PUER SENEX* HEDVIG KENNER Universität Wien, Wien Zu den frühesten Zeugnissen der europäischen P o rträ tk u n st w ird im m er der schöne bronzene K nabenkopf des archäologischen M useum von Florenz (Abb. 1) gezählt w erden m üssen, dessen kunstgeschichtlichen Ruhm K aschnitz- W einberg begründet h a t.1 N ach K aschnitz feinsinniger stilistischer A nalyse bezw eifelt wohl niem and m ehr, dass dieses W erk so w ie der ’B ru tu s’ im K onservatorenpalast2 oder d e r ’A rringatore’, ebenfalls im archäologischen M useum von Florenz,3 der etruskisch-italischen K u n st angehört. Schw an­ k en d er is t die D atierung geblieben, denn d er frü h e A nsatz von K aschnitz noch v o r dem ’B ru tu s’ in die M itte des 4. Jhdts. v. C hr. ist kaum m ehr h a lt­ bar, die stark e persönliche D ifferenzierung d er Züge setzt schon — auch im italischetruskischen B ereich — das D iadochenporträt des 3. Jhdts. voraus. A m liebsten m öchte m an sich den K nabenkopf nicht u m vieles frü h e r w ie den ’A rringatore’, d. h. etw a in d er 2. H älfte des 2. Jh d ts. v. Chr. entstanden denken. W as an ihm fasziniert hat, ist seine form ale Schlichtheit, gep aart m it u n m ittelbarer, lebendiger A usdruckskraft. D er B eschauer fü h lt sich von diesem jungen W esen ergriffen und gerührt, er m öchte es um seinen N am en, seine Schicksale fragen und ist doch w ieder voller E h rfu rch t und Scheu vor d er ju n g en W ürde, deren leibhaftiges V orbild längst d er Ew igkeit angehört. M an h a t die individuelle F orm ung des K nabengesichtes, die den griechischen Schönheitskanon u n b ek ü m m ert verlässt, m it R echt als italisch bezeichnet. »In diesem Kopf haben w ir eines d er ersten B eispiele jen er den M enschen als Persönlichkeit, als einm alige Erscheinung im G anzen erfassenden P o r­ trä tg e sta ltu n g d er Italer.«4 Das Persönliche u n d P roblem atische dieses * Abb. 1 n. RM 41, 1926 Tf. I; Abb. 2 n. Photo A linari, I. D. E. A. Firenze. 1 W. Amelung, F ührer durch die Antiken in Florenz 1897 S. 259 Nr. 252; A Br. Tf. 809/810; L. A. M ilani, Museo archeologico di Firenze 1912 I S. 140; II S. 8 Tf. X X VIII; K. K luge-K . L ehm ann-H artleben, Die antiken G rossbronzen 1927 I S. 141, 145; J. Sieveking, Festschrift f. P. W olters 1928 S. 21 ff; R. West, Röm. P o rträtp lastik 1933 I S. 18 Tf. IV 8; G. v. K aschnitz-W einberg, RM 41, 1926 S. 137 f. Tf. I u. II = K aschnitz-W einberg, Ausgewählte S chriften 1965 II, Römische Bildnisse S. 23 f, Tf. 12, 1 u. 2; Kaschnitz-W einberg, Das Schöpferische in der röm. K unst 1961 I S. 116 f Abb. 18; H. K ahler, Rom und seine W elt 1958 I S. 37 Tf. 30; 1960 II S. 62; R. Bianchi-B andinelli, Enciclop. d. A rte antica s. v. R itratto S. 717 f, Abb. 829. - H. S tuart Jones, Cat. anc. Sculpt. Palazz. d. Conserv. 1926 S. 43 Nr. 1 Tf. 60. 3 W est a. O. S. 38 Tf. V III 24, Tf. IX 25; A. H ekler, B ildniskunst d. G riechen u. Röm er 1912 Tf. 129 b, 131. 4 W est a. O. S. 18. G esichtes, die M ischung von K indlichkeit und Reife, von blühendem Leben u n d b eherrschter Todesw ehm ut ergreift auch die B ew usstseinsschichten des m odernen M enschen von heute. A ber ist h ie r w irklich die einm alige E rscheinung allein gefasst? W irkt hier nicht auch ein Typus ein, freilich ein anderer, ein enger u m grenzter als jener heroische des idealisierten griechi- Abb. 1. Florenz, Archäologisches Museum. Bronzener Knabenkopf Sl. 1. Arheološki muzej v Firencah. G lava dečka, bron sehen M enschenbildes ? Es gib t zwei schöne A ufsätze des Rom anisten E rn st R obert C urtius »Knabe u n d Greis«5 und »Puer Senex«,6 die hier n ach ­ denklich stim m en, zu denen unser K nabenbildnis — und andre m it ihm, w ie gleich zu zeigen sein w ird, — als Illustration tre te n könnten. C urtius stellt hier den m erkw ürdigen Idealtypus des K naben, der m it der W eisheit und A usgeglichenheit des Greises geboren wird, heraus. E r 5 Europäische L iteratur und Latein. M ittelalter 4. Aufl. 1963 S. 108 ff. 6 Gesammelte Aufsätze zur rom anischen Philologie 1960 S. 12 f. kann ihn ab dem 2. oder 1. J h d t v. Chr. in literarisch en Z itaten feststellen, findet ihn in v e rstä rk te r D ichte in der Spätantike u n d im frühen M ittelalter bis etw a in das 7. Jh d t. hinein und verfolgt verblasste A usläufer derselben V orstellung in späterer L iteratu r, zuletzt bei dem g eleh rten spanischen D ich­ ter G ongora y A rgote (1561— 1627). Es geht aus seinen D arlegungen hervor, Abb. 2. Florenz, Archäologisches Museum. B ronzener K nabenkopf Sl. 2. Arheološki m uzej v Firencah. G lava dečka, bron dass dieser K nabe-G reis eine Schöpfung u rtü m lich er V olksphantasie ist, eine m ythische G estalt, die am schlichtesten im Bild des K naben m it weissem G reisenhaar geschaut w ird. Im K nabenkopf von Florenz ist diese A uffassung bereits eine sublim iertere, blühende Jugend vereinigt sich hier m it einer entsagungsvollen A bgeklärtheit, die in dem überlegenen Blick d er grossen A ugen beschlossen ist und d u rch den H auch eines leidenden Lächeln um die L ippen noch u nterstrichen w ird. Von der Seite b e tra c h te t bilden die kind- liehe Nase und das w eiche K inn einen eigenartigen Gegensatz zu dem reifen und fast hochm ütigen A usdruck von A ugen u n d M und (Abb. 2). Die V orstellung des puer senex w ar im etruskisch-italischen Gebiet, aus dem unser K unstw erk stam m t, besonders verankert. Tages, dem die E tru sk er die H aruspicin verdankten, stieg u n ter dem P flug eines A ckerm annes aus der E rde em por, seiner E rscheinung nach ein K nabe, doch von g reisenhafter K lugheit. E r leh rte sofort nach seiner G eburt die W eissagekunst und starb noch am selben Tage.7 8 A uch einer G estalt republikanisch-röm ischer Zeit, M. P orcius Cato Uticensis, w ird als zartem K naben legendär die W eisheit eines Senators zugeschrieben, ’tenero ergo anim o Cato totius curiae gravi­ ta tem per cepit’.6 F ü r Cicero ist der Jüngling, d er etw as vom G reis in sich träg t, ebenso ein Ideal w ie d er Greis, der sich Jugendliches b ew ah rt h a t.9 A ber nicht n u r d er etruskisch-italische Kreis, sondern auch das alte T esta­ m ent k en n t schon vor d er Zeitenw ende die V orstellung des K naben, der kein K nabe m ehr ist. Von Tobias heisst es »C um que esset iunior om nibus in trib u Neplnthali, nihil tarnen puerile gessit in opere«.1 0 1 1 Die augusteische Epoche m it ihrem jäh einsetzenden K ult der kaiserlichen Fam ilie und der höfischen Reverenz selbst vor dem kleinsten P rinzen des H errscherhauses h at das Bild des w u n d erh aft klugen K naben w illig aufgenom m en. V ergil sagt von Iulus-A scanius, dem Prototypon d er kaiserlichen K naben »A nte annos anim um que gerens curam que virilem «1 1 und Ovid rü h m t von den C aesaren, dass ihnen schon vorzeitig M annhaftigkeit zuteil w erde »Caesa- ribus virtu s contigit ante diem .«1 2 U n ter den augusteischen P o rträts erin n ert an den puer senex vielleicht d er K opf des sog. M arcellus aus Pom peji,1 3 doch vereinigen sich hier nicht w ie beim F lorentiner K nab en Jugendblüte und W eisheit, sondern k ra n k ­ h a fte r Z erfall und vorzeitige Reife. A uch ist d er D argestellte bereits dem K indesalter entw achsen u n d ein 18 bis 20 jähriger. Die M ehrzahl der K in d er­ bildnisse des 1. Jh dts. n. C hr. zeigt richtig jugendliche Züge,1 4 bisw eilen sogar das von den hellenistischen K inderköpfen1 5 übernom m ene fröhliche L ächeln.1 6 7 Cic. de divin. II 50; Isid. v. Sevilla, Etym. V III 9, 34 (ed. Lindsay 1911). 8 Val. Max. I ll 1, 2. Die hier geschilderte Episode w ahrscheinlich unhistorisch vgl. F. M iltner, RE s. v. Porcius Nr. 16 Sp. 169. 8 Cic. Cat. m aior 11, 38. 1 0 Liber Tobiae 1, 4; nach E. R. Curtius, G esam m elte Aufsätze zur rom a­ nischen Philologie S. 13 2. oder 1. Jhdt. v. Chr. 1 1 Aen. IX 311. 1 2 A rs am. I 184. 1 3 H. Fuhrm ann, AA 56, 1941 Sp. 603 ff. Abb. 104—106; A. de Franciscis, Il R i­ tratto Romano a Pompei 1951 S. 41 f. Abb. 30/31; ds. Enciclopedia dell’A rte antica s. v. Marcello, hier nach C harbonneaux die Bezeichnung ’M arcellus’ abgelehnt. 1 4 Z. B. Bronzestatue eines juli sch-claudi sehen Knaben, Metrop. Mus. New York, G. M. A. Richter, Greek, Etruscan and Rom an Bronzes in the Metrop. Mus. of A rt New York 1915 S. 149 ff. Nr. 333, Fronttaf. u. Abb. S. 149; R. West, Röm. P o rträtp lastik 1933 I S. 136 f, Tf. XXXIV 147; G. M. A. Hanfmann, Röm. K unst S. 79 Abb. 51; oder K nabenkopf, Philadelphia U niversity Mus. F. Poulsen, Röm. .K ulturbilder 1949 S. 258 Abb. 104; dsgl. Ince B lundell Hall, Poulsen a. O. S. 258 Abb. 106, trajanisch; dsgl. Ny Carlsberg, Kopenhagen, Poulsen a. O. S. 257, Abb. 103; H. Jucker, Bildnis im B lätterkelch 1961 St. 18 S. 77 Tf. 26, trajanisch. 1 5 Vgl. H. Kenner, W einen und Lachen in der griech. Kunst, Österr. Akad. d. W issensch., phil. hist. Kl. Sitzungsber. 234, 2, 1960 S. 89 ff. 1 6 Z. B. Knabenkopf B erlin, C. Blümel, Kat. Berlin, Röm. Bildnisse 1933 R 24 Tf. 48 ; dsgl. Berlin, Blüm el a. O. R 51 Tf. 48, wohl hadrianisch. Erst um die W ende des 1. zum 2. Jh d t. scheinen sich w ieder die Beispiele der altklugen, vorzeitig gereiften K nabentypen zu m ehren, die bald w ie tra u ­ rige Philosophen, bald w ie kleine Senatoren, bald w ie schockierte L eh rer oder strenge R ichter aussehen.1 7 M an könnte m einen, dass d er E rnst in diesen kindlichen G esichtern von ih re r schw eren K ran k h eit und ihrem frü h en E nde h errü h re, aber die P o rträ ts w u rd en ja nicht fü r eine m edizinisch-w issen­ schaftliche K artei von K rankheitsfällen, sondern auf W unsch und B estellung der E ltern angefertigt und diese w aren, wie eine S telle bei Plinus dem J ü n ­ gern1 8 bew eist, darin frei, w as sie bei den B ildnissen ih rer verstorbenen K inder d argestellt oder w eggelassen wissen w ollten. D er überkluge K nabe, das m atro n al w ürdige M ädchen m üssen seit der M itte des 1. Jhd ts. n. Chr. L eitb ild er gewesen sein. M anche E ltern haben ihre K leinen wohl m it Zw ang in diesen Model gepresst, d er Erfolg w ar bisw eilen ein trau rig er. D er G rabstein des elfjährigen Q uintus Sulpicius im K onservatorenpalast zu Rom 1 9 bezeugt, dass d er K nabe bei einem D ichterw ettbew erb des Ja h re s 94 u n te r 52 griechischen D ichtern ein beachtliches A ufsehen erregte (aber w ohl keinen Preis errang). D iesen »im m erw ährenden Ruhm« m usste er m it seinem Leben bezahlen, d enn nach seinen eigenen W orten in d er G rabin­ sch rift starb er an Ü berarbeitung, da er sein G em üt »w eder beim M orgen­ g rau en noch beim A bendrot von der B eschäftigung m it der D ichtkunst losreissen konnte.« D er K opf dieser R elieffigur ist stark beschädigt, doch auch die R este der Züge genügen fü r den E indruck d er altklugen vorzeitigen Reife. W enn S tatius in seinen Silvae2 0 zum Lob eines verstorbenen K naben dichtet: Jam dudum dignos aditus laudum que tuarum , o m erito dilecte puer, prim ordia quaerens distrahor. Hinc anni stantes in lim ite vitae, hinc m e form a rapit, rapit inde m odestia praecox et pudor et tenero gravitas m aturior aevo. »Schon lange suche ich einen w ürdigen Z ugang und eine E inleitung fü r dein Lob, geliebter K nabe, doch w erde ich nach verschiedenen Seiten abgelenkt. H ierhin zieht m ich deine Jugend, die auf der Schw elle des L e­ bens steht, hierhin deine Schönheit, dorthin deine frü h reife B escheidenheit, deine Sittsam keit und deine W ürde, die reifer ist als dein zartes A lter« so könnte m an diese V erse fast als Epigram m u n te r den F lorentiner K na­ benkopf setzen. 1 7 K nabenbildnis Berlin, Blüm el a. O. R 48 Tf. 31 ; L. Curtius, A ntike 7, 1931 S. 234 Abb. 5, hier wohl zu frü h als spätaugusteisch datiert; K nabenbildnis Berlin, Blüm el a. O. R 49 Tf. 70; Jucker a. O. St. 2 S. 67 f, Tf. 22; dsgl. Stockholm, H. Brising, A ntik K onst i'. N ationalm us. Stockholm 1911 Tf. 58; Poulsen a. O. S. 255 Abb. 100, hier M itte 1. Jhdt. n. Chr. datiert, w ahrscheinlicher jedoch Entstehungszeit in der 2. H älfte des 1. Jhdts. n. Chr.; dsgl. Rossie P nory, Schottland, Poulsen a. O. S. 255 Abb. 99; Kopf eines sehr kleinen K naben Wien, K unsthist. Mus. R. v. Schneider, A lbum der A ntikensm lg. 1895 S. 6 Tf. 14. 1 9 Epist. II 10, 6. 1 9 H. S. Jones, Cat. Sculpt. Palazz. d. Conserv. 1926 S. 149 f, Nr. 36 Tf. 45; Poulsen a. O. S. 235 f. Abb. 97; K ahler, Rom u. seine W elt Tf. 153. 2 0 II, 1, 40. Ä hnlich preist Plinius der Jü n g ere ein m it 13 Jah ren verstorbenes M ädchen:2 1 N ondum annos X IV im pleverat, et iam illi anilis prudentia, m a ­ tronalis gravitas erat et ta m en suavitas puellaris cum virginali verecundia. In den Punica des S iliu s Italicus taucht, w ohl von dem D ichter selbst erfunden, der puer senex als führende Idealgestalt auf. Von Piso, dem A n fü h rer der U m brer in d er Schlacht von C annae, heisst es:2 2 Ductor Piso viros spernaces m ortis agebat, ora puer pulcherque habitum , sed corde sagaci aequabat senium atque astu superaverat annos. J e m ehr die röm ische A ntike sich zur S pätan tik e neigt, desto k la re r form t sich das Bild des K naben-G reises. Die kaiserlichen P rinzen der Anto- ninenzeit, M arc A urel, L ucius Verus, ja sogar Commodus, w erden in diesem Typus dargestellt.2 3 M ax W egners B eschreibung der jugendlichen M arc A urel-B üste im kapitolinischen M useum klingt w ie eine P arap h rase zu u n ­ serem Them a.2 4 »Die G esichtszüge w irken m üde, gedankenvoll abw esend und etw as befangen durch die M achenschaften d er höfischen W elt, die ihn um gab; es fehlt ihnen die ungezw ungene N atürlichkeit, K ühnheit, aufge­ w eckte G egenw artsnahe d er Jugend. Gleich w eit en tfern t davon, dass die U m w elt diesen W erdenden m it Freude erfü llt oder ihn tra u rig stim m t, scheint d er G leichm ut b ereits die G rundstim m ung der Seele zu sein.« Po- lydeukes, der Lieblingsschüler des H erodes A tticus, der in zartem Jü nglings­ alter starb, w ird als philosophisch gebildeter, w eiser Jüngling dargestellt,2 5 aber auch P o rträts jü n g erer K naben, W erke des ausgehenden 2. Jhd ts. n. Chr., blicken abgeklärt u n d ruhig in die Ferne, w ie w enn sie über diese W elt erhaben w ären.2 6 Im 3. Ja h rh u n d e rt können K inder, die kaum noch dem Säuglingsalter entw achsen sind, so fü r die N achw elt festgehalten w erden, dass ihre gelehrten A ugen über d er kleinen Nase, die herben L ippen über dem zierlichen K inn h alb zu T ränen rü h ren , halb zu einem L ächeln zw ingen.2 7 N icht n u r die G rabdichtung und G rabkunst, auch die Panegyrici v e r­ w enden ab dem 2. Jhdt. n. Chr. öfters den Topos, dass der zu R ühm ende schon als Jüngling die W eisheit eines Greises besessen habe. A puleius in seiner Lobpreisung des P roconsuls Severianus u n d seines Sohnes H onorius sagt von letzterem 2 8 ,paterna in filio aequitas, senilis in iuvene prudentia, consularis in legato auctoritas.’ C laudian in dem Panegyricus au f die Con- 2 1 Ep. V 16, 2. 2 2 P unica V ili 463 ff. Zu dieser Stelle F. M ünzer, RE s. v. Piso Sp. 1800. 2 3 K nabenbildnis Marc Aurels, Rom, Kapitol. Mus. H. S. Jones, Cat. Mus. Cap. 1912 S. 103 Nr. 28 Tf. 28; M. Wegner, Die H errscherbildnisse in antonini- scher Zeit 1939 S. 191 f. Tf. 15; K nabenbildnis des L. Verus in Olympia, W egner a. O. S. 62 u. 237 Tf. 39; K nabenbildnis des Commodus, Rom, Kapitol. Mus. Jones a. O. S. 200 Nr. 43 Tf. 52; W egner a. O. S. 67 u. 264 Tf. 48 u. 49 a. 2 1 W egner a. O. S. 35. 2 5 C. Blümel, K at. Berlin, Röm. Bildnisse R 72 Tf. 44; Poulsen a. O. S. 259 Abb. 108; Enciclopedia dell’A rte antica s. v. R itratto S. 731 Abb. 847. 2 6 Zwei K nabenbüsten B erlin, Blümel a. O. R 64 u. 65 Tf. 40. 2 7 K nabenkopf Ny Carlberg, Kopenhagen, B illedtavler 1907 Tf. 14; Poulsen a. O. S. 254 Abb. 98; Kopf eines Sklavenknaben ebenda, Billedtavler 1915 Tf. 11; Poulsen a. O. S. 25-3 Abb. 101. 2 8 Apuleius, Florida IX 38. sulen P robinus und O lybrius aus dem Ja h r 395 h eb t die gleichen T ugenden an den zwei W ürdenträgern h erv o r:2 9 ,Sed gravibus curis anim am sortita senilem ignea longaevo fren a tu r corde iu ventus.’ »Doch ih re feurige Jugend, die sich fü r die schw eren Sorgen einen g reisenhaften Sinn erlöst h at, w ird durch ein b ejah rtes Herz im Zaum ge­ halten.« U nd auf den Consul designatus des Jah res 399, M anlius Theodoros, dich tet derselbe A utor3 0 ,iam tu m canities anim i, iam dulce loquendi pondus et attonitas sermo qui duceret a u re s’ »Schon dam als (näm lich in d er ersten Jugendblüte) besass er G reisenart des Sinnes, dam als schon die süsse E indringlichkeit d er B eredsam keit und eine Sprache, die die O hren w ie vom D onner getroffen in ihren B ann zog.« Canities, canus, G rau h aarig k eit und grau, w erden in d e r S pätantike Syno­ nym e fü r W eisheit u n d w eise.3 1 Es ist selbstverständlich, dass auch dem K aiser von frü h ester Jugend an die W eisheit des A lters geschenkt w ird. E unapius nennt Ju lia n den A postaten (361—363): ô xaì èv fxsioarJqi jTQSodvvrjg »den Greis sogar im K naben«.3 2 D em frü h en C hristentum , das die überschäum ende Lebensgier der h eid ­ nischen A ntike und das dionysische Ideal des allein in Jug en d und Schönheit m öglichen glückseligen Lebens zu bekäm pfen h atte, w ar das L eitbild des stillen, weisen, greisenhaft w eitabgew andten K naben oder M ädchens w ill­ kom m en. So m ussten die H eiligen in ih rer K indheit gew esen sein. A urelius P ru d en tiu s Clemens schildert die heilige E ulalia3 3 M oribus et nim ium teneris C anitiem m editata senum »Schon m it ganz kindlicher Sittsam keit tra c h te te sie nach d er W eisheit d er Greise.« G regor der G rosse b eg in n t die V ita des heiligen B enedikt.3 4 »Fuit vir vitae venerabilis gratia B enedictus et nom ine ab ipso suae pueritiae tem pore cor gerens senile« und in d er V ita Sancti G regorii m agni selbst heisst es3 5 »Inerat ei in parva adhuc aetate m a turum iam studium «. D er puer senex h a t von da an auf andere H eiligengeschichten bis ins 13. Jh d t. hinein ein­ gew irkt.3 6 Dass das C hristentum ein durchgeistigtes Idealbild als k o n trären G egen­ satz zu dem üppig blühenden, allen N atu rtrieb en hingegebenen Dionysos- 2 9 Claudian I 154 f. 3 0 Claudian XVII 19 f. 3 1 Vgl. E. R. Curtius, Europäische L iteratur u. lateinisches M ittelalter S. 110, Canus in dieser Bedeutung schon im Alten Testam ent, Liber sapientiae 4, 8 a n ­ gewandt. 3 2 Eunapius, V itae Sophist, p. 474. 3 3 Peristephanon III 24 f. 3 4 Dial. 2, 15; M igne Bd. 66 Sp. 126. 3 5 V ita 2 von Paulus Diaconus, Migne Bd. 75 Sp. 42. 3 6 Vgl. Curtius, Europäische L iteratur u. s. w. S. 110 A. 2. knaben propagierte, ist begreiflich. W arum ab er Hessen vornehm e italische und röm ische E ltern d er vorchristlichen A ntike ih re frühverstorbenen K in­ der bildlich als altersw eise darstellen und ebenso in G edichten preisen ? Es m ögen h ier m ehrere B ew eggründe m itgespielt haben. F ür den Italik er und R öm er d er gehobenen S chichte galt W eisheit u n d B ildung m ehr als blosses R üstzeug im Lebenskam pf, sie sahen darin eine A rt Erlösungsreligion, eine G a­ ra n tie fü r ein W eiterleben nach dem Tode. D aher die Ausschm ückung ih re r H äuser und Villen als M usentem pel,3 7 daher das A ufstellen von Philosophen- und D ichterbildnissen in — oder auf G räbern, das A nbringen von P hilo­ sophenreliefs auf Sarkophagen.3 8 W enn m an den K leinen vom zartesten A lter an gelehrtes W issen beibrachte, so b au te m an an ihrem R uhm fü r ih r späteres Leben oder h a tte sie schon fast zu erw achsener V ollkom m enheit erzogen, w enn ein frü h er Tod sie hinw egraffte. V ielleicht spielte hier auch die volkstüm liche V orstellung der arm en un erlö sten K inder m it, die vor ih re r Z eit das L icht der Sonne verlassen m ussten, d er ätoga, die m an als ruhelose G espenster im Gefolge der bleichen H ekate fürchtete.3 9 V ergil sp rich t von ihnen in seiner U nterw eltsschilderung4 0 C ontinuo auditae voces vagitus et ingens, infa n tu m q u e anim ae flentes, in lim ine primo quos dulcis vitae exsortis et ab ubere raptos abstulit atra dies et funere m ersit acerbo. W enn m an die frü h v ersto rb en en K leinen als altklug erw achsen d a r­ stellen Hess, so hoffte m an vielleicht auch, ih n en das Schicksal der äcogo zu ersparen. Dieselbe A bsicht Hegt auch der E inw eihung von K indern in M ysterien, eleusinischen oder dionysischen, zugrunde. Sie lern ten h ie r die erlösenden Sprüche, sie w u rd en zu W issenden und so fü r ein besseres L eben im Jenseits gerettet.4 1 A ber es w ird nicht n u r G espensterfurcht gew esen sein, die den Typus des puer senex schuf. In Z eiten d er Not und B edrängnis stieg dieses L eitbild w ohl aus den Tiefen einer m ystisch veranlagten V olks­ seele auf — sowohl das Italien der A ntike w ie d er A lte O rient zählten zu den ,m ystischen’ V ölkern — m an schaute den w underbaren K naben m it ü b ern atü rlich en K räften, d er die Tugenden d e r Jugend und des A lters in sich vereinte, den H eiland und R etter, der in eine bessere W elt fü h ren sollte.4 2 4 3 A uch der zw ölfjährige K nabe Jesus setzt die Schriftgelehrten im Tem pel von Jerusalem d u rch seine W eisheit in E rstaunen: S tupebant a u tem omnes, qui eum audiebant, super prudentia et responsis eius.i3 3 7 K. Schefold, Pom pejanische M alerei 1952 passim. 3 8 Th. Lorenz, G alerien von griech. Philosophen u. Dichterbildnissen bei den Röm ern 1965 S. 57 f. 3 9 E. Rohde, Psvche, 9. u. 10. Aufl. 1925 II S. 411 ff; S. 392 A. 2. 4 0 Aen. VI 426 ff. 4 1 R. Egger, C arinthia I 139, 1949 S. 178 = A usgew ählte Schriften von R. Egger II 1963 S. 46 ff; ds., G rabstein von Čekančevo, S chriften der Balkankom m ission XI/2 1950 S .2 3 ff; Poulsen a. O. S. 238 f. 4 2 Vgl. Curtius, Europäische L iteratur u. s. w. S. 111; ds., Gesam m elte A uf­ sätze zur rom anischen Philologie S. 13. 4 3 Luc. 2, 47. POVZETEK Puer senex Rom anist Ernst Robert C urtius je v dveh razpravah ,Knabe und G reis’ (Europäische L iteratur und Lateinisches M ittelalter, 4. Aufl. 1963, str. 108 sl.) in ,Puer senex’ (Gesam melte A ufsätze zur rom anischen Philologie, 1960, str. 12 sl.) opozoril n a literarni top os z m odrostjo starčka obdarjenega dečka, čigar n aj- naivnejša in vizualno najpreprostejša izrazna oblika je otrok z belim i starčev­ skim i lasm i. Tako im a etruščanski m itični heroj Tages — učitelj haruspicinskih tajnosti — videz otroka h k rati pa sive lase; o Tobiji iz Stare zaveze je rečeno, da je bil sicer najm lajši v svoji deželi, a ni v svojem delu kazal nič otroškega. C urtius je zasledoval, da se m otiv deček-starec najpogosteje pojavlja v drugi polovici 1. stoletja n. š., v kasni antiki in zgodnjesrednjeveških življenjepisih svetnikov, njegove inačice pa še v poznem srednjem veku in poznejšem času tja do 16. stoletja. S tem i literarnim i podatki lahko prim erjam o italsko-rim ske upodobitve dečkov, ki v svojih potezah n a najrazličnejše načine izražajo nadpovprečnost, m odrost, preudarnost, začenši z lepo italsko-etruščansko bronasto deško glavo iz 2. stoletja pred n. š., hranjeno v Firencah. Zdi se, d a so portreti dečkov-starcev posebno pogosti na prehodu iz 2. v 3. stoletje in v obdobju Antoninov. Cesto jih najdem o tudi od 3. stoletja dalje. In kaj je nagnilo starše, da so svoje zgodaj um rle otroke — večinom a gre nam reč za nagrobne portrete — dali upodabljati kot m islece? Lahko bi se od­ ločili za m nenje, da so hoteli bodočnosti na ta način sporočiti, kako zelo izobra­ ženi in dobro vzgojeni so bili njihovi sinovi. Za R im ljane je bila izobrazba, pred ­ vsem seveda grška, neke vrste odrešitev in poroštvo za trajno slavo. Lahko bi se lotili reševanja problem a tudi s stališča prim itivnejšega predstavnega sveta. M alčki naj bi izgledali na svojih grobnih portretih zreli in dostojanstveni v n a ­ sprotju z awQOt, to je z otroki, ki so predčasno um rli, nezreli in nevredni. L judska vera si je predstavljala, da ti blodijo okoli kot neodrešeni duhovi v sprem stvu Hekate. V resnici p a korenini, na kar opozarja tudi Curtius, tip puer senex v idealu Odrešenika, čudežnega otroka, ki združuje v sebi svežino in ne­ dotaknjenost z m odrostjo starosti. Vodilni lik zveličarja, po katerem hrepenijo lju d je v časih stiske. Tudi dvanajstletni deček Jezus je v jeruzalem skem tem plju spravil s svojo m odrostjo in s svojimi odgovori vse v začudenje.