt essen kann (namlich den Preis fiir 520 Gramm Weizenmehl). Diese Kefarets werden ausgetheilt: 1. an den ersten 7 Tagen nach dem Begriibnisse, und zwar je 7 an jedem Tage (es werden namlich in der Mahala die sieben iirmsten Familien ausgesucht, denen an jedem dieser 7 Tage je ein Kefaret gegeben wird); 2. am 40. Tage. Milde Gaben in Geld (1—20 kr.) werden unter die Armen auch zur Zeit der Bestattung entweder vor der Džamia oder am Grabe ausgetheilt. In Jajce bekommt jeder, der den Todten zum Grabe geleitet, eine solehe Gabe. Donnerstag und Sonntag Abends wird am Grabe des Verstorbenen eine Lampe angeziindet. B) Fiir alle Verstorbenen. a) Gebete. In Gebeten erinnem sich die Muha¬ medaner aller verstorbenen Venvandten: 1. so oft sie am Friedhof voriibergehen; 2. zur Zeit des Bajrams und Ramazans. [421] Lil ek. Volksglaube und volksthilmlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 21 fi) Kerzen. Kerzen werden ftir die Seelen der Verstorbenen in die Džamia ge- tragen: 1. Sonntag und Donnerstag Abends; 2. an den Abenden vor dem Bajram und dem Ramazan. In Sarajevo werden vor jedem Mubarek-Abend, deren es 4 gibt, gefarbte Kerzen ausgetlieilt. Der erste Mubarek-Abend fallt 2 Monate, der zvrnite 33 Tage, der dritte 15 Tage vor den Ramazan, der vierte auf den 27. Ramazanstag oder 3 Tage vor den Bajram. Das Farben der Kerzen kennt man nur in Sarajevo. Die Herkunft dieses Brauches wird folgendermassen erzahlt: Als der Sultan Fatih Mehmed Bosnien erobert hatte, wunschte er alle christlichen Bewohner Bosniens zu Muhamedanem zu machen. Dem widersetzten sich die Bewohner Sarajevos, angeblich, weil sie nicht von ihrem Brauch des Eierfarbens ablassen wollten. Um sie dennoch flir die muhamedanische Religion zu gewinnen, bewilligte ihnen der Sultan anstatt des Eierfarbens das Farben von Kerzen. Die gefarbten Kerzen konnen sie vor dem Mubarek-Abend entweder in die Džamia tragen, oder sie unter die Armen „fur die Seelen der Verstorbenen“ vertheilen. 1 ) e) Das Aeussere, Schmiicken und Beschenken der Graber. Die Graber der Muha- medaner werden gewolinlich in der Richtung von Siidwest gegen Nordost angelegt, damit die rechte Gesichtsseite des Todten gegen Mekka zu liegen kommt. Es gibt„jedoch sowohl in Sarajevo als auch an anderen Orten Graber in der Richtung von Westen gegen Osten und von Stiden gegen Norden. Die Muhamedaner pflegen ihre Todten noch in Hainen, in Obstgarten oder im Buschwerk zu begraben. Auf alten Friedhofen, z. B. bei der Alipascha-Moschee, ebenso neben der neuen Markthalle, kann man am Kopfende der Graber Baume eingesetzt linden; auch der iibrige Theil des Fricdhofes ist mit Baumen bepflanzt. An den Steindenkmalern erkennt man, ob in einem Grabe ein mannlicher oder weiblicher, ein junger oder alter, ein „beruhmter“ oder ein gewohnlicher Todter, ein verheiratetes oder unverheiratetes Weib bestattet ist. Das Grab eines Jtinglings und das einer Jungfrau wird an mehreren Orten ge- schmiickt; in Sarajevo mit einem Rautenstrauss, in Stolac und Nevesinje mit einer rothen Aspurlia (diinner, seidener Schleier), 2 ) wclche auf einen Štab gesteekt und so am Kopfende des Jungferngrabes befestigt wird. In Nevesinje wechselt man eine solehe Grabaspurlia jedes Jahr. In der Posavina und in Stolac pflanzt man Rosen und Pflaumenbaume auf das Grab. Im Dorfe Baljkovac im Skopljefeld schmiicken sie den auf das Grab eines jungen Madchens gepflanzten Pflaumenbaum mit Maramas, Aspurlias und Aepfeln. Auch in einem Dorfe bei Zenica sah der Gymnasialschuler Petrovič auf einem Mtidchengrabe einen Pflaumenbaum gepflanzt und fast jeden Zweig dieses Baumes mit irgend einem bunten Fetzen behangt. Auf das Grab legen die Muhamedaner noch das Mas s, mit dem sie das Grab ausgemessen liaben. d) Trauertracht. Obwohl das Scheri blos dem Eheweib das Trauern nach ihrem Manne erlaubt, trauern doch die hiesigen Muhamedaner noch heute nicht nur nach ihren Blutsverwandtcn, sondern mairchmal auch nach ihren Freunden. In Nevesinje wird blos der Vater, die Mutter und der Gemahl betrauert. Die inuhamedanischen Weiber aussern ihre Trauer, wie folgt: 1. Sie legen die rothgefarbten Kleider ab und kleiden sich nur in Weiss, oder an manclien Orten (z. B. J ) Ygl. diese Mitth., Bd. I, S. 434 f. 2 ) Die Aspurlia heften Weiber gew(5lmlich nacli der Niederkunft auf das Haar. 22 II. Volkskunde [ 422 ] in Sarajevo und Jezero) in Schwarz. In Neve sinje und Kladanj gilt es als Slinde, zum Zeichen der Trauer schwarze Kleider zu tragen. 2. Ducaten, Perlon, ilberhaupt jeg- licher Sehmuck wird abgelegt und mindestens 40 Tage, Avenn aber die Trauer gross ist, 1—2 Jahre lang nicht getragen. 3. Sie gehcn auf keine Hochzeit, verheiraten sich nicht, singen niclit, enthalten sich ilberhaupt jeglicher Festgeniisse. Die Manner bezeugen ihre Trauer: 1. durch Herabnchmen der Quaste vom Fes (in Sarajevo); 2. dadurch, dass sie nicht spielen, nicht singen, ilberhaupt keine Lust- barkeiten mitmachen. II. Verehrung der Elemente. 1 ) Heidnische Verehrung der Elemente hat sich bei der hiesigen Bevolkerung noch in voller Kraft erhalten. Die Elemente werden entweder direct durch allerlei Opfer geehrt, oder sie sind das Mittel zu korperlicher und geistiger Eeinigung und Heilung. Von den Elementen wird in erster Linie das Wasser, in zAveiter das Feuer und die Erde verehrt; aber aucli den verschiedenen Lufterscheinungen und Luftbewegungen zollt der Bosnier und Hercegoviner noch seinen religiosen Tribut. 1. Wassereultus. a) Onellen. Vom Wassercult ist insbesonders der Quellencult noch fast in voller altheidnischer Frische. Mit grosser Dankbarkeit werden heilkraftige Naturquellen durch allerlei Gaben geehrt. Daftir finden sich Belege an den namhaftesten Orten Bosniens und der Hercegovina, vom aussersten Siiden bis zur Save, von der Drina bis zu den Dinarischen Alpen. In Sarajevo und Umgebung. Die Beivohner von Sarajevo pflegen bei Fieber- krankheiten an die Quelle Mjedcnica („Groznicavica“, Fieberquelle) zu gehen. Nachdem sich der Kranke hier geAvaschen, hinterliisst er als Habe Geld oder ein Stiick von seinen Kleidern. Bei der Heimkehr darf er sich ja nicht darnach umsehen. —• Auct an der Česma in der Mjedenica pflegen die Sarajevoer Geld zu opfern. Im Hofe der Džamia in der Koševa (-Vorstadt) ist ein Brunnen, der „Jezero“ (See) heisst. In diesen Brunnen pflegen die AVeiber einigc Kreuzer zu werfen, wenn sie sich daraus Trinlcvvasser liolen. Plieher kommcn auch allerlei Kranke, Manner und AVeiber muhamedanischen und christlichen Bekenntnisses waschen sich mit dem Brunnen- wasser und opfern dann an Ort und Stelle Geld. In der Drvenija-Medresse sah ein hiesiger muhamedanischer Gymnasialschuler, A\ r ie cin muhamedanisches Madchen in den Brunneneimer, nachdem es damit AVasser geschopft, ein Vierkreuzersttick Avarf. Vom Pišci-Quell enAvasser, oberhalb der Ziegeleien am linken Miljackaufer, trinkt Niemand, bevor er an der Quelle etAvas geopfert hat, entAvedcr Geld oder irgend ein Kleidungssttick (eine Marama, cinen Lappen vom Anzug o. dgl.). — An die untere Pišci-Quclle gehen muhamedanische AVeiber vor Sonnenaufgang, beschenken zucrst die Quelle mit einer Geldgabe und forschen dann nach Oralceln. Nachher machcn sie Knoten aus Fetzen und befestigen diese an ZAA^eige der umherstehenden AVeiden. r ) Die in diesem Absclmitt herrschende Eintlieilung volksthilmlicher Sitten und Mdinungen soli, ohne den Ursprung und tieferen Sinn dersclben zu beruhren, lediglich zur Ordnung des Materiales in einige grosse Gruppen dienen. Die Red. [ 423 ] Lil c k. Volksglanbe und volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 23 Zur Quellc oberhalb Kovačiči gehen Franen und Madchen orientalisch-orthodoxer Religion ebenfalls vor Sonnenaufgang, um sicli da zu rvaschen. Nach der Waschung beschenken auch sie die Quelle mit Geld. Auch am Sarajevoer Felde opfert man den Quellen. A. Bošatlič-Eff., Schiller der hiesigen Scheriatsrichterschule, erzahlte mir folgenden von ihm selbst erlebten Vorfall: „Als ich im Sommer des Jahres 1893 mit einem meiner Genossen unweit vom Ur- sprunge der Bosna eine kleine Quelle naher betrachtete, bemerkte ich, dass darin mehrere Kreuzer lagen. Ich nahm sie heraus. Da kam aus der Nachbarschaft ein Bauer und sagte zu uns 7 dass das aus der Quelle gehobene Greld von Rechtswegen ihm als dem nachsten Quellnachbar gehore. Ich versprach es ihm unter der Bedingung zu iibergeben, wenn er mir sage 7 woher es stamme. Darauf gab er mir zur Antivort, dass Leute aus der nachsten und ferneren Umgebung Geldgeschenke in die Quelle zu iver fen pflegen, sobald sie sich an ihrem Wasser gelabt hatten. Auch der (nun bereits verstorbene) Biirgermeister von Sarajevo, Mustafabeg Fadilpašic, habe vor kurzer Zeit das Gleiche gethanA Im Dorfe Ženile, 5 Stunden von Sarajevo, ist eine Quelle, namens Kutnja. Nach dem Volksglauben heilt ihr Wasser das Fieber. In dieser Quelle fand man Du- caten und tiirkische Medschidijes. Auf dem Glasinac. Wenn die Hochzeitsgaste die Braut ins Haus des Brauti- gams ftihren, ivirft diese ein Sttick ihrer Ausstattung als Opfer in die erste Quelle, die sie am Wege antrifft. Geht sie aus ihrem neuen Heim das erste Mal um Wasser, so beschenkt sie ebenfalls die Quelle (Brunnen, Česma oder Cisterne), von der ihre neuen Hausgenossen das Wasser holen, mit einer Gabe (z. B. einer Marama, einem Strumpf o. dgl.). In Čajnica und um dieser Stadt gibt es mehrere beriihmte Heilquellen. Eine Quelle in Čajnica wird von den Sarajevoern die ,.Muttergottesquelle“ genannt. Wenn sie am Grossfrauentage zum „wunderthatigen“ Muttergottesbilde in jener Stadt wall- fahren, so waschen sie sich in dieser Q,uelle zuerst die Fusse, dami die Hande und das Gesicht. Als Dankopfer werfen sie Geld hinein. Viele nehmen von diesem Wasser eine Flasche oder einen Ibrik (Kanne) voli nach Hause. — Ftinf bis sechs Stunden von Čajnica, nahe an der tiirkischen Grenze, ist die Quelle „Bjelovine“. Zu dieser wandern die Muhamedaner des Čajnicer Bezirkes am Mittwoch vor Georgitag, die orientalisch-orthodosen Christen am Johannistag im Juni. Ausserdem geht man zu dieser etwas sclnvefelhaltigen Quelle zur Zeit zwischen dem Gross- und dem Klein- frauentage und verweilt dann an ihr gegen 10 Tage. Wer in ihr gebadet liat, der lasst sein Hemd und seine Unterhosen zuriick und beschenkt sie mit Geld. Auch die Amvohner werden mit Geschenken bedacht. Niihert sich dieser Quelle ein unredlicher oder ungereohter Mensch in der Absicht, sich in ihrem Wasser zu waschen, so versiegt sie sofort. Es wurden mir in Čajnica und auch in Foča von Muhamedanern und Orientalisch - Orthodoxen mehrere Falle, in denen sich Besagtes ereignet haben soli, erzahlt. 1 ) — Zur Quelle „Slankamen“ pilgert man zu Pfingsten. In Foča. Ilier sind zwei in den Augen des Volkes heilkraftige Quellen: „Groja“ und „Kolenovac“. Zur ersteren gehen die Leute am Freitag nach Ostern, zur zweiten durchs ganze Jahr. Auch diese Quellen rverden mit allerlei Gaben beschenkt, ins- besonders von Frauen und Madchen, die hier Ileilung suchen. J ) Vgl. diese Mitth., Bd. I, S. 418 f. 24 II. Volkskunde. [ 424 ] Im Višegrader Bezirk. Beim Dorfe Rudo in der Niihe von Višegrad ist eino Hohle, in die man nur mittelst cincr Leiter gelangen kann. Diese Molile a h n el t einer Kirche. Man sieht namlicli im Gestein Figur en, die Kirchenstandbildem ahnlich sind (Stalagmiten ?). An ihrem aussersten Ende befindet sieh ein viereckiger Stein mit einer ca. 10 Cm. tiefen Aushohlung, in ivelcher sich fortwahrend Wasser befindet; man mag davon schopfen, so viel man -svili, niemals wird man es ganz ausschtipfen. Man kennt weder scinen Ab- noch seinen Zufluss. Dieses Wasser soli besonders gcgen Augen- schmerzen gut scin. Wer immer der Heilung lialber hieherkommt, wirft etwas G el d hinein. „Kudra voda 11 boi Srebrenica. Der Bergbaubeainte Herr Oscar Pogatschnig bat mir einen Bericht liber den Quellencultus im Srebrenicaer Bergbaurevier zukommen lassen, den ich nachstehend fast wortlich mittheile. „Im Srebrenicaer Bergbaurevier befindet sich neben vielen anderen, zum Theil romischen, zum Theil mittelalterlichen (sachsischen) Grubenbauten auf dem Krivi brijeg 11 , einem Seitenriicken des Kvarac, ein sachsischer Grubenbau, ivelcher von Tag aus tonnlagig (dem Verflachen der Erzmittel nach), also mit etwa 70° Neigung gegen den Horizont, getrieben ist. Dieser Schacht steht, wie fast alle alten Bane, unter Wasser. Als man in den Jahren 1883 und 1884 die alten Gruben naher untersuchte, fand man um den Schacht lierum cine Menge Lappen bosnischer Kleidungsstticke, sowie eine Unzahl Kupfermtinzen, theils alterer und neuerer osterreichischer, theils tiirkischer Pragung; nebstdem auch vielfach die bckannten papier- dtinnen Silberparas. Die einheimischen Bergarbeiter (welche tibrigens nicht ein Stiick der Miinzen anriihrten; diese ivurden ausschliesslich von aus der Monarchie stammenden Leuten verschleppt) gaben an, dass das Wasser dieses Schachtes, mangels jeglicher Tradition liber den alten Bergbau, ftir einen Brunnen g eh alten, von vielen Leuten, aber namentlich von den Muhamedanerinnen als Bad gebraucht werde, und dass es „adet“ (frommer Brauch) sei, nach dem Bade einen Lappen der Gevvandung oder eine Miinze am Rande des „Brunnens“ niederzulegen, oder auch dic Miinze in diesen zu werfen. Thatsaehlich vvurden nach Ausforderung des Wassers im Schlamm und Schutt der durch Einsturz der Schachtseiten entstandenen neuen Solile viole Miinzen ge- funden. „Das Volk nennt diesen „Brunnen“ und die ganze Localitiit „Kudra voda 1 '. 1 ) „Auch nach der durch die bergmannischen Schurfarbeiten veranlassten Profanirung behielt die Kudra voda ihren Ruf; denn ich fand bei einem Besuche dieser Gegend im Jahre 1887 wieder Miinzen und Fetzen um den Schacht. Nach wie vor kamen Muhamedaner aus der Umgebung, aber auch aus den Bezirken Vlascnica und Višegrad mit ihren Frauen zum Bade. Ich selbst hatte in den Jahren 1887, 1888, dann auch ein- mal im Spatsommer 1891 Gelegenheit, muhamedanischen Reisenden — es waren ihrer stets eine grossere Zahl, iibenviegend von Frauen begleitet — den Weg nach der Kudra voda, welclier von dem stark begangenen Reitwege Srebrenica—Kvarac—Berg- haus abzweigt und eben an der Abzweigungsstelle wegen des im Sommer meterhohen Adlerfarns ftir nicht Localkundige unauffindbar ist, zu \veisen.“ In der Quelle ,,Tumbesija“ in Dolnja Tuzla baden die Leutc oline Unterschied der Religion und beschenken die Quelle mit Geld. o f Der Ausdruclc „K.udra“ diirfte vom arabischen „kudret“ [ js J — Kraft, herruhren. Kudra voda — eigentlich solite es heissen kudret voda, aber der Bosnier hat das arabische Substantiv in ein der Form nach slavisirtes Adjectiv venvandelt — heisst demnach so viel als Kraftwasser, d. h. jencs VVasser, welehem von Gott die Kraft zu heilen verliehen worden ist. [ 425 ] Lil ek. Volksglaube unči volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 25 Zur Quclle „Sičara“ bei Modrič gelien die Fieberkranken vor Sonnenaufgang. V 011 ihrem Wasser tr> man auch nacli Hause, um es da zum Trinken und Baden zu verwenden. An einen Baum nalie der Quelle bindet man Lappen. In Gračanica ist eine Quelle, an der die Eimvohner oline Unterschied des Glaubens ilire kranken Kinder baden. Audi Madchen \vaschen sich mit ihrem Wasser. Nach den Waschungen legen die Leute einige Kreuzer an die Quelle. In Gračanica wirft auch die muhamedanische Braut, wenn sie ins Haus ikres Brauti- gams und kiinftigen Ehemannes gefuhrt wird, ins er s te W a s s e r, da s sie a m Wege antrifft, eine Cevrma oder Marama. Zur „Weizenquelle“ („Šeničko vrelo“) gehen nur Muhamedaner und Muhamedanerinnen, beten dort zu Allah und w er fen dann Brot in die Quelle. Im Tešanj er Bezirk. Ausserhalb Tešanj ist eine kleine Quelle, zu der die Miitter ; insbesonders die muhamedanischen, ihre kranken Kinder tragen, um sio da zu waschen und zu baden. Neben der Quellc hinterlassen sie Geld, oder sie reissen einen Lappen von den Kinderkleidern und legen ihn neben dem Wasser nieder. Entwendot Jemand diese Sachen, so nimmt er nach dem Volksglauben auch die Krankheit mit. — In der Quelle „Glogovac“, unweit von Tešanj, fand man einen Kessel mit Geld. Fieberkranke, die zur Heilung dahin reisen, kinterlegen am Wasser Geld und Reifcn. — In Tešanj und Doboj schopft man aus einem friscli gegrabenen Brunnen nicht oker Wasser, bevor man nicht einige Kreuzer hineingewor fen hat. In Travnik ist eine Quelle, die Safiquelle („Safino vrelo“) heisst. Hielier gehen um den Georgitag Fieberkranke und an Kopfschmerz leidende Leute ohne Unterschied der Religion und werfen nach vollendeter Waschung entweder irgend ein Geldsttick ins Wasser oder legen ein von den Kleidern abgerissenes Sttick neben die Quelle. —• In der Krušnica planina ist eine Thermo (ilidža), in die Manner und Weiber Geldopfer werfen. Zur Zeit des letzten bosnischen Aufstandes (1875—1878) busste in Bosnisch- Gradiška unter Anderen auch der fromme Muhamedaner Gahibija sein Leben ein. Diesen verehren nun die dortigen Muhamedaner als Heiligen. Zum Zeichen der Ver- ehrung haben sie einen Brunnen in der Nalie von Gradiška nach ihm „Gahibijin bunar“ benannt. Zu diesem Gahibija-Brunnen gehen nun Weiber muhamedanischer und christ- licher Religion, baden dort und hinterlassen dann Geld oder irgend etwas von den Kleidern. Im Dorfe Smrdeljac in der Niihe von Prijedor ist eine Quelle, deren Wasser nach Schwefelwasserstoff rieclit. Uiese kalte Quelle heilt nach der Meinung des Volkes jegliche Krankheit. Wer darin gebadet hat, schneidet ein Sttick von s einen Kleidern und wirft es in oder neben das Wasser. In Pritoka bei Bihač ist eine heilkraftige Quelle, die ebenfalls von den in ihr Pleilung suchenden nach der Waschung oder nach dem Bade mit Geld, mit Kleidern o. dgl. beschenkt wird. Auch von dieser Quelle erzalilt man sich, dass sie versiege, wenn sich ihr ein siindiger Kranker nabere, dagegen bei Annaherung eines Gerechten sofort wieder zu rinnen beginne. Unweit von Jezero sind zivei Quellen, an denen die Miitter ohne Unterschied des Religionsbekenntnisses ihre Kinder baden und nach dem Bade die Hemdchen und Unterhosen, mit denen die Kleinen vor der Waschung bekleidet waren, am Quellrande zuriicklassen. 26 II. Volkskunde. [ 426 ] In der Qnelle „Zdravuša“ bei Bugojno waschen sich insbesonders die mit Kopf- und Augenweh Bebafteten. Als Dankopfer geben sie auch liier Gcld oder Kleidungsstiicke. In der Q.uelle befindet sich ein Stein, auf den die Kranken treten, um zu seli en, wer langer leben werde. Man sagt, dass Jenem ein langeres Leben be- schieden sei, unter dem das Wasser stftrker quelle. Neben der alten Brucke in Mostar ist eine Quelle mit Namen „Lebinovac“ (oder Halebinovac). Die Weiber baden da ikre kranken Kinder und beschenken dann die Quelle mit Geld. Trunlienbolde sollen Most oder Rum ins Wasser giessen. — Die Mostarer gelien auch vor Sonnenaufgang — spiiter hilft es nichts — zur Quelle „Babun“. Nachdem sie da gebadet haben, lassen sie etwas von ihren Kleidern zurttck. Kranke, die an der Bunaquelle Heil suchen, hinterlassen das Geldopfer in der daneben liegenden Džamija. Um Konjiča herum gibt es mehrere Quellen, die das Volk Fieberquellen („Grozničava“) nennt, weil ihr krystallhelles und kaltes Wasser das Fieber licilcn soli. Da man nach dem Genusse dieses Wassers starken Hunger bekommt, so nehmen die Lente gebratenes Fleisch mit; denn ohne dieses gibt es nach der Volksmeinung keine wahre Genesung. Nachdem sich die Kranken gewaschen, vici getrunken und gegessen, legen sie an die Quelle „fiir die Gesundheit“ Speisereste und Geld. Auch mein Collcge Repovac Effendi ging vor einigen Jahren zu einer solchen Fieberquellc und hinterliess auf Anrathen alterer Leute etwas von den mitgenommenen Speisen und Geld. Auch bei Livno gibt es Quellen, ivelche vom Volke fiir heilkraftig gehalten werden. Eine davoii heisst „Bašajkovac“. Sie befindet sicli in einer kleinen Hiitte, die an drei Seiten ummauert, an der vierten offen ist. Wenn man in diese Koliba eintritt, muss man auf einer Stiege etwa 2 M. tief hinabsteigen, um zu dem Brunnen zu gelangen, an dem die Frauen ohne Unterschied der Religion ihre kranken Kinder waschen und baden. Nach der Waschung oder dem Bade wird dem Kinde das Hemd- chen ausgezogen und am Brunnen gelassen. — Eine zweite Heilquelle befindet sich auf der Gorica in der Nahe des Franziskanerklosters. Audi liier werden kranke (besonders augenkranke) Kinder gebadet und gewaschen. Als Dankopfer werden einige Krcuzer ins Wasser geworfen. Am Wege von Kalinovik nach Vlahovlje liegt die Quelle „Vilinc“. Badende Madchen beschenken sie zumeist mit irgend einem Schmucke, z. B. mit einer Halskette, einer gestickten Marama o. dgl., badende Frauen gewohnlich mit Geld. Die Halsketten und das Geld werden in die tiefste Wasserstelle, die Maramas aber neben die Quelle gelegt. b) Eliisse. 1. Drina. Wenn die Leute bei Zvornik liber die Drina rudern, werfen sie Brot ins Wasser, um gllicklich liber den Fluss zu kommen. •— An der Drina- briicke bei Gorazda kann man sehen, wie die nach Čajnica gehenden Wallfahrer von der Brucke aus Geld in den Fluss werfen. Dass man dem Flusse opfern muss, wenn man liber ihn eine Brucke bauen ivill, wird uns erzahlt im Volksliede vom Briickenbau bei Višegrad. Als der Baumeister Mitar (Demetrius) auf Befehl des Soko Mehmed Paša (M.-P. Sokolovič) die Drinabriicke im neunten Jahre vollendet hatte, Kam die Drina schmutzigtriib’ und rasend, Auf ihr eine schlanke Ficlite schwimmend; Wuchtig aehlug sie an die Briickenkula, Dass die Drinabriicke heftig schwankte. [427] Lilek. Volksglaube und volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 27 Sprach erschro.cken Soko Mehmed Paša: „Nicderreissen wird sie uns die Brucke!“ Gab zur Antwort Bruckenmeister Mit.ar: „0 bei Gott, du Falke Mehmed Paša! Noch liast nicht geopfert dn der Drina! Schiitte reiche Schiitze auf die Brucke, Nimm zur Hand von Silber cine Sehaufel, Opfre danil der schmutzigtriiben Drina.“ Als der Falke Mehmed dies vernommen, Brachte reichlich Schiitze er zur Stelle, Nahm sofort aus Silber eine Sehaufel, Warf nach Osten, Westen, Nord und Siidon, Opfernd so der trubgeschwoll’ nen Drina. Dodje Drina mutna i pomamna, Pomoli se vitka omorika, Te udari u cupriju-kulu, Te zanjiha na Drini čuprijom; Prepade se Soko Mehmed Paša: „Oboriče na Drini cupriju!“ Dok povika Mitre neimare: „0, bora mi, Soko Mehmed Paša! Ti nijesi Drine darovao; Več hasiplji na čupriju blago, Pa- ti uzmi srebrenu lopatu, Pa ti daruj tu premutnu Drinu!“ Kad to čuo Soko Mehmed-Paša, On donese nekoliko blaga, Pa on uze srebrenu lopatu, Pa on tura na četiri strane, On dariva ti premutnu Drinu. (Mitgetheilt von Const. H orni a n n in Narodne pjesne Muhamedovaca u Bosni i Hercegovini' 1 , Bd. I.) 2 . Cehotina. Wenn die Bauern im Fočaer Bezirk das erste Mal liber die Ceho- tina nach der Stadt Foča oder einem andern Orte gehen, werfen sie eine Marama oder G el d in s Wasser. —• „Als ich klein war,“ erzahlte mir ein Gymnasialschiiler aus Foča, „und liber den Fluss Cehotina waten wollte, giirtete mir die Mutter eine Marama um mit dem Bemerken, dass ich sie in der Mitte des Flusses von mir werfen und mich dann ja nicht nach ihr umsehen solle.“ 3. Trebišnjica (Trebinjčica). Gymnasialschiiler Cerovič aus Trebinje bcrichtete mir: ,,Als ich in einer Fischerbarke in Gesellschaft mehrerer Weiber liber die Trebiš¬ njica gegen das Dorf Pridvorci fuhr, bemerkte ich, wie ein Weib die Marama von ihrem Sohnchen losband und sie dann ins Wasser warf, dem Sdhnchen aber befahl, ja nicht darnach zn blicken.“ 4. Vrbas. Im Flusse Vrbas ertranken in ein und demselben Jahre sehr viele Leute. Um weitere Unglucksfallo zu verhiiten, ging ein reicher Katholik ans Ufer des Flusses und warf einen Ring liinein. Das Volk erzahlt, dass nach diesem Opfer nur mehr selten ein Ertrinkungsfall vorgekommen sei. Man erzahlt sich auch, dass vor dieser Flussopferung unheimliche, Furcht erregende Stimmen aus dem Wasser zu boren waren, nach der Opferung aber ganz verstummt seion. -— Bei Banjaluka pflegen die Flosser Geld in den Vrbas zu werfen in der Hoffnung, dass sie dann ihr IIolz gliicklich an den Bestimmungsort bringen vviirden. 28 XI. Volkskunde. [ 428 ] e) Ben Cluellen und Fliissen wird am Varindan (St. Barbaratag) und am Christtag Getreide geopfert. Am Barbaratage (4. December) friih Morgens tragen die Orientalisch- Orthodoxen gekoehtes Getreide ans AVasser, schtitten davon ein wenig ins AVasser und um den Brunnen oder die Cisterne, wobei sie die AA r orte sprechen: „Guten Morgen, AViisserchen! Gib du uns AVasser, und wir geben dir Varica“ (gekoehtes Getreide). Nach diesen AVorten schopfen sie AVasser und tragen es heim. So ist es z. B. Brauch in Sarajevo, Trebinje und Gacko. Am letzten Orte geht man bei der Gelegenheit zur Q,uelle „Slavjan“. In Dolnja Tuzla tragt man die Vari ca ins Fliisschen Jala, schopft dann AVasser aus demselben und tragt es nach Hause, wo man einen Thoil zum Kochen verivendet, den Kost aber ins Getreide giesst. AVenn man .friih Morgens am Christtage, angethan mit Handschuhen, um das AVasser flir das AVeihnachtsbrot („česnica“) zu gelien gedenkt, so nimmt man Gerstc oder Hafer mit, schiittet das Getreide liber und um den Brunnen (Cesma oder Cisterne) und spricht dabei die AVorte: „Guten Morgen, AVasser! AVir wiinschen dir gliickliche AVeihnachtenD Mit dem so geweihten AVasser wird dann die česnica ab- geknetet. In Vlasenica ist es Brauch, dass ein Jiingling und ein Madchen das AVasser fiir das AVeihnachtsbrot noch vor der Morgenrothe holen. Der Jiingling tragt in einem Handschuhe Hafer oder Gerste, das Madchen den Ibrik (die Kanne). AVenn sie am Brunnen angekommen sind, streut der Jiingling vom Getreide dreimal kreuzweise liber das AVasser, das Madchen aber schopft darauf vom AVasser und tragt es nach Hause. Dieses AVasser darf nur fiir das AVeihnachtsbrot verwendet werden. d) Allgemeine Volksreinigung und Heilung mit AVasser. 1. Am ersten Mittwoch oder Freitag nach dem Neumonde. An diesen Tagen gehen in Modrič die Fieber- kranken zur Quelle „Šičara“, waschen sich oder baden da vor Sonnenaufgang und legen dann Geldmiinzen ins AVasser oder hiingen ein Stiick von ihren Kleidern an den daneben stehenden Baum, welcher von den verschieden ge- farbten Lappen schon ganz bunt aussieht. „Auch ich habe in der Šičara gebadet und ein Stiick von ineinem Giirtel aufgehiingt,“ sagte mir der Gymnasialschlilcr Dimitrij evič. 2. Am Palmsonntag. In Foča ist es Brauch, sich an diesem Sonntag mit Blumenwasser zu waschen. Zur selben Zeit umgiirtet sich jeder mit einerAVeidenruthe. Audi an anderen Orten thut man das Gleiche. 3. Am Mittwoch oder Freitag nach Ostem. In Foča. Die Fočaner gehen am Freitag nach Ostern zur Quellc „Groja“, welche gegen Osten abfliesst. Hier ivaschen sich die Leute und werfen dreimal liber sich je eine Hand voli AVasser. Fiir diejenigen, die nicht selbst zur Cesma kommen konnen, nehmen sie AVasser mit nach Hause. An der Česma opfern sie einige Kreuzer oder Čevras. Die Višegrader gehen zur AA r aschung an die „Zmajeva voda“ (Drachemvasser). Der Gerechte kann AVasser schopfen; dem Siindigen versiegt es. Auch bei Breka ist eine Quelle, die vom Drachen ihren Namen hat, niimlich „Zmajevac“. Das Volk nennt diese Quelle deshalb so, weil es meint, dass sich der Drache am Freitag nach Ostern friih Morgens darin bade. An diesem Tage gehen Miitter mit ihren Kindern dahin, ivaschen sich und die Kinder und hinterlegen dann am Zmajevac entweder etwas von ihren Kleidern oder Gel d. Unterhalb Vlasenica ist die Q,uelle „Istočnik“. Zu dieser „Ostquelle“ ivandern die OrientaIisch-Orthodoxen am Freitag oder auch am Mittwoch nach Ostern und [ 429 ] Lilek. Volksglaube und volksthiimlieher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 29 nehmen gefarbte Eier, Bretzen und Kuchen mit. An der Quelle pflegen sie Eier auf- zusclilagen und dann etwas ins Wasser zu werfen. Man wetteifert, wer der Erste vor Sonnenaufgang an der Quelle sei und sich in ihr gewaschen habe. Auch bei Dolnja-Tuzla ist eine Quelle, Namens „Istočnik“. Am Mittwoch oder Freitag nach Ostern nehmen da die Orientalisch-Orthodoxen ihre Lustration vor und hinterlegen dann Speisen oder Geld. In Zenica geht man an den gleichen Tagen vor Sonnenaufgang zu einer Quelle am Berge „Zmajevac“, wo die Lustrirten je ein Ei oder Geld niederlegen. Die orientalisch-orthodoxen Sarajevoer gehen am Freitag nacli Ostern zur Quelle „Pjenkavac £ ‘, trinken da vom Wasser, waschen und besprengen sich damit dreimal, und zwar mit der rechten Hand zuerst liber die rechte Achsel ; dann liber die linice und schliesslich abermals liber die rechte Achsel. — Am gleichen Tage, aber auch am Mittwoch nacli Ostern, geht man zur Piščivoda und zur Boralcquelle, wo man die Lustration in gleicher Weise vornimmt. Ueberall lasst man Geld zurlick; aueli silberne Guldenmiinzen wurden darili gefunden. Am Boralc hangt an diesen Tagen eine Menge bunter Lappen. Eine halbe Stunde von Čajnica gegen Gorazda befindct sich ein Sauerling (Ki¬ seljak). Hieher ziehen die Orientalisch - Ortliodoxen aus dem Cajnicer Bezirlc am Freitag nach Ostern in grossen Plaufen, um sich an der Quelle zu waschen, dann aber den ganzen Tag mit Tanz, Gesang, Eierschlagen und anderen Lustbarkeiten zuzubringen. Vom Sauerling nehmen sie einige Flaschen mit nach Hause, um es auch da zum Trinken und zum Waschen zu verwenden. Die Quelle beschenken sie mit allerlei Gaben. Am genannten Freitag gehen die Travniker orientalisch-orthodoxen Bekenntnisses vor Sonnenaufgang zur Quelle „Tarabovac“, um sich mit dem vom Popen an diesem Tage geiveihten Quellwasser zu waschen. Es heisst, dass die Leute friiher das Opfer- geld ins Wasser warfen, es jetzt aber dem die Q,uelle weihenden Popen geben. Die Muhamedaner gehen an die oben envahnten Q,uellen entweder Dienstag oder Mittwoch nach den serbischen Ostern; z. B. in Foča am Dienstag, in Čajnica am Mittwoch. 4. Am Georgitage. Eine Stunde von Nevesinje ist die Quelle Jezdoš. In ihr baden die Orientalisch-Orthodoxen am Georgitage und werfen nach dem Bade (oder der Waschung) Geld ins Wasscr. Das Gleiche geschieht an der Quellc „Bukovik“ am Berge Bukovica. Auch an anderen Orten, z. B. in Foča und Sarajevo, geht man am genannten Tage vor Sonnenaufgang zu Q,ucllen, um sich da zu waschen und zu baden, damit man das ganze Jalir hindurch leicht beweglich und gesund bleibe. In Vlasenica wiischt man sich am Georgitage vor Sonnenaufgang mit dem Wasser, in das man am Abend vor dem Palmsonntage Blumen geworfen bat. Dies pflegen besonders Jiinglinge und Madchen zu tliun. Am Abend vor dem Georgitage geht der Hausvorstand zur Mulile um Wasscr, das vom Miihlrade spriihend und schaumend herabfallt; dieses Muhlradwasser heisst „omaha“ (omaja). Dann nimmt er ein „Liebstockel‘ ( („miloduh“), ein am Charfreitag vor Sonnenaufgang roth gefiirbtes Ei und eine Goldmiinze. Diese drei Sachen vvirft er ins Mlililradwasser und lasst sie die ganze Nacht darin. Am niichsten Morgen •vviischt sich zuerst das ganze Hausgesinde mit diesem Wasser, dann besprengt sich jeder Einzelne dreimal damit. Das thut man der Gelenkiglceit, Gesundheit und des Gltickes ivegen. Die „omaha“ bedeutet namlich Geschrvindigkeit, das Geld Erfolg in 30 II. Volkskunde. [ 430 ] der Arbeit, das rothe Ei ist ein Symbol der rothen Gesichtsfarbe und der Gesundheit, die Nclke (Liebstockel) cin Zeichen des Wohlgeruchs. Das Wascben mit dem Miihlradwasser ist in ganz Bosnien und der Hercegovina, sowohl bei Christen als Muliamedanern belcannt. 5. Am Ivandan (Johannestag, 24. Juni). Die Bevohner von Stolac gehen den Tag vor Johanni zur Quelle „Krajšina“, 1 / a Stunde von der Stadt, und tibernachten dort. Nachdem sie friih Morgens gebadet und sich gevaschen, beschenken sie die Quelle mit Geld und Kleidungsstticken. Vom Wasser nehmen sie aucli mit nach Hause. In Foča baden die Madchen am Ivandan noch vor der Morgenrothe in der Cehotina. 6. Am Grossfrauentage. Zu dem St. Johannes- und Marienbade in Olovo wallfahrten Leute von weit und breit am Grossfrauentage. Im St. Johannsbadc baden die Manner, im Marienbade die Frauen. Einige werfen das Opfergeld ins Badevasser, Andore geben es als Almosen einem dort lebenden armen Muhamedaner. 7. Zu Pfingsten. Im Dorfe Trnovo, 3 Stunden von Kladanj, ist eine Q,uclle, Namens ,, S v c t o vrelo“ (Heilige Quelle). Hieher wandern zu Pfingsten die Orientalisch- Orthodoxen, aber auch Katholiken und Muhamedaner, baden im Wasser und nehmen davon mit nach Hause, damit sie es auch da trinken und sich damit waschen konnen. 8. Zu Weihnachten. Am Christtage friih Morgens vor Sonnenaufgang vvaschen sich alle Hausgenossen, gewohnIich im Hause, mit kaltem oder lauvarmem Wasser. Wenn sie zu diesem Zwecke zum Brunnen um Wasser gehen, so sprechen sie dort folgende Begriissung: „Guten Morgen, Wasser, wir w11nschen dir gltickliche Christ- feicrtage! 11 Nach der Waschung zielit man reine Kleider an und beschneidet sich die Nagel, um so in Reinheit das Fest der Geburt Christi zu begehen. e) Wasserlustration des Viehes. Im Ključer Bezirk bespritzen die Hirten am Georgitage friih Morgens ilire Herde mit Wasser. Frtiher pfiegten sie auch nocli dariiber zu schiessen. f) Das von der Cluelle nach Sonnenuntergang geholte Wasser wird mit Feuer lustrirt. Nach Sonnenuntergang darf man weder an der Quelle Wasser trinken, nocli davon nach Hause liolen, weil man glaubt, dass sofort nacli Sonnenuntergang die biiscn Geister aus dem Wasser steigen. Wird dennoch nach Untergang der Sonne Wasser ins Haus gebracht, so muss ein wenig davon ins Feuer gosehLittet oder vvenigstens mit dem Feuer in Beriihrung gebracht werden (Bezirke Trebinje und Rogatica). In Sarajevo pflegen alte Leute, wcnn sie Wasser trinken vollen, eine gltihende Kohle ins Trinkglas zu w er fen, und meinen, dass ilmen das Getriink dann nichts anhaben konne. g) Beim Wasser schwort man. Z. B.: So wahr mir dieses Glas Wasser! („Tako mi ove čaše vode!“) h) Verschiedenes. Kommt ein Madchen das erste Mal an eine Quelle, um sich darin zu vaseh en oder zu baden, so besprengt sie sich frtiher dreimal mit deren Wassor (Glasinac). Tritt eine Magd oder ein Diener den Dienst in einem Hause an, so ist es Braucli, dass sie vor aller andern Arbeit z u er st Wasser liolen. Will man aus einem Gefasse Wasser trinken, so muss man zuerst et\vas davon aussehtitten (Sarajevo). [ 431 ] Lilek. Volksglaube und volkstliiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 31 Wie schon oben erwfihnt, soli nacli Akšam (Sonnenuntergang) Niemand an der Quelle (Česma oder Brunnen) Wasser trinken, besonders Weiber niclit; denn sonst wird man vom „unreinen Geist“ („nečisti duh, nečastivi“) befallen. (Ein Gymnasialsclmler erzahlte mir, dass er im Jahre 1893 auf seiner Wallfahrt nach Čajnica daselbst ein muliamedaniscbes Weib gesehen, ans der „etwas Unreines‘ £ unanstandige Worte sprach. Aus Neugier fragte er die Begleiter, was dem Weibe felde. Diese gaben ihm zur Ant- wort ; dass die Besessene einmal am Abend zum Brunnen gegangen sei und dort ge- trunken babe. Als sie nach Hause kam, begann der „unreine Geist <£ aus ihr zu reden. Dieser martere sie jetzt schon ftinf Jahre und komite bisher trotz allerlei Amvcndungen noch nicht ausgetrieben werden. Nun seien sie zur Muttergotteskirche nach Čajnica geltommen, um hier fiir sie Gebete verrichten zu lassen.) In Banjaluka pflegen die Katholiken vor jedem Trinken die Worte: „Helfe Gott!“ („Pomozi BožeD), oder „Im Namen Christi!“ („U ime Isusovo“) deshalb auszusprechen, weil man meint, dass Einen sonst der Bose sehr leicht befallen konne. 2. Verelirimg des Feuers. a) Opferung. Der bosnische Kafedžia giesst Morgens vom ersten Kaffe etwas aufs Feuer, um seinen Patron und Gonner zu ehren. Tritt die getraute Braut ins Haus des Brautigams, so kiisst sie zuerst die Haus- schwelle, dann schiirt sie das Feuer am Herde und opfert da gemiinztes Geld. Uebersiedelt Jemand in sein neues Haus, so kommen die Leute, ihm Gliick zu ■vviinschen, und legen vor der Heimkehr auf den Kuclienherd einige Geld- m lin z en. So ist es Brauoh in der Posavina, und zvvar sowohl bei den Muhamedanern als auch bei den Orientalisch-Orthodoxen. Tragt der Hausvorstand am Weihnachtsabend die Christblocke („badnjaci“) ins Zimmer, so bestreuen die Hausgenossen ihn und die Badnjaci mit Getreide. Legt sie der Domačin auf das Feuer, so nimmt er ein Glas Wein, begriisst und begiesst sie damit. 1 ) Kommt am Christtage der Polaznik (bestellter Christtagsbesucher) ins Haus, so gelit or zuerst zum Herde, umschreitet ihn dreimal, nimmt dann den rechts liegenden Christblock (Badnjak), schliigt damit auf den links liegenden und opfert schlicsslich Silbermtinzen dar auf. Die Muhamedaner werfcn Aepfelschalen ins Feuer, angeblich fiir einen in der Luft lebenden Vogel, der sich nur von solchen Wohlgeriichen nahre. Dorjenige, der dies thut, erwerbe sich Verdienste. b) Das Feuer darf nicht verunreinigt werden. Es ist nicht erlaubt, ins Feuer zu spucken, Haare und Fingerniigel hineinzuwerfen, es mit Excrementen zu verun- rcinigen u. dgl. Eier- und Zvvicbelschalen diirfen deshalb nicht ins Feuer geworfen wcrden, weil sich gerne Hexen in jenem Hause einfinden, wo sie den Geruch dieser Gegenstande spiiren. Die Bauern um Foča sclhiren das Feuer nur mit der Feuerzange. Bei Trebinje darf man zu diesem Zwecke weder die Stange, die beim Beladen der Pferde gebrauclit w.ird, noch den Štab, mit dem man die Schafc treibt, venvenden. Zum Schiiren des Weilmachtsfeuers fertigt man hier ein besonderes Stabchen („vatralj“ = Feuer- stabehen) an. J ) Vei^leiclie die dramatisehe Darstellung dieser aucli in der Crnagora bekannten Ceremonie im „Gorski Yijenac u 32 II. Volkskuncle. [432] Hat die Hausfrau oder Viehmagd die Kuhe, Ziegen oder Schafe gemolken, so muss sie sich darnach sofort die Han de waschen, damit sie ja nicht mit soleh’ un- reinen Hiinden das Feuer beriihre. Der Hausfrau ist es sehr unlieb, wenn ihr die Mil eh auf dem Feuer tibergeht. In solehem Falle wirft sie auf das Feuer etwas Salz und giesst ein wenig Wasscr darauf; in Ljubinje wirft man noch ein gewisses Kraut dazu. c) Beim Feuer schwort man. Will Jemand mit einem Schwure bekraftigen, dass scine Aussage wahr sei 7 oder dass er die That ; deren man ihn beschuldigt 7 nicht be- gangen habe 7 oder dass er sein Wort 7 sein Versprechen halten werde 7 so schwort er beim Feuer 7 um damit seine Reinheit in Gedanken, Worten und Thaten zu bekunden. Z. B.: „So walir mir dieses lebendige Feuer!“ — „Ich will verbrennen wie das Iiolz im Feuer!“ — ,.Bei dieser glllhenden Kohle, ich babe es nicht gethan!“ •— „Ich moge brennen wie diese Kerze, wenn ich es gethan habeD — „Das Feuer moge mich ver- zehren, wenn es nicht wahr ist!“ (Tako mi ove žive vatre! — Gorio kao ova vatra [sviječa, lampa]! — Izgorio kao drvo na vatri! — Vatra me ispržila, ako nije istina! — Tako mi ove žiške, nijesam to učinio! — Gorio kao ova sviječa ako sam!) d) Reinigung und Heilung mit Feuer; Bereitung von Nothfeuer. 1. Reinigung des Wassers. Es wurde sclion erwahnt 7 dass das nach Sonnenuntergang ins Haus gc- brachte Trinkwasser mit Feuer gereinigt werden muss. Wird unreines Wasser 7 z. B. Waschwasser 7 ausgegossen, so darf man an der Ausgussstelle nach Sonnenuntergang so lange nicht vorubergehen, als die Stelle nicht mit Feuer lustrirt worden ist. Daran halt man sich z. B. in Ljubinje in der Her¬ cegovina. 2. Lustration des Viehes. Im Bezirke Trebinje treibt der Hirt arn Weilmachts- abend sein Vieh zwischen brennenden Korzen und durcli Weihrauch in den Vieh- hof. Audi im Sarajevsko polje, im Bezirke Rogatica und an anderen Orten wird das Vieh mit Feuer derart lustrirt, dass zu beiden Seiten der Stallthtlr brennen de Kerzen aufgestellt iverden und so das Vieh in den Stali oder aus dem Stalle getricben wird. Treiben die Muhamedaner von Gračanica am Georgitage ihr Vieh aus der Hurde oder dem Stalle, so legen sie rechts vom Ausgange einen Koran, linlis ein brennen- des Holzscheit, damit das Vieh nicht verhext werde. 3. Reinigung der Leute. Wie sich die vom Begrabnisse heimgekehrten Lente mit Feuer lustriren, ist sclion im Capitel ,,Todtengebrauche und Seelencult“ mitgetheilt , worden. Am Christtage lustrirt man sich mit brennenden Christblocken („badnjaci“) und Kerzen folgendermassen. Der Ilausvorstand und nacli ihm das siimmtliche Hausgesinde gehen zwischen den brennenden, entzwei gehackten Christblocken mit den Worten hindurch: „Ich ging durch das Feuer, damit ich nicht brenne wie das Feuer 1“ („Prodjoh kroz vatru da ne gorim kao vatra.“ x ) Beim Morgengebete halt jeder eine angeziindete Kerze in der Hand. Ist im Hause ein Kind, welches noch nicht selbst die Kerze halten kann, so wird diese statt von dem Ersteren von der Mutter oder sonst Jemand gehalten. Audi das sogenannte „mirbožanje“ („Friede sei mit uns!“) wird bei angeztindeten Kerzen verrichtet. Nach dieser Ceremonie werden siimmtliche Kerzen mit einem rothen Vgl. „Božič“ (Weiluiacliten) von Bogoljub Petranovid im „Glasnik srpsk. učenog društva", XII, S. 242 f. [433] Lil ek. Volksglaube und volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 33 Seiden- oder Goldfaden zusammengebunden und so viihrend des Essens brennen ge- lassen. Nach beendeter Mahlzeit nimmt der Domačin ein Stiickchen Brot, taucbt es in Wein und loscht damit die Kerzen aus; das so venvendete Brot wird ja nicbt weg- gevvorfen, sondern von ibm verzehrt. Am Abend vor Johannis (24. Juni) pflegt die Jugend dreimal liber das im Freien angezlindete Feuer zn springen, damit sie durcb das ganze Jabr kraftig und gesund bleibe. 4. Reinigung von Leuten und Vieh mit lebendigem Feuer. Wie das leben- dige Feuer in Jablanica;, Gacko und im Sarajevsko polje bereitet wird, dariiber babe icli im III. Bande dieser Mitth., S. 574 berichtet. Bezliglicli der Heilung mit Notbfeuer sclirieb ich damals Folgendes: „Hat Jemand Wunden oder Kriitzen, so werden diese mit Asche vom lebendigen Feuer bestreut. Hat eine schvvangere Frau einen Feuerbrand gesehen, so wird am Kinde entvveder sebon bei dessen Geburt, oder docb nacbber — spatestens bis zum 20. Lebensjabre — ein rother Hautausscblag sichtbar vverden. Dagegen kann nur lebendiges Feuer helfen. Man muss namlich den am Notbfeuer angeztindeten Schvvamm verglimmen lassen, die Asclien- reste zerstossen, in ein Glas Wasser vverfen und dies dem Kinde zum Trinken geben.“ Inzvvisclien liabe icb noch von anderen Arten der Bereitung des Notlifeuers und der Heilung mit demselben erfaliren. Untcr dem Trebevič maclit man lebendiges Feuer zur Heilung von kranken Leuten und wiithendem Vieli folgendermassen. In die Erde schliigt man zwei feste Pflocke. An der Innenseite werden zwei Locher zur Aufnalime einer Q,uerstange ausgebobrt; diese muss an beiden Enden ausgebohlt sein, damit Schwammstucke bineingesteckt rverden lconnen. Um die Querstange wird ein Seil ge- vvickelt. Kun beginnen an den Seilenden zwei starke Manner zu zieben und drelien die Querstange so lange, bis sicb ein Schvvammstuck entzundet. Mit diesem wird Feuer gemacbt. Dieses wird dann entzwei getbeilt, und dazwischen bindurcb geben zuerst die kranken Leute ; bernacb wird das wtitbende Vieh bindurcbgetrieben. Im Fočaner und Rogaticer Bezirk wird das Notbfeuer an der Haustbur bereitet. In die Tbiir und in den Thiirstock wird je ein Loch gebolirt. In diese zwei Loclier wird ein an den Enden zugespitzter Holzstab gesteckt und dieser dann mit einem Seil umwunden. An den Enden des Seiles zieben zwei Manner und drehen damit den Holzstab so lange ? bis er sicb entzundet. Zur Bereitung des Notlifeuers eignen sicb am besten sogenannte „posopci“ ; d. h. Briider, rvelcbe nacli einander geboren worden sind. Ein Gyinnasialscbuler aus Foča šali einst, wie in seinem Vaterbause das Notbfeuer bereitet wurde ; und bat mir die Procedur wie folgt beschrieben: „Die biiuerlicben ; po- sopci £ nahmen zuerst ein Stiick Ficbtenbolz, bohrten es an einem Ende ein wenig an, gaben dann in die Hoblung etwas Pulver und ein Scbwammstuck und verstopften zuletzt das ganze mit Papier. Dieses Ende des Fichtenstabes kehrten sie gegen die Thtire, das andere steekten sie in den Thiirstock, wo die Tliiir geschlossen wird. Das derart eingesteekto Holzstiick drehten sie mit grosser Geschwindigkeit so lange, bis sich das Pulver envarmte, entziindete und den Scbwamm zum Glimmen bracbte. Al i t dem so entziindeten Schwamme rvurde dann Feuer gemacbt. “ — Die Heilung mit Notbfeuer geschieht im Fočaner Bezirk auf mehrere Arten. Entweder bestreut sicb der Kranke mit der Asche vom Notbfeuer, z. B. im Gesicht, wenn er da Pusteln hat, oder er trinkt das am Notbfeuer erwarmte Wasser, oder er wiiscbt sicb damit. e) Erneuerung des Hausfeuers am Charsamstag. In Kreševo geben die Kinder am Cbarsamstag friib Morgens an einen bestiniinten Platz bei. der Kirche und macben liier Band IV. 28 34 II. Volkskunde. [434] Feuer, welches clann vom katholischen Geistliclien geweiht wird. Jedes von den Kindern legt hierauf einige gliihende Kohlen in cin Gefiiss, tragt sie von Haus zu Hans und legt in jedem Hause je eine Kohle auf den Herd. Man sagt, dass dann durcli dieses Kohlen- feuei - das ganze Haus gesegnet sei. f) Religiose Nationalfeste: Heiliger Abend und Christtag; Fackellauf und Feuer- springen am Abend vor Christi Himmelfahrt, Veitstag, Johannis- und Petritag. Da nacli meiner Meinung diese Feste in erster Linie niclit dem irdischen, sondern dem himm- lischen Feuer, namlich der Sonne gelten, weil femer hei diesen Festen das Feuer grosstentheils nur das Mittel zur Durchfiihrung der dem himmlischen Feuer geltenden Feierlichkeit ist, glaube ich, dass es besser sei, diese Feste im Capitel: „Verehrung der 11 immelskorper" zu bespreclien. 8. Vcrelirung der Erdc. a) Gestein. 1. Reinigung und Heilung mit Gestein; Opferungen. Am Wege von Gradačac nacli Gračanica, zwischen den Dcirfem Skipovac und Milešič, ist ein Stein, zu welchem kranke Manner und Frauen komrnen, um sicli zu heilen, und zwar folgendermassen: sie gehen zuerst dreimal um den Stein, dann setzen sie sicli oder legen sicli darauf. Beim Weggehen lassen sie Geld zuriick. Ertrinkt im Brunnen oder in der Cisterne eine Katze, Maus oder sonst ein Thier, so ist das lietrcficnde Wasser dadurch verunreinigt und niclit trinkbar. Um es wieder rein zu machen, miissen 40 Steinchen Iiineingeworfen 7 darauf 40 Eimer Wasser aus- gegossen und schliesslich ein Geistlicher gerufen werden ; damit er das Wasser weihe. Dieser muss oft selbst zuerst vom Wasser trinken, um so zu zeigen, dass es jetzt wieder rein sei. (An der Miljacka in Sarajevo, 2—3 Sclirittc von einem Ausgusscanal entfernt, sah einst der Gymnasialschuler CeroviA ein Weib Gescliirr waschen. Als er seine Begleiter fragte, warum das Weib so nahe beim Ausgusscanal das Gescliirr rein igo, gaben ih m Jene zur Antwort: „Mein Lieber, das Wasser ist ja rein; denn es ist siclicr sclion liber 40 Steinc geflossen, bis es zu ihr kam.“) Wenn der Brunnen gereinigt werden soli, werfen Manche cin Stiick Kalk ins Wasser, um es so ivieder geniessbar zu maclien. (Beim Wasserfall ,.Skakavac“ hei Sarajevo sah der Gymnasialschulcr Tausk, wie ein Bauer, der mit einigen Pferden zur Quclle kam, drei Steinc ins Wasser ivarf, bevor er seine Pferde trankte; bevor er selbst trank, warf er vier Steine hinein.) Geht man am Abend um Wasser, so muss man immer friiher ein en S tein in den Wassereimer werfen. So ist es Braucli im Dorfe Obzor bei Trebinje. Auch in Ljubi nje, wenn am Abend das Vieh zur Trftnke gefiihrt wird, wirft man friiher einen Stein ins Wasser, bevor man das Vieh trinken liisst. Man glaubt namlich, dass im Wasser der „šejtan“ hause. Ueber die Vemvendung des Steines beim Gottesurtheile siehe meine Abhandlung: „Gottesurtheile in Bosnien und der Hercegovina", in diesen Mitth., II, S. 472. Die Kranken ziehen sicli durcli holiles Gestein. In Trebinje ist ein liohler Felsen, durcli den ein Mensch hindurchschliipfen kann. Ist Jemand krank, so gelit er mit einem Ibrik (einer tiirkisclien Kanne) Wasser hieher, scbliipft zuerst durcli den Felsen und i vtis elit sicli dann. Nacli der Wascliung liisst er Kleider oder Gcldmunzen zuriick. [ 435 ] Lil ek. Volksglaube nnd volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 35 Im Dorfe Poglivje bei Trebinje ist auch ein grosser hohler Felsen, der im Volks- munde „Mora“ heisst. Hieher trilgt man kranke Kinder, zieht sic durch die Mora, ent- kleidet sie dann und wiisclit sie mit reinem mitgebrachtem Wasser. Sammtliche Kindcr- kleider werden unterm Felsen zuriickgelassen und den Kindern neue, frische an- gezogen. Auch in Gračanica, in der Maliala Stubal, ist ein hohler Stein, zu dem Mftnner und Weiber muhamedanischer Religion ihre kranken Kinder tragen, um sie da hin- durchzuziehen; hierauf ziehen sie den Kindern sammtliche Kleider aus und lassen diese an Ort und Stelle mit etwas Gel d zuriick. Durch einen hohlen Stein bei Vijenac (am Wege zwisclien Dolnji Vakuf und Jajce) schliipfen unfruchtbare Weiber. In Čajnica tragt man kleine Steinchen von verschiedener Farbe in die Mutter- gotteskirche, legt sie vor das Muttergottesbild und lilsst sie da liber Nacht liegen. Bei Krankheiten werden diese Steinchen gewaschen und das AVaschwasser dann zur Waschung des Kranken verwendet. 2. „Versteinertes Weib“ (Okamenjena baba), „Steinerne Jungfrau“, (Kamena djevojka), „Versteinerte Hochzeitsleute“ (Okamenjeni svatovi). Auch das hiesige Volk glaubt daran, dass der Mensch in Stein verwandelt werden konne, wenn er eine grosse Siinde hegangen, oder wenn er vom Vatel 1 oder von der Mutter verflucht worden ist. Deshalb gibt cs hier eine Menge von Steinen und Felsen mit Namen: „Versteinertes Weib“, „Steinerne Jungfrau“ u. dgl. In der Umgebung von Sarajevo. Auf dem Trehevič steht ein grosser Stein, der einem Menschen almlich ist, und um ihn herum eine Menge kleiner Stcine, die Ziegen und Zicklein iihncln. Vom grossen Stein erzahlt man sicli, dass das ein Weib gewesen sei, welches im Friihjahre Ziegen und Zicklein auf den Trehevič getrieben habc, und als sic auf der Spitze des Berges angekommen sei, hahe sie den Ziegen zu- gerufen: „Kctz, Ziegen, Ketz, Gott zur Schande! 1 ' (Bogu na sramotu!) Auf das sei plotzlich cin furchtbares Gewitter entstanden und sowohl das Weib als auch ihre Ziegen und Zicklein sofort in Steine venvandelt worden. Eine andere Version lautet folgendermassen: Ein Weih, das auf dem Trehevič Ziegen weidete, babe Gott gebeten, er moge ihr gewahren, dass jede Ziege ein Zick- lcin werfe; aus Dankbarkeit wolle sie die Irlalfte der Frucht unter die Armen ver- theilen. Gott babe ihre Bitte erhort. Kurz darauf sei ein Heiliger als Bettler zu ihr gekommen und hahe sie um ein Zicklein gebeten. Das AVeib babe ihn aber schnode abgewiesen und sogar noch Steine naeli ilim geworfen. Da babe sicli der Heilige um- gewendet, sic unter Verfluchung mit seinem Štabe bekreuzt und zugleich Gott gebeten, er moge das AVeib sammt ihrer Heerde in Steine venvandeln. AVie er gewlinscht, so sei es auch gescliehen. „Die steinernc Jungfrau“ bei Travnik. Auf der Bukovica bei Travnik er- hebt sicli ein grosserer Stein, der einem menschlichen Klirper sclir almlich sieht. Niclit weit von ilnn entspringt die Quelle Šumeča. Man erzahlt, dass einst eine Mutter ihre Tochter um AVasser zu dieser Quelle schickte. An der Quclle envartete das Mildchen ihr Gc- liebter. Mit ihm begann sie zu plaudern und vergass in ihrem Liebesgesprilcli ganz die Mahnung ihrer Mutter, schnell heimzukehren. Die Mutter wartete und wartete, schliesslich riss ihr die Geduld, und sie stiess die AVortc aus: „Gott gebe, dass sie sicli in diesem Augenblickc in kalten Stein verwandle!“ Sonde die Mutter diese AVorte ausgesprochen, var die Tochter auch schon versteinert. 28 * 36 II. Volkskunde. [436 J „Die versteinerten Hochzeitsleute“ im Gebirge Osmača bei Banjaluka. Auf den Spitzen der Osmača planina gibt es cine Menge Steine, dic nacli der Volks- meinung Menscben- oder Thierkorpern ahnlich sind. Von einer solchen Steingruppe erzahlt man sich, dass sie ein Hochzeitszug gewesen, der versteinert worden sei. Eine zweite Gruppe sebe aus wie eine Heerde und ein Hirte. Auch eine „ver- steinerte Jungfrau“ wird da gezeigt. ,,Versteinertes Weib“ mit versteinerten Schafen ain Grad bei Konjiča. Am Berge ,.Grad“ bei Konjiča soli ein Schafe hiltendes Weib sammt den Schafen ver¬ steinert worden sein. Versteinert es Weib“ im Višegrader Bezirk. Im Višegrader Bezirk, nahe an der serbischen Grenze, steht ein Stcin, von dem der Volksmund behauptet, dass er ein versteinertes Weib sei. Wenn Jemand zu diesem Steine spricbt: „Sprudle, Weib!“ (Ždrijebi, baba!), so stromt sofort Wasser heraus. „Versteinerter Webstuhl“, „Versteinerte Webstuhlgeratlie“ und „ Ver¬ steinertes Geschirr“ in der Lebršnik planina. Im Gebirge Lebršnik bei Gacko ist eine Hoble, in der ein versteinerter Webstuhl sammt versteinerten Webstulilgerathen und audi versteinertes Geschirr (Stalagmiten ?) gezeigt werden. Das Volk erzahlt sich, dass in dieser Holile eine Vila gewolmt babe. Als sie von Leutcn bemerkt wurde, babe sie sich gefliichtet, und Alles, ivas von ibr in der Hohle geblieben, sei versteinert w or den. b) Erde. 1. Opferungen. Opferungen beim Silen und Ernten. Im Gacko polje wird im Frubjabr Niemand fruher ackern, als bis der Reichste aus dem betreffenden Dorfe eine Furclie umgeackert und sie besaet bat. Ist dieser Reiche ein Muhamedaner, so bedeekt er beim Ackern die pflugenden Ochsen mit einem griinen Tucb; ist es bingegen ein Orientalisch-Orthodoxer ; so gibt er den Oclisen A ep f el auf den Kopf. Die umgeackerte Furche wird nicht geegt, angeblicb damit die Vogel das gesaete Korn aufpicken konnen. Zur Zeit der Ernte gibt der Hausherr vor dem Schnitt eine Hand- voll Aebren unter das Hausdacb. Im Fočaner Bezirk sah der Gymnasiast Kneževič, wie ein Bauer, der sein Getreide schnitt, einige Handvoll Aebren auf dem Felde ungeschnitten zuriickliess. Auf des Schiilers Frage, ftir wen er dies zurucklasse, antwortete der Bauer: „Diese Aehren lasse ich zur Nabrung den Vogeln Gottes zuriick. Jedes Jabr gedeiht mir das Getreide bedeutend besser an jener Stelle, wo ich ver- gangenes Jahr der Vogel gedacht babe.“ — Am Ropovo polje pflegt man einige Ku- kuruzkolben auf den Stengeln ungebrocben zu lassen, und zwar als Gescbenk fiir die Erde, weil sie den Kukuruz so gut babe gedeihen lassen. Wenn sich die Bauern im Cajnicer Bezirk zum Ackern anscbicken, neb m en sie ein Ei und zersclilagen es auf der Štirne des ersten Ochscn, den sie auf die rechte Pflugseite einfangen; dann binden sie dem betreffenden Oclisen auf das recht- seitige Horn ein rothes Geflecbt (rotb ist namlicb das Zeichen der Freude). Anstatt der gewohnlichen Jause bereitet man an diesem Tag den sogenannten Ackerkuchen („podoranica“). Trftgt man Flaclis auf das Feld zum Silen, so nimmt man aucli einige Eier mit und verzebrt diese dort, damit der Flaclis gut gedeihc. 1 ) Bauopfer. Wird ein neues Haus, eine Brucke o. dgl. gebaut, so wird in den Grundstein oder in die Grundmauern cingemauert, d. b. dem Erdendamon als Grund- lierrn geopfert: 1. Gcld oder 2. ein Scliaf oder Lamin, 3. ein Halin oder Indian und 4. Wein. *) Vgl. damit die deutschen Gebrauche bei Grimm II, S. 1035 — 1036. [ 437 ] Lilel?. Volksglaube und volksthtimlicher Čultus in Bosnien und der Hercegovina. 37 Dass man auch hierzulande im Gemiiuer niedergerissener Hauser Geld findet, und dass man noch heutzutage Silber- und Papiergeld, manchmal im Werthe von 100 fl. einmauert, ist allgemein bckannt. Weniger allgemein sind die Blutopfer. Als dic Orientalisch-Orthodoxen von Bosnisch-Gradiška ikre Sclmle bauten, mauer- ten sie in die Grundmauer einen Schafskopf ein. — In Tešanj mauern die reicheren Lente in den Grand eines neuen Hauses ein Schaf oder ein Lamin, die armeren einen Hahn oder Indian. Auch in Gacko schlachtet man auf dem Grundstein ein Schaf oder Lamin, und ebenso auf dem Dachgiebel, von dem man das Blut tiber die Mauer hinabrinnen la s st. Auf das Dach gibt man 1—2 Ellen rothen Tuches, ferner verschiedene Kopf- und Sacktiicher, Most u. dgk; dies Alles gehort dem Baumeister und den Maurern. Wie es in Gacko Brauch ist, so auch an vielen Orten, z. B. in Vlasenica und in der Posavina. In der Savegegend bringen. auch die Nachbarn Geschenke auf das Dach. Als vor einigen Jahren ein Hausherr in Novi in sein neues Haus iibersiedelte, zerschnitt er einen jungen Hahn in zwei Theile und warf die eine Halfte auf die eine und die zvveite auf die andere Seite des Hauses. Auf der Gorica in Sarajevo ist es Brauch, dass der Hausherr vor der Ueber- siedelung in ein neues Haus an der Schwelle desselben einem Hahn den Kopf abschlagt, dainit der Tod sein Opfer nicht so bald unter dem Hausgesinde suche. Ist ftir ein neues Haus der Grand gegraben und der erste Stein gelegt, so ist es in Sarajevo Brauch, dass ein Maurer mit dem Hammer einmal auf den betreffenden Stein schlilgt, der Hausherr aber das erste Glas gekauften Weines darauf ausgiesst; den Rest trinkt er zu Hause mit seinen Hausgenossen nach der Rang- ordnung aus. Dass man in alterei' Zeit auch Menschen einmauerte, daran erinnert uns die Erzahlung vom Bau der beruhmten Drinabrticke bei Višegrad. Im Volksliede heisst es, dass der Baumeister Mitar (Demetrius) sieben Jahre an der Drinabrticke baute, „Und was Mitar bei Tage erbaute, Das zerstorte Nacbts*ein feindlicli Wesen. w („Sto je Mitar u dan naČinio Ono nešto nocom batalilo. w ) Jetzt riof Mitar seine Wahlschwester, eine Vila, zur Hilfe. Aber diese crvviderte, dass sie ihm nicht beistehen kiinne, weil ihr es die Schwestern nicht erlaubten. Docli gab sie ihm den Rath, er m5ge zwei Kinder einmauern, und die Brucke werde dann sicherlich unverselirt bleiben; eines von den Kindern solle „Stoja“ (Stehe), das andere aber „Ostoja“ (Bleibe) heissen, damit die Brucke stehe und immer bleibe. Nach langem Suclien fand man endlich zwei Kinder mit diesen Namen bei einem Bauer, dem man sie mit Gevvalt vvegnahm um sie lebend in die Ufermauern, eines reclits, das andere links, einzumauern. Trankopfer. Beim Schnapsbrennen giesst der Eigenthumer das erste Glas vom Branntvvein auf die Erde aus. So ist es Brauch bei den Orientalisch-Orthodoxen in Trebinje und bei den Katholiken in Travnik. —: Wollen die Bauern Wasser an einer Cesma oder an einer Naturquelle trinken, so giessen sie zuerst mit der Hand etvvas Wasser auf die Erde. — Wird das Wasser ins Haus gebracht, so wird vor dem Trinken etvvas auf die Erde gegossen; so ist es z. B. Brauch in Sarajevo und im Ključer Bezirk. In Trebinje giesst man mir dann davon aus, wenn das Wasser am Abend von der Quelle gebracht oder aus dem Passe, welches vor der Hausthtir stelit, gegossen wird. 38 II. Volkskunde. [ 438 ] 2. Reinigung mit Erde. Bei der Erde schwort man, z. B.: „So wahr mir die Erde!“ — „Bei der Erde, in die man mich begraben wird, so ist cs!“ — „Die Erde moge meine Gebeine aus dem Grabe werfen, wenn es nicht so ist!“ (Tako mi zemlje! — Zemlje mi, u koju ču leči, tako je! — Zemlja mi kosti izmetala ako nije tako!) Weil nach dem Volksglauben die Erde ein reines Element ist, so duldet sie nichts Unreines in sich. Auf diesem Glauben beruhen die Fliiche: „Die Erde moge dich ausspeien!“ (Zemlja te izbacila!) oder „die Erde moge sich deiner Gebeine ent- ledigenk 1 (Zemlja ti kosti izmetala!) Wird ein Mensch, der ivahrend seines Lebens grpsse Siinden begangen, z. B. seine Eltern geschlagen oder gegen die Natur gestmdigt hat, begraben, ohne vor seinem Tode Busse geiibt oder \venigstens Reue gezeigt zn haben, so wird ihn nach der festen Ueberzeugung des Volkes die Erde sicherlich aus ihrem Schoosse herauswerfen. Hier folge die Erzahlung eines solchen Falles. Als im Jahre 1878 Bsterreichisch - ungarische Truppen in Livno einmarschirten, erei gnete es sich, dass ein Bewohner der Stadt, der wegen seiner Schandthaten und Grausamkeiten bekannt war, aus seinem Hause auf unsere Soldaten schoss und bei dieser Gelegenheit um sein Leben kam. Er wurde auf dem Friedhof begraben, — aber nach einigen Tagen sah man ihn ganz schwarz ausserhalb des Grabes liegen. Man begrub ihn wieder, und siehe da, nach einer halben Stunde schnellte er wieder aus der Erde. Jetzt rief man cin Weib, welches zum ersten Male sclnvanger war, und bat sie auf einer Eselin Wasser auf das Grab zu bringen. Inzwischen band man eine trachtige Htindin beim Todten im Grabe an. Sobald das Weib mit dem Wasser gekommen war, goss man das ganze Fass tiber den Todten und die Htindin, schiittete dann so schnell als moglich das Grab zu und lief davon. Es heisst, dass der Todte hernach nie wieder das Grab verlassen habe. 4. Verehrung der Luft. a) Gebieter der Lufterscheinungen. Wie in heidnischer Zeit die Gotter oder Geister hiessen, welche die Lufterscheinungen und L u ftb ew e g u n g c n: Winde, Donner und Blitz, Regen und Hagel verursachten, hat das liiesigc Volk schon vergessen. An Stolic, der heidnisehen Namen und Verwalter traten in christlicher Zeit christliche Heilige, als: Stefan, Prokop, Elias und Maria (die Feurige, Gebenedeite und Friedensreiche). Der Verehrung dieser Heiligen als Gebieter und Venveser jener Lufterscheinungen gibt das liiesigc Volk zunachst dadurch Ausdruck, dass es an den Tagen obiger Pleiligen weder auf dem Felde, noch im Weingarten, weder auf der Wiese noch im Walde arbeitet, und zvar aus Furcht, es mochte dann der Sturmwind, Regen, Hagel oder Blitz ikre Feldculturen, Hauser, Leute u. dgl. beschadigen oder sogar vernichten. 1. Winde. Auf dem Glasinac wagt es Niemand, am Stefanitage (1.4./2. August) zu arbeiten, denn der heil. Stefan hat die Winde in seiner Gewalt, und deshalb heisst auch dieser Tag der „Windetag a (Vjetreni dan). Wer an diesem Tage arbeitet, hatte zu cnvartcn, dass ihm die Winde grossen Schaden und Ungllick zufugen. Auch in der Posavina wird Niemand am Tage des heil. Stefan, des Patrons der Winde, arbeiten; denn sonst wtirde Stefan die Winde loslassen und diese die Ernte, z. B. das Heu, ganz ver- tragen. Besonders wird sich Derjenige, in dessen Hause Stefan Prauspatron (Krsno ime) ist, an diesem P’age vor jeglicher Arbeit htitcn. Auch um Sarajevo (z. B. im Dorfe Osjek) ist Stefan der Gebieter der Winde. In der Krajina und in der Hercegovina ist besonders der heil. Prokop (20./8. Juli) der Gebieter und Schutzer der Winde. In jenen Gegenden arbeiten an diesem Tage [ 439 ] Lilek. Volksglaube und volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 39 weder clio Katholiken, noch die Muhamedaner, noch die Orientalisch-Orthodoxen, ans Furcht, der Wind komite ihnen das aufgeschoberte Heu in die Liifte davontragen. Im Cajnicer Bezirk pfiegen die Bauern Denjenigen mit Geivalt von der Arlieit zu jagen, der sich ihrem Aberglauben zu trotzen untersteht. Im Kupreško polje feiert man besonders den Tag der „Feurigen Maria 11 (Ognjena Marija, 29./17. Juli). Der Wind als Hilter der abgeschnittenen Fingernagel. Die abgeschnittenen Fingernagel muss man in einen Lappen wickeln und sie dann an einen abgelegencn Ort mit den Worten werfen: .Jeti gebe die Fingernagel dem W.inde, und der Wind gibt sie wieder mir, wenn ich ihrer benothige. 11 Dies thut man angeblick deshalb, wcil man glaubt, dass beim jtingsten Gerichte Jeder gefragt werden wird, wo er seine Finger¬ nagel gelassen habe. Die Hexenmeister treiben die Sturme einher. In Ljubinje jagt man die kleinen Kinder sofort ins Haus, sobald sicli ein Sturm erhebt, weil man meint, dass die Iiexen- meister den Sturm einherjagen. Stillung des Windes. Weht ein starkcr Wind, so wirft man in Gacko einen Lappen von einem zerrissenen Kleid, Schuh oder eincr Opanke auf das Feuer, damit sicli der Wind beruhige. 2. Donner und Blitz. Die Gebieter tlber Donner und Blitz sind in Gacko: der heil. Prokop, die „fcurige“ und die „gebenedeite (blažena) Maria“ und der heil. Elias (20. Juli). An diesen Tagen wird hi er Niemand arbeiten, weder die Orientalisch- Orthodoxen noch die Muhamedaner. — In Čajnica feiern beide Confessionen besonders den Prokopstag. Es wird hier erzahlt, dass, als ein Muhamedaner den Prokop nicht feiern wollte, der Blitz in sein Haus schlug und seine Kinder todtete. Hernach habe der Betreffcnde immer gefragt: „Wann ist der welsche Prokop, der mir die Kinder getodtet liat? 11 (Wortspiel: „Kad 6e doci onaj vlaški Prokopa, što moju djecu pokopa? 1 ') 3. Ilagel. Wenn es hagelt, ruft man einen Ertrunkenen, damit er das Ge- treide u. s. w. vor Hagelschlag bewahre. Auf dem Glasinac ruft man einen geivisscn Četko Ivoranič, der vor beilaufig 22 Jahrcn in der Drinača oberhalb Zvornik ertrunken ist. Ausserdem stellt man da vor das Haus ein Tischchen mit Brot, Wachs und einen Loffel. Audi im Dorfe Strmnica, 4 Stunden von Vlasenica, ruft man bei Hagelschlag denselben Koranic zu Hilfe, indem man zu ihm spricht: „Ftihre den Ilagel iiber die Berge, sonst sind wir Alle verloren! 11 (Vodi grad preko planina, izginusmo svi!) Audi auf der Romanija planina und im Kupreško polje ruft man bei Hagehvetter den zuletzt Ertrunkenen um Beistand an. Zuerst wird die Sinija (ein niederer Speise- tisch) mit Salz, Brot und einem Loffel vor das Haus getragen und dann z. B. gerufen: „0 ertrunkcner Jovo, ftihre den Hagel mit ins Meer!“ (Oj utopljenjaee Jovo nosi krupu sa sobom u more!), oder: „Filhre das Gewitter ins Gebirge! 11 (Vodi vrijeme na planine!) In Gacko rufen die Weiber den zuletzt Ver s torb en en. Vor das Plaus stellen sie neben der Sinija noch den Dreifuss und die Feuerzange. Das Gleiche geschieht in Nevesinje, wo man jedoch den Dreifuss mit den Ftissen aufwarts zu stellen pflegt. Sieht man bei Hagehvetter einen Kreuzadler herumsegeln, so ist er nach der Volksmeinung der Verursacher des Hagels, und dieser wird in jener Gegend fallen, iiber welcher der Adler dahinfliegt. Das Gleiche meint man vom Kreuz¬ adler aucli in Gacko; hier verfluclit man ihn deshalb. In der Posavina, um Šamac 40 II. Volkskunde. [ 440 ] herurn, stellt man bei Hagehvetter die Sinija mit Brot, Hal z und einem Loffel, ferner den Dreifuss, die Feuerzange und cine Gabel vov das Haus. In Modrič tragt man die Feuerzange und das Bild des heil. Georg ins Freie. In der Krajina, Posavina und dem Kupreško polje wird bei Hagehvetter auch gelautet. Die Landbewohner beim Kloster Gomionica (6 Stunden von Banjaluka) meinen, dass der Plagel so weit um das Kloster herurn, als der Klang der Klosterglocken reiche, keinen Schaden anrichte. b) Sehaukeln am Georgitage In ganz Bosnien und der Hercegovina ist es Brauch, sich am Georgitage in einer Schaukel zu wiegen. Die Einen sagcn, dass sie dann das ganze Jahr kein Fieber, die Anderen, dass sie keine Riickenschmerzen haben, die Dritten, dass sie dann das ganze Jahr hindurch leicht und beweglich sein wiirden. Im Cajnicer Bezirk pflegt man sich am Georgitage vor Sonnenaufgang auf der Schaukel einige Male zu sehaukeln und sich dann mit dem Muhlradwasser zu waschen, damit man das ganze Jahr hindurch leichtbeweglich bleihe. (Vergleiche mit diesem Brauche das athenische Schaukelfest „Aicops“.) III. Thierverehrung. Das Volk dieser Lander lcennt keineswegs einen Thiercultus, wie derselbe z. B. bei den alten Aegyptern herrschte. Wenn jedoch die Spuren ausgesprochenen Thier- dienstes hereits vollstandig verwischt sind, ist doch auch lieute noch im Volke der Glaube vorhanden, dass Leben und Gesundheit des Menschen von seinem Verhalten gegeniiber manchen Thieren und von der Anwesenheit bestimmter Thiere abhange; ferner, dass Thiere Verktinder von Gliick und Ungluck zu sein vermogen. Wir wollen hier die Thiere aufzahlen, welche in obiger Beziehung beim Volke besonders in An- sehen stehen. Von denjenigen, welchen die Gabe der Verkiindigung von Gliick und Ungluck zugeschrieben wird, soli im Capitel „Walirsagerei“ die Rede sein. 1. Schlangen (Ophidia, Zmije). Die Katholiken in Banjaluka glauben, dass sich unter dem Herde der Hauser eine Schlange auf h alt, welche dem Hause Gliick bringt. Dicselbe sei ein Arschin (tiirkische Elle = 73 Cm.) lang und schneeweiss. Nachts, wenn Alles im Hause schliift, krieche sie hervor und singe. Diese Schlange erfreut sich im Volke grosser Achtung und Fiirsorge, denn der allgemeine Glaube lasst das Gliick von dem Hause weichen, in welchem die Schlange getodtet wird. In Ljubinje behaupten die Orientalisch-Ortho- doxen, der Hausherr oder die Hausfrau miisse sterben, wenn die Schlange auf dem Herde umgebracht wiirde. Im Hause etwa angetroffene Schlangen werden durch Raucherung vertrieben. — Auch im Bezirke Čajnica glaubt das Volk, dass jedes Haus eine Schlange besitze (IJausschlange, Kuharica). An vielen Orten n ah rt man dieselbe mit Milch. Auch hier heisst es, infolge einer Todtung der Hausschlange trete der Tod des Hausherrn ein. In Bistrica bei Prijedor wird zwischen der Hausschlange und der weissen Schlange ein Unterschied gemacht. Wenn eine Hausschlange erschlagen wird, miisse innerhalb des Jahres eines von den Hausleuten mit Tod abgehen. Gliicklich, wer eine weisse Schlange erblickt. Wem es gelingt, eine solehe zu fangen, der moge sie kochen, das Fleisch wegwerfen, die Suppe aber trinken; dann wird er fiir jede Krankheit eine Heilpflanze kennen. Die Katholiken in Vareš erziihlen Aehn- liches. Wer eine weisse Schlange verzehrt, kennt alle Heilmittel und versteht [441] Lilek. Volksglaube und volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 41 die Sprache der Pflanzen und der Thiere. Die OrientaIisch-Orthodoxen in Ljubinje und die Katholiken in Kreševo behaupten, die Haussclilange sei von schwarzer Farbe; die Orientalisch-Orthodoxen in Tešanj wissen zu erzahlen, dieselbe sei bunt. Im letz- teren Orte wird es fiir eine grosse Sllnde gehalten, eine Schlange zu todten, die im Heu oder in einer Wiege an der Seite eines Sauglings gefunden wird. Wenn eine in der Wiege gefundene Schlange getodtet wird, so stirbt das Wiegenkind. Die Muhamedaner in Jezero erschlagen hingegen die erste Schlange, welehe sie im Friih- jahre erblicken, denn sie behaupten, die Schlange wiirde demjenigen, der sie erblickt und nicht tSdtet, die Kraft nehmen. 2. Frosehe (Hanae, Žabe). In Sarajevo werden die Frosehe im Hause geschont, damit die Milch gut sei. Audi in Bistrica bei Prijedor wird derselbe Gebrauch aus denselben Motiven beob- achtet. Die Schonung wird noch peinlicher beobachtet, wenn sich der Frosch unter der Schwelle angesiedelt hat. In keinem Falle darf er getodtet werden, sonst verlieren die Kuhe alle Milch. Auch in Vlasenica wird nicht gestattet, einen Frosch zu er¬ schlagen. Wenn die Hausfrau einen lebendigen Frosch im Hause bemerkt, liisst sie ihn in Kuhe; findet sie jedocli einen todten Frosch, dami fasst sie ihn mit den Handen an den Ohren, schmatzt mit den Lippen und spricht: „Gott sei mit mir.“ Auch verbieten alte Frauen, in Gegenwart von Kindern von Froschen zu sprechen. Wenn eine Schlange einen Frosch fangt, muss die Schlange getodtet und der Frosch befreit werden. Kinder diirfen vor Frbschen nicht den Mund offnen, damit ihnen die Thiere nicht die Zahne abzahlen. Wenn auf einen schlafenden Menschen cin mit dem Regen gefallener Frosch ge- worfen wird, dann wird der Mensch im Schlafe alle seine Geheimnisse verrathen. Wer will, dass des Nachbars Kuh dic Milch verliere und dieselbe der eigenen Kuh zugute komme, werfe dem Nachbar einen Frosch in die Milch. 3. Das Heimclien (Grijllus domesticus, Cvrčale). Es ist nicht gut, ein Heimclien zu todten, welches am Abend unter dem Herde zirpt, sonst kommt Ungliick ins Haus, wie die Katholiken in Kreševo glauben. 4. Dic Fledcrmaus (Vespertilio murinus ctc., Slijepi miš). Wer den Fliigel einer Fledermaus bei sich tragt, wird Gltick haben. Wenn ein Diener einen bosen Herrn hat, blicke er ihn durch einen Fledermausfliigel an und der’ Herr wird gut. In Sarajevo sagen namentlich die Miidchen, dass jedes Haus glticklich sei, in welchem sich eine Fledermaus, ob lebend oder todt, befindet. Die Kaufleute hangen eine in Schildkrotenplatten gewickelte Fledermaus in ilirem Laden auf, damit ihnen die Kunden wie blind zustromen. In Zupanjac erzwingen Madchen die Liebe junger Burschen mit Hilfe von Fledermausen. Wie dies geschieht, davon im Capitel „Zauberei“. 5. Ameiscn (JFormicae, Mravi). Ein Haus, in welchem sich Ameisen zeigen, wird an Allem Ueberfluss haben; so glauben die Muhamedaner in Kladanj. In Gacko und in Čajnica lierrscht der 42 II. Volkskunde. [ 442 ] Brauch, den das crste Mal im Jahre zubereiteten Kitsc zu zerbrockeln und ihn in einen Ameisenhaufen zu streuen. 6. Der Adler (Aquila, Orao). Ein Adler darf nicht getodtet werden. Wer os tliate, beginge eine schwere Siinde und \viirde mit furchtbaren Strafen belegt werden. Von einem armen Aga in Grračanica wird erzahlt, derselbe sei einst der reichste Mann im Orte gewesen. Einmal schoss er auf der Jagd einen Adler, und von diesem Tage an begann er zu E runde zu gehen. Allerlei Ungluck: Brande, Diebstahle und sonstige Verluste ereilten ihn, bis er vollends verarmte. 7. Der Wolf (Canis lupus, Vuk). Wenn der Hirt den in seine Heerde einfallenden Wolf nicht frlihcr bemerkt, als dieser ihn, so verliert er die Sprache, dass er wedcr schreien noch sprechen kann. In Bilek wird erzahlt, dass eine Wolfin, welche in der Nahe eines Stalles Junge geworfen, diesem Stalle keinen Schaden zufiige, vielmehr noch Vieh liinzutreibe. N ur -vvenn man ein Wolfsjunges erschlagt, versammelt die Wolfin ein Rudel Wolfe, und diese todten den ganzen Vielistand. In der Zeit zwischen dem 15. August und dem 8. September, dem „grossen“ und dem „kleinen“ Frauentag (15. August: Maria Himmelfahrt, 8. September: Maria Geburt), dilrfen Frauen weder Garn noch Wolle aufhaspeln und die Manner keinen Ruthenzaun flechten, damit der Wolf dem Vieh keinen Schaden zufiige. Dies wird in den Dorfern des Bezirkes Vlasenica beobachtet. 8. l)er Salainander (Salamandra, Dii&denjdk oder DazdenjaJe). Wcn der Rticken schmerzt, der wickle seinen Giirtel los, lege ihn auf den Boden und lasse einen Salainander dariiber kriechen. D. Pferdc-, Widder- und andere Thierkopfc als Sclmtzmittel gegen das Verschreicn; Ilirselikiifcrlidrner (leljenovi rogovi). In ganz Bosnien und der Hercegovina, besonders jedoch in den Bezirken Foča und Čajnica, werden Pferde- oder AVidderkopfe — selten andere — iiber den Lammer- stallen, den Balken der Bienenstiinde, den Stallungen und dem Hause, ferner auf einem Pfahl mitten im Fclde angcbracht, damit die betreffendc Localitiit nicht ver- schrieen werde. In Čajnica tragen die Kinder an den Miitzen Stiickchen vom Ober- kiefer eines Hirschkafers, um gegen das Verschreien geschiitzt zu scin. 10. Der Tliiertag (Zvjevovni dan). Auf dem Glasinac wird am Andreastage (30. November) nicht gearbeitet, denn Andreas hcrrscht iiber die Thiere. Uer 30. November vvird deshalb „Thiertag“ genannt. IV. Pflanzenverehrung, Gleich manchen anderen Volkern glaubt auch das hierliindische daran, dass die Pflanzen denken und empfinden, dass sie eine Stimme, Blut und korperliche Bediirf- nisse, demnacb gleich dem Menschen Seele und Korper besitzen. Nach dem Volks- [443] Lilek. Volksglaube und volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 4‘d glauben kann eine Pflanze auch die Wohnstatte eines geistigen Wesens sein. Als Beweis diene hiefiir, was in dem bcrcits erwahnten Volksliede „Dcr Briickenbau in Višegrad“ von der Fichte erzahlt wird, welche die Drinabriicke erschiltterte: Tosend braust heran die triibe.Drina, Tragt in ihren Fluthen eine Fichte, Stosst sie an don sclilankcn Briickenpfeilcr, Dass die Brucke bis zum Grand erzittert. Bleich vor Schreck ruft Soko Mehmed Pascha: „Sie zerstort die feste Drinabriicke!" 4,ol)e 4p 0Ha MyTiia n noMajraa, Homom ce mnica OMOpinta, Te y 4 apa y hynpnjy nyay, Te 3aiMxa na 4 phhh hynpnjon. JIpena 4 e ce Coko Mexsne 4 nama: „06opnke na ^,phhh hyiipnjy!“ Doch es spricht zu ihm Baumeister Mitre: „Keich mir schnell ein Boil verkelirt gescliaftct, Lass’ iierab micli an dem diinnsten Seile, Dass die Fichte ieh zerhacken konne!" Als dies horte Soko Mehmed Pascha, Schaftet er das Beil mit eig’nen Hiinden, Lasst herab ihn an dem diinnen Seile; Hackt entzwei dic Fichte Meister Mitar, Aus der Fichte rothes Blut entquillet, Ans der Fichte eine Stimmo rufet: „Fest wird blciben nun die Drinabriicke, Steli en wird sie jetzt und alle Zeiten!" 0n4a bmb Mirrpe Heiniape: „Haca 4 n mh 0pa4By naonaKO, Ha mo cnycTH na Tanite TeHe^e 4a cnjeneM BiiTKy OMopnity.“ Ka 4 to nyo Coko MexMe 4 nama, CnojoM pyKOM Cpa4ny naca4H0, Ila ra cnycTii na Tanite TCHee. Mnrap ejene iniTK,y omophkv, Hi OMope Kpeua ydapujia 113 OMopc uemmo npoeoeapa: „OcTa Aanac na 4P HIIH kynpnja OcTa 4 anac, ocra 40 r.njeiia." Das Volk verebrt Biiume und andere Pflanzen, weil sie seine Habe vor Blitz- schlagen, vor dem Verschreien und vor allerlei Ungliick bevvahren, und weil ilim die Pflanzenvvelt der Hliter der Wohlfahrt, der Gesundheit und des Lebens ist. A. Baume, Krauter und Graser, welche in Bosnien und der Hercego¬ vina in religioser Beziehung besondere Verehrung geniessen. a) Nadelholzer (Coniferae). 1. l)ic Eibe (Taxus bacccita, Tisa). Das Eibenholz schtitzt gegen bose Geister und Iiexen. Deshalb nahen die Lente auf dem Glasinac kleino Kreuzchen aus Eibenholz an ilire Kleider. Ein Loffel aus Eibenliolz stebt in hohem Wertlie. Frauen, welche mit ihren Kindern boi Nachbarn zu Bcsuclie gelien, nelimen ein Stiickchen Eibenholz mit. In Foča werden die Messerstiele aus Eibenholz gemaclit, weil soleben Messern weder der Teufel noch die IIexen etwas anhaben kiinnen. Im Bezirke Čajnica werden die Loffel zumeist aus Eibenholz angefertigt, denn dieses wird fiir einen Bewahrer des Gliickes gehalten. In Gacko und Umgebung steht das Eibenholz in hohem Ansehen. Es wird dein- selben eine grosse Gewalt zugeschrieben. Der Glockenreif des Leithammels, Jochbogen und Jochstabe des Zugoclisen, ferner Kreuzchen, welche sorgsame Miitter in die Kleider der Kinder einnahen, werden aus Eibenholz angefertigt. In Sarajevo giit das Eibenholz den Muhamedanern als Mittel gegen das Ver¬ schreien. Man bringt es am Horn der Kuhe, an den Kleidern oder am Halse der Kinder, in den Haaren der erwachsenen Madchen an, damit es jene Wirkung thue. Die Orientaliscb-Orthodoxen in Sarajevo binden Eibenholz an die Horner ihrer Rinder, damit diese niclit wild vverden, und verfertigen daraus Kreuzchen, die als Schutzmittel 44 II. Volkskunde. [444] gegen Hexen, gegen den Alp und Aehnlichcs getragen werden. Audi in den Kleider- schranlten wird es bewahrt, wo es auf die Erhaltung der Kleider und der Gesundheit giinstig einwirkt. In der Gegend von Vareš, z. B. im Dorfe Kamensko, treiben die muhamedani- sdien Kinder das Vieh mit Eibenholzruthen auf die Weide, damit es besser gedeihe. In Vlasenica wird ein Splitter Eibenholz im Geldbeutel berumgetragen. Es be- schiitzt vor raschem Vex*brauch des Geldes. Auch Cigarrenspitzen werden aus demselben Materiale angefertigt ; aber das Rauchen aus denselben gilt als Siinde. Man bentitzt sie lediglich als Zierat. Die Bžiuerinnen tragen in ihrem Halsschmuck (Gjerdan) ein htibsch geschnitztes Sttickchen Eibenholz. Die Katholiken in Vareš und Županjac verbrennen im Sommer bei drohenden Geivittern ein am Palmsonntag geweihtes Stiick Eibenholz. 2. Das Kienholz (Taeda, Lue); die Tanne (Abies, Jelica) und der Wach- holderstraueh (Juniperus comm., Smrekovima oder Borovica). Das Kienholz besitzt ebenfalls die Kraft, vor bosen Geistern und Hexen zu bc- schiitzen. Aus diosem Grunde macht man am Glasinac Kreuzchen d ar aus, die in die Kleider eingenaht werden. Wird ein Kind nach Sonnenuntergang binausgetragen, so nimmt man Kienholz und ein Stiick Brot mit. Kienholz darf nicht mit Flissen getreten, noch in den Kehricht geworfen werden. Einen Kienspahn darf man nicht an beiden Seiten anziinden, sonst wird die Pest herbeigerufen. (Die Pest wird im Volksglaubon als Weib dargestellt und heisst auch „Gevatterin Pest“ = Kuma Kuga. 1 ) Wenn diese in einem Hause einen auf beiden Seiten angebrannten Kienspahn vorfande, wiirde sie kein lebendes Wesen darin verschonen. Bei Iiagehvetter verbrennen die Katholiken in Županjac geweihtes Tannenreisig und Salz. Die Orientalisch-Orthodoxen in Gacko bringen Wachholderzweige iiber dem Haus- thore an, damit keinerlei Krankheit in das Haus eindringen kiinne. Erkrankt Jemand, so wird mit Wachholder gerauchert. A b) Becherfrttchtler (Cupuliferae). Dic Hasclnussstaude (Corylus avellana, JLijeslza). In der Krajina (dem nordwestlichen Thcile Bosniens, fruher Tiirkisch-Kroatien genannt) ist die Ilaselnussstaude nach dem Volksglauben ein heiliges Gewachs, in das der Blitz nicht einschlagt. Ferner glaubt man daselbst, dass man einer alten Hasel- nussstaude ebensogut beichten kiinne wie einem Priester. Mit einer Haselgerte werden Schlangen leicht getodtet, denn die Haselgerte ist heilig, und die Schlange ist des Teufels. In Zenica wird erzahlt, dass der Blitz in keinen Haselstrauch schlage, weil Jesus diesen gesegnet habe. Der Blitz schlage nur in solche Baume, unter welchen der Teufel sitzt. Auch auf dem Glasinac wird der Haselstaude oder Haselgerte schtitzende Kraft gegen Blitzschlag zugeschrieben. Deshalb fluchten die Leute bei Gewittern gerne unter Haselstauden oder legen Haselzvreiglein auf die Mtitze, wenn sie im Gewitter iibers Feld gehen miissen. In der Krajina wird der Hautausschlag auf den Han den oder im Gesichte mit Haselschmalz eingerieben. l ) Vgl. diese Mittli., Bd. II, S. 393. [ 445 ] Lilo,k. Volksglanbe und volksthiimlicher Cultus in Bosnien und (ler Hercegovina. 45 c) TVallnussarten (Juglandeae). Der WaH nussbaum (Juglans regia, Obieni onih). In Ljubinje pflanzt Niemand in jungen Jahren einen Nussbaum, denn es herrsclit der Glaube, dass, wer einen Nussbaum gepflanzt,' auch verdorren miisse, sobald dieser zu verdorren anfangt. In Sarajevo d ur fen in der Nahe von Hausern stehende Nussbaume durcbaus niclit umgeliauen Averden, denn sobald der Baum verdorrt, ereilt de n, der ihn umgehauen, das gleiche Schicksal — „wic sicli solches oft genug ereignet hat“. Unweit von Čajnica stelit bei einei' Quelle ein Nussbaum mit einem gevvoibt vor- ragenden Wurzelaste. Unter diesem Aste werden kranke Kinder vor dem Baden hin- durchgezogen. Im Bezirke Čajnica graben Madchen am Vorabend des Georgitages (24. April) ein Flasehchen mit Oel unter einem Nussbaume ein und lassen es bis zum nachsten Jahre dort. d.) Weidenai'ten (Salicineae). 1. Grem. Weidcn (Salices, Vrbe). In Foča und an anderen Orten lierrscht die Sitte, am Vorabend des Georgitages Weidenruthen nach Hause zu bringen und sich am nachsten Morgen vor Sonnenaufgang damit zu umgiirten. Manclie nehmen den Ruthengiirtel ab, sobald die Sonne warm soheint, Manche tragen ihn bis Mittag. Im Bezirke Čajnica bringen Madchen am Vorabend des Georgitages Butter oder Oel auf Weiden an und lassen es dort liber die Nacht. Dieses Oel wird dann als Haarwuchsmittel verwendet. An manchen Orten, z. B. im Kreise Banjaluka und im Bezirke Vlasenica, stelit die Weide in dem Rufe eines verfluchten Baumes. Als namlich Jesus den Satan vcr- folgte, zeigte die VVeide diesem den Weg, auf welchem er am leichtesten fllichten kbnne. Deshalb triigt die Weide keine Friichte. — Unter der Trauerweide halten sich gerne bose Geister auf. Es ist deshalb niclit gut, bci GewiPer unter Trauer- weiden zu fiiichten, denn der Prophet Elias vertreibt die bosen Damonen, indem er Blitze in die Weide schleudert. 2. l)ic Pyramidenpappel (JPopulus pgramidalis, Jablan). Eine Pyramidenpappel beim Hause scliiitzt dieses vor dem Blitzschlage. 3. Die Espe, Zitterpappel (JPopulus tremula, Jasika). In Kupres und Vlasenica gilt die Espe fiir einen verfluchten Baum. Das innner- wahrende Zittern ilires Laubes ist eine Folge des auf ihr ruhenden Fluches. e) Der Ilartriegel (Cornus). Im Bezirke Čajnica bringen die Leute vor Sonnenaufgang Schaukeln auf dem gelben Hartriegel (Cornus mas, Drenovo drvo) an und schaukeln sich darauf, damit sie der Rttcken niclit schmerze. Dann schmiicken sie sich mit ZAveigen des Hartriegels und tragen solche bei sich. 4(5 II. Volkskunde. [ 446 ] In Vlasenica schlucken die Leute ara Weihnachtsmorgen vor Sonnenaufgang kleine Stuckchen von diinnen Hartriegelzweigen auf niichternem Magen, damit sie so gesund, fest und stark bleiben wie das Hartriegelholz. f) Fettpflanzen (Crassulaceae). Der gemeinc Hauswurz (Sempervivum tectorum, Ouvarkuča). Der Hauswurz wird in ganz Bosnien und der Hercegovina auf den Hausdachern gehalten. Er schiitzt das Haus vor Blitzschliigen und sonstigen Ungliicksfallen. In Čajnica herrscht der Glaube, dass aus einem Hanse, auf dessen Dache Hauswurz wachst, nicbts gestolilen werdcn koline, auck wenn Niemand im Hause sei. g) Lindengewachse (Tiliae). Die Linde (Tilia, Lipa). Im Kreise Banjaluka geniesst die Linde eine ganz besondere Verehrung, jedoch ist diese bei der jiingeren Generation schon stark im Abnehmen. Wenn Jemand einem alten Manne erzšihlt, er babe eine Linde umgehauen, erhiilt er oft zur Antwort: „Was hast du gethan, mein Solin? Weisst du denn nicht, dass die Linde ein heiliger Baum und dass es eine Siinde ist, sie zu verletzen? Thue das niemals mebr!“ Wer an der Scbwindsucht leidet, gebe durch vierzig Tage immer am Morgen unter eine Linde, und er wird gesunden. In den Hofen alter Moscheen befmden sich oft alte Lindenbaume. Im Sarajevsko polje wird zum „lebendigen Feuer“ Lindenbolz genommen. h) Ahornarten (Acerineae, Javori). Die Rosskastanie (Aesculus hippocastanum, JHvlji kesten). In Sarajevo tragen alte Leute nocb heutzutage die Frucht der Rosskastanie bei sicb und glauben, diese sebutze sie vor Rbeumatismus. i) Apfelfriichtler (Poma,ceae). Der Weissdorn (Crataegus oxyacantha, Glog). „Wenn du einen Štab von Weissdorn hast, brauchst du nicbts zu fiirchtcn,“ sagt das Volk bierzulande. Gegen Gespenster leistet ein Weissdornpflock trefflicho Dienste. Man braucht damit blos nach ihnen zu schlagen, und sie versdrvvinden auf der Stelle. Besonders wirksam ist ein soleher Pfiock oder Kniittel bei Vertreibung der Vampyre (Vukodlak). Der Gymnasialschuler Vidovib hbrte gelegentlicb einer abendlicben ge- selligen Zusammenkunft, bei welcher allerlei Erztiblungen von Erscheinungen und Gespenstern aufgetiscbt vvurden, ein Weib berichten: „Eine zottige, hassliche Katze sprang gegen mich an. Sofort war icb mir dariiber klar, was es sei, zog den beiligen Weissdorn, versetzte ibr einen Streicb iiber den Riicken, und sie verschwand.“ In den Dorfern der Umgebung von Banjaluka tragen die Burschen bei ihren nacbtlicben Besuchen in der Nacbbarscbaft Weissdornst5cke mit, welclie ibnen Mutb einflossen, so dass sie furchtlos die verrufensten Wege passiren. [447] Lil ek. Volksglaube und volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 47 k) Krauter und Graser. (Nacli der Volkssystematik.) 1. Der Alant (Inula helenium, Veliko zelje). In Gacko nžlht man den Kindern in die Kleider Alant ein; auch rauchert man damit, um die IIexen zu vertreiben. Demselben Zwecke dient auch das Gras „Oman“. Ein Volksspriclnvort sagt: „Ohne das Gras ,Oman‘, den verzweigten Alant, konnte keine Mutter den Sohn v or dem Verschreien bewahren. “ — Der Alant wird gewohn- lieli in der Dammerung gesammelt. Dabei wird folgender Vorgang beobachtet: Der Sammler wirft den Stein, womit die Pflanze aufgegraben ward, in die Hohe und reisst das Kraut heraus, bevor der Stein zur Erde gefallen ist. Fallt der Stein frtiher zu Hoden, als es gelang, das Kraut zu entwurzeln, so wird diesem eine viel geringere Wirkung zugeschrieben. Deslmlb wird der Alant griindlich umgraben, damit die be- schriebene Procedur gelinge. In Nevesinje schreibt man dem Alant die Kraft zu, die Bienen vor dem Davon- schwarmen zu bewahren, und pflanzt ihn deslmlb mit Vorliebe vor das Bienenhaus. 2. Pgrethnmi macrophijllum, JPovratak oder Vratič. In Bistrica bei Prijedor wird das Pyrethrum macrophijllum „povratak“ (das Riick- kehrende) genannt. Wenn die Kube infolge von Verhexung die Milch verloren, wird ihnen die Pflanze im Salz verabreicht, damit die Milch wieder zuriickkehre. 3. Menegled oder Kolutak. In Čajnica tragen Madchen diese Pflanze in den IPaaren. Sie glauben, dass die jungen Burschen ibretwegen vor Licbe den Verstand verlieren. 4. Der Cfaucliheil (Anagallis arvensis, Vid). Am Vorabend des St. Veitstages (Vidovdan, 15. Juni) sainmeln Frauen den Gaueh- lieil und legen ihn unter den Kopfpolster. Es gehen ihnen dann die Traume der bc- treffenden Naeht in Erfullung. Am Veitstage selbst wird die Pflanze ins Wasser geworfen und das Gesicht damit gewaschen. Dies sei den Augen sehr heilsam. 5. Das Frauenhaar (Kovilje). In Nevesinje werden aus Frauenhaar Strausse geflochten, an einer langen Ruthe befestigt und an den Schafburden angebracht, damit der Wolf nicht in die Hiirde einbreche. 6. Die klane Meeruurz (Ergngium amethgstinum, OJeoloeep). Der blauen Meerwurz wird in Sarajevo grosse Maclit zugeschrieben. Wer einen Andern durch die Pflanze erblickt, lcann ihm Schmerzen suggeriren. Das Volk be- hauptet, die Plianze ware nur schwer auffindbar. Nur Bruder und Sclnvester, die zusammen vierzig Tage graben, konnten sie ausfindig maehen. Beim Graben mtissen beide vollstandig nackt sein. 1 ) Die Pflanze wachse am Wasser und vermoge sogar durch die Erde zu entfliehen. J ) Vgl. Grimm’s D. Mytliologie, II, S. 1001—1002. 48 II. Volkskunrte. [ 448 ] V. Verehrung von Himmelskorpern. Das Licht gilt dem Volke Bosniens und der Hercegovina als Hauptquelle der Gesundheit, des Gluckes, der korperlichen und wie bei anderen Volkern gleichzeitig der moralischen Reinheit. Die Finsterniss ist dagegen die Quelle der Krankheiten, der physischen und moralischen Unreinheit. Deshalb werden alle hauptsachlichsten Thatig- keiten, z. B. das Waschen und Baden am Freitag nacli Ostern (istočni petalc) und am Georgitage, das Abhauen des Weihnachtsklotzes (badnjak) u. A. entweder mit Tages- anbruch oder nach Osten gerichtet, „wo die Sonne geboren wird“, vollzogen. Wer nach Sonnenuntergang an einer Quelle Wasser trinkt, wird leicht von unreinen Geistern befallen. Deshalb muss das nach Sonnenuntergang gebrachte Wasser mittelst Feuer gereinigt werden. Wenn eine Mutter ihr Kind nach Sonnenuntergang hinaustragt, nimint sie Kinn- und Eibenholz mit als Schutzmittel gegen Hexen, gegen den Alp und and ere bose Erscheinungen. Das natiirliche Licht erhalten wir von der Sonne, dem Monde und den Sternen. A. Die Sonne. Die Sonne gibt nicht nur Licht und Warme, sie vertreibt auch nachtliche Geister und Gespenster, welche das hiesige Volk sehr fiirchtet. Als Rudimente einstmaliger Sonnenverehrung konnten folgende Gebriiuche angesehen werden: Alle religiosen und sonstigen Handlungen, von welchen eine gliickliche Ent- wicklung und ein glucklicher Erfolg gewiinscht wird, werden gegen Osten gewendet verrichtet. Wenn z. B. die Braut dem Brautigam zugeflihrt wird, wendet sie sich gen Sonnenaufgang und umgeht sammt den Hochzeitsgasten das Idaus in ostlicher Rich- tung. — Die Orientalisch-Orthodoxen legen ihre Todten so auf den Boden, dass ihr Antlitz nach Osten gerichtet ist. — Auf dem Glasinac werden die zum Andenken an Todte angeziindeten Kerzen an der ostlichen Hauswand befestigt. Bevor der Weihnachtsklotz (badnjak) gefallt wird, schlagen die dabei Beschaftigten gegen Osten gewendet ein Kreuz. Der Baum wird so umgehauen, dass er gegen Sonnenaufgang fallt. Das Waschen und Baden am Freitag, am Georgitage u. s. w. geschieht an Quellen, die gegen Osten gelegen sind. Kauft der Bauer ein Pferd, so verlangt er, dass der Verkaufer ihm die Halfter gen Osten zu Boden werfe. Der Kaufer fasst dieselbe mit der Miitze auf und ftihrt das Pferd zuerst ostwarts. Bei Leichenbestattungen der Orientalisch-Orthodoxen vvird der Todte in der Rich- tung um das Grab getragen, in welcher die scheinbare Sonnenbewegung am Himmel stattfindet, und ins Grab selbst mit dem Gesichte gen Osten gelegt. Den Grund hiefiir wissen die Lente nielit anzugeben. Die Volksfeste am Christabend, Weihnachtstag, das Anzunden von Reisigbiindeln und das Springen uber die Flamme liaben tlicils direct, theils indirect die Sonne als Gegenstand der Feier. a) Weihnacliten (Badnji dan) und Christtag (Božic). Die Wurzel des Wortes „badnji“ ist nach Miklošič und Daničič dieselbe wie in den Zeitwortern „bdjeti“, wachen, und „buditi a , wecken, namlich „bud“. Das Wort „Božič“ ist ein Diminutiv von „Bog“, Gott. Die slavische Bezeichnung fiir den Schopfer [449] Lilek. Volksglaube und volksthumlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 49 und Erhalter der Welt stammt vom ari seli en „Baga“ ab, einer der im Rigveda vor- kommenden vielen Bezeichnungen fiir den Grott des Himmels und der Sonne. In den persischen Keilinschriften wird Ahuramazda so bezeichnet. Wenn Baga oder der „Bog“ der heidnischen Slaven Herr der Sonne oder die Sonne selbst ist, dann ist es selbst- verstandlich, dass der Name „Boži6“ fiir ihren Sohn oder die junge, neugeborene Sonne gilt. Auch der Naturmensch nimmt wahr, dass Leben und Tod in der Natur continuir- lich abwecliseln, dass die Tage bald zu-, bald wieder abnebmen, und dass dies Alles in Verbindung stelit mit der Sonne, welche bei uns auf der nordlichen Halbkugel gegen den 25. December am niedrigsten stelit („am jtingsten ist“, sagt das Volk hierzulande). Dann nimmt sie fortwahrend an Kraft zu bis gegen den Johannistag (24. Juni), um abermals bis zum 24. December schwacber und scliwacher zu werden. Am letztgenannten Tage „stirbt“ die Sonne im Volksmunde, nacbdem sie friiher mit dem Morgensterne, der Morgenrdthe oder dem Monde eine junge Sonne gezeugt. Die Geburt der jungen Sonne um den 25. December — mit diesem Tage begann auch das neue Jahr — feierten nicht blos die alten Perser, Aegypter, Semiten und Riimer, sondern auch die alten Ger- manen und Slaven. Nach der Anschauung dieser Volker wird die Sonne nicht nur jeden Tag neugeboren — die hier volkstlitimliche Bezeichnung fiir den taglichen Sonnen- aufgang lautet: Die Sonne wird geboren (sunce se ragja) — sondern auch einmal im Jahre. Das slavische „Bog“ und „Boži6“ stehen in der Hauptsache in demselben Ver- haltnisse zu einander, wie Re und Horus der agyptischen Mythologie. An dieses Ver- haltniss und daran, was oben iiber die Geburt der jungen Sonne zur Weihnachtszeit gesagt wurde, gemahnen manche Volkslieder, welche hier zu Weihnachten gesungen werden. Bogoljub Petranovič hat dieselben am Fusse der Jahorina gesammelt und im „Anzeiger der serbischen Gelehrtengesellschaft 11 (Glasnik srpskog učenog društva, XI) publicirt. — Eines davon lautet in freier Uebersetzung: Euft die Sonne Danica 1 ) die Schwester: „0 Danica! Schwesterehen, mein liebes! Briiderlich 2 ) dich rufe icli und bitte, — Christus wird sclion morgen uns geboren! — Wenn im Osten du mit Zora 3 ) aufgehst, Wart’ auf mich daselbst, du liebe Schwester; Denn es gilt zu tanzen auf dem Feste.“ Auf den Bruder liorcht die gute Scliwester Danica und folget seinen Worten, Kam beim Feste mit der Sonn’ zusarnmen. Als sie salien, wie geboren Christus, Dreimal sie in Lust und Freude tanzten Nach der Reih’: im Ost, die warme Sonne Und nach ihr das Schwesterchen Danica, Dann die andern Štern’ am Himmelszelte; JKapico 4 ) CyHU,e 4aHimy 5 ) 403Hi!a! „0 4 aH ®ie, Moja cecrpemme! Ja Te 30Ben h mo^hm 6paTitncKK, CjyTpa Ham je Xpncroiio pot|eH>e. Ka 4 ca 3opom 6 ) na hctok Hancem, IIpRueKaj Me na iic'roity, ceno, Ba^a cjyTpa nrpai' Ha BCceAy.“ Ceita 6paTa uocaymaaa CBora, E banana npHTeitaaa cynu;e, 4, e ena a ce c OpaTOM Ha Bece^y. Ita 4 miljeme Xphctobo pol)en.e, O 4 pa 40 CTH Tpii nyT saHrpauie, Cue no pe4y, na HCTOKy CyHu,e, H ca H>HMe 4aHHua cecTpaua tt ocraae 110 ue6j 3BHjea4e. x ) Danica = Morgenstern. 2 ) Die Sonne ist in der slavischen Mythologie mannlichen Geschlechtes. 3 ) Zora = Morgenrdthe. *) Cyiiu,e statt cynne. d ) Consequent damina statt 4 aiiHii,a oder ^an»na. 6 ) ca 3opoM statt ce 3opoM. Band IV. 29 50 Sangen alle, Danica und Sonne Urici die andern Štern’ am Himmelszelte: ,,Ehre sei Gott und der Gottesmutter!" II. Volksltunde. [ 450 ] PedOM ujeBa /[amina h CyHu,e 1 ) II ocTaae no ne6y 3Bnje34e rae 4 ajyhn /Rhhiij h CyHn,e: „CaaBa Bory h Boropo^Hna! 2 )" Es ist wahrscheinlich, dass Christus statt „Božie“ gesetzt wurde, clamit das Lied anstatt des solaren einen christlichen Charakter erlialte. Alt dtirften auch folgende zwei Lieder sein: 1. Im Grase sitzet Božic fein; Er tragt ein rothes Rčickelein Und ruft am Wasserrande: „Tragt mich docli Iibers Wasser! Schickt mir nicht alte "VVeiber, Nicht alte, garsfge Weiber, Die cviirden mich umwerfen; Den Hausberrn zu mir sendot, Dass er mich iiberfuhrt. Der Hausherr wird mich fciern Sein ganzes Leben lang.“ Eomah cje4H y TpaBnua, y upeenoj itaOaminn. Eoffinh Birne H 3 a no 4 e: „IIpenec’Te mo npeito B04e! He manfre mii Mape 6 a 6 e, CTape 6 a 6 e Te Mp^aue, IIpeBaAHhe Me; Beli mh nja 4 >’Te AOMahima, /[a m e npeuze. /[oMahun he caaBimi ne Ao BHjeita cboi'.“ Zum Verstandniss dieses Liedcs ist es notliig zu wissen, dass viele Volker rneinen, dass das blaue Himmelsgewolbe ein Meer sei, welches die Sonne taglich in einem Kahne tlbersetzt. So fahrt z. B. der agyptische Grott Rč in der Sonnenbarke ttber den liimm- lischen Ocean. 2 . Sehwestern sind dem Božic drei gcworden: Eine Schvrester weilet im Talaste, Und sie feget seine weiten Hofe. Eine Schwester ist, die Wein ihm sehenket, Wein ihm sehenket und den Becher reichet; Und die dritte hiitet seine Sehafo, Seine Schafe hiitet sie und mehrt sie. Singt die Schvrester, so im Hofe vveilet, Allda weilet und die Hofe kehret: „Mein Palast, aus Silber blank geschmiedet! Heut’ bist du mit rotliem Gold vorgoldet. Mutter ihren Solin mit off’nem Arm erwartet: Strahlend auf der Erde geht die Sonn' auf, Allem Volk zu Freud’ und zum Entziiekcn!“ Und die Schwester, so den Wein einschenkct Und credenzet, sie beginnt zu spreclien: „Perlender Wein, liichelnd ist dein Anblick, Mit dir vverden Trinksprticbe gesprochcn, Heut’ mein Bruder feiert den Gcburtstag Allem Volk zu Freud’ und zum Entziicken! 11 y Uootciiha mpu cene mia4y: Je4Ha cena, ihto m’iio 4Bopy mehe, ,4,BopoM mehe h 4BopoBe Meie; 4pyra ceita, ihto My srnine tohh, Bmme TO’« n nimne My c.ayjKn; Tpeha cena, iiito My OBne 'iyBa, Osne nyBa h oiute My jau.n. IIIto je ceita, mio My 4BopoM mehe, ^BopoM mehe, 4BopoM nonujeiia: „Mojir ABopH, 04 cpsie CKOisaini! Jvrpocite CTe saaroM noiMaheim. Majm cuhim donena na pyne, Cujnu otcapKO no cevjemij cyuv,e , Gumjj pody padocm v, eecejoe-" IIIto je cena, iiito My biihuo tobh, Banne Tonil, a imHny ronopn: „Pyjno Himne, nacMujano jntne, C to6om he ce cnaBHTH ;t4paBiine, Jyrpoc mu je Moe 6pama pofoene, CBejiy po4y pa40CT h Bece*e“. *) „Pe 40 M ujeBa /[aimpa h Cymi,e, II ocTaae no ne6y 3Biije3Ae, rae 4 ajyhii ,/l,anHny h Cynne;“ statt: „Pe 40 M njena /[arana h cy»ne. r 4 e 4 ajyhn /Rhhuj h cyHne.“ 2 ) Stellenweise habe ieh Punkte statt Beistrichen und umgekehrt eingesetzt. [451] Lil ek. Volksglaube und volkstlitimlicher Und die dritte, so die Schafe hiitet, Hiitet wohl sie und blickt nach der Sonne: „StrahIensonne, warme meine HBfe Und die weissen Scbafe beim Palaste. Lasse meine Schafe ruhig grasen, Bis ich hingeh’ nacli den weissen Hallen Und hinfiihr’ ein fettes junges Schaflein. Heut’ mein Bruder feiert den Geburtstag, Seinem ganzen Stamm allzeit zuin Ruhme, Allem Volk zu Prend’ und zum Entziieken! 11 Die Sonne wird im Volksliede niclit n zeiten verehrt. Wenn die Hochzeitsgaste d „Kolo“ (Kreis) von Madchen tanzend das i Betend wendet sich zu Gott die Jungfrau: „Lass’, o Gott, die Sonne heiter scheinen! 11 Und Gott liisst die Sonne heiter strahlen, Und die Jungfrau tritt hin vor die Sonne, Beuget tief sich vor der Stralilensonne, Beuget sich tief und spricht nun zur Sonne: Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 51 lllro je cena, ihto My onge ’iyBa, l Iyiia onne, a rje 4 a y cyme: „JEapito cyuu,e, orpisj noje 4 isope, II 6njeae HC1104 4rsopa OBge, Heit ce Moje 3airjaii4yjy onge, ^,ok ja o/teM mom bujeaoM 4Bopy II noue4eM OBii,y janoBimy. Jyrpoc mh je Jitoa Spama pofiene, CBejiy po4y caara 40 BiijeEa, H napo 4 y pa 40 cr h Bece.se. “ ir zu Weihnacliten, sondern auch bei Hoch- em Hause der Braut sicli nahern, singt ein olgende Lied: Bora mojih mijeua 4jeBojna: „,l a j mh BoJKe, 4a orpaje cynu,e!“ Bor joj 4 a 4 e h orpaja cyime. Ilait Ajeiiojita i:ocTyiiH npe4 cymie, Te ce cynny noKMina y cymy KMna, a cyim,y roBopii: 1 ) 1. WeihnachtsaBend (Badnji dan) und Christtag (Božib) Boi den Oricnta]iseli-Orthodoxen. a) In Trebinje. Um ein thunlichst vollstandiges Bild der Weihnachtsfeier zu bieten, theile ich zwei ausftihrliche Beschreibungen dieser Festliclikeit mit, und zwar die eine aus Trebinje in der Hercegovina, die andere vom Glasinac in Bosnien. Ferner habe ich einige Skizzen aus anderen Gegendcn Bosniens und der Hercegovina beigefiigt, um damit einige locale Besonderheiten hervorzuheben, um manche Ceremonien und Regeln mit Nachrichten aus mehreren Orten zu belegen. Die Gesamintheit aller Beschrei¬ bungen stellt ein ideales Bild der erwahnten Feierlichkeiten dar. Wann und wie die Weihnachtskl6tze (badnjak, plur. badnjaci) in Trebinje gefallt werden. In Trebinje werden die Badnjaci gewohnlich wahrend der letzten Woche vor Weihnachten gefallt. Dazu werden ausschliesslich Eichen oder Zerreichen verwendet. Vor Beginn der Arbeit wendet sich der Faller gegen Osten und bekreuzt sich dreimal. Beim Nachhausetragen der Klčitze muss man darauf achten, dass sich die Rinde niclit vom Holze loslose. Zuhausc werden die Badnjaci an die ostliche Hauswand gelehnt und mit Eplieu geschmiickt. Wie d er Scliafhirt am Weihnachtsabend empfangen und bewirthet wird. Sobald die Dammerung anbricht, gehen sammtliche Familienmitglieder mit dem Haus- vater und der HaUsmutter an der Spitze vor das Hofthor, um den Hirten mit den Schafen zu erwarten. Der Hausvater h alt eine mit G-erste gefullte Schale, worin eine brennende Kerze steckt, die Hausmutter in der einen Hand einen Kuchen mit einem Glase Wein darauf, in der anderen eine Kerze. Auch jedes Kind halt eine Kerze. Unter die Schwelle wird eine Haclte gelegt, ferner zu jeder Seite des Thores die Halfte einer gespaltenen Bleikugel. Wenn der Hirt eintrifft, stellt er sich vor die Schafe und ruft: „Guten Abend, Hausvater! Moge dir der heutige Weihnachtsabend, der morgige *) Siehe Jen Aufsatz des Petranovič: Svadba (die Ilochzeit). 29 * 52 II. Volkskunde. [ 452 ] Christtag und nach Weihnachten sammtliche Feiertage glticklich sein!“ Der Hausvater streut Getreide liber ihn und ervridert: „Dein Gllick sei gut!“ (Dobra ti sreda.) Die Hausmutter reicht ihm hierauf den Kuchen, er beisst ein Stiick davon ab und lasst es in die Gerste des Hausvaters fallen. Dann nimmt er der Hausmutter das Glas mit dem Wein aus der H and, nippt dreimal davon und sprengt den Wein ebenso oft liber die Heerde. Hierauf werden die Thiere in den Hof getrieben; sie passiren dabei ein Spalier von kerzentragenden Hausleuten und den Rauch von Weihrauch, ivelclier auf einer Pflugschar neben dem Thore angeziindet ward. Diese Pflugschar wird nach ilirer Beniitzung ebanfalls unter die Scliwelle geschoben, wo sie bis zum nachsten Weihnachts- abend verbleibt; friiher darf sie nicht bervorgezogen werden. Das abgebissene Stiick Kuchen wird in das Weinglas getunkt, und dann werden damit die Kerzen verloscht. Nach Beendigung dieser Ceremonie begeben sicli die Leute ins Haus. Der Hirt nimmt auf einem mit Stroli gefiillten Sacke Platz und spricht bis zum Abendessen kein Wort. Das Mahi selbst ist etwas reichlicher als an sonstigen Abenden. Der Hirt wird als angesehener Gast behandelt, und Jedermann htitet sicli, ihm irgend etwas Unangenehmes zuzufiigen. Am Weihnachtsabend schneidet der Plirt drei diirre Zweige ab (zumeist vom Eschenbaume), an welchen die Aeste kreuzweise (quirlformig) gestellt sind. Auc.h diese Zweige werden „badnjaci“ genannt und bis Neujahr ausschliesslich zum Viehtreiben beniitzt. Bricht einer davon, dann bringt ihn der Hirt nach IPause und steckt ihn unter das Dacli des Stalles. Weggeworfen darf ein solcher Zweig nicht werden. Wann und in welcher Weise die Weihnachtsklotze ins Haus gebracht \verden. Gegen Mitternaclit tragt der Hausvater die Weihnachtsklotze ins Haus. Beim Eintreten ins Haus ruffc er den Hausleuten von der Schwelle zu: „Guten Morgen und frohlichen Christtag!“ Die Hausmutter oder eine andere Hausbewohnerin beschiittet ihn mit Gerste und ervridert seinen Gliickwunsch. Das wird dreimal vviederholt. Die Klotze werden nebeneinander aufs Feuer gelegt. Von diesem Augenblicke an heissen sie „veseljači", Festholzer. Es wird darauf geachtet, dass Niemand an dieselben mit dem Fusse oder sonst wie stosst, und dass sie Niemand zerbreche. Die Asclie der ver- brannten Festholzer wird entweder auf den Acker oder unter einen Obstbaum geschiittet, oder aber als Heilmittel aufbevvahrt. Drei Stiicke werden ftir die „Kleinen Weih- nachten“ (Neujahr) aufbewahrt. Festbraten und Festkuchen; der Gottesfriede. Am Christmorgen miissen der Festbraten (veselica, zaoblica) und der Weihnachtskuclien (česnica) nocli vor Tagesanbruch zubereitet sein. Diejenigen, vvelche beim Backen und Braten beschaftigt sind, bleiben zu Plause, die iibrigeri Hausleute begeben sicli in die Kirche. Nach der Riickkehr vom Gottesdienste wird schwarzer Kaffee und Branntwein genossen. Hierauf vverden Wachskerzen angefertigt und rings um den Esstisch aufgestellt; auf diesem ward friiher bereits ein Gefass mit Gerste, ein Glas Wein und ein Epheuzweig ange- richtet. Der Hausvater ztindet seine Kerze zuerst an, dann an der seinigen die ITaus- frau und das iibrige Hausgesinde nach der Reihe. Dann kiisst der Hausvater dreimal seine Frau und sagt: „Gottesfriede sei mit dir, Christus ward geboren! Beugen wir uns vor Gott und vor Christi Geburt.“ Hier¬ auf kiisst er die Kinder auf die Štirne und diese kiissen ihm die Hand. Auch die ubrigen Hausleute tauschen Kiisse aus und rufen sich gegenseitig den „Gottesfrieden“ (Mir božji) zu. Hierauf folgt ein Gebet, dann bricht der Hausvater ein Stiick vom Weihnachtskuchen, tunkt es in den Wein auf dem Tisclie, loscht damit die Kerzen aus und legt sie nebst einigen Miinzen in das Getreide auf dem Tische. Dies Alles [453] Lilek. Volksglaube und volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 53 bleibt wahrend dei’ drei Weibnachtsfesttage stehen. Wessen Kerze am schnellsten ver- brenut, muss zuerst sterben. Dieser Ceremonie (Mirbožanje, Zuruf des Gottesfriedens) folgt das Mahi, bei welcliem der Festbraten und der Festkuchen genossen werden. Den ersten Bissen nimmt der Hausherr, und zwar vom Fett des Bratens auf einer Pflugschar, die Frauen auf einer Sichel. An der Weihnachtsmahlzeit darf nieht theil- nehmen, wer sicli mit seinen Feinden nicht ausgesiihnt und die Ceremonie des Gottes- friedenrufes nicht mitgemacht hat. Wer am Weibnachtstage streitet, wird durch das ganze Jahr an Abscessen leiden; wer an diesem Tage schlaft, wird das ganze Jahr schlafrig sein; ferner darf an diesem Tage nicht geflucht und diirfen die Kinder nicht geschlagen werden. Der Besucher (polaznik). Nach dem Mahle oder noch wahrend desselben kommt der „Besucher“. Beim Eintritte ins Haus ruft er: „Guten Morgen und froh- liche Feiertage“ (Dobro jutro i čestit vi praznik!), worauf ilm eine der Frauen mit Gerste beschiittet. Der Besucher tritt vor Allem an den Herd, nimmt ein Stiick vom Weihnachts- klotze, schlagt damit auf den anderen, dass die Funken spriihen, und spridit hiebei zum Hausherrn: „So viele Funken, so viele Kalber, Lammer, Ziegen und Rinder! so viel Gliick, Gedeihen und Gottessegen!“ (Ovoliko ti se otelilo krava, ojanjilo ovaca, okozilo koza, rodilo djece! Ovoliko ti bilo svake sreče, napretka i blagoslova božijeg!) Auf die Weihnachtsholzer legt er einen Apfel oder eine Orange, in welche Geldmiinzen gesteckt sind. Dann ruft er der Hausfrau und den iibrigen Hausleuten den Gottes- frieden zu. Nach Beendigung dieser Ceremonie wird er mit Speise und Trank bewirtliet. Beim Weggelien schenkt ihm die Hausfrau ein Iieind, Striimpfe oder Aehnliches. b) In Ljubinj e. Anstatt des dritten Weihnachtsklotzes wird in L jubinj e ein kleines Scheit verwendet. Am Christabend kommen die Schafe ausnalimsweise spat nach Hause, etwa eine Stunde nach Einbruch der Abenddammerung. Die Hausleute er- warten die Heerde am Hausthore mit einem angebrannten Holzsclieit, mit Kaše, Brot und Getreide. In Ljubinje wird auch den Hausthieren „Gottesfriede w zugerufen. c) Auf dem Glasinac. Mit Anbruch des Weihnachtstages wird mit einem Ochsen- wagen in den Wald um den Weihnachtsklotz gefahren. Die Fuhrleute tragen in einem Handschuh (Faustling) Gerste mit. Im Walde wird ein entsprechender Eichen- oder Buchenbaum ausgesucht. (Zum Weilmachtsklotz darf ausser Eiche, Zerreiche und Buche kein anderer Baum verwendet werden.) Der Fuhrmann wunscht dem Baume einen guten Morgen und bestreut ihn mit Gerste, bevor er die Axt an denselben legt. Der gefallte Baum wird behauen und nach Hause gebracht. Bevor die Weihnachtsklotze in die Nahe des Hauses geschafft werden, muss die Hausfrau gewisse Sachen verstecken, und zwar die Sinija, 1 ) die Lolfel, die Feuer- schaufel und die Stiihle. Die Mahlzeit wird indessen auf Teppichen und Sacken sitzend eingenommen und besteht blos aus einer heissen Pogača 2 ) und aus Branntwein. Der ftir die Weihnachtsklotze bestimmte Balken wird in drei Stucke gespalten und diese an die ilussere Hauswand gelehnt, wo sie bis Mitternacht verbleiben. Um Mitter- naclit legt der Hausvater das dickste Stiick an eine Kette und schleppt es unter dem Rufe „Hoe!“ ins Haus. Von der Scliwelle ruft er den Hausleuten den bereits envahnten x ) Ein niedriger Siieisetiscli. 2 ) Fladen. 54 II. Volkskunde. [454] Weihnachtsgruss zu. Wahrend clie iibrigen Stlicke ins Haus gebracht und ins Feuer gelegt vverden, darf kein Fremder das Haus betreten und Niemand von den Hausleuten barfuss herumgehen, weil dem Betreffenden sonst das ganze Jahr hindurch die Fusse schmerzen wiirden. Wenn der Morgen des Christtages graut, gelit der Hausvater in den Stali und bringt von dort einen Oclisen in die Stube. An der Schwelle ruft er: „Guten Morgen und frohlicher Christtag!“ (Dobro jutro i čestit vi Sveti Božič!), worauf die Hausfrau envidert: „Gut Gliick und SeelenheilP (Dobra ti sreča i čestita ti duša!), dann bestreut sie den Ochsen mit Gerste und steckt ihm an ein Horn einen ringformigen Kuchen. Nachdem das Thier in den Stali zurilckgeflilirt worden, fiillt der Hausvater Gerste in einen Handschuli und stellt sich an die Thiir, um den „Besucher“ (polaznik) zu erwarten. Dieser begriisst beim Eintritte den Hausvater mit einem „Guten Morgen!“ Der Hausvater antwortet: „Gut Gliick!“ und die beiden bestreuen sich gegenseitig mit Gerste, wobei einer dem anderen flink zuvorzukommen suclit. Nachdem der „Besucher“ in die Stube getreten ist, wirft er einen Strahn Flaclis iiber den Querbalken unterhalb der Zimmerdecke und nimmt auf einem Stuhle am Feuer Platz, wiihrend der Hausvater eine Kotze iiber ihn wirft. Sodann bringt man ihm die friiher versteckt gewesene Feuerschaufel. Der „Besucher“ schlagt ein Kreuz, umkreist dreimal das Feuer und riickt jedesmal einen der Weihnachtsklotze, ergreift die Schaufel, schlagt damit ins Feuer, dass die Funken stieben, und spricht: „So vide Kinder, Schafe, Kinder, Geld u. s. w. moge unser Ban, der Hausherr, besitzen!“ (Ovoliko bilo u našeg bana domačina djece, ovaca, goveda, novaca u. s. w.) Hierauf legt er auf die Scheiter eine silberne Miinze, erhebt sich, kiisst alle Iiausleute der Reihe nach und setzt sich zuletzt mit dem Hausvater zum Mahle nieder. Am Christtage brennen die Weihnachtsklotze den ganzen Tag hindurch. Was bis zum Abend nicht verbrannt ist, sammelt die Hausfrau, um damit zu Neujahr Feuer anzumachen. d) Im Kupreško polje. Der Hausvater verfiigt reclitzeitig, wer am Weihnachts- tage die Weilmachtsklotze aus dem Walde zu bolen habe. Die Betreffenden stehen zeitlich auf, um bis Sonnenaufgang mit den Klotzen wieder zu Hause zu sein. In den Wald wird Hafer mitgenommen. Bevor die Axt an den Baum gelegt wird, schlagt der Betreffende, mit dem Antlitz gegen Osten gewendet, ein Kreuz, nimmt dann eine Handvoll Hafer und bestreut damit den zu fallenden Baum. Derselbe wird derart umgehauen, dass er gegen Osten fallt. Der erste Spahn wird fiir die Hausfrau auf- bewahrt, welche ihn unter die Rahmschiissel legt, um damit die Rahmbildung zu fordern. Der Baum wird zu Hause in flinf Scheiter gespalten, die man dann in der Nalie des Hausthores an die Wand lehnt. Beim Eintritt der Abenddammerung zieht der Haus¬ herr Handschuhe an und holt drei der Scheiter ins Haus. Die restlichen zwei werden fiir die „kleine Weihnacht“ (Mali Božič, Neujahr) belassen. e) In der Savegegend (Posavina). Kommt der Hausvater am Weihnachtstage (badnji dan) mit den Weihnachtsklotzen nach Hause, so wird er auf der Hausschwelle mit Getreide beschiittet. Am Abend wird der Klotz in drei Stiicke zerschnitten. Die beiden unteren blattlosen werden ins Haus gebracht, der obere Theil, der Gipfel mit dem Laube, wird bis Neujahr auf dem Dachboden aufbewahrt. Der „Besucher‘‘ wird durch Uebersendung einer Flasche Branntwein am Weihnachtsabend zu kommen ein- geladen. Ein junger Besucher bringt mehr Gliick als ein alter. Frauen eignen sich [ 455 ] Lil ek. Volksglaube un. Mcisen (Paridae, Sjeniee). „Wenn du eine Meise siehst, envarte den Winter bald,“ lautet ein Volksspriichlein. 7. Tauben (Columbae, Golubovi). Wenn fremde Tauben einem Hause zufliegen, in welchem ein Kranker liegt, dann wird derselbe bald sterben. Ein Haus, in welchem Tauben ausgebriitet werden, wird zu Grunde gehen. Wenn die Tauben ihr Gefieder mit dem Schnabel durchwilblen, als suchten sie Insecten, oder wenn sie sich auf dem Dache walzen, als wiirden sie baden, so gilt dies in Županjac fiir eine Prophezeiung baldigen Regenwetters. Girrt eine Turteltaube (Columba risoria) auf einem Hause, wird es darin Ilungers- noth geben. Das Volk meint, sie rufe: ,,Kaufe Brot!“ 8. Hiilmer (Hasores). Kriiht der Hahn (Gallus gallinaceus, Pijevac) auf der Hausschwelle, kommt ein Gast. Kriiht er gegen den Herd gewendet, dann ist ein guter Gast zu erwarten. Habnenruf friih am Morgen verklindet schones Wetter. Krahen am Abend bedeutet Witterungswecbsel. Stebt der Habn auf einem Fusse, dann glaubt man in Ljubinje, es werde kalt werden. Wenn der Habn am Abend krftbt, stirbt entweder der Haus- alteste, oder es kommen Fremde oder Diebe. Aberglaubische Leute schlacbten den Hahn sofort. Es droht Raubersgefabr, wenn ein Habn spat am Abend kraht, ohne dass ein zweiter Hahn den Ruf erwidert. Erfolgt jedoch die Erwiderung, dann wird ' sich das Wetter lindern. Wenn die Hiihner friibzeitig zu legen beginnen, bedeutet das grosses Gliick fiir das betreffende Haus. Fangen sie spiit damit an, wird Mangel oder ein Todesfall be- furchtet. Eine krahende Henne verkiindet Tod und wird desbalb gewobnlieh sogleicli gescblacbtet. Manche schlacbten die Henne deshalb, umil sie glauben, ihr Krahen bedeute, dass die Fran den Mann beherrschen will. Am Kupreško polje wird es fiir den Bruch strenger Kiilte gehalten, wenn eine Henne kraht. Wenn friih am Morgen (in Gračanica am Abend) alle Hiihner zu gackern beginnen, dann wird der Tod eines llausgenossen befiirchtet. Wenn zwei Hiihner sich so gegen einander stellen, als vviirden sie sich gegenseitig eine Mittheilung machen, dann werden Gaste erwartet. 9. Sumpfrdgel (Grallatores). Reiher (Ardeidae , Čaplje). In Ljubinje wird dem Fluge der Kraniche (Grus cinerea) grosse Aufmerksamkeit zugewendet. Fliegen dieselben in Reihen unter Fiihrung eines Einzelnen, wird ein sehr fruchtbares Jahr cnvartet. Wenn der Flug der Kraniche kein Dreieck bildet, sondern ein Durcheinander, dann gibt’s Aufruhr oder Krieg. Fliegen 76 IT. Volksltunde [ 4 7 6 J die Kraniche in Haufen, stelat cin. schwerer Winter bevor. Dasselbe wird geglaubt, wenn diese Vogel friihzeitig wegziehen. Kommen Reiher (Ardea cinerea) in die Nahe der Stadt, steht ein ergiebiger Regen in Aussicht. 10. Sclnviininvogel (Natatores). Enten und Ganse (Anatidae). Wenn die Enten (Patlce) im Wasser pUitschern und tauchen, wird es regnen. In Županjac wird das Geschnatter der Wildganse (Divlje guslce) in der Lnft fur das Vorzeichen von Witterungswechsel angesehen. Dasselbe wird geglaubt, wenn die Hausgans am Abend viel gackert. c) Reptilien (Reptilia). 1. Schlangen (Ophidia, Zmije). Wer eine Schlange trifft, wird Glttck haben, wenn dieselbe bergab, und Ungliick, wenn sie bergauf flliclitet. Eine Hausscldange bedeutet Gliick. Wenn die Hausschlange das Haus verlasst, wahrend Jemand darin krank liegt, wird der Kranke sterben. Auch wenn sie „singt“, erfolgt der Tod des Kranken. Wer eine Schlange schlagt, ohne sie zu erschlagen, so dass sie fliebt und sich zu verstecken vermag, hat die Hiilfte seiner Krafte an sie verloren. 2. Eldechsen (Sauria). Die grtine Eidecbse (Lacerta vividis) verkiindet Regen. d) Amphibien (Amphibia). 1. Frosclie (Batrachia, Žabe). Wenn die Frosche im Sumpfe viel quacken, wird es regnen. Quacken die Frosche im Fruhjahr, dann wird kein Scbnee mehr fallen. Hort man den Wasserfrosch (Rana esculenta) quacken, dann regnet es gewiss. Das Volk hierzulande wirft einen Froscli in einen vollen Topf mit Wasser, um zu erfahren, wie sich das Wetter gestalten werde. Steigt der Frosch an einer im '1'opfe aufgestellten kleinen Leiter hinan, wird das - Wetter sclion, im anderen Falle garstig sein. 2. Schwanzlurehc (Caudata). Kriecht der Salamander (Duždevcic) bergan, bleibt das Wetter sclidn; kriecht er bergab, wird es regnen. e) Fische (Pisces, Ribe). Wenn sich die Fische im Wasser auf den Rticken legen, wird es regnen. Das¬ selbe glaubt das Volk, wenn sie sich liber das Wasser schnellen. B. Gliederthiere (Arthropoda). a) Insecten (Insecta). 1. Hautfliigler (Hijmenoptera). Wenn die Bienen (Apis mellifica) im Sommer stark schwarmen, wird der folgendc Winter strenge sein. Wenn die Ameisen (Formicidae) besonders zahlreich herum- kriechen, wird es regnen. [477] Lilek. Volksglaube und volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 77 2. Grradfliigler (Orthoptera). Viele Iieuschrecken (Locustida) auf den Wiesen verkiinden ein unfruchtbares Jahr. Ein Haus, in welchem eine Hausgrille (Gryllus domest.) nnter dem Herde zirpt, wird G lučk liaben. 3. Falter (Lepidoptera). a) Tagfalter (Diurnia). Wer im Friihjahr zuerst einen Citronenfalter (Colias rhamni) erblickt, hofft im Laufe des Jahres auf viel Butter und Milch. Ein Weissling (Pieris) liingegen verkiindet Mangel an diesen Dingen. Wer im Friihjahr zuerst einen weissen Falter erblickt, bleibt das ganze Jahr weiss; erblickt man einen Falter anderer Farbe, wird man das ganze Jahr hindurch schwarz sein. b) Dammerungsfalter (Crepuscularia). Wenn am Abend die Schwarmer (Sphingida) um die Lampe tliegen, dann komint Nachts eine Hexe ins Haus und saugt demjenigen das Blut aus, welcher das siisseste hat. c) Zweifliigler (Diptera). Wenn im Sommer die Fliegen (Muhe) hin und her schwarmen, wird es bald regnen. Wenn sicli eine Pferdefliege (Gastrus equi) auf einen Menschen setzt, dann trifft Jemand zu Pferde ein, oder es muss der Betreffende selbst eine Reise antreten. b) Spinnen (Arachnida, Pauci), JErblickt ein in schlimmer Lage befindlicher Mensch eine Spinne, die an einem Spinnfaden an ihm hinunterkriecht, dann kann er eine giinstige Wendung seines Schieksals, irgend eine Freude (radost) envarten. Das Volk nennt die Spinne deshalb „rado“ (Freudenverkunder). Grliickliche Tage und Monate. Ein am Dienstag geborenes Kind wird Grliick haben 7 aber nicht lange leben. Als die glticklichsten Wochentage gelten Montag und Donnerstag. Im M ti r z ge- borene Kinder leben lange 7 sind jedoch vielen Unannehmlichkeiten ausgesetzt. YIII. Zauberei und Aberglaube. Fiir das Wort Zaubern gebraucht das hiesige Volk die Ausdriicke: čarati (ahd. ka¬ ravan), činiti (facere), bajati und vračati. Anstatt „čarati“ (zaubern) hort man ofter den Ausdruck „evarati“ (kochen, schmoren). Das Zaubern gelangt zur Anvendung, um z. B. eine Verzauberung oder Ver- hexung zu bannen, eine Krankheit zu heilen, demnach zu einem guten Zvecke. Es wird jedoch auch gezaubert, um einem Anderen einen Schaden zuzufiigen. Doch ist das Zaubern in guter Absicht, um einen Nutzen zu erzielen oder einen Schaden abzu- wenden, vorherrschend. Mit dem Zaubern befassen sicli Miinner und Weiber, doch die letzteren in gros- serem Masse. Ein Dieb z. B. will Grliick haben in semen Unternehmungen, ein Kranker Gesundheit, eine unfruchtbare Frau Kinder erlangen, ein Madchen viinscht einen jungen Mann in sicli verliebt zu machen, eine Mutter, dass ihre Kinder nicht friihzeitig hin- sterben u. s. w. 78 II. Volkskunde. [ 478 ] Uie Zaubermittel selbst sind geistiger und phvsiscber Natur. Von den letzteren gelten besonders diejenigen als wirksam, die mit Todten oder Grabern in irgendwelcher Verbindung waren. Gezairbert wird jederzeit, zumeist jedoch gelegentlich von Volksfesttagen, wie zu Georgi, Johanni, Weihnacht etc. 1. Geistiges Zaubern. Kinder bekommen andere Namen. Kranklichen Kindern werden von den Eltern andere Namen verliehen, damit sie gesund werden. Audi neugeborne Kinder erhalten einige Tage nach der Taufe einen zweiten Namen, wenn die Kinder in der betreffenden Familie zur Sterblicbkeit neigen. Wenn solche Kinder heranwachsen, werden sie mit beiden Namen genannt, z. B. Kosta oder Mile Kosti6. Dieser Gebraucli ist bei Muhamedanern und Orthodoxen iiblieh. Die Verwunschung. Durch Verwiinschung kann der Mensch in allerlei Gestalten vervvandelt werden, in ein Pferd, eine Katze, eine Schlange, in einen Strohhalm, ein Gras, einen Stein u. s. w. Zaldreiche Volksmarchen berichten, dass Kinder vor den Augen ihrer Eltern verschwinden, weil diese ihnen „Hol dich der Satan!“ zugerufen haben. ž. Plivsisches Zaubern. a) Das Zaubern der Diebe. Diebe bolen eine Todtenhand mit etwas Erde aus einem Grabe, tragen beides rings um das Haus, in welchem sie stehlen wollen, und sprechen dazu: „So wie jener Todte schlaft, mogen alle Hausleute schlafen!“ Dabei streuen sie die mitgebracbte Grabeserde um das Ilaus. Wenn sie in ein Haus ein- dringen, in welchem schon Alles schlaft, streichen sie die Schlafenden mit der Todten¬ hand uber das Gesicht. Als Kerzen dienen ihnen die Finger von todten Kindern, deren Eltern uubekannt sind. Ein soleh er Finger wird mit einer fettigen Substanz bestrichen und brennt dann gleich einer Kerze. So lange diese Diebskerze brennt, kann jeder Diebstabl vollfiihrt werden, ohne dass die Hausleute etwas merken. b) Wie Madchen zaubern. Um den Haarvvucbs zu fordern. Auch hierzulande gehbrt langes Haar zu den Attributen der Frauenschonheit, stellt sicb doch das Volk die „Vile“ (Feen) als wcibliebes Wesen mit sehr langen Ilaaren vor. Deshalb wird der Haarpflege grosse Sorgfalt zugewendet und spielt der Aberglaube dabei eine sehr bedeutende Rolle. Die im Gebrauche stebenden Zaubermittel sind sehr zahlreich. Fiir sehr wirksam gilt es, das Haar um einen jungen Zwetschkenbaum zu wickeln, damit es so lippig waclise wie der junge Stamm. Audi die ausgek&mmten Haarreste werden an junge Baume gebunden. Das Kammen vor Tagesbeginn befordert auch den Haar- wuchs. Junge Madchen im Alter von 12—15 Jaliren suchen die „Kosica“, die dicke Haarfiechte zu erhaschen und zu verzehren, welche beim Schafe den Kopf mit dem Rumpfe verbindet. Auch altere Madchen essen diese Flechte, jedoch nur dort, wo sie sich unbeobachtet glauben. Sie schamen sich, es vor anderen Leuten zu thun. — Manche .Madchen flechten die Fiisse von Fledermausen in ihre Ziipfe, damit ihr Haar redit lange wachse. Dies gescbiebt namentlich in Gacko. Im Bezirke Ključ kammen sicb die Madchen am Georgitage auf einem Seile und auf einem „Wascheschlagel“ sitzend. Dann wird das Haar so lang wie ein Seil und so diclt wie der Waschescblagel. Das Haar wird auch mit den Wassertropfen gevvascben, welclie nacli einem Regen auf den Wcinstocken lningen bleiben. Im Bezirke Čajnica wird ahulicb verfahren. Madchen, denen das Haar nicht vvachsen will, setzen sicb vor Sonnenaufgang auf den Klotz, [ 479 ] Lilek. Volksglaube und volksthumlioher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 79 auf welchem liolz gespalten wird. Hier lassen sie sicli das Haar flechten, wobei ein Seil derart in die Zopfe eingeflochten wird, dass es herausfallt, sobald das Madchen sich erhebt. Dann wird das Haar mit dem Wascheschlagel geschlagen und dazu gesprochen: .,Das Haar werde breit wie der Wascheschlagel und lang wie das Seil / 1 In der genannten Gegend wird das Haar aucb mit den auf der Weberkarde (dipsacus fullonum) zuriickgebliebenen Regentropfen gewasclien. —■ Zur Beforderung des Haar- wuchses werden noch folgende Zaubermittel angewendet: Am Georgitage stellen sich die Madchen vor Sonnenaufgang oberhalb eines Zwiebelbeetes auf, setzen den Fuss auf einen Strick, einen Wascheschlagel und eine Weidenruthe und kammen sich stehend. Manche klettern auf Weidenbaume, um sich dort zu kammen. — Flicht eine verheiratete Frau einem Madchen die Zopfe ein, dann muss das Madchen der Frau nach gethaner Ai’beit Hand und Kniee kiissen, damit das Haar bis zum Knie wachse. Die Frau hingegen zieht das Madchen am Zopfe und sagt: „Der Zopf erreiche den Giirtel, das Madchen guten Ruf! 11 3. Lieheszauhermittel. a) Schloss und Schliissel. Hat sich ein Madchen in einen Jtingling verliebt und strebt dessen Gegenliebe an, nehme es am Georgitage ein Vorhangschloss sammt Schliissel, blicke den Jiingling durch den Biigel des Schlosses an, sperre dieses ab und lege es an einem Kreuzwege nieder. Oder es lege Schloss und Schliissel zu beiden Seiten des Weges nieder, auf welchem der Gegenstand seiner Neigung kommt. Sobald der Jiingling zwischen beiden Sachen hindurchgeschritten, werde das Schloss abgesperrt und ins Wasser geworfen, so dass es nicht gefunden werden konne. h) Die Fledermaus. Mit einer lebenden Fledermaus (Slijepi miš = blinde Maus) wird der Jiingling drcimal umkreist, damit er geblendet werde, oder man gibt ihm drei Haare einer Fledermaus im Kaffee zu trinken. In Foča todtet man die Fledermaus und lasst einige Tropfcn des Blutes in den Kaffee desjonigen fallen, der bezaubert werden soli. c) Der Sehlangenkopf. Unerwiderte Liobe wird folgendermassen geheilt: Einer lebenden Schlange wird der Kopf abgehackt, in den Kopf wird ein Getreidekorn vor- borgen und das Ganze in die Erde gesteckt. Ist das Getreidekorn in Halme geschossen und ausgereift, dann nehme man von der reifen Aelire ein Korn und beriihre damit die geliebte Person. Diese wird sofort in heftiger Liebe entbrennen und dem Gegen- stande derselben bis ans Ende der Welt zu folgen bereit sein. d) Honig und Butter. Die Madchen legen am Vorabende des Weihnachtsfestes Honig und Butter auf eine Schussel und lassen es iiber die Nacht unter einem Heiligen- bilde stehen. Am Vorabende des nachsten „jungen“ Sonntags (des ersten Sonntags nach dem Neumonde) bestreichen sie sich damit an der Štirne, an beiden Schlafen, unter beiden Armen und an beiden Briisten, waschen die bestrichenen Stellen am nachsten Morgen vor Sonnenaufgang, fangen das Wasser in einer Schussel auf und geben von in diesem Wasser gekochtem Kaffee dem geliebten Jiinglinge zu trinken. e) Vierblattriger Klee. Eine Staude vierbliittrigen Klees wird so getheilt, dass sich je zwei Blatter auf einer Seite des Stengels befinden. Hierauf werden zwei Blatter mit frischer Butter und zwei mit Honig bestrichen und am Wege niedergelegt, welchen der Jiingling einschlagen muss. Nachdem dieser vorbeigekommen, nimmt das Madchen die Blatter auf und stcckt dieselben zu sicli, iiberzeugt, dass der Jiingling nunmehr zu ihr Liebe, fasse. 80 II. Volkskunde. [ 480 ] f) Des geliebten Jiinglings Kleider und Haarlocke. Das Madchen sucht in den Besitz eines Fetzens von den Kleidern des Jiinglings und in den einer seiner Haar- locken zu gelangen, nimmt Erde von jener Stelle, auf welcher dessen recliter Fuss gestanden, wickelt Alles zusaminen in ein Tuch und tragt es bei sicli. Um den Geliebten im Traume zu seken. In finsterer Nacht, wenn bereits Alles schlaft, erhebt sicli die liebende Jungfrau von ihrem Lager, entkleidet sicli voll- standig und kriecht in den Rauchfang, wobei sie dreimal recitirt: „Mein mir Bestimmter, seiest du im Walde oder im Wasser, in der Asche oder in der Kohle, komme Nachts, damit wir uns sehen!“ Dann geht sie unter einen Weicliselbaum und sagt dort den Spruch wieder dreimal her, ebenso vor der Hofthlir. Schliesslich begibt sie sich auf den Anstandsort, kehrt von dort, ohne sich umzusehen, ins Haus zuriick und zieht ihre Kleider verkehrt an. Nachdem ali’ dies vollbracht, legt sie sich endlich schlafen. Um zu heiraten. Am Vorabende des Georgitages werfen die Madchen, welche bald heiraten wollen, eine Handvoll Ameisen auf das Hausdach, wobei sie sprechen: „lhr Ameisen auf das Haus, die Ilocbzeiter in das Haus! £1 4. Zau bern aus Ncid. Wird die Liebe junger Leute von Neidischen mit missgiinstigen Augen lietrachtet und soli zerstort werden, mengen die Neider Hunde- und Katzenblut durcheinander und geben es den Liebenden mit irgend einem Tranlte vermischt zu geniessen. Diesem Mittel wird grosse Wirkung zugeschrieben. 5. Wie Neuvermiililte zaubern. Wenn eine Neuvermahlte nach ihrem kunftigen Ileim gebracht wird, wird ihr Getreide tiberreicht, welches sie dreimal auf das Haus wirft. Sodann reicht man ihr ein mannliches Kind, welches sie dreimal umwendet. Ist sie zu Pferde eingetroffen, dann besteigt einer der Manner das Reitthier und umreitet dreimal das Haus. Diese Gebrauche werden auf dem Glasinac geiibt. •— In Gračanica gehen die muhaineda- nischen Braute folgendennassen vor: Bei ihrem Eintreffen auf dem Iiofe des Verlobten werden ihr zwei Gefasse mit Wasser entgegengebracht, welche sie mit den Fiissen umwirft, und zwar eines mit dem rechten, das andere mit dem linken Fusse. Ilierauf schiebt man ihr unter die rechte Aclisel den Koran, unter die linke einen Kuchen und fiihrt sie so ins Haus. Dies geschieht des Gliickes wegen. Die Madchen, welche Neuvermahlte nach dem Hause ilires Gatten begleiten, blei- ben an der Thiir stelien, und die junge Frau zieht eine Jede ein wenig an der Nase, auf dass sie auch recht bald unter die Haube kommen. G. >Vic Miitter zaubern. Um das Sterben der Kinder zu verhiiten, tragt die Hutter wahrend der Scliwanger- schaft ein in Wachsleinwand gewickeltes Gebet („Sibjan Dova“) an einer Schnur um den Hals. Dieses Amulet wird dem neugebornen Kinde um den Hals gehangt und von diesem sein ganzes Leben hindurch getragen. Auch Folgendes ist iiblich: Neugeborne Kinder werden von ihren Miittern an andere Frauen um eine Kleinigkeit „verkauft“. Der Kaufpreis, eine gei - ingwerthige Miinze, wird an der Miitze (Haube) des Kindes festgenaht und von diesem mehrere 81 [481] L1 le k. Volksgtaube uud volksthiimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. Jahve, oft bis zuv Volljahvigkeit getragen. Die Kauferin wird von dem gekauften Kinde „Mutter“ genannt und behandelt es wie ihr eigenes. In Foča sind es zumeist Mannov, seltenev Fvauen, welche in diesev Weise Kindev „kaufen“. 7. Wie unfruchtbare Francu zaubern. Fine unfvuchtbave Fvau schiittet Wassev in den Stiefel ihves von dev Reise zuriick- gekekvten Mannes und tvinkt dasselbe. Odev sie wiihlt Nachts ein Kindevgvab auf, liist iibev dev Leiclie ihv llaav auf, schiebt dieselbe im Gvabe weitev und schiittet das Gvab bis Tagesanbvuch wieder zu. 8. Wie Wochncrinnen zaubern. Dvei Tage nach dev Niedevkunft badet die Wochnevin in einem Wassev, in wel- ehes vovhev dvei Niisse gewovfen vvuvden, und stellt sicli sodann auf Heu. Das' Bad soli die Milchbildung befovdern, die Niisse und das Heu sollen das Gebaven von Sohnen bewivken. 9. Wic Gattinnen zaubern. Wenn ein Mann iibev seine Fvau aufgebvacht ist, dann tvage diese cine Kevze in die Kivche. Daduvch wivd sie bald wiedev seine Liebe gewinnen. 10. Bas Zaubern der llausfrauen, Hirten und Hirtinnen. Beim Fallen dev AVeihnachtsklotze wivd dev evste gefallene Ilolzsplittev fiiv die Hausfrau aufbewahvt. Diese legt denselben untev den Milehkiibel, damit sicli viel Sahne sammle. Am Weihnachtsmovgen geht die Hivtin in den Schafstall und kiisst eines dev Sehafe, damit die Muttevschafe ihve Lammev lieb haben mogen. Wenn dev Hivt, welchev seine Heevde nach dem Walde tveibt, einen Wolf evbliclct, muss ev diesen fviihev angahnen als dev Wolf ihn. Dann vevmag das Raubthiev ih m. und seinev Heevde keinen Schaden zuzufiigen. 11. Zaubern, damit das Vieli gesund bleibe und gedeihe. Vov dem Geovgitage und zwischen dem kleinen und gvossen Frauentage (15. August bis 8. Septembev) wevden beim Hodža Amulete fiiv das Vieh envovben. Ein Amulet wivd liintev den Iieifen des Milchkiibels gesteckt, das andeve obevhalb des Balkens dev Stalldecke. Dies geschieht, um das Vieh gesund zu evhalten und vov dem Vevschveien zu bewahren. Am Vovabende des Geovgitages wivd langsam vings um das Haus und um die Hiivde Hivse ausgestveut und dazu gespvochen: „Bis die Hexen diese Hivse auflesen, mogen sie meinem Viehe schaden konnen!“ Die Rindev wevden iibevdies mit Moos beworfen. Am Tage dev Himmelfahvt Chvisti werden die Kiiho vov Sonnenaufgang an Kopf und Leih mit Kviinzen von Wolfsmilch geschmiickt, damit sie viel Milch geben. Wenn eine Kuh gekalbevt hat, wivd ihv eine vothe Tvoddel um den Schweif ge- bunden, damit man ihv das Eutev nicht vevschveie. Aus demselben Gvunde bindet man den Fohlen einen Ilolzloffel odev ein vothes Band mit gleichfavbigev Quaste um den Hals. Schweinen, die sicli im Kampfe bis aufs Blut vevletzt haben, gibt man Bvot, wovauf ein fvommev Spvuch (zapis) geschi-ieben wavd. Davon lieilen die Wunden. Burni IV. ol 82 II. Volkskunde. [ 482 ] Aufgeblahtes Vieh wird folgendermassen behandelt: Das Thier wird za Boden geworfen. Dann nimmt Einer seme Mtitze vom Kopfe, biegt dieselbe ein und streicbt damit Kopf und Baucli des kranken Rindes. Ein Zweiter fragt: „Was trennst du da auf ? 11 — „Žabine.“ lantet die Antwort, worauf der Frager hinzufiigt: „Trenne so lange, bis es genug ist!“ Dieses Frage- und Antwortspiel wird dreimal wiederholt. ■— Wenn bei irgend Jemand keine Kucblein gedeihen wollen, stehle er in drei fremden Hiihnerstallen je einen Strohhalm und lege diese unter das Nest, in welchem seine Henne briitet. Neben das Brutnest einer Henne wird ein Stiick Eisen und ein Stiick Kohle gelegt, dann schadet das Gewitter den Eiern nieht. Am Tage Danieli (eine Wocbe vor Weihnachten) und am Weihnachtstage fasten und schweigen die Idirten, damit die Heerde nicht durch Ueberfalle von Raubthieren leide. Aus demselben Grunde wird am Christtage etwas Salz in ein Tucli gebunden und dreimal rings um die an einer Stelle versammelte Heerde getragen. Dieses Salz wird Init anderem Salze vermiseht und wahrend des Jalires dem Vieh verabreicht. Am Jeremiastage sfien die Weiber vor Sonnenaufgang Hanfsamen, tragen eine Pfanne (tava) um das Haus und rufen, auf dasselbe schlagend: „ Jeremias ins Feld, die Schlangen ins Meer! £< (,,Jeremije u polje, a zmije u more! 1 ') Dies geschieht deshalb, damit die Schlangen in diesem Jahre das Vieh nicht stechen. — Am Griindonnerstage wird das Vieh vor Sonnenaufgang gemolken, damit es in diesem Jahre viel Milch gebe. In Dolnja Tuzla herrscht der Gebraucb, einer gekauften Kuh zu Hause ein Ei an der Štirne zu zerschlagen, damit sie viel Milch spende. In Sarajevo wird derselbe Gebrauch nocli feierlicher geiibt. Nachdem der Hausherr die gekaufte Kuh in seinen Ilof geftihrt h at, breitet die Ilausfrau einen Kotzen auf den Boden und zerschlagt der auf den Kotzen gestellten Kuh ein Ei auf der Štirne, wobei sie spricht: „So wie dieses Ei an deiner Štirne zerschlagen ward, moge sich dein Gliick liber mein Haus ergiessen!“ Den Strick, an welchem die gekaufte Kuh gefuhrt ward, verkauft der Kaufer derselben nicht um theueres Geld, denn seine Kuh w lir d e die Milch verlieren, wenn der Strick auf eine andere gelangen wtirde. 12. Dainit (lic Bliiune und andere Ucivachse gedeihen. Unfruchtbare Baume bestreut man mit den Brosamen, welche am Christabend vom Speisetische aufgelesen werden. Oder man drolit dem Baume mit der Hacke und spricht: „Ich werde dich sogleich umhauen, wenn du keine Friichte tragst!" worauf ein Zweiter sagt: „Thue es nicht, er wird Friichte tragen ! 11 Dies wird dreimal wiederholt. Zu Anfang der Butterwoche (bei den Orthodoxen) wird im Bezirke Čajnica eine Schaukel errichtet, damit der Hanf gut waehse. In Grahovo wird das letzte Stiickchen des Weihnaclitsklotzos ins Hanffeld gewor- fen, damit der Hanf gut gedeihe. 13. Dainit der Ilagel keinen Schaden Mache. In Vižegrad wird in folgender Weise gegen Hagelschlag gezaubert: Wenn es zu hageln beginnt, tragt man unter Ilersagung von Zauberformeln einen Schleifstein und eine Sen se vor das Haus, 1 ) oder man entkleidet ein Kind unter sieben Jaliren und schwingt es dreimal vor dem Hause. J ) In den slovenisclien Weingebirgen um Pettau tragt man bei Hagelschlag Alles, was schneidig, spitzig etc. ist, vors Haus. [483] Lilek. Volksglaube und volksthumlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 83 14. Zaubermittel gegen Krankheiten (Volksinedicin). Um clie Gesundheit zu erhalten. Gegen Magen-, Kopfschmerzen etc. wird folgendes Mittel augewendet: Wenn na,cli einem Regen die Nacktschnecken auskriechen, lasse man eine solehe uber einen Riemen, liber die Hand u. s. w. kriechen, um immer gesund zu bleiben. Damit die Kinder auf den Strassen von Sarajevo nicht verschrieen werden, heftet man ihnen ausser anderen Gegenstanden (Flinten, Sabeln) auch noch Krebsaugen und die Homer von Hirschkafern an die Miltzen. Gegen Riickenschmerzen. Wer im Friihling zum ersten Male die Frosche quacken hort, wtilze sich auf der Erde herum. In der Posavina walzen sich Manner und Frauen im Grase, wenn sie das erste Mal donnern horen. Auch auf frischgeschlachteten Schweinen walzen sich die Leute zu dem genannten Zwecke herum. * Als Schutzmittel gegen den Typhus gilt die Blilthe der Weberkarde (Dipsacus fullonum). Ueber der Hausthur werden so viele Bliithen aufgehangt, als Personen im Hause sind. Am orthodoxen Johannistage (24. Juni = 6. Juli) geht die Bevolkerung des Bezirkes Čajnica vor Sonnenaufgang zum kiihlen Wasser. Die Miidchen sprengen das Wasser liber sich hinweg und fiihren hierauf mit den Burschen einen Tanz auf. Zu Hause angelangt, binden die Frauen Allen etwas rothe Seide und Goldfaden um den rechten Arm und das linke Bein. Diese Dinge werden bis zum Peterstage getragen und hierauf an irgend eine Blume gewunden, wo sie das ganze Jahr belassen werden. Es heisst, dass man dadurch seine Gesundheit bewahre. Die Muhamedaner beiderlei Geschlechtes in Gračanica reiben die Fusssohlen und Handfiachen am Vorabende des Weihnachtstages mit Knoblauch ein und stossen ein Messer in die Hausthur. Der Geruch des Knoblauchs vertreibt die bosen Geister, welche auch vor dem Messer Furcht bekommen. Die Krankheiten werden dem Einflusse boser Geister zugesclirieben. Wird Jemand wahnsinnig, ist er von einem bosen Geiste besessen. 15. Heilung vcrschicdcner Krankheiten. Heilung des Rothi auf s. Auf die kranke Stelle wird von einer Frau zuerst ein Stiick rothes Tuch aufgelegt. Hierauf theilt sie ein Stiiek Werg in dreimal 27 kleine Knauel (dreimal 3 X 9)? legi dieselben auf den Korper des Kranken und ziindet sie an. Die brennenden Wergst!icke werden mit einem Messer umgevvendet und Zauber- formeln dazu gesprochen. Der Kranke muss stillhalten, bis das Werg auf seinem Korper verbrannt ist. Das Begiessen der „Strava" (Sclirecken, Fraisen vor Schreck). Erschrockene Kinder werden in Gračanica wie folgt behandelt: Man gibt dem kranken Kinde zuerst ein rothes Tuch auf den Kopf, dann schuttet man iiber dem Kopfe des Kindes geschmol- zenes Blei aus einem Gefasse in das andere, welches mit reinem, unbeniltztem Wasser gefullt ist. Diese Procedur wird entweder neunmal nacheinander oder je dreimal an drei aufeinanderfolgenden Tagen vollfiihrt. Dann muss der Kranke von dem Wasser trin- ken und wird zuletzt damit am Bauelie, an der rechten Hand und am linken Fusse, ferner an der linken Hand und am rechten Fusse gewaschen. Nachdem dies geschehen, wirft die curirende „Zauberin“ solange mittelst einer Sclieere gltihende Kohlen in das- selbe Wasser, bis ein Stiick darin zu Boden fallt. Zum Schlusse wird das Wasser 31* II. Volkskunde. 84 [ 484 ] auf einen Kreuzweg getragen und daselbst verschiittet. Der das Wasser daliin getra- gen, darf sich auf dem Riickwege nicht umschauen. Die Muhamedanerinnen von Sarajevo behaupten, die „Strava“ dilrfe nur eine solcbe Frau „begiessen“, welche hiezu von einer anderen kundigen Frau die Befugniss erhalten bat. Der Vorgang ist hier folgender. Die „Zauberin“ schwingt ein Stiick Blei um Kopf, Baucli und Beine der vom Schrecken befallenen Person, schmilzt das Blei in einem hiefiir bestimmten Gefasse und giesst es iiber dem Kopfe des Kranken in ein Glas AVasser, wovon derselbe drei Loffel trinken muss. Hierauf wird das Blei aus dem Glase genommen, abermals zerschmolzen und iiber dem Bauche des Befal¬ lenen in Wasser geschiittet, ein drittes Mal geschieht dasselbe iiber den Fiissen, und jedesmal schliirft der Kranke drei Loffel voli von dem AVasser, mit welchem hierauf zuerst der rechte Arm und das linke Bein, sodann der linke Arm und das rechte Bein des Kranken bestriclien werden. Dann sprengt die „Zauberin“ etwas AVasser iiber denselben hinvveg und scliiittet den Rest an einem Kreuzwege aus. Bei kleinen Kinder n wird die „Strava“ nicht begossen, sondern die Zauberin wirft unter Hersagen gewisser Formeln drei gliihende Kohlen in ein Glas AVasser, mit welchem sie sodann wie beirn „Begiessen“ verfahrt. In der Posavina wird das Wasser auf das Hausdach geschiittet. Diese letztere Heilungsart heisst „Zagasa“, das Verloschen, von „zagasiti“ = verloschen, namlich der gliihenden Kohlen im Wasser. Heilung des Yerschrieenwerdens. Wird Jemand von einem unbestimmten Unwohlsein befallen, klagt er iiber Kopfschmerzen oder gahnt er viel, so sagt man, er sei „verschrieen“ worden (Urok = das Verschreien). Audi das „Verschreien“ wird mit AVasser und Feuer ausgetrieben. In frisches Quellwasser werden frisch gliihende Kohlen geworfen, und zwar fiinf je nach der Farbe von Augen. Die erste Kohle gilt schwarzen, die zweite blauen, die dritte jjgelben'' (lichtbraunen), die vierte dunkelbraunen und die fiinfte grauen Augen. Mit jeder einzelnen der Kohlen wird iiber dem AVasser das Zeichen des Kreuzes gemaclit und dabei gesprochen: „Flielie, Verschreier, in die himmlisehen tlolien, in die Tiefen des Meeres, wo kein Kahn kraht, keine Biene summt, wo kein Schaf blokt“ u. s. w. AVelche Kohle zischend auf den Grund sinlct, jenes Auge hat „verschrieen“. Der Kranke macht drei Sclduck von dem Wasser und wascht sich damit. Mit dem Reste wird eine Hiindin begossen. Wenn sich dicselbe darauf schiittelt, wird der Kranke gesund. Die Sarajevoer Muhamedanerinnen recitiren vorerst folgende Verso: „ypoK cje^H na npary, ypo'iHna 1104 nparoM. ypoit pene, ypoiHii;a 04pe i ie. y ypoita 4isa OKa: Je4no ornbeno, 4pyro 11046110. IIpoiiaaH ee oriteiio, Horaca no4eno.“ „Uer „Urok“ sitzet auf der Seliwelle, Die n Urožica“ unter der Scliwelle Urok redet, Uročiea erividert. Urok hat der Augen zwei, Eines feurig, vvasserig das zvveite. Auf thut sicli das feurige, Verloschet das wasserige.“ Hierauf sprechen sie: ,,Ist dioses Kind neunmal verschrieen, so werde aus neun acht, aus acht sieben, aus sieben sechs, aus sechs fiinf, aus fiinf vier, aus vier drei, aus drei zwei, aus zwei eines, aus einem keines.“ Zaubern gegen den „Udarac“. A\ r erm Jemand dcrartige Kopf-, Hand- oder Fussschmerzen hat, dass es in dem kranken Korpertheile geradezu hammert (Rheuma), so wird das Leiden im Volksmunde ,,Udarac“ (Schlag, von udariti = schlagen) ge- nannt und folgendermassen behandelt: Die heilende „Zauberin“ erfasst ein blankes Messer und spridit: „AVenn in N. N. neun „Udarci“ (plural von udarac) stecken, gleich 85 [485] Lilek. Volksglaube und volksthtimlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. neun Brtidern, so mogen aus neun acht, aus acht sieben, aus sieben sechs, aus sechs ftinf, aus fiinf vier, aus vier drei, aus drei zwei, aus zwei einer, aus einem keiner werden. Hebe dich liinweg, Udarac, aus 88 Gelenken, aus 77 Pulsen, aus dem Kopfe, dem Halse, den Handen und den Flissen!“ Wiihrend des Hersagens scklagt die „Zauberin“ leicht mit der Messerklinge auf die betreffenden Korpertheile und fahrt dann fort: „Hebe dich hinweg in die Weiten der Erde, in die Hohen des Himmels, in die Tiefen des Meeres, iiber hundert Felder, liber hundert Walder, liber neun Berge, in ein wlistes Land, iiber unbekannte Grenzen, wo kein Hund belit, keine Kerze brennt, keine Wiege geschaukelt wird, wo man keine Wasche wascht, wo keine Axt schl>! Gelie nach einem unbenannten Orte binter dem Kardagh und in die Jaban- PlaninaD Auch hiebei wird der Kranke mit dem Messer beklopft. Schliesslich wird ihm das Messer zwiscben die Zalme gegeben, dann zu Boden geworfen, dreimal darauf gespuckt und ausgerufen: „Marsch! Hinaus!“ Um Erbrechen zu stillon wird aus einem Backtrog der Teig kreuzweise an den vier Ecken ausgekratzt und diesem Kuss aus einem gegen Osten gewendeten Rauch- fange und etwas Silber beigemengt. Das Gemenge wird in ein Glas gethan, mit frisch- geschopftem Wasser begossen und dies dann dem Kranken zum Trinken gegeben. Heilung von Leibsclimerzen (Kolik). Dem von Kolik Befallenen werden die Hiinde thunlichst fest zugeschniirt. Andere geben dem Kranken Gras oder maclien ihm „einen Magen“. Dies Letztere wird entweder an einem Arm oder am Baucbe um den Nabel vorgenommen. — Ein weiteres Heilmittel besteht darin, dass man lebende Fische in ein Gefass mit Wasser setzt und den Kranken die Fische so lange unvervvandt be- trachten lasst, bis diese todt sind. Oder man bringt Wasser in einem Topfe zum Sieden, sclilittet es in ein Becken und sttirzt denselben Topf darilber. Steigt das Wasser im Topfe auf, wird das Leiden vveichen, wo niclit, dauert die Krankheit an. Oft geschieht es, dass das im Topfe aufgestiegene Wasser wieder ausfliesst; dies wird auf eine lange Dauer der Krankheit gedeutet. — In Sarajevo zerschneiden die Kranken beim Lichte des Neumondes eine Rindermilz und schliipfen durch dieselbe hindurcb. Heilung des „Sugreb“ (ein juckender Hautausschlag). Niemand soli sicb dort aufstellen, wo ein Hund den Boden aufgescbarrt hat. Wer unversehens eine solche Stelle betritt, verfiillt dem „Sugreb“. Dieser wird curirt, indem man den Korper, ohne dabei zu sprechen, bei Anbruch der Abenddammerung — um welche Zeit man den Ausschlag am ehesten bekommt — mit einem Futtersacke fur Pferde abreibt. Eine weitere Heilmethode ist die folgende: Unter einen Quittenbaum ausgegrabene Erde wird auf den Kranken gestreut und dieser sodann mit einer Mlitze und einem Futtersacke abgerieben. Hierauf wird die Erde an ihren friiheren Ort zurilckgebracht und die Mlitze und der Futtersack auf das Dach geworfen, wo sie verbleiben, bis es dreimal geregnet hat. Heilung von Kopfschmerzen. Wer an Kopfschmerzen leidet, schwinge einen Kreuzer dreimal um den Kopf und schenke ihn dann einem Annen. An maneken Orten thut dies nicht der Kranke selbst, sondern eine nahe weibliche Anvervvandte, wobei sie spricht: „Dies schenke ich den Armen, damit Gott den kranken N. N. gesund vverden lasse!“ Heilung mittelst Hi n durch schliipfen. Wie Kranke durch Hohlen in Mauern und in Steinen, unter Wurzeln von Nussbaumen und durch gespaltene Stamme von wilden Rosen hindurchschltipfen, wui'de bereits unter „Yerehrung der Elemente “ und „Pflanzenverehrung“ dargestellt. Weiter oben habe ich mitgetheilt, dass Kranke diu - ch 86 II. Volkskunde. [486] eine zerschnittene Rindermilz hindurchschliipfen. Hier ware nock hinzuzufugen, dass in Ljubinje der Gebrauch herrscht, wonach schwangere Frauen unter der Thurschwelle hindurchschlupfen, damit sie leicbt gebaren. Heilung durch Uebertragen. Kranke schwingen ein Geldstuck dreimal um den Kopf. Bei Kindern tliut es die Mutter. Das Geldstuck wird entweder an eiuem Kreuzwege niedergelegt oder in die Sammelbiichse an einem Mausoleum (Turbe) ge- worfen. In Miloševac bei Šamac begeben sich die Kranken gegen Abend an einen Kreuzweg, baden dort und verschtitten das Wasser. Hierauf binden sie einige Geld- stiicke in einen Fetzen und legen dies in dem Glauben am Kreuzwege nieder, dass die Krankheit auf denjenigen ubertragen wird, der das Biindel aufbebt. — Warzen an den Handen werden geheilt, indem man in einen Stock ebensoviel Kerbe schneidet, als Warzen sind. Dann wird eine der Warzen mit einem Messer angeschnitten, das her- vorquellende Blut auf den Stock gestrichen und dieser an einem Kreuzwege nieder¬ gelegt. — Manche wenden gegen Warzen folgendes Mittel an: Wenn sie zwei Per- sonen auf einem Pferde reiten sehen, rufen sie ihnen zu: „Ihr zwei, die ibr auf einem Pferde reitet, traget meine Warzen liinweg.“ (Dvoje jaše na konju, nosi moje bra¬ davice!) Wer von Gesclrvvuren geplagt wird, streife mit einer Miitze oder einem Štabe uber das Geschwlir, lege die Miitze oder den Štab an einem Kreuzwege nieder und spreche dazu: „Wer die Miitze (den Štab) aufbebt, trage aucb das Geschwiir mit!“ (Ko odnese štap, neka nosi i čir!) — Am Georgitage schmlickt man sicli vor Sonnen- aufgang mit Zvveigen der Cornelkirsche, gebt dann auf die Gasse, ruft den Ersten, den man erblickt mit Namen an und spridit zu ihm: „Ja yrje4ax senen ApjijeH, IIpenajeM th moj apnjen, a apnjeMam h 3 a ne h 3 a tb, d,o OHor no6a ro/inne." „Ich erblickte die griine Kornelkirsche, Ich iibergebe dir meine Seliliifrigkeit, Damit du sehlummerst fur mich und fUr dicli Bis zu jener Zeit des Jahres.“ Wie in Sarajevo ansteckende Krankbeiten geheilt werden. Erkrankt Jemand in einem Hause, wo es viele kleine Kinder gibt, an einer ansteckenden Krank¬ heit, dann werden Gersten- und Bohnenkorner in einen Fetzen gebunden und hinter den Querbalken der Zimmerdecke gelegt, wobei man spricht: »JeuaM je i in, 606 6o6o x ie 7 I „Die Gerste „gei’stet w , die Boli ne „bohnet tt , Tpe^a 3a cny Kyk.Hy T ie^.a4.“ j Der Balken liegt fur alle Hausbewohner.*‘ Heilung stummer Kinder. Ein vollstandig schwarzer Hahn und das stumme Kind werden zusammen in einen Sack gesteckt und drei Tage nach einander vor Sonnenaufgang je dreimal um das Haus getragen, wobei man spricht: „3anjeisaj imjei!'ie, „Krahe, o Hahn, ITporoBopH iinjeMMe!" Spridi, o Stummer ! 4 An anderen Orten lasst man ein stummes Kind aus einer Glocke trinken. Wenn ein kleines Kind lange nicht sprechen kanu, gibt man ihm aus dem Tor nister eines Zigeuners Brot zu essen. Deshalb sagt man von Einem, der viel spricht: „Er hat gewiss Brot aus einem Zigeunertornister gegessen.“ Wie man in Grahovo das Fieber heilt. Wer das erste Mal den Kukuk rufen hort, knupfe irgendwo an seinen Kleidungsstiicken einen Knoten. Dieser Knoten moge beim Fieberanfalle gelost werden. [487] Lilek. Volksglaube und volksthtimlieher Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 87 Die Schnecke als Heilmittel. Wer die erste Schnecke im Jahre antrifft, streiche derselben mit einem Finger dreimal liber die Fiihlhorner. Sobald er irgendwo Schmerz empfindet, umkreise er die schmerzhafte Stelle dreimal mit demselben Finger, und der Schmerz wird schwinden. Heilung von Thierkrankheiten. Wenn ein Pferd nicht strahlen kann, wird ein Strohhalm mit dem kleinen Finger und dem Zeigefinger angefasst und dreimal liber das kranke Pferd geworfen: oder man ftthrt das Thier dreimal um einen Friedhof. Koth und Urin als Heilmittel. Das Volk beniitzt auck den Menschenkoth und den Urin als Heilmittel. Auf Beulen wird auf Oel gewarmter Koth aufgelegt, wodurch dieselben weich und weniger schmerzhaft werden. Manchmal wird der Koth auch noch mit pulverisirten alten Topfscherben bestreut. Den Urin beniitzt man als Heilmittel auf offene Schnittwunden am Finger, oder um die Folgen heftigen Schreckens zu paralysiren. Im letzteren Falle wird auf eine gliihende Kohle urinirt. 16. Verscliiedenes. Neben ein neugobornes Kind legt man Knoblauch und ein Messer. Man wickelt es zum ersten Male auf dem Boden, damit es so stark werde wie die Erde. — Den Flug der Kraniche kann man storen, wenn man ein Messer in die Erde stosst. Beim ersten Zahnwechsel werfen Kinder ihre ausgefallenen Zahne fort und sprechen: „Maus, Maus, gib mir deinen Zaim, Idi gebe dir meinen Zahn! w oder „Krahe, gib mir oinen eisernen Zahn, Ich gobe dir einen kniichernen Zahn!“ „/l,aj MH MilUIV TBOj 3y6 Ebo Te6a moj 3y6,“ statt: ,,^,aj mh »paHO rB034eir 3y6, Ebo Te6n KoinTea 3yii.“ Wen Hundegebell im Schlafe stort, der wende das Kopfkissen um. Die Hunde werden sich sogleich beruhigen. In Ljubinje macht man die Leute klug, indem man ihnen durch den Schnabel einer Schwalbe Wasser in den Mund giesst. Wer den Kukuk zum ersten Male rufen hort, nehme Erde von der Stelle, wo er gestanden, und streue dieselbe auf das Haus. Es wird darin keine Flohe geben, auch bei geringerer Reinlichkeit. Am Georgitage wird ein Theil des Hofes mit einem Seile umspannt und inner- halb dieses Kreises Futter fiir Hiihner und Enten aufgestreut. Dies geschieht deshalb, damit dieselben ihre Eier nicht in fremden Hofen legen. I)ie „Mahr“ (mora) und „Stuhač“, Hexe und Hexenmeister. a) Die ,,Mora“ und der „Stuhač“. Der Glaube an die „Mora“ und an Hexen ist beim Volke in Bosnien und der Hercegovina in der Hauptsache indentisch mit dem- selben Glauben bei den iibrigen Slaven, Romanen und Germanen. Die „More“ sind bose Miidchen, welche Nachts ihren bosen Geist liber Manner und Frauen schicken, auf dass er sie driicke. Eine „Mora“ wird die Tochter einer schlechten Mutter, die falsch schwor, frech war, im Hause ofter den Teufel erwahnte, keine Kirche besuchte, nicht zur Beichte und Communion ging u. s. w. — Wenn die „Mora“ Nachts ein Haus heimsucht, worin sie Jemand drlicken will, tritt sie zum Bette 88 XI. Volkskunde. [ 488 ] der schlafenden Person und beisst dieselbe ein wenig, ura zu sehen, ob der Schlaf fest genug sei. Ist dies der Fali, dann legt sie sich so fest auf den Schlafenden, dass sie diesem fast die Seele auspresst, oder sie saugt an den Brustwarzen. Daher kommt es, dass die Befallenen am nachsten Morgen liber Brustschmerzen klagen. Besonders gerne iiberfallt sie kleine Kinder, denen sie das Blut aussaugt. Die Brustwarzchen solcher Kinder sind besonders hart. Es gibt auch „More“ mannliclien Geschleehtes, welche ,,Stuha6“ genannt werden. (In Vuk’s "VViirterbuch ist ,.Stukač“ ein Berggeist, in der Gegend von Gacko werden mit diesem Namen Luftgeister bezeicbnet, welche die Wolken und die Winde lenken und die Ernte beeinflussen. Anmerkung des Ueber- setzers.) Als Schutzmittel gegen die „Mora“ gilt Knoblauch auf die Brust gestrichen, ebenso Obrenfett und Nasenfeuchtigkeit. Auch ein quer iibergelegter rother Giirtel, am Leibe getragen, schtitzt. Mancbe stossen ein Messer in die Tliur oder legen vor den Eingang einen umgekehrten Besen. Kindern nalit man ein Stiick Knoblauch, Hirsch- kaferhorner, Maulwurfsfiisse oder ein Stiick Eibenholz an die Miitze. In der Gegend von Višegrad vertreibt man die „Mora“ mit folgendem, vor dem Schlafengehen ver- richteten Gebete: „Mopa jie3H 4oaa! 4oiia cy th nyra, SeMita th je y34a, Bor Te iipoKneo, CiseTH JoBaH caneo! Csera HHKoaa, roju HO MOpiI X04H1II, Th oh Ha Mopy Cpo 4 ap, CiieatH Mopy jiohn, A 4onoBy pyne; CneiKH ByKy 3y6e, d,a nyE He yje4e, j[a 40110B He yKpa4e, JH, 9 , ne Mopa He y4aBii, Ji ,a mh inToro 4 ne Hay 4 H, j[oK ne ncnjeTe Ha OpHjecTy rpane, Ha 6opy nraime, Ha je-ra menihe, II 40K He noHyiia Ha Boay 44aKe, Ha kokh nepKe, Amhh ! “ „Bleib’ zu Hause Mora! Dort fiihren deine Balinen; Die Erde sei dein Ziigel. Gott hat dicli verflucht, Der heilige Johannes gebunden! Heiliger Nicolaus, der du Auf dem Meere wandelst, Du bist der Schiffer der Meere, Binde die Macht der Mora Und die Hande der Diebe. Binde dem Wolfe die Ziihne, Damit der Wolf nieht beisse, Damit der Dieb nicbt stehle, Dass mic.h Mora nicht wiirge, Dass sie mir sonst nicht schade, Bis sie nicht abgehauen Alle Zweiglein der Ulme, Alle Nadeln der Fichte, Alle Blattchen der Tanne, Bis sie nicht ausgerupfet Alle Hiirchen des Ochsen, Alle Federchen der Henne, Amen!" Die Sarajevoer Muhamedanerinnen banncn die „Mora“ mit folgendem Spruche: n A TH Mopa, Mopa! Cje4ii 40Ma xpojia, II 4Ba 6paTa TBoja II cecTpnn,a CypyHTnja! Ahhhhom ce iiOHiiaiiaaa, A čokom ce oiiacaaa, npedpojnaa ropu 4 HCTaK, H 4y6oKoj B04H najecaK, H upnje ce He BpaTMa, ^,ok obo ose He ypa4H4a!“ „Ach, du Mora, Mora! Sitze lahm zu Hause Mit deinen beiden Brttdem Und der Schwester Suruntija! Auf Bastseil’ solist dieh stutzen, Mit Safte solist du dich giirten, Zahlen des Waldes Blatter, Die Sandktirner im Wasser, Solist friiher nicht kehren zuriieke, Bis ali das du vollendet!" [489] Lilek. Volksglaube und volksthiimlichei' Cultus in Bosnien und der Hercegovina. 89 b) Hexen und Hexenmeister. Die Hexen werden hierzulande „Činilica“, „Čaratica“, „Vježa“ und ,,Višca £il ) genannt. Der unverlieiratetc Hexerich heisst „Stuha“, der verheiratete „Vještac“ oder „Viš6ac“. Die Hexen sind bose Weibsbilder, welclie mit Hilfe boser Geister den Menschen und Thieren in fremden Hausern zu schaden vermogen. Welches Madchen vor ihrer Hochzeit eine „Mora“ war, wird nach ihrer Verheiratung eine Hexe. Nach dem Volksglauben tragen die Hexen Barte, und das Volk sagt auch: ,,Got,t schiitze dich vor einer bartigen Frau und vor einem bartlosen Manne!“ Auch jene Frauen werden fur Hexen gehalten, deren Augenbrauen oberhalb der Nasemvurzel zusammengewachsen sind, oder die einen stechenden Blick haben. Von den Letzteren wird geglaubt, dass sie mit ihrem Blicke einen Menschen zu zerreissen vermogen. Auf dem Glasinac unterscheidet das Volk diejenigen Hexen, welche den Menschen schaden, von jenen, die das Vieli verderben. Die menschenfeindlichen Hexen ver- sammeln sich Nachts auf einer nicht mehr beniltzten Tenne und berathen dort daritber, wen sie umbringen sollen. Besonders gerne machen sie sich an Frauen, die vor ihrer Entbindung stelien. Diese haben sicli vor ihnen ganz besonders zu huten. Eine Woch- nerin darf durch 40 Tage keinen Augenblick allein gelassen werden, darf das Licht nicht ausgehen lassen und muss Knoblauch bei sich haben. Ferner muss man sich vor den Hexen um die Zeit grosser Feiertage oder vor Eintritt der Fasten be¬ sonders in Acht nehmen. Im Bezirke Foča erzahlen die Leute, dass die Hexen manchmal paarweise herum- streifen, und zwar die Eine in sclmvarzen, die Andere in weissen Kleidern. Wird ein ihnen begegnender Mensch zuerst von der weissgekleideten erblickt, dann geschieht ihm nichts, hat jedoch die schwarzgekleidete ihn zuerst gesehen, stirbt er noch in der- selben Nacht. Fur Hexen gelten im Volke auch diejenigen Frauen, die einen verheirateten Mann oder einen Jiingling derart zu umgarnen verstehen, dass er fast den Verstand verliert; wenn sie z. B. den Mann mit der Frau, den Jiingling mit Vater und Mutter entzweien. Das Volk nennt dies „obendžijati“ = mittelst eines Zaubertrankes berauschen. Hievon wird das Verhexen „učin“ oder „ sili ir “ unterschieden, \velches den Zweck hat, zu bewirken, dass ein junger Ehemann seine Frau nicht liebe. Eine von den zahl- reichen Arten des „učin“ ist folgende: Vor der Trauung werden Theile eines zerlcgten Vorhšingschlosses zu beiden Seiten der Kirchenthiir niedergelegt. Sobald das Brautpaar dazwischen hindurchgegangen, wird das Schloss wieder zusammengelegt und in einen Brunnen geworfen. Hexen, welche dem Vieh Schaden bringen. Diese bewirken, dass das Vieh im Urin Blut verliert (Blutharnen), dass die Kiihe die Milch verlieren, dass junge Lammer zahlreich umstehen. Die Fočaner erzahlen, wie die Ilexen die Milch an sich locken, und zwar hiingen sie einen Kotzen mit Fransen liber eine Stange, wobei sie Zaubersprttche murmeln. Die Milch beginnt bald darauf liber die Fransen herunter- zulaufen, so dass die Hausfrau bei der Melke leere Euter findet. Hexen reiten auf Garnbaumen der Webstiihle, welche sie mittelst Ziigeln aus Ketten lenken, namentlich vor grossen Feiertagen rings um Stallungen und Hiirden. Das Volk bezeichnet mit dem Worte „Hexen“ auch jene Nachtfalter, welche um die Kerzen und Lampen herumfliegen. Diese werden gefangen und verbvannt, indem man *) Die Ausdriicke „vježa“ umi „vii5da“ vergl. mit den sloveli. Ausdriicken „veša“ (Irrlicht, Schmetter- ling) und „vešea“ (Hexe). 90 II. Volkskunde. [490J spricht: ,,Komme morgen, da erhaltst du Salz!“ Die erste Frau, welche am nachsten Morgen das Haus betritt, gilt fiir die Senderin des Falters, fiir eine Hexe. Die Hexen kiinnen sicb in Katzen verwandeln, deshalb miissen die Kat z en bei Gewitter aus dem Zimmer gejagt werden, denn unter ihnen sind Hexen verborgen, welche der Blitz sucht, um sie zu treffen. Auch in einen Wolf oder in eine Henne ver- mag sich die Hexe zu verwandeln. Wahrend die Hexen schlafen, lost sich der Gott- seibeiuns von ihnen los und streicht in Gestalt eines Schmetterlings, einer Katze, eines Huhnes oder eines Wolfes herum. Die Hexen salben sich mit einer Teufelssalbe, wodurch sie unsichtbar werden. Ilire Versammlungsorte sind Kehrichthaufen, Brun n en, Quellen und Gewasser; sie reiten auf Garnbaumen, Besen, S točke n und Bbcken. Frauen, welche Hexen ivurden, bleiben es bis zum Tode, wenn sie nicht ge- beichtet haben. Wenn eine Hexe ohne Beiehte stirbt, findet sie auch nach dem Tode keine Ruhe, sondern irrt als Yampyr (vukodlak) auf dem Friedhofe herum. Schutzmittel gegen Hexen. Um sich gegen die Hexen zu schiitzen, todtet man einen Igel, schneidet ihm das Herz aus, trocknet es vor dem Eliastage an der Sonne, thut es in ein Amulet und lasst dies von dcn Kindern an der linken Seite in der Herzgegend tragen. Dies Mittel wird in der Gegend von Višegrad angewendet. In Vlasenica herrscht der Glaube, dass die Hexen einem Menschen dann zu schaden vermogen, wenn sie ein gewisses Zeichen an seiner Štirne erblicken. Deslialb wird die Miitze iiber die Štirne gezogen, dainit die Hexen jenes Zeichen nicht selien. Am meisten fiirchtet man die Hexen vor Eintritt der Fastenzeit. Deshalb lasst man in Sarajevo und Rogatica die ganze Nacht hindurch ein mattes Nachtlicht brennen, die Leute bestreichen sich mit Knoblauch, man legt einen Besen umgekehrt vor die Thiir und stosst in diese ein Messer. — In der Gegend von Čajnica schiitzt man die Kinder, indem man sie an den Handflachen, an den Fusssohlen und an der Magengrube mit Knoblauch reibt. In die Kette, an welcher der Kessel hangt, wird ein Knoten ge- schlungen, oberhalb und unterhalb der Thtir werden Kreuzchen aus Brotteig gemacht. Das Vieh schiitzt man durch Talismane (zapis), welche die Hodžas anfertigen. Diese Talismane werden dem Vieh mit dem Salze verabreicht. Behextem Vieh hilft die Wahrsagerin. Diese gibt den Ktihen oder Schafen ein gewisses Gras zu fressen, oder sie gibt an, dass im Stalle irgend etwas hinterlegt wurde. Beim Nachsuchen tindet man gewohnlich einen Knauel Fetzen oder Zwirn. Nachdem dieser entfernt worden, ist der Schaden wieder gut. Merkmale, an welchen die Hexen erkannt werden. Vor dem Feiertage Blagovijest (Maria Verkiindigung) wird eine Schlange getodtet, der Kopf derselben durchstochen und eine Zehe Knoblauch durch die Oeffnung gesteckt und das Ganze in die Er d e gepflanzt. Der aufgegangene Knoblauchschaft wird abgepfluckt und am Feiertage Blagovijest an der Miitze getragen. Dann kommen die Hexen und verlangen den Knoblauchschaft. Dies ist in Višegrad iiblich. — In Zenica werden die Hexen auf folgende Weise eruirt: Wer die Hexen kennen lernen will, legt in der Faschingsnacht das erstabgebissene Stiick Brot unter den Speisetisch. Nach dem Essen tragt er es auf die Gasse und setzt seinen Fuss darauf. Dann sieht er, aus welchem Hause Hexen hervorkommen, und wird dieselben leicht erkennen. Aehnlich wird in Vlasenica vor- gegangen. Hier wird der erste Bissen des Weihnachtsbratens bis nach der Mahlzeit aufbewahrt. Nach der Mahlzeit presst man ihn fest in der Hand zusammen, geht damit auf eine Tenne und lasst einen Pfiff ertonen. Sofort versammeln sich alle Hexen und suchen in den Besitz des Bissens zu gelangen. Dieser muss gut verwahrt und darf [491] Lilek. Volksglfiube und volksthumlicher Cultus in Bosnien und der Hercegovina.' 91 auch keinem Thiere gegeben werden, denn die Hexen konnten ihn aus dem Thiere herausholen. „Man soli liiclit 44 (ne valja). In der Dammerung soli man auf keinen Kehrichthaufen geli en, man sielit sonst Allerlei. Man soli die Sterne nicht zahlen. Es konnte sich ergeben, dass man den eigenen Štern mitzahlt, und man miisste dann sterben. Man soli nicht: mit Kirschenholz heizen (wegen hitzigen Fiebers); — mit Kirsch- holzpflockchen einen Friedhof umzaumen, denn es ist verflucht; — zu Weihnachten auf einem Stuhle sitzen, Zweige iiber dem Knie zerbrechen, den Stuhl schaukeln, weil sonst das Vieh lahm wird; — das Vieh mit einem angebrannten Štabe treiben oder am Mittwoch eine Scheere iiffnen — wegen wilder Thiere. Man soli Niemand fragen, wozft er eine Arznei nothig h at, sie wird ihm sonst nichts niitzen; — man soli nicht mit dem Messer essen, sonst bekommt man Seiten- stechen; — man soli auf dem Esstische kein angebissenes Brot liegen lassen, denn im letzten Bissen ist die Kraft verborgen. Man soli zwischen Weihnacht und Dreikonig lceine Wasche waschen; — man soli keinen Froscli todten oder vor einem solehen den Mund iiffnen, denn der Frosch zahlt die Zahne ab, und man verliert dann die Eltern. — Man soli nicht stehend essen oder trinken; nicht gleich bei Beginn der Dammerung schlafen, das Zimmer auskehren und den Kehricht sammeln. — Man soli den BreilOffel nicht beissen, sonst fressen die Krahen den Kukuruz. — Man soli eine Fackel nicht an beiden Enden anbrennen, denn wenn die Pest kommt und eine solche Fackel tindet, stirbt derjenige, den sie da- mit hinter dem Ohre trifft. — Man soli die Milch am Feuer nicht uberlaufen lassen, sonst springen die Zitzen des Thieres, von welchem die Milch ist. Man soli keine todte Schlange iiber das Knie heben, sonst bekommt man Fuss- schmerzen. — Man soli im Zimmer nicht pfeifen, sonst vermehren sich die Miiuse. — Man soli im Hause von nichts Schadlichem sprechen, damit kein Schade geschehe. — Frauen lassen nicht zu, dass bei einer Hochzeit eine gerade Zalil von Giisten an- wesend sei, es gibt sonst ein Ungliick. Wenn man auf einer licise von einer Erscheinung angerufer. wird, antworte man nicht — wegen sofortiger sonstiger Krankheit. Wenn ein Gewebe vollendet wird, darf nichts Mannliches im Hause geduldet werden. Knabenhemden diirfen nicht angesetzt, noch mit Zwickeln genitht werden. An den Tagen, an welchen die Bauern das Saatgut aufs Feld tragen, leihen sie nichts weg, weil sonst das Getreide ausfallen wiirde. Am Tage der Findung des Hauptes Johannis (Obretenije 24. Februar a. St.) wird im Bezirke Čajnica nicht gearbeitet, denn eine damalige Ai'beit wiirde bose aus- gehen (na zlo ob ra til i). Am „Halsbrechtage“ (Vratolomjevdan), zur Zeit der Kirschenreife, klettert Niemand auf einen Kirschbaum, aus Furcht zu fallen und den Hals zu brechen. — Drei Tage vor und drei Tage nach dem Eliastage (20. Juli = 1. August) wird keine Wiische gewaschen, weil diese sonst zerfallt. Diese sechs Tage beissen „ Kres “-Tage (kresovi). Einen Tag nach Demeter (26. October = 7. November) wird in den Dorfern nicht gearbeitet, weil sich sonst die Mause vermehren wurden. Beim Milchessen darf die Schiissel nicht geneigt werden, sonst wird es keine Milch geben. 02 II. Volkskunde. [ 492 ] Jener Wochentag 7 an welchen die Enthauptung Johannis (29. August) fallt, wird im ganzen Jahre als „Schutztag“ (varovni dan) gefeiert; an demselben wird niclits begonnen 7 auch keine Kindstaufe vorgenommen 7 um Unglllck zu verhliten. Ueber Haare nnd Nagel. Es ist nicht gut, die Nagel zu jeder Zeit und jeden Tag zu besclmeiden. Der Morgen eignet sicli hierzu besser, als der Abend. Die Muha- medaner glauben 7 es sei am besten, die Nagel am Freitag zu besclmeiden. Die Ortho- doxen schneiden die Nagel nicht an Feiertagen oder am Rtisttage von solchen 7 sondern am liebsten am Montag oder am Donnerstag. Diese beiden Tage werden iiberhaupt fur die glucklichsten in der Woelie gehalten. Abgeschnittene Nagel diirfen nicht an einen Ort geworfen werden, wo Menschen hinkommen, sie bringen demjenigen Ungliick, der auf sie tritt. Am besten ist es 7 dieselben in Papier zu wickeln und in ein Maucrloch zu stecken. Dem abgeschnittenen Kopfhaare der Manner wird keinerlei Beachtung geschenkt; dasselbe wird einfach hinausgeworfen. Anders ist es bei den Frauen. (Siehe oben.) Nach Sonnenuntergang soli man sich unter keinem Baume 7 niimentlich unter keinem Weinstoclce aufhalten. Hingegen soli man: mit frischgeschopftem, nocli von Niemand gebrauchtein Wasser den Weihnachtskuchen kneten, oder die Farbe zum Farben der Ostereier anruhren, Die Farbe darf vor dem Tage Christi Himmelfahrt nicht ausgeschiittet werden. Die Eier, welche zu Ostem zuerst gegessen werden 7 muss man am Charfreitag vor Sonnen- aufgang farben. Die Sclialen derselben wirft man ins Wasser und sagt dazu: „Nun liabe ich Fliegen und Fldhe \veggeworfen!“ (Evo bacili muhe i buhe.) / v \ / . NARODNA IN UNIVERZITETNA KNJIŽNICA