UDK: 780.649(430Leipzig) Helmut Loos Inštitut za muzikologijo, Univerza v Leipzigu Institute of Musicology, University of Leipzig Konzertorgeln in Leipzig Koncertne orgle v Leipzigu Prejeto: 17. marec 2013 Received: 17th March 2013 Sprejeto: 6. maj 2013 Accepted: 6th May 2013 Ključne besede: Leipzig, orgle, koncert Keywords: Leipzig, organ, concert Izvleček Koncertne dvorane, nujni pogoj za koncertne orgle, so bile po revolucionarnem razvoju v Angliji od poznega 17. stoletja na celini najprej nameščene v Hamburgu (1761) in Leipzigu (1781). Druge primere najdemo v zbirki instrumentov Univerze in Akademije za glasbo s številnimi koncertnimi orglami. Abstract After their revolutionary development in England since early 17th century, concert halls, the necessary condition for concert organs, were first built on the continent in Hamburg (1761) and Leipzig (1781). Other examples can be found in the musical instrument collections of the University and the Academy of Music housing numerous concert organs. Konzertsäle, die notwendige Voraussetzung für Konzertorgeln, sind nach der Bahn brechenden Entwicklung in England seit dem späten 17. Jahrhundert auf dem Kontinent zuerst in Hamburg (1761) und Leipzig (1781) erbaut worden. Der erste Saal in Hamburg war nicht mit einer Orgel ausgestattet, aber die 1845 eröffnete Hamburger „Tonhalle" besaß an der Stirnseite eine von Peter Trappe aus Verden erbaute Orgel oberhalb eines recht hoch gelegenen Orchesterpodiums. Das berühmte „Gewandhaus" zu Leipzig, als rechteckiger Kastensaal mit schmalem Grundriss und hoher Decke akustisch günstig und Vorbild für viele spätere Konzertsaalbauten, beherbergte anfangs eine Orgel, sie gehörte hier anscheinend zum selbstverständlichen Inventar. In den „Neuen Miscellaneen, historischen, politischen, moralischen, auch sonst verschiedenen Inhalts. Dreyzehntes Stück" von 1781 ist der Auszug eines Briefes vom 26. November 1781 abgedruckt, der dies in einer Beschreibung des Saales ganz beiläufig erwähnt: „Ueber dem Orchester, in dessen Mitte eine Orgel zum Gebrauch der Concerts spirituels stehet, sind zwey Logen, die eine für den Pauker und die andere für die Trompeter".1 In der Statistik der Zitiert nach Alfred Dörffel, Geschichte der Gewandhausconcerte zu Leipzig vom 25. November 1781 bis 25. November 1881 (Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1884), 22. Gewandhauskonzerte ist allerdings nur ein einziger Einsatz der Orgel durch Schicht am 18. Dezember 1783 verzeichnet.2 Näheres, etwa wie lange das Instrument dort gestanden hat, lässt sich anscheinend nicht eruieren, solistisch scheint die Orgel nie in Erscheinung getreten zu sein. Bislang ist auch nicht bekannt, dass später noch eine andere Orgel aufgestellt oder gar eingebaut worden sei3, wie es etwa im 1828 eröffneten „Odeon" zu München 1865 geschah. Orgelstunden gab es lange schon in Kirchen; auch in Leipzig, wo längeres „orgeln" zu Bachs Zeiten angeblich nicht sonderlich gern gesehen war4, hatte sich eine Tradition von Orgeldarbietungen herausgebildet, die etwa Carl Ferdinand Becker in den 1830er Jahren bereits mit Werken Bachs zu bereichern wusste. Felix Mendelssohn war anscheinend der erste, der in Leipzig ein Orgelkonzert allein mit Werken Bachs veranstaltete. Im Jahre 1840 gab er das berühmte Konzert, dessen Erlös für die Errichtung des ersten Bach-Denkmals in Leipzig verwendet wurde (es wurde 1843 eingeweiht) und heute als ein Ausgangspunkt der Bach-Bewegung des 19. und 20. Jahrhunderts angesehen wird.5 Das Konzert schloss mit einer freien Improvisation, in der Mendelssohn vielfach auf Bach Bezug nahm: durch Choral („O Haupt voll Blut und Wunden"), Fugen und die Verwendung des musikalischen Emblems B-A-C-H. Das Gewandhaus besaß anscheinend keine geeignete Orgel, Mendelssohn hat es offenbar gar nicht als Aufführungsort in Erwägung gezogen. Er nutzte die Thomaskirche und spielte dort auf der 1772 von Gottlieb Maurer neu errichteten Orgel, die in den Jahren 1784/85, 1794/95 1808, 1815 und 1825 überholt und repariert worden war und 1825 von Orgelbaumeister Mende drei neue Manualklaviaturen erhalten hatte.6 Der Aufbau des Konzerts - zweiteilig mit Pause - und die Gestaltung des Programmzettels entsprachen ganz den Gepflogenheiten der Gewandhaus-Konzerte. Wie neu und überraschend das Orgelkonzert in der Thomaskirche wirkte, geht aus einer zeitgenössischen Rezension hervor: Mendelssohn spielte „nach sinnreich auf Abwechslung gerichteter Wahl einige der Orgelkompositionen Bach's vor; so die Fantasie über ,Schmücke dich, o liebe Seele', die grosse Passacaglia, das Pastorale F-Dur, die Toccata A [recte D] moll. Die Orgel überraschte uns durch ihre reine Stimmung und ihren vollen Ton, weit mehr aber machte der dieselbe so kunstvoll behandelnde und so ungewöhnliche Spieler, der sich heute auch als der vorzüglichste und genialste Orgelvirtuose unter den Mitlebenden offenbarte[,] von sich reden."7 Ob wirklich „zum Leidwesen"8 Mendelssohns eine Orgel im Saal des Gewandhauses fehlte, lässt sich nicht nachweisen, denn es gibt bislang keinen Hinweis auf die Erhal- Dörffel, Geschichte der Gewandhausconcerte..., 92. Noch nicht verifizieren konnte ich den Hinweis, Reubke habe eine Orgel für das Gewandhaus gebaut, in MGG, 1. Auflage, Artikel Reubke, auf den mich dankenswerterweise Martin Balz aufmerksam gemacht hat. Arnold Schering, Musikgeschichte Leipzigs, Bd. 3, Das Zeitalter Johann .Sebastian Bachs und Adam Hillers (von 1723 bis 1800) (Leipzig: Leipzig Kistner & Siegel, 1941), 58. Matthias Pape, Mendelssohns Leipziger Orgelkonzert 1840: Ein Beitrag zur Bach-Pflege im 19. Jahrhundert (Wiesbaden: Breitkopf & Härtel, 1988), 9. Vgl. neuerdings Ein Denkmalfür den alten Prachtkerl: Felix Mendelssohn Bartholdy und das alte Bach-Denkmal in Leipzig, hrsg. v. Peter Wollny (Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2004). Ernst-Heinz Lemper, Die Thomaskirche zu Leipzig: Die Kirche Johann Sebastian Bachs als Denkmal deutscher Baukunst (Leipzig: Koehler & Amelang, 1954), 204. Winfried Schrammek, „Zur Geschichte der großen Orgel in der Thomaskirche zu Leipzig", Beiträge zur Bachforschung 2 (1983): 46-55. Zit. nach Steffen Lieberwirth, Die Gewandhaus-Orgeln (Leipzig-Dresden: Edition Peters, 1986), 33. Ebd., 33. tung der erwähnten ersten Orgel im Gewandhaus oder ein Bemühen Mendelssohns um dieses oder ein anderes Instrument. Dies ist durchaus keine nebensächliche Frage, der sich nicht nachzugehen lohnte, denn die Frage, wann die Idee, eine Orgel als festen Bestandteil in einen Konzertsaal einzubauen, erstmals aufgetaucht ist, und welche Beweggründe dahinter standen, ist noch nicht gänzlich geklärt. England war wie im Konzertsaalbau so auch im Bau von Konzertsaalorgeln Impuls gebend. Mendelssohn hat seit 1829 zehn Englandreisen unternommen, und spätestens auf seiner sechsten Englandreise 1840 nach London und Birmingham konnte er ein solches Instrument kennen lernen, die 1839 in Londons Exeter Hall eingebaute Walcker-Orgel.9 Allerdings war die Exeter Hall ursprünglich nicht als Konzertsaal geplant, sondern vielmehr als Versammlungsraum, 1831 eröffnet für „religious, charitable, and scientific meetings"10. Die religiöse Bestimmung lässt auch den Orgeleinbau in einem ganz neuen Licht erscheinen. 1850 wurde Exeter Hall auf Initiative der „Sacred Harmonic Society" (gegründet 1832) erweitert und diente nun bis etwa 1880 als bevorzugter Aufführungsort für die Oratorien Händels. In Leipzig dauerte es bis 1884, ehe die Stadt einen Konzertsaal mit einer repräsentativen Orgel erhielt. Ein Neubau, das „Städtische Kaufhaus", ersetzte das alte „Gewandhaus" in der Universitätsstraße, das „neue Concerthaus" wurde von 1882 bis 1884 andernorts errichtet. Der wirtschaftliche Aufschwung der Stadt und die Zunahme der Bevölkerungszahlen ließen insgesamt das Bedürfnis nach größeren und repräsentativen Gebäuden für die Kunst wachsen. Bereits knapp zwanzig Jahre vor dem „neuen Concerthaus" wurde ein neues Theatergebäudes durch den Architekten Carl Ferdinand Langhans errichtet, den Sohn des Erbauers des Berliner Nationaltheaters (verbrannt 1817) und des Brandenburger Tors, der selber schon Theaterbauten in Berlin und Breslau ausgeführt hatte. Der Bau, den er 1864 bis 1868 in Leipzig auf dem Augustusplatz ausführte, entspricht mit seinen zahlreichen Giebeln in viel stärkerem Maße als beispielsweise das von ihm in Breslau gebaute Theater der klassizistischen Tempelarchitektur Berliner Prägung. Dazu gehört das antike Bildprogramm mit Allegorien der Poesie und der Künste, mit Apoll und den Musen außen sowie die Portraits von Künstlern im Innern.11 Das „neue Concerthaus", bereits wenig später als „Neues Gewandhaus" bezeichnet,12 gehört derselben Form der Tempelarchitektur an, es übertrifft das Theater in seiner Konzeption als Kunsttempel noch.13 Das Gebäude entstand nach den Plänen des Berliner Architekten Martin Gropius (vollendet von Heino Schmieden), gekennzeichnet mit den antiken Insignien und nun auch an der Außenfront mit zwei überlebensgroßen Komponistenstatuen: Mozart und Beethoven; an den Seitenfronten waren weitere Standbilder von Bach, Haydn, Gluck und Händel vorgesehen, die nicht zur Ausführung kamen. Selbstverständlich setzte sich das Programm im Saal fort, wo die Galeriebrüs- 9 Heinrich W. Schwab, Konzert: Öffentliche Musikdarbietung vom 17. bis 19. Jahrhundert (Leipzig o. J.: Deutscher Verlag für Musik), 105. 10 Michael Forsyth, Buildings for music: The architect, the musician, and the listener from the 17. century to the present day (Cambridge: The MIT Press, 1985), 200. 11 Fritz Hennenberg, 300Jahre Leipziger Oper: Geschichte und Gegenwart (München: Langen Müller, 1993), 64. 12 Das neue Gewandhaus in Leipzig (Berlin: Ernst &,Korn, 1887). 13 Rudolf Skoda, Neues Gewandhaus Leipzig: Baugeschichte und Gegenwart eines Konzertgebäudes (Berlin: Verlag für Bauwesen, 1985), 20-55. tung „durch weiße Medaillonportraits bekannter Musiker" geschmückt war14. (Vor dem Gebäude wurde 1892 das berühmte Mendelssohn-Denkmal aufgestellt, das 1936 von den Nationalsozialisten vernichtet wurde.) Im Prolog zur Eröffnung des neuen, zweiten Gewandhauses am 11. Dezember 1884 nahm der Redner denn auch nach der Aufführung von Beethovens Ouvertüre Die Weihe des Hauses op. 124 den Gedanken des Stückes auf und sprach emphatisch das Haus als „Tempel" an: „'Des Hauses Weihe!' Wie aus diesen Tönen / Der Genius, der zaubermächt'ge spricht [...] Dass nie entwürdigt dieser Tempel werde [...] Fest steht der Bau, vom Bürgersinn begründet"15. Die Deutsche Musik-Zeitung schrieb in ihrer Ausgabe vom 19. Dezember 1884: „Leipzig hat seiner Kunstpflege einen schönen Tempel errichtet, möchte nur bald der heilige Geist sich herniedersenken und in ihm wohnen. Nicht Doctorhüte und Professorenzöpfe sind der würdigste Schmuck für die Priester, welche am Altar Polyhymniens zu wirken berufen sind, sondern ein freier, unbefangener Sinn für die Kunst in ihrer Gesammtheit, ein warmes Herz und ein volles Verständnis für die künstlerischen Offenbarungen aller Zeiten und aller Meister."16 Die Grundgedanken sind in Architektur und Bildprogramm ebenso klar umrissen wie in den schriftlichen Zeugnissen: das Konzerthaus als Sakralbau bürgerlicher Kunstreligion. Vielleicht am deutlichsten zeigt dies das Bildprogramm, in dem verstärkt Komponisten die antiken Figuren ersetzen. In diese Konzeption fügt sich die Orgel nahtlos ein, mehr noch, sie bildet das Aller-heiligste, nimmt sie doch den zentralen Platz an der Kopfseite des Saales ein entsprechend dem Hochaltar in einer Kirche. Als Königin der Instrumente repräsentiert sie gewissermaßen die „reine" (absolute) Musik, deren Pflege und Verehrung das gesamte Gebäude gewidmet ist. In Leipzig wurde die Orgel bereits in einer frühen Phase der Planung in das Konzept mit einbezogen. Das Preisrichteramt befand in einer seiner ersten Sitzungen, dass „der Concertsaal unmöglich den Eindruck eines geschlossenen Ganzen würde hervorrufen können, wenn eine der hochstehenden Bedeutung des Saales gerecht werdende Orgel nicht gleich von vorn herein mit eingeplant werden würde."17 Die Preisrichter empfanden den gesamten Bau als ein ausgewogenes Kunstwerk, dem „weder etwas hinzugefügt noch weggelassen werden" könne, „ohne daß dasselbe empfindlich geschädigt" werde.18 Dabei ist zu bemerken, dass Leipzig durchaus mit Wien konkurrierte, wo 1870 der große („goldene") Saal im Musikvereinsgebäude eingeweiht worden war, in den erst nachträglich eine Orgel eingebaut wurde. Das fertige „neue Concerthaus" zu Leipzig galt dem Musikvereinsgebäude übrigens als ebenbürtig, vor allem auch in akustischer Hinsicht. Die Pläne von Martin Gropius besaßen von Anfang an eine „Orgelnische", eine „halbrunde Vertiefung in der Mitte der Stirnseite des Saales in Höhe des I. Ranges über Skoda, Neues Gewandhaus ..., 53; - Zur weiteren Geschichte des Hauses siehe Christoph Kaufmann, Von einem Abriß wird abgeraten: Das Gewandhaus zu Leipzig zwischen 1944 und 1968 (Beucha: Sax-Verlag, 1996). Rudolf von Gottschall, Prolog zur Eröffnung des Neuen Gewandhauses in Leipzig, zitiert nach Das Leipziger Musikviertel, hrsg. v. Musikviertel e.V. (Leipzig o.J.: Ernst Keil's Nachfolger, 1885), 20-23. Zitiert nach Die Gewandhauskonzerte zu Leipzig 1781-1981, hrsg. v. Johannes Forner (Leipzig: Deutscher Verlag für Musik,1981), 107. Zitiert nach Lieberwirth, Die Gewandhaus-Orgeln, 9. Die Darstellung der Gewandhausorgeln folgt insgesamt den Ausführungen von Lieberwirth. Zitiert nach Lieberwirth, Die Gewandhaus-Orgeln, 9. 14 15 dem Orchester".19 Zeichnungen des Architekten vom Innenraum des Saales enthalten bereits die äußere Form des Orgelprospekts, die als Teil der Inneneinrichtung im Gesamtkonzept mit enthalten war. Die Ausschreibung der Orgel wurde zu einem frühen Zeitpunkt bekannt gemacht, es bewarben sich so renommierte Firmen wie Jehmlich, Markussen, Reuther, Schlag & Söhne, Steinmeyer, Ladegast, Voit und Walcker. Trotz des Standortvorteils der Firma Ladegast aus Weißenfels, die immerhin die Orgel im großen Musikvereinssaal zu Wien gebaut hatte, erhielt die Firma Walcker aus Ludwigsburg im Januar 1883 den Zuschlag. Die Firma Walcker stand gerade am Anfang ihrer großen Zeit, die sie mit der großen Orgel in der Musikhalle zu Boston, Instrumenten in Wien (Votivkirche und Stephansdom) und Riga (Dom) erworben hatte und bis hin nach St. Petersburg aufrechterhielt. Die Orgel der Firma Walcker im „neuen Concerthaus" zu Leipzig trug die Opuszahl 432 und besaß 53 Stimmen (54 Register) auf drei Manualen und Pedal. Tonumfang der Manuale war C bis a3, des Pedals C bis f1. Die nach dem Orgelbau der Zeit stark grundtönige Disposition enthält im ersten Manual zwei 16'-Register, neun 8'-Register, vier 4'-Register, zwei Quintaden, eine Oktave 2' und eine Mixtur, die Manuale zwei und drei sind ähnlich aufgebaut. Der berühmte Orgelvirtuose Paul Homeyer (1853-1908) nahm als Orgel- und Theorielehrer am Konservatorium zu Leipzig und neuer Gewandhausorganist die Orgelprobe ab und schrieb in sein Gutachten: „Unsere von der Firma E. F, Walcker & Co. erbaute Gewandhausorgel ist ein Meisterwerk ersten Ranges. Die Intonation der einzelnen Register ist eine höchst charakteristische und in allen Oktaven so gleichmäßige, wie ich sie bei keinem anderen Orgelbauer der neuen Zeit bis jetzt wahrgenommen habe. Auch bezüglich der Präzision beim Spiel entspricht das Werk den höchsten Virtuosen-Anforderungen. Andere von mir gespielte, resp. begutachtete Orgeln derselben Firma (z. B. im Stephansdom zu Wien) zeigen die gleichen vortrefflichen Eigenschaften, welche den Weltruf der Gebr. Walcker nur rechtfertigen können."20 Das Urteil eines so weit gereisten und erfahrenen Organisten ist hoch einzuschätzen. Homeyer spielte die Orgel des Gewandhauses auch zum Einweihungskonzert am 11. Dezember 1884, es erklangen Toccata und Fuge d-Moll von Johann Sebastian Bach. Der Vortrag wurde eingeleitet durch einen Prolog von Rudolf von Gottschall, den die Leipziger Schauspielerin Lewinski-Precheisen sprach: „Der feierliche Klang der Orgel soll Oft an den Dienst des Ewigen gemahnen, Der Herzen brünstge Andacht, heilig Ahnen Auf mächt'gen Tönen tragen hoheitsvoll"21 Die Reaktionen in den Zeitungen Leipzig waren enthusiastisch. Leipziger Tageblatt vom 1. Januar 1885: „Die Orgel rief allgemeine Bewunderung hervor. [...] obgleich sie verhältnismäßig auf einem sehr engen Raum beschränkt ist, klingt sie ganz wundervoll und erweist sich als ein mächtiges, ungemein wirksames Instrument." 19 Lieberwirth, Die Gewandhaus-Orgeln, 9. 20 Zitiert nach Lieberwirth, Die Gewandhaus-Orgeln, 31. 21 Zitiert nach Lieberwirth, Die Gewandhaus-Orgeln, 25. Leipziger Zeitung vom 30. Dezember 1884: „Es ist nach solcher vortrefflicher Probe gar nicht zu leugnen, daß diese von dem berühmten Orgelbauer Walcker in Ludwigsburg, dem Silbermann des 19. Jahrhunderts, gebaute Concertorgel eines der schönsten Werke ist, welche je geschaffen wurden." Die Leipziger Illustrierte Zeitung hebt besonders die Eingliederung der Orgel in die Innenraumgestaltung hervor: „Der Orchesterraum findet seinen Abschluß in dem mächtigen, an der Ostwand sich erhebenden Orgelbau, der sich durch die Schönheit seiner architektonischen Verhältnisse, durch den Silberblick seiner schlanken Pfeifen und die reiche Bronce- und Goldwirkung der Montirung wie ein blitzendes Juwel in die edle Fassung einfügt." Die Stellung der Orgel als Zentrum des Raumes entsprechend zu einem Hochaltar kommt in dieser zeitgenössischen Darstellung deutlich zum Ausdruck. In den Leipziger Nachrichten vom 24. Dezember 1884 wurde ein Dank der Firma Walcker veröffentlicht: „Als am 11. Dezember 1884 zum ersten Male die gewaltigen Orgel-Klänge den Concert-Saal des Neuen Gewandhauses durchbrausten, wurde unserer Firma in einmütiger Anerkennung ein selten großer Erfolg zuteil für ein Werk, in dem wir, dank der reichen Mittel, die zum Bau zur Verfügung gestellt wurden, in technischer Beziehung sowohl als auch hinsichtlich der Qualität des verwendeten Materials alle Errungenschaften der neuzeitlichen Orgelbaukunst vereinigen konnten." Die Orgel kostete 30.000 Mark, die gesamten Baukosten des „neuen Concerthauses" beliefen sich auf 1.460.000 Mark. Erstaunlicherweise wurde die Gewandhausorgel zunächst relativ wenig gespielt, so als wäre ihre Funktion als sinnbildliche Skulptur wichtiger als ihr Erklingen. Am Abend des 29. Dezember 1884 improvisierte Anton Bruckner auf der Gewandhausorgel (er hielt sich anlässlich der Uraufführung seiner 7. Symphonie in Leipzig auf), am 8. Januar 1885 wurde das erste Konzert für Orgel und Orchester von Joseph Rheinberger gegeben, das nächste Mal erklang die Orgel erst in den Anrechtskonzerten am 25. Februar und 4. November 1886 mit jeweils einer Orgelsonate von Felix Mendelssohn. Mit dem „neuen Concerthaus" wurde ein Baugelände gegenüber der Pleißenburg (später Neues Rathaus) auf der anderen Seite des Flusses erschlossen, das alsbald den Namen „Das Leipziger Musikviertel" erhielt. Denn wie schon bei dem ersten Gewandhaussaal richtete sich das Konservatorium nach dem Gewandhaus aus, indem es bereits 1887 in unmittelbarer Nähe seinen Neubau bezog (der Bau wurde im Mai 1885 begonnen, kein Jahr nach der Eröffnung des Neuen Gewandhauses)22. Das Konservatorium besaß seit 1887 zwei Walcker-Orgeln, eine mit 37, eine mit 19 Registern.23 Eine der Orgeln stand anscheinend im gossen Saal des Konservatoriums, hier gibt es Prüfungsprogramme, weiter ist über die Orgeln bislang nichts bekannt. Unbestritten bildet das Gewandhaus den bedeutendsten Ort Leipziger Konzertpflege. Daneben wurden öffentliche Konzerte selbstverständlich auch an anderen Orten gegeben. Die zweite Adresse dafür in Leipzig wurde 1886/1887 von dem Architekten Arwed Roßbach (1844-1902) geschaffen, der auf dem Gelände des Leipziger Krystall- 22 Emil Kneschke, Das Königliche Conservatorium der Musik zu Leipzig 1843-1893 (Leipzig-New York o.J.: Internationale verlagsund kunstanstalt (A. Laurencic)), 56. 23 http://www.gewalcker.de/gewalcker.de/inner_c/konzertsaalorgel.htm, abgerufen 2. 3. 2005. palasts die Alberthalle errichtete, die als Gesellschaftshaus innerhalb eines größeren Vergnügungsgeländes einen eigenen Konzertsaal bildete, der auch seit 1887 eine Orgel der Firma Walcker mit der Opuszahl 500 besaß. Sie war mit 60 Registern auf drei Manualen sogar etwas größer als die Orgel des Gewandhauses.24 Der Krystallpalast bot 15.000 Menschen Platz, die Alberthalle allein fasste 3.000 Personen. Der Dirigent Heinrich Laber (1880-1950) veranstaltete Konzerte in der Leipziger Alberthalle, mit der „Musikalischen Gesellschaft" in Leipzig belief sich ihre Zahl auf 65 im Zeitraum von 1917 bis 1922. Sie wandten sich an ein breiteres Publikum als die des Gewandhauses. Ein eigenes Kapitel bildet in Leipzig die Instrumentensammlung der Universität,25 die nicht nur wertvolle Orgeln enthält, sondern sie auch spielbar im Museum aufstellt. 1926 wurde eine Brüstungsorgel von 1724 (1770 ergänzt) aus Hilbersdorf (bei Freiberg, Sachsen) mit der Musikinstrumentensammlung Wilhelm Heyer von der Universität Leipzig erworben. Als „Silbermann-Positiv" im „Bach-Saal" wurde sie zu den bedeutendsten Schätzen des Museums gezählt (erst 1964 wurde als Erbauer Zacharias Hildebrandt ermittelt). Am 30. Mai 1929 fand die Museumseröffnung zusammen mit einer Orgelweihe im so genannten „Großen Vortragssaal" des Leipziger Grassimuseum statt, in den eine neue Orgel eingebaut worden war. Die Orgel spielte Karl Straube, er trug Werke von Georg Muffat, Johann Pachelbel und Dietrich Buxtehude vor. Dies entsprach der Gestaltung der Orgel, die entsprechend der Ideale der Orgelbewegung als vorbachisch-barockes Instrument von Christhard Mahrenholz berechnet und von der Firma Furtwängler & Hammer aus Hannover erbaut worden war. Straube hatte neben Wilibald Gurlitt schon eine wichtige Rolle bei der Einrichtung der „Praetorius-Orgel" in Freiburg gespielt und stand auch für diese Leipziger Orgel Pate. Beide Orgeln wurden nicht nur bei Führungen zu Demonstrationszwecken gespielt, sie wurden auch in Konzerte einbezogen, die im Museum stattfanden. Gerade den „Großen Vortragssaal" gedachte Straube für Rundfunksendungen mit dem Thomanerchor zu nutzen und hatte entsprechende Vorkehrungen getroffen, die aber bei der Eröffnung durch den Fortschritt der Technik bereits überholt waren. Für den 7. Februar 1931 wurde ein Orgelkonzert im Grassimuseum angekündigt, in dem Straube ein exemplarisches Programm barocker Orgelmusik spielte: zwei Ano-nyma des frühen 17. Jahrhunderts, Buxtehude, Pachelbel, Johann Sebastian Bach, zum Schluss das Orgelkonzert B-Dur von Händel. Theodor Kroyer als Ordinarius der Musikwissenschaft in Leipzig sah in der wissenschaftlichen Erforschung der historischen Klangideale aufgrund der Musikinstrumentensammlung eine wichtige Fortsetzung der Denkmälerarbeit und drückte dies anlässlich der Orgelweihe etwa wie folgt aus: „Die Musikwissenschaft, ein heute besonders gegenwartsnaher und fortschrittlicher' Zweig der Forschung, kann sich auf ihrer ungestümen Suche nach Wahrheit des Klanges und des Stils nicht ferner mit Halbwahrheiten beruhigen [...] sie sieht [...] ihr ideales Ziel in der Aufhellung der im Medium der Klangfarben niedergeschlagenen Spuren des geheimnisvollen Webens der Musikalität überhaupt. [...] Die Ehrlichkeit [...] ist Vorbedingung für das Eindringen 24 Thomas Lipski, „Konzertsaalorgeln in Deutschland bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts und ihre architektonische Einbindung in den Konzertsaal", Acta organologica 28 (2004): 283-298, hier 297. 25 Für substanzielle Hinweise danke ich Eszter Fontana und Birgit Heise sehr herzlich. in den Klang und (mit Hilfe dieser tönenden Oberschicht) in die Tiefenschichten der formenden Kräfte und der Ausdrucksgehalte eines Werkes, und Klingendes und Geformtes verschmilzt [sic] zu einer vom Muskgeist getragenen untrennbaren Einheit und vermag dann den ganzen Menschen einer Zeit in der Äußerung seines Musikwillens in sich aufzunehmen. Bei diesem Streben, das in die Metaphysik der Künste hineinragt, handelt es sich vielleicht um eine bezeichnende Eigenart der deutschen Musikforschung, die ihr Einfühlungsvermögen in die ,Klangliebschaften' der Zeitalter [...] zunächst an dem Instrumentenreichtum des Barock erprobt hat und nun in den Umkreis der experimentierfreudigen Renaissance [...] einzudringen beginnt."26 Die Emphase, die Kroyer hier für die Musikwissenschaft entfaltet, hatte ihren Ursprung in einem Konzertleben, das mit der Orgel im Konzertsaal seine religiöse Aura krönte. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs vernichteten in Leipzig alle Konzertorgeln. Nach der Zerstörung des „neuen Concerthauses" zog das Gewandhausorchester in den ebenfalls schwer beschädigten, aber bald reparierten „Zoo-Festsaal" um, der am 19. August 1946 als „Kongreßhalle" feierlich eingeweiht wurde. Der repräsentative Saal besaß allerdings keine Orgel. Wie stark das Bewusstsein war, im Konzertsaal auch eine Orgel zu benötigen, zeigen die bereits im Juni 1946 einsetzenden Planungen für eine Orgel in der Kongreßhalle. Karl Straube und Günther Ramin waren an den Planungen beteiligt, die Firma Jehmlich in Dresden erhielt den Auftrag, die Fertigstellung des Instruments zog sich allerdings wegen der Schwierigkeiten der Materialbeschaffung in der Nachkriegszeit bis 1948 hin. Am 12. Februar 1949 wurde die Orgel erstmals gespielt, es erklangen wieder Bachs Toccata und Fuge d-Moll, aber die Enttäuschung war groß, der Klangeindruck jämmerlich und die Kritik vernichtend. Die Möglichkeiten hatten nur für ein kleines Instrument mit 32 klingende Stimmen auf zwei Manualen und Pedal gereicht, die Aufstellung des Orgelwerks in zwei Teilen rechts und links der Bühne erwies sich als akustisch ungünstig. Straube sah sich genötigt, in seinem Orgelgutachten die Firma Jehmlich in Schutz zu nehmen, da bereits die Planung nur ein Instrument im Blick gehabt habe, das vornehmlich zu Begleitungszwecken bei Chor- und Orchesterwerken dienen sollte, nicht als repräsentatives Konzertinstrument. Die Nutzung der Kongreßhalle zu vielen Zwecken - gerade auch Feiern - hatte ungünstige Auswirkungen auf die Orgel, so dass sie in einen schlechten Zustand geriet und nach einem letzten Einsatz im Konzert am 30. Oktober 1980 abgerissen wurde. Die zerstörte Oper zu Leipzig wurde in neuer Gestalt bis 1960 wieder aufgebaut, ein neues Gewandhaus wurde gegenüber der Oper an neuem, nun noch exponierteren Platz 1981 neu eröffnet. Wieder waren es etwa 20 Jahre, die das Opernhaus dem Konzerthaus voranging, aber an repräsentativem Aufwand dann doch überflügelte. Programmatisch wurde der Bau des „dritten Gewandhauses" zu einer Symbiose der Künste, das (nicht von Anfang an geplante, aber dann emphatisch gefeierte) Deckengemälde Sighard Gilles im Foyer (exponiert an der Unterseite des Konzertsaals nach außen wirkend) 26 Hermann Zenck/Helmut Schultz, „Museumseröffnung und Orgelweihe in Leipzig", Zeitschrift für Musikwissenschaft, 30. 5. 1929, 581-584. in die Tradition der Deckengemälde von Oeser im ersten Gewandhaussaal gestellt. Bemerkenswert war die bewusste Fortsetzung der Tradition der Musikstadt Leipzig, die an gesellschaftlicher Dominanz sogar tendenziell noch verstärkt wurde: die neue Gestaltung des Augustusplatzes, nun als Karl-Marx-Platz „gesellschaftlich-politisches Zentrum der Stadt", könnte repräsentativer und städtebaulich fordernder nicht sein. Die Universitätskirche wurde 1968 abgerissen, sie passte nicht in dieses Konzept, aber Theater und vor allem eben Gewandhaus bildeten herausragende Prestigeobjekte des kommunistischen Staates. Und die Orgel bildet wie im „neuen Concerthaus" Mittelpunkt und Zentrum des Saales, sie ist im neuen, „dritten" Gewandhaus von ihren Dimensionen her sogar noch gewaltiger. Die Orgelstunden, die nun regelmäßig stattfanden, erfreuten sich großen Zuspruchs. Der große Saal des Gewandhauses wurde dafür ganz abgedunkelt, nur die Orgel mit sparsamen Lichtkegeln aus dem Dämmerlicht herausgehoben. Versunkenheit, meditative Abgeschiedenheit, kurz, eine mystische Aura wurden damit hergestellt, die das Prinzip der religiösen Funktion der dargebotenen Musik nur unterstreichen konnten. Das Prinzip der bürgerlichen Kunstreligion hatte damit eine sozialistische Fortsetzung gefunden. Povzetek Koncertne dvorane, nujni pogoj za koncertne orgle, so bile po revolucionarnem razvoju v Angliji od poznega 17. stoletja na celini najprej nameščene v Hamburgu (1761) in Leipzigu (1781). Prva dvorana v Hamburgu ni bila opremljena z orglami, a leta 1895 odprta hamburška »Tonhalle« je imela na čelni strani nad res visoko nameščenim prostorom za orkester vgrajene orgle Petra Trappeja iz Verdena. V slavni »Gewandhaus« v Leipzigu, ki je kot pravokotna škatlasta dvorana z ozkim tlorisom in visokim stropom akustično primerna in vzor številnim kasnejšim koncertnim dvoranam, so na začetku domovale orgle, ki so tudi tukaj očitno sodile k samoumevnemu inventarju. V Leipzigu so 1884 v »novo koncertno hišo« vgradili prve reprezentativne orgle. Že leta 1887 je sledila Albertova dvorana v leipziški Kristalni palači (Krystallpalast), ki je kot družabno prizorišče v največjem zabaviščnem kompleksu imela lastno koncertno dvorano z orglami. Druge primere najdemo v zbirki instrumentov Univerze in Akademije za glasbo s številnimi koncertnimi orglami.