Diskussionen — Kooperationen — Herausforderungen Streiflichter zu den Archivtagen in der Steiermark im Jahr 2010 Als Forum der Diskussion und der interinstitutionellen Begegnung verstehen sich die Steirischen Archivtage, die 2009 ins Leben gerufen wurden. Organisiert werden diese eintägigen Veranstaltungen, die nach Möglichkeit in der ersten Jahreshälfte stattfinden, vom Steiermärkischen Landesarchiv. Der eingeladene Personenkreis erschöpft sich dabei jedoch nicht in den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steirischer Archive, sondern umfasst auch mit Fragen der Archivierung befasste Personen in Museen, Sammlungen und der öffentlichen Verwaltung, insbesondere auf dem Gebiet der Gemeindeverwaltung. Der erste Steirische Archivtag (17. Juni 2009) war unter dem Thema Bestandsbildung und Bestandserhaltung gestanden und hatte sich insbesondere auch an jene Personen in der Landes- und kommunalen Verwaltung gerichtet, die mit Fragen einer geordneten Registraturführung bzw. der Führung eines Gemeindearchivs befasst sind. Gernot Peter Obersteiner (StLA) hatte damals über Registraturpläne auf Landes- und Gemeindeebene referiert, Elisabeth Schöggl-Ernst (StLA) über Fragen der Bestandsbildung und Schriftgutbewertung referierten. Ihre Ausführungen hatten zwei weitere Vorträge von Referenten aus dem Steiermärkischen Landesarchiv, Ingrid Hödl (Leiterin der Restaurierwerkstätte) und Heinrich Kranzelbinder (Leiter des Studios für Reprographie und Medienkonvertierung), zu den Themen Präventivmaßnahmen und Konservierung in Archiven, Bibliotheken und Museen und Digitale Bilddaten im Archiv abgerundet. Der Steirische Archivtag 2010, für den als Kooperatoren wiederum der Steirische Städte- und Gemeindebund und der Verband österreichischer Archivarinnen und Archivare gewonnen werden konnte, die in ihren Publikationsorganen auf die Veranstaltung hinwiesen, war der Thematik Recht und Archiv gewidmet. Dabei sollten nicht nur verschiedene Aspekte des rechtlichen Rahmens, der durch die Einsichtnahme in Archivgut berührt wird, beleuchtet, sondern darüber hinaus auch Fragen des Urheberrechts diskutiert werden. Der Ausgleich zwischen den Erwartungen, die Archivbenützer an das Archiv stellen, und dem rechtlichen Rahmen, den Gesetze und Benützungsordnungen vorgeben, ist eine immer wiederkehrende Herausforderung im Archivalltag. Archiv zwischen Benützerwünschen und Recht lautete daher 2010 das Generalthema des Steirischen Archivtages am 5. Mai 2010. Der Teilnehmerkreis war in diesem Jahr auch auf Kolleginnen und Kollegen aus den Archiven der »Štajerska« in Slowenien (Maribor/Marburg, Ptuj/Pettau und Celje/Cilli) ausgeweitet worden. In einer ersten Einheit referierten zwei Juristen der Verfassungsabteilung des Landes Steiermark zu Fragen des Datenschutzes und Urheberrechtes. Gerhard Propst widmete sich in seinem Vortrag dem Schutz und den rechtlichen Grenzen der Nutzung und Archivierung von Bildern, Texten und Dokumenten, Christian Freiberger behandelte datenschutzrechtliche Aspekte im Archivwesen. In der zweiten Einheit informierte der neue Leiter des Diözesanarchivs Graz-Seckau, Alois Ruhri, über Forschungsmöglichkeiten in kirchlichen Archiven der Steiermark, wobei rechtliche Fragen ebenso berührt wurden wie solche der Kapazitäten kirchlicher Archive angesichts der ständig größer werdenden Zahl an Familien- und Ahnenforschem. Einen Überblick über die österreichischen Archivgesetze bot Elisabeth Schöggl-Ernst (StLA). Derzeit gibt es in Österreich neben dem Bundesarchivgesetz nur in vier Bundesländern — Wien, Oberösterreich, Salzburg und Kärnten — Landesarchivgesetze, wobei das seit 2008 in Geltung stehende Salzburger Archivgesetz sogar ein direktes Zugriffsrecht des Landesarchivs auf den Archivbestand von Kommunen vorsieht. Einen räumlich und institutionell noch größeren Personenkreis umfasste die zweite archivspezifische Veranstaltung, die 2010 in der Steiermark stattfand, die Tagung kirchlicher Archive (Ordens- und Diözesanarchive) vom 15. bis 17. Juni 2010 in Stift St. Lambrecht. Erstmals in ihrer Geschichte hatten sich die beiden Trägerorganisationen — die 1976 gegründete Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Diözesanarchive und die 2004 gegründete Arbeitsgemeinschaft Ordensarchive — dazu entschlossen, eine gemeinsame Tagung abzuhalten. Koordiniert wurde die Veranstaltung vom Leiter des Archivs der Diözese Gurk in Klagenfurt, Peter Tropper, und Helga Penz, der Vorsitzenden der ARGE Ordensarchive und Leiterin des Referats für Kulturgüter — Archive, Bibliotheken und Sammlungen der Österreichischen Superiorenkonferenz. Bei der Tagung selbst referierte der Prior der Erzabt St. Peter (Salzburg), P. Korbinian Bimbacher, über das Verhältnis von Stift und Ortskirche. Peter Wiesflecker (StLA) gab einen Überblick über die Ordnungsarbeiten des Archivs der Benediktinerinnenabtei St. Gabriel/Bertholdstein (Steiermark), die unter Anleitung des Landesarchivs von einer Kon-ventualin vorgenommen wurden. Seit 2008 befindet sich der Bestand als Depositum im Steiermärkischen Landesarchiv. Johann Weißensteiner (Archiv der Erzdiözese Wien) und Christine Maria Gigler (Kon-sistorialarchiv Salzburg) beleuchteten Quellen zur Ordensgeschichte in österreichischen Diözesan-archiven. Den Abschluss der Vorträge bildete eine Darstellung der Geschichte des unter Joseph II. aufgehobenen Klosters St. Georgen am Längsee (Kärnten) durch Christine Tropper (Kärntner Landesarchiv). Auf der Tagung wurden insbesondere auch Fragen einer engeren Kooperation zwischen den einzelnen kirchlichen Archiven diskutiert sowie die künftige Betreuung von Ordensarchive angesichts des Problems »aussterbender Konvente«. Die personelle Verknappung in den einzelnen Orden bringt einen elementaren Strukturwandel mit sich — Aufgabe von Standorten, Vereinigungen von Niederlassungen mögen hier als Stichworte genügen — bei dem man dem Archivschutz nicht immer das nötige Augenmerk widmet. Abschließend sei noch auf einen besonderen Markstein für das steirische Archivwesen verwiesen. Im Herbst 2009 wurde im Rahmen der universitären Ausbildung von Historikerinnen und Historikern an der Karl-Franzens-Universität Graz nunmehr auch das Wahlfach Archivwissenschaften in den Fächerkanon aufgenommen. Fortan soll eine zwei-semestrige Lehrveranstaltung in dieser Disziplin im Zweijahresrhythmus angeboten werden. Als Lehr- beauftragte konnten dafür vier wissenschaftliche Archivarinnen und Archivare des Steiermärkischen Landesarchivs — Elke Hammer-Luza, Gemot Peter Obersteiner, Elisabeth Schöggl-Ernst und Peter Wiesflecker — gewonnen werden. Zwei Semester lang (Oktober 2009 bis Juni 2010) erfolgte durch sie im Rahmen einer wöchentlich stattfindenden Vorlesung (90 min) eine Einführung in die Archivwissenschaften, bei der u. a. Themen wie archivwissenschaftliche Grundlagen, Berufsbild, Schriftenkunde, Behördengeschichte, Archivmanagement, Ordnen und Erschließen, Rechtsfragen des Archivwesen, Öffentlichkeitsarbeit, Archiv- und Sicherheitstechnik, Bestandserhaltung etc., behandelt wurden. Um den Hörerinnen und Hörern zugleich die Begegnung mit der Institution Archiv zu ermöglichen und damit unter Umständen auch Schwellenängste, die seitens Studierender bestehen, zu überwinden, wurde die Vorlesung im Steiermärkischen Landesarchiv abgehalten, was zudem eine Einbeziehung von Archivalien in die einzelnen Vorlesungseinheiten ermöglichte. Peter Wiesflecker