*?*",T, ff> ? lA I Transkaukasia Andeutungen über das Familien- und Gcmeindeleben und die socialen Verhältnisse einiger Völker zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meere. Neiseerinnerungen und gesammelte Notizen von August Freihcrrn von Haxthausen. Erster Theil. Mit einem Tittlkupftl, zwei Lllhographitn und zahlreichen Holzschnitten. Kipzig: F. A. N r o ck h a u S. 1836. /^ Tran s k an k a s i a. Erster Theil. NARSES, PATRIARCH VON ARMENIEN. Transkaukasia. Andeutun g o il üb?> das Familien- und Gcmcindelcbcn und die socialen Verhältnisse einiger Völker zwischen dem Schwarzen nnd Kaspischcn Meere. Reiseerinnerungen nnd gesammelte Notizen uon August Frcihcrrn von Hallhausen. Erster Theil. Mit einem Titelkupfer, zwei Lich^nN'hlni „nv ^ahlr^chc» Holzschnitte», Leipzig: F, A, V r o ck h a li s, 18 5 6. Dei Orlei!»^ Dic Zpi,,,,^ s^i^t schm, i>l> ra^ Nch, in dc> Vu>^ dcö Schahs! Die <5ulc fl.igt nn Ha»sc dcs W^M'! (Au? bcr Echahnamch dc? Fiidusi,) Der vccident. Dc> Tag neigt flch, cs w<» ?!l>cnd werdcn, Vlelbc bei uns, o Hcrr! (iinc. 34, 2!!,) Vorrede. Mit Ausnahme Iudäas, dem Urlande und dem Mittelpuukte der ganzen Weltgeschichte, gibt es sicher keine Landstriche, in deren Schoose wichtigere Urkunden für das Geschlecht der Menschen aufbewahrt sind, als die, welche zwischen dem Kas-pischcn und dem Schwarzen Mecrc liegen und sich nach Süden hin von del« kaukasischen Steppen bis zu den Ländern erstrecken, in deren Mitte sich der Berg Ararat erhebt. Der Naturforscher entdeckt hier die Spuren einer gewaltigen Ueberschwcm-nulng, in denen sich ma much faltige Formen früherer jetzt nicht mehr vorhandener Thier- und Pflanzcnarten finden, lind die Traditionen aller eivilisirten Völker stimmen in der Erzählung von jener großen Sündftlit überein, in der das ganze Menschen geschlecht mit Ausnahme weniger Menschen umkam, welche allein übrig blieben, um die Erde neu zu bevölkern. So sehr nnn auch die mosaische Erzählung in ihren wesentlichen Angaben dnrch die wissenschaftlichen Forschungen der neuern Zeit bestätigt wird, so läßt sich nach ihr allein die Frage, ob der Ararat oder ein anderer Berg in Mesopotamien der Punkt war, an dem Noab und seine Familie landete, um von da aus die Erde von neuem mit Menschen zn füllen, nicht mit voller Gewißheit entscheiden. Wer aber den Ararat, den „heiligen Berg" gesehen, das erhabenste Schauspiel, welches jede menschliche Einbildungskraft übersteigt, der, glaube ich, Vl wird gleich mir von dem Gefühle durchzuckt werden, daß er allein jener Gipfel sein könne, auf dein die Arche, diese Wiege des neuen Menschengeschlechts, sich niederließ und festen Grund faßte. Der größte Geograph der Neuzeit, Ritter, ist eben-falls dieser Ansicht, und Görres bemerkt, daß der Ararat genau den Mittelpnnkt bilde, der von den diametralen Linien des alten Continents durchschnitten wird. Diese Gegend liegt in dem südlichen Theile der gemäßigten Zone; das Klima ist mild und von üppiger Fruchtbarkeit, das Land von unbeschreiblich malerischer Schönheit, und die Pflanzenwelt nmfaßt alle Prodnctc Europas vom äußersten Norden bis zu dm südlichst gelegenen Tbeilen Spaniens und Italiens. Die Einwolmer sind unbestritten die schönsten Menschen ans der ganzen Erde, nud in der That rühmen sich die europäischen Völker deshalb nicht ohne Grund ilncr Abstammung von der kaukasischen Race. Die Mvthen und Legenden, welche in verschiedenen Völkern sich lebendig erhalten haben, sind aufs innigste verwandt mit den Sagen, die wir am Kaukasus finden. Ganz besonders aber zeigt sich diese Gemeinsamkeit mit den Mythen der germanischen Völker. So stimmt die nordische Tradition von der Auswanderung des Geschlechts der Äsen aus dcm Südeu nach Skandinavien mit der Auswanderung des germanischen Stammes ans Vem Kaukasus überein, und diese Tradition lnit sich anch unter den am Kankasns lebenden Völkerschaften noch vollständig erhalten, In der That können die Volksstämme, welche diese Gegend bewohnen, sich eines Reichthums von Sagen, Mythen und Traditionen rühmen, wie er sich nirgendwo anders anf der <§rbe findet. Ganz nuzwcifelhaft sind eben hier die ursprünglichen Elemente der ältesten Mytlien nnd Sagen sämmtlicher Völker Europas vorhanden, und nie wird man die tiefe Vedentung dieser lchtern wahrhaft und vollständig verstehen, VII wcnn mall nicht hierher zu ihren eigentlichen Quellen hinaufsteigt und diese erforscht. Ja selbst die Erzählung vom Pro-metheuS haben wir hier wieder gefunden und zwar in den unverkennbarsten Hindelltungen und mit einer merkwürdigen llebereinstimmung. Noch in einer andern Beziehung ist dieses Land von hohem Interesse; es ist nämlich der Hauptweg, den die großen Völker-bewegungen im Alterthume genommen haben. Hier war es, wo nach der Sage Nimrod, nachdem er die Welt erobert, von den kaukasischen Stämmen, die am Schwarzen Meere und am Fuße des Berges Ararat wohnten, zuletzt gctödtet wurde. Als die Scythen in das Innere von Asien eindrangen — welches sie 28 Jahre hindurch beherrschten — nahmen sie ihren Weg durch den Kaukasus. Auch die Argonautenfahrt hatte hier ihr Ziel. Cvrus, der Pcrserkönig, eroberte später diese Bänder, und dcr Fluß Kur hat von ihm seinen Namen. Alerandcr der Große tritt in allen kaukasischen legenden aus. Hier war die Hauptfeste des Mithndates, und von hier aus drang Pompejus nach den Steppen vom Arares her vor. Später beherrschten die Nömer mehre Jahrhunderte lang diese Gegenden. Das Christenthum wurde vom heiligen Grcgorins Illuminator hier zuerst mit Erfolg gepredigt. Sodann ergoß sich die Flut dcr Völkerwanderung über die nördlichen Abhänge des Kaukasus, und die Bewohner (wahrscheinlich zurückgebliebene Gothen) wurden von den Hunnen in die Hochgebirge gedrängt. In spätern Zeiten entstanden hier die blühenden Königreiche Armenien und Georgien, die in einer Art von Abhängigkeit von Byzanz standen. Noch jetzt thronen auf allen Hügeln Thürme und Ruinm und geben Zeuguiß von der heroischen Zeit eines Mittelaltcrs. Aber als die Horden der Mongolen und Tataren unter Dschingischan und Tamerlan auch dieses Land überfluteten, wurde jeder weitere Fortschritt der Civilisation unterbrochen und gehemmt. VIII Jahrhunderte vor der christlichen Zeit waren vie Ufer des Schwarzen Meeres von blühenden griechischen Colouien beseht, welche den eigentlichen Handclskanal mit Asien bildeten. An ihre Stelle traten im Mittelalter die Genuesen. Sie gründeten zahlreiche Colonien, nntcrwarfen das Land, führten ihre Waaren tief in das Innere von Asien nnd brachten in alle Gegenden, die sie besuchten, das Christenthum. Noch heutiges Tages sprechen die Tschcrkessen von den „Igenoas" und rühmen die prächtigen Waffen nud Rüstungen, welche sie von diesem kunstfertigen Volke empfingen und die sie noch jetzt tragen. Kein Tschcrkesse reitet vor den Rninen einer genuesischen Kirche oder Kapelle vorbei, ohne vom Pferde zn steigen und ein Gebet zu verrichten. Nachdem die Gennesen von den Türken vertrieben waren, wurden sowol die einheimischen Fürsten als auch das Volk der mohammedanischen Herrschaft unterworfen. Der Islam rottete entweder das Christenthum ganz aus, oder, wo nicht, unterdrückte er doch dessen Leben. Die traurige Folge davon war, dasi das Land mehr nnd mehr iu Zustande vollständiger Barbarei verfiel. Von jetzt an wurde es der beständige Tummelplatz, auf welchem Perser und Türken Jahrhunderte lang nm die Herrschaft kämpften, bis endlich die Russen als Befreier erschienen, jene beiden Mächte znglcich verdrängten, nnd damit der Verbreitung des Christenthums sowol als der Civilisation wieder offene Bahn gewährten. ?lber der Kaukasus soll mm einmal nach der von den Mohammedanern geglaubten PropheMhung den hohen Wall bilden, den Gog und Magog übersteigen müssen, wenn sie das Reich der Gläubigen zertrümmern nnd der Herrschaft des Islam ans der Erde ein Ende machen sollen. So steht denn hier auf dieser hohen Warte heutiges TagS der letzte Held und Prophet des Islam, Schamyl, mit seinen Muriden bereit und entschlossen, die Ungläubigen bis zu jenem letzten Tage zu bekämpfen, den IX Gott von Ewigkeit vorder bestimmt hat, Wenn dieser gekom men, dann weiß er, das» ein fernerer Widerstand vergeblich ist nnd daß dcr Islam unterliegt. So naht sich denn hier der Islam seinen, Ende; seine Mission ist im Verlöschen. Die gewaltige Macht, die ans seinem Boden entsprossen und sich entwickelt hat, ist nahe daran in Trümmer zn fallen. Sie wird einer nenen Ordnung der Dinge in der Weltgeschichte Platz machen. Jene Länder min sind von unzähligen Volksstämmen bewohnt, welche noch jetzt mehr als siebzig Ursprachen reden sollen. Oft sind es nur wenige Dörfer, in welchen sich eine dieser Ursprachen lebendig erhalten hat. Alle jene Völker, welche seit Jahrtausenden diese Gegenden durchzogen und kürzere oder längere Zeit in denselben Wohnsitze genommen, haben auch ihre Spuren in ihren Monumenten hinterlassen, Diese Monumente finden sich vor auS jeder Periode der Weltgeschichte. Untermischt mit den Wohnungen dcr Twglodvten, ganzen in Felsen gehauenen Städten, erblickt man ungeheuere Ruinen von Kanälen und Aquäducten, welche aus den Zeiten der großen babylonischen, assyrischen und persischeil Weltmonarchic stammen, und daneben griechische nnd römische Bauwerke, Aber vollstäudig erhalten sind allein die Fclsenschlosfer des Mittel-alters, großentheils freilich in Ruinen, und die ältesten nnd herrlichsten christlichen Kirchen. Soweit diese Gegenden bereits unter russischer Herrschaft stehen, sind sie auch für alle wissenschaftlichen Forschungen erschlossen. Leider aber hat sich der Forschergeist auf diesem Gebiete bis jetzt äußerst träge gezeigt; er steht noch in keinem Verhältnisse mit den: uuermeßlichen Material, welches er darbietet. Nur einige Naturforscher, wic Koch, Wagner und Dubois, haben in der neuesten Zeit dem Lande sorgfältige Studien gewidmet. Und doch hätte es eben mit diesen natur-ln'storischen Untersuchungen am wenigsten Eile gehabt. Denn die Pflanzen- nnd Mineralwelt unterliegt am wenigsten den Veränderungeu der Zeit-, sic bleibt Jahrtausende hindurch mit leisen Modificationen immer dieselbe. Aber dic geschichtlichen Denkmäler der Menschenhand zerfallen bald und verschwinden znlcht gänzlich; Volkssitten, Gebräuche nnd Lebensweise sind ebenfalls raschern llmwandlungsproeessen unterworfen, und selbst die Sprachen verändern sich nach und nach im Laufe der Zeiten und sterben zuletzt ganz. Die Ethnographie bietet der wissenschaftlichen Forschling sicher Gegenstände von nickt minderer Wichtigkeit dar als die Naturgeschichte, und es gehört zn den erhabensten und dankbarsten 'Aufgaben der Nissenschaft, das Wesen und nationale Leben eines Volkes nach allen Richtungen bin u> verstehen, aufzufassen uud zu schildern. Eben dieser Aufgabe habe ich meine Aufmerksamkeit vorzugsweise gewidmet. Mit wahrem Interesse und mit Gefühlen persönlicher Hingabc und Liebe habe ich die Zustände nnd den Charakter der von mir besnchten Volksstämme beobachtet nnd stndirt, auch glaube ich mich dabei frei gehalten zu haben von jenem engherzigen Hochmnthe unserer modernen Civilisation, welche bei Völkern, denen unsere Politur fehlt, nichts als Rot)-kcit nnd Barbarei erblickt. Ich hoffe die verschiedenen Züge des Nalionalcharakters nnd des Volklebens richtig aufgefaßt und wahrhcitgctreu wiedergegeben zu haben. Die Werke von Chardin, Güldcnstedt, Klaftroth, Gamba, Dubois, Brosset, sowie der Sprachforscher Ejögren nnd Nosen sind sonder Zweifel, was den antiquarischen nnd philologischen Gesichtspunkt anbetrifft, nicht ohne wissenschaftlichen Werth; aber sie haben cs sich wenig angelegen sein lassen, das Volksleben in seinen socialen nnd Fannlienverbältnisscu, seinen Gebrauchen und Gewohnheiten zn schildern, oder die Volks-überliefcrnngcn, Gesänge uud Legenden dieser Länder zu sammeln, und doch bietet eben dieses Feld einen so reichen Vor-rath voll Material dar, dessen tiefere Erforschung selbst alls manche Länder Europas ein helles Licht zurückwerfen dürfte. Xl Ganz besonders siild eo zwci in diesem Wrrle behandelte Gegenstände, wclchc größere Beachtnng nnd weitere Forschung verdienen möchten. Einmal die Aehnlichkeit und, wie eS scheint, die Stammverwandtschaft, die zwischen den Gebräuchen, Ge wohnbeitcn nnd der Lebensweise des Volksstammes der Osseten mit denen der alten Germanen sich findet, nnd sodann die wichtige Stellung, welche die armenische Nation jetzt einnimmt. Me Zeichen deuten daranf hin, daß eben dieses Volk nach göttlicher Fugung dazu ansersehen ist, in künftiger Zeit ein Werkzeug zur Verbreitung des Christcnthnms und der Civilisation fnr den Osten ^i werden. Sicher ist es nicht ohne l)öhere weltgeschichtliche Bedeutung, daß dieser christliche Volks stamm über den nngehcnern Raum zwischen Marokko bis (ibina zerstreut ist, während er doch wieder in all seinen Gliedern durch sociale, ftolitische und religiöse Bande verknüpft und ,ur nationalen Einheit abgeschlossen ist. Schon im Jahre 1849 war dieses Werk znm Drucke vorbereitet. Allein ungünstige Verhältnisse waren Ursache, daß es erst jetzt in Deutschland erscheint, während es bereits frnber in England veröffentlicht ist und eine französische Bearbeitung vielleicht ebenfalls nächstens die Presse verlassen wird. Doch hat der Verfasser diese unfreiwillige Verzögerung dazn benutzt, um das Werk zu vervollständigen nnd verschiedene Gegenstände weiter ansznführen, die in der englischen Bearbeitung fehlen. Bökendorf, im ^nni I855. Angnot Freiherr von tMthlNlucn, Inhalt des ersten Theils. Erstes Capitel. 3ettc Abreise von Kcrtsch, — Die Fesiung Anapa. — Die Neitrrübungen der Tscherkcssen, — Sudjuk-Kalc, — Der Bora. — Die Kiesgerölle. — Die Meeresufer. — Pihunda, seine schöne Kirche, Hr. v. Münchhausen. — Bambor, die gcfangeilen Tscherkesseu, die sechs tschrrlesfischen Mädchen, dic durchaus in Koüstanti-nopcl verkauft werden wollen, orientalische Ansicht über den Weiberkauf im Gegensatz zu europäischen Ansichten, — Beneh-men Rußlands bei diesem Weiberhandel, — Die Märkte für die Tscherkesscn in den russischen Hafen. — Die 17 russischen Festungen am Schwarzen Meer, ihre Bedeutung; wie sie zu benutzen, nm Handelsverbindungen mit den Tscherkeffen anzuknüpfen; Deutsche, die dabei zu verwenden......................... 1—12 Zweites Capitel. Ankunft in Rednt-Kale. — Aehnlichkeit init eiuem holländischen Dorfe. — Abreise zu Pferde. — Äncnlia, die schönen Buchenwälder, die einzelnen Gehöfte. — Sugdidc, Residenz des Da-dian, Fürsten von Mingrelien. — Der französische Haushofmeister. — Dir Verfassung Mingreliens, die Vasallen, die Vauern, zwei Classen, Leibeigenschaft. — Einkünfte des Dadian, seine Lebensart. — Abreise, die alten hölzernen Kirchen, die Ko-sackenstationen. — Das gesäuerte Weizenlnot, — Der Flecken (5hom. — Kutaie«, der Kreischef, Anbau durch einzelne Gehöfte, die Gemeinde und ihr Nazwal, die Bauern, ihre Abgaben, hoher und niederer Adel, Imeretien, das inländische Fuhrwerk, die Burgruinen. — Grusien, Charakter und Depravation der Miugrelicr und Imeretier. — Die Stadt Chopi, die Schloß-nnne, Volkssage. — Die herrliche Kirche Santawarwisi. — Ueberall Ruinen. Ackerbau. — Art der Früchte. Art z» XIV 2el!c Dreschen, Mzchet. — Residenz der Czare, die Kathedrale, — TifliS, Gindruck des Charakters der Stadt, Asien und Europa vereint. — Unterkommen bei Hrn. Salzmann, Besuche bei Hrn. v. Kohebue, v. Gourfa u, s. w. — Peter Neu der Schuster, — l)l', Wagner ai>5 München......................I^t — M Drittes Capitel. Die deutschen Kolonien und Kolonisten. — Ursachen ihrer Auswanderung, — Ihr Aufblühen. — Neuer religiöser Separatismus. — Gin Theil will nach Jerusalem wandern, — Die neue Prophetin, — Benehmen dec< Gouvernements, — Versuch der Auswanderung gewaltsam gehindert. — Wichtigkeit der deutschen Colouien bei Tistis. — Besonderer Dreschmodus. — Das Be« wäffcrungssystem der Ackerfelder. — Die Dörfer bilden hierbei (Korporationen, — Früher viel ausgedehntere Bewässerungen, deren Bau wahrscheinlich den allen Weltmonarchien angehört. — Die Bewässerungen der deutschen E^lonirn bei Tissis, — Der oberste Mullah fMnschtahid) PersienS legt bei Tiftis eine Nasserleitung an. — Die Nafferleitnngcn in Perstrn. — Vorliebe der Perser für die Deutschen. — Einfluß der deutschen Colo-nie» auf dortige Völker und Landstriche, — Landwirthschaft, Heuwerbung, keine Düngung, Viehrrichthnm der Gruster, Pftug mit 2l> Ochsen bespannt. ^ Die Fleischnahrung in diesen Ländern, sowie sonstige Nahrung. — Taglohn und Knechtsloh«. — Ueber Oemeindeversassnng uud Familienverfassung und ihre Bedeutung für die Völker. — Zukunft des Orients. — Die Losung der Räthsel der Zufunft im Kaukasus! — Das Material für Gemeindeverfassunss und Ethnographie im Archive zu Tistis. — Wie cs entstanden. — Unterdrückung der nationalen Eigenthümlichkeiten durch das russische Neamtexwesen, Klagen: der Kaiser beauftragt den Baron Hahn mit der Reorganisation der Adminiftration des Landrs. — Einrichtungen durch den Varon Hahn eingeleitet. — Dieser constatirt zuvörderst den vorhandene» nationalen Zustand, daher jenes merkwürdige Material im Archive iu Tiftis, leider l'iö jetzt iiül'cnlitzt. — Meine gesammelten Vocalnotizen, — Anbau des Landes in den westlichen Striche» durch einzeln gelegene Hofe, i» Grusien durch Dör fer. — Gelneindeverfassung unter dem Nazalval, Vertheil»»«, der Necker an die einzelnen Höfe, — Die gutsherrliche Abgabe, der Zehnte; die Staatsabgaben. — Feldeinthciluug. — Spuren früherer höherer Cultur. — Jagd und Wälder Jedermann zu, freien Benutzung überlassen. — Zunehmender Wohlstand der Klonl'auer». - Der Vorspann die drückendste Last.........47 — 7^ XV Viertes Eapitel. Zeite Der Armenier Abowian. — Einrichtung der Häuser in Tiflis. — Charakter der Einwohner, llinwandlung der Trachte,! und Sitten. — Besuch beim Geueralgouuerueur in Priut, Weg dahin, das grusinische Fräulein. — Stellung des General-gouvernenr. ^ Der persische Gesandte. — Stellung der Armee. — Misbräuche. — Die Arbeitercompagnic, ihre Vortheile, die NegimentScolonic. — Iermalow. — Anrep. — Behandlung der Gefangenen bei den Tscherkeffen, von Tur-»an, Vell. — Unsicherheit der Straßen im nördlichen Landstriche, — Der Räuber Arsen, der georgische Adel, die Bagra-tiden u»d Orbrllians. — Die Legende vom heil. Gregorius. — Fahrt zum Wallfahrtsorte Markobi. — Abend und Nacht daselbst, der pittoreske Zug am Morgen, die grusinischen Fürsten mit ihrem Gefolge, die Burgruine, die Kloster- und Kircheiiniine, der Gottesdienst. — Das Frühstück des Fürsten Guramow, Sänger, ein Improvisator, Tänzerinnen, Tänzer. — Rückfahrt. — Die heiße» Väder in Tiflis. — Die Verfassung der Züufte in Persie» und i» Gruflen......... 7!» —122 Fünftes Capitel. Reise nach Kacheticn. — Marienfeld. — Das Gebirge. — Die Sage vom Schlangenberg am ArareS. — Die Troglodyten-höhlen, Nuispire, — Das Weinlager des Hrn. Lenz. — Die Weinfabrikation in diesen Ländern. — Tellaf. — Der Fürst Audroniww. — Statistische Notizen über Kachetieu. — Ge-nieilidrverfassung, Landbau, Abgaben, Vewässeruligen, (5ha-ratter deS Volks, Prvreßsucht, das schöne Documeut. — Dorf Kurtschan. — Warme Quelle, Voltssage, Mamüchfaltigfeit der Befriedigungen und Zänne. — Die Kirche in Anagaß. — Äewässrrungssysteine, Mühlen. — Sychnach. — Der Fürst Al'chasolv, sein Haus. — Notizell über Suauctien. — Die Kirche am See Taparowan. — Die grusinische Schrift. — Vau von Zuckerrohr, Indigo, Vaumwolle, — Tour nach dem Kloster der heil, Nino, Legende, Kirche und Kloster, Dotation der Pfarren. — Rückfahrt, — Wüste Dorfstätte. — Grusinische Nachahmung deutscher Bauart. — Die Schaf-heerdeu, ihre Hirten zu Pferde und gewaffnet, die Steppen-Hunde, die Ziegen als Polizei. — Bedeutung der Wohuart, des Häuserbaueö in, Volksleben, das grusiuische Haus. ^ Das Haus in Miugrclien und Imeretien. — Daö Haus in Kache-tien, — Das Haus in Gurien........................1Ä>t—^52 XV! Sechstes Capitel. «rite Abreise nach Armenien, — Tatarische Sage vom Blinden und seinem Sohn, —- Sonderbarer Vergkegel und Sagen davon, — Station Karawanserai. — Armenische Colmüe. — Notizen aus dem Misabcthpolschen Kreis, Landbau, Dörfer, Gehöfte, ^rbverhältiusse, Adel der Beys, Gemciüdeverhältnisse i» den tatarischen Dörfern, — Verhaltnisse der hiesigen Armenier. — Der Adlerberg, — Der GoltscbaisVe, — Sage von Tamer-Ian. — Sage vom Kloster Kiegantawangy. — Der Ararat. — Sage von den 366 Thälern des Gebirges Nltmisch-Altötem. — Eriwan, Sage von dessen Namen. — Hr. Abowian, der Bazar, die Handwerkszünfte. — Das Kaualsystem und die Bewässerung, — Bodenverhältnisse. Alter, die Bewässernngs-systeme. — Das ^riN'ansche Kanalsystcm. — Verhältnisse der Stadt Eriwan. — Abgaben und Lasten, Vergleichung mit der persischen Zeit, — Verfall des Handels..............15 —22« Achtes Capitel. Ritt zu den Icsioen. — Die gesteinigten Nonnen. — Die von einer Frau gebaute Brücke. — Die räthselhafteu Steinhaufen. — Nadir-Schah, — Die Iesiden, ihre Gastfreiheit, der Ieside in Warschau nnd Berlin, ihre Zahl, Verfassung, Häuptlinge, Priestergcschlechter, Neligion, sind Monotheisten, verehren den Satan, nicht als Princip des Bösen, sondern XVIl alo gefallenen, künftig wieder begnadigten Erzengel, sind eine verdunkelte christliche Sekte nut Gnosis. — Rnckritt, — Sage von, Arai. — Die tatarische Wahrsagerin, — Die Festung und der Palast des Sardar in Vriwan. — Der letzte Sar-dar, — Oine Licbcsnovelle. — Geschichte vom Vezir in Kon-stantinopel. — Drr Leineweber in Bajazid. - Besuch der Moschee, tatarische Schule, dcr Gottesdienst, die Predigt über die Ermordung dcr Prophetenkinder, öffentliche bildliche Darstellung derselben. >— Die Mullahs und ihre Stellung, die Derwische, der Mustert. — Tatarische Verhältnisse, Erbrecht. — Persische Dorsverfassuug, Abgaben, Auswanderung der Armenier »ach Kaukasien..........................221 — 25,^ Neuntes Capitel. Reise nach Edschmiazin, schlechte Aufnahme, Notizen über das DorfVdschmiazin. —Die Perser und die armenische Kirche.— Die Kathedrale, der Patriarchenstuhl ans Rom. — Die Woh-»nng der Patriarchen, europäische Möbeln. — Mein Gesprach mit dem Patriarchen Narfts in Petersburg. — Sei» Brief an mich, Notizen über sein Leben. — Notizen über die Wahl des Katholikos in Odschmiaziu und speciell über die Wahl des Narses. — Verfassung der anncnischcn Kirche, ihr Verhältniß zur griechischen nnd lateinischen Kirche, ihre Unterscheidungslehren. — Verhältniß zum Papst. —> Gliederung der Hierarchie, — Die Einnahme des Katholikos, die Grzbischöfe, Fuudation der Pfarren. — Stellung und Amt der Pfarrer. — Die geistliche Gerichtsbarkeit..........................25,5—287 Zehntes Capitel. Armenien, sein alter Name Ha)clstan. <— Die Stellung dee« Volks znr Urgeschichte des Menschengeschlechts. — Seine jetzige weltgeschichtliche Stellung, — Seine Zerstreuung. — Vergleichung mit den Juden, — Stellung zu Rußland. — Da« Institut Lasarrff's iu MoStau. — Charakteristik der Armenier. — Die armenische Sprache zu der indogermanischen gehörig. — Ihre Buchstabenschrift vom heiligen Mesrop -Mi erfunden. — Ginfühiung des Christenthums, — Die Hierarchie. — Dir Klosterhcrrschaften, — Die Literatur vom 4. bis 13. Jahrhundert vou den Mönchen getragen. ^ Gr-starrung aller (5ultur. — Neue Regung im 47. Jahrhundert, die Errichtung der Hochschulen, — Die armenische Literatur, die Uebersehungen, - Die religiöse Poesie, — Die XVIII VollSpoesie, die epischen Lieder, die ältesten Kirchenlieder, ihr strenger Styl, das Fehlen des poetischen Elements beS Madonnendienstes. — Dic fahrenden blinden Meistersänger, ihr Leben, ihre Abenteuer, ihre Wettfämpse nm den Ruhm, dichten in tatarischer Sprache, selten in armenischer. >— Formen ihrer Gedichte, Reim, Alliteration..............238—Al7 Glftes Capitel. Die Sage vom Königsgcschlechte der Schlangen am Ararat nnd dem Lichtsteinc. — Die Sage pon den giftigen Schlaugen an» Ararat und von dem Mönche, der sie besprochen. — Gin Zanberlunststückchen. — Die Sage von der Pest. >— Die Sage von den Wehnvölfeu, — Die Sage vom Quecksilber, — Die Sage von der Fundgrube der Edelsteine. — Die Sage vom Werthe des Tempels Salomo'S, — Dle Sage vom Rinae Sawmo'S. — Das Märchen Von dem Knecht, der Magd und dem Garten Salomo's und ihren (^heimnissen, — Dic Sage von der Geburl Alerauder'S d. Gr, — Die Sage von der Schatzhöhle bei (5'riu'an. — Das Märchen vom Schah Ia-umel nnd der Entdeckung des Reises. — Das Märchen von der Undankbarkeit der Menschen, — Das Märchen vom dankbaren Geist. — Das Märchen vom Könige, der im Alter glücklich wurde. — Die Legende oder der fromme Glaube über die Seele des Menschen. — Erste chinesische Parabel vom Segen der Gastfreiheit, — Zweite Parabel vom Segen der Gastfreiheit.....................................3l8 —.^'.» Erllkk Capitel. Abreise von Krrtsch, — Die Festung ','lnapa. — Die Neiternbuugen dor Tscherkessen. — Sudjuf-Kale. — Der Nora. — Die Kiesgerolle, ^ Die Meeresufer. — Pitzunda, seine schöne Kirche, Hr, v. Münchhausen. — Bambor, die gefangenen Ischerkessen. die sechs tscherkessischen Mädchen, die durchaus in Konstaittinopel verlauft werden wollen, orientalische Ansicht über den Weiberkanf i,n Oegensatz zu europäischen Ansichten. — Benehmen Rußlands bei diesen» Weiberhandel, — Die Markte fnr dir ischcrkesscn in den russischen Häfen, — Die 17 russischen Festungen am Schwarzen Meer. ihre Bedeutung; wie sie zu benutze», un, Handelsverbindungen nut den Tfcherkessen anzuknüpfen! Deutsche, dir dabei ,u verwenden. Am l, August i843 des Morgens gegen 10 Nhr bestieg ich mit meine» drei Nrisegefährten, dem Fürsten Paul Liven, den» Hrn. v, Aderlaß und Hrn. W. v. Schwartz, alle drei Lwländer, im Hafen von Kertsch am Schwarzen Virer einen Kahn, der lins nach dem russischen Kneqsdampfschiff, welches sich uor uns auf leichten Wellen wiegte, hinüber brachte, Der russische General V. Nudberg, der die ssestnngslinie an der Ostknste des Schwarzen Meeres commandirte, und in Folge dessen vie durt gelegenen kiri ncn russischen Festungen und Häfen monatlich inspicire» musite ^), hatte sich sehr freundlich und gastfrei erboten, unö auf seiner eben ') Rußland besitzt längs der kaukasischen Küste bis Kleinasien W feste Platze, zu deren Besetzung 15—IttOOO Mann verwendet werden. Os sind keine regelmäßigen Festungen, allein sie reichen hin, die etwaigen ranberischen Anfälle abzuhalten. Ueberall hall inan außerhalb der Festung Markte ab, wu die anwohnenden unabhängigen Mllvrschaflen erscheine« bürfen, um einzukalifen und auch etwa ihre Prodnete an^nbieten und zu verkaufen. ! 2 anzutretenden Inspektionsreise mitzunehmen, und an der mingre lischen Küste auszusetzen. Der Anblick der Stadt Kertsck und ihrer llmgegeild oom Dampfschiffe alls war in der heitern Morgenbelrnchtung entzückend schön. Die Stadt lag im Halbkreise vor uns, deffen rechte Seite amphitheatralisch anstieg, bis zur äußersten Linken, wo auf dem Vorsprung eines steilen Hügels das neugeballte Museuni zur Sammlung und Aufbewahrung taurischer Alterthümer, in Form eines griechischen Tempels, die eleganten Gcbäudemasscn schloß. Hi», tcr diesen Anhöhen erhoben sich höhere Verge, überall mit unzäh. ligen kleinen konischen Hügeln, jenen räth sei hafte», uralten Grab-liügeln (Kurganen), bedeckt. Die Häuser der Stadt, auf russische Weise mit Säulenreihen, Altanen, niedrigen Dächern, die griechi-schen Kirchen, mit ihren unzähligen grünen Kuppeln und kolossalen goldenen Kreuzen, sahen in der Ferne höchst malerisch aus. Das Ganze hatte einen südlichen Charakter, und gab der Phantasie durch die aufsteigenden Erinnerungen an das uralte Pantikapeon, auf und aus dessen Nuinen Kertsch gebaut ist, an das bospho: rische Neich, an Mithridat deu Großen und sein tragisches Ende die reichlichste Nahrung. Allmälig verließen wir die schöne Vai. Nach und nach ver sanken die untern Hafentheile, dann die Häusermassen, und endlich auch die höhern Punkte unter dem Horizont, aber schon traten auch auf der linken Seite die Vorgebirge des Kaukasus aus den Wolken und Nebeln hervor. Wir erreichten gegen 7» Uhr deu Hafen der Festung Anapa")', ein wichtiger militärischer Punkt, um dessen Besitz die Russen und Türken lauge gekämpst haben. Von hier aus wurden die Tscher kessen früher uon den Türken mit Wasfen und Munition versorgt: *) Nach der Eroberung von Taman durch die Russen gründeten die Türken 178^ Anapa als Markt für den Handel mit den Tschrrkessen, Von hier aus sollen Handels- und politische Verbindungen von Konstan-tinopel nach Vochara quer über den Kaukasils gefangen sein, Im sunnitischen Vochcna erfannte man den Padischah in Konftantinopel als rcli' qioses Haupt, als Kalifen, an, i,»d zahlte ihm, wie man sagt, auch alle drei ^uhre eineu tribin. 3 dagegen verkauften ihnen die Tschcrkrssen ihre Mädchen, Knaben und die gefangenen Russen, Der Ort ist elend und armselig ge bant und nur die neuerbauten Häuser russischer Beamten nnd Offi-ziere bitten einigen europäischen Komfort, Der Commandant, ein Oberstlieutenant v. Roth, hatte sich ein hübsches Wärtchen angelegt, von wo aus mau die kaukasischen Berge terrafscnartig vor sich liegen sah. Wir tianken hier späler Thee. Er hatte unter sn neu Besatzungstnippeu anch einen Trupp von etwa iOO Tscher keffen, den er völlig in seiner Art disciplinirt hatte. Es waren theils Freiwillige und Ueberläufcr, theils anch (befangene, die Dienste genommen hatten. (5s waren schone Menschen, nicht groß, selten über Mittelstatur, schlank und fein aber nervös geballt: das edle Pint zeigte sich vorzüglich in den wunderschönen aristokratischen Händen und Füsien. Die Gesichter waren hübsch und ausdrucksvoll, abcr man sah tatarische, mongolische, europäische und asiatische Züge in vielfache,- Mischung, daher große Verschiedenheit! es waren mehr blaue Augen als schwarze darunter! (,6s ist f,^ das? die Tscherkessen kein ungemischter Volksstamm, sondern ein Mischlingsuolk sind, — Hr, v. Now ließ sie einige Nciterüblmgen machen-, die trefflichen leichten Pferde, die nngememe Gewandtheit der Reiter in ihrer ritterlichen Bewaffnung und Kleidung war ein fremdartiges aber herrliches Schauspiel! — Es waren einzelne Vogen Papier auf die Erde gelegt, die Nciter schössen in voller Carriere im Vorbeireiten ihre Pistolen darauf ab, und trafen fast jedesmal den Papierbogen, Wir fnhren gegen Abend von Anapa ab und erreichten früh am Morgen den Hafen von Sudjuk-Kale t Murstfestung), daS ist der türkische Name des Orts, denn die Türken hatten hier, wie längs der ganzen Küste, eine kleine Festung (Kale) angelegt, diese Forts wurden aber nach und nach sämmtlich von den Nüssen erobert. Auf tscherkessisch heiftt der Ort Temch, die.Nüssen nennen ihn Novorussiask. Der Hafen scheint dein ersten Anblicke nach un-gemein schön und vortheilhaft zu liegen, das Meer bildet einen kleinen tiefen Busen, rnnd umschlossen und geschützt von hohen Vergrn. die enge Einfahrt wird durch zwei herausspringende Vor gebirge gebildet. Dennoch soll der Werth der Bucht als Hafen 1' i gering sein, der Meeresgrund ist in derselben so felsig und steinigt, daß die Anker schlecht fassen, auch wüthet oft ganz unversehens der Vom*) (der Nordostwind) und wirft mit einem ungeheuern Nuck nnd Stoß die Fahrzeuge auf den Snaud, Während der General und seine Offiziere ihren Inspections-geschäften nachgingen, machte ich weite Spaziergänge an den Küsten Ich fand eine große Mannigfaltigkeit der Steinarten unter dem vom Meer ausgeworfenen Kies und Gerölle. Die verschiedenartigsten Granit- und Marmorarten herrschten freilich vor. Das meiste war ungemein hübsch und regelmäßig abgerundet. Wie kommt es wol, daß man fast nie in diesem Gerölle die reine Kugelform findet? der Granit und der Quarz hatten sich zuweilen in Giform abgerundet"), die weicheren Steinarten immer in längliche platt-gedruckte Ovale, nur der ganz kleine Grand unter Erbsengroße bis zum Sand herab zeigt vorherrschend die Kugelform. Selbst in diesem scheinbar ganz mechanischen Abscheuern in den Mrereswellen zeigen sich demnach Gesetze und Regeln, die man nicht leicht define ren und errathen kann! Gegen Mittag fuhren wir weiter, Veim nächsten kleinen Hafen Kabardinsk stieg ich nicht mit ang Land. Die Ufer sind auf die^ str ganzen Ostküste des Schwarzen Meeres ungcmein schön, die Verge zeigen die herrlichsten Formen und Conturen, hier und da wieder treten in weiter Entfernung die weißen Gletscher am Hori zont hervor. Die üppigste Vegetation, prachtvolle Wälder, reichen bis zum Meeresufer herab. Auch der nun folgende Hafen von Oelintschik scheint äußerlich vortrefflich, soll aber an denselben Nebeln leiden, wie der von Sudjuk-Kale. Ein Genuese, Hr. v. Scassi, reichte dem russischen Generalgouverneur von Südrußland, Hrn. v. Richelieu, 18l3 ein Project ei», durch einen zu organisirenden lebhaften Handel die ') Selbst die Tscherkessen nennen diesen Wind Vora; ich hörte, daß er an den meisten Küsien des Mittelländischen Meeres diesen Namen führe. Ist dies ei» Nachklang dec< alten griechischen Boreas? '*) Die großen Graliitgerölle, die ma» im Hinzen Norden bis zum 5,0. Grade herab überall im Lande findet, haben dagegen vorherrschend eine runde, nicht eine ovale Form, 5 Tscherkessen zu civilistren und europäischer Cultur zugänglich zu machen, und gründete hier in Gclintschik ein Hcmdelsetablisscmcnt, Es ist aber, wie ich hörte, verfallen. Am andern Morgen erreichten wir Mtzunda, vielleicht das alte Pychus. Man behauptet, es sei im Mittelalter eine wichtige genue-fische Ansiedlnng gewesen. Es war der Glanzpunkt des oricnta tischen Kaiserthums. Hierhin ward der heilige Chrysostomus erilirt, starb aber unterwegs. Die wunderschöne Ruine einer Kirche im byzantinischen Styl, noch theilweise selbst in den Gewölben erhalte», aber überall mit Weinranken überzogen, hätte eine genauere Unter suchung verdient, als ich lhr widmen konnte. — An den Gewöl ben und Seiten waren alte Fresken zu sehen, in einer Nebenkapelle ein Christgrab. Nicht weit von hier, nördlich im Gebirge, sull eine armenische Kirche und ein kleines Kloster liegen, wohin auch die Abchasen häufig wallfahren. Man spricht auch von einer dort befind lichen Bibliothek. Ich fand hier einen speciellen LandSmann, eine» Hrn. v. Münchhausen aus der Gegend von Minden, der jetzt bei der Garnison als Lieutenant stand, Der Aermste lag krank an, kaukasischen Fieber (einer sehr bösartigen Form des kalten Fiebers) und war so abgespannt, daß ihn selbst der Besuch eines Lands mannes nicht aus seiner Lethargie erweckte, Als ich Ende Septem ber wieder hierher kam, war er todt! In den Hafen von Bambor war ein kleines türkisches Schiff geborgen, welches das russische Kriegsdampfschiff durch bewaffnete Kosacken in ihren Kähnen hatte aufbringen und nehmen lassen. Es befanden sich auf demselben außer dem Eigenthümer, einem Türken niit einige» Matrosen, noch als Gäste ein tscherkessischrr Fürst mit zwei seiner adeligen Vasallen und einigen Dienern aus der Um gegend der Festung, eine junge Frau und sechs tscherkessifche Ma'd chen, alle von 12—45 Jahren. — Wahrscheinlich war der Schiffn ein Schmuggler, der vielleicht Munition und Lebensmittel den Tscher lessen zugeführt und als Rückfahrt tschcrkessische Mädchen für den Sklavenmarkt von Konstantinopel geladen hatte. Der tscherkessische Fürst mochte vielleicht wol aus politischen Ursachen eine Fahrt nas' Konstantinopel haben unternehmen wollen. Das Einschmuggeln von Munition u s w konnte nicht bewiesen werden, der Türke leug s net.', allein der verbotene Mädchenkauf war klar und die Confisei-rung des Schiffs nach russischen: Gesetze daher gerechtfertigt. Ich frug den General, was er mit den Tscherkessen anzufangen gedenke, er antwortete! da sie zu einem Stamme gehörten, mit dem Rußland in Frieden lebe, so würde er sie nach einigen gemachten Schwie. rigkeiten und Ermahnungen entlassen. Ich bat ihn, er möge ihnen erklären lassen, sie veroankten ihre Freilassung meinen Bitten, das könne mir später vielleicht auf irgend eine Weise nützlich werden. Er gewährte meine Vitte gern und beauftragte einen russischen Offl-zier, der ein geborner Tscherkefse, in Petersburg erzogen und also der tscherkessischen Sprache völlig mächtig war, seinen Landsleuten dirs zu sagen. Unterdes, war schon der Sohn jenes Fürsten angekommen, um die Freiheit seines Vaters ebenfalls zu erbitten. Es bildete sich eine hübsche Scene, und ich begleitete die Tscherkessen bis an den Rayon der Festung. Der General ließ die Mädchen bet der Ankündigung der Freiheit befrage»! „indem er ihnen die Freiheit schenke, könne er dies auf verschiedene Art thun, er könne sie mit dem Fürsten ihres Stammes in ihre Heimat zu den Ihrigen schicken, oder sie könnten Russen oder Kosacken heirathm nach freier Wahl, oder sie könnten mit mir in das Germanskiland ziehen, wo alle Frauen frei wären, oder endlich sie konnten auch mit dem türkischen Schiffer ziehen, der sie dann aber in Konstantinopel auf dem Sklavenmarkte verkaufe." — Man rathe nun, was sie wählten! — Einstimmig und ohne sich im mindesten zu besinnen! ,,Nach Konstantinopel! um verkauft zu werden!" — l3o gibt kaum ein frciheitstolzercS und auf seine Freiheit eifer: süchtigeres Volk als die Tscherkeffen, und dennoch diese Antwort von Seiten ihrer Weibrr! Geht man aber ttwas tiefer auf die Ansichten, Gesinnungen und die Untersuchung der Sitten dieser orientalischen Völker ein, so war die Antwort durchaus natürlich und angemessen. Der Kauf und Verkauf der Weiber ist in den Sitten dieser Völker tief begründet Jeder Mann kauft seine Frau dem Vater oder der Familie ab. *). *) Der Tscherlesse kauft seine künftige Frau, aber er muß fie pro lormll doch auch noch dazu vaubrn und entfühssn, dirs ist die allein anständige Weist zum Brsitz, zu Mamv'", ? Der Verkauf ist also dort für das weibliche Geschlecht durchaus keine Schande, vielmehr eine Ehrensache, und selbst mit europäischer Ge sinnung ließe sich Vieles dafür sagen. Die Mädchen stehen dort emmal in sklavischer Abhängigkeit von ihren Vätern und Vrüvern, Es hat etwas Erhebendes für das Mädchen, wenn ein Mann ihrer begehrt, wenn er sein Vermögen daran setzt, um sie zu erwerben; dabei kauft er sie im Orient los aus der Sklaverei ihrer Familie, Wenn bei uns Europäern der Reiche ein armes Mädchen hrirathet, so sieht rS meist wie Mitleid aus, man Preiset das Glück, was sie gemacht hat, das hat etwas Beleidigendes für das Weib Hrirathet bei uns ein reiches Mädchen einen Armen, so kauft sie sich den Mann, und das hat etwas Erniedrigendes für ihn, Hei-rathen sich Gleichbemittelte, so sieht es mehr oder weniger stets wie eine solide kaufmännische Speculation auö. Man könnte also edlere Grundlage, wahre Liebe u. f. w, nur bei der Heivath zweier Armen gelte» lassen. Meist ist rö aber hier nur roher sinnlicher Trieb, oder Bedürfniß gegenseitiger Hülfe und Pflege, und um einen eigenen Hausstand zu gründen. Das orientalische Mädchen erkennt in dem Kaufpreise den Werth, den es hat! ic höher, je höherer Werlh! — Da nun einmal bei den tschcrkessischm Stäm men der Kauf der Weiber Sitte ist, su ist auch der Schritt wei tcr, daß man an Sklavenhändler verkauft, nicht auffallend, denn die Sklavenhändler sind nur Mittelsmänner, sie kaufen die Mäd-chen nur, damit sie in der Türkei wieder verkauft werden, lim dort Eheweiber zu werden*). Die Arltern wissen, daß ihrer *) Der Preis, zu welchem die tscherkessische» und georgischen Mädchen 'n der Türkei vertauft werden, steig« oft bis zu U>.ae stellt, dicc« geschieht nnr mi< abyssinischen und Nege> sllavinnc». 8 dort ein bc^eres Looo wartet als zu Hause, die Mädchen aber gehen gern nach der Türkei, Seit Jahrhunderte» dauert schon de» Handel, sie finden also in der Türkei überall ihre Verwandten. Dabei sind die Tscherkessen in der Heimat als Ehemänner rauh und hochfahrend, die Weiber werden bei ihnen zu allen sklavischen Diensten nnd Arbeiten angehalten, der Türke aber ist ein gedul. diger gefälliger Ehemann und ein zärtlicher Vater!") Es scheint mir demnach eine falsche Philanthropie von Seiten Nußlands zu seilt, daß es diesen Mädchenhandel verboten hat und zu verhindern strebt, was ihn» obendrein gar nicht einmal gelingt. Jenes Verbot verursacht nur, daß mehr Unglück geschieht, wie vielleicht sonst. Der Handel wird nämlich jetzt stets in den Winter monatrn getrieben, wo die russischen Kriegsfahrzeuge die See nicht halten, und da rechnet man dann, daß das sechste und siebente Schiff mit seiner ganzen Ladung" von Mädchen untergeht! Es sollen jetzt gewöhnlich 25 — 55 Fahrten im Jahr geschehen, welche vielleicht 5W —l>W Mädchen herüber führen. Die Schiffe gehen melst von Sinope oder Risch ab. Ich würde es für humaner und auch für politischer halten, wenn Rußland, statt ihm Hinder-niffe in den Weg zu legen, diesen Handel vielmehr organistrte und beaufsichtigte. Die Tscherkessen sind arm, ihr Land ist meist unfruchtbar, sie arbeiten ungern, sind zu stolz dazu, dabei vermehren sie sich stinker, und somit werden auch die Subststenzmittrl schwächer. Um eristircn zu können, müssen sie entweder Handel mit ihren Producten treiben, oder räuberische Ausfälle machen. Nuß. land sucht ihnen nun einen ihrer wichtigsten Handelszweige zu legen oder einzuschränken, was bleibt ihnen anders übrig, als sich nm so mehr auf den Raub zu legen?") Dabei steigert sich der Haß *) Gibbrn sagt: „Man mag über den Menschenvertauf urtheilen wie man will, er hat es hervorgebracht, daß die asiatischen Völker sich verschönert haben; die Türken, Abkömmlinge der Hnnnen, die doch so häßlich waren, sind jeht ein sehr schönes Voll durch die Krenznng mit den Kmi lasiern geworden." **) Ich erinnere mich irgendwo m einer Zeitung gelesen zu haben, daß jetzt unter dem Gouvernement des Fürsten Noronzoff allerhand Erleichterungen nnd Concessionen in Be,»c, ans den Handel der Tscherkessrn ein getreten seien, 9 ' gegen dir sie umgebenden Russen mit jedem Jahre! Man hat an gefangen, bei allen diesen kleinen Festungen und Häfen offene Marktplätze außerhalb derselben anzulegen, wohin die Tscherkrssen ganz frei und sicher (sogar von den Russen aufgefordert) kommen und Han del treiben können. Dort gestatte man nun auch den Mädchen: Handel ganz frei in einer ungefährlichen und der Seefahrt gun stigen Zeit, man gewähre den türkischen Schiffen den Eingang in die sichernden Häfen, ia man muntere selbst die russischen Schiffer und die Kosacken auf, die Verschiffung, und demnächst diesen Handel nach der Türkei hin, zu übernehmen und zu treiben. Man wtrb oadurch ein freundlicheres Verhältniß mit den Tscherkessen begründen, vielleicht gestatten sie dann zuletzt sogar, daß die Nüssen, be sonders die Kosacken, selbst als Käufer der Mädchen auftreten dur^ fen, was sie bisher mit Abscheu verwarfen. Das edle tscherkessische Blut wird fürwahr das russisch? nicht schänden! Die körperlichen und geistigen Vorzüge der Kosacken auf der kaukasischen Linie schreibt man zum Theil der Vlutmischung mit tscherkessischen Weibern zu. Seit undenklichen Jahren suchen die Kosacken dort tscherkessische Mäd^ chen zu rauben und zu heirathen. — Daß die gekauften tscherkessi-schen Mädchen, die ins Innere Rußlands verheirathet würden, dann auch wohl meist das Christenthum annehmen würden, ist auch als ein Beweggrund mehr zur Gestattung dieses Handels anzuführen. Ein so offener Handel wurde auch das Einschmuggeln von Mu. nition und Waffen, welche die türkischen Schiffer bei ihren, des Mädchenhandels halber im Winter unternommenen Fahrten den Tscherkessen zuführen, sehr erschweren und vertheuern. Der frühere Handel mit Knaben hat fast ganz aufgehört, da das Mamluken-wesen verfallen, Nußland sollte diesen Handel wieder heben und selbst diese Knaben kaufen, sie etwa in Ackerballschulen (in Podo lien) erziehen lassen, und sie dann später in Grusien, Onriel oder Armenien ansiedeln. Ich stieg noch bei der Festung Suchum Kale aus. Es soll das alte Dioskurias sein. Die verfallene Festung ist von den Tür ken gebaut, und es befindet sick ein sogenanter Palast eines Pa scka darin, ein elendes hölzernes Gebäude! Wir legten dann am 4. August auf der Nhede vor Redut-Kale an. Das herrlichste 10 Wetter hatte unsere Fahrt begünstigt. Das Meer war ruhig, be ständig umspielten Delphine das Schiff; die Küsten, an denen wir oft nahe, ^00— f,00 Schritte weit, hinfuhren, gewährten die herr^ lichstcn Ansichten, Mehrmals sahen wir auf den Wegen längs der Küste, oder an den Bergen her, einzelne oder einige Tscherkeffcn in ihrer malerische» Tracht reiten. Die letzten zwei Abende hörten wir stets das Geheul der Schakale, welches dem Kindergeschrei tau-schend ähnlich lautete, herüberschallen. Hin und wieder sahen wir Abchasen, ein Volksstamm, der südwestlich von den Tscherkessen an sässig ist. Sie sind klein, mager, haben schwarze Haare, aber blaue Augen, eine Adlernase und einen dunkeln blassen Teint. Ihr Adel und ihre Fürsten scheinen dagegen von anderer Abstammung zu sein und haben große, starke edlr Formen. Nußland besitzt längs dieser ganzen Küste, von Kertsch bis an die Grenze Kleinasiens, siebzehn «befestigte Plätze (Kreposte), Die meisten Befestigungen sind dürftig, nur Palissaden, und nicht tiefe (meist trockene) Gräben umgeben sie. Die Besatzung besteht ans 500—4000 Mann*). Für den Augenblick ist diese Besatzung von 40 — 25,000 Mann ein kostbares Opfer, welches Nußland der Politik und der Zukunft bringt, denn für den Augenblick ist kein reeller Vortheil zu erkennen"). Wenn allmälig europäische Eultur ") In alleil diesen befestigten Orten fand ich eine große Zahl Hunde von einer starken und mächtigen Nace. Sie sind vortrefflich abgelichtet und lingemein wachsam, haben anch ihre bestimmten Wachposten, Sie erkenneü die Tscherfessen genau, und man sagte mir. es fielen oft förmliche Schlachten zwischen ihnen und den tscherfessischen Hunden v>.'r, die einer andern Naee angehören »nd sich oft auch z u sa in mengeschart vor rcn Festungen kriegslustig zeigen, **) Die transkaufasische Provinz, durch dao hohe von freien kriegerischen Völkern bewohnte KaufasWgel'irge von Nußlauo getrennt, nur durch die Mililärstraße mit demselben zusammenhängend, ist für jetzt noch eine qrofie Last, Alle aus diesen herrlichen Landstrecken zu gehenden Vortheile wer den durch die Kosten nnd Verluste weit ausgewogen, Äußer der Armee, welche die Bergvölker stete« im Schach halten muß, bedarf man zur sichern Orhaltunss der Provinz stets eines russischen Heeres ocm 5', 3W0l> Man». Man behauptet dabei, die Armee verlöre ourch Strapazen „„t' Krankheiten jährlich '/,, ihres Bestandes. Rußland übt bei Vesctzmu,, ssesthaltung und knltivirum, dieser Landstriche eine Mission für die Cultur und Zukunft von ganz Vorderasien. n___ bei den Tscherkessen Eingang gewönnen, so konnten dies kleine blühende Städte und Handelsorte werden, was sie theilweise schon zweimal waren, zuerst als sich hicr griechische Colonicn bildeten, und dann im Mittelalter, als Genua das Schwarze Meer beherrschte. — Unter türkischer Herrschaft verfielen sie, und waren völlig unbedeu-tend, dennoch hielten die Türken die Herrschaft hartnäckig fest und vertheidigten sie gegen die Russen, denn von hicr aus wurden ihre Harems und das Corps der Mamluken rekrutirt. Vei einer der kleinen Festungen, wo ich ausgestiegen, fand es Nch, daß vor dem Thore derselben auf dem offenen Marktplatze eben Markt gehalten wurde*). Es trieben sich eine gute Zahl Tscher-tefsen ungenirt darauf herum, doch waren zu wenig Gegenstände des Handels vorhanden, um sie eben zum Kaufen zu reizen. Von ihrer Seite brachten sie nur einige Thierfelle zum Verkauf. — Das russische Gouvernement müßte den Handel unmittelbar in die Hand nehmen, diejenigen Waaren, die man für die Tscherkessen angemessen fände, dort aufstellen und für geringe feste Preise an sie verkaufen lassen, ebenso alle Producte, die sie brächten, wenn auch anfangs zu hohen Preisen, annehmen. Ich will eben nicht behaupten, daß das eine gute Handclsspeculation fürs Gouvernement wäre, aber es wäre eine gute politische Maßregel! Gs würde europäische Cultur und Sitte, auch wol Lurus unter den Tschcrkessen verbreiten. Sie würden den Werth des Geldes und dessen so wichtigen Ge-brauch im Kleinen, als Oechselmünze, kennen lernen, sie würden Nch an den kleinen Verkehr allmälig gewöhnen und vielleicht bald gestatten, daß russische Krämer diesen in ihrem Lande selbst betrieben. Dringt erst moderne Cultur, mit allem Outen und Bösen derselben, bei ihnen ein, so würden sie, wenn auch nicht so bald Ilntertha-""i. doch bald ruhige Nachbarn der Nüssen werden. Nach ein paar Jahren, nachdem sich der Handel erst einmal befestigt hat, würde man ihn allmälig dem Privatverkehr, der sich schnell genug von Kertsch und Odessa aus einfinden wurde, überlassen können ') Ich hörte, baß in allen diesen Orten jeden Morden in der Woche e'n solcher Markt außerhalb der Festung a/halten würdc, Simntaqs wurde ben Tschertesse» auch gestattet in die Fcstnna zu fomim'n. nm Handel zu wide», doch nur unbewaffinl. 12 Waö wäre daran gelegen, wenn das Gouvernement auch ein paar Jahre hindurch jährlich 100,000 Nubel Verlust an jenem Handel hätte? Wem aber diesen Handel und dessen Ausführung anvertrauen? Etwa den gemeinen russischen Krämern, den Soldaten, den Kosacken? Diese sind alle im Handel zu arge Spitzbuben, sie würden das Gouvernement und die Tschc»kessen betrügen, sie würden es viel zu ennuyant finden, feste solide Preise zu halten, sondern immer lind überall zu schachern suchen! Vielleicht wäre es klüger und angemessener, dazu ehrliche Deutsche zu suchm, etwa von den deutschen Colomsten in der Gegend von Tiflis, die schon ohne-dem mit den Tscherkeffen Handel, namentlich Pferdehandel, treiben. Hier müßten sie jedoch nur als besoldete Commiö der Regierung auftreten. An die Spitzr des Geschäfts wäre etwa rin Mann wie der Colonist Salzmann in Tifliö, den ich dort kennen lernle, zu stellen, Zmeite5 Capttes. Ankunft in Rebut-Kale. — Aehulichfeit nut einein holländischen Dorfe, -'Abreift zu Pfeide, — Anaclia, die schönen Buchenwälder, die einzelnen Gehöfte. — Suqdide, Ncsibenz deö Dadian, Fürsten von Mingrelien. — Der französische Haushofnieister. — Die Verfassung Mingrelirns, die Vasallen, die Bauern, zwei Classen, Leibeigenschaft. — (Kinkünfte des Dadian, seine Lebensart. — Abreise, die alten hölzernen Kirchen, die Kosacken stationen. — DaS gesäuerte Weizenbrot. — Der Flecken Choni. — Kutais, der Kreischef, Anbau durch einzelne Oehöfte, die Genieinde und ihr Naz-wal. die Bauern, ihre Al^aven. hoher und niederer Adel, Imerctien, das inländische Fuhrwerk, die Burgruinen, — Grusien, Charakter und Depravation der Minqrelier und Imeretier, — Die Stadt Chopi, die Schloßrumc, Volkssage. — Die herrliche Kirche Santawanvisi, — Ueberall Ruinen. - Ackerbau. — Art der Früchte, Art zu Dreschen, Mstel. — Residenz der Czarc. die Kathedrale, — Tifiis, Eindruck des Charakters der Stadt, Asien und Vuropa vereint. — Untelkommen bei Hrn. Salz-mau,!, Besuche bei Hru, v. Kotzebue, v. K^urka u. s. w. — Peter Neu der Schuster, — Dr. Wagner ans München. ^übir stiegen in dem ziemlich guten Hafen von Ncdut-Kale ans Land. Der Anblick dcs Orts ist schr eigenthümlich. Er liegt cm dem hier beim Ausflüsse schiffbaren Flusse Chopi; eine Neihe von Häusern steht mit der hintern Seite auf Pfählen im Wasser, und wan fährt mit den Schiffen überall bis an die Balköne von Holz, die längs dieser Seite der Häuser herlaufen. Zwischen den Häusern sind häufig Bäume und Büsche, und so macht denn der äußere Anblick des Orts durchaus den (Hindruck eines holländischen Dorfs, nur muß man im Innern nicht die Eleganz und Reinlichkeit der letztern suchen. Nachdem wir bei einem armenischen Kaufmanne gefrühstückt hatten, und der General mit seinem Gefolge aufs Dampfschiff zurückgekehrt war. machte ich mich auch nut meinen Begleitern bereit, die Reise ins Innere des Landes anzutreten. Wir erhielten Ko sackrnpferde und einige Kosacken zur Bedeckung, Zuerst ritten wir längs der Meeresküste nördlich bis Anaclia, einer kleinen von den Türken angelegten Festung, jetzt ei» Kosackenposten, neben welcher ein schlechtes nungrelisches Dorf liegt. Wir erhielten hier eine neue Kosackenbedcckung, und wandten uns nun rechts ins Land. Unser Weg, den ganzen Tag über, führte fast stets durch Wälder, lind welche herrlichen Wälder! Die Südabhänge des Kaukasus vereinigen die Baumvegetation des Nordens mit der des Südens. Selten sah ich schönere Buchen-, Eichen-, Ulmen-, Tannen-Bestände, vermischt mit Platanen, Kastanien, Wallnüffeu, Oliven, Lorbern und Kirschen, deren Vaterland Mingrelien sein soll. Vor znglich über die herrlichen Buchenbestände, die holsteinischen und see ländischen an Schönheit noch übertreffend, erfreute stch mein Herz! Das Territorium der Vnche, meinem befühle nach der schönste Waldbaum! reicht im Norden bis in Schweden und Dänemark hinauf, ja er ist hier z. B, in Schonen und Seeland am malerischsten, da er zwar nicht so hoch. aber breiter und ästiger ist als in Holstein und dem Hannoverschm, wo er in rnggcschlossrnen Bc ständen zuweilen 80 Fuß bis zur Krone, dem Anfang der Seiten äste. mißt, Oestllch und nordöstlich reicht aber das Territorium der Buche lange nicht so hoch nördlich hinauf, Schon in Preußen sind die Vuchenbestände selten, an ihre Stelle treten östlich die Linden, die in den ungeheuern Wäldern Lithauens fast vorHerr scken, während man sie in Deutschland nirgends als Waldbäume findcl. In Polen sind Buchenwälder schon ziemlich selten, aber in den Ausläufern der Karpathen finden ste sich häufig. In ganz Nußland fand ich nirgends Buchenwälder, ich sah nicht einmal einzelne Väume. Erst im Gebirge der Krim tritt die Vuche wieder in hübschen, aber jetzt häufig devastirten Wäldern auf, Es war mir eine wahre Freude, nach nennmonatlicher Entbehrung wieder den vaterländischen Vaum, und dabei so üppig und in so trefflicher Gesellschaft, zu erblicken! Wo diese Wälder nicht zu dicht waren, und Gebüsche sich unter ihnen gebildet hatten, besonders in den Ulmenbeständen, hatten sich 15 Weinreben um alle Väumc geschlungen und verbanden von Ast z» Ast alle Bäume miteinander, Ginen reizend ruppigern Anblick tonnte man gar nicht haben! Alle Bäume auf stundenlange Strecken hingen so bis zur Spitze voll sich eben röthender Trauben (weiße Trauben sah ich nicht darunter). Ich hörte übrigens, daß dieselben stets sehr saner, kaum zu genießen seien. Diese Ne-ben sind hier, wir es scheint, stets wild gewachsen. Niemand küm-mert sich um ihre Cultur, Niemand nimmt das Eigenthum dersel. ben in Anspruch! Der Weg führte eine Zeitlang längs dem Flusse Ingur her, der schiffbar sein möchte, wenn nicht Wasserschnellen, Felsen, herein-gestürzte Bäume die Fahrt gefährlich machten. Eigentliche Dörfer fan. den wir auf dem ganzen heutigen Wege nicht, nur hin und wieder einsam gelegene einzelne Gehöfte. Es steht jeden« Mingrelier frei, sich in diesen Urwälder» anzubauen, wo er will. Er haut um oder brennt einen Theil des Waldes nieder, baut sich aus ineinander gefügten Stämmen ein Blockhaus, zäunt das Gehöfte sowie einige Flächen zum Ackerbau ein, und beginnt seine Wirthschaft; der Boden ist fruchtbar und gewährt vortreffliche Mais- und Hirse, ernten; auch der Taback gedeiht in Mingrelien vortrefflich, man ver-steht nur seine Cultur nicht besonders. Hafer wird hier nirgends gebaut, statt seiner füttert man Gerste. An seinen Herrn, hier den regierenden Fürsten von Mingrelien, gibt er dann eine Abgabe von Naturalien, Mais, Hirse, Vieh, sowie es von diesem bestimm» wird. — So ist denn der Wald überall für einzelne Gehöfte ge^ lichtet, die meist auf kleinen Anhöhen liegen. Die Häuser sind, wie gesagt, Blockhäuser, mit Maisstroh gedeckt; sie haben zwei gegen einander über liegende Thüren, meist in den Giebclsciten, aber keine Fenster und keine Schornsteine. Das Innere bildet nur ein Gemach, in dessen Mitte der Heerd liegt. Möbeln gibt es nicht, aber bei etwas Wohlhabendcrn häusig persische oder tatarische Teppiche'). ) Die Weiber gehen barfuß, haben aber Tücher von Goldbrokat; so '« ben Häusern keine Tische und Ltühlc, aber Teppiche! Alle unter sklavischem Joche lebenden Asiaten habcn vorherrschende Neigung und Geschmack am Lurus. Die freiheitlicl'endcn Tscherkessen liebe», wie die Germane», nur Lunis in ihren Waffen mir Waffenfleibuna. (Panzer. Helme n, s,w,». l6___ Hin und wieder begegneten wir Eingeborene», aber stets zu Pferde; ibr Aussehen war sehr abenteuerlich, Ei« langer brauner zugegürteter Rock mit einer über vcn Kopf gezogenen Kapuze gab ihnen ein den Kapuzinern frappant ähnliches Ansehen. Vielleicht hat der heilige Franciscus von Assist die seinen Kindern vorgeschriebene Tracht von diesen Mingreliern entlehnt, welches gar nicht so un^ möglich ist, denn damals besaßen die Genueser längs allen diesen Küsten ihre Factoreien. — Hin und wieder sahen wir auch die schwarzbraunc Vurka, den dicken »nd dichten Mantel, welcher gegen Kälte und Nässe, aber auch zugleich gegen große Hitze, wenn näm lich die äußere Wärme die des menschlichen Bluts übersteigt, schützt, Sie soll die Chlamvs der Alten sein. — Die kapuzenähnlicke Mütze der Tscherkessen heißt Vaschlik, bei den Abchasen aber Ghetapk Unser ganzer heutiger Weg hatte uns nur durch Niederungen mit leichten Anhöhen geführt. Gegen 5 Uhr Abends erreichten wir Sugdide, die Nesidenz des Fürsten von Mingrelien, der stets der Dadian genannt wird, wahrscheinlich der Familienname, Cr ist fouverain und erkennt gegenwärtig nur die Lehnsobrigkelt des russischen Kaisers an. In« 16. Jahrhundert soll sich der damalige geor-gische Eristaw (Statthalter) von Mingrelien von georgischer Herr schaft frei gemacht haben. (5r erhielt seine linabhängteit bis jetzt und nahm sogar den Titel Cheselpe oder König an. Man erzählte mir, eS seien ihm vor einigen Jahren 2/2 Millionen Silberrubel fur die Abtretung seiner Souvrrainetät vom russischen Gouvernement geboten worden, er habe sich aber bis jetzt nicht entschließen können. Im Anfange dieses Jahrhunderts traten Grusien und Imereti, nach Abdankung ihrer Czare, unter unmittelbare russische Herrschaft. Russische Gesetzgebung und Verwaltung ward eingeführt. Mingrelien, Abchasien, das ^and der Suaneten, das mahometanische Avarien, und Tarku erkannten nur die Oberherrschaft Rußlands an, behiel. ten ihre Fürsten und eigene Gesetzgebung und Verwaltung, mit Ausschluß der Criminaljustiz, welche zum Schuhe ihrer Bewohner der russischen Reichsjurisdiction unterworfen wurde. Die Nesidenz dieses Fürsten von Mingrelien liegt anf den, Pla teau einer mäßigen Anhöhe, deren eine Seite bis in das kleine Thal hinab, wo wir herkamen, mit etwa 200 Häusern und klei 17 ucn Gehöfte» überdeckt ist, worin die Hofleute und Beamten deö Fürsten leben, die andere Seite bildet eine offene Flache, auf der schöne alte Nä'muc in einzelnen Gruppen stehen. In der Mitte dieses Platzes lag nun die Residenz des Fürsten. Man mache sich aber von diesem prunkenden Namen keine zu große Idee. Es ist ein ganz gewöhnliches Hans, wie man sie in Europa zu Tau senden auf dem Lande findet, ein viereckiger regelmäßiger Kasten von vielleicht 70 Fuß Länge und 35 Fuß Tiefe, zwei Etagen mi> ^ehn Fenstern in der Fronte und fünf an den Seite», es war mit Ziegeln gedeckt, mit Kalt angeworfen. Das einzige Eigenthum liche war, daß eine breite hölzerne Galerie längs der ganzen Vorderseite der zweiten Etage herlief. Zu ihr führte von Außen ein,-Treppe herauf, und von dieser Galerie führten mehre Thüren in die Zimmer der zweiten Etage, die anßerdem kei»e Verbindung mit der utttern Etage, feme von Innen herabführende Treppe, hatte. Es war daher auch dcr Naum einer Entrc gespart, und oben Allcö zu Zimmern eingerichtet. Dir untere Etage diente lediglich zum Aufenthalt des Hofgesindes, dort war Küche und Vorrathsraminer ,< Die obere Etage war die Wolmung der fürstlichen Familie, Die fürstliche Familie war übrigens nicht hier. Nährend dev heilen Jahreszeit, wo die Fieber herrschen, ziehen alle vermögenden Leute, die es durchsetzen können, aus diesen Niederungen in die Gr birge, und so war denn auch die fürstliche Familie noch nicht aus ihrer Sommerresidenz zurückgekehrt"), — Wir wurden nichtsdestoweniger sehr freundlich nnd gastlich von einer Art Hanshofmeister oder Finanzminister des Fürsten empfangen. Es war dies zu u„ *) Alle dirse Landstriche sind außerordentlich fruchtbar, der Boden besift! ^nc unglaubliche Kraft der fetation, Morast,,, u»d sumpfig ist der Vooen eigentlich nicht, dennoch herrscheu j,n hohen ßirade daselbst Fieber und zwar in der heißeste» Zeit, vl'm l5>. I„li l',^ l,> Octt'I'er. Ma» rrnart das daraus, dasi l'ei der cicrinqen Vevolferung mid dein weoiqen >^>) die Pssan^>,l „ichs ^emahl, >i!iterl,epslü^, abgeweidet werde» imd d^hcr (befo„de,l' ,!„ Schatten der balder) verfaulen, auf de» Feldern ^^""'' ^'^'^ Äilodiinstün^cu seien die eigentliche Ursache der Fieber, fremde uud Handarbeiter leiden am meiste» darunter. Die rnssifchru S^'i ate» f„llc» ihnen besondere« hausia ;um Opfer, ,ssleidmn,. Nahrxna. die "'geu 5asw. nassen nicht zn dieseni Klima, 2 18 sn'cr lleberraschung ein alter Franzose. Wir hörten später, er sei 1l^l2 beim Rückzüge von Moskau gefangeu und zurück geblieben, sei Koch bei einem französischen (General gewesen, dann in der Or sangenschaft in dcn Dienst eines rllssischell Generals getreten, mit diesem nach Tifiis gekommen und schließlich ill dm Dienst des Da dian, des Fürsten von Mingrelien, getreten. Hier schien er das Fattowm zu sein und hatte dabei ganz die Tournnre eiues fran zösischell Marquis vom lmcion i-^ßiino angenommen. Grplldert und mit kleinem Zopf, in seidenen Strümpfen und Schuhen mit Schnallen, nahm er sich wirklich in dieser pittoresken Umgebung allerliebst aus. Nur daö konnte ich ihm nicht verzeihen, daß, wahrscheinlich durch semen Einflnsi, alles Eigenthümliche in der Umgebung eines orientalischen Fürsten hier verschwunden war. Er führte unS in die Zimmer der fürstlichen Familie. An dcn Wän den klebten schlechte moskauer Papiertapeten, Tische, Stühle, So phaö, plump und schlecht gearbeitet, wie sie vor 50 — ^iO Jahren Mode waren, eine Spieluhr wie in allen russischen Wirthshäusern ic. An einer Wand hingen zwei Fahnen. Auf einem Tische lagen einige Bücher, eins in Folio war ein Manuscript ill grusinischer Sprache, zierlich geschrieben, es schiene» Verse, vielleicht irgend ein Heldengedicht, zu sein. Leider konnte unser alter Franzose das Gru sinische nicht lesen, er wußte nur, daß der Fürst das Vnch sehr in Ehren hielt. Wir wurden mit vortrefflichen» Thee lind später mit einem Soupe, ganz nach französischer Küche und französisch servirt, be wirthet, wobei auch natürlich der Champagner nicht fehlte. Ansier unserm alten Franzosen kam noch ein Vasall des Fürsten, ein mingrclifcher Edelmann, der sich zu uns setzte und mit Ihee trank. Da er nichts als seine Landessprache verstand, so konnte er nut Keinem von lins auch nur ein Wort sprechen. Nichtsdestoweniger saß er ernsthaft und stumm mehre Stunden laug ruhig an der Wand Der alte Franzose sagte uns, im Lande wohnteil cimge Fürsten familien und nne große Anzahl Adeliger, die sämmtlich den Da-diau als ihren Oberlehnsherrn anerkennten. Alle sind ihm zur Kriegshülse verpflichtet, nnd es gibt bestimmte Fälle, wo er sie sogar ihrer Lehen uerlustig erklären kann, doch gehört hiezn die Zustimmung eines Vasallengcrichts"). Der Dadian, sowie seine Vasallen haben Bauern als ihre Unterthanen, die in zwei Classen zerfallen. Die eine Classe sind die Hossleute. Sie sind rund mn die Höft ihrer Herren angesiedelt, müssen deren Felder bebauen, und werden auch zu allen andern Arbeiten verwendet, wogegen der Herr sie und ihre Familien ernähren muß. Die zweite Classe sind die eigentlichen Ackerbauern, die ihre Felder für eigene Rechnung bauen nnd Naturalien, Mais, Hirse, Vieh, an den Herrn abgeben, Ob diese Abgaben nach alteil Ocwohnhcitrn feststehen, oder ob die Herren nach Willkür und nach den jedesmaligen Verhältnissen sie festsetzen, konnte ich nicht recht erfahren, ebenso wenig, ob Leib eigenschaft herrsche oder nicht. Ursprünglich soll sie nicht bestände,, haben, aber gegenwärtig herrschen russische Gesetze, und die Herren berufen sich hin und wieder auf diese, um die Leibeigenschaft als bestehend zu behaupten, (5'hrmals zogen dk Miugrelier und Ime-reticr in Scharen nach Grusicn, um als Taglöhner oder Knechte z» dienen. Sie sind ziemlich arbeitsam und tüchtiger als die Grusier. Neuerdings werden Dem Hindernisse entgegengesetzt, damit diese ohnedem schwach bevölkerten Landstriche nicht ganz entvölkert wer den. Der Lohn eines Knechts (nebst seiner Beköstigung und Kleidung) ist 20 Rubel Silber, — Bein, Aufladen des Korns sowie bei allen Arbeiten, die einen augenblicklichen Kraftaufwaud erfo-dern, z, N. das Heben eineö Balkens, Fortwälzen eines Vamns, stoßen sie einen aufmunternden scharfen Nuf aus. Die Einkünfte des Dadian bestehen fast nur aus Naturalien, nnd daher, da man diese hier schwer verwerthen kann, zu Gelde gerechnet schr gering, ungeachtet sein Land über llw Quadratmeilen «roß und sruchtbar ist, Er besitzt oft Monate lang nicht 25 Nubel, um klei,n> Bedürfnisse u»d Rechnungen zu bezahlen. Nur die Wal-dünge,, gewahren emige Geldrevenuen, aber es herrscht bei ihrer Vemchung die allergrößte Verschleuderung, So hatte in diesem *) Wir hörten, oer Dadiau hätte aus Nach^ffcn'i d« Europäer und "wbcsottdn-e der Russe» cmc« eignen Orden a/stifttt, nwmit ^r s»'im' Vasallen erfreute. n»d dessen Stern er selbst triiqe, Die Musseii >si»>,'' riren ^, 20 Jahre der Dadian von ^nem türkischen Speculanten s>ch 200 Rube! Silber zahlen lasse», u»d dieser dnrfte nun, wo er wollte, soviel Schiffbauholz fällen, als er wegzuschleppen vernwchte. Ich N'liudere mich, daß das russische Gouvernement dem Dadian die Veuutzung der Waldungen für ihre Flotte in Odessa nicht gegen eine Rente abkauft. Nach Dem, was ich in Tiflis über das Leben des Dadian, namentlich des verstorbenen, hörte, erinnerte sehr an das Leben der deutschen Fürsten und Herren im 15. Jahrhundert. Der alte Dadian lebte nur auf Jagden und m Fehden mit den nördlichen kriegerischen und räuberischen freien Völkerschaften. Er zog beständig mit seinem Gesolgc von jungem Adel uud Fürsten alls Kriegszüge, oder, wenn eben Friede war, mit seineu hnn'oert Fürsten (so viele erwachsene männliche Glieder der Fürstenfamilien zählte man zuweilen) auf die Jagd*). Dann benachrichtigten sich aber die Hirten untereinander über die Richtung srineö Zugs, um ihr Vieh verstecken zu können', denn traf der Zng auf eine Herde, so wurden ohne Umstände einige Stücke genommen, geschlachtet und beim offenen Feuer gebraten und verzehrt. Wenn Fremde oder Reisende den Dadian besuchten, und namentlich auf solchen Jagden trafen, so schenkte er ihnen sogleich das erste beste Pferd, es mochte gehören, wem es wollte. Aber es konnte dann anch Passiren, dasi der Eigenthümer dem Fremden bei der Abreise auflauerte und ihm das geschenkte Pferd wieder abnahm. Am andern Morgen früh 6 Uhr beim henlichsteu Wetter setzten wir uns wieder zu Pferde. Der Weg führte jetzt stets durch Wälder, aber immer Berg auf Berg ab. Jeden Altgenblick gewannen wir neue und immer schönere Aussichten. Auf den Spitzen hatten nur oft nördlich das kaukasische Hochgebirge, während der Vlick südlich sich in den kleinasiatischen (anatolischen) Gebirgen verlor. Wir. mnßten mehre kleine Flüsse durchreiten, im letzten Frühjahr waren fast alle Brücken fortgerissen. Mitten in diesen Wälder» liege» überall, meist auf Anhöhen, alte hölzerne Kirchen, an unsern» Wege ') Wir sawl vottrefflich al'gcn'chtctr ssallru, 5u- vo,;mM'oisc ^nif den Faua, der Fas^in, al'^enchtct warn,. 21 lagen vier derselben uns nahe. Wir ritten cm paar mal zu rinc, hinan, Gtwa 20 — 25 Fuß i«n Quadrat war von ineinander gefügte» Balken !5 - 20 Fuß hoch eine Kapelle aufgebaut. Das darauf gesetzte Dach sprang auf jeder Seite 10 Fuß vor, und ruhte auf Waren, so eine rund umlaufende Galerie bildend; Fenster hatte die Kapelle nicht, sondern um ein paar lange schmale Oeffnun-gen. Die Thür war mit arabeslenartigem Schnitzwerk versehen, Thurm oder Kuppel fehlte der Kirche, aber zehn Schritt davon stand ein plumpes Gerüst, in welcher zwei Glocken hingeil. Die Kirchen standen daher, wie wir sahen, noch im Gebrauch, aber weit umher war keine menschliche Wohnung zu erblicken, nicht ein mal ein Häuschen snr einen Priester oder Kirchendiener. Tiefe Waldeinsamkeit umgab das arme Kirchlein! Eigentliche Poststationen waren hier nicht, sondern Kosacken statlonen, alle 2—5 Meile» weit voneinander entfernt. Die Ko-sacken werden meist auf diel Jahre hierher commandirt. Wie brauch bar und gelehrig siud oirse herrlichen Burschen! Wie leicht finden sie sich in einem fremden Lande zurecht! Sie hatten sich hier überall völlig häuslich eingerichtet, es lagen ihrer gewöhnlich Rubel Silber Werth. Jeder Hof hat sein bestimmtes abgegrenztes Territorium, aber die zwischen diesen Territorien gelegenen Weiden, Wälder x. sind gemein schaftlichcs Eigenthum der Höfe oder Gemeinden. Hier dürfen sicl> Kinder der Hofsbesitzrr anbauen und neue Höfe bilden, aber nie mals Fremde. Die Bauern sind nicht freie Eigenthümer und uu abhängig, sondern entweder Kronbaueru oder Klosterbauern, oder adelige Bauern. Die Letztcrn gelten für leibeigen, vielleicht erst seit 23 vcr russischen Occupation, die beiden erstcrn Arten nicht. Et»va ci» Sechstheil sind Kranbau«!,, Von jcdrm Vauerhofe, wenn drei oder vier Seele» darauf wohnen, werde» an oic Kronen «0 Kopekeil Silber (ein anderer Beamter behauptete l Nudel Silber) bezahlt; sind weniger männliche Seelen vorhanden, so werden mehre Höft z» dieseni Vrhus zusammengezählt. Außerden» »vird der Zehnte vom Lande gefoorrt, w'enn es Kronland ist, die meisten haben aber eigenes Land. Der Zehnte wird nicht m l^tm-., erhoben, sondern der Mawraf llnd zwei Besitzer setzen ihn von jedem Stück Land fest. Die Klosterballern haben dieselben Abgaben, und wcchrscheiiu lich hat das Gouvernement diesen Modus der Abgaben von dem Klerus adofttirt, außerdem geben jedoch die Klosterbauern noch etwas Wachs und Wein. Die Bauern der Adeliqen sind ziemlich rechtlos und müsse» abqrben, was der Herr «erlaubt. Das Gou uerncmeut verlangt dann uon den Adeligen für jeden ihrer Bauer Höfe « i)tubel Silber Kronabqabe. Der Adel theilt sich in meder» Adel und Fürsten, die Letzten sind aber zum Theil so zahlreich und verarmt, daß uns ein Dorf gezeigt wird, wo l^0 Fürsten zusam^ men .")l> Bauergehöftr besaßen. Doch gibt es auch einige Für stt'n, die eine Anzahl adeliger Lehnsleute haben, welche ihnen von ihren Lehnen bestimmte Abgaben qeben müssen. Sie tonnen diese Vasallen oder vielmehr ihre Feudalrechte und die von denselben aus zubringenden Abgaben sogar au Andere verkaufe» oder vertauschen Ob früher abgeschlossene und dotirte Pfarreien eristirt habe», konnte ich nicht erfahreil, in neuerer Zeit hat das russische Gou "eminent überall Pfarreien mit Land dotirt, auch erheben die ^«jtlichen von ihren Amtshandlungen, Taufen. Trauungen ic., ssaben »der Geschenke, was wir in (5uropa M-i. ^lu!.,u zu neu "n vftegcn. -Lon Kutais führte lins der Weg in die Imeretischeu Ge. lrgc, meist i«„^ tleinen Flüssen her; die Gegend ist wild roman >ly> >vü,"). Herrlichen Honig fanden wir hier, eine Art, die weiß und völlig so hart wie Zuckerkandis ist. Er findet sich bei wilden Viene», und Wachs und Honig bilden eine Masse. Gin grüner Honig, der sich dort ebenfalls bei wilden Vicnen findet, soll eine stark berauschende Kraft habm. Wir näherten uns jetzt Grusien. Von der Station Quercla an führte uns der Weg 6U Werst weit durch tiefe Gebirgsschluchten längs einigen kleinen Flüssen her. Auf dem Gipfel zweier Verge sahen wir die Ruinen von einem Paar Vergschlösscrn. Dann überstiegen wir noch einen bedeutenden Verg, uon wo aus das Hochgebirge sich öffnet, und der Weg zu dem breiten Thale herald führt, durch welches der Kur (der alte Cyrus) sich windet. Hin und wieder begegneten uns einige Fuhrwerke der Eingeborenen der rohesten Art, die Räder wurden meist durch eine runde Scheibe, in deren Mitte ein Loch war, gebildet. Nur ein paar Wagen mit Heu geladen waren ganz wie deutsche Wagen gebildet, gehörten auch vielleicht Colonisten. Ein paar mächtige Holzstämmc wnrden auf der Straße hergcschlcift; nicht einmal das Vordergestell eines Wagens mit zwei Rädern war darunter, sondern es waren nur Kette» und Stricke darum gewunden. Vor dem einen waren 47 Paar Ochsen gespannt! In Deutschland würde man den Vaum auf einem Wagen mit zwei Pferden bespannt über die Chaussee, und mit vier Pferden selbst durch schlechte Wege gebracht haben! Als wir ins Thal hinabführen, lag etwa vier Werst von der Station Surama auf einem in der Ebene isolirt liegenden steilen Hügel eine herrliche Burgruine, die offenbar als der Hauptfchlussel eines hier angelegten militärischen Vefestigungssystems gegolten hatte. <6s lag nämlich davor einc ganze ^inie von einzelnen Thürmen, zeder etwa 1000 Schritt von dem andern entfernt. Ich zählte vercn fünf in einer Kreislinie vor jener Vurg. Im Rücken der Burg waren ebenfalls einige Anhöhen mit Ruinen von Vefesti gungen. — Dergleichen Thürme sind übrigens fast in jedem grn sinischen Dorfe und auf den Höfen des Adels, sie dienten bis noch vor wenigen Jahren, um die Dorfbewohner, besonders Alte, Wei her und Kinder, und die Habe der (5'ingesessenen bei den ränberi 26 schen Einfällen der Lesgier, Tscherkessen, Ofscteil ,c, aufzunchincn und zu schlitzen. Ich lernte an den Orten, dir ich passirte, überall die russischen Beamten und Offiziere kennen. Alle sprachen sich einstimmig da hin aus, daß das hiesige Volk, besonders die Imeretier, bodenlos sittlich drpravirt, daß es grenzenlos diebisch, betrügerisch, lügnerisch, zänkisch fti. Man wirft ihnen vor, daß sie, als das russische Gouvernement vor Jahren eine Art Kataster, um das Eigenthum zu conslatiren, angelegt, eine Menge falsche Documentc geschmiedet, falsche Zeugen gestellt, wodurch große Ungerechtigkeiten im Vesitz sanctionirt wurden, (M ist aber dadurch doch seitdem eine ge. wisse Sicherheit im Nesitz eingetreten und der Proceßsucht Schrat ken gesetzt,) Auch der französische Haushofmeister des Dadian behauptete dies. Und doch ist es eins der schönsten Völker der Erde, mit edelm, ausdrucksvollem, geistvollem Aeußern! Ich kann un^ möglich glauben, daß dies ganz im Allgemeinen »uahr fti^ wo cö ist, ist das Volk gewiß nur verdorben, nicht ursprünglich schlecht, und gewiß sind die obern Schichten und die Versunkenhcit der Kirche Schuld daran. Nachdem wir ein paar Stunden Nachtruhe gehalten, erreichten wir am 1». August früh das Städtchen Chori*). Der russische Posthof liegt vor der Stadt. Man hat hier eine entzückend schöne Rundsicht, im Norden die majestätische Kette der Gletscher des Kaukasus vom Morgenroth angehaucht, die Gipfel des Elborus und Kasbek") hoch hervorragend, im Süden das Hochgebirge von ') Chori soll in der Lanbcospvache Vcrg bedeute». Russisch heißt "^ebenfalls Vcrg. (Hon soll übrigens das Gorsenna des Strabc sein. N , " Glborns ist orr höchste Vcrg der faufasische» Kcttc, ja ganz , dcrasie,", " ist über 18.50den Karatschai "lW-Hau. bei dnl Abasftn Olsi-If^nl' oder Itnb. bei den Suauetcii -pajia; dlc Kosackcn nennen ihn Shat-Gora. ^ Der Kaübeck hat dicsen Nan,c» von dcn Nüssen cihalten. ^l ^hrcn "o H^nvtlin^o KajV'V^. dcr am ^»ßc desselben im Dorfe Stephan 26 Akhalzick, Die Vorgebirge, überall bedeckt mit romantische« Vurg ruinen, im Vordergründe unmittelbar vor uns auf einem steil und Tyminda wohnt und den Russen sehr ergeben ist, und heißt daher eigen»-lich Kas'begS-Kaja-Gora (Kasbegsberg), die Georgier nennen ihn Mqin-wan (Eisberg), die Osseten Zeristi-Iub (Christiberg), die Tscherkesseu Urs-Vhoch (der weiße Aerg). NnS den, ersten Dämmern der Geschichte tritt uns eine (Gestalt eut gegeu, die nach orientalischer Sage als Deiuiurg die Wett und das Meu-scheugeschlecht schuf und bildete, aber gegeu deu ^.'illen des höchsten Gottes ihm eiuen Fünfen des Lichts (eine Frucht des Vaumes der Erkenntniß) mittheilte, und deshalb Vo» Gott verstoßen und mit Ketten an Abgrunde festgesch miedet ward. Die griechische Mythe nennt diese Gestalt Proine-theus (der versöhnende Gott), ^in Titan aus dem ältern Zottel Geschlechte, Als er das Licht des Himmels einwendet und dein von ihn, geschaffenen Menschengeschlechte gebracht hatte, lieft ilm Zeus für ewig an einem Fel seu dec! .^aufasns schmieden. Dieser sselseu soll nach eiuer Oelehrteusage der Kaobek (MqinN'ari) gewesen sein. Vei deu Abchasen, die in der Umgegend des ÜlboruS wohnen, scheinen sich aber wirklich noch Sporen jener Mythe erhalten zu haben; sie behaupteu »amlich, aus den tiefen Höhlen-llüften des Verges höre man oft Kettengeklirr und klagende Seufzer, Ihre Sage berichtet: Ginst sei ein Mann ihres Volks iu die tiefste» Klüfte hinabgestiegen, da habe er einen gewaltigen Niesen gesunde», der z» ihm gesprocheu: Du Menschenkind der Ol'erwelt, der du es gewagt zn mir heral'zusteigen, berichte mir, wie das Menschengeschlecht dort oben lebt. Ist das Weib uoch dem Manne treu? Ist die Tochter noch gehorsam der Mutter, der Sohu dem Vater? — Als der ?lbchase dieses bejaht, da knirschte mit den Zähneu und jammerte der Wiese: ,,So muß ich denn uoch wieder hier nuten eine Zeit seuf;eu uud Nagen!" l^> ('ul»8t os (^i,c!i!«!?ii>. I.oll^ut!, Itt^. l'"?- 1^) — Die Slythcu oberhalb des Kaufasus solleu übrigens eine Gottheit besonders verehrt haben, die sie in ihrer Sprache Fromtheut, d. i. wohlthätige Gottheit (eine merkwürdige Nannnsahulichleit mit Prometheus!) nannten (l'«llollli«, Ililttoii'l,' , <'«,'It!>.^). An diese beiden Hauptl'erge des Kaukasus knüpfen sich nun überhanpl ganz besonders die mannichfachslen Sageu uud Mythen des Orients: Aus der höchsten Spitze des (Morus soll die Arche Noah's Zurrst wieder die <5rde berührt halxu, dann al'er Weiler l'il' znm Ararat fortgetrieben sein, daruin dars auch f«iu nieuschlichcr Fuß seinen Gipfel betreten ohne besondern Befehl Gottes, — Zoroaster bezeich net deu Eloorus als deu Sitz Arimcni's, des Gegenpriucips des Ormuh. Auf dem Gipfel des Kasbek soll eiu krystallenes Schloß stehen und dabei ein Tempel, in desseu Mitte eine goldeue Taube schwebt. In den Felsen unter der Region des ewigen Schnees sieht man un^lilige Höhlen i« die Felsen gehanen, Wohnungen der Troglodyte« oder spater frommer Oin- 27 tsolnt auö der Ebene aufsteigend«, hohen Hügel vie »lächtigen Numm des Schlosses von Chori, an welchem die Stadt sich amfthi- ssedler; eine eiserne Kette, die ader nur besonders fromme und begünstigte Veute sehen können, hängt herab. An ihr steift man hinauf zum Zelte Abrahams und zur Wiege Christi, die sich dort befinden. Der Kaukasus und vorzugsweise diese beiden Berge, sind nach anderer Sage der Siß nnd die Wohnungen der Divs, jenes mächtigen Geschlechts der Vorgeschaffenen, welches vor Adam die Vrde bewohnte, aber auch in Sünden verfiel u»d von G>,'tt hierher verbannt wurde, als er Adam mit der Erde, sie zu beherrschen, belehnte. Diese Divs wurden nach einer persische» Sage von Haschtut auf einem Nosse mit zwölf Füßen betämpst. Sie schleuderte» Felsen auf ihn und tödteten ihn; er liegt hier im Kaukasus begraben, Die ältesten Mythen des Menschengeschlechts, alle vorderasiatische» (die irauischru und tnranischen) Sagen finden ihren Hauptfuotenpunkt in, Kaufasus. Als der Mohammedanismns sich verbreitete, famen noch biblische Sage,, und Deutungen l,in;u. Jenseits der großen Mauer, die zwischen dem Schwarzen u»d Kauschen Mcl're qner über den Kautasus gezogen, wohnen Gog und Mag^'g. die einst die Mauer nberstcigrn und das Rcich der Gläubigen zerstören werden. Dieses gilt als eine miiniM'Ibale Prophe^ zeiung Mohannned's, Wie psychologisch mertwnrdig, scheinbar in, Principe widersprechend, das; die Religion, die am strengsten auf den Monotheismus dringt, alle Alten von Mythen, welche wir Europäer Aberglauben nennen, den Glauben an ein ganzes Neich von Geistern und von Mittelwesen zwischen Gott und Menschen, zwischen Himmel und Hölle nicht blos bei ihren Aolfern duldet, sondern sogar in das Neligionssystem verflochten hat. Vei den Mohammedanern ist der Kaufasus das Gebirge Kaw, welches die Grdfläche, das Reich der Gläubigen, wie ein Wal! umgürtet. Auf ihm und iu seinen höchsten Schluchten thront das Reich der vor Adam aus sseuer geschaffenen Dschinnen (Genien?). Sie haben die Bedürfnisse ^er Menschen, sie essen, trinken, gehen Heirathen ein (selbst, und gern, "Nl Menschen). Manche von ihnen sind Gläubige des Islam, die meiste» "ber Ungläubige. iü Bezug auf »rieillalische Dämonomanie und deu mil derselbeu iil Verbindung stehenden oeeulten Wissenschaften der Araber Folgendes mit: ,,Eö ist clnc merkwürdige Thatsache, daß sich in deu Aberglaube» aller Völker der Erbe, vom civilisirte» Europäer bis zum geistesarmc» Neger, eine auffallende Aehnlichkeit, wenn uicht Ucbereilistimmuug der Idccn herausstellt. Wer v»n uno hat die Märchen vergessen, welche in dcn Kinderjahrcu das jugendliche Oemüth mit schauerlichem Entzücke» erfüllte», wer die Zeit, wo die junge Einbildungskraft schätzebewahrende Geister, Gnomen uud audere Kodoldc in phantastische Formen goß, wo »och am Vache des Wiesengrundes l^lfeu und Nireu ihr Weseu triebeu uud im Gebüsche der Erlköuig throute? — Derselbe lindliche Wahn erfüllt auch die Seele des Arabers, des Orientalen überhaupt, und beschäftigt seine rege Einbildungskraft. Gr bevölkert jede Ruine n,it Geistern, dcue» die daselbst verborgenen Schätze znr Obhut anvertraut sind, jrdeu Verg mit Däiuoueu, welch« das Gold und die Edelsteine bewache», die iu ihm verborgen liegen; aus volkreichen Straßen und Wüsteneien, in Waldungen uud Gewässern, ja ftlbst in deu geheimsten und schmutzigsten Orten der Hänser läßt er Geister umherschweifeu. Er sieht sie in jeder Nalurerscheiunng, in Vlitzen uud Irrlichtern, ill Sand- lind Wasser-hose«. — Diese Uebcrcinstimmuna, beweist znr Geuüge, daß der Glaube an höhere, die Kräfte der Natur willkürlich lenkende und sie sinnbildlich dar stellende Wesen, sowie an deren direcleu Eiuftus; aus den Menschen iu der Tiefe des menschlichen Gemüths ursprünglich wurzelt uud »ichl erst durch Erziehung iu dasselbe gepflanzt, folglich auch nicht erst durch Dichter er fundeu wurde."' „Bei dm Mohammedanern ist der Glaube an die Eristeuz dieser Wesen 29 ver reichsteil Vegetation. Kleine zwischen Väumen mid Gebüsch versteckte Dörfer mit mächtigen VefestigunMhürmen geigen mm. durch den Koran sanetionirt lind die Dämouoinanie in ein eigenes System gebracht worden, nach welchen, die Geister elassificirt werben, und zwar wie folgt": ,,Die Ginni (Plural vou Gin, Genius) stehen als ein Mittelglied zwi schen Enget und Mensch oben cm ,md zerfallen in zwei Nassen, nämlich in Mohammedanische (Gute) und Ungläubige (Böse). Alle sind einer und derselben Abstammung, nämlich des Feuers, und ein präadamitisches Ge^ schlecht. Ihr HauptaufenthaltSort ist das Gebirge Goas (Kaulasiis), welches die ganze Welt gleich einem Ringe umgibt. BiS zur Erschaffung des Menschen wurden sie von Sultanen regiert, deren sie 72 zählen, uud welche, mit Ausnahme des letzten, alle den Namen Soliman (Salome) führten. Dr,- letzte hieß Gau, weshalb baö ganze Geschlecht mit den Namen Giuni belegt wurde. Diesem Gan und seinen: Geschlechte schreiben die Araber die Construction aller der großen Gebäude, wie Pyramiden n. a. m, zu, von denen sie nicht begreifen tonnen, wir Menschen im Stande gewesen sind, sie aufzuführen; fragt man rincn Araber nach den, Erbauer solcher lolossalen Monumente, fo erhält man gewöhnlich znr Antwort: sie sind von Gan-ibn-Gan (von Gau, den, Sohne Gans) erbaut worden. Die Ginni essen und trinken und pflanzen sich sowol unter sich als auch mit Menschen fort; in dieser Beziehung behaupten die arabischen Geschichtschreiber, baß Valkis, die vielbernhmte Königin von Saba, welche Satomo besuchte, von einer Gin geboren wurde, vou der sie die Weisheit empfing, welche Salomo so bezanberte. Ferner können sie jede l'eliebige Form annehmen, wie die von Thieren, Bäumen, Steinen, Eaud->md Wasserhosen, Blitzen, Irrlichtern u. s. w. Der größte Feind dieser Ginui ist das <5iseu, weshalb auch die Araber, wenn sie eine Sand- oder Wasserhose heranlommeu sehen, oder wenn es blitzt, das Nort l''I Illxlicl (das Wsen) ausrufen, in der Hoffnung, daß der als Blitz, Sand- oder Wasserhose eiuhcrfahrende Gin, durch die Nennuua, seines gefürchieten Fein-des tischte^ vorüberziehen möge. Während deö Namadans (Fasteumouat) ""deu Mc (^!i,lni, gute uud böse, von Gott eingesperrt, damit sie wäh-rend dieser heiligen Zeit die Gläubigen nicht beunruhigen. Sie sind im höchsten ^l^ Manila, »nb rachsüchtig, uud man muß sich daher sehr l" 'lcht nehnien. etwas ans sie fallen zu lassen, sie anznspeien, oder mit N'genb <>twas zu begießen. denn sie rächen sich für solche Beleidigungeu durch cincn Stoß oder Schlag, welcher deu Beleidiger entweder tödtet oder verkuppelt. Da uuu nach den Begriffe» der Araber diese Wesen liberal» 'Uld, so sagen sie, wenn sie etwas fortwerfen, auSgicßen, ausspeien oder 'hre natürlichen Bedürfnisse befriedigen, 1>»clm'. oder lo^^li,- >i> M,r-"'^'"- (Gebet Acht, zur Seite oder gebet Acht ihr Gesegnete,!.') Die' 'er Glaube steht bei beu Arabern so fest, daß sie Vertrüppelunge» oder 3l) fleißi^eu Landbau. Ich ^ebe anbei in zwei Illustrationen Än. sichten des Mborus und des Kasbeck, von meinem Reisebessleiter, plötzlichen Tob dem Iähzornc oder der Rache eines Gin zuschreiben, So fragte ich eine Frau, welche ein verwachsenes Kind (eine Srllenbeit in Arabien) an der Hand führte, nach der Ursache der Vertrüppelung, und sie erzählte mir, daß das Kind von ihren, Arme gefallen sei, und da sic im Schrecken vergessen habe, iesdnr zu rnfen. so hade der Gin, auf den das Kind gefallen, dasselbe dnrch einen Schlag verkrüppelt/' ,,Die andere Art von Dämonen sind die eigentlich bösen, nnd werden eben deshalb ganz besonders gefürchtet. Sie heiße» Ghnl, sönne» wie die Ginni alle möglichen Gestalten annehmen nnd halten sich nnr an einsamen Orten, besonders aber auf Todtenäckern und Schlachtfeldern ans. wo sie die Leichname ausscharren nnd verzehren; sie begnügen sich abev nicht allein mit diesen, sondern verschlingen anch lebende Menschen. Sie sind, wie die Ginin, Kinder dcs Feuers und pflanzen sich, wie sie, nnter sich und mit Menschen fort. Um dein Iahzorne nnd der Rache der Ginni sowie der Bosheit dcr Ghnl zu l^geguen, werden Amulette (Hegäb) angewandt, von denen diejenigen vorgezogen werden, in denen die W Attribute der Gottheit, ober die Namen der Propheten ruthalte» sind. Uebri-genS begnügen sich die Araber auch mit minder inhaltsschweren Amulette», und es ist gar nicht nöthig, daß sie von Mohammedanern geschrieben sind, denn ich sah oft, daß sie solche von Christen und Juden schreiben ließen und mit derselbe» Ohrfurcht behandelten, als wenn sie von ihren Glaubensgenossen verfaßt worde» wären. Ost gebrauchen sie Gegenstände zn Amnletten, welche wol in keinem andern ^aiide zn dieser Ohre gelangt Wären; so sah ich einen Beduinen, welcher den Deckel einer nürnberger Tabacksdose als Amulet um den Hals trug, auf dem ein Äouqnct Nosen nnd Vergißmeinnicht und die darüber stehenden Worte «Wandle anf» zn sehen waren; er war der festen Neberzeugnng, daß dieser Deckel ihn gegen Verwundung schütze. " „III Arabien, dem Vaterlande der Zauberei, lebt der Glaube an sie »och in primitiver Frische fcrt. Diese geheimen Künste, die Jeder fürchtet, aber Niemand kennt, werden in zwei blassen getheilt, nämlich in gute und böse, welche je nach dem Zwecke ihres Wirkens in verschiedene Unter-abthrilnngen zerfallen, Unter guten versteht man solche, die nur durch die Macht des göttlichen Namens und den Veistaud der (5ngcl und guteu Genien wirksam werben, und deren Zweck ein guter ist. Die unerlaubten und verdammungswüldigen Wissenschaften verfolgen entgegengesetzte Zwecke, indem sie zur Befriedigung der Nachsncht nnd der Habsucht angttvandl werden, daher der Veihnlfe böser Genien bedürfen. Die ganze Kunst be-steht also darin, gewisse Zauberformeln zu kennen, welche die Kraft besitzen, die zur Ausübuug derselbe» erforderliche Hülfe von dcn Genien zu er zwingen/' Zu den ersteren gehören.- DER KASBEK . 34 dem Flnsll'ü Viuen, gezeichnet. Der KaSbeck ist uou rinem a», Fuße desselben liegenden Dorfe aus aufgenommen, Ueber die Zeich „I/sIm «i- Nücdmüni (die gottliche Wissenschaft, in Bezug auf or barmimgsvoll), auch Uoln, or Nnl'Illini (Wissenschaft der Geister) genannt. Durch sie kann man Krankheiten heilen, verlorene und gcstohlenc Sach^il wiederfinden und regnen lasse». Ich habe im Oriente mir einmal diese Knust, und zwar mit Erfolg, hei (Gelegenheit eines Diebstahls ausübe» sehen; hier war aber der dienstbare Geist lein anderer, als das böse Gewisse». Es war nämlich in dem Hause eines türkischen Obersten ein werthvoller Gegenstand entwendet worden, und alle Nebenumstände deuteten darauf hin, daß einer der Diener der Dieb fein müsse. Der Oberst ließ einen arabischen Priester kommen, der in dein Nufe stand, die Wissenschaft Or Äachmani aus dem (Grunde zu verstehen. Sämmtliche Diener wurden in einem Zimmer aufgestellt und auf Verlange» ein schwarzer Hahn gebracht, welchen der Priester, «nter Anrufung mehrerer l5»gcl und Genie» schlachtete. Hieraus befahl er den Dienern, einer nach dem andern den todte» Hahn mit einer Nabel zu stecheu, und benachrichtigte sie, daß derselbe bei dem Nadelstiche des Schuldigen fräheu würde. Die Diener träte» nun der Reihe nach vor, um die Probe abzulegen, während der Priester jeden Vortretenden mit scharfem, prüfenden« Blicke ins Auge faßte. Der Schuldige, der fest'an die Wirksamkeit der Procedur glaubte und die Entdeckung seines Diebstahls sowie die dort nie karge Dosis Stockftrügel herannahen sah, zitterte heftig. Der Priester ließ, wie mau sich denken kann, die Probe nicht weiter gehn, sondern sagte ihm gerade zu, er sei der Dieb, welches dann auch gleich eingestanden wurde." ,,>8'i,l ^Ulül (der Name Gottes, oder lü'm ^xüüin l>er sehr große Name d. h, (Hotted) ist dieselbe Wissenschaft, wie die vorige, jedoch in ihrer größtmöglichen Vollkommenheit, und daher von Niemanden,, außer drn Propheten und Aposteln, erreicht. Durch sie kann man Todte erwecken, böse Geister auötreibe», Sturme beschworen und sich zu ein und derselben Zeit in seinen, Hause und in einer weit entfernten Weltgegend befinden. Das Schloß zu dieser Wissenschaft ist Gott, nnd Mohammed der Schlüssel," ,,M lvun'i, ist die Wissenschaft wirksame Amulette zn schreiben." ,,Die verbotenen nnd verdamnuingswüldigen Wissenschaften werden Ußim.l'ij-Hc'Ii^llm, (Wissenschaft der Teufel) genannt." Hierher gehören: ,,K» 8^mii!, Im Besitze dieser Wissenschaft kann man sich Käuzen und Dolche durch irgend einen Theil des Körpers stoßen, ohne baß eine Wunde oder Narbe zurückbleibt; auch befähigt sie, Geister erscheinen zu lassen." .,!>> !!!tmlc) (Wissenschaft deS Sandes). Vermittelst dieser Wissenschaft rann mmi ans der Lage einiger anf dein Sande hingeworfener Strinchen "nd Muscheln das künftige Schicksal eines Menschen kennen lernen." ..!^8,'n ihr loszukommen, beschloß er nach Äassora auszuwandern, und sagte seiner Zukünftigen, daß er in Geschäften verreisen »misse, jedoch nach Jahresfrist znrückkchrcn und sein Versprechen lose» würde. Die Witwe, welche schon seit einiger Zeit «ine gewisse Kälte an ihm bemerkt hatte, ahnte den wahren Grund seiner Abreise und verlangte, d^ß er ihr die Haare zum Unter-Pfande übergeben solle, welche er sich von seinem Kopfe rastren lassen würde. Froh, so wohlfeilen Kaufs davon zu kommen, eilte er zu einem Varbier und trug demselben auf, die abrasirten Haare in einem Papiere zu sammeln. Der Barbier, wie alle seine Kollegen ln allen Reichen der Welt, in der ^ln'nrm>l!0 scmnliümls« der Vaterstadt eingeweiht und mit der, den Mitgliedern seiner Zunft eigenen Beobachtungsgabe ausgestattet, witterte in diesem sonderbaren Verlangen nichts (Antes, nnd erkundigte sich daher «ach der Ursache, die ihm anch der Kaufmann mittheilte. Der erfahrene Barbier beschwor ihn dann, der Fran nicht die Mittel in die Hände zu geben, jene teuflische Kunst, Siclsr, au seiner Person auszuüben, und rieth ihm, seiner Vrant die kurz abgeschnittenen Haare seines schwarzen Ziegrnbocks statt der seinigen zu geben, und setzte hinzu, daß, im Fall er nach der bestimmten Frist von einen« Jahre nicht zurückgekehrt sei, ganz gewiß eine Verwandlung des Vocks stattfinden würde. Der Kaufmann folgte dem Rathe und nahm den Ziegenbock mit nach Vassora. — Schon einige Wochen waren seit dem Ablaufe des Jahres verstrichen nnd noch immer war der Bock unverändert, da horte der Kaufmann eines Morgens, statt des gewohnten Meckerns, ein seltsames Grunzen, und fand, daß der Kopf des unglücklichen Ziegenbocks in einen Schweinskops verwandelt worden war." ,.IIcIn, <>,- Nueki^l'll ist ein Zweig der Wissenschaft I?» H!,Il'i' nnd wird gewöhnlich von Frauen angewandt, um einen Mann an sich zu fesseln (I'liilli'll) oder anch, nm sich an einem ungetreuen Liebhaber zu rächen, indem sie ihn seiner Mannbarkeit berauben, oder ihn nach einem lauge» Siechthlim sterben lassen". Von der Art und Weise, wie sie Dieses ausüben, erzählte man mir Folgendes: die Nacht vlN'äMfcchn'n l>nd befand mich am Morgen »litten in der südrussischm Steppe, 9iicht^ wie Himmel und unermeßliche ,,Vine von ihrem Liebhaber Hintergangene ^ran nahm ein Stück S>ise und warf es, nachdem sie über dasselbe gewisse Zauberformeln gesprochen hatte, in einen Brunnen. Die Lebeiisfrafte ihres Beleidigers nahmen nun in dem Maße ab, wie sich die Seife auflöste, und derselbe starb, als sich das letzte Seifenstückcheu aufgelöst hatte, " ., llelm en I^u^lim lWissenschaft der Sterne). Zu dieser Wissenschaft gehört auch die Astrologie, auf welche die Araber, und überhaupt die Orientalen, uoch jetzt sehr viel halten, sowie auch die Kunst, aug dem uumcrischeu Werthe der Buchstaben des RamenS zweier Personen da? Schicksal derselben vorl^rzusagen: wie dieses geschieht, habe ich nicht erfahren können, man ist damit äußerst geheimnißvoll," ,, llolm el Klm^i! ^Alchimie). Von dieser Knust habe ich u»r zwei Adepteil getroffen, von denen der eine geradezu behauptete, Oold machen zu können, uud als ich ihu fragte, warum er bcnn so arm sei, mir znr Ant-wort gab, er dürft nicht mehr machen, als er zur Erhaltung seines Lebens uothdürftig brauche, denn nnr unter dieser Vrdingllng stände» ihm die Ginni zu Gebote. Der zweite war ausrichnger, denn er gestand mir, daß er fast sein ganzes Vermögen dabei zugesetzt habe, jedoch Ware er schon sehr uahe am Ziele, uud es fehle ihm weiter nichts, alö ein gewisses Kraut (ll.i8l?l^«c:lil>ub oder Goldfraut), welche-? er bis jetzt „och nicht habe finden sönnen. Er leugnete, daß ihm bei Aueüibnng dieser Kunst Geister behülftich wären." — ,, Dieser Lehre von dem nmnittelbaren (5i»siussc einer (Yeisterwclt auf dir Schictsale und Thaten ver Menschen reiht sich der Glaube an die verderbliche Wirkung des bösen Blicks an, den man übrigens auch i» Europa, besonders in deu südliche» Gegenden desselben, sindet, Um sich und dic Ihrige« gegen denselben zu schuhen, wende» die Araber mancherlei Mittel an: so z. V. befestigen sie aus deu Köpfe» ihrer Kiuder «rschnebeue Amulette, kleine weiße Porzellanschnecken unt> None, mit Stückchen Knoblauch, Weihrauch, Alauu und Salz gefüllte Säckchen, (hau; bcsouders schützeud sind Sackchen, welche mit Staub oder (^rc vom Grabe d^ Propheten gefüllt sind, sowie auch das Besprenge» mit dem Wasser ^s heiligen Brünne» Zemzrm (m Mefta). Ueber die Hausthüren hängen Ue ganze Kuoblauchbüschei sowie Eäckche» mit Alaun, Salz und Weih-»auch. Besonders nbcr die Eingänge neuer Häuser wird eine ganze Aloe-Pftauze anfgsh^,,,^.,,^ ^^^ ,,^,l glaubt, daß der Prophet dadurch veran-ta,N werde, den, Hanse einen Besuch abzustatten. Die Beduinen hängen, um ,hre Kameele vor dem bösen Blicke zu bewahren, denselben allerlei «us dem Wege gefundene Sachen au, wie Stücke von alten Sandalen, "'"den,. Hufeisen u. s. w. ,.Verm»lhet ein Araber, daß iigeur jemand, «i^, sei».r Vorsicht, auf >» 3z „wiwlone Fläche, tiefe, lautlos»' stille! Da erblickte ich links, an gehaucht von» Morgenroth, die Spitze ves (?lbovns, wir einen ihn oder auf seine Kinder «'inen bösen Blick geworfen hat, so glaubt er ihn unwirksam zn luachen, indem er ein Stück Alaun von der Groß,' einer Wallxnß auf glühende Kohlen legt und drei Fatha (einleitende Capitel des Korans) sowie breimal das letzte Capitel des Koran betet De„ so gebrannte,! Alaun stoßt er dann zu Pulver, vermischt ih» mit irgend einer Speise nud gibt dieselbe einem schwarzen Hunde zum Fressen, Hiernut glaubt er den Zanbcr vernichtet zu haben, denn seine aufgeregte (5inl'ilc>nngötrass läßt ihn in dem, dnrch die Hitze zu allerlei phantastischen Formen angeschwollenen Alaun die Züge Dessen erkennen, der auf ihu und die Seinigen den bösen Vlick geworfen hatte. Andere verbrennen in solchen Fällen ein Stückchen von der Kleidung Dessen, der dem Einflüsse des bösen Vlickes ausgesetzt gewesen ist, mit etwas Alaun und Salz nud beten dreimal die Fatha, Von den Frauen wird oft ein anderes Mitte! angewandt; sie nehmen nämlich ein Stückchen Papier und durchstechen es mehre male mit den Worten, «dieses sind die Auge» Desjenigen oder dee« N. N., der mich beneidet und deshalb einen bösen Blick auf mich geworfen hat", worauf sie es verbrennen, Hinter citier Person, die in dem Ruf steht mit dem bösen Vlick begabt zu sein, wirft man zur Vorsicht irgend ein irdenes Geschirr entzwei," ..Träume spielen in dem Leben eines Arabers eine bedeutende Rolle, denn sehr oft bestimmt ihn ein Traum, bereits beschlossene Unternehmungen aufzugeben und Pläne zn ändern, zu entwerfen, deren Aufführung dann aus seine ganze Zukunft einwirkt. Die Heilige Schrift und die arabischen (Geschichtschreiber führe« eine Menge solcher Falle an, Erzählt ein Araber einem andern, daß er einen Traun, gesehen hat, so will es die Sitte, daß dieser sogleich Xlwii- inn Iinllnl, (em guter, so Gott will) sagt, Erwacht Jemand nach einem bösen Traume, so muß er, um das Eintreffen desselben zu verhindern, dreimal über die linke Schulter rückwärts speien »nd eben so viele malr die Fatha beten," ,,Die Beduinen des Hadramant (Provinz in Südarabie») hegen den höchst originellen Aberglauben, daß Jemand, der über sie hinschreitet, weuu sie ausgestreckt auf dein Boden liegen, alle seine Krankheiten nnd sogar alle Stoffe, aus deuen sich bei ihm künftig Krankl^iten entwickeln können, auf sie übertrage. Mit diesem Aberglauben wurde ich folgendermaßen be-lannt: Mehrere Beduinen lagen ausgestreckt um das Feuer meines Füh rcrs, während ich mein Lager einige Schritte von ihueu aufgeschlagen hatte. Um meine Pfeife anzuzünden wollte ich zum Feuer gehn, nnd da ich keinen Durchgang fand, schritt ich über die Beine eines Veduiueu hin. Ich erstaunte uicht wenig, als dieser aufsprang und mir im heftigste« Zorne die bittersten Vorwürfe machte, daß ich ihn mit Krankheiten überschüttet hatte. Mein Führer trat dazwischen, machte mir axch, jedoch in LithJnst v Arnz 8CD in Dus$e', daß, da den» so wäre, ich erbötig sei, ihu wirber über mich hin wegschiciten zu lassen. DiescS Anerbieten wurde auch sofort angenommen i 'ch legte mich nieder und der Veduiue schritt über mich weg. Ich sah au seiner zufriedeueu uüd triumphirenden Miene, daß er sich im Inner» Glück wünschte, mir nicht allein meine Krankheiten zurückgegeben, sondern auch alle seine ietzigen und zukünftigen aufgebürdet zu haben." — „Iu religiösein Sinne unrein <^i^!5), also untüchtig zum Gebet, sind Diejenigen, welche mit Nussa!; behaftet siud, irgend ein Aas berührt, oder mit dem ander» (Geschlechte vertrauten Umgang gepflogen haben, bis sie in ersterm Falle geheilt find, »nd in letzter» Falle» sich vorschriftmäßig gebadet haben. Ein solcher Unreiner bringt der Person Unglück, die am Morgen zuerst von ihn, begrüßt wird, uud der Zustand eincs Kraulen verschlimmert sich, wenn er in das Krankenzimmer tritt." „M'wisse Vorbedeutungen, welche die Araber ane« den „„bedeute,,dslen Ereignisse» ziehen, übe» einen entschiedenen ^inftiisi ans ihre Uut.'rneh-muugen aus. So sah ich einen Haufen Beduinen, die auf einen Naub-zug ausgezogen waren, nach einer Viertelstunde zurückkehren, weil eine Schlauge vor ihneu über deu Neg geschlichen war, Eben so uuhril-verkündend ist es, weun an, Morgen bevor man sich gewaschen hat, etwas zerreißt oder zerbricht, »der wen» Jemandem beim ersteu Ausgange ein Raubvogel cütgcgeustiegt: fliegt aber der Raubvogel vor ihu, her, oder entfernt sich die Schlange von den, Wege, welchen er geht, so wird es als ein gutes Ome» augesehn. Auch aus den Zeichnungen, welche mau in dem Schulterblatte einco Kameels oder Schafes bemerkt, bestimmen die Vebuiucn, ob eine Uuteruehmuug, auf der sie ausziehen, gut oder schlechl eudeu wird. " ,,6>auz wie in Guropa, haben auch die Araber, wenn auch mit eiui ^eu Abäuderungen, gewisse Tage, die auf die an denselben vorgenommenen Geschäfte einen glücklichen oder unglückliche» Einfluß ausübe». Als unglückliche Tage gelten: Der Sonntag, weil er der Todestag des Propheten ist. der Monlag, de, Donnerstag, weil an ihm ciue Menge Hei-!>lie den Martyrertod erlitte»; ganz besonders unglücklich aber sind der Sonnabend und der leftte Mittwoch des Mounts Saffer. Jedoch sind unter pil'sfn Tage» einige, welche für gewisse Verrichtungen glückbringend U»d i sl, der Sonntag zur Vollziehung der Ehe und der Donnerstag zum l^'il^ß, ^»t einer dieser „»glückliche,! Tage in der Zeit der Beira»,- 5 36 fernt ganz allein, oil' übrigen Berge liegen hin »ocli alle un dem Horizont," Die ülte Schloßruine hat zwei Aufgänge, der eine von der Stadtseite, vo» der ich hinaufstieg, der andere vom Waffer her, wo ein von Mauern mit Thürmen und Zinnen bedeckter Weg, um zum Wasser zu gelangen nnd Ausfälle machen zu tonnen. Oben stehen die zwei Ringmauern und Thürme noch erhalten, alles Uebrige liegt in Ruinen, Neste von Gewölben, Kellern und Brunnen, eine Art von Verließ, sind zu erkennen. Die Bürger von (5hori retteten in Zeiten der Gefahr ihre Habe hierher, manche batten sogar kleine Häuser birr oben, deren Hauöplätze theuer be zahlt wurden. Ein? hübsche Volkssage ward mir von einem in Chori ansäßi gen Armenier, der mich überall umhcrführte, erzählt' Einst vor tausend Jahren war diese ganze Fläche ein u» geheurer See, aus dem der jetzige Schloßberg als ein unwirthba res Eiland hervorragte. Da ritt die Czarewna Thamara in dieser Gegend auf dir Jagd, Sie halte einen vortrefflichen und geliebten Falken anf der Haud. Sie ließ ihn steigen, der Falke stieß auf eine Taube, verfehlte sie aber und ftog nun, ohne auf das bocken der Fürstin zu hören, fort über den See und setzte sich auf den, nächsten Eilande, dem jetzigen Schloßberge nieder, Da versprach die Fürstin Dem, der ihr den Falken wiederbringe, ihr halbes Reich. Ein kühner junger Reiter sprengte sein Pferd in den See und schwamm glücklich zu dem Eilande hinüber, fing bier den Falken, allein auf der Rückkehr sanken Pferd, Reiter nnd Falke in die Tiefe hinab und wurden von den Wogen be^ graben, — Die Fürstin aber ließ den See abgraben, und dessen Wasser in den ^iur leiten, dann aber baute sie auf dem Berge ein Schloß, und vertrauerte dort einsam ihr Lebe», seste, so wird er zu «ine», glückliche». Der erste Tag eines Monats, nwge er heißen wie ez wolle, und der Freitag werden al,? glücklich betrachtet. Letztl'N'l, weil er der Tal'bach der Mohammedaner ist, weshall' cr auch de» Äelnamrn (51 Fadilch ldei Aoitreffliche) erhalten hat, Alle ul'NlM i^' sind indifferent," 3? Die Sage gleicht in ihren Hauptzügen durchaus den deutschen Sagen, wie sie deren z, B. die Vrüder Grimm gesammelt, sowie sonstige» europäischen, Die Volkssagcn und Märchen sind älter als die jetzigen Völker, sie sind in ihren Hauptzügen rin gemein, sames Gut des Urvolks, ja der Menschheit, aus dem die einzelnen Völker hervorgegangen, und jenen Schatz in der Erinnerung Jahrtausende hindurch erhalten haben. Die Sagen heften sich nur immer wieder an neue Personen und Lokalitäten an, und nehmen dann mehr oder weniger die Farbe des Landes an, wo sich das Volk ansiedelt, aber die Grundzüge bleiben, sowie die bestimmten abgegrenzten Ideenkreise, in dem sich alle Sagen bewegen. Etwa 9 Werst von der nächsten Station, Tschali, erblickte ich links am Wege abermals mächtige Ruinen. Nahe bei einem kleine» Dorfe ist ein etwa ein paar Morgen großer Raum mit noch ziemlich erhaltenen hohen Festuttgsmauern umgeben*), nördlich steht ein Thor mit einem Thurm darüber, im Innern des Raums liegen dtc Ruinen eines großen Gebäudes und mrhrer kleiner. Man sagte uns, das Ganze sei ein großes ansehnliches Kloster ge Wesen und heiße Santawarwisi'*). In der Mitte des Platzes liegt eine Kirche, die, mit Ausnahme einiger Beschädigungen und Verfallenheiten des Dachs, ziemlich gut erhalten ist, Diese Kirche möchte wol zu den schönsten und inter essantestrn Bauwerken des russischen Reichs, welches hieran eben nicht reich ist, gehören. Die Form des Ganzen sowie die innere Einrichtung ist die byzantinische. Vier mächtige Säulen tragen die hohe Kuppel des Schiffs, welches ein vollkommenes Viereck bildet, da der längere Theil desselben durch die Altarwand, die Ikonostase, ') Alle großen Häuser des Ndc!S, alle Schlosser rrr Fürsten, abl'r auch alle Klöster in dicscn Landstriche» nvnvil im Mitttlaltn und bis in di< neuere Zeit hinein l'eftstigt, In der Regel ist dac« Ganze cin Viereck mit hohen Mauern nnd uil'r (5ckthl>rmcn, in der Mitte steht cin machtiqcr "«assiver Thurm. Die Bauart und Construction scheint von den Genueftn "usgea.ana.cn, die wol zum Schuhe ihrea Handels viele dirsrr beftstigten D«e seihst angelegt habe». ") Klaproch nenn! cs Tsamlhawissi, welches das Kloster de> dlci Haxl't'i bedeute. 38 iin« das Quadrat darzlistelle», abgetheilt ist, We»ählige Ruinen von Grfestignngen ,mv Burgen, Zeichen eines trie geriscken ul»d gewiß historisch reiche» und merkwürdigen Mittel alters. Die Ufer des Kur habe» in dieser Beziehung Aehn lichkeit mil denen des Rhein, aber die Geschichte schweigt, Nr-kllnden llnd Nachrichten fehlen oder sind wenigstens noch nicht aufgefunden. Ill Imcreti begegneten »no einige plumpe uierräderige Wa gen, in Gruneu nnr Dreiräderige melst von Büffeln gezogene Kar rrn. — Ueberall sieht man hier im Felde, an den Wegen, an den Hügeln viereckige gemauerte Steinkasten in der (Krde, 8 Fuß lang, 5 Fuß breit, 2 Fuß ties. W sind uralte Weinkelter, während nlan hier doch gegenwärtig keine Weinberge mehr sieht; nur selten noch l'inige Weingärten. Man sieht auch hieraus, sowie aus den vielen wnstrn Dorfstätten mit ihren Ruinen, den vielen Ackelrückrn, die man in den Waldungen findet, oder die mit Gebüsch und Dornen bewachsen sind*), daß das Land einst viel mehr angebaut und bevölkert war, und viel glänzendere Zeitepochen gehabt hat, In Mingrclien und Imereti sah ich fast nur Mais und ei»e ausgezeichnete Art Hirse, Chomi, die aber nördlicher, sell'st i>, Cherson, nicht mehr fortkommt. In Grusien, im Thale des Knr, sah ich erst vorherrschend viel Gerste, weiter nach Tiflis hin aber nun aucl, grofte Weizenfelder; Mais wird hier wohl wenig, Noggen und Hafer gar nicht gebaut. Der Weizen wird anf festgetretenen Tennen im Freien neben den Hänsern von eigenen wie ein Tnangel auo gehenden Maschinen, die aus zusammengefügten Vretern, welche mit kleinen Steinen und stumpfen eisernen Stiften beschlagen sind, aus gedroschen. (<>„ Pftrd oder Büffel wird an einer ^'cke des Trian gels vorgespannt, und dir Leute stellen sich daraus, um durch die größere Last den Ausdrusch zu befördern, Am lO. August am Morgen erreichten wir Mzchet, die alte Residenz der Czaren von Grusien, jekt rin elendes armes Nest, *) Nicht weit vl'n der lctzien Staü>.'!i vor Tiftis bei Ool-zis-Kale wcn "n ga»z wüste, Landstnch u,lr >»it eiü^'tneil Valiiuoi kesrtzt, c,uf c>eni >»an dclitlich dir qcnidm »sieichüias!!.^!! schlnalri, Ackcrbeetc cllcmn'!! f>.n,>ttr. 40 Nur Ruinen uuv ein paar .Kuchen silld als Zeugen der frühern Herrlichkeit stehen geblieben. Nach der Sage ward die Stadt von Mskhiws, Sohn des Kharchlos, Urenkel des Noah. erbaut. Sie liegt am Zusammenfluß des Kur und des Aragvi. Im Jahre l48!> verlegten die Könige von Georgien ihre Residenz von hier nach Tiflis. Der Ort ist oft genug von Reisenden beschrieben, am aus führlichsten von Dubois de Montperrua, ich wiederhole daher nicht das schon Vekanntc. Zuerst besuchte ich eine nock wohl erhaltene Kirche in cincm ummauerten Hofe, eö haben sich zwölf Nonnen darin angesiedelt. wiewol es kein eigentliches geregeltes Kloster ist. Wirkliche kanonische Nonnenklöster cristiren weder m den Land striche» der grusinischen noch der armenischen Kirche. In der Kirche fand ich in einer Ecke ein Bild auf Goldgrund gemalt, offenbar ein altdeutsches. Welch sonderbarer Zufall mag es hierher geführt haben? — Dann gingen wir zu der Hauptkirchc der ehemaligen Kathedrale des Crarchatö von Grusten, mit deren Restauration man eben beschäftigt war. Hier wird noch jetzt der Katholiko? von Oirusien geweiht, hier wurden die Könige von Grustm gefrönt, und viele von ihnen liegen hier begraben*). Auch sie liegt in einen» großen mit Mauern umschlossenen Hose, auf dem stci' »«ehre, jedoch verfallene elende Gebäude befinden, Wohnungen der fnngirenden Priester. Die Kirche, wie man behauptet schon auo dem ll). Jahrhundert stammend, dann von Timnr zerstört und zwischen 1414 und 4424 wieder rrstaurirt, ist von einem grünlichen Steine in demselben Style wie dic von Santawarwisi gebaut, die Wände sind mit Fresken sehr mittelmäßiger Art überdeckt, wir mir scheint, ebenfalls in späterer Zeit von europäischen Malern **). *) In dieser Kirche wird alo ein b^nr«^ Heiligthum cin Stück cmcS (^wandeS, wclcheo Christus getragn hal^n s^ll, aufbewahrt, (Kci-»cowe^ dcr sogenannte ungenähetc R>.'ck. über wrlchcn bei der Kreuzi-^>m^ das ^oo»3 stel!) In der UspcnsMachcovak' in Mosfau, sowie in bcr leserlichen Hl'stirchc in St. Petersburg finden sich ebcnfalls Theile diesco voili^thunw. — Cchah-AbbaS schenkte sie nach der Eroberunc, Orusieno >iii den l5zar Michoil ssedovowitsch. '") Man sindct in Tlansfaukasirn Bauwerte aus aüeu Zeitaltern der Menschen^'schichte Die Höhlcnwohnnnqcn. dic lo.'^l^^'tenslucie auc« einer vorhistorische,, Zeit. Die Nui»cn de> lantasische,! ^ane,, die vielleicht in 41 (Erst l750 kam das erste russische Heiligenbild nach Grnfirn.) In der Wand der obigen Klosterkirche war ein runder, elwa den Zeiten der großen Weltmonarchien, der allpersische» entstanden, an der dann aber die spätern Jahrhunderte bis tausend Jahre nach Christus gebaut und gebessert haben. In den nächsten Jahrhunderten vor und nach Christus äußert sich auch in Bauwerken römischer Vinftuß. Gesehen babe >ch in der Fclscnstadt Aplosziehe unzweifelhafte römische Ornamente. Vom .',. Jahrhundert an begann das Christenthum sich zu verbreiten und der byzantinisch-christliche Vaustyl trat in den Bauwerken aus. Nach del Küste des Schwarzen Meeres hin findet man ganz rein byzantinische Äau werke, vor Allem die herrliche Kirche von Petzurda, welche der Kaiser Justinian selbst in der Mitte des ward Plato und Aristoteles ins Grusinische überseht!) und dann auch ein eigener kirchlicher Naustyl, dessen Grundlage allerdings der byzantinische war. Die Kathedrale von Mzchet ist in jener Zeit gebant, sie ward aber Von Tamrrlan gänzlich zerstört, jedoch im 15,, Jahrhundert ganz nach dem alte» Plan und Muster wieder aufgeführt. Die Sage erzählt, die Metropole Mzchet und die Kirche Stephan-Tzminda seien, erstere von einem frem den Baumeister, die zweite von dessen Schüler erbant. Der Baumeister, als er sich vom Schüler übertroffen sah, habe sich selbst die Hand ab gehauen, l5iuc andere Sage berichtet, von der Kuppel von Stephau-Tzminda bis zu der der Metropole gehe eine unsichtbare eiserne Kette aus welcher schwebenden Brücke die Heilige» beider Kirchen sich besuchen. Gauz ai'nlich soll eine schwebende eiserne KMc das Kloster G>rgeti ans vcm l'»em a»f den Kaol'eck befindliche!! Zelte 42 Machet. 3 Fuß im Durchmesser haltender Stein eingemauert, auf den» in einem Kreise ein Kreuz luml i«!ies ausgemeißelt war, wie ich sie sehr häufig an ehemaligen Kirchen und Gebäuden der Tempelherren ge-funden habe. Die Kreuze der orien-talischen Kirche haben stets eine andere Form, Mzchet liegt in der Spitze zweier sich einigender Thäler. Auf einem Verge gegenüber (Ärmaz) lie-? gen die Ruinen einer mächtigen Berg feste mit vielen Thürmen und Zin nen, auf allen umliegenden Anhöhen stehen hohe Warten. Der Weg nach Tiflis führt über eine Vrücke, deren Erbauung dem Pompejus zugeschrieben wird, und dann längs dem Kur her, der hier mit' unter von hohen Felsenwändcn eingeschlossen ist. In diesen be finden sich oft 20—40 Fuß hoch und darüber künstliche Höhlen, in einer unbekannten Urzeit die Wohnungen von Troglodytenvö'l. kern, in späterer Zeit der Zufluchtsort der Einwohner bei inner» Kriegen, Gegen l l llhr erreichten wir Tiflis. Die Stadt macht einen eigenthümliche.n Eindruck. Von der Seite, wo man herein fährt, ist eö eine ganz europäische Stadt. Dieser Stadttheil ist von den Nüssen angelegt. Gerade Straßen, moderne Häuserreihen, elegante Kaufläden, selbst ein Buchladen, Putzladen, Apotheke, Kaffeehäuser, viele öffentliche Gebäude, ein Gouvernementspalast, Kirchen") mit Kuppeln und Thürmen, dann auf den Straßen die verschiedenarti gen russischen Militäruniformcn, französische Ucbrrrö'cke und Fracks ?e, versetzten Einen ganz nach Europa. Aber am Ende dieser euro 'Abraham'S verbinden, ans welche,- die M'üchc urchin wallfahren. Dic Achnlichseit mit europäisch»',! Sage» dl'r Art wird Jedem auffalle». ') Oo sollen in Tiflis 22 russisch, ^rnjlnischc Kirchen, 15 armemsch. Kirchen, eiii^ lathoüschc Kirche sich befinden, dann eine persische Metschet, eine tatarische Mttsche«, u»d eine jüdische Syna.^ge, Die ^'„tschc» Cl'li' »iste» haben cine protestantische Kirche in ihrem Dorfe vor iiflici. 43 päischcn Stadt beginnt nun eine vollkommen asiatische, mit Bazars, Karavanserien, mit langen Straßen, wo alle Gewerbe in offenen Läden getrieben werden. Hier sieht man von der Straße in eine Reihe von Schmiedefeuern, Mld die Schmiede hämmern ruhig darauf los, ohne von den vorbelwogcnden Leuten alls der Straße Notiz zu nehmen. Dort kommt eine Neihe Hänser, wo Schneider sitzen und arbeiten, mit derselben Sitzart, mit denselben Bewegungen und Gestikulationen, mit derselben Hasenfüsiigkeit wie bei uns; dann kommen Schuster, dann Pelzhändlcr ?c. Und nun erst die Ge stalten und Völker, die man erblickt! Hier Tataren in der Tracht, aus der die sogenannte polnische offenbar entstanden ist, dort hagere sonnenverbrannte Perser, mit weiten fliegenden Gewändern, Kurden mit kühnen unternehmenden Gesichtern, Lesgier und T scherkefsen des Pferdchandels halber sich herumtreibend, «nd endlich nun gar die Frauen, die schönen Grusinierinnen mit langen flirrenden Schleiern, in Pantoffeln mit hohen Absäften! Und fast alle diese Menschen, Jeder in seiner Art, von einer Schönheit, wie kein an dercs Land oder Volk sie in solcher Fülle und Mannichfaltigkeit zeigt! Dabei diese bunten, mamnchfaltigen und fast ohne Aus nähme malerischen, selbst schönen Trachten! Nirgends treten sich die Gegensätze und Vermittelungen von Europa und Asien so nahe gegenüber, als in Tiflis! Ich fand ein treffliches Unterkommen im Hause eines Coloni ften aus Schwaben, eines Herrn Salzmann's, der auf der linken Seite des Kur einen Gasthof angelegt hatte, wo ich nach langer Zeit einmal wieder deutsche Bequemlichkeit und Hausmannskost fand. Aber außerdem war Herr Salzmann ein Mann von scharfem praktischen Verstande und von vortrefflicher Beobachtungsgabe. Niemand kennt das Volk »nd die Landesverhältnisse der kaukasischen Landstriche besser als er, der überall gewesen, und mit Jedermann selbst ver kehrt hat. Von Niemandem habe ich mehr über dortige Verhält-nisst gelernt als von ihm. Außerdem »nachte ich in Tiflis noch manchc interessante Bekanntschaft, Ein Herr v. Kotzebue war sehr wohl unterrichtet, aber wenig mittheilsam. Gr beobachtete die diplo matiscke Zurückhaltung der meisten Deutschen in russischen Dienste». 4t Ich hatte einen Empfehlungsbrief an den Ciuilgouuerneur v. Hourka, einen sehr liebenswürdigen Mann, der mir alle in seiner Macht stehenden Erleichterungen und Notizen gewährte; er war jedoch noch nicht lange dort. Ein Apotheker, der Collegienaffessor Schmidt, galt für einen sehr unterrichteten Mann, ich habe ihn jedoch nur wenig gesehen. Die wichtigste Bekanntschaft aber war für mich sin Wegweiser und Dolmetscher in der Person eines Schusters, Peter Neu. Dieser war ein wahres Original? Peter Neu wa,r als junger Vursche mit seinen Verwandten und Landsleutcn aus dem Würtembergischen ausgewandert, und hatte sich als Colonist mit ihnen zuerst bei Odessa, dann später in einem neu angelegten Colonistcndorfe nahe bei Tiflis angesiedelt, Allein Peter hatte eine unruhige Seele, er trieb sich in einem großen Theile von Asten herum, kam nach Kleinasien, später nach Persien, ward Dolmetscher des Kronprinzen Abbas Mirza, «nachte „acht Jahre lang dessen Züge mit, und kehrte erst nach dessen Tode zu seinen Landsleuten zurück. Peter war ein unbezahlbarer Schatz für mich, er war ein wahres Sprachgenie, er kannte ein Dutzend europäischer und asiati scher Sprachen, Deutsch, Französisch, Russisch, Tscherkessisch, Türkisch, Armenisch, Grusinisch, Persisch, Kurdisch ic. Er hatte ein ungeheu. res Gedächtniß und lernte spielend in sechs Wochen sich in einer ihm bisher fremden Sprache geläufig ausdrücken. Dabei hatte er eine große poetische Auffassungsgabe, er besaß daher eine» uner. schöpflichen Schatz von Märchen, Volkssagen und Volksliedern aller der Länder, die er durchzogen hatte. Wenn wir Nachts oder bei Tage in unserm Tarantas zusammenlagen, so erzählte er unermüdlich, bis ich einschlief'). Anfangs war er etwas zurückhaltend, er meinte, so gemeine Geschichten wären zu schlecht für einen ge lehrten Reisenden, aber nach einigen Tagen wurden ivir vertraute und zärtliche Freunde, die Alles gemeinsam hatten und thaten, Essen, Trinken, Schlafen ?c, und nun öffneten sich die Schleußen *) Dlt hin u„b wieder yler cinlMrcuten Sage» und Märchen sind lniißtcitthlils von ihm mir mitgetheilt, leider sind aber Vic mcisteil vm> ihm erwählten meinem Gedächtnisse wieder entschwunden. 4« seines Wissens! Wenn wir fuhren, und ich sah irgend eine Ruine, einen seltsam gestalteten Verg, eine Höhle ?c,, so hieß es' ..Pete,, l'erciuö! schaff' mir mal eine Geschichte, eine Sage, ein Märchen!" und es dauerte nicht eine Stunde, so kam er mit einer ganzen Ladung aus dem nächsten tatarischen, grusinischen ic, Dorfe an gezogen. Dabei war er aber auch aller Narrenspoffen voll, und nicht zufrieden, wenn er nicht wenigstens alle drei Tage einmal ganz entsetz lich wegen irgend einer Dummheit ausgeschulten wurde. Hatte er erst seine Schelte weg, so umarmte und küßte er mich wieder auf das zärtlichste. — Gute treue Schwabenscele, ich will dir hier wenige stens in diesem Buche ein kleines Denkmal setzen, daß, wenn mein Name irgend auf die Nachwelt kommt, der deinige auch mit ge nannt werde! Nachdem ich mich in meiner Wohnung eingerichtet und einige Slunoen in der für mich so interessanten orientalischen Stadt um her geschlendert und einigc nöthige Visiten abgemacht, ging ich Nachmittags mit Herrn Salzmann nach der unmittelbar an die Stadt stoßende deutsche (5olonie, wo ich zunächst im Wirthshaus,,' den bekannten deutschen Naturforscher vi-. Moritz Wagner aus München antraf, aufs eifrigste beschäftigt, seine gesammelten natur historischen Schätze zu verpacken, um sie dann zu Sckiff bringen zu können. Herr Dr. Wagner hatte eben seine Ncisc beendet und kehrte nun nach Europa zurück, um die reicheu Ergebnisse seiner For^ schungen zu ordnen und dem Publicum mitzutheilen, Tiflis, jetzt die Hauptstadt von ganz Transkaukasien, war dies bereits feit langer Zeit, seit der Zerstörung des alten Mzchrt vo» Georgien (Grusien). Die Namen führt der Ort von seinen heißen Quellen, ursprünglich heißt es Thilis. Die Wurzel l!,! und t^> beißt im Georgischen warm. Die slavischen Sprachen haben die selbe Sprachwurzcl w>>ll) warm, daher Teplitz und Töplitz. Das lateinische lopidus gehört auch wol hierher. Die Veuölkerungs Verhältnisse gibt Dubois nach amtlichen Quellen l87,^ in folgender Weise! 46 Bevölkerung (mit Ausschluß dcs Militärs) dcidtt' (^cschlcchtcr. Mohannne-Georgier Nrmnner eaili'r ncbst Tataren Motalati (d, i Vürqer) 110 2N00 ..... 2640 Kronbauern (frei) .... l77>l 1027,7 6l2 12600 Kircheubancrn (leibeigen), «0l» 2l5»tt ..... 295N Fveir Vmidl.'lit.'..... 150 250 ..... 400 Imetvtlschc Arbeiter die nur jewciliq sich »nifl^alteii.............. 3W Juden,.,.,, ^................ 60 Fürsten und Ade!................. !0W Geistliche........ 280 473 < 780 4277 !7«20 727> 252U0 (5ö qab 4'.<7)l) Familien und 5<»6H Häuser, llnter vein 'Adrl qab es 16 Glieder der alten Kömqsfmuilie »lld 204 dem Fürsten stände nngehörige (Aznciuri). Gegenwärtig rechnet man die Gesammt bevölkernnq von Tiflis auf 50000 Köpfe. Tiftic« ward am N. Sept, t7l>5, uon dem Schah von Persien, dein Gmmchen Aga Mohanllnrd Cha», vollständig zerstört; unter russischer Herrschaft hat es sick ungrmrin ssehoben, und würde dies noch mehr gethan haben und thuu, wenn nicht dnrch Alifhebung des freien Handelsverkehrs nnd Einführung der russischen Mauthcn der Handel von Europa nack dem innern Assen, dessen natürliche Straße über Tissis führt, seinen Zng über Irebisonde li, f. w. nach Tabris genommen hätte. Drills CaMl'l. Die deutschc» Kolonien und Kolonisten, — Ursachen ihrer Auswanderung. — Ihr Aufblühen. — Neuer religiöser Separatismus. — Gin Theil 'rill ,iach Jerusalem wander». — Die neue Prophetin, — Vrnehmen dee« (Äonvernements. — Versnch der Auswanderung gewaltsam gehindert. — Wichtigkeit der deutschen (Flomen bei Tiftis. — Besonderer Dreschmodus. — D^S Bewässerungssystem der Ackerfelder. — Die Dörfer bilden hierbei ^orporationen, — Früher viel ausgedehntere Bewässerungen, deren Van wahrscheinlich den alten Weltmonarchien angehört, — Die Bewässerungen der deutschen Colonien bei TiM. — Dr, oberste Mullah lMischtahid) Persieus legt bei Tiffis eine Wasserleitung a». — Die Wasserleitungen in Persien. — Vorliebe der Perser für die Deutschen. - i5infiust der deutschen Colonien auf dortige Voller und Landstriche. — Landwirthschaft, Henwerbnug, feine Düngung, ^iehreichthnm der Grusier, Pftug mit 2<,l Ochsen bespannt. — Die Fleischnahnmg in diesen Ländern, sowie sonstige Nahrung. — Taglohn und Knechtslohn. — Ueber Oemeiudevrrfassuug und Familirnverfassung u«d ihrer Vedrntnug für die Volker, — Znlunft des Orients. — Die Losung der Räthsel der Znfnnst im Kaukasus! -Das Material für Oeuieindeverfassnug und Ethnographie in» Archive zu ^ifti^. — Wie es entstanden. — Unterdrückung der nationalen Eigenthümlichkeiten durch das russische Veamtenwesen, klagen: der Kaiser beauftragt oen Baron Hahn mit der Reorganisation der Administration des Landes. — (6inrichtu»ge,i vnrch den Baron Hahn eingeleitet. — Dieser constatirt zuvorderst den vorhandenen nationalen Zustand, daher jenes merkwürdige Material im Archive iu Tiflis, leider biö jetzt unbenutzt. — Meine ge sammelten Loealnotizeu. — Anbau des Landes in den westlichen Strichen durch ringln gelegene Hofe, in Grusie» durch Dörfer. — Oemeinde-vrrfassung unter dem ^tazawal, Vertheilnng der Aecker au die einzelnen Höft. — Die gnwherrliche Abgabe, der Zehnte; die Staatsabgaben. — Mdeintheiluug. — Spuren früherer höherer (5ultur. — I^t> und Walder Jedermann ;ur freien Venntzung überlassen. — Zunehmender Wohlstand der Kronbanern. ^ Der Vorspann die drückendste Last. 3)ie deutschen Cowmen ill drr transkaukasischen Provinz bestehen, soviel ich gehört, sännntlich aus Schwaben, größtenthcils Würtem- 48 bergern, die um das Jahr Ittltt auswanderte», weil sir sick im Valerlande in ihren religiösen Anschaulingen und Rechte» tief verletzt glaubten. Allan führte damals nebst einigen andern Neuerungen ein neues Gesangbuch ein, welches den Vauersleuten zu un dogmatisch, zu wässerig, zu nüchtern vorkam, sie wollten sich nicht den kirchlichen Gebrauch der alte» kräftigen glaubenstreuen Vieder, die der Trost so vieler Generationen gewesen, rauben lassen, und beschlossen nun die Auswanderung, Das russische Gouvernement wies ihnen Grundstücke in der Gegend von Odessa an, allein sie wollten dort kein rechtes Gedeihen gewinnen, und aus ihren An^ trag wurden sie nun größtentheils nach der transkaukasischen Provinz übersiedelt. Auch hier hatten sie in den ersten Jahren mit vielen Drangsalen zu kämpfen, Krankheiten, Viehsterben, schlechte Ernten, eine Folge der Nnkenntniß hiesiger Landesverhältnisse, u, dergl, m. sehten sie vielfach in ihiem Wohlstände zurück, über jetzt haben sie Alles überwunden. Viele Colonien sind reich, die «leisten wenigstens blühend geworden, (5s versteht sich von selbst, daß das russische Gouvernement sich nicht im mindesten in ihre religiösen Verhältnisse einmischt. Die Colonien stehen im Allgemeinen unter der Leitung des Protestantin schen Konsistoriums, allein Niemand stört sie m ihrem Willen und ihren Gebräuchen; sie haben ihr alteS liebes Gesangbuch behalten, sie wähle» sich ihre Prediger selbst, nachdem sie sie zuvor einer strengen Prüfung über Grad, Mas, und Inhalt ihrer religiö. sen Anschauungen unterworfen. Aber dennoch, wo der Geist des Separatismus einmal Wurzel gewonnen, da treibt er immer wieder Zweige empor! Das traditionelle Gefühl der Religionsbedrnckung, welches sie ans dem Vaterlandc mitgebracht, ist in die Anschauung und Memung umgeschlagen, daß überall die wahre Religion dem Feinde des Menschengeschlechts unterliegen werde, ja schon unterlegen sei. So seien wir denn in die Zeitepoche eingetreten, wo nur noch ein kleines Häuflein wahrer und trener Gläubigen übrig geblieben, und wo also nach den alten Weissagungen die Antnnst des Herrn »nd das Tausendjährige Reich nahe seien, So sei es denn Pflicht der wahren Gläubigen, sich hierauf vorzubereiten, indem 49 man selbst tm äußern Leben die Reinheit uild Einfalt dcr allerersten Christenheit darstellt, d. h. Aufgabe alleö Privateigenthums, alles Erwerbs, Arbeit nur zum nothdürftigsten Lebensunterhalt, Zubrin-gc» aller irgend zu erübrigenden Zeit mit Beten und Fasten, Enthaltung von jedem Lurus! — Gin Buch von Michel Hahn, einem Verwalter im Würtembergischeu, sowie die sehr verbreiteten Schriften von Jung ^ Stilling trugen sehr zur Verbreitung dieser Ideen bei. Es bildeten sich zwei Parteien: die strengere, welche das Ende der Welt noch für diesen Herbst voraussagte, verlangte die völlige Enthaltung in den Ehen, und duldete keine Schließung einer neucn Ehe, Die weniger strenge sah das Weitende nicht so ganz nahe vor sich, und wollte vorläufig noch die Ehe beibehalten wissen. Alle aber wollten ihr hiesiges Eigenthum aufgeben und nach Jerusalem auswandern, um dort die Dinge zu erwarten, die kommen werden! — An der Spitze aller, aber vorzüglich der strengern Partei, stand eine fünfzigjährige Frau, dir nach dem Urtheile Aller, die ich über sie hörte, jedenfalls eine merkwürdige Persönlichkeit sein mußte. Seit vielen Jahren lebte sie unter den größten freiwilligen Entbehrungen, nie hörte man ein anderes Wort aus ihrem Munde, als einen Bibelspruch, sie wußte diese auf sinnreiche Weise in jedem Gespräche und in jeder Lebcnssituation zu verflechten und anzuwenden. Sie soll die Vibel vollkommen von Anfang bis zu Ende auswendig gewusit haben. Sie übte einen magischen Zanber auf ihre Umgebung, ja fast aus Jeden, der sich ihr nahte. Hierüber war mir ein besonderes unverdächtiges Zeugniß Herr v. Kotzebue, der sich in der Sache als Regicrungsbevoll-mächtigter sehr thätig bewiesen und von dem ich die folgende Erzählung unmittelbar habe. Auch er bekannte, daß die Frau, die sein Verstand ihm nur als eine Fanatikerin erscheinen liesi, einen eigenthümlichen, ja fast imponirendcn Eindruck auf ihn gemacht habe. (Ich bemerke hierbei, dasi Herr v. Kotzebue, ein scharfer Verstandesmann, überhaupt eben keinen Gebrauch von irgend einer Religion machte, vielmehr ein ziemlich ausgeprägter Atheist oder doch Pantheist zu sein schien.) Die Leute begannen damit, daß sie Häuser und Grund und Boden meist spottwohlfeil an andere Colonisten verkauften, >md .1 5l) alleS sonst llebersiüssige verschenkten >md Gütergemeinschaft inner fich einführten. Die Anführerin erklärte, sie würde au einein be-stinlmten Tage mit den Ihrigen nach der Himmelsrichtung hin, wo Iernsalem läge, auswandern, und sic immer geradeaus vorthin führen Jetzt trat das Gouuernrmlnt dazwischen. Es ließ den Lenten durch seinen Bevollmächtigten erklären, man würde ihrer Auswan. derung keine Art von Hindernissen entgegenseyen, man winde sie sogar erleichtern und unterstützen, wenn sie es wünschten, da ihr Zug aber durch die Türkei gehen solle, so bedürfe es zuvor der Anfrage bei den türkischen Behörden, auch könne man nicht dulden, daß sie arm und entblößt das Land verließen, da sie auf dem langen Wl'ge das Nothdürftige zu ihrem Lebensunterhalte haben müßten, man könne daher ihre Verschlükungcn und die Verkäufe ihrer Immobilien nicht bestätigen, sondern es. sollten ihnen im schlimm-sten Falle, wenn sie etwa zurückkehren müßten, ihre Gehöfte gegen Erlegung des empfangenen Geldes zurückgegeben werden. Sie möchten daher einige Deputirte wählen, die sollten nach Konstanti-nopel gehen und dem Großsultan selbst ihr Anliegen vortragen, man wolle diese frei dorthin schaffen, und ihr Gesuch selbst nach Möglichkeit unterstützen. Ein Theil der Leute ging hierauf ein, sie wähllen drei Drpu-tirte, die auch ivirklich nach Konstantinopel hinüber gebracht wur-dcn', sie waren aber noch nicht wieder zurück, als ich das Land verließ. Die anderen fast eine ganze Dorfgemeinde, gegen fünfzig , Familien unter der Führung jener sonderbaren Frau, erklärien, sie wollten nicht auf menschliche Klugheit und Vorsorge vertrauen, sondern auf Leitung Gottes, auf die Stimme, die aus ihrem Innern zu ihnen spräche. Da nun alles Zureden umsonst war, so erhielt Herr v. Kotzcbue Befehl, sie nöthigenfallS mit Gewalt so lange zurück zu halten, bis Antwort aus Konstantinopcl da sei, Herr v. Kotzebuc erhielt Nachricht, daß sie an einem bestimm^ ten Tage, des Morgens »m 4 Uhr, aufbrechen würden, ^r be. setzte um Mitternacht alle aus dem Dorfe führenden Wege mit Kosacken, nnd begab sich selbst nach der Seite, wo man den AuS-,ug vermuthete, Herr v, Kohebue stellte Wachen aus und legte 51 sich mit der übrigen Mannschaft zu einer furzen Nuhe nieder. Um 5 Uhr weckte die Wache ihn und berichtete, im Dorfe leuchte cine hellc Flamme, allein als Herr v. Kotzebue aufsprang, war nichts zu sehen. Die Phantasie des Wachtposten schien demselben lstwaö vorgespiegelt zu haben, oder es war irgend ein Lichtmeteor gewesen. Nach einer halben Stunde ward es unruhig im Dorfe, und um 4 Uhr, mit dem Grauen des Tages, vernahm man den Gesang eines Kirchenliedes, der sich allmälig näherte, bald konnte man die Pilger erblicken, sie gingen processionsartig zu Zwei, jene Frau allein an der Spitze, Herr v. Kotzebue ging ihnen entgegen und redete sie an, sie ignorirtcu ihn vollständig und blieben im Gehen und Singen. Als Herr v, Kotzebue, stets zurückweichend, sich durchaus kein Gehör verschaffen konnte, faßte er mit rasche»» Entschluß jene Frau an beide 'Arme und hielt sie so einen Augen° blick fest. Plötzlich standen Alle still, der Gesang verstummte, die Frau kniete nieder, Alle folgten, eine lautlose Stille trat ein, Alle bctrlen mit gefalteten Händen, Nach einigen Minuten stand die Frau zuerst auf, und sagte nun zu Herrn v. Kotzebue einige Vibcl^ svrüche, die ausdrückten, daß der Herr ihnen befohlen, der äußern Gewalt zu weichen und der Obrigkeit zu gehorchen, die Gcwall über sie habe. Sie würde jetzt ruhig zu Hanse gehen und blei den und das Fernere mit Ergebenheit erwarten! Dies war kurz zuvor, ehe ich das Land verließ, geschehen, die weitere Entwickelung kenne ich nicht. Alle Kolonisten, die ich sprach, bestätigten mir übrigens im Allgemeinen die Wahrheit der Ge schichte, wie ich sie hier mitgetheilt. Die deutsche Colonic bei Tifiis ist, wie gesagt, sehr blühend, sie ist für die europäisch lebende Bevölkerung von Tiflis, das russische Militär und die russischen Beamten wichtig, fast unent bchrlich. Die ganze Gartencultur ist in ihren Händen, sie ziehen und liefern alle Gemüse, das meiste Obst, sowie fast alles Geflügel. Die Grusier sind trag und nicht im mindesten industriös. Sie lieben z. V. die Kartoffeln, sie kaufen, betteln und stehlen sie bei den Colonisten: aber es fällt ihnen bis jetzt nicht ein, sie selbst zu bauen und zu zieheu, Nebrigrns haben die Colonistrn mancheS Gule und den diesigen 5 ' 52 Verhältnissen Angemessene hier angenonnncn. So wunderte ich mich, jene oben angeführte grusinische Dreschmethode auch bei den Kolonisten zu finden, Herr Salzmann setzte mir aber die Vorzüge derselben auseinander. Diese aus Vretern zusammengesetzte Maschine, unter welche kleine Steine in mehren Ncihen befestigt wor. den, auf welche dann ein Mann tritt und die wie ein Schlitten von einei» Pferde übers Getreide geschleift wird, arbeitet das Korn sehr rasch und rein aus, zermalmt dabci das Stroh ganz vollkommen. Mischt man nun dirftö Sttoh mit einigen Händen voll Grase, so sind die Pferde gezwungen, Gerste und Stroh zu kauen, dadurch füttert Beides vortrefflich und sehr wohlfeil. Bei uns wird das Stroh von den Pferden meist unzermalmt herunter geschluckt und gewährt so fast gar keincu Nahrungsstoss. Nach dem Dreschen wird das Stroh im Winde in die Höhe geworfelt, daö Stroh fliegt bei Seite, die Gerste aber oder der Weizen fällt nieder. Diese Dreschart findet sich in einem großen Theile von Asien. Die grosie Hitze, die sehr regelmäßige Witterung, daß tö nur in gewissen Zeiten des Jahrs regnet, in andern fast gar nicht, macht das Bewässern nicht der Wiesen, wie bei uns, sondern vielmehr der Ackerfelder durchaus nothwendig. In Armenien wächst ohne Bewässerung gar nichts mehr, aber auch schon in Grusien kann man sie nicht entbehren*). In den noch jctzt angebauten Gegenden dieser Länder findet man übcrall Kanals und darauf begründete Bewässerungssysteme, jeder Vach ist benutzt. Die Dörfer unterhalten sie, zuweilen sind jnehrc Dorfer vereinigt, um gemeinschaftlich ein kleines Kanalsystem zu unterhalten, die Einwohner bilden eine Art von Corporation, Jeder hat eine der Größe seines Grundbesitzes angemessene Last zu tragen, und an den Vortheilen, z. B. wie viel Stunden das Wasser auf sein Feld geleitet werde» soll lc., Theil zu nehmen. Die (Corporation steht unter einem gewählten Wasserbeamten (Merue), der die Arbeiten und die Benutzung anordnet und controlirt, die Streitig- ') Unterhalb Kachetitn hallen die Perser bei ihrem letzten Einfalle 1797 alle vamaligrn Kanäle, Schleusen u. s, w, zerstört. Eg f^hltr au Kräften sie wieder herzustellen Die Äev^lkerung verließ den Landstrich, fr ist jetzt nur noch cine Etevpe! S3 keiten entscheidet u. s. w. Wer sich gegen den Merue auflehnt oder ihn beleidigt, dem pfändet die Gemeinde einen Ochsen ab und schlachtet und verzehrt ihn. Der Merue erhält kleine Abgaben von den Garten ?c. Allein wenn man das Land durchreist, so sieht man, daß es ehemals viel stärker angebaut war; man sieht große Flci^ chen von Steppen nnd mächtige Wälder, wo man überall die Spuren alter Ackerrücken erblickt, aber auch unzählige Gräben, Dämme, selbst Ruinen von Steinbauten, die deutlich das Dasein von Kanälen und Schleusen :c, bezeugen *), Die Schuraschc Steppe ist ganz von alten Kanälen, Abbauten ic. durchzogen, die, wenn man sie auf der Karte zeichnete, zeigen würden, daß ein ganz künstlich angelegtes wohldurchdachtes Kanalsystem dort ehemals muß eristirt haben, jetzt ist Alles wüst und doch ist der Voden vor-tresslich, der Krapp wächst dort wild nnd üppig, desgleichen die Kapern. Gs stehen hin und wieder herrliche Cedcrn, dort, wo der Alasan sich mit dem Iora vereinigt, liegen auch lmbemttzte Naphthaquellcn! Das Landdreieck, welches durch den Zusammenstuß des Kur und des Ararcs gebildet wird, soll, wie mir ei zählt wurde (ich war leider nicht dort!) ehemals ein großes Kanalsystem besessen haben. Oberhalb ist der Kur mit dem Arareö östlich vom Gebirge von Karabag an durch einen 29 — 30 Meilen langen, mäch ligen Kanal, der noch deutlich zu sehen, verbunden gewesen; von diesem durch jene Ströme gespeisten Kanal ist das Land amphi-theatralisch bis zur Spitze des Dreieckes, einen Raum vielleicht von iW O-uadratmeilen, angebaut gewesen, welches dann durch lauter kleine Kanäle, die ihr Waffer von dem großen erhielten, bewässert *) Man rechnet die jrh'sse Bevölkerung der Rußland unterworfenen Landstriche ans mroo 1'/^ Millionen und der unabhängigen auf 2'/, Mil lionen. Als Vatn-Ehan (s 1224) sich alles Land unterworfen hatte, erzwäng er ein Hülfthecr, der zehnte männliche Kopf mußte sich stellen, da kamen 8i die vorhandenen Neste und Ruinen die Linien angaben? Die Bewässerungssysteme namentlich in den kaukasischen Landen sind älter als die Völker, die jryt auf diesem Boden leben, oder es hat eine Zeit gegeben, wo Alle Einem eisernen Willen gehorchten. Jene Systeme sind nicht in den Grenzen jedes mal eineö einzigen der jetzigen Volker eingeschlossen, (5s ist nun aber völlig unwahrscheinlich, daß verschiedene Völker freiwillig über die Anlage eines gemeinsamen Bewässerungssystems sich verständigt hätten, jedenfalls hätten dazu sehr ausgebildete humane Staatsformen gehört, die hier me eristirt haben, Es ist demnach mehr als wahrscheinlich, daß diese Anlagen einer Zeit angehören, wo hier nur Ein Wille herrschte, also der Zeit der ältesten asiatischen Despotien, der assyrischen, der medischen, der persischen. Mit dem Sturze der Despotien, mit dem Auflösen derselben in kleine Staa ten nach den Völkerschaften geschieden, in Folge der dann sich er^ gebenden etwaigen Kriege, sind diese kolossalen Werke zerstört, das ^!and ist zur Wüste geworden, die Bevölkerung zusammengeschmol^ zen. Gegenwärtig vermögen sie sich nicht mehr aus eigener Kraft zu erheben, um durch Wiederherstellung der großen Be-wässerungösysteme wieder eine blühende Cultur vorzubereiten und hervorznrufen. Nach dieser kleinen Abschweifung kehren wir wieder zu unserer deutschen Colonie bei 3ifli5 zurück. Auch sie verdankt die gute 55 Cultur ihrer Grundstücke den Bewässerungen, Sie besitzt deren aber nicht hinreichend selbst, sondern hat den Gebrauch einer fremden für ziemlich viel Gcld gemiethet. Dieses fremde Vewässeruugs-werk hat ein Perser auf seine Kosten angelegt und zieht davon eine bedeutende Revenue. — Wir wollen von dieser auch sonst merkwürdigen Person eine kleine Notiz geben. An der Spitze des mohammedanischen Clerus in Persien steh! der oberste Mullah oder Muschtahid. Dieser ist stets ein Abkomme ling aus der geheiligten Familie des Ali, des Schwiegersohns Mohammed's. Vor dem letzten Perserkriege bekleidete diese erbliche hohe Würde Agha Mir Fatah, Gr residirtc in Tabris. Als Paskewitsch nun im letzten persischen Kriege vor Tabris kam, unter handelte der Muschtahid die Ucbergabe und ging nachher, da er hier^ durch sich dem Schah verfeindete, nach Tiflis, und lebte dort auf dem Lande, kehrte aber nach einigen Jahren nach Persien zurück, da sich daselbst ein neuer Muschtahid aufgeworfen hatte. In Ispahan bekam er Gift, brach es aber wieder weg, zwei ältere Söhne starben jedoch an dieser Vergiftung. Er verjagte seinen Gegner und residirt jetzt wieder in Tabris, ohne daß der Schah es wagt, ihm gegenüber zu treten. Sein ältester Sohn Hadschi Agha wohnt jetzt auf dem Landgutc des Vaters bei Tiflis, auch hat er jetzt noch zwei jüngere Söhne dort, sowie fünf seiner Frauen; er selbst kommt oft zu seiner Familie nach Tiflis, da er stch sehr mit dem russischen Gouvernement befreundet hat, von dem er auch, wie ick hörte, eine Pension von 20,000 Rubel erhält. Dieser Muschtahid hat nun i« Werst von Tiflis bei Abdschalah eine Wasserleitung nach dem Jahre <828 angelegt und durch mit gebrachte persische, armenische und uestorianische Arbeiter ein Ve, wässerungssystcm angelegt, welches ihm viel Geld einbringt, da die Nachbarn ihm das Wasser abkaufen müssen. So zahlt ihm die deutsche Colonie bei Tiflis für die Benutzung seiner Wasserleitung jährlich 509 Rubel Silber, womit hauptsächlich die Gärten überrieselt werden. Vei den Erkundigungen, die ich über die Bewässerungsverhält «isse einzog, erzählte mir Peter Neu auch Einiges über persische Verhältnisse der Art. — Persten, zum großen Theil Ebene, be US darf des WasserS mehr als andere Länder, und ist nur in Folge der Vernachlässigungen der Kanalbauten und deren 9teparaturcn unter den letzten schwachen und elenden Negierungen so herab gekommen. Nur Privatleute thun noch etwas, da es für eine der religiösesten und verdienstlichen Werke gilt, Brunnen und Kanäle zu graben. — Um süßeö Nasser den Städten zuzuführen, sind in Pcrsien unterirdische Kanäle gebräuchlich. Salzige und bittere Quellen sind nämlich dort eigentlich häusiger als süße. Diese Kanäle werden meist in einer festen thonartigen Erdschicht, die sich in einem großen Theile Persicns als Unterlage unter der Humusschicht findet, angelegt. Der Kanal wird dort blos ausgehöhlt, und dcöhalb alle —3d Schritt von oben ein kleiner Schacht nach dem Kanal hinab gegraben; um diesen Schacht wird oben ein Hügel angehäuft, damit er sein Dasein besser anzeige. (Das Ganze gleicht offenbar den Maulwurfsarbeiten.) In schwierigem Terrain werden diese Kanäle aber auch mit großem Kostenaufwande angelegt. So hat z, V. der Großvater des jetzigen Muschtahid in Tabris in Folge eines gethanen Gelübdes einen solchen Kanal znm Besten der Stadt Tabris durch hohe Verge und in der Ebene zwei Fuß tief, hin und wieder sogar ausgemauert, 24 Fcrsach (ungefähr eine deutsche Meile) weit, bauen und grabe» lassen. In Folge von Gelübden findet man dort un. zähllge Brunnen gegraben, um süßes Wasser zu gewinnen. In den obern Erdschichten ist dasselbe nämlich fast immer salzig. In der Ncgel hängt eine kupferne, zuweilen auch eine silberne Schale, oder eine Cocusschale, an einer leichten Kette angeschlossen, am Rand des Brunnens „für jeden durstigen Wanderer", welchen dann aber auch die Sitte verpflichtet, ein frommes ^»nd rüLlunol ü-!««5m> für die arme Seele des Erbauers des Vrunnens zu beten. Eine gar freundliche Sitte! Von den deutschen Colonisten gehen nicht selten welche nack Persien, des Handels und mancher Speculationen halber i sie sind dort sehr gern gesehen, besonders bei den Großen, ihrer Zuver lässigkeit und Ehrlichkeit halben. Im letzten Perserknegc drang ein persisches Corps bis zur deutschen Eolonie Helenendors vor und sie wurde von dem ersten Schwärm geplündert. Allein dev persische 57 Obcrgeneral hatte kaum vernommen, daß cs cm deutsches Dorf sei, so ließ cr deu Leuten Alles zurückgeben. Dann licß er ihnen anbieten, ,,sic möchten nach Pcrsien ziehen, sie sollten cö dort gut haben, Grund und Vodcn so viel sie wollten, und sonst jede mögliche Unterstützung, ja für den Fall, das; es ihnen nicht mehr ge-sicle, sollten sie freien Abzug habe», nur nicht nach Rußland hin!" Uebrigcns ward aber doch eine hübsche Colonistcntochtcr von dort ins Harem des Schah geschickt! Bisher haben die deutschen Kolonien wenig Einfluß auf den Fortschritt der Cultur bei d.'n umwohnenden Grusicrn und Tataren geäußert, die Grusier sind indolent, die Tataren stehen als Mohammedaner zu fern. Das würde, ganz anders gewesen sein, hätte man die Colonien in Armenien gegründet, die Armenier sind viel regsamer, empfänglicher, aufgeweckter; ich bin überzeugt, die Wirkungen wären außerordentlich und unberechenbar gewesen, dort hätte die europäische Cultnr schnell Eingang gefunden. Weder die Grusier, noch die Tataren noch die Armenier ken> nen die Heuwcrbung zum Viehfuttcr, dag Klima ist der Art, daß daö Vieh in der Regel das ganze Jahr auf den Weiden gehen kann. Tritt einmal Frost und Schnee auf etwas längere Zeit ein, so haut man Zweige und füttert mit ihnen und deren Knospen das Vieh. Die Grusser wunderten sich sehr, als die Colonistcn Heu machten und einsammelten, sind aber bis jcyt dem Beispiele nicht gefolgt. Die Grnsicr düngen ihre Felder nicht. Im Mai oder Juni wird das Feld umgerissen, dann im Herbst gleich mit Weizen besäet, ohne es vorher noch einmal gepflügt zn haben, also oft in fußhohes Gras"), dann wiro die Saat gcegget mit einer Gggr, die mehr einem Vesen gleicht, und so Weizen gebaut zwei bis drei Jahre hintereinander, dann wird wohl noch eimal Gerste gesäet, und nun bleibt das Feld mehre Jahre brach liege». — Der Dünger wird dort getrocknet uno dient als Brennmaterial Cr ist ') Die deutschen Colonisten pfiügttn anfangs das Land noch einmal vor ber Saat, trotz der Warnimg der Grusicr, hatten aber eine totale Mis' ernte, die scharfen Winde luinirten die zarte unbeschühte Saat, S3 besser als Torf. Die Fruchtbarkeit ist in der Ebene deö Kur sehr groß, Weizen und Gerste geben 25, ja selbst bis 35 Körner! Die Grusier halten viel auf Viehreichthum. Sie pflügen meist mit Ochsen, haben einen sehr schwerfälligen Pflug, vor den si>' 8—1(1 Paar Ochsen spannen, und da nicht jeder Vaucr so viele Ochsen hat, so bilden sie Gesellschaften zum Pflügen, Sie pflügen fast einen Fuß tief und eine 2'/< Fuß breite Scholle. Die Colo-nisten pflügen nur mit Pferden, aber 6 — 8 vor den leichten Pflug, und nur einen halben Fuß tief, ziehen aber bessere Frucht wie die Grusier. Der Grusier Vichreichthum besteht vorzugsweise in Schafen und Schweinen. Vci den Grusiern und Armeniern essen nur die Aermcrn Rindfleisch, dieftö ist auch schlecht, von den Ochsen fast nicht zu genießen, nur das Kuhfleifch ist erträglich. Die Perser essen gar kein Rindfleisch. — Schweinefleisch und Schaffleisch ist die gewöhnliche Nahrung der Grusier. Man hat gefragt, wie es gekommen, daß die Grusier nie vom Christenthum zum Moham-mcdanismus abgefallen sind, ungeachtet selbst mehre ihrer Clären, um Persien gegenüber ihre Klonen zu conserviren, Mohammedaner geworden, uud der Zustand der grusinischen christlichen Kirche ein sehr gesunkener gewesen? Ei» Schriftsteller memt, sie hätten sich nicht entschließen können, den beiden Hauptproductcn ihres Landes, dem Weine und dem Schweinefleische, zu entsagen, — Die deutschen Lolonistm sMarimfeld) halten keine Schafe, weil sie im Sommer ins Gebirge getrieben werden müßten, sie haben nun aber keine überflüssigen deutschen Hirten und müßten also Grusier miethen, auf die sie sich zu wring verlassen können. Die grusischen Landleute essen des Morgens und Mittags meist kalt, Nrod, Grünes, Sellerie, Lauch, Kresse, und wenn keine Fasten, Milch, saure Milch, Käse, des Abends aber etwas Warmes, Hammelfleisch mit ^nlo' Hähern Ausgaben der Menschheit zu lösen, Visher war der occidental? Theil der Christenheit mit der germanisch-romanischen Lebens-anschauung und ihrem religiösen (^snll-um unitüli? der Träger der höhern menschlichen Cultur. Die orientalische Christenheit in allen ihren Abtheilungen schien in einem tiefen Schlaf begraben, sie stand ln Bezug aus Cultur zwar noch weit über allen hndnischcn Völkern, und selbst über den mohammedanischen, allein sie war stehen geblieben auf dem Standpunkte vor dem Mittelalter, Unstreitig war die Trennung von Nom, wodurch jede freiere Bewegung gehemmt, und ein starres Festhalten selbst in den unwesentlichen Formen durch eine eiserne Consequcnz geboten war, hieran schuld. Was aber der Theologie bisher nicht möglich war, gelingt der Tochter des olcidentalischen Christenthums, der modernen Cultur, sie dringt langsam aber unaufhaltsam in den Orient ein, wandelt allma'lig das sociale Leben um, und bringt jedeAsalls zunächst uns staatliche Bildungen, wie wir an den vielen Versuchen namentlich m den mohammedanischen Ländern, in Egypten, in Persien, in der Türkei, in Indien täglich vor Augen haben. — Zur Vermittlerm dieser neuen Weltperiode scheint Nußland berufen, dessen Volksstamm dem Occident, dessen religiöse Anschauungen dem Orient angehören. Deshalb drang auch die occidentalischc Cnltur so leicht in die staatlichen- und Volkseinrichtungen Nußlands ein! Dasi demnächst aber auch dir Theologie des Abendlandes in die orientalische Kirche, und zwar in allen ihren Abtheilungen (der griechischen, slavischen, arme.-nischen, nestorianischen, koptischen) eindringen wird, ist nicht mehr zweifelhaft. Ich aber für meine Person neige mich immer entschiedener zu der Meinung, dasi, wenn es der orientalischen Kirche gelingen wird, auf der Vasts der Gleichberechtigung uud der Annahme des Centrum unilalig, sich mit der occidentalischen auszusöhnen und zu vereinigen, der Scepter der Cultur, des staatlichen Lebens, und besonders in ihren Seelen bereiw angegeben lmd verfolgt hatte, einseitig und absprechend uns; in der kurzcn Zeit der stultlnl'lüte zeigt er sich fast nur als eine Secte des Christenthum!?? Dir mohammedanische Tradition, ihre Sagen und Legenden b^nge» dies deutlich genng, E. Weil's „Sagen der Morgenlands, " 61 somit der Weltherrschaft, von den westlichen auf die östlichen Völker übergehen wird, Drnn die westlichen Völker beginnen an Urbcr. bildung und Verbildung zu kränkeln, die Bande des Familien- und Oemeindelebens lockern sich und lösen sich auf. Bei den östlichen Völkern sind aber gerade diese letztern noch von einer Frische und Natm'kraft (wie ich dies unter Anderm in meinem Buche über Rußland nachgewiesen), daß ste eine große, reiche und lange Znkunft versprechen. Es ist mir durch zwanzigjährige Neiftn und Forschungen immer klarer geworden, daß vorzugsweise das Erkennen der Sitten und ihrer geistige» und materiellen Beziehungen und Verbindungen, des Familienlebens, der Corporations - oder Associationsuerhältnisse, insbesondere aber der Gemeindevcrhältnisse der untern Schichten dcv Völker uns das Verständniß der Geschichte und des Völker- oder Staatenzus^mmcnhalts, und dann selbst cinrn Vlick mit einigem Anhalt in die Zukunft eröffnet. Ich habe diesen Zweck auch auf meiner kurzen Neise in die kaukasischen Länder verfolgt. Hier vielleicht wie nirgendwo muß in dieser Beziehung die Losung vieler Räthsel in der Geschichte aller europäischen Völker liegen, denn von hieraus sind sie ja alle wol unstreitig ausgewandert, uud vielleicht ergeben dereinstige Forschungen, daß alle europäischen und vorasiatischen Völker ihre Väter und Stammesverwandte hier auffinden und noch jetzt haben. Was ich hier in dieser Beziehung gebe. ist nur rhapsodisch, local, gewährt keine Uebersicht, es ist nur anregend, um künftige gründliche Forschungen hervorzurufen und ihnen Fingerzeige zu geben. Für solche Forschungen gehört nur ein vorurteilsfreier und liebevoller Vlick ins Volksleben, und außerdem Fleiß, denn eö ist namentlich in den Archiven in Tiflis ei» ungemein reiches bisher völlig unbenutztes Material vorhanden. Wie dies sich gebildet, will ich hier kurz anführen. Wie überall in der überwiegenden Masse der Veamteuwelt, so denn auch in der russischen, und vielleicht hier im erhöhten Maße, liegt ein Bestreben zur Centralisation und Nniformirung aller so cialen Verhältnisse, Alles eigenthümliche particularc Leben ist ihnen gründlich verhaßt. Dies ist keineswegs bei den Beamten der monar^ 62 chischcii Staaten aliein oder uorzugsweise der Fall, die Gouverne mcnts aus dcr Schule del,- französischen Ncpnblik verstehen dies noch viel gründlicher, und führen es noch energischer durch, wie wir noch kürzlich es bei einer Republik, der Schweiz, gesehen! — Es ist dies recht eigentlich der antigcrmanische, die Elemente des germa nischen Volkslebens in den germanischen und romanischen Völkern auflösende, Geist, Nur Englands Volksleben, welches im Gouvernement selbst eine vollständige Verkörperung gefunden, macht hiervon bisjetzt eine glänzende Ausnahme, und zum Theil Nordamerika, die Tochter des englischen Volkslebens, Es ist aber freilich auch nicht zu läugnen, daß die Centralisation und die Generalisation aller Formen des specialen und Staatslebens, dies Prokrustesbett des Volkslebens! das Negieren sehr erleichtert und die äußere Macht des Staats viel energischer entwickeln läßt. Das ist daö Geheimniß Frankreichs.' Das französische Volk will gar die Frei-heit nicht, kann die wahre Freiheit nicht vertragen, es will nur Gleichheit im Innern, und Macht nach Außen, darum wird dort stets die Centralisation in Paris verbleiben, trotzdem daß in den Departements viel dagegen geschrien und gelärmt wird. Das russische Vcamtenwesen ist recht eigentlich aus dcr Schultheoric und Praris des modernen Veamtenthums hervorgegangen. Auch läßt sich nicht leugnen, daß Centralisation und Generalisation dcr Ne-gierungS- und Verwaltungsformen in den hiihern Schichten deS Staatslebens dem Charakter der slawischen Völker, insbesondere des großrussischen durchaus angemessen, weil naturgemäß, sind. Gs besteht hierbei ein innerer Gegensatz zwischen dem ursprünglichen Charakter der germanischen und dcr slawischen Völker. Das für Großrusiland ganz passende, eigentlich vom Volke selbst als angemessen und nothwendig anerkannte System ist aber unpassend, nick leicht verderblich für die deutschen Ostseeftrovinzen, und für die kau. kasischen Länder, Ich habe schon oben angedeutet, daß eS wahrscheinlich ist, daß in Grusicn und Mingrelien früher die Leibeigenschaft der Bauern nicht eristirt hat, dasi sie vielmehr erst seit der russischen Occupation, und zwar nicht rurch Gesetze, die nimmermehr von den Kaisern Paul, Alerander und Ni,olai unterzeichnet worden wären, sondern 63 ganz einfach auf dem Wege der Administration eingeführt worden ist. — Die russischen Beamten kannten die Vauern in Rußland nur als Leibeigne, also mußten es auch die Bauern des Adels und der Fürsten in Grusien sein! Die Bauern der Krone sind in Nußland seit Alexander persönlich frei, folglich sind sie es anch in Grusien!*) Daß in diesen Ländern überall durch Sitten, Herkommen und Gewohnheiten, ja selbst durch, wenn auch mangelhafte, Gesetze (in Grusien sogar durch ein Gesetzbuch, das des Wachtang), ein einiger, maßen geregelter Zustand des Familien- und des Gcmeindelebenö uorhanden war, ignorirten die russischen Beamten gänzlich, sie waren viel zu träge den vorhandenen Zustand zu stndiren, sie verfuhren überall plump nach den Gesetzen und Administrationsbegnffen, die sie kannten, an die sie gewöhnt waren, also den russischen, höch^ stens vermengt mit ein bischen Willkür und gelegentlicher Raublust und Aussaugung, da in den kaukasischen Ländern der Natur der Dinge nach dir Aufsicht und Controlc natürlich noch viel schwächer und unzureichender war wie anderswo! Dabei war die ganze Ver. waltung mehr militärischer Natur; alle Klagen, selbst die rein civi> listischer Natur, gingen nur bis zum commandircnden General. Es konnte nicht fehlen, daß dadurch bitterer Groll gegen die Nüssen und das russische Gouvernement fast bei allen kaukasischen Völkerschaften sich ausbildete. Als der Kaiser Nicolai im Oetober !857 eine Neise in diesen Landstrichen unternahm, sollen die Tfchi nownik (Beamte) vorher verboten haben, ihm Bittschriften zu über-reichen. Bei Akhalzick lagen die Einwohner eines ganzen Dorfs an der Straße stumm auf den Knien, als der Kaiser vorübrrfuhr, dies wiederholte sich noch ein paar mal. Der Kaiser frug die Leute, sie sagten, es sei ihnen verboten, ihn mit Bitten anzugehen, ') Mau hat in neuern Zeiten von Petersburg aus gegen die weitere Verbreitung dcr Leibeigenschaft durch Gesetze einzuwirken gesticht. Ein Ukaö erklärt, in Grusien ist die Prasnmtion gegen die Leibeigenschaft, f? muß bei Jedem bewiesen werden. Wer aber vor den 7, August 15 schon als Leibeigner angeschrieben war, soll als solcher gelten. Ferner wcr durch Richterspruch vor 1836 auf den Grnnd Wjcihriger Verjährung, als Leibeigner anerkannt war, kann nicht ctwn dagegen reaffumiren. 6i er sagte, das sei nicht wahr, sie möchten ihm nur dreist Vitt-schristen übergeben, mm strömtm ihm diese in solcher Masse zu, oaß allein bis Eriuan schon gegen l^ttl) Bittschriften und Klagen eingereicht waren! Der Kaiser hatte den Gedanken einer größern Trennung der Civilverwaltung von der Militärverwaltung gefaßt, wenn auch die erstere, der kriegerischen Verhältnisse halben, nicht unabhängig vom eommcmdirenden General als Gmcraigouverneur der ganzen Provinz gestellt werden konnte. Die Gesetze der frühern Fürsten, namentlich der grusischcn Fürsten, das Gesetzbuch des Czar Wachtang, die armenischen Gesetze, selbst die Gewohnheitsrechte der Tataren u. s. w. mußten gesammelt und ins Russische übersetzt werden. Gs ward den Beamten befühlen, sich bei der Verwaltung danach zu richten. Der NeichZrath Baron Paul v. Hahn erhielt im April 1837 den Auftrag den Zustand deö Landes in Bezug auf Nationalität, Gemeindeuerhältnisse, Ncchtsgewohuheiteu» in allen diesen Landstrichen überall zu constatirm und, darauf gegründet, einen umfassenden Plan für eine künftige Verwaltung auszuarbeiten und vorzulegen. Vier Commissarien aus den Ministerien des Innern, der Justiz, der Finanzen und deö Kriegs begleiteten ihn. Varon Hahn gehörte den Grundsätzen und der politischen Schule an, die man iu Deutschland die historische nennt, Er glaubte, man müsse das Nationale, Eigenthümliche, sich historisch Grbildet-habcndc nicht blos schützen, sondern man könne nur hierauf gegründet in den untern Verhältnissen des Volkslebens, in den Familien-, den Gemeinde-, den Ackerbau-, den Verkehrsverhältnissen, einen wahrhaft zweckmäßigen, wohlthätigen, öffentlichen Zustand herbeiführen und anbahnen, der den Leuten angenehm und lieb werden würde, und wodurch sie eine größere Anhänglichkeit an das russische Gouvernement selbst gewönnen. Die Behandlung und Or-ganisirung ihrer Verhältnisse nach dieser Ansicht und politischen Doctnn möchte auch die sein, welche den kaukasischen Völkern und Landstrichen am angemessensten und zuträglichst«! sein könnten, wenn man bedenkt, daß diese Landstriche ein rechtes Mustcrland abge-schwssener historischer Völkerschaften sind, daß es hier 00—70 Völ kerschaften gibt, die jede ihre eigene Sprache, ihren Kreis eigener 65, Sitten lind Gewohnheiten, oft ihre eigene Religion haben, daß sic sich fast nie linter einander mischen, daß im selben Dorfe oft Ar menier, Georgier und Tataren gemischt leben, aber doch dabei jedes Volk seine eigene Mission, Sitten, Tracht und Lebensweise, Ge riä'te und Polizei bat, und sich niemals denen des fremden Volks freiivillig unterwirft. (5in vom Varon v, Hahn ausgearbeitetes und von dem Generalgouvernenr Golowin unterzeichlleteö Projeel zur Organisation der ganzen Verwaltung dieser Bänder, erhielt die kaiserliche Bestätigung, und Baron Hahn reiste ltt^N znm zweiten mal nach Tiflis, um sie ins Leben zu rufen. Daß solche Ansichten den Militärchefs sowie den eckt russischen Beamten (den Tsännowniks) nicht munden konnte», war natnrliä», von ihnen soll dann gleich nach der Abreise tes Baron Hahn gegen die Ausführung mächtig intriguirt worden sein, Die russischen Militärs befanden sich ^u wohl bei der Verwaltung der Admimstrationssti'llri, «, s. w. Genug, daö Ganze ge rieth in Stocken, und das alte Regime trat wieder in volle Function! Ich hatte die vorstehende knr^c Darstellung einem sachkundigen, ausgezeichneten, mit den Personalitäten und Loealitäten genau be kannten Manne mitgetheilt. Derselbe gab mir gehaltreiche Nemer^ knngen darüber, mit der Erlaubniß sie zu benutzen. Ich ziehe es vor, sie unverkürzt zu geben, va sie ganz dazu geeignet sind, ein klares Bild der Verhältnisse und Vestrebnugen zn gewähren. Die letzten ssricdensscklusse mit Persten (Turkmantschai) und Ulit der Türkei (Adrianopel) l'aben die gegenwa'rligen Grenzen der trans, kaukasischen Vande festgestellt! sie zerfallen in christliche und mohammedanische Gebiete, Zu den erster» gehören die ehemaligen <5znr thümer Grusten, Imereti, Gurian, die Vasallenländer Mingre lien, Abchasien, Suanetinl, wo der griechische, und die aimeni^ schen Provinzen, wo der armenische Glaube vorher» fchend ist. __ Zu den letztern werden gezählt die ehemals unter persischer Ober Hoheit gestanden habenden Chanate Karabagh, Schamacha, Nucha, Derbent, Baku, Leukoran von schiitischcn, und die ehedem türki schen Paschaliks Achalziclie nnd Allal Talaki von snnnitiscl'en Moham-»'edanern bewohnt, Roßland fand, besonders in de» christlichen Gebieten, ein ga»^ 5» 66 ausgebildetes, alle Classen der Bevölternng umfassendes Lehn»? wrsen, dessen Adel seitdem nichts unversucht läsit, die Hörigkeit sei >«er Gütersassrn in Leibeigenschaft umzuwandeln, stächst den in den verschiedenen Landestheilen geltenden Gc-wohnheitsrechten, bestand in Grllsien das unter dem Namen ,,Necbt des König Wachtang" bekannte Gesetzbnch. Im 4 7. Jahrhundert hatte derselbe eine handschriftliche Sammlung griechischer, römischer, judäischer, armenischer Gesetze nebst loealer Gewohnheitsrechte veranstaltet, geschickt, den stets schwachen und geldbedürftigen Czaren, dir, als Oberlehnsherren, das Nichteramt verwalteten, zugleich als Quelle des Einkommens und als Waffe gegen übermüthige Vasallen zu dienen. Diese, ehemals als handschriftlich vorhandene, nun aber auf Veranlassung der russischen Negierung gedruckte und verösfent-lichte Gesetzsammlung, ist aber jetzt ganz außer Anwendung gekommen, sowol wegen ihrer den gegenwärtigen Zuständen nicht entsprechenden, als auch wegen ihrer ^n Erbschaftsangelegcnheiten sich widersprechenden Bestimmungen. Wie im ganzen Oriente, waren in Transkaukasien die Schiedst gerichte allgemein im Gebrauch zur Schlichtnng der Privatsachen, wo hingegen das geistliche Gericht der Mohammedaner, der Schariot, in Ehe- und ^'rbschaftshändeln seiner Glaubensgenossen zn Necht erkannte, — was jedoch die despotisch regierenden Chane, Sardare und Paschas nicht abhielt, uach Gutdünken jedes Vergehen und jede Streitigkeit vor ihren geldgierigen, oft summarisch blutigen Nichter-stuhl zu zieh». Die Abgaben bestanden in Personallristungcn, in Natural-lieferungen, in Belastung aller Zweige der Industrie und des Verkehrs und in Zöllen, die nicht nur an den Grenzen der Verschiß denen Landcstheile, sondern auch bei und in den Stadien und Flecken derselben erhoben wurden. Mnraws in Grusien und Imereti, Vevs und Äghalare in von mohammedanischen und armenischen Landen waren belehnt mit der Hebung dieser Abgaben und der Handhabung der innern Verwaltung und Polizei, mit Beihülse, der Gemeindceiltesten nnd Vor^ stcher. Wahre Blutsauger des Volks, trieben diese Veys und Äghalare it'r Unwesen so lange, als sie durch Theilung ihrer Bente «7 sich die Nachsicht ihrer nicht mindev schlachten Vorgesetzten erkaufte», »der bis sie ein Opfer der Volksrache wnrden. Unter solchen stets ohnmächtigen und gelobedürftigen, nur selten tüchtigen Fürsten, war Tran ska ukasien Jahrhunderte lang ein offener Tummelplatz für die (Anfälle und Verheerungen seiner räuberischen Nachbarn. Ernten und Vieh, Kinder und Weiber, Hab und Gut wurden entführt; — Verarmung, Entsittlichung der Bewohner, Ent^ völkerung waren die natürlichen Folgen dieser unseligen Zustände, als diese mit allen Gaben des Bodens und des Klimas reich aus^ gestatteten Lande allmälig unter russische Herrschaft gelangten. Schon aus dem hier kurz gegebenen Andeutungen ersieht man die unzähligen Hindernisse und die Schwierigkeiten jeder Art, welche die rnssische Regierung bekämpfen und beseitigen mußte, ehe es ihr gelingen konnte, die aus feindlichen Nationalitäten und Religions-genossen bestehenden transkaukasischen Bevölkerungen zu einem Zu stände von Ruhe und Ordnung zu führen. Mit Recht gepriesene Werkzeuge dieser Bestrebungen sind die Geueralgouverneurc Fürsten Zizianoff und Paskicwitsch. Erstern, einen Eingebornen oes Landes, entriß persischer Verrath seiner Heldenlaufbahn, beuor er seine große Aufgabe vollbracht; Letztcrn entrückte die Bekämpfung des poln«.-uischen AufstandeS, zu der er berufeu ward, nach Besiegung de» Perser und Türken, in der Unterjochung der Bergvölker und in seinem umfassenden Wirken für die Regelung der transkaukasische» Zustände. — Doch wendete bald der Kaiser diesem wichtigen Gegen, stände seine ganze Aufmerksamkeit zu. Eine Reihesolgc von Maß. nehmungen bekundeten seine Einsicht, seinen Willen und seine Macht, das begonnene Werk ohngeachtet aller Schwierigkeiten zum Ziele z» führen. Räuberische Stämme wurden besiegt, Festungen aufgeführt, Grenzwachen und Quarantine», angelegt, um das Land gegen den Eindrang wilder Nachbarn und der nicht minder gefährlichen Seu cheu sicher zu stcUen. — Militärstrasien wurden eröffnet vom Elbrus bis zum Ararat, vom Schwarzen bis zum Kaspischen Mecre und nach allen Richtungen, wo es nöthig schien'. — viele tausend Fami^ lien, welche bei frühern Einfällen von Persern und Türken gewallt !am weggeführt worden, durften heimkehren u»d wurden wieder auf den wüstliegenden Ländereien und verödeten Ortschaften ibrer Vater 5.' U8 angesiedelt. — Im Jahre 1837 wurde unter der Leitung des Baron v. Hahn eine Commission nach !ranskankasien gesandt, deren Mit glieder, aus allen Ministerien entnommen, meistens ihre iü6)tlgkrit durch Reisen im Oriente und durch Schriften über denselben be t'nndeten. Ausgestattet mit allen schon vorhandenen Nachweisungen nnd gesammelten Erfahrungen, mit allen Hülfsmitteln, welche eine grosimüthige Fürsorge des Kaisers nur gewähren kann, sollte diese Commission das Land in allen seinen Theilen und dessen Vewoh-»er in ihren verschiedenen Beziehungen aus das umfassendste kennen lernen, um ans diesen (Grundlagen einen das Wohl derselben be zweckenden Entwnrf für die Organisation seiner Verwaltung zu entwerfen. Um jedoch zugleich diese Zustände durch eigene Anschauung zn würdigen, scheute der Kaiser weder dic grof;c Entfernung, noch die Gefahren der Seereise in vorgerückter Jahreszeit, Im Herbste l8."»7 landete er an der Ostseite des Schwarzen Meeres, besichtigte dessen Festen, bereiste Imerrti, Mingrelien, die ehemalige» Pascha-lickö Achalziche und Allal-Talaki, Armenien, die tatarischen Provinzen, Grusien und Ossetien, lies; Jedermann vor sich, nabm Beschwerden. Klagen und Bitten entgegen, spendete reichliche Wohlthaten nnd stellte grosie llebclstände ab. — Die Commission beschleunigte ibre Arbeite!» und schon an: l, Iannar 181! wnrde die neue Civilverwaltung, nachdem der desfalsige Cntlrnrf !l,'iedelholetltlich geprüft und dann vom Kaiser bestätigt worden, untcr dem Jubel der Bevölkerung eingeführt. Tnrch ne N'urde die Cinwirknng der Militärgewalt auf daö Ciuilfach beseitigt, ihr gegenseitiges Verhältniß den für das Kaiserreich bestehenden Verordnungen gleichgestellt und die Verwaltung streng von der Justiz und den Finanzen geschieden. — Das Land, in Gouvernements, Kreise und Districle eingetheilt, trat unter die Oberleitnng des Generalgonverneurs, der, für außerordentliche Fälle mit großen Vollmachten betraut, die laufenden Geschäfte mit Bei hülfe eines Verwaltungsraths leitet, jede nothig erscheinende Ab ändcnmg aber, »der jede einzuführende Neuerung, an das aus den Ministern bestehende transkaukasische Comite znr Prüfung und znv kaiserlichen Bestätigung ^n bringen hat. Um die Veziebungen TransklNikasienc! >um übrigen Rnßland möglichst zu erleichtern lind 69 zu beleben, wuroen, mit Ausnahme der Abweichungen, die der Zu stand des Landes nnd seiner Bewohner erheischt, die in Nußland bestehenden Gesetze lind Anordnungen, die Namen der Brhör. den, ihr Geschäftsgang nnd ihre Attributionen ans Iranskaukanen ausgedehnt. Sollte jedoch diese Organisation dem vorgesetzten Zwecke ext sprechen, so müßte dem Lande eine möglichst schnelle, einsache und kostenfreie Justiz, eine feste, dem Vermöge» eineö Jeden entsprechende lind vom verderblichen Einschreiten der Steuereinnehmer freie Abgabenerhebnng, und ein, aus die dringendsten Fälle be schränktes directes Cinwirken der Negierungsbeamteu gesichert wer den. Diese Aufgabe wurde nach Möglichkeit gelöst: l. Durch die Belebung des hier, wie im gangen Oriente be stehenden regen Oemeindelebens, vermittelst Erweiterung nnd Fest stcllung der Befugnisse des von jeder Stadt- und Landgemeinde erwählten Oememderatl's und der (hememdevenraltung, ssrei von jeder Einnüschnng der Kronbeamlen wurden sie berufen! «) Zur Verwaltung der eigenen Gcmcindeangclegcnheiten-, l>) Die auf der (Gemeinde lastenden Abgaben ans die Gemeinde glieder nach Maßgabe ihres Vermögens zu vertheilen, sie zu er-heben und gegen Quittung wo gehörig einzuzahlen; l-) Zur Erfüllung lind Ausführung obrigkeitlicher Anordnungen, zur Erhaltung der liluhe nnd Sicherheit »lnd znr Schlichtung klei ner Streitigkeiten, Das Einwirken auf diese Gemrindeuerwaltnngen von Seilen der Bezirks »nd Kreischefs und der Polizeimeister für die Ver-waltungsangelegenheiten der größern Städte unter den respeetiven Civilgolivernenren nnd den l^onvernement^regirillngeii lvurde be. schränkt auf-, Klagen über Neberschreitung oder Misbraucli der anvertrauten Gemeindegewalt und Befugmß; Unterlassene Erfüllung obrigkeitlicher Befehle und nicht ringe zahlter Gemeindeabgabe» und anf sich ereignende Crimiualfällc, die der ausschließlichen Jurisdiction der Reichsgesetze und der Reichs^ behörden vorbehalten wurden. Derart sind die Grenzscheivnngrn der (hememdeaulonomie von 70 der Einwirkung der Verwaltlingsbehördei«, die eine blos beaufsich tigende Thätigkeit ausüben. II. Durch die gesetzliche Begründung und Ausdehnung der schon gebräuchlichen Schiedsgerichte und deo geistliche«« mohammedanischen Gerichts, des Schariots. Die Entscheidungen dieser Gerichte wurden wie vollgültige Nechtösprüche augesehn, sobald die Bestallung des Schiedsgerichts oder die Deferirung des Streits auf das Schariot bei der respective!, Gemeindeverwaltung angezeigt worden. Dagegen bleibt es einem Jeden unbenommen, mit Veiscitelassung dieser gestatteten Behörden sml Necht vor den öffentlichen Behörden zu suchen, d, h. die Klage bei der in jedem Kreise eingesetzten Civilbehörde erster Instanz, die nach NeichSgesetzrn nnd einem ab gekürzten Verfahren zu Recht erkennt, anzubringen, sowie die Appellation an die Livilbehorde (Palate) in der Gouvcrnementstadt und von da die Revision au den Senat in Petersburg zu ergreifen. III. Durch ein neues Abgabcnsystem, nach Aufhebung aller früher erwähnten Binnenzölle und der unzähligen Stadt- und Landbewohner Voden^ und Industrieerzeugnisse, Handel und Wan-del erdrückenden Auflagen, Dieselben wurden ersetzt- ü) Für die Landgemeinden durch den Zehnten des nach vorhergegangener Schätzung ermittelten Ertrags des gestimmten Grund Vermögens der Gemeinde. Wo jedoch dem llebereinkommen mit der Gemeinde über den Vetrag des Zehnten große Schwierigkeiten sich entgegenstellten, sei es wegen fehlender oder unzureichender Be-rieselung, wegen großer Ungleichheit im Ertrage der Vodenerzeug nifsc, oder weil die Viehzucht der Haupterwerb der Gemeinde ist, da ward dieselbe mit einer Geldsumme belegt, nacli Zahl ihrer Nauchfänge, je von 5 bis 5 Rubel gerechnet. Beide Arten von Auflagen sind auf 15» Jahre gültig lind werden, wir schon erwähnt, durch die, von der Gemeinde erwählte Gemeindeverwaltung nach Maßgabe des Vermögens eines jeden Abgabepflichtigen repartirt, erhoben und in die Kreisrentei gegen Quittung erlegt. l,) Für die Stadtgemeinden durch eine für jedes Gewerbe feststehende, nach alten« Herkommen normirte Steuer, die je nach der Zahl der vom Meister gehaltenen Gesellen und Burschen steigt und fällt 71 Durch eine Handclsstcuer, größer oder geringer, je nachdem be» Steuerpflichtige Groß-, Mittel- oder Kleinhändler ist. Diese Steuern, sowie die geringe ans jeden städtischen Arbeite fallende Abgabe, werde» von dem Steuerpflichtigen bei der Nentti eingezahlt; die desfalsige Abgabenquittuug dient dem Arbeiter zu gleich als Paßlegitimation. Nebst einer leichten Controlr ward da bei die Vermeidung jeder Kosten bei Entrichtung der Abgaben bezweckt. Das hier nur in seinen Hauptzügen angedeutete, in allen sei. nen Zweigen ausgebildete Abgabrnsystem enthebt den Staat unr die Steuerpflichtigen der vie Abgabenerhebung oft begleitenden gro ßen Kosten und Chicanen, vertheilt die Abgabenlast nach dem Maße des Einkommens oder der Erwerbfähigkeit, und sichert die Ve steuerten für eine lange Neihr von Jahre« vor jeder Abgaben crhö'hung. Den oft wiederkchrenden Getreide- und Salztheuenmqen i» dem durch Vodenergicbigkeit und Salzreichthum so bevorzugten Transkaukaslcn wurde vorgebeugt durch freigegebene Communication und den Verkauf des Salzes zu festen Preisen aus den Krön Magazinen. Transkaukasiens Thäler und Höhen, bisher nur dem Neiter, dem Saumthiere, und an wenig Orten dem mit Ochsen oder Vüf feln bespannten Karren zugänglich, erhielten überall fahrbare Straßen, die vorzüglichsten derselben Postanstalten für Reisende, und zum leichtern Verkehr wurde eine regelmäßige, auch die entfernteste» Gemeinden erreichende PostVerbindung eingeführt. Die allumfassende Fürsorge des Kaisers erstreckte sich auch ans die religiösen Bedürfnisse und die geistige Ausbildung der Landesbewohner, Die, während der allgemeinen Zerrüttnng, man kann sagen, vrrwil derten Zustände nicht nm der herrschenden griechischen, sondern anch der armenischen, der katholischen und protestantischen (für die aus Wnr temberg eingewandertrn, mit fruchtbarem Lande reich ausgestattete» (lolonisten) Kirche, sowie der sich feindlich gegenüberstehenden moham medanifchen Scctrn der Schiiten und Sunniten wurden, mit Zu^ Lehmig der respective» Geistlichkeit geregelt, Kirchen und Vethäusrr, lheiis wieder hergestellt, theils »en erbant, die Grzielnmg u»d der 72 Unterricht sowie dir Subsistenzmittel der Geistlichen jedes Glaubenc« sicher gestellt. In Tiftis, Nucha »nd Schamacha traten Anstalten zu zweckmäßiger Getreide., Seiden, und Weincultur ins Leben, In den Negimcntsquartieren wurden die für den neuen Culturzustand er-foderlichen Handwerker gebildet, Den Söhnen des ebenso zahl^ reichen als armen Adels wurde freier Schulunterricht in den treffe lichen Negimenlsschulen gestattet. Jede Kreisstadt erhielt eine, mit allen Hülfsmitteln ausgestattete Schule für den Adel, den Kaufmanns- und den höhrrn Vürgerstand, Das Gymnasium und das Institut für Töchter aus höheru Ständen wurde in einen, der höhern Bildung entsprcchcuden Zustand grsrtzt. Den ausgezeichnetem Schülern dieser Anstalten wurden Freiplätzc, theils auf den Universitäten des Reichs, theils in den technischen Lehranstalten Petersburgs und Moskaus gesichert. Die Söhne verdienstvoller Inländer wurden in den Netchsanstalten anfgen^unien, und sogar ganze Corps meistens aus den Söhnen des mohammedanischen Adels gebildet, der bisher die engsten Grenzen seines Geburtslandes nicht verlassen hatte; in den eigens für sie in Petersburg eröffneten Schulen «nachten viele Von diesen Asiaten bewunderungswürdige Fortschritte in den Wissenschaften und in der geselligen Ausbildung, fast alle aber brachten in ihre Heimat Liebe und Anhänglichkeit an den Herrscher und Anerkennung der Vorzüge europäischer Cultur zurück. Auch die Wissenschaft blieb nicht unberücksichtigt, indem ein Katalog der Bücher und Handschriften der Bibliothek zu (5tschmiadzin angefertigt und gedruckt ward, seltene und schwer zugängliche Doeu. mente, theils gekauft, theils abschriftlich gewonnen, und genaue Abdrücke aller in Transkaukasien alls öffentlichen Bauten ^erstreuten Inschriften gesammelt wurden, Da jedoch das Gedeihen und die Ergebnisse auch der besten Arwrdmmgen und Einrichtungen von der mehr oder minder ge wifsenhaften und eifrigen Ausführung derselben .ibhängi^ ist, ^ stand der Monarch nicht an, um die Auswahl tüchtiger Beamten ;n erleichtern, fast dreifache Vesoldnngen nebst bedeuienden Reise-und l Grnsien ist das Land grösitentheils durch einzeln gelegene Höfe angebaut, in den übrigen Landstrichen durch Dörfer, die meist klein, doch auch oft bedeutend groß sind (Martobi zählte z. B. 36l Gehöfte). Diese Gehöfte liegen unordentlich durcheinander und bilden keine regelmäßigen Straße»». Von der Gemeinde und Vauernversassung Mingreliens .habe ich oben schon einige Notizen gegeben. An der Spitze der Gemeinde in Grusien steht ebenfalls der Nazawal, aus grusinisch jedoch Mamasaglisi *) genannt, in Imerrti heisit er Muchelli, in den tatarische» Dörfern Kö'wcha (Schutz), Gr wird von den Hausvätern nach Mehrheit der Stimmen gewählt, die russische Domai. nentammer bestätigt ilm demnächst auf Vorschlag des Kreiöchess. Die etwaigen Gutsherren im Dorfe sind ohne Einwirkung und directc» Ginfluß lnerbei. Die Gemeinden sind als solche sehr frei, selbst die Vcamten sollen sich nicht in Gemeiudesachen mische», — ') Mnuasagcl ft'll auf ^rilsiüisch t^u^indchaupt l'edciM», daac^'n l'eißt Mama;aqel der .bimd! 74 Sein Aim dauert lebenslänglich, wenn er nicht abdankt, oder ails gerichtliche Klage der Behörde oder der Gemeinde abgesetzt wird, (5r ist dienst- und abgabenfrei und erhält ein Geringes von der Gemeinde. Er hat die Polizei, Streitsachen aber gehen an den Kreischef, Er hat dadurch eine große Macht, daß er mit Zuziehung der „weißen Värtc" die Abgaben zu vertheilen hat. Das Gouvernement fodert nämlich die Staatsabgaben nach der Neui-sionszählung, i"-« Familie gleich viel, wobei die Gemeinde solidarisch anfkommen muß. Der Nazawal aber vertheilt die Last nach Vermögen, nach Reichthum und Armuth, Der Nazawal tarirt auch den gutsherrlicheu Zehnten, der an den wenigsten Orten in Natura bezogen wird, und ucrthcilt du» Quote» desselben auf die einzelnen Familien. In der Regel wohnen die Grusier in großen Faimlirn, ein paar Generationen hindurch, auf demselben Gehöfte zusammen. In den reinen mit gntsherrlichen Vanern ungemischten Krön gemeinden legt das Gonvernement nicht blos die Staatsabgaben, sondern auch die Domainenabgabe nach der Kopfzahl oder Familienzahl, nach jeder ucnen Volkszählung (Revision) gleichmäßig ans, und erkennt damit den Grundsatz der russischen Gemeinde, wonach jedeö Gemeindeglied gleiches Necht und gleichen Antheil an allein Grund und Voden hat, an. Allein factisch ist dies in den gru sinischen Gemeinden anders. Hier hat, wenigstens in den Gemein den, von denen ich Notizen erhalten, von jeher der Grund und Voden zu bestimmten Gehöften gehört, ja ich fand einzelne Ge meinden, z. V. Sartschali, neben der dentschen Colonie Marina selb, wo eine vollständige Classencmtheilung ganz ähnlich wie im nördlichen Deutschland, in Vollbauern, Halbbanern, Kossäten u»d häuslern, bestand. Die erste Gasse besaß hier über 70 Dissintinen s28l) preuß. Morgen), die zweite die Hälfte, die dritte nur wenig Vand, die vierte nur ein Haus, an welche letzte Classe sich dann noch eine Anzahl Veiwohner zur Miethe (sie zahlten meist jährlich H bis 5 Rubel Miethe) anschlössen. Hier sollte die Krone von ledem Herd 7» Kod Weizen und Gerste (zusammen Llio<> 270 Pfd,) erhalten. Der Nazawal hatte aber den Gesammtbetrag nach den Classen vertheilt. 75 Von vcm Dorfe Inagct erhielt ich folgende Notiz. Dasselbe gehört zu ^ der Krone, zu '/^ einem Fürsten Varatow, zu ^ dein Edelmann Georgi Kurganow, Ter Grund lind Vodeu soll durch einander liegen, sodaß jene Antheile nur ideelle Antheile sind, wes halb die Krone ihren Antheil sich wollte her«usmesscn lasse», Hcn v, Koyebue, dem ich diese Notiz mittheilte, behauptete jedoch, dies sei entweder eine falsche Notiz, oder eine sehr seltene Ausnahme von der Nessel, es gehörten immer zu einem bestimmten Gehöfte anch bestimmte Grundstücke, Da Grusicn in alten Zeiten schr verwüstet ist, so liegen noch jetzt bei vielen Dorfern bedeutende Flächen guten Vodcnö unbebaut. Da ist dann freilich oft kein strengeö Festhalten des Grund und Bodens bei den Gehöften vorhanden; wenn ;, V, ein Vater stirbt uno nur einen minderjährigen Sohn hinterläßt, so nimmt der Nachbar das gutsherrliche Land mlt der darauf ruhenden Abgabe an sich, vielleicht auf Antreiben dcö Gutsherrn, und der Anerbe nimmt sich, wenn er volljährig geworden von dem wüsten Acker, Unsicherheit im Besitz des Grundes und Bodens soll besonders in neuerer Zeit zugenommen haben. Man behauptet, daß manche Fürsten und Adelige auf Grund falscher Documente sich das Eigenthum von Grund und Voden angemaßt. Die Armenier sind unend-lich leichtsinnig und gottloS bei Eidesleistungen, Oft werden daher zu obigem Zweck ihrer Zwölf, die ursprünglich auch nicht die min destc Wissenschaft haben, beigebracht, welche schwören, das Land gehöre Dem und Dem, welchem es dann zugesprochen werden muß' Als allgemein verbreitete Abgabe gilt der Zehnte, allein er wird, wie ich hörte, nur noch an einigen Orten in Natura erho ben. Der Zehnte, drn die Krondmnaine zu heben hat, ist in eine firirtr Abgabe verwandelt, ich glaube aber, sie ists nicht überall gleichmäßig. An em paar Orten fand ich, daß die Kronbaurrn von jedem Tagewerke (l^icli-cii-e^-io^^ulo!!) ! Kod Weizen oder Gerste, je nach Dem, was gerade auf dem Acker stand, abgeben mußten. War jedoch ein Misjahr, so sollten die Abgaben wegfallen, wobei na türlich der Willkür der Beamten Thor und Thür geöffnet war, An nndern Orten hörte ich, dasi die Krone 9 Kod von i^der 76 Familie mich der Nevisionszahlung berechne und cinsodere, loobei die Gemmide solidarisch aufkommen müsse und dem Nazawal dir Vertheilung überlassen bleibe. III Markobi sollte jede Familie 2 Kod Weizen und l Kov Gerste abgeben, allein der Nazawal vertheilte die Last nach Vermögen und Besitz, Die Kirchen- und Klosterbauern geben hin und wieder den Zehnten in Natnra, sonst nach billigen firirten Sätzen, in Markobi geben die Kirchcnbauern keinen Zehnten vom Lande, sondern eine firirte Abgabe an Wachs und Wein. In diesem Dorfe wa ren 200 Kronbauern und 120 Kirchenbauern, 4l Bauern gehörte» einigen Fürsten oder Adeligen. Die letztern sollen sehr geplagt und gedrückt sein. Statt des Zehnten (Galla) mußten sie den sechsten, ja selbst den fünften Theil der Ernte abgeben! Neujahr und Ostern kleine, sogenannte freiwillige Geschenke, aber dann wurden ihnen noch alle zwei bis drei Jahre, je nachdem man sie vermögend fand, Summen, die von H bis 500 Rubel stiegen, abgepreßt. — Von den Gärten wurde au diesem Orte der fünfte Theil (Kulbucha) der Früchte und des Weins abgegeben. An vie leu Orten gehören jedoch die Gärten den Bauern eigenthümlich, und rS wird nichts davon abgegeben, eben so wenig von den Häusern, die stets den Bauern gehören, — Fürst Kurganow hatte alles Land den Bauern überlassen nnd erhob von jedem Tagewerke l Kod Getreide. An andern Orten, z, B. bei Chori, zahlt der Bauer seinem Gutsherrn einen Geldzins von den Ländereien (nicht hoch!) von der Dissiatinc 7 bis 8 Koft, Silber, zur Zeit der Saat, der Ernte uno des Dreschens kann der Herr zwei bis drei Tage in >dcr Woche Frohnden fordern, wenn er sie nöthig hat. Außerdem mus: der Vaurr die Zuzucht feines Federviehhofs mit dem Herrn theilen und bei der Geburt eines Erben, bei dem Tode des Herrn Gc. schenke bringen. Die Höfe werden vererbt zunächst an den ältesten Sohn. Seitenverwandte haben kein eigentliches Erbrecht, doch wird ihnen der Hof meist gegen Darreichung von Geschenken verliehen, Verkaufen darf daher der Bauer kein Land. 9lach russischem Gesetz kann der Vauev nur bis zu 3 Rubel Silber leihen oder schuldig werden, ein MrhrereS kann nie gegen ihn eingeklagt werden. Die eigentliche Staatsabgabe, das russische Kopfgeld der Re 77 Visionsseele, wird, wie ich horte, hier häufig ebenfalls in Getreide erhoben, hin und wieocr von jedem Hmise 2 Kod; in Markobi solle» 2 Rlibel Silber von jedem Herde gefodert werden. Die Gutsherren müssen hierbei für ihre Bauern aufkommen und von jedem Hcrde 4 bis H Kod und zwar von der Gctreideart, die auf dem Lande gewachsen, steuern. Die Feldmarken der Gemeinden nach außen, sowie die ein zelnen Felder, sind überall durch alte Grenzsteine abgeschnatct, überall führen Wege (Quantwcge, wie die würtembergifchcn Colonisten es uennen) zu den Feldabtheilungen, in jedem Felde sind die Arcker durch ungepflügte Raine und Furchen kenntlich geschieden, jeder 'Acker gehört zu einem bestimmten Hofe, überall sind Feldhüter vor Handen, kurz, man sieht, daß seit uralten Zeiten eine geregelte Ackerverfassung eristirt hat, die aber seit länger alö einem Jahr hundert überall durchlöchert ist; große Feldflächru liegen wüste, sind mit Gestripp selbst mit Holz bewachsen, alte Weinberge sind vrr schwunden, die ausgemauerten Weinkeller liegen in Ruinen und sind die Wohnungen des Wildes, die Orduung der Acterverthei lung ist überall gebrochen. Veim Ackerbau herrschen noch überall traditionelle Rechte und Gebräuche, dir durch das sociale Leben begründet sind. Da z. V. meist acht bis zehn Paar Ochsen vor einen Pflug gespannt werden müssen, so haben sich feststehende Ackergesellschaften gebildet, der (5ine muß den Pflug stellen, ein Anderer ein Paar Ochsen u, s. w. Die Felder sämmtlicher Hose lvrrden dann nach feststehender Ord^ nung gepflügt u. s, w. Wind, Wasser, Wild, Weide, Wald sind frei und Niemandes ^igelttynln! Dieö ist traditioneller Rechtsgrundfatz beim grusiniscken Volke. Es herrscht allgemeines Iagdrecht für Jedermann. Die Wälder sind zwar nominell abgetheilt und gehören den Gemeinden, dem Adel und der Krone, allein ihre uneingeschränkte Venuyung steht Jedermann ;u. Das? in Folge hiervon die Wälder an vielen Orten schon völlig ruinirt sind und stets mehr werdm, ist natürlicl'. M„ kaiserlicher Utas ordnete daher ein Ausscheiden der Kronwälder und eine be-besondere Verwaltung derselben, mit anzuordnendem Schuh, ",i, 78 allein das verursachte eine solche Gährung beim ganzen Volle, daß »um sich veranlaßt sah, l842 den llkao wieder znrückzunehmen. Mir scheint, es war eine politisch nicht zu billigende Maßrege!. Man hätte sich begnügen solleil, das Eigenthum der Wälder für die Krone festzusetzen und festzustellen und zugleich das Recht del Gemeinden und Einzelne!, zur Venntzung oder Holz berech. tigung. Dann konnte man cine allgemeine Ordnung, in welchem Maße und mit welcher Beschränkung jede Holzberechtigung ausgeübt werden dürfe, erlassen. Die mnßte nicht blos für die Kronwaldnngen, sondern für alle Waldungen gelten, — Jener erstere Mas hat die Ideen über das Eigenthum uud die Grenzen der Waldungen aufregend geweckt, Fürsten und Adel suchen seitdem ihre Waldungen ebenfalls der allgemeinen Benutzung zu entziehen, Daö gibt häufig zu nicht unbedeutendeil Unruhen und, wo die nicht ausbrechen, zu bittern Processen Veranlassung, Trotz der 'Plackereien und Bedrückungen der Tschinowniks hebt sich doch in manchen Gegenden der Wohlstand der Kronbaucrn zu sehends. Oft sammelt sich ein Vermögen von mehren Tausenden in ihren Händen, sie benutzen dies dann sogleich, um Grnndeigen lhuul zn erwerben, was nicht schwierig ist, da der Adel, überall sehr ruinirt und leichtsinnig, gern verkauft, besonders i» Ge meinden, wo gemischtes Eigenthum ist, d, h. wo Krone und Adel Vauern und Grund und Voden zusammen besitzen M gibt daher viele Kronbauern, die zugleich Eigenthümer von vielen angekauften Grundstücken sind. Daß Haus und Hof überall Eigenthum der Bauern ist, ist schon angeführt. Beim Tode erhält ein Sohn das Kronbauergut, in die eigen thümlichen Grundstücke theilen sich aber alle Söhne gleichmäßig, und in deren Ermangelung die Töchter, Sind Söhne vorhanden, so erhalten die Töchter nnr eine Ausstattung. Gs ist aber ein Ehrenpunkt beim ganzen grusinischen Volke für Väter und Brüder, die Töchter oder Schwestern zu verheiratheil nnd auszustatten, Als größter Druck und schwerste Last für die Hauern gilt die Pflicht, Post- und militärischen Vorspann z», leisten. In eiuem Vande, wo nur eine militärische Verwaltung besteht, mag dies zu unendlichen Misbräuchen und Plackereien GeOgeiibeit geben! Vierte CaMel. Der Armenier Abowian, — Einrichtung der Häufer in Tiflis. — (N)a ratter der Einwohner, Umwandlung der Trachten und Sitte«. — Besuch beim Geueralgouoernenr in Print, Weg dahin. da»3 grusinische Fraulein, Stellung des Generalgouverneur. ^ Der persische Gesandte, — Stellung der Armee. — Misbräuche, — Die Arbeitereompagnie, ihre Vortheile, die Ncgimentscolonie, — Iermalow. — Nnrep, — Behandlung der Gc fangenen bei den Tscherleffcn, von Tnrnau. Bell. — Unsicherheit der Straßen im nördlichen Landstriche. — Der Räuber Arsen, 4»er georgische Adel, die Vagratiden und OibellianS. — Die Legende vom heil, G«ao-»ins. — Fahrt zum Wallfahrtsorte Markobi. — Vlbend und Nacht daselbst, der pittoreske Zug am Morgen, die grusinischen Fürsten mit ihrem (He-folge, die Burgruine, die Kloster- und Kirchenruine, der Gottesdienst, — DaS Frühstück des Fürsten Guramow, Säuger, ein Improvisator, Tänzerinne», Tanzer, — Rückfahrt. — Die heißen Bäder in Tiflis, — Dic, Verfassung der Zünfte in Persieu und in Grusien, ^ch lernte in Tiflis auch den Armenier Abowian kennen, von dein weiter unten vielfach die Nede sein wird, da ich ihm meine Kenntniß der armenischen Volksverhältniffc vorzugsweise verdanke. Abowian stammt aus dem Geschlechte eines erblichen armenischen Dorshauptes.— In Grusien und Imereri hat das russische Gouvernement diese Art Geschlechter als Knese (Fürsten) anerkannt, in Armenien nicht einmal als Adelogeschlechter.' Der frühere Misbrauch dort hat hier im Gegensatz zu einer Ungerechtigkeit geführt! Abowian wollte Mönch werden, er war Noviz in dcm be ri'chmtm Kloster Etschmiatschin, als der Reisende Parrot*) von *) Leider ist dieser treffliche Hianu nicht mehr! Er ist an einem Tage ausgegcmgeu und nimmer wiedergekehrt. Vergeblich sind alle Nachforschungen gewesen! 80 dort aus den Ararat zu besteigen sich anschickte, (5r suchte einen paffenden Eingeborne» und schlug drin jungen Mönch vor, die Reise mitzumachen, Er lernte bald in ihm ein bedeutendes Talent rennen und munterte ihn ans, deutsche Utüversitätsstudien zu machen. Abowian ging „ach Dorpat und hatte binnen vier Jahren eine vollkommene deutsche Nniversitatsbildung erlangt. Er spricht lind schreibt so qnt deutsch, dasi Niemand einen Fremden in ihm erkennen würde. Auch hat er eine deutsche Frau grheirathet und besitzt einen völlig eingerichteten deutschen Haushalt, Auf meine Vitte ertheilte der Gouverneur einem jungen gru sinischcn Fürsten, Zacharie Palavandischwili, den Auftrag, mich überall umherzuführen und Alles ;u zeigen, was mir interessant schiene. Die Bevölkerung von Tiflis besteht ausicr den Nüssen und deutschen (Handwerker, Künstler, Kaufleute u, s. w,) aus drei Nationalitäten, den Grusiniern, den Tataren und den Armeniern. Die Grusinier sind thrilö ein ziemlich zahlreicher Adel, theils Gärt ner, theils und in großer Anzahl Arme und Bettler, Die Tataren sind Handwerker, Schmiede, Sattler u. s. w., die Armenier fast sämmtlich Kausleute. Tiflis ist ein Kreuzungspunkt zwischen Asien uud Europa, vor "29 bis !>l) Jahren jedoch noch mehr als jetzt. Jetzt geht der Zug aus England und Fraukrrich nach Indien über Alrraudrien zu den Dampfschiffen des Nöthen Meeres, ehemals ging er über Tiflis zum Persischen Meerbusen. Aber noch jcht gibt es wenige Städte, in welken man so verschiedene Nationa. litäten findet, Russen, Engländer, Franzosen, Deutsche, Perser, Türken, Tataren, Armenier, Kurden, Usbeken und alle Völker des Kaukasus, So sind auch alle Religionen vertreten- Christen der römischen, griechischen, armenischen Kirche, Protestanten aller Art, sunnitische lind schiitischr Mohammedaner, Juden in mehren Secten und selbst Heiden, Wir besuchten die verschiedenen Wolnnmgen dieser Völker, Die iataren weigerten sich, uns das Innere ihrer Wohnungen sehen zu lassen, bei den Armeliiern sahen wir nicht viel mehr alö ihre Kaufläden und allenfalls eine Art Putzstube, Auch die Grusinier der ärmern blasse ließen uns mir mit Widerstreben ihr Sachli 81 (das Haus, aber auch dir Stube, bei ganz Armen besteht daö Haus nur aus einer Stube) besahen. Diese Stuben sehen sehr ärmlich aus, in der Mitte ist ein kleiner Herd, darüber im Dach ein Loch, um den Nauch abziehen zu lassen; an der einen Seite eine Art Behälter, um die Betten oarin aufzuschichten (Zalo), auf der andern Seite ein Vehältcr, um Brod und Victualien aufzubewahren (Mdobani); nur ei» paar Ständer der Thür (Bodsi) waren mit etwas Schnihwerk verziert. <5ine sehr zweckmäßige Wiege ^Aquani) hing an einer elastischen Stange. Abends, Mor gens, oft einen Theil der Nacht dnrchbringen die Grusinier b> sonders die Weiber auf dem platten Dache oder Balköne (Schar dachi) zu, Gs gibt nichts Reizenderes, als bei einem Spaziergange durch dir Straßen an einem schönen Sommerabende diese fast durchschnittlich schönen Frauen in der reizenden nationalen Tracht auf de» Balkönen herumwandeln, spielen und singen und mit den Vorübergehenden kokrttiren zu sehen! Aeußrrst gastfrei ward ich aber in dem Hanse eineö vornehmen grusinischen Edelmanns ausgenommen. Er hieß Loriömerikow und seine Familie hatte ehemals in Form einer Art Souverainctät das Ländchen Loris auf dem Wege nach Eriwan besessen. Das Haus war der Typ eines echten alten grusinische» vornehme» Hauses, tines nationalen Palastes. Das gegenwärtige hatte auch wirklich früher den Czarcn uo» Orusien zu feierlichen Audienzen, zur Feier von Hochzeiten u. f. w, gedient. M bildete ein großes Viereck, in der Mitte war eiue große Halle mit einer gewölbten, runden, auf zwei Säulen ruhenden Kuppel, welche in der Mitte eine runde Oefsnung hatte, durch welche das Licht fiel. Ans dieser Halle führten unten und in der zweiten Etage, von einer umherlaufenden Galerie her, eine Anzahl Thüren in meist kleine Gemächer, die von dieser Seite, aber znglrich von der Straße her Fenster hatte. Dergleichen Häuser sind übrigens gegenwärtig nur »och sehr wenige in Tiflis. Die neuem Bauten des grusinischen Adels sind sammt lich in europäischem Geschmack, Das beschriebene Haus war übri^ gens mehr eigenthümlich und originell als imponirend und groß^ artig, wie dies eigentlich bei allen asiatischen Bauten der Fall ist, die nicht der antiken Zeit angehören. Bei de» neuern Bauten in tt 82 ilflis fano ich die Mauerarbeit, besonders die der Gewölbe, ganz vorzüglich gut, besser als man es sonst an russischen Gebäuden gewohnt ist, Ich hörte, daß man hier persische Maurer dazu ver^ wandt, daß die Perser die vorzüglichsten Maurer Asiens seien. Vielleicht haben sie die Handgriffe und Kaltgehcimnissc der unver-wüstbaren antiken Baute» bewahrt! — Sie erhalten übrigens 11/2 Rubel Silber Tageloh». Ich trat in einen armenischen Laden, um einige Kleinigkeiten zu kaufen und ward sogleich von dein schlauen Armenier sehr ge. schickt angeführt und betrogen. Die Armenier bilden »lehr als V3 (über iOMty der Bevölkerung von Tiflis, sie sind thätig, arbeitsam, sfteeulatiu und bringen nach und nach alles Eigenthum der trägen unthätige» Orusier an sich. kaufen, pachten, nehmen in Pfand u. s, w. und sind deshalb sehr verhaßt*). Die Grusier haben den Nuf der Ehrlichkeit, nüt der einln Ausnahme, daß der gemeine Grusier gern Honig und Bienen stiehlt; die Armenier sind durchgängig betrügerisch, aber unter beiden Nationalitäten stndet man selten einen Dieb, die Tataren dagegen stehlen gern, am lieb^ sten Vieh, und über alles geru Pferde! — Sie arbeiten nicht gern anhaltend, treiben daher den Ackerbau nur so viel, als die Nothdurft erfodert, ziehen die Viehzucht und das nomadische Leben derselben vor, vermicthen sich gern, wenn sie keine eigene Herden *) Ueber das Aeußere und de» Charakter der Orusier weiß ich nichts Besseres zu geben, als die Schilderung, die ein früherer Reisender, der Chevalier Gamba 1'om. ll. p. 18d diese impunirt den asiatischen Nachbar», den Türken und Persern dergestalt, daß sie ihn ganz wie ein regie rendes Haupt behandeln. Oin Neuangekommener Gcneralgouvcrneur schickt stets eine kleine Gesandtschaft, aus Offizieren bestehend, nach Teheran, um den Schal) von Persirn seine Erhebung anzuzeigen. Dann schickt sogleich der Schah einen eigenen Gesandten nach Tiflis, um den neuen Gcncralgouverneur zu begrüße» und zu bewillkommnen, wobei cr nicht ermangelt, ihn mit dem persischen Orden der Sonne zu deeoriren. Gegen 12 Uhr an jenem Tage versammelten wir uns Alle in dem großen Saale des Palastes des Generalgouverneurs; draußen auf dem Platze waren Truppen mit ihren Musikchören aufgestellt, AlS der Gesandte kam, empsing ihn der Gencralgouverneur a» der Thür des Saales, der mit Generalen, Offizieren und einer Anzahl grusinischer Großen angefüllt war. — Der Perser war ein großer, magerer, aber muskulös gebauter Mann mit einer scharf geschnit tenen Physiognomie. Sein dunkelbraunes Gesicht mit der hohen schwarzen Mütze contrastirte sehr mit den langcn fliegenden schnee weißen Gewändern, Er sprach geläufig französisch und benahm sich mit Anstand uno unbefangen. Er setzte sich mit dem General nuf ein Sopha und plauderte ungcnirt, Vei dieser Gelegenheit lernte ich eine Menge russischer Offi- 86 ziere keimen, lind erhielt von ihnen viele für mich interessante Notizen *). Die rnsstsche Armee hat in Transkaukasirn, auch abgesehen von dem Theile, der den Bergvölkern gegenübersteht, eine andere Stel^ lung als im eigentlichen Nußland, sie hat seit vielen Jahren un- *) Ich will hier eine Anekdote aus den, Kriege mit den Türken 1828 und einige Notizen ül'er Nkhalzick einschalten, die zwar nicht hierher gehören, für die ich aber auch sonst leine Paffende Stelle linden kann, Sie sind vou Jemand, der den Feldzug mitgemacht. Der Vortrapp der russischen Armee erreichte die fleine türkische Festung Akalkalaki. Die Werke waren schlecht und unhaltbar, die Vesahuna, bestand aus lWO Mann und 14 Kanone». AlS die Russen aurücktt'n, war Todtenstille, ein paar Stabs-offiziere mit zwei russischen Trompetern ritten vor und ein Dolmetscher foderte die Türken auf, die Thore zu offnen. Da wurden plötzlich zwei rothe Fahnen auf der Mauer entfaltet, der türkische Befehlshaber erschien und rief den Russen zu: „Wir sine nicht Krieger wie die von Eriwan und Kars, wir gehören zu den Kriegekn von Akhalzick. Hier sind weder Weiber noch Kinder, wir können sterben aus den Wällen unserer Festung, aber wil geben sie uicht aus ohne Kampf. Ein altes Sprichwort sagt: ein Krieger von Akhalzick gilt so viel, als zwei von Karü und drei von Lriwan, wir werden das Sprichwort nicht Lügen strafen!" Die Nüssen begannen den Sturm, man konnte deutlich die finstern Stcrbegesänge der Türken höre», welche auf die vorbetenden Worte des Mullah antworteten. Nach wüthender Gegenwehr drangen die Russen ein, kein Türke nahm Pardon, sie blieben alle.' Akhalzick war ein Punkt von der größten Wichtigkeit für die Türken. Von hier auö beherrschten und beraubten sie alle Länder südlich vom West-faukasuS. Ihre Commissare unterhielten von hier aus den kriegerischen Geist der Tscherkessen und LeSgier. Unter den ssahnen des Pascha vo» Akhalzick raubten und verheerten die Lcsgier das reiche Georgien, Die Osseten, DidoS, Djares stürzte» sich ungestraft wie die Wolkeu über die schönen Uferthäler deS Kur und Alazan. Geranbte Knaben und Mädchen wurden dann als gesuchte Waare nach Akhalzick gebracht, wo dann der große Menschenmarkt war, von hier ging diese Waare nach Vrzernm, Tre-bisonde, Teheran, Konstantinopel. Es waren vorzüglich Armenier, die vrivilegirt diesen Handel trieben. Men so wichtig war also Akhalzick auch für die Nüssen. Nach blutiger Gegenwehr nahmen sie die Festung. Nach 25<)iährigem Besitz verloren die Türke» diesen wichtigen Platz. Alle Türken wanderten nach Kleinasien aus. Die Stadt soll Il>,tM Einwohner, acht Kirchen, ein Kaqal dor Juden und eine Moschee für die Mohammedaner haben, 87 verändert die Stellung einer Besatzungsannee in einem eroberten Lande! Ich habe schon oben angeführt, daß die ganze Verwaltung auf militärischem Fuß eingerichtet ist, das Land seufzt varunter, allein die Armee, besonders die Offiziere, halten zäh daran fest. Cs liegt zu sehr in ihrem Interesse! Ich habe angeführt, »vie diesem Interesse gegenüber der Organisationsplan des Hrn, u. Hahn fallen mußte'). Außerdem sprechen auch manche politische Gründe, aus der erponirten Lage hervorgehend, für die Beibehaltung des Systems. Ob der mächtigen Persönlichkeit, der stolzen Unabhängig, keit, der m.it großartiger europäischer Bildung gepaarten Energie des Fürsten Woronzow eine ganz neue Organisation, oder wenigstens eine theilweise mit Abstellung der schreiendsten Misbräuche, gelingen wird, wird die Zeit lehren. Das Leben »nd die Stellung der russischen Armee Hierselbst Hal manche Achnlichkeit mit des der römischen Legionen, wenn ste in den feindlichen Anfällen ausgesetzte» Greilzländern stationin waren. Die frühern Reisenden und auch die aus neuester Zeit haben viel von ungeheuern Misbräuchen, von Vestechlichteit, Bedrückung, ') Es war zuerst dcr tapfere uud edle Oeucral Fürst Zizianow, de,. wie ich meine, im Perserlriege blieb, welcher mit großer Energie rS aus sprach, man müsse die Civilverwaltung uou der Militärverwaltung treu-neu, sonst würden immer die größte» Misbräuche herrschen. Wäre z. B. ein Militär untern Ranges zugleich Civilchcf, so könne er oeu Anfoderun-gen seines Oberste» doch »ie widerstehen. Die Militärchefs hätten sich unter Anderm die Gewalt der i^hane in den mohammedanische» Landstrichen arrogirt, allein das habe den Druck unendlich vermehrt. Die Wane waren erblich, sie dachten aus die Zukunft, drückten also aus Interesse weniger, diese aber bennheu den Moment! Auch der Feldiuarschatt Paeckic witsch berichtete in diesem Sinne. Zwei Senatoren wurden von Peters bürg zur Untersuchung hingeschickt und fanden die größte» Miostände. Da ward danu Baron u. Hahn hingeschickt, und es ist oi'cn erzählt, wie Alles mislang und es beim Alten blieb. Es war zu süß für die administrirenden Mlitäro, über Millionen ohne Rechnung disponiren zu können. Die Folgen aber sind traurig genug, das fruchtbare Grusle» schreitet iu der Cultur des Vodeus trotz des lieben Friedens nicht vorwärts der Aauer baut nur so viel Korn, als er zur Nahrung braucht, denn baut er mehr, so wird ee. »hin weggenommen, ja er muß es noch selbst fnr seine Peiniger verfahren.' Daher lvird dort trotz orS BobcnreichthumS die Armee durch Zufuhr aus Rußland ernährt! 88 von allen möglichen Arten von Intriguen, die in Transkaukasie» herrsche», gesprochen. Auch ich habe genug der Art gehört, aber da ich weder Zeit, noch Gelegenheit, nock Lust, noch Austrag und Verus hatte, dir Wahrheit davon zu ergründen, so mag ich nicht nachschwatzen, weil es schwerlich das Böse treffen und verhindern würde, dagegen vielleicht Unschuldige verletzen, ja diesen sogar große Unbilden auf den Hals ziehen könnte. Die Soldaten sind früher hier zu allen möglichen Arten von Arbeiten, besonders ländlichen, gebraucht worden, meist im Interesse der Offiziere. Der Kaiser hat hierbei mehrmals persönlich, wo er cö erfahren, mit unbeugsamer Strenge die Misbräuche abgestellt und bestraft. Man erzählte sich noch die Anekdote, daß er in Tiflis vor der Fronte der Truppen den General Dadian eines solchen Miöbrauchs halben zum Gemeinen degradirt habe, der zerschmettert und gebeugt doch noch gesagt: „Czar, du bist gerecht!" Der Kaiser duldet nur sehr ungern, daß die Soldaten zu öffent-lichen Arbeiten, namentlich zu Chausseebauten und Vrückenbauten, einem der größten Bedürfnisse des Landes, gebraucht werden. Die Sache ist aber eigentlich eine eiserne Nothwendigkeit, (Noch bis jetzt enstirt z, B. keine fahrbare Straße von Tiflis bis zum Schwarzen Meer!) Und doch wären solche Arbeiten auch nicht einmal demoralisircnd für die Soldaten, brächten ihnen vielmehr den größten Nutzen, da ihncn natürlich ein Tagelohn ausgesetzt würde. Andere Tagelöhner sind dabei dort, selbst für vieles Geld, gar nicht einmal zu haben! Wie in den Militärcolonien fand ich hier bei den Regimentern Arbeitereompagnien. Bei dem großen Mangel an Handwerkern hat man die Soldaten zu allen möglichen Arten von Handwerken angehalten und angelernt. Zum größten Nutzen des PublicumS werden hier alle Arten von Meubleu und Werkzeugen solid gear beitet, ja völlig eingerichtete Wagenfabriken und musikalische In^ strumentenfabriken cristiren hier! Das für den Verkauf aufkom mende Geld wild dann in eigenen Negimentötassen, welche unter unmittelbarer Eontrole der Soldaten selbst stehen, gesammelt. Der größere Theil dessen, was jeder verdient, kommt dem, der die Ar-beit geliefert, zu gute, der Nest dient zur Unterstützung der Kamc- 89 raden. (KZ gibt Soldaten, dir auf solche Art nach erlangtem Abschied mit 1000 Nubel Silber in die Heimat zurückkehren! Nirgends werden die russischen Soldaten weniger mit Ererziren geplagt als hier. Man gestattet nicht blos, man befördert hier das Heirathen der Soldaten, und solche Soldaten stehen sich am besten, da auch ilnc Weiber mit Waschen, Nähen u. s. w. viel Geld hier verdienen, was ebenfalls zur Negimentskasse stießt. Die verhei-ratheten Soldaten kehren selten in die Heimat zurück, sie siedeln sich meist hier in den Negimeutöcolonien an. Jedes Regiment hat hier nämlich seine eigenen angelegten Colonieu, worin dessen verabschied dcte Soldaten, wenn sie wollen, angesiedelt werden, Ich habe diese Colonien als Muster von Ordnnng und Wohlhabenheit rühmen ho'ren. Der angesiedelte Soldat hat das Recht, seine Frau unv Kinder, wenn er deren etwa in der Heimat hat, auf öffentliche Kosten hierher kommen zu lassen, ja sogar seine Geschwister, wenn diese wollen '), Von allen hier früher gewesenen Generalgouvcrneurcn lebt kei ner so in der Erinnerung der Soldaten und selbst des Volks, als General Iermalow. Jeder weiß von ihm Geschichten und Lebenszüge zu erzählen. Aber selbst bei den unabhängigen Bergvölkern hat er die größte Anerkennung gefunden, denn sie wußten, daß ste rücksichtsloses und unparteiisches Recht bei ihm fanden. Alles strömte zu ihm, wenn man sich zu beklagen hatte, und er half, wo er konnte! Aber er war unerbittlich streng. Wenn ein ganzes Dorf oder Eingesessene desselben etwas verübt, etwa eitle Räuberei begangen, so ließ er sogleich nicht weit von der Kirche oder dem Heiligthume einen Platz einzäunen und einen Galgen darauf errichten und die Schuldigen ohne weiteres aufhängen. Selbst im Feindesland, bei den Tschrrkesse», findet man dergleichen Plätze *) Der Chevalier Gamba. welcher den Kaulasus 1820—2^ bereiste, und dessen Reisebcschreilmna, 182ab. ______90 noch jetzt unzerstört! Wenn ein bedeutender Raub oder Diebstahl vorgefallen, und der Thäter nicht augenblicklich zu ermitteln war, so ließ er gleich das Dorf oder selbst die ganze Gegend, auf der der Verdacht ruhtc, daß der Schuldige von da ausgegangen sei, dafür aufkommen und den Schaden ersetzen, Das wirkte so, daß man fast nicht mehr von Nä'ubereirn hörte. Vis zu Iermalow'S Zeiten war nicht die mindeste Anhänglichkeit der Grnsicr an das russische Gouvernement zu finden. Rußland verhinderte den Menschenhandel, der auch in Grnsicn herrschte, es führte wenigstens eine Grundlage eines gesetzlichen Zustandes ein, es beschränkte einigermaßen die Zügellosigkeit der Fürsten und des Adels. Das Alles gefiel den Grnsiern schlecht: es entstand Haß und Ingrimm gegen die Russen, ungeachtet die Verständigern einsehen mußten, daß nur die Russen Schutz gewährten gegen die Verheerungen der Tür. ken, Perser und Lesgier. Iermalow »reckte den kriegerischen Sinn des Volks, das durch die frühern ewigen Kriege, namentlich unter Heraclius, zu einem Abenteuerleben gewöhnt, in der ersten Zeit der russischen Herrschaft gezwungen wurde, ruhig zu sitzen. Er lenkte diesen kriegerischen Geist gegen die Bergvölker und organistrte die Grufier militärisch. Allein er war auch für die innern Ver^ hältniffe thätig; der Ukas vom 8. October 1821 bezeugt, wie er den Handel zn heben suchte. Einen ähnlichen Rnf erwarb sich General Anrep, der 1840 die südliche lesgische Llnie commandirte. So lange er dort war floß beinahe kein Tropfen Blut. Er genoß eines solchen Rufs der Gerechtigkeit, daß daö, umliegende Bolk, ja selbst die Räuber aus dem Gebirge, zu ihm kamen und sich Recht sprechen ließen, Er saß so meist jeden Tag von 8—41 Uhr zu Gericht! Man erzählte sich in den Salons des General Neithart von einem Offizier, einem Herrn von Turnau, der kürzlich aus der Gefangenschaft der Tscherkessen oder eigentlich Ubichen befreit worden. Er hatte unendlich viel gelitten. Die Tschcrkessen hatten ihn in schwere Ketten gelegt und ans seine Klaqc ihm dabei gesagt: „Wärest du ein Weib. wir überließen dich unsern Weibern zur Aufsicht, so aber bist du ein tapfrer Mann, und welcher Mann wird die Sklaverei ertragen, außer gefesselt!" Welch eine gran 9l diose antite Sprache und Gesinnung! Uebrigens hat es ^tiemano gut bei den Tscherkrssrn, selbst Polen, die zu ihnen übergegangen, sind als Sklaven behandelt worden. Der Engländer Nell hat sich lange bei ihnen aufgehalten. Anfangs ist er sehr geehrt, als die Tscherkesfen aber sahen, daß seine Versprechungen von englischer Hülfe u. s. ,v. sich nicht erfüllen wollten, ward er fast für einen Verräther oder Spion gehalten und konnte zuletzt von Gluck sagen, daß er mit heiler Haut entkam. Uebrigens war ihnen der kleine untersetzte Kerl mit seinen Nodomontaden, seinem ungeheuern Nitterschwerdt und seinen Vogrn und Pfeilen auch etwas lächerlich geworden. Mein Fuhrmann, ein deutscher Colonist, erzählte mir, er sei oft bei den Tscherkessen gewesen des Pferdehandels halber. Mit den deutschen ehrlichen Colonisten seien sie besonders freundlich und sie hätten ihm nie etwas Böses gethan. Oft hätten sie ihm gesagt, sie wüßten recht gut, daß der Czar in Petersburg persönlich es ganz gut mit ihnen mcine, allein die russischen Offiziere und Sol^ daten beleidigten sie bei jeder Gelegenheit, und Beleidigungen ertrügen sie schwerer als Naub und Unterdrückung. Sie möchten wol oft gern in die russischen Länder kommen, namentlich des Handels halber, allein kämen sie dann an die russischen Linien, so würden ihnen ihre Waffen abgenommen, denn sie sollten nur unbewaffnet eingelassen werden. Kämen sie dann später etwa zurück, so erhielten sie niemals die ihnen abgenommenen Waffen, die sie vielleicht geerbt und über Alles hochhielten, zurück, sondern wie zum Spott oft ganz schlechte, und beklagten sie sich etwa, so erhielten sie vielleicht gar Prügel, was doch kein Man» ertragen könne! In Mingrelien, Orusien, Imereti reiset »nan ziemlich sicher, man hört nichts von Raubfällen, auch im eigentlichen Grusien nicht, aber überall, wo tatarische Bevölkerung beginnt, sind Räubereien häufig genug. Man darf kaum eine halbe Stunde von Tiflis entfernt spazieren gehen, ohne bis an die Zähne bewaffnet zu sein. Gar zu gern erzählt sich das Volk Räubergeschichten, es sind, da eö keine Geschichte mehr hat, die letzten Anklänge der heroischen 92 Zeit')! In diesen Geschichten weht oft ein stolzer poetischer Heldengeist, der Zeugniß uon dem Adel und 'den hohen Anlagen dieser ') Von dieser heroischen Zeit geben die alten Burgen uud Thürme und Besestigungsmaueru, die man in alle» Theilen dieser Länder findet, hinreichendes Zeugniß. Sie reichen übrigens bis ins 15>. Iahrhnnderl herab, wo die Kampfe mit den Türlen und Persern überall Gelegenheit gaben, Heldenmuth zu üben und zu zeigen. Das Volk hat viele einzelne Züge davon im Gedächtniß bewahrt, aber niedergeschrieben möchte wenig davon sein. Es wäre Zeit. sie überall zu sammeln, ehe sie vergessen werden nnd untergehen. Ich gebe hier eine solche aus dem Munde deS Volks aufgenommene Geschichte der Art, welche mir ein Frennd. Graf H,, mitgetheilt: Das türkische Paschall'f Akhalzick war, ehe es von den Nüsse» 1N2!^ erobert wurde, seit langer Zeit in einer ursprünglich aus Georgien stammenden Familie erblich geworden. Der Pascha war ein mächtiger, fast vom Sultan unabhängiger Lehnsfürst, Die Befehle «on Koustantinopel wurden so wenig respectirt, daß z, V. der Ferman übn' die Auflösung der Ianitscharen dort niemals promnlgnt wal'd, und diese also dort fortbestanden. Die Familie stammte, wie gesagt, aus Georgien. Bereits im 12. Jahrhundert war die Familie Votzo-Djathcli berühmt. Sie beherrschte unter georgischer Oberhoheit und unter dem Titel eines Atabeghs das Ländchen Zemo-Khartli, wo sie in ihrem alten Felsenschlosse Djwary-Tschikle residirte. Sie hatten beständige kleine Kriege und Fehden mit den benachbarten Türken. Im Anfange deS 16. Jahrhunderts lebte der Atabegh Konarlnarc, ein gefürchteter Held. In seiner Stadl Samlokhe war nun ein Kaufmann, der nach der türkische» Stadt Schali Handel trieb, <3r kam in Streit mit einem dortigen Kaufmann, der mit seinen Leuten auf der Heimreise ihm anflanerte, niederwarf und beraubte, trotz dem, daß der Christ ihm mit der Rache seines Herrn, des Atabcgh, drohte: ,.Wenn dein mächtiger Herr nicht ein Feigling ist, so mag er fommen, und, wenn er lann, mich mit dem Ohr anf dem Bazar an meinen Laden festnageln! Der georgische Kanfmann klagt dem Atabegh das ihm wieder-fahrene Greigniß, der aber streicht seinen Schuauzbart, verbeißt für den Augenblick seinen aufsteigenden Zorn, fährt den Kläger hart an und jagt ihn fort. In derselbe» Nacht aber sammelt er 500 seiner tüchtigsten Reiter, setzt bei Gandja durch den Kur nnd überfällt Schaki so plötzlich, das, gar sein Widerstand möglich, <5r thut Niemand ein Leides, »ur jruen Kailfmauu läßt er ergreife» und auf dem Bazar an seiner eigenen Vüde mit dein Olne festnageln. Dann zieht er friedlich ab unter dem Zuruf seiner i'ente: ,,Miige man immerdar in Schaki sich erinnern an die Ge lechtiglcit des Atabegh Konarfuare!" 157'.) siel die Familie von Georgien ab, wo man sie beleidigt hattc und unterwarf sich ?er Oberhoheit 93 Wlker gibt. Die folgende vom Mubrr Arsen mag hiervon einen Veleg geben. Arsen war Dnchantschik (Vndenwirth) in Tistis und als ein schr ordentlicher Mensch bekannt, Cr verliebte sich in die Tochter eines Leibeignen des Fürsten Varatow*), welcher aber die Hei- der Türken, ohne jedoch das Lhristetlthüm zu verläugnen, Alier sie waren «n »nächtig und wurden von den Türken gefürchtet, namentlich der Atabegh Manutscher, ein ritterlicher Fürst. Die Türke» suchten ihu aus dein Wege zu räumen, Aber gegen offenen Angriff, den sie unter Andern, auf der Jagd gegen ihn versuchten, schützte ih» seine Niesenstärle und seine wilde Tapferkeit. Endlich aber sah er ein, daß er dennoch fallen würde, vielleicht durch Gift, er verließ seine Residenz und zog sich in oen Wald Afhaldaba zurück, >vo ihn Niemand anzugreifen wagte, Seine Nach-kommen wurden Mohammedaner und wandten sich «ach Konstantinopel, nnd der Sultan verlieh ihnen das Paschalis Mhalzick erblich, welches sic, wie oben ssesagt, bis zur Eroberung durch die Nüssen 1AW besaßen. In ganz flührr Zeit hatte das Landchen Zcmo-Khartli eine noch größere historische Äedeutuug, im 10. Jahrhundert ward es von dem Fürsten David Kurapalate, auch David-Dido (der Große) beherrscht. Gr unterwarf slch Georgien und Akhalzick, und ward vom Kaiser in Konstanti nopel hoch geehrt. Sein Land hatte unter ihn, glückliche und blühende Zeiten. Er hatte das Neich in Provinzen getheilt, denen er Eristaws (Statthalter) vorsetzte. Aber er hatte keine Kinder, und als er alt war, suchte» die Eristaws sich unabhängig zn machen und strebten ihn, nach dem Leben. Verschiedene Versuche mislangeu, endlich beschlossen sie. ihn 999 zu Ostern mit der heiligen Hostie zu vergiften. David erfuhr Alles, allein er war lebensmüde, er machte ein Testament, worin er dem Kaiser Vasilins sein Reich vermachte, dann bereitete er sich zum Tode vor, nahm in der Kirche zu Ak'tar die (Lomnnlniou und starb in der Kirche, wo er anch begraben liegt. Auö neuester ^cit winde mir erzählt, wie ein berühmter Näuber- und Knrdenhäuptling, Soliman Aga, von den Türken gefangen, in <3ri,van 1^7 freigelassen, noch am selben Abend sich mit seinem 80jährigen Vater vereint, zusammen mit einigen hundert Kurden eine Karagane überfallen und geplündert! *) Zweige dieser Familie sind nach der mir von Hrn. v. H. gegebene,, Notiz gegenwärtig anch in Nußland unter dem Namen Varatieff-Dolgoruli ansässig. Die Familie behauptet vom Perserköuig Artarerres-LongimanuS abzustammen, weshalb ihr der Aciname Dolgoruki-Langhand znläme. Diese Familie ist jedoch nicht zn verwechseln mit der von dem Waräger« fürsten Nuril abstammenden Familie Dolgornki in Rußland. Der Fürst Vlbohasow in S»chnach behanptete jedoch, nicht die Varatow führten den 9^ rath nicht zugeben wollte, er kaufe denn das 'Mädchen aus der Leibeigenschaft los. Arsen arbeitet mit großer Anstrengung noch ein Jahr und erwirbt die gefodertc Summe, allein der Fürst macht neue Auöftüchte und Bedingungen. Da zieht Arsen des Nachts das beste Pferd dem Fürsten aus dem Stalle, entführt das Mädchen und stiehl ins Gebirge. Allein er wird verrathen, eingefangen und ins Gefängniß geworfen. Als er nach ein Vaar Jahren seine Strafe abgesessen und freigelassen, ist seine Geliebte unterdessen vom Fürsten an einen Andern verheirathet worden. Nun verläßt Arsen die Stadt, geht ins Gebirge und wird Näubcr. (3r allein hat mehre Jahre lang die ganze Umgegend von Tifiis unsicher gemacht. Von seinem eigenthümlichen, stolzen, großmüthigen Charakter weiß man viel zu erzählen. Seine Kühnheit, seine hartnäckige Tapfer^ keit, verbunden mit Riesenkräften, machte, daß sich ihm Niemand widersetzte, wenn setn Name genannt war. Er nahm nie mehr, als er eben bedürfte. Einen» Kaufmann z. V., der viel Geld bei sich hatte und, von ihm überfallen und entwaffnet, um sein Leben bat, befahl er blos, da und da hin zu gehen, und vier Rubel für ihn zu bezahlen, die er eben dort schuldig sei! Gs ward ein Preis auf seine» Kopf gesetzt. Lange wollte diesen Niemand gewinnen. Ein Gevatter des Arsen bekömmt aber zuletzt Lust dazu. Er lockt ihn unter dem Vorwand, Familienangelegenheiten mit ihm zu besprechen in sein Haus. Sein Sscharska (Säbel) wird an der Wand ausgehängt, der Wirth setzt ihm tüchtig mit Trinken zu. „Was ist das draußen für ein Schleichen und Laufen um dein Haus?" Der Wirth wird bleich, Arsen rufti „Verrath!" stürzt ohne seinen Säbel heraus, schwingt sich auf das an der Thür angebundene Pferd, und fort im wilden Lauf! Die Kugeln pfeifen um ihn, er und das Pferd waren verwundet, allein er entkömmt glücklich. Jener Gevatter lebte aber von da an in Todesangst, verbürg sich wo er tonnte, und schlief nur wo Viele um ihn waren. Vald darauf war der berühmte Wallfahrtstag Beinamen Dolgorusi, sondern die Familie Pawlenow. 'Auch in Arme-nien sl'll eine fürstliche Familie geben die den Bemann» Dl'Igoruki führt, nämlich die Familie Arl'lttmöfi'Dolgosiifi, ___ 95_____ von Markobi, da erschien plötzlich Arsen mitten unter den Tan. senden, wovon ihm gewiß die Hälfte kannte! Aber Niemand that, als ob er ihn bemerkte. Er tritt zum Fürsten Orbclliau, der mit seiner Familie dort war und bittet u,n einen Trunk Wein, Der Fürst reicht ihn denselben. „Kennst du mich?" fragt Arsen. — „O ja, du bist Arsen!" — „So bitte ich dich, sage Dem", auf einen in der Nahe sitzenden Beamten mit dein Finger zngend, „er möge mir seinen Säbel schenken!" — „Sage du ihm das selbst!" — Arsen thut es, der Beamte weißt das kühne Begehr mit Unwillen zurück; allein der Fürst tritt zu ihm und flüstert ihm eln Paar Worte ins Ohr, worauf der Beamte sogleich Arsen den Säbel überreicht. Nach einiger Zeit tritt Arsen, schon etwas berauscht, von neuem zum Fürsten Orbellian und sagt: „Deine Pistole gefall: mir, schenk sie mir!" Der Fürst spannt den Hahn, legt auf Arsen an und sagt: „Hol sie dir!" Arsen geht darauf zu, da fällt die junge Fürstin dem Fürsten in den Arm und rufti „Nur heute an so heiligem Tage kein Vlut!" — Da tritt Arsen zur Fürstin: „Sie haben mir eben das Lebe» gerettet, gestatten Sie. daß ich Ihnen Nock und Hand küsse!" und verliert sich dann bald unter der Menge. Am andern Tage schickt er auch den Säbel zurück: „an so heiligen Tage dürfe man nichts Unrechtes thun!" Wenn Offiziere, nach Print reitend, ihm begegneten, so that er ihnen nie etwas, lud sie vielmehr zum Frühstück ein, was sie stets annahmen. Arsen fiel zuletzt in einem Zwcikampfc. Er faß in der Gegend von Tissis mit mehreru Genossen am Wege, da kommt ein immi rathischer Edelmann mit seinem Diener hergeritten. Arsen fodert ihn auf mit ihm zu trinken und zu frühstücken, der lehnt das aber ab, vorgebend, er habe ein eiliges Geschäft mit der Behörde, welches ihm jeden Aufenthalt unmöglich mache. Als er fortgeritten, sagen die Freunde zu Arsen! „Glaubst du denn, daß sein Vorgeben wahr ist? Der schämt sich deiner, und will deshalb nicht mit dir trinken!" — „Glaubt ihr das wirklich?" — „Gewiß!" — Da wirst er sich augenblicklich aufs Pferd und reitet nach, und federt den (Kdelmann nochmals auf, umzukehren und mit ihm zu 96 frühstückn,. Nun du mir cs befiehlst und drohest, th» ich es nimmermehr!" Arsen zieht den Säbel, Jener auch, und es beginnt ein wüthender Kampf. Indeß sieht der Diener des Edelmanns ruhig zu. Der Edelmann blutet schon aus zwei Wunden, Arsen ist noch mwerwundet, da ruft Jener seinem Diener zu - „Willst du denn ruhig zusehen, wie man deinen Herrn ermordet?" Da legt der kaltblütig sein Gewehr an, und schießt Arsen von hinten durch den Kopf, daß er augenblicklich todt zusammenstürzt! Ich habe die Geschichte wörtlich niedergeschrieben, wie sie mir von Peter Neu und Herrn von K. erzählt worden. Es ist kein verschönerndes Wort hinzugesetzt, Man wird gestehen müssen, daß ein Volk, in welchem Gedanken und Gefühle sich aus dem Leben entwickeln, nur sie dir vorstehende Geschichte ausspricht, wol fähig sein könnte, die ganze europäische oder vielmehr germanisch 5 romanische Cultur in sich aufzunehmen und selbständig auszubilden. Die Georgier sind die christlichen, die Tschcrkessen die mohammedanischen Ritter der Kakasusländer, sie stehen nebeneinander wie die Gothen und Mallren in Spanien, Die beiden andern Hauptvölker dieser Landflächen könnte man bezeichnen: die Armenier als die Kaufleute, die Tataren als die Handwerker, die Fuhrleute, die Verkehrsleute im Innern. Die Armenier haben ursprünglich keinen Adel gehabt, gegenwärtig gibt es einige Fürsten, oder Melikfamillen, dir wahrscheinlich von alten Statthalterfamilien, deren Amt all. mälig erblich geworden, herstaunnen. Sie sind, wie ich gehört, von Rußland als Adel anerkannt. Vci den Tataren gibt es eine Anzahl von Familien von Vegs oder Veyö (in Daghestan sagt man Veg, am Schwarzen Meere Vey, d. i. Fürst), die vom Volke selbst als eingeborener Adel hoch verehrt werden; Ursprung und Entstehung ist völlig dunkel. Die organische Gliederung und ganze Verfassung des georgischen Volksstammes hat in den Principien und Grundlagen große Aehn^ lichkrit mit denen des germanischen Stammes, es ist eine feudale Verfassung, ganz analog der germanisch-romanischen. In dieser Verfassung nimmt demnach der Adel, um seine Könige geschart, die erste Stelle sowol nach Innen als auch nach Außen ein. Der georgische Adel war ein reiner Fcudaladel, er erkannte im Könige 97 seinen obersten Lehnsherrn, die untern Classen desselben meist die obern Classen als ihre Untcrlehnsherren an. Desgleichen waren die Bauern, ohne Leibeigene zu sein, dem Adel zur Kriegöfolge und zu gutsherrlichen Diensten und Abgaben verpflichtet. Der georgische Adel theilt sich in drei Classen,' Die Dedebuli, die Thawadi und die Aznuri. Die Familien der Dedebuli bildeten die höchste Classe des Adels, man könnte sie den königlichen Adel nennen; sie sollen nach der Sage von Karthlos *) dem ersten Könige, der seine Fa-milie uud sein Volk in dieses Land führte und eö in Besitz nahn«, abstammen. Karthlos war einer der acht kaukasischen Patriarchen, der Söhne des Thogarma, welcher nach der Bibel der Gnkrl Iaphet's, des Sohnes Noah's, war. Die Dedebuli hatten das Recht den Titel Mthawar (später Thawad), d. i. Haupt des Landes zu führen, jedoch nur Die unter ihnen, welche wenigstens eine feste Stadt, ein Schlosi, einc kleine Landschaft, ein oder mehre Thäler u. s. w. besaßen, Sie waren die erblichen großen Würden-träger des Königshofs. Diese Hof^ und Landeswürden hatten die größte Aehnlichkeit mit dmm früher in Wchmropa sich vorfind-lichen, nicht etwa mit dcucn am byzantinischen Hofe, mit dem doch sonst so mannichfachc Beziehungen, ja früher sogar Abhängigkeit bestand. Cs waren derer eine große Zahl, die wichtigsten waren: der Spobalaz, ver Reichskanzler, der dem königlichen hohen Nath vorsasi; der Abramad, der Großschatzmcister; das Haupt der Msakhurö (Leibwache?), FcldzeugMeister, der die Aufsicht über die Waffen und Kriegsbedürfnisse hatte, die Gouverneure der Festungen standen unter ihm; der Obergencral der Soldtruppen j der Ober Hofmarschall, der Haushofmeister, der Oberlichter, der Amrlakhor (Oberstallmeister), der Oberfalkonier, der Idjib (Oberkammerherr), der Vorstand aller Personen des Palastes, welcher bei Vanquets für den König antwortete, denn keiner der Hofherren durfte den König persönlich anreden. Geringer im Nange waren die Würden *) S, Geschichte Georgiens von Wachtang V. aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts. Theilweist übersetzt von Klaproth. ll, S. 62, Höchst interessante geschichtliche Sagen, deren kritische Bearbeitung und Ver-gleichung mit den persischen und v'Ncisiatischen Sagen noch die Mühe» ei«»s Gcschichtforschers bedürfen. 7 9« d,ud Kachetieu; endlich stand im Centrum das königliche Banner von Karthalis, Die Krieger desselben wurden besoldet. Die Nation war durchaus kriegerisch und die Könige setzten alles daran, ein bedeutendes Söldnerheer aufzustellen; König Mirian und David der Wiederhersteller sollen 60,000 Man» unter den Waffen gehabt haben. In diesem kriegerischen Lande war die christliche Hierarchie '*) ganz analog dem weltlichen Feudalstaate ausgebildet und m allen Beziehungen mit ihm verschlungen. Die kirchlichen Würden nahmen cine ganz gleiche Stellung mit den weltlichen ein. Der Katholikos »der Patriarch genoß alle königliche» (Shren, der nächste nach ihm war der Erzbischof von Dchqondid oder der Dchqondidel, der die Aufsicht, den Schutz und die Iurisviction über alle Witwen und *) In Wachtang'S Geschichte Georgiens wird angeführt, daß der erste König Pharnmvas daS georgische Volk in sechs Classen theilte: I) die Gristaw lMthawar), 2) die Fürsten, !l> die Edelleute. 1) die Kaufleute, 5) dic Reisigen oder gemeine Lehnsleute de6 Königs oder des Adels, ti) die Bauern. *") Bon dein Hcidenthmne und der Mythologie der alien Georgier weiß man wenig, Auf Vergen und geheiligten Höhen ward geopfert, selbst Menschen. Acltern brachten ihre Kinder zum Opfer! Dort wurden an Festtagen Tänze und Spiele aufgeführt, König New verbot die Menschenopfer. Dic heil. Nino stürzte die Altäre des HeidenthnmS, aus deu heiligen Höhen wurden christliche Kirchen und Kreuze, christliche Feiertage traten an die Stelle der heidnischen, aber die Tänze und Spiele blieben. 101 Waisen, Traurige, Gedrückte und Unglückliche hatte und für sie beim Könige einstand und sollicitl'rte. Er trug im Kriege dem Heere das heilige Kreuz vor. Er so wie die Prälaten der 13 Klöster, welche vom heiligen Gregor, dem Erleuchtcr, und seinen zwölf apostolischen Begleitern zwischen 505 und 570 gestiftet waren, hatten die Ghre und den Rang der Mthawars, die Vifchöse den Nang der Thawadi und Eristawi, die Priester den Naug der Azuuri. Dagegen hatten denn auch die Mthawars und Thawadi das Necht des Begräbnisses in den bischöflichen Kathedralen und ven Kirchen jener 'Abteien, die Aznmi in den übrigen Kirchen, Die Bischöfe zogen stets mit in den Krieg und reichten dem Heere vor der Schlacht die Communion. Am Neujahrsmorgen überreichte der Dchqondedel dem Könige und der Königin vor dein Morgengebete ein kleines Kreuz von Holz geschnitzt oder von Silber, ein Heiligenbild, ein Oberkleid und einige Stücke Zucker, zum Geschenk, Nach der Messe brachten dann die weltlichen Herren, die Fürsten, die Cristaws, die Hofherren ihre Geschenke dar, meist solche, die sich auf ihre Stellung oder ihr Amt bezogen; der Oberjägermeister z V. überreichte abgerichtete Falken, der Oberstallmeister einen reichverzierten Sattel, die Gristaws Reitpferde. Alle erschienen in Rüstungen mit Bogen und Pfeilen *). Sobald daß königliche Paar uuter sie trat, ricsen sie- ,,Gott schenke dir die Herrschaft noch viele Jahre und dieser Bogen soll daß Herz deines Feindes treffen!" Dann begannen Banquette und Lustbarkeiten. Die geschenkten Pferde wurden in den Thiergarten des Königs gebracht, in der Nacht sammelten sich dort die Wölfe, Schakale, Füchse u, s, w, und am Morgen erschien der König und seine Großen, um Jagd auf sie zu machen, ") AIs der Kaiser Nicolai im Jahre 1827 in Tiftig wav. lameu dir georgischm und tatarischen Fürsten, die Vasallenfürsten von Mingrc-lien und Imeretien und viele andere, alle in ihren Natiomiltrachtei, in Waffen, mit ihrem zahlreichen Gefolge von Lehnsleuten und Dienern auf glänzenden Noffcn, um dem Kaiser ihre Huldigung darzubringen. Si,' hatten Zelte bei sich und lagerten vor Tiflis, jeder Stamm besonders, . Jahrhundert unserer Zeitrechnung zurückführen. Die Bagratiden saßen vom 6. Jahrhundert an unnnterbrochen auf dem georgischen Throne. Der berühmte Chronist Armeniens, Moses von Chorene, der >m 5. Jahrhundert lebte, hat sein Werk einem Bagratiden a.c. widmet. Gr sagt diesem in der Widmung, „Glaube nicht den S, Oco^raphic vou Walhout S. 20, Nndnc Geschichtschreiber geben rine spätere Zeit a». 10^l Schmeichlern, die dir sagen, du staminest uon Haik, du stammest von Sambat, den, Zeitgenossen des Nebuchadonosor," Nebutadnezar sandte diesen Sambat, aus königlichem Geschlechte (also offenbar aus dem Geschlechte David's), nach Armenien, Seine Nachkommen wurden in Armenien mächtige Fürsten, sie besaßen daö Land Sber als Erbgut, ihr Haupt hatte das Amt und das Recht, die Könige uon Armenien zu krönen, Vald nach Moses von Chorene ertheilte ihnen der Kaiser von Vyzanz die hohe Würde eines erblichen liu rapalatii. Die Bagratiden haben die berühmte Stadt Am in Armenien gebaut. 885 erlangten sie den Thron uon Armenien, der Kaliph uon Bagdad, Moltamed krönte Arschod II. mit der Königskrone*). 4079 verloren sie diesen Thron wieder, Ein anderer Zweig dieser Familie bestieg den Thron von Kars und herrschte dort von 962- lN80. Noch ein anderer Vagratide, Nameno Nhupen, warf sich nach dem Verluste des armenischen Throns mit seinem armenischen Ge folge in die cilicischen Gebirge. Seine Nachkommen eroberten ganz Cllicien, verbanden sich mit den abendländischen Kreuzfahrern n, s, w. Kaiser Heinrich VI. ertheilte ihnen den königlichen Titel und der Grzbischof Konrad von Mainz krönte den damals regierenden Nhu-pcnier N98 in Sis mit der Königskrone, Das Königreich unterlag 1375 dem Andringen der ägyptischen Mamluken, der letzte Rhupenier (Haus Lusignan) Leo VI. starb <59l in Paris. Es solle» in Frankreich noch legitime Nachkommen desselben eristiren. Uebrigens eristiren auch jetzt noch in Kleinasten mehre Nagratiden, Fürsten kleiner Landschaften als Vasallen der Türken, Ein Zweig dieser Familie erwarb nun auch den georgischen Thron, er theilte im l5, Jahrhundert sich und das Neich in drei Theile, Karthrli, Kakhcti und Imereti, die jedes ein eigenes Königreich bildeten. Die beiden ersten fielen später wieder zu-sammen. Tie resignirten im Anfange dieses Jahrhunderts zu Gunsten Rußlands auf den Thron und die Familien lcben meist in Mostau oder Petersburg und genießen dort noch königliche Ehren, *) Konstantin Porphyrogenneta führt in seinem Wcrte die dnoc» Zweige drr Familie an, die »»ch gegenwärtig erislirrn. 10t Von apaganirten Prinzen der Vagratiden finvrn sich in Georgien noch mehre Nachkommen, so die Fürsten von Mukhran und die Fürsten von Dawithis-Chwili und Gotscha-Chwili *). Die Abstammung aus dem Geschlechte David drückten die Könige von Georgien in ihren öffentlichen Docmnenten aus. Der Gingang war in ältern Zeiten stets! Wir König der Könige, geweiht dnrch dir göttliche Gnade, Selbstherrscher und unabhängiger Souvcrain, Sohn des Jesse, Dawith, Salamon, und Bagrat, Herr von sieben Königreichen, Heraclius u. s. w. Eins der merkwürdigsten Geschlechter der kaukasischen Länder sini) die Fürsten Orbellian (Orpelier, Quaphlanis-Chwili, Djama-kmian). Sie stammen auS China (Dsenasdan). Zur Zeit des PcrscrkönigS Kai-KoSru, also lange vor Alexander d. Gr., kamen die Dschenazi (Chinesen) nach Georgien. Sir wurden nach ihren Erb fürsten Oepath, Orpcthier oder Orpelier genannt. Zuneige derselben kamen später nach Armenien und sind in die dortige Geschichte tief verflochten. Sie waren die Kronfcldherren von Georgien und hatten den nächsten Rang nach der königlichen Familie, mit der sie sich auch häusig verschwägerten,! die letzte Czarin von Imereti war eine Orbellian. Einer aus der Familie, Stephan Orbellian, Erzbischof von Sialnik, hat im 13. Jahrhundert eine Familiengeschichte geschrieben. Einen ganz ähnlichen Ursprung hat das Geschlecht der Mann-gonier in Armenien. Zur Zeit des Artarerres I., Stifter der Sassanidendynastie, 240 Jahre vor Christus, flüchteten sich Puh-Toch und Mam-Kon, die bei ihrem Oheim, dem Kaiser Arpag-Pagor verleumdet waren, nach Persien; der Kaiser fodertc die Auslieferung, Artarerres genügte dem nicht, schickte sie aber mit ihren Leuten zu einem Vasallenfürsten nach Armenien. Die Mamigonier gewannen hier balo großen Einfluß. Anfangs zogen sie nomadenartig umher, aber schon Mam-Kon erwarb die Landstriche Dazon ') Die Vndunqen s'Iiwili und rl/o bedeute» beide Abstamimiua ober Sohn, wie diese (5>!d>lug auch in Vuqland, Däilcmcnt, ftltrncr in Deutschlauo gebräuchlich, und wie bei den slMvischcn Vötteni das >vil?. und ^vil,^c!>. 10ä und Duropiran, wo er die Landesvcrräther, die Sighu>lier, schlug. Seitdem waren sic die Hauptstütze der armenischen Könige, der Selbständigkeit Armeniens und später des Christenthums gegen die Magier, sie waren die Kronfeldherrrn oder Kriegsherzoge Arme^ metis (wie die Orbellian in Georgien), selbst unter den Saffa lüden im 9. Jahrhundert. Ihr Familienbegräbniß war in der Kirche deö Klosters Klag^Daron, Das noch blühende Kurdenge^ schlecht der Manckgier stammt von ihnen ab (Vergl. Ritter X, S. 584). Man behauptet, eine gute Anzahl der kaukasischen Familien seien italienischen Ursprungs und mit der Ansiedelung u»d Herr-schaft der Grnuescn hier eingewandert und zurückgeblieben. So sollen die Tzitzi oder Zizi (jetzt Fürsten Zizianow genannt) aus der Lombardei stammen. Grafen, deren Namen denselben Klang haben, gibt cs in Oestreich. In Abchasten werden die Familien Marchani und Kazzo-Morgani, in Imcreti die Zazitelli, in Karthli die Salawandi, Dolmdji, Lionidji, Sidamoni, Galetozi Fariamani, Gorintelli, Bmüali, Saquazeti, Madjawazani, Liparti und Andere dazu gezählt. Die Familie Endronika - Chwili (Sohn des Andronikuö) stammen vonl byzantinischen Kaiser Andronikus aus dem Geschlechte der Konmenen ab. Am 44. August Nachmittags fuhr ich mit zwei meiner Reisegefährten und dem Herrn v, K. nach dem berühmten Wallfahrt^ orte Martkophi einige Meilen von Tiflis entfernt. Herr v. K. erzählte uns unterwegs die Legendr vom heiligen Gregorius dem Erleuchter, ich weiß aber gegenwärtig nicht mehr gewiß, ob die von uns jetzt besuchte Wallfahrt zu Ehren dieses Heiligen galt, doch steht eS mir so vor. Bereits im 4, Jahrhundert drang das Christenthum m die kaukasischen Länder ein, allein es war überall schwach und gewann nur geringe Verbreitung, da es von den umwohnenden Heiden verachtet, verspottet und verfolgt wurde. Da wurden im Anfange des 6. Jahrhunderts von Constantinopel aus 13 heilige Männer meist aus Syrien als Apostel des Christenthums für diese Gegend ausgesendet, Unter ihnen befand sich der heilige Gregorius als Führer, Damals hatte aber dcr heidnische Fürst von Kachetien 106 Krieg mit Grusien und belagerte Gremi, Während deo Kriegs wurden nnn die Christen mit besonders schieren Drangsalen heim^ gesucht, sodaß auch der heilige Grcgorius in den Wald (Martkophi) flüchten musite. Eines Tages ,var jeller Fürst anf der Jagd, Da verflog sich sein Lieblingsfalke, eine Taube verfolgend. Die Jäger, welche ihm eifrigst nachspürten, kamen nach einiger, Zeit zurück, und berichteten, wie sie tief im Walde einen Mann gefunden, auf dessen Schoos rechts die Taube, links der Falke, ganz ruhig gesessen. Da zog auch der Fürst in den Wald, um sich von dem Wunder zu überzeugen, und fand es, »vie ihm berichtet worden. Die Macht des Heiligen über die Natur erkennend, bat er ihn, seinen Sohn, der von Kindheit auf lahm grwrsen, zu heilen; wenu er eiu solches Wunder sähe, wolle er Gott preisen und ein Christ werden. Der Heilige verspricht es ihm und bittet ihn zugleich von seinem Zuge gegen Gremi abzustehen, indem dieser unglücklich für ihn ausfallen würde. Allein der Fürst besteht trotz der Warnung auf seinem Vorsatz und wird geschlagen, als er aber nach Hause kommt, kommt ihn sein Sohn völlig geheilt und gesund und fröhlich eut gegen. Da zieht der Fürst hin mit seinein Volke zu dem Heiligen und bittet um die Taufe und die Aufnahme in den Christenbund. Als aber alles Volk getauft war, da reicht der Heilige drin Fürsten auch das Trinkhorn mit Wein mit dem Spruche: ^Ilnl, vv^i'vo>xU! Und zur Erinnerung daran erhielt ein damals gestiftetes Kloster in Kachctien den Namen .4>3 wel-cli. Die Legende hat einige hübsche symbolische Züge, z. N,, daß das Christenthum die Macht habe, das Feindselige in der Natur, den Falken mit der Taube, zu versöhnen. Der Schluß, daß der Wein erst durch das Christenthum geheiligt und eingeführt worden, scheint die Kraft gehabt zu habrn, daß Grusien nie dem Mohammedanismus verfallen ist. Die grusinische Kirche gehörte in Folge der Mission der 13 Heiligen zum Patriarchat Konstan tinopi'l, später kam sie all das Patriarchat Antiochie» und ward 107 endlich unabhängig, indem der Metropolit als patriarchalischer Statthalter unter dem Titel Katholikos eingesetzt ward. Auf dmi florentinischen Concilium, wo sich die römische nnd griechische Kirche, wiewol ohne nachhaltige Folgen aussöhnten nnd vereinigten, erschien auch der Katholikos von Grusien. Es war ein schmier Tag, die Fahrt ging durch eine fruchtbare Ebene, nördlich nnd südlich von hohen Gebirgen und Wäldern be grenzt, bald holten wir Züge von Wallfahrern ein. Zwischen den Fußgängern zogen überall Wagen von Büffeln gezogen auf zwei Rädern, zeltartig oben mit Leinen überzogen, mit bunten Tücher» und Bändern geziert, worin iropäischl> Ohren ein gränlich^ Getöne. Die Kunst der Musifantcn besteht darin, daß sie ganz ohne Absatz stets znblase» und während dem gleichzeitig stets »lit der Nasc athmen. Diese Mnsis übt a»f die Grusiüisr einc wahre Zauberkraft: selbst in bcn höher» Gesellschaften, 108 kleinen Trommeln, die von ferne wie wiloc Zauberklänge zu uns herübertöntcn, die rasenden Gewitterschlägc eines um i l Uhr rasch über uns fortziehenden Donnerwetters, machten einen unbeschreiblichen Eindruck auf uns. Wir legten uns in freier Luft unter der schützenden Areade nieder, gegen Mitternacht wurde es nun allmälig stiller, ein Licht nach dem andern verlöschte und bald fielen auch unsere Augenlider zu und die Traumgestalten setzten das bunte wunderliche Leben um uns her fort. Morgens um 6 Uhr begannen wir mit Tausenden von Wallfahrern den Zug in den Wald, das Gebirge hinauf. Wir stiegen auf der Höhe vor dem Walde aus. Die Straße bis zum Dorfe zurück bot den buntcsten glänzendsten Anblick dar, den ich je gesehen. Die grusinischen Fürsten in ihrer Nationaltracht und in glänzendem Waffenschmuck auf herrlichen Pferden, stets zwei Pfeifer voraus, ihre Frauen und Töchter ebenfalls zu Pferde neben ihnen, gaben uns ganz das Vild eines mittelalterlichen Festzuges! Nom Neginn des Waldes an konnten wir nur auf steilen Fußwegen vorandringen, diese theilten sich bald rechts, bald links, vereinigten sich auch wieder und es war nichts ergötzlicher, als dies Verschwitz den und Wiederauftauchrn dieser bunten (Gestalten, die dem europäischen Auge wie Masken des römischen Corso vorkommen mußten, zwischen den grünen Laubgcwindcn! Viele, besonders Frauen und Mädchen, hatten das Gelübde gethan, den Verg mit bloßen Füßen heraufzusteigen. Nach halbstündigem Steigen erreichten wir die Hohe, wo wir eine wildromantische Ansucht auf einen umfassenden Wald, der sich weit über Verge und tief eingeschnittene Thäler erstreckte, vor uns hatten; rechts aus einer vorspringenden Anhöhe lag eine imposante Nuine, das Ziel unsers Wegs. Wir erreichten sie nach einer Viertelstunde. Sie lag am Abhänge, vor ihr ein geräumiger Bergrücken mit einzelnstehenden herrlichen Buchen, Hier waren bereits Taufende von Menschen versammelt, und eS strömten ihnen von allen Seiten noch bunte Haufen zu, einzelne Gruppen auf Vällen mit europäischer Musik, wenn, wie ,'S gewöhnlich geschieht, zum Schluß die bekannten Pfeifen erschallen, ist co als ob alle Grusinier die Tarantel stäche, AlleS beginnt mit neuem Feuer die Natiolmltaiizl'.' 109 hatten nch schon um angezündete Feu«, die sich überall an den Abhang des von da noch höher ansteigenden Verges heraufgezogen, gelagert, andere trieben sich zwischen den überall aufgeschlagenen Kaufblldcn umher. Jene Anhöhe hinauf war in zwei Hälften getheilt durch rinen schmalen geraden Gang zwischen zwei hohen Mauern, welche nach dem höchsten Gipfel zu einem ebenfalls größten-theils in Ruinen liegenden alten Vergschlofse führte, das offenbar zum Schutz des verödeten Klosters, seiner Kirche und seiner Heilig thümer gedient hatte. Kloster und Kirche, vom heiligen Antoni, einem der heiligen 13 Väter oder grusinischen Apostel gestiftet, sollen zwischen 17^tj und 1750 von den Lesgiern zerstört sein'). Zunächst drangen wir zu der Kirche vor. Sie lag eigentlich völlig in Ruinen, nur das Gewölbe des Chors war erhalten. Hier war ein Altar mit vielen brennenden Lichtern, vor dein mehre Priester in ihrem Ornate den Gottesdienst celebrirten. Ich habe nie einen eigenthümlichern selbst groteskem aber zugleich imponi-rendern Gottesdienst gesehen: das hohe offne Chorgcwölbe, die vielen Lichter, die Priester mit ihrem tief klagenden rmmelodischen Gesänge, die unendlich bunte Menge, die große Zahl der reizendsten Fraucngestalten mit goldenen Stirnbändern und in lang fliegendem Schleier, alle in südlich glühender Andacht, meist in Gruppen bis tief a>l den stch unmittelbar an den Ruinen herabsenkenden Abhang des Verges auf den Knien liegend, und so tiefer hinab überall zwischen grünem Gebüsch halb versteckt, dabei eine grandiose Aussicht über ein nahes Waldgebirge in der schönsten Beleuchtung der Morgensonne! ich werde den Anblick nie vergessen! An den Wänden der Kirche sah man die verlöschenden Spuren alter Fresken, llnter den mannichfachcn kaukasischen (grusinischen mingrelischen, ossttinischen, tscherkcssischm, tatarischen) Trachten waren auch viele russische Uniformen und europäische Kleidungen gemischt. Die vornehmern grusinischen Damen waren fast alle in europäischer *) Die LeSgier plünderten damals das Dorf Martfovhi und das Kloster, allein sie wurden nach der Erzählung der Grusier für diesen Kirchcn-raub unmittelbar vom Himmel gestraft. Sie zogen nämlich unter einem Verge her, einige auch »ben am Verge, plötzlich sinkt das Erdreich unter dieftm u»d ein Bergsturz l'egräl't Alle, gegen 500 an der Zahl. >10 Modetracht, doch meist mit dem grusinischen goldenen Kopfl'ande, u»d dem langwallenden Schleier, Wo wir uns einer Gruppe näherten kam, man augenblicklich gastfrei auf uns zu und bot uns zu essen und zu trinken an. Wir nahmen endlich die Einladung eines Fürsten Guramow, Districtchefs dieser Gegend, zum Frühstück an'). Nach und nach sammelten sich um uns die Vornehmsten des Landes. Auf dem Rasen wurden einige bunte Decken ausgebreitet und darauf das Frühstück gestellt, wir lagerten uns im Kreise um die Decke her. Das Frülmck bestand aus Brot, Ziegenkäse und kleinen Stücken Hammelfleisch auf hölzernen Spießen aufgereiht und über Kohlen-feucr gar gebraten (Schislik) *'). Stets ging ein Schenke, hier eine wahrhaft pittoreske Gestalt, mit einer großen Weinkannc umher und nöthigte, eifrig einschenkend, zum Trinken, (5s ward meist ans silberneu TriuNöffelu, Hazarpeches genannt, unsern großen Suppenlöffeln ähnlich, mitunter auch aus silbernen Trinkhörnern getrunken. (5ö traten einige gemeine Grusiuier heran und sangen ein langes Lied, es bewegte sich nur in drei bis vier langgezogenen Tönen, die sich nicht in den Intervallen unserer Tonleiter hielten, mir also mitunter als ganz falsch klangen, dabei ohne eigentlichen Tact, nur uach einem gewissen Rhythmus, Vald sang nur (5iner, bald fiel Einer bald der Andere ein, oft mit einem ganz andern schrillenden Ton, worauf die Andern einlenkten und mit ihm unisono weiter sangen, zuweilen kamen auch wol einmal Terzen vor und bildeten eine kurze Harmonie. Der Fürst lind dir andern vornehmen Grusinier fielen zuweilen ebenfalls ein und sangen in einer Art Ve. geisterung mit. Der Inhalt sollte, wie man mir sagte rine heroische ") Der Fürst war die Mcht vorher best^hleu worden; bei seiner Ab Wesenheit wcir das ganze Hauo aufräumt »nd er hatte alsl' einen sehr rmpfiudlichen Verlust erlitten, Vermuthlich hatten Tataren oder russische Solb^tru ihn geplündert, denn die Grusinier stehleu fast uir. Ih», war der Verlust aber nicht i>n geringsten anzmnerle!,, er war völlia gleich-müthig und heiter, Charakterstarfe im Unglück sl'll den Wrusiuiern l'esou-ders eigeu fein. **) ES ist fasi iinmcr von Schas- und Hammelfleisch, bei den christlichen Kautasicrn auch wl'l »on Hchwciueftcisch. Niud - und Vi'ffelsscisch ißt man nicht, ebensowenig .'tall'fleisch, oder doch »nr in der 0lotl), 11 ! Ballade sein. Alo die Leute geendet, erschien eine Art Improvi sator nlit einem Dlldelsack und sang, wie niir erklärt wurde, das Lob des Kaisers, der Kaiserin, des Thronsolgers, des gegenwärtigen Fürsten, zuletzt das unsrige. Ich bemerkte nicht, dah die Leute Geschenke erhielten. Als wir aufgestanden, gingen wir z» andern Gruppen; in einer fandeu wir zwei Neine Mädchen in National tracht, dte auf einer Decke einen pantomimischen Tanz ausführten-, sie sprangen nicht, sondern schlichen nur über den Boden weg, gesticulirten aber vielfach mit den Armen. Musik war nicht da: unr eine Trommel, mitunter auch rhythmisches Händeklatschen, gab ihnen den Tact zu ihren Bewegungen an. Vei dieser Gelegenheit frug ich einen meiner Begleiter etwas über diesru Tanz auf drutsck, er wusite es nicht zu beantworten, aber ein Manu in National tleidung, der «licht weit von uns stand, beantwortete plötzlich meine Frage in« besten Deutsch! Es »rar ein Armenier, der vier Jahre in Leipzig Medicin studil't hatte, lit-. Sabulow.' Wir wurden sehr befreundet, er hat späterhin mit nur die Gleise zu den Osseten gemacht. In einer andern Gruppe fanden wir tanzende Männer, allein der Tanz schien zugleich eine Art kriegerischer Bedeutung zu haben, zuletzt sprangen junge Burschen von t3 bis 16 Jahren auf die Schultern kräftiger Männer und diese trugen sie so, im Tanze sich gegen einander bewegend, leicht und ohne Schwanken umher, auch balancirten die Burschen so geschickt, dasi keiner herabfiel oder hcrabzuspringen branchte. Vei diesen kriegerischen Tänzen und Spielen, die übrigens selten ohne Verwundungen und selbst zuweilen Tödtungen vor sich gehen, zeigt sich recht der verwegene gefahrverachtende Charakter der ritterlichen Georgier; im Gegensay ist der Tanz der Mädchen stets feierlich, langsam, nie springend, aber voll graziöser Bewegungen lind Attitndrn. Nach und nach ward es lauter um unS, der Wein stieg zu Kopf, die vornehmen Frauen entfernten fich, und auch wir begaben uns auf den Mckweg. Den 10. August ging ich fast den ganzen Tag mit Hrn. Salz, mann oder Peter Neu in Tiflis umher, besuchte die heißen Bäder, wo man auf das Vortrefflichste frottirt und maffirt wird, von Badckncchten, die dies so sanft und zweckmäßig verrichten, dasi mau wir neu verjüngt wieder heraustritt. Dann gingen wir in die ,12 Kaufläden mid auf dem Bazar, wo mir das Zusammenleben der Handwerker besonders interessant erschien. Meine beiden obigen Freunde gaben mir darüber sehr ausführliche und interessante Notizen. Peter Ncu hatte das Handwerkswesen in Persirn genau kennen gelernt, Hr. Salzmann kannte es in Tiflls und Grusien vollständig. Es ist hiernach eine vollkommen geregelte Zunftverfassung der Handwerker hier herrschend, ganz ähnlich der Zunftvcrfassung, wie sie sich vom Mittelalter her in Deutschland ausgebildet hat. Allein sie stammt in Grusien nicht aus Deutschland, sondern aus Persten her, ja man weiß sogar, daß sie zur Zeit der llnterjochnng (Ärusiens durch dic Perser damals vom persischen Cristaw (Statt-Halter) eingefühlt und geregelt worden ist nach persischem Muster. Wer erklärt nun aber das historische Räthsel des gleichzeitigen ur alten Daseins dieser Institutionen in Deutschland u. s. w. und in Pcrsirn? Haben etwa die Kreuzfahrer sie mitgebracht, oder stammen ilnc Keime aus jener Nrzeih als die Germanen sich von den Persern trennten?') Ich gebe hier zunächst die Notizen über dic jetzt bestehende Zunftverfassuug in Tiflis, Jedes Handwerk, aber auch selbst die Sackträgrr, die Tagelöhner, die Hühnerverkäufer, bilden eine Zunft. Die Kaufleute mit Mauufacturwaaren (auf tatarisch Soldagar auf ') Ich habe neuerdings durch Mittheilungen des Hrn. A. v. Wrebe in Erfahrung gebracht, daß dieses Zunftwesen in der europäischen Türkei, Kleinasien, Syrien sowie in allen Städten Arabiens und Aegyptens ganz in derselben Form wie hier eristirt. Auf den Grabdenkmälern der alt-agyptischen Todteufelder von Thcben und Memphis sindrn sich Sculpture« rii !'<>lic;f, welche Mäuner darstelle», die Handwerke mit den verschiedenen dazu gehörigen Instrumenten ausüben. Ferner sieht man daselbst Darstellungen von Aufzügen der Handwerker eines einzelnen Gewnks, welche, ihre Instrumente in Procession tragend, der Gottheit eiu Opfer darbringen. Diese Sculpture» stellen also eine Versammlung von Zunftgenossen dar, und sowol Champollion als auch Quatrem^e haben bereits darans auf ein. in d«r ältesten Epoche der Lulturgeschichtc auSgrbilbetcö Zunftwesen geschlossen. Ist dieses der Fall, so dürften es vielleicht die Perser sein, die während ihrer Herrschaft über Aegvpten unter Kambyses diese Institution bei sich aufgenommen baben. 113 russisch Kopetz) bilde» eine besondere Zunft, desgleichen die Giftn, waarenhändler (armenisch (5'rgoltzacho, sind auck) fast Alle Armenier), desgleichen Vic Kleinkrämer (Altar, ei» persisches Wort), desgleichen die Fruchthändler (Vachal, persisches Wort), die Weinha'ndlrr (Du^ chantschik, tatarisch und persisch), die Altkrämrr (Lhurdafrusch, Persisch), die Hausirer (Pochtschatsi, tatarisch) desgleichen. Sammt-lichc Handwerke habe» jede ihre eigene Znnst. Auch nach Natio nen theilen sich hier die Zünfte einigermaßen; die grnsinischen, russischen und armenischen Handwerker leben in denselben Zünften z» sammen, aber die tatarischen bilden stets besondere Zünfte, wol Gegensatz und Unverträglichkeit vom Christenthum nnd Mohammedanisnnw. Die rnssischen Kaufleute sind hier nicht zünftig, son-der» sind zu ihren Gilocn in Nußland angeschrieben. Auch die deutschen Kaufleute gehören hier nicht zu einer Zunft. Die deutschen Schuhmacher (mein Peter Älen an der Spitze!) aber sind in der grusinisch - armrnischcii Zunft aufgenommen. Dlc übrigen Handwerker warm damals noch nicht Glieder einer Zunft, es hieß aber, sie sollten dazu gezwungen werden. Zunft heißt bei den Grusiniern, Armemer» und Tataren Handkerre, welches ein persisches Wort ist und gleiche Hanthirung bedeutet. Nur die Meister bilden die Zunft, Gesellen nnd Lehrlinge werden Von erstern vertreten. Jede Znnft hat ihren Obermeister (Usta-baschi, tatarisch Meisterhaupt) und zwei Gehülfen (Atsatalli, tatarisch Weißbärte) an der Spitze, die gewählt werden. Wer nicht zünftig ist und öffentlich arbeiten will, dem nimmt die Zunft Schild und Handwerkszeug weg, wer dann aber die Altmeister bittet, dem gestatten sie das Arbeite», jedoch ohne Gesellen und Lehrjungen. (5m eigentliches Meisterstück wird nicht gefodert. Der Gesell, der Meistervecht erlangen will, zahlt, nachdem er von dem Meister sein Attestat erhalten lind dem versammelten Gewerk vorgelegt hat, 10 Nubel Silber (ein Tuman) in die HandweMade *) und hält an dem Tage dir Meister zechftei. (5r wird ins Vuch eingetragen und erhält vor einem hinzugerufcnen Priester kniend von diesem ') Diese Abgabe soll in neue,,, Zeiten auf 10 Rubel Vane» ermäßigt sei,,. 114 den Segen und beim Aufstehen vom Obermeister dm Meister schlag und gibt dann jedem Meister die Hand, Der Junge oder Lehrling, der zum Gesellen gemacht wird, muß drei Nubel Silber an das Gewerk zahlen und wird dann von seinem Meister durch ein besonderes Attestat losgesprochen. Seit dem die deutschen Schuhmacher der (5olonic in die grusinische Zunft eingetreten, habe» sie manche deutsche Gebräuche, z. V. die offene Vade u, s. w., eingeführt. Herbergen habe» die dortigen Zünfte nicht, sie kommen bei dem Altmeister oder bei einer Kirche u. s. w. zusammen, oft bei unbedeutendern Gelegenheiten auch wol nur an einer Straßenecke. Der Obermeister »md seine beiden Gehülfen bilden das Gericht des Handwerks (Dadistan, auch Hamkerre, persisch). Sie müssen jedoch stets, wenn sie Gericht halten wollen, das Handwerk zusammen berufen, und es müssen während der Gerichtssitzung wenigstens sechs Meister (die gehegte Bank?) zugezogen sein. Nur Ober-meister und Gehülfen sprechen ReHt. Gefiele aber ihr Spruch den übrigen Meistern nicht, so können sie ihn umstoßen, aber nur l,,»n-inmiwl-, d. h. wenn sie sämmtlich einig sind. Streitigkeiten unter den Meistern, unter Gesellen und Meistern, Schuldklagen, wenn man über schlechte Arbeit eines Meisters zu klagen hat, wenn ein Meister Geld vorausnimmt und die Arbeit nicht liefert, also wenn das Publicum übcr den Handwerkrr zu klagen *) hat, über Streit und Zank und Prügeleien entscheidet das Gericht, Jedes Criminal, verbrechen aber geht an Polizei und Crmünalgrvicht. Ist die Sache sehr verwickelt, schwierig, zugleich wichtig, so wird sie an den Golowa (Stadthaupt, ehemals auf persisch Kadjnda) abgegeben, an den auch die Appellation geht. Jedes Handwerk hat sein eigenes schriftlich verfaßtes Gesetzbuch (das der Schlchmacher ist aus der Zeit des Czar Heraclms 1.), oft modificirt dnrch spätere Willküren. Man wollte aber damals alle diese Particularsatze *) Bei der KaufmannSz,mft sind dic m^li^!'«,-!, P,->-lsc, wozu dic Kfll'!tte verkaufen dülft». von dcr Zunft bei ^tiaft fest gesetzt. Darüber al'cr dürfe» sie so hoch veltauft». als sie köimc» und wollen! Also mich in den Mißbrauchen gleiche» diese asiatische!, Zünfte t^n deutschen! 113 nicht mehr gellen lassen, sondern die russischen Hcmdwertsges.'tze einfühlen. ?<>ul c:<»!NiN(; ^Iio/ nnulj! Man kann an jeden» Tage srine Klage beim Obermeister an bringen i erscheint diesem die Sache wichtig, so rust er noch an demselben Tage dnrch den Iungmeister (Ige'tbaschi — Heldenhaupt, talarisch), welches Amt jeden Monat wechselt, das Gewerk zu: sammen. Ist sie nicht wichtig, so wird sie am folgenden Montag abgemacht. Im erstern ssall muß aber der unterliegende Theil, ansier der Zahlung der etwaigen anerkannten Straft, noch die Meister für die Versäumniß zechfrci halten. Im zweiten Fall inacht es feine Kosten, denn es ist blos mündliches Verfahren. Es kann auch Geldstrafe bis zu zehn Dukaten erkannt werden außer dem Schadenersatz. Auf Bitte des Unterliegenden kann aber der Obermeister Nachlaß gewähren; will er nicht, so können die übrigen Meister Fürbitte einlegen, nnd dmm muß er etwas nachlassen, doch nur so viel er will. Aus Prügel kann nicht erkannt werden, daö kommt nur der Polizei zu, aber ganz geringe Vergehen macht der Obermeister durch ein Paar Ohrfeigen ab. Die Strafgelder stießen in die Gcwerbs-kasse, früher wurden sie meist verzecht, jetzt sollen sie streng gesammelt und zur Unterstützung verarmter Handwcrkskassen für Hospitäler u. f. w. verwendet werden. Der letzte grusinische Ezar setzte fest, daß jedes Handwerk seine verarmten Genossen unterstütze» und unterhalten solle. Außer jenen Strafgeldern werden vom Obermeister hierzu Vciträge, von Jedem gleich viel, festgesetzt und eingezogen. Von Abgaben trifft die Handwerker zuerst die Kronabgabe des Kopfgeldes, dann sür Unterhaltung der Vrücken, Wege, Posten, für Accise von Wein nnd Vranntweiu sehr verschiedene Abgaben. Jeder Duchantschick muß z. V. «.1 Nubel Silber für den freien Verkauf von Wein und Branntwein zahlen. Die Accise innerhalb der Stadt beträgt 20 Kop. Silber für den Tunke Vrannt-»vein; außerhalb des Schlagbaums der Stadt ist keine Aecise. Auch die Armenier und Grusinier kennen den blauen Montag. Es ist der Gerichtstag des Handwerks. Vei den Tataren ist beides der Samstag (der mohammedanische Wochenfeiertag ist ja der 116 Freitag!). Vei Begräbnissen muß ieder Meister des Gewerks folgen. Frauen folgen bei deu Grusiniern und Armeniel'n überhaupt niemals einer Leiche, Das Tragen der Leiche gilt für eine (>hre. Der Leidtragende gibt nachher dein Obermeister Geld zum Trunk für die Meister. Ein Leichenmahl ist nicht gebräuchlich, aber acht Tage werden die Armen gespeist. Vei öffentlichen Auszügen, z. V, beim Vegra'bniß eines Gvlowa (Stadthaupteö), geht jede Zunft abgesondert zusammen; Fahnen uud Embleme sind wenigstens bei einigen Zünften gebräuchlich. In der Straße von Tiflis begegneten mir ein paar mal Han-delsjuden, einer sogar in ganz gewöhnlicher Tracht, was mich veranlaßte ihn deutsch anzureden. / M war wirklich ein deutscher Jude aus Orstreich, durch Galizicn, Podolien nach Odessa verschlage», von wo er sich nach Tiflis begeben. Er hatte viel gesehen und war verständig. Das gemeinsame deutsche Idiom machte ihn ge-sprächig; ich nahm ihn mit nach Hause uud er erzählte mir Manches über die vorhandenen Juden in den kaukasischen Landstrichen. Später lernte ich in Griwau auch einen Karaimjudeu kennen. Außerdem erhielt ich dann noch Nachrichten über die dortigen Juden von andern Seeten. Ich gebe sie hier, so unvollständig sie auch sind. Mögen Andere mehr und Näheres erforschen! Umherziehende deutsche Juden, wie mein obengrnannter guter Bekannter, gibt es wol selten, aber polnische Juden aus Podolien, Kiew u. s. w. findet man häufig uud man erkennt sie leicht an ihrer Tracht, Sie halten sich gewöhnlich nur jeweilig hier auf, doch kömmt es auch vor, daß sie die hiesigen Sprachen erlernen und sich dann ansässig macheu. Sonst sprechen sie bekanntlich unter einander und ia ihren Familien ein verdorbenes Deutsch. Die hier eingeboreneil Juden sollen mehre Seeten bilden; von dreien derselben will ich hier etwas Näheres, sowie ich es gehört, mittheilen: l) Talmudischc Juden finden sich in allen südlich vom Kau^ kasus liegenden Ländern unter alieu dortigen Völkern zerstreut. Ob man sic auch unter deu Bergvölkern findet, unter den Tscher-lessen, Tschetzenzen, Lesgirrn u, s, w. habe ich nicht erfahren. Ihre Lebensweise ist auch hirr wie überall der Handel, doch horte ich, daß es in Sndgeorgien ganze Dörfer derselben gäbe. Sie leben ______117______ in großer Verachtung. Weder die Christen »och die Mohammedaner, die doch lütter einander überall verträglich leben und als Gäste zusammen essen mid trinken, üben Gastfrenndschaft gegen diese Indrn. !2) Die Karaimjndcn, Viblisten, die zwar nicht die nralten Traditionen und Auslegungen, aber wohl deu Talmud verwerfen, sollen sich vorzugsweise in den Provinzen Eriwa» und Akhalzick finden. Sie behaupten rein und unvcrmischt dem Stamme Iuda anzugehören, welcher einst nach Babylon geführt worden, Unter Cyrus sei bekanntlich ein Theil nach Iudäa zurückgekehrt, ein Theil aber sei sitzen geblieben und später nach der Zerstörung Babylons mehr nach dem Norden hinauf gedrängt worden, habe sich schließlich dann in Armenien niedergelassen und sich bis zum Kaukasus ausgebreitet, dann auch nach der Krim übergesetzt und sich dort ansässig gemacht, von wo endlich Colonien bis nach Polen, besonders Galizien, eingedrungen. Sic behaupten dann ferner, sie hätten in Armenien große Macht und Ansehn erlangt, und zwar dergestalt, daß, als in Armenien das Christenthum cingeorungen und eine Anzahl von ihncn zum Christenthum sich bekannt, die mächtigste und fast herrschende Familie unter ihnen die Vazradunier (die spätern Vagraditen), die von Sanbad, der von Nebukadnezar nach Armenien geschickt wurde, von der Königsfamilie David's abstaue men und erst die Provinz Sber als Lehnsfürsten beherrschten und das Nrcht hatten, die armenischen Könige zu krönen, später aber selbst den armenischen Thron und endlich die drei georgischen Throne erhalten hätten *). Die Karaim sind überall als vorzüglich brave, rechtliche und zuverlässige Leute anerkannt und werden im Gegensatz zu den Tal-mudisten überall geachtet und geliebt, Sie habeil die tatarische Kleidung angenommen. Nur am rasirten Gesichte, wobei eine schmale Linie Backenbarts bis zum Kinne stehen bleibt, erkennt man ") Ritter, Erdkunde, X, S, Ml führt an: Nabbi Veujamin von Tudela in Spanien habe ^nno N70 in (5haldäa den Rabb! Daniel be» Chisdai, den Fürsten der Gefangenschaft, den Herrn aus dem Stamme David aufgesucht und gefunden, Er habe <5hre>! genossru und eine Macht besessen, fast gleich der des Chalisei,, Vgl. ferner S. 5^4 über die Bagratiden. 118 sie. Auch sprechen sic selbst untereinander immer tatarisch. Von den Talmudisten halten sie sich fern, die Mohammedaner sehen sie als eine uou ihnen ausgegangene Seete an; der Lehrer Mohammed's soll ein Karaim gewesen sein, auch gab Mohammed den Karaims, einen von allen Mohammedanern anerkannten Freibrief, daß man sie stets ehren, nie verfolgen solle. Mit den Christen leben sie in Eintracht. Sie sehen Jesus als einen aus ihrem Stamme hervorgegangen«: Propheten an, dessen Jünger erst eine neue Secte gebildet hätten. Da sie zur Zeit Christi nicht in Iudäa waren, so fehlt ihnen der Haß gegen das Christenthum gänzlich. Von den Karaim gibt es eine kleine Gemeinde in Jerusalem, mit der alle übrigen in Verbindung stehen und die sie als eine Art Muttergemeindc anerkennen sollen. Gewisse Tage im Jahre, ich hörte viel mal am Freitage, versammeln sich dort die Karaim an der westlichen Seite des Verges Moria, um dort, wo früher die Iubellicdcr ihrer Väter zur Ehre Gottes erschallten, ihre Klagelieder über den Untergang des Tempels und der heiligen Stadt und die Zerstörung des von Gott gewählten Volks erschallten zu lassen. Von diesen Klageliedern gebe ich hier eine Probe, die durch die edle antike Einfalt und die Tiefe der Empfindung an die Klagelieder Ieremiä erinnert. Es ist eine Liturgie, und die Form ist die älteste Gebetsform, die der Litanei; die Intonation des Nebblners oder Vorbeters und die Ncsponsorim des Volks. Erster Chorgesang. Litanei. Responsorium. Wessen dcS Palastes, der wüste liegt! Wegen bcS Tempels, der zerstört ist! Negeu der Mauern, die niedergerissen sind! Wegen nnsercr Majestät, die dahinist! Wegen unserer großen Mauer, die darnieder liegt! Da sitzen wir linsaiu und weinen! Wegen der kostbare» Edelsteine, die verbrannt sind! Wegen unserer Priester, die gesündigt haben! Weqen unserer Konige, dir Jehovah I verachte« haben! N9 Zweiter Chorgesang. Litanei. Wir bitten dich, erbarme dich Zions! Vile, rile Zions Erlöser! Ach möge doch Schönheit uub Majestät Zion umgeben! Möge bald das königliche Srepter über Ziou wieder erscheine!«! Möge Friede und Freude wieder einkehren in Zion! Responsorium, Sammle die Kinder Jerusalems! Sprich zum Herzen Jerusalems! Ach wende, dich gnädig zu Jerusalem ! Tröste, die trauern über Jerusalem! Und der Zweig aufsprossen zu Jerusalem ! 3) Die Unani. In der Gegend uou Derbent soll es eine Art Iudenchristen geben, die, ursprünglich Juden, das Christenthum angenommen, ohne das jüdische Gesetz in seinem vollen Umfange aufzugeben. Sie feiern daher nur den Sabbath uud halten streng alle Gebote und Uebungen des Gesetzes, weil dieses auch Christus, den sie nls den Messias anerkennen, gethan nnd befohlen habe, das Gesetz zu erfüllen. Sie sollen behaupten ein Rest des Stammes Benjamin zu sein, der in oder nach der Gefangenschaft von Assvricu nach dem Norden gedrängt worden. Man nennt su' Uriani, Ihre Schriftgclehrten erklärten zur Zeit der Geburt Christi, daß der Messias in Vethlehem geboren sein muffe. Da sollen sie zwei Männer aus ihrer Mitte hingesendet haben, Namens Longinoö nnd Elias, welche unter die 70 Jünger Christi aufgenommen gewesen. Nach der Kreuzigung und Auferstehung kamen sie zu den Ihrigen zurück uud brachten das Unterkleid Christi (nicht den ungenähten Nock) mit, welches noch jetzt in der Kathedrale zu Mzchet bei Tiflis aufbewahrt und verehrt wird. Auch hatte Vonginos die Veh rcn des Heilandes niedergeschrieben in einem Buche, welches noch, wenigstens in Abschrift, bei ihnen eristiren soll, aber sehr geheim gehalten wird. Sic kennen keine der Schriften des Neuen Testaments, erkennen sie auch nicht an. Es wäre in hohem Grade interessant, Nachforschungen über diese Secte, wenn sie wirklich eristirt, anzustellen, wiewol es gewiß sehr schwer halten wlrd, auf den Grund der Wahrheit zu kommen Wie wichtig wäre es, ein Buch aufzufinden, wel ches möglicherweise ein Corrolarlum der vier (Evangelien bilden könnte. Der Verbleib und das Schicksal der zehn israelitischen Stämme in Assyrien ist bekanntlich ein unaufgelöstes historisches Räthsel, Sie sind wol durch ganz Asien zerstreut. Daß aber ein großer Theil nach den kaukasischen Lander» gezogen, ist wol unzweifelhaft, ungeachtet sie gegenwärtig nicht in großen Massen dort suzd *). Sie sind zum Theil wieder fortgezogen. Der Perserkönig versetzte z. V. im 5. Jahrhundert allein aus den Städten Großarmrniens 7l,(M) jüdische Familien nach Pcrsien, (Vergl. Ritter, Erdkunde, X, S. 588.)") ") Nach der Geschichte Georgiens von Wachtang fvergl. Klaproth II, S. 87) sind um das Jahr :N6<> nach Adam viele flüchtige Juden (Uiniani oder Nriani genannt) aus der babylonischen Gefangenschaft nach Georgien gekommen und vom Mama-Szachli von Mzchct am Azachwi, am Bache Snawi, angesiedelt worden. Sie zahlten vom Lande eine Abgabe <(5herkh). *') Der schon früher erwähnte Herr v. Wrede hat mir über diesen Gegenstand folgende Mittheilnng gemacht: Zur Zeit, als Mohammed im Begriffe war, durch Feuer und Schwert seine neu ausgestellte Religion zur herrschenden Weltreligion zu erheben, waren der größte Theil der Bewohner des nördlichen Arabiens Anhänger des mosaischen Gesetzes, gingen aber bald, den wirksamen Argumenten des neuen Propheten weichend, zu seiner Religion über, welches für sie um so leichter war, da sie unter den Satzungen derselben viele vorfanden, die dem mosaischen Gesetze entnommen waren. Es ist geschichtlich erwiesen, duß die Stamme der Veni Harb (Söhne deS Krieges), dir der Aneszi und der Ncni Schamar, welche zusammen die weiten Wüsten inne haben, welche zwischen dem Euphrat, den Orontes und den nördlichen Theilen des Persischen Golfs und des Nöthen Meeres von Medina bis Mcppo lagern, ursprünglich Juden waren. Auffallend ähnlich dem Namen eines der verloren gegangenen jüdischen Stämme ist der Name Veui (?s-Schachar, den eine bedeutende Fraction des großen Stammes der Ancszi trägt, welche zwischen Damaseus und Palmyra, dem Tadmor der Araber, haust. Wird man beim Klänge dieses Namens nicht unwillkürlich an Issaschar erinnert, einem der elf verschollenen israelitischen Stämme'? Besonders überzeugt, die Ucbrrreste jenes Stammes vor sich zu haben, wird der, der wie ich Gelegenheit hatte, die scharf geprägten jüdische» Physiognomien zu beobachten, welche allen Individuen, nicht allein des letztgenannten Stammes, sondern aller oben angeführten Stamme, in so hohen, Grade eigen ist. Vcmerfenswertl) ist in den Provinzen Jemen, Ncojeran, Iafa und N-Djiof, welche den größten Theil des südwestlichen Aral'ieus einnehmen, das Dasein einer Menge Iudengemeinden. unter denen mauchc sehr bedeutend sind, wie z, V. die von Sana, der Haupt- und Residenzstadt des Imam lLI von Jemen, welche ungefähr 5000 Ilud die von Haban in der Provinz Iafa, welche etwa !lU<><» Seeleu zahlt, Leider wareu die Juden dieser Gemeinde», welche ich zil sprechen Gelegenheit hatte, sehr unwissend, denn feiner von ihnen lounte mir sagen, zu lvclchein Stannue sie gehörten, Nach den arabische» Geschichtschreibern Abulfeda, (5hamza, Nowairi u, A. in, war in Südarabien während der Regierung des himyaritischcn Königs Nmrn-ibn-Amr, genannt Mazikia, der Götzendienst dem Judenthume gewichen, Welches von Iudäa ans durch Flüchtlinge (nach der Zerstönmg "n'rnsalslns) seinen Weg nach birsein entfernten Winke! der arabischen Halbinsel gesunden hatte. Jedoch wurde dasselbe bald wieder dnrch den alten l^ohendicnst verdrängt, nnd nur in der gebirgigen Provinz Nedjcrau stiegen noch bis zum Jahre 5,02 n, Vhr. Daut - und Sühnopfrr vo» indischen Altären zum einigen Gott empor, wo dann dem Indenthuni dnrch die Eroberung Südarabiens durch die christlichen Abyssinier nnter Argat ein Cude gemacht wurde. Die in dieser Beziehung merfwürdigste Thatsache ist aber wol die (5'ri-stenz eines uralten, vollkoinnleu orgauiflrten, wenn auch dem Kaiser von Abyssliüeu tributareu jüdischen Reiche, welchcc« in den abysst'mschen Hochgebirgen in der Provinz Semen sriu^i Sitz aufgeschlagen hat, noch jetzt blüht uud von den Ablifsmicrn das Reich der Falascha genannt wird. Diese Falascha werden von eigenen Königen regiert, sind sehr tapfer und geschickte Handwerker, wecchall) die in geistiger Beziehung ihnen sehr nachstehenden Abyssinier sie für Zauberer halten uud als solche sehr fürchten. Die Geschichte dieses Reichs ist von jetzt noch nicht durchdrungenem Dunfel umhüllt, (Ucber dieses Reich vcrgl, Vruee, Salt, Krapf.) Folgende merkwürdige Legende, welche mir von Hrn. v, Nrede nüt^ getheilt wurde, mag hier ebenfalls einen lleincn Platz riuuehme»! Drei Tagereifen nordöstlich vou MoNa im füdlichen Arabien z>r>ifchen den Städten Musa nnd Hcß, erhebt sich neben dem kleinen Dorfe Suk-el Iümma (Frcitagcünarkt) ein ll Uhr, wo wir die deutsche Eolonie Marienfcld erreicht hatte», Sie liegt am Flusse Ion, der ehemals Kambyscs hieß, welchen Namen ihm CyruS zu Ehren stilles Vaters beilegte*). Hier fütterten wir einige Stunden die Pferde und frühstückten bei einem Eolonisten. Jedem Colonistm in Marienfcld sind 30 Dissia tincn (t20 preuß. Morgen) zugewiesen; sie haben Zweifelderwirth-fchaft, ein Erntefeld und ein Brachfeld, und bauen Weizen, Gerste und Hafer. Als Grundrente zahlen sie 2<» Kop. Silber i'l-ci Dissia^ nne. Zum Van der Gehöfte hat die Krone 125 Rubel Silber vorgestreckt, welche die Colonisten binnen zehn Jahren zurückzahlen mußten. Sie schienen mir wohlhabend und zufrieden. Ihre Lage scheint gesichert, ihre Ernten, meist gleichmäsiiq, bewahren vor Noth. Das Klima ist gut, der Himmel fast immer heiter, kaum ^0 Regen, tage. Im Sommer große Hitze, 30 — 55° im Schatten, im Win^ ter, der um die Mitte des December beginnt, selten ein paar Grad unter 0. Vei der vorherrschenden Dürre gewähren natürlich nur die Bewässerungen die Fruchtbarkeit. ^ Um 7 Uhr fuhren wir ab und wandten uns links zum Gebirge. Es ging stets Verg auf, Verg unter, zum Theil auf ab. scheulichen Wegen, meist durch herrliche Wälder. Ein paar mal erreichten wir Kosackenposten und ungefähr auf der Mitte des Weges eine russische Artilleriestation, Tambor. Einzelne schöne Aussichten eröffneten sich auf den Höhen, rechts lag eine herrliche ill nine eines alten Schlosses. Ein benachbarter Verg führte den Namen Schlau genberg. Das gab Peter Nell die Gelegenheit die Sage von einem andern Schlangenberg zu erzählen. Der schlangenüerg am Hrnr.es. Am ArareS südlich von Nachtschan liegt ein Werg, die Tataren nennen ihn Ilandagh, Handagh (Schlangenberg), die Armenier Otzezar, beides bedeutet Schlangcnbcrg. Zu gewissen Zeiten im Jahr sind dort die Schlangen in solch ungeheurer Zahl, daß kein *) Der Kur führt auch dm Name« Gyrus zu Ghren des Perserkönigs! Die Georgier nannten ihn zu (5lM-din'>? Zeiten Ohlth-Vahman, also mit demselben Namen, den die persische» sthromkeu dein Eynio gcbcn. 123 Mensch und lein Thier sich dem Berge zu nahen wagt, Außer den gewöhnlichen Schlangen gibt es nun dort eine Anzahl, die zu höhern Ordnung!'» der Geschöpfe gehören. Wenn eine von diesen 25 Jahre alt geworden, ohne daß je eiu Mensch sie gesehen, so erhält sie die Kraft der Verwandlung, sie wird in einen Drachen (persisch: Eisa> daha) verwandelt und vermag ihren Kopf iu den Kopf eines jeden andern Thieres zu verwandeln, so Menschen und Thiere täuschend, um sie zu todten oder zu fangen. Erreicht aber eine Schlange dieser Art das Alter von (>ft Iah-ren, ohne je von einem Menschen angesehen oder gestört zu wer. den, so nennt man sie auf Persisch Iucha (Ausdehnung) und dann erhält sie die Kraft, sich so oft und so lange sie will, in jedes Thier, ja jeden Menschen, zu verwandeln. — Einst blieb von einem Nomadenzuge ein junger Hirt und Jäger in der Gegend des Verges zurück. Als er in Gedanke», verloren umherging, sah er plötzlich im Gebüsch eine schölte unendlich reizende Jungfrau, die bitterlich weinte unv klagte, daß sie von den Ihrigen abgekommen, diese und ihre Heimat nicht wieder finden tonne, Er nimmt sie vor sich anfs Pferd und reitet nach der Gegend, die sie bezeichnet, aber bald ent spinnt sich ein Liebeöverhältnisi unter ihnen und sie bekennt ihm, daß sie keine Angehörigen und keine Heimat habe, und daß sie Dies nur vorgegeben, um ihn zu gewinnen, da sie vom Augenblick an, wo sie ihn erblickt, sogleich in heftiger Liebe gegen ihn entbrannt sei. Er zieht mit ihr in seine Heimat und heirathet sie. Einst besucht ihn ein indischer Fakir, der erkennt, da er einen Onyrring am Finger trägt, sogleich, daß vas Weib eine verwandelte Schlange ist, denn der Onyr verwandelt sogleich seine Farbe, wenn ei» verwandelter Gegellstand in seine Nähe kommt. t5r sagt es dem Manne: „Und daß du dich selbst davon überzeugst, so laß das Weib ein Gericht kochen, das sie besonders liebt, thue aber heimlich viel Salz hinzu und schließ das Haus so zu, dasi sie nicht heraus kann, verbirg allro Waffer und stelle dich schlafend, bleib aber wach." Der Mann thut das Alles. Nachts steht er sein Weib aufstehen, sie sieht überall nach Wasser, und als sie nichts findet, sieyt er, daß sich plötzlich ihr Hals verlängert dergestalt, vaß sie bald den Kops zum Schornstein herauszuheben vermag und bald 126 merkt er, daß sir mit ihrem Kopf und Munde den nahen Fluß erreicht haben muß, dmu er hört deutlich das getrunkene Wasser dm HalS herabglucken. Jetzt klagt er dem Fakir, er möge keine Schlaufe zum Wcibe haben, er solle ihm rathen, wie er von ihr abkäme. Der räth ihm nun, durch das Weib Vrot backen zu lassen und wenn sie sich bücke, um es in den Ofen zu schieben, so möge er sie rasch in den Backofen hineinstoßen und sogleich einen Stein vorsetzen, sich auch durch keine Klage und Vitte bewegen lassen, sie wieder frei zu lassen, sie würde ihn sonst gewiß todten, (5s geschieht wie der gerathen. Sie stehet und bittet, sie sei ja so lange schon sein treues Weib! Als er aber unerbittlich bleibt, da sagt sie, ja der Fakir hat dir mein Geheimniß verrathen, ihm lüftet nach meiner Asche. Du wärst freilich verloren gewesen, sobald ich gemerkt, daß du »lein Geheimniß gewußt, Als sie todl, ergreift dennoch die Verzweiflung deu Mann, denn er liebte das Weib leidenschaftlich, er geht in die weite Welt und Niemand hat ihn je wieder gesehen. Der Fakir aber. sammelte sorgfältig die Asche, denn in ihr blieb die Kraft der Verwandlung, er vermochte durch sie alles Metall in Gold zu verwandeln. Ich hörte später in Armenien ebenfalls von jenem Schlangen^ berge erzählen. Die Armenier erzählten mir, daß die Schlangen daselbst sich nie vor einem Europäer sehen ließen. Iskandcr (Aleran der d. Gr.) habe srine Frauen auf diesen Verg gebracht und die Schlangen dort hingezaubert, um jene bewachen zu lassen. Gegen Nachmittag erreichten wir die andere Seite des Gebirges, wir kamen in ein Thal mit einem reißenden Gebirgsbache, der längs einer sich weit hernmzieheuden uno hohen Felsenwand herfloh. In dieser Felsenwand waren in einer gewissen Höhe, meist 7N bis 1W Fuß hoch, unzählige Höhlen offenbar künstlich hineingegraben oder gehauru; sie standen meist in Reihen, hin und wirder zwei bio droi Nrihen übereinander, sie gingen zum Theil tief in den Felsen hinein nnd manchl' waren untereinander verbunden. Ich hörte später von Andern, z. V. dem Fürsten Abchafow in Signa, in allen kaukasischen Ländern befänden sich in jeder Felsenwand 127 dergleichen Höhlen in unermeßlicher Zahl, Ganz wie hier gäbe es in der Mnkranischen Steppe eine lange Felsenwand ebenfalls mit unzähligen dergleichen Höhlen, noch viel größer nnb tiefer wie die hiesigen; man findet in den meisten Valken von verschiedener Größe. Diese Felsenhöhlen sind ein historisches Räthsel, Keine geschichtliche Notiz erwähnt ihre Entstehung und ihren Gebrauch, Einige meinen, es seien Zufluchtsorte gegen Krieg und Naubanfälle, Andere halten sie für Einsiedlerhöhlen, Andere für Räuberhöhlen. Ihre ungeheure Anzahl zeigt, daß es Wohnungen eines unbekannten vorgeschichtlichen Volks von Troglodvtcu gewesen sind. Endlich erreichten wir gegen Abend den Fuß des Gebirges, wo an der Spitze des Thals Nuispire die große Weinfabrikation und Weinhandlnng der Herren Lenz u. (5»mp. vor uns lag. Dies Etablissement ist alls die kunstmäsiige und richtige Kelterei und Ve Handlung der tachetischen Weine, welche die besten der kaukasischen Bänder sind, gegründet. Wir wurden von Hrn. Lenz artig cmfge nommcn, er führte uns in seinen großen Weinlagern umher und ließ uns die nach seiner Iubereitlingsart gekelterten Weine kosten. Der Tischwein war rein, stark, süßlich, doch mit ein klein wenig erdigem Nachgeschmack, wie man ihn bei den Ungarweinen hänfig findet. Der moussirendr Wein war dem Champagner mittlerer Qualität völlig gleich. Waö ich hier von Hrn. Lenz und in Tiflis von Hrn. Salz mann über Weinbau, Weinfabrikation und Weinhandel erfahren, davon mögen folgende Notizen hier einen Platz finden. Die kaukasischen Inländer treiben die Bereitung des Weines aus eine sehr unzweckmäsiige ,,»d rohe Weise. Alle Tranben, weiße, schwarze, violette, runde, längliche, reife und unreise werden näm lich zusammengeworfen, in viereckigen frei im Felde in die Erde gegrabenen, meist ausgemauerten Löchern oder Behältnissen mit Füße» getreten imd ausgestampft. Der Most stießt alsdann ourch hölzerne Rinnen in einen irdene» Topf, der in dir Erde eingegraben ist, dergestalt, daß der Rand desselben zwei bis drei Hände breit „nter der Erde steht. Diese Töpfe sind von verschiedener 128 Große, die kleinen können 5—l<> ^imer Halts», es gibt aber anch deren, wie man mich versicherte, dir ein paar hundert Eimer (?) fassen. Ist on' Topf voll, so »rird der obere Mund desselben der bei den grösiern riuen Fuß uud »«ehr breit ist, niit einem Stein oder mit einem starfeu hölzernen Deckel zugedeckt und darüber l/2 biö 4 Fuß hoch Grde gehäuft. Nach zwei bis drei Monaten wird der Wein in einen andern ebenfalls ringegrabenen Topf ge^ schöpft. Diesmal abcr bleibt der Topf offen und unzugedcckt mit dem Weine bis zum Herbst stehen; Wasser, Schmutz, Ungeziefer sammelt sich darin, alles spätere Reinigen ist dann nur sehr mittel-mäßig und von geringer Wirkung! Zum Gebrauch wird der Wein auf Schläuche gefüllt. Fässer lind Flaschen kennt man nicht. Die ganze Haltt eines Büffels (oder eines Ochsen, eineö Schweins, einer Ziege) wird bereitet zu einem Schlauch und mit Wein gefüllt, die Haarseite einwärts, welche dann vorher meist in Naphtha getaucht wird, wodurch der Wein einen starken Beigeschmack erhält, sich aber auch besonders gut conserviren soI. Es war ein widerlicher An blick, wenn ein solcher enormer Schlauch auf einem Wagen uns begegnete, es sah aus wie krepktes Hieh! Die deutschen Colonisten und natürlich Hr. Lenz vor Allen be reiten und bearbeite» den Wein ganz wie in Europa gebräuchlich, sie sortircu die Trauben sorgfältig, lassen den ausgetretenen Most in Kufen rinnen, wo er bis nach der ersten Gährung bleibt und van» auf Fässer gezogen wird. 'Aus den Weintrcspern wird Branntwein gebrannt. An Gefäßen zur Aufbewahrung des Weins ist überall Mangel, Die deutschen Colonisten arbeiten sich selbst Fässer, Kufen, Tröge u, s, w. Es gibt hier keine andern als gebrauchte Champagner-flaschen, die hier gesammelt werden oder auö Nußland herüberkommen, sie kosten das Hundert 15» Rubel Silber, sind also viel thenrer als der Wein selbst, denn guter kachetischer Wein der (Angeborenen rostet dort die Mas; nur 7, Kop. - 1 Sgr.! Vei Akhalzick hat ei» General, Sawileysnv. eine Glashütte angelegt, die Anlage ist ungrmrin kostbar gewesen, und er vermag das Glas mcht wohlfeil zn liefern. Die Grusinier, welche die Cultur des Weinstocks nicht verstehen, 129 erhalten von schlechtem Boden WO, von gutem 3W — 55V Eimer Wein pl-o Dissiatine, die Colonisten bei sorgfältiger Behandlung Eimer und mehr. Der Wrinstock »vird hier hundert und mehre Jahre alt, man findet in alten zerstörte» Gärten Stöcke, die einen Fuß im Durchmesser haben und deren Trauben eben so gut sind, als zehn Jahre alte. Dir bessern Weine in Kachetien "haben mit Burgunder und spanischen Weinen viel Aehnlichkeit, haben aber wenig Vouquet. Wenn man ausländische Neben hierher verpflanzte (kleine Persuche sind gemacht), so würde man merkwürdige Ncsul^ täte sehen. Die hiesigen Weine wurden bisher nicht nach Nußland oder gar ins Ausland Versahren. Nnr die Grusinier und neuerdings die deutschen Colonisten beschäftigen sich mit dem Weinhandel, die Ar^ menier nehmen keinen Antheil, die Tataren schon aus Religions grundsäßrn nicht *). ') Duliois, II, W1 führt a», daß mau den jahrlichen Gewinn Georgiens an Wein auf 60 Millionen Pinten anschlage, wovon über '^> auf Kachetien allein fielen, dessen Vevölferu„g auf W—100,000 Köpft an. zuschlagen ist. Ungefähr 10.000 Dislmtine» <— 40,000 Morgen) sollen jährlich l0 —50 Millionen Piüten Wein liefern. Die besten Lage» sind Kondoli, t>er Regierung, und KwareÜ »nd Tsinodali, dem Fürsten Tschiwtschc« wadze gehörig. Schon Strabo, ^!',ipli. XI, <^>p. ^, spricht von dein Ueberftuß an Wcin. Der Weinstock wird hier nie bedeckt, nur alle fünf Jahre beschnitte», trägt schon im zweiten Jahre. In Tisliö kostet die Tenga (5 Flaschen) gnten rothen Weins aus Kachetirn 1 AbbaS ----- 7 Sgr„ der gewöhnliche Wein kostet die Tenga nur 2'/, Sgr., dagegen sehr guter 2 Abbas. Dieser Wein hat die Farbe des Aurgunders und ist nich» so herb als der Vorbeaur. (5r wird in Kachetien in Aniphonii (Kup-schinen) aufbewahrt, die oft !< Fuß hoch sind. lDiese Thongef.iße werden in Stücken stibricirt, die man aneinander seht, mit Topfeithon ül'eistreicht nnd dann im Ofen brennt und mit Naphtha überstreicht. Das gibt dem Wein einen Beigeschmack, an den man sich aber schnell gewohnt nnd ih» dann vortrefflich findet. Solchcr Wein verursacht dann nie Kopfschmerzen nnd bewahrt vor der Gicht und heilt dieselbe. Nirgends ist die Gicht so selten als in Grusteu! Der auf deutsche Weise fabricirte Wein ist stet« mehr oder weniger moiissirend. i» 130 Spät erreichte ich Tellaf") und besuchte am andern Morgen den Gehülfen des Kreischefs, Fürsten Andronikow, einen gebildeten Mann, der geneigt war, dem Fvemden über Alles, waö ihm ii^ teressant war, Mittheilungen zn lilachen. Zunächst gab er mir einige statistische Notizn,, die wol annal'ernd richtig sein möchten, da daS Abgabeweseil darauf begründet ist. In Kachetien, d, h. in den ^treiftn Tellaf und S^chnach, gibt es außer den beiden Kreisstädten 115 Dörftv mit 1/l255 Rauch stellen oder Gehöften und zwar silid deren in Tellaf ,.,^72 ^ in Sychnach . , s»27. in den Dörfern 17»! 5K Von diesen steuerbaren Gehöften gchören 7122 dt'» Kronbauer» 7,27>l> den Kirchenbauern 7»lN>l den adeligen Bauern. Äusmdem sind "Adelige beitzerlei Geschlechts vorhanden 1550, l7ir^ö Volfö mit dni Person und Türfcn gefcimpft, rft mit Glück! "') Fürst Nbchas^w in Sychliach behlUipt^te w^niastcns für de„ Krcis Sychnach, bic «Äeinciud.n l'csäßcil l^inc ei^ciiru Wlilouü^cn, smivMl die Krondörfer bemchten die Krcnwäldcr, dic g»t^he,rlichen Dorfee die guts-hcrrlichen Wäl^el nach Belieben und Bedürfniß. 131 Familien^ der Aelteste (Großvater, Pate,', Vrudcr) herrscht un beschränkt und sorgt fnr Alle, Oft besteht die Familie aus mehren Generationen und dann ;uweilen aus 50 Köpfen. Kömmt Uneinigkeit, so setzen gewählte Schiedsrichter das Vermögen auseinander. Der Ackerbau ist hier zwcifeloerig. Es wird vorzugsweise Mais geballt, dann Weizen und Gerste. Verbesserungen in der Land wirthschaft werden hin und wieder vom Adel versucht. An Abgabe wird an die Krone von jeden, Hofe eine Kode, ^ Weizen und '/2 Gerste gegeben. Es gibt alte Colonistcn aus Garten oder Weinland (Zaara), die namentlich an Wein eine Geldabgabe (Ku^ lucki) zahlen. Tie Bewässerungen haben offenbar ehemals unter strenger Aufsicht gestanden, jetzt benutzt jeder Adelige die Kanäle, wie er will. Die Bauern stehen aber noch unter gewissen Wasser-bcamten (Merue). Jeder erhält die Vemchnng nach Maßgabe, wie seine Abgabe von Nazawal festgesetzt ist. Lie Bauern des Adels und der Fürsten leisten wöchentlich einen Frohndienst ihrrm Henn und geben ihm von den unterhabenden Grundstücken den Sie. ben ten, oft nur die siebente Garbe ab, vom Gemüse nichts. Knechte erhalten hier Nahrung, Kleidung und jährlich 50 Rubel Silber Lohn. Der Fürst sagte, die Kachetier seien außerordentlich proeeß süchtig, namentlich hielten die Gemeinden sehr znsammen und sühr ten mit einander oder mit sonstigen Nachbarn die hitzigsten Processe. Vei solchen Gelegenheiten wäre es merkwürdig, wie reich das Land an alten Doeumenten sei, welche alsdann zum Vor^ schein kämen und ausgelegt würden; er zeigte uns auch wirklich eine Menge dergleichen. Ich kann es mir nicht versagen, eine derselben, die ungemein schön war und einem jeden Reichsarchive Ehre gemacht hätte, hier genau zu brschreibr». Das Document war von der Synodaleurie des (5rarchen Gru siens, in einem solchen Processe von einer der Parteien anfgelegt. Es war auf sehr starkem dem Pergament ähnlichen glatten gelblichen Papier geschrieben, Cs war eine lange Rolle !« —5>0 Fuß lang, t Fusi breit. Zuerst war oben etwa ein l Fuß leerer Ranm, Dann kommen vier Miniaturen uuter einander, wovon die zwei n'stn'n viel besser als die letzlern gemalt sind', sie sind auch aus 132 viel späterer Zeit. Zuerst das angebliche Vild des Czar Alerander von 1593. Der Czar sitzt mit untergeschlagenen Veinen auf einem breiten Stuhl; Gesicht und Bart ist gut gezeichnet und gemalt, auf dem Kopfe ein goldener Turban, ein goldener Kaftan init eingestreuten Blumen nnd mit Pelz verbrämt, eine goldblumige Weste, goldene Scherpe, violette Vnnkleider, die eine Hand einen Dolch schräg vor sich haltend, die andere sich auf rine Krücke stutzend, Unter Miniatur anö nnor gr»fl>mchc>n Mfundc, diesen, Portrait ist ein gekrönter goldener Doppeladler mit rothem Schnabel und rothen Füsicn und Krallen, in der rechten ein Schwert, in der linken eine Feder oder eine Palme, das war nicht deutlich 5« erkennen. Dles bildete das erste Vild in einem breiten verzierten Rahmen. Darunter war cm zweites Vild, vier auf Stühlen sitzende Ozare vorstellend, nämlich Czar David, Czar Heraclius, Czar Kon stantin und Czarewitsch TcmuraS, Dann kommt darunter das dritte 133 Vild, zwei stehende Czare, der eine Ezar, Teluuras, mil weisiem Haar und Vart, mit Krone und Scepter und in fast kirchliche» Kleidung, langes braunes Unterkleid mit Goldblumen und rothen Kaisermantel mit Gold gesäumt. Der andere stellt den Czarewitsch David vor, mit einer Art polnischer Pelzmütze, mit schwarzem Haar und Vart, knrzem Kaftan, golostreifiger Weste, goldgebrämtem rothen Unterkleid?, blauen Strümpfe», rothen Schuhen, Dann kommt ein viertes Vild auf dem drei Ozare stehen, (5zar Alerandcr, Vzar Lion, Czarewitsch David, die zwei links im .»lönigsornat, wie die frühern, der Czarewitsch David in derselben Kleidung, wie ans dein dritten Vilde. Unterhalb dieser Vilder beginnt erst die Schrift. Zuerst komm! ein (hebet in goldener altgrustscher Kirchenschrift, mit langer Ver fluchung Aller, die die Kirche berauben und iln' das jept hier Ve» üehene rauben wollten. Dann beginnt die eigentliche Urkunde in 134 schwarzer schöner grusischer Schrift. (5s ward darin erzählt, dec Czaril, Tanlara habe zuerst die kachetische Kirche gestiftet und dotirt, dann sei eine persische Invasion gekommen, die Alles zerstört, auck die Docmnmte, Gegenwärtig sei nun eine ruhige Zeit eingetreten und man habe daher den Czar gebeten, die alten Schenkungen und Privilegien zu bestätigen. Diese erste Bestätigung ist vom Jahre der Welt 710i (l5!)5). Dann kommen die spätern Bestätigungen von anderer Hand geschrieben, die letzte von 5 7OX. Die Namen der Czaren siud jedesmal mit dem Siegelring darunter gedruckt. Das Papier ist alle drittehalb Fuß' zusammengesetzt und geleimt nnd dann ails der Rückseite stets ein Siegelring auf der Zusammensetzung abgedruckt. Eine Sammlung solcher Documents Abzeichnung von Siegeln, Bildern, Portraits, steinernen Denkmalen u. s. w, wäre sehr interessant und könnte viel Licht über die noch sehr dunkle Geschichte dieser Bänder verbreiten. Aber dazu müsite das Gouvernement Eingeborene erziehen und etwg auf dentschen Universitäten studiren «nd den wissenschaftlichen Geist einathmen lassen! (6s war den ganzen Morgen abscheuliches Wetter, erst gegell 1l Uhr klärte es sich vollständig und nun hatten wir den ganzen Tag eine allerliebste Fahrt in frischer schöner Beleuchtung. Wir fuhren stets an den Abhängen deö Gebirges her und hatten links eine treffliche Aussicht auf das reiche und wohlbebaute Laud. Die ser Theil vou Kachctien bildet ein breites Thal zwischen dem ebeu von uns uberstiegenen Mittelgebirge und dem östlichen Kaukasus-(oder dem lesgischeu) Gebirge, mitten durchschnitten durch einen ziemlich »nächtigen Strom, den Allasan. Die Dörfer liegen zum größten Theil au den hngelichten Gebirgsabhängen dicht aneinander. In der Regel lagen zwei Reihen Weingärten unmittelbar vor den Dörfern, dann kamen die Frnchtfclder, oann Wiesen uud Weiden bis an den Allasan. Vor dem Dorfe Kurtschau suhrrn wir an einem zwischen zwei Anhöhen liegenden kleinen runden Teiche mit trübem Wasser vorüber, welcher in beständiger Bewegung dadurch war, daß cr in der Mitte in jeder Secunde einmal stark sprudelnd aufbullerte. Dieses heraufgestoßene Wasser soll sehr warm, fast hriß sein und ist also »35 wahrscheinlich eine heiße Mineralquelle, die »ur bis ieht noch z« nichts benutzt ist, außer daß man krankes Vieh hineintreibt, wel ches dann oft wieder gesund nerven soll, Peter Neu, aus (5rku„ digung ausgeschickt, brachle uns sogleich eine allerliebste Sage oder Legende: Einst stand hier, wo jetzt der Teich ist, das Haus eines Prie sters, der geizig und erwerbsüchtig und nicht im mindesten fromm war. So ging er dann auch den Leuten »lit bösem Beispiel vor, daß er an Sonn - und Feiertagen rücksichtslos arbeitete und arbeiten lirsi. leinst ließ er am Tage der Verklärung l5h»isti das Korn austreten und ausschleifen (mit der grusinischen Dreschschlcife), Da ist Christus vorübergegangen, ist vor dem Hause stehen geblieben und hat den Priester gefragt: „Welcher Tag im Jahre ist heut"?" Da beginnt der Priester, der Christum nicht erkannte, an ;u schimpfen! „Was geht dir der Tag des Jahres a», es ist Chiifti Vertlänmgstag, aber meiue Töchter dreschen eben den Weizen aus!^ Da wandte sich Christus und augenblicklich versank das Haus mit Allem, was darin war, in die Erde, und nie hat ein Mensch von dem Priester und den Seinigen wieder etwaS gesehen und gehört. Äus der Stelle aber, wo das Haus gewesen, war ein Teich mit seinen wannen Quellen entstanden. Diese warmen O-uelleu aber sind die Vnßlhräuen des sündigen Priesters und sei ner Familie!") Es wäre interessant und zur Vergleichung mit deu eur^' päischen wichtig, die Volkssagen in diesen Landstrichen zu sam Uttln. Sie sind wichtiger, als die Voltsmärchen, die mehr oder weniger dieselben sind, oder Varianten, oder doch ähnlich sind d>>, schon bekannten der Tausend und Cinen Nacht u, s. w. Ich gebe hier noch eine Volkssage aus diesen Landstrichen, die mir von anderswo zugekommen und die ich hier einschalte, weil ich den O»l, an den sie geknüpft ist, nicht besucht habe! ') Ga»z ähnlich ist die Sage vom Sprudel >» Karlsbad, daß eo r,e heiße« Thränen der armen Sünder im Fegefeuer seien, U'elche dort her^ v».'rstn'!»lm! 136 In Südgeorgien liegt Summ mit einem uralten Schlosse, nie!-chcs zwei Jahrhunderte vor Christus von Pharnadjan gebaut sei» soll. (5s war früherhin in dem Besitz eines Thawalö, eines fast unabhängigen Lehnsfürsten, die den frühern Königen viel zu schaffen machten. Auf der Südwestseite dieses Schlosses nun sieht man eine Mauer, über einem tiefen Abgrund kühn stehend, so fest, daß sie, mit der Felsenunterlagc cinö, auö ihr hervorgewachscn zu sein scheint. Gin Thawal gab sich einst unendliche Mühe, diese Mauer, welche zur Befestigung des Schlosses durchaus nöthig erschien, aufzuführen. Alle Mühe war umsonst, in der Nacht stürzte stets AlleS in den Abgrund, was am Tage gebaut war. Man erkannte, daß eine Verwülischung, ein Zauber darauf liege. Ein um Nath gefragter persischer Priester erklärte: Die Mauer würde nur dann vollendet werden können, wenn der Sohn einer Witwe, aber ihr einziger, unter drin Fundamente lebendig begraben würde. Der Knabe fand sich und die Maller ward über ihm vollendet. Aber nie ist sie trocken geworden, stets bleibt ste auf der Oberfläche feucht! Es sind die Thränen der unglücklichen Mutter, Ein Volkslied hat sich erhalten, worin das Gespräch der Mutter mit ihrem Sohne Zurab. „Wie stehts mit dir, lebst du noch mein geliebter Sohn!" — «Ach Mutter, jetzt bin ich bis zu den Knien eingemauert!» — Dieselbe Frage — «Ach Mutter, jetzt steigt die Mauer schon bis zum Gürtel! — Vis zur Brust! — Vis zum Hals.» Endlich ruft sein letzter Schrei: «^nnw vmd Nb^abcn leisten und wenig herrückt werden. Zu großem Unternehmungen sind sie ivcnig gcncigl und fahi^, da ihr Volks- und Gemeiubeverbanb sehr schwach ist und sie sich selten vereinigen. Man sagt, nie käme eine Vereinigung von mehr als zehn zu Stande! Fürsten und Adel cristiren unter den LeSgiern nicht. Die LcSgier sind schön, regelmäßig gebnut, haben schwarze Ailgen nnd Haare, sind aber llem«' als die Grusier. l38 Grusien mächtig war, haben selbst die Gebirge von Lesgistan »nd Daghestan dazu gehört, sind ihm untcrworfcll gewesen. Seit der Crobernng von Tamerlan hat es sich nicht wieder erholt, dazu schwächten es die häufigen Theilungen. So wurden die tapfern Lesgier »licht blos frei, sie fielen vielmehr die Grenzländer, besonders das reiche Kacheticn, beständig an. Später hat besonders Schah Abbas diese Gegend furchtbar verwüstet. Da ward der Strich anf der einen Seite des Allasan zu einem grosien Walde nnd die Gegend zwischen dem Kur, Allasan und Iora eine unbebaute Steppe, in der man jetzt häufig Leoparde» findet. Wir blieben die Nacht auf der Poststation und kamen am an^ deru Morgen zeitig i» Sychnach an. Die letzten sechs Werst dreht sich der Weg rechts ins Gebirge hinein in ein enges romantisches Felsenthal, in welchem ein mächtiger Bach herabströmt j dieser ist oben gefangen nnd an beiden Seiten des Thals längs den Felswänden in Kanäle» hergeleitet, wodurch die in der Mitte liegenden schmalen Wiesen und Felder bewässert werden können. In diesem Thale lagen wenigstens 2l) Mühlen, allein statt daß wie überall die Mühlenräder stehend obcrschlächtig oder nnterschlächtig vom Wasser herumgetrieben wurden, lagen die Räder hier vielmehr horizontal und wurden so vom Wasser umgetriebrn. Was die Ursache dieser sonderbaren keineswegs zweckmäßigen Constrnction war, erfuhr ich nicht. In Tiflis sah ich Mühlen von der gewöhnlichen Construetion mit stehenden Wasserrädern, Der Kreisches von Sychnach, Fürst Abchasow, hatte uns sei-nen Neffen entgegengeschickt, der uns ihm zuführte. Das Haus des Fürsteu lag etwas rechts neben der Stadt anf einer Anhöhe. Es sah von außen, ganz genau aus wie die schon oben beschriebene Residenz des Dadia», des Fürsten von Mingrelien. Der Fürst Abchasow war ein Mann von Geist, von Streben nach Bildung und »rar mittheilsam, wenn er sah, daß man Interesse an etwas nahm, das ihn auch interrssirt hatte. Seine Gemahlin roar die Tochter riues Fürsten in Sucmelien. Cr meinte, kein kau kasisches Land möchte für Reisende in Vezug auf Alterthums- und geschichtliche Forschungen interessanter sein als Snanrtien, namentlich !3N seien dort die merkwürdigsten, zum Theil ganz kolossalen VauN'ertr aus allen Zeiten, manche vielleicht aus Zeiten, von denen die Olefchichtc gänzlich schweige, vorhanden *). Aus dem Mittelalter seien dort namentlich eine qroße Zahl Kirchen, znm Theil halb in Nilinen liebend, vorhanden'"), welche nach der Tradition dcö Volts sowol bei den ') So kleinlich, ja jämmerlich n»d charakterlos alle »ellern Bauten nnd Bauwerke in Asieu sind, so grandios imd wunderbar sind die ältern, und zioar je höher ins Alterthum zurück je kolossaler. (5s fehlt aber noch an einem umfassenden Alle,? vergleichenden Werke darüber; alles Material ist iu den verschiedenen Ncisewerkcn zerstrent. Unser großer Geograpl, Nittcr hat in seinem Werke für jede Lokalität mit bewundcrnngowürdiger Kritik und Belesenhcit zusammengestellt, was sich irgend fand. — Man mochte sich wundern, dasi man das Dagnerreotyp noch so wenig benutzt hat, nm überall Kopien der Bildwerke nnd Inschriften zu erhalten. Rußland wäre in der Lage, sich in dieser Beziehung am meisten uerbient nm die Wissenschaft zu machen, da ihm der Kaukasus gehört nnd sein <5i»-stuß in Persien und der asiatischen Türlei jede Untersuchung erleichtern wurde, Ritter sagt: ,, Die Hindu sind schweigsam, ihre Architekturen haben leine Inschriften, die der Aegyptcr und Perser, und noch mehr der Armenier nber sind Voll daran. Die Araber haben nur neuere und kennen nnr Spruche des Korans davon." *') Die so zahlreichen Bauwerke in allen kaukasischen wandern deulen aus eine regsame, dabei glänzende, reiche, »nächtige Zeit, wo Kunst und Wissenschaft und eine gewisse Bildung herrschten. Diese Bauten zeigen dies in nicht viel geringern, Grade, aw das Mittclaltcr Europas. Ueber die Geschichte dieser Zeit ruht noch ein tiefes Dunkel! Was in den letzten Jahrhunderten grbant, ist charakterlos nnd durchaus unbedeutend, ja meist kläglich. Man hat nicht einmal die Kraft, die Kenntnisse gehabt und dic Arbeiter gefunden, um wieder herznstcllen, was der Zahn der Zeit, oder Knegöverwüstung an den Bandenkmalen zerstört »nd ruinirt hatte. Die Rnsseu bringen allerdings neue Keime der Aildimg hierher, aber es ist blos eine fremde angelernte. Wer hier Von den ^ingel'orencil einige Vil^ dung hat, hat nur eine rnssischc. Da>? Gouvernement sollte Alles dazu thnn, die Mdimgskeiuie, die in den Nationalitäten selbst liegen, wieder zu beleben. Zunächst nnißttn die Kirchenschnle» nen gegründet u»d verbessert, der Klerus gebildet werden: nur durch einen gebildeten nationalen Klcrns ist das Volk hierorts zu heben. Für die weltlichen Wissenschaften müßten junge Eingeborene, eiwa in Deutschland, z. V. Sachsens gelehrten Schnlen, erzogen und auf den dellischen Universitäten völlig auligebilrel werden. 140 Suanelen als den Abchasen die Dgenoves gebaut hätten, Damit sind offenbar die Genursen gemeint, die im Mittelaltcr alle Landstriche der ganzen Ostküste des Schwarzen Meeres theils besasien, theils auf sie inftuirten. Die Genuesen scheiurn auch Versuche gemacht zu haben, die rö-misch - katholische Neligion hier bei den Heiden zu verbreiten*), wie dies ihre Kirchenbauten zeigen. Die Franciscancr verbreiteten sick unter genuesischem Schlitz überall in den kaukasischen Landstrichen, Sie stifteten 1333 ein Erzbisthum in Taman und zwei Visthümer in Lukuka und Schiba. Auch haben die Genuesen offenbar Ver^ suche gemacht, die grusinische Kirche mit der römischen auszusöhnen, es scheint ihnen aber mislungen, wie auch ein viel späterer Versuch deS grusinischen Patriarchen, Anton i, unter Czar Heracliuö. Der Patriarch ward damals vertrieben und lebte später in großer Ein samkcit, sich ganz wissenschaftlichen Studien hingebend. Von ihm soll ein bis jetzt noch völlig unbenutztes Geschichtswerk über Gru-sien im Manuscript eristiren, welches der Fürst David Zizianow in Kareli bei Chori besitzen soll. In Genua muffen nothwendig noch große, für die Geschichte und Ethnographie aller kaukasischen und nordklcinasiatischcn Länder und Völker wichtige Nachrichten in den Archiven begraben liegen, wer aber hebt diese Schätze? lieberall in diesen Ländern trifft man unzählige Bauten, welche die Volkssage ihnen, den Dgenoves, zuschreibt. Slc hatten ihre Kastelle und Niederlagen all allen Küsten der Krim, Kaukasiens, Kleinasiens, von Traprzunt bis Pera, aber auch tief in Asien bis in Persicn hinein; alle Linien, Wälle, unzählige Kastelle, Brücken und Karavansereicn werden ihnen zugc schrieben, so ein Kastell Hassan ^Kaleh mit einer Brücke über den *) Bei den Snanetcn findet man in den Kirchen prachtvolle aus Gvlo gemalte (wie Fürst ?l. behauptete) Bilder und ciuc grosie Zahl vl"> Vüchern und Documents», die dort Niemand mehr lesen und verstehen fann, die aber noch in hoher Verehrung, stehen. Das Ehristenihum ist bei ihnen sonst gau; vergessen, aber die Fasten halten sie noch und verehren die Bilder, Dic alten Kirchen sind noch jcht Asyle für jeden ^>-lirecher. In neuern Zeiten verbreitet sich daS ChnstriUhum vm, neuem unter ihue». 14 l Arareö und heißen Quellen daneben. Zwei Stunden davon liegt dir berühmte Hirtenbrücke, Tschöpan Köpzi, mit sieben schönen No. gen, welche dem Darius Hyftaöpes zugeschrieben werden. Unter den Grusiniern herrscht in Vczug auf Suanetien fol^ gendc Sage. Iason vertrieb, als er das Goldene Vließ eroberte, den König Pharnabas von Grusien. Durch diese traurige Erfah rung aufmerksam gemacht, dachte dieser darauf, eine Gegend im Gebirge zn finden, die völlig vor jedem Angriff gesichert und nicht zu erobern sei. Er wählte Suanetien aus, dessen geringe Ve-völkerung ihm schon unterthänig; er baute dort nun überall Vur-gcn, deren Ruinen noch zu sehen, und siedelte daselbst grusinischen Adel an. Dieser letztere hat sich jedoch nach und nach völlig mit dem Volke verschmolzen, sodasi er auch die dortige Sprache, die in Wort, Klang und Vau völlig verschieden von allen übrigen kaukasischen Sprachen ist, angenommen. Das; grusinische Einwirkungen aber unverkennbar vorhanden, sieht man aus den Zahlenbcnoimun. gen, die grusinisch sind. Die Suamtm, von der Königin Tamara zum Christenthum bekehrt, haben dies fast nur dem Namen nach conservirt. Sie haben keine Priester mehr, daher keinen eigentlichen Gottesdienst, in den Kirchen und ihren Nuinen versammeln sie sich zum Gebete vorzugsweise vor den Heiligenbildern. Es gibt aber, wenn auch keine persönlich geweihten Priester, doch noch Priestergeschlechter, die sie Dekauosen nennen, und die auch eine Art Aufsicht über die Kirchen führen. Sie beten gewisse Litaneien vor, sie segnen bei der Heirath das Brautpaar im Namen der Dreifaltigkeit, desgleichen die Leiche beim Begräbnisse. In ihrer Gegenwart wird der Eio vor einem Hciligenbilvc geleistet. Das Land sott fast uneinnehmbar und nicht zu erobern sein, ist dabei in den Thälern äußerst fruchtbar, und hat auch noch wenig gekannte und benutzte reiche Gold- und Silberminen. Die Suaneten haben meist blaue Allgen und blonde Haare, Es sind schöne tapfere Leute, Beleidigungen werden durch den Zwri^ kämpf gerächt. Die Blutrache herrscht überall. Vielweiberei ist nicht durch die Sitte verboten, aber wol Scheidung. Die Weiber werden gekauft, da aber der Preis hoch, oft s»0 —80 Kühe, so 14^ ist Neibcrraub nicht Men. Auch der Verkauf von Knaben und Mädchen ist allgemein. Der Handel geht meist inö Hochgebirge zn den Tscherkessen nno von da häufig nach Konstantinopel. Der Preis eines Knaben steigt bis auf 5—400 Nubcl Silber, der eines Mäd chen bis znr Hälfte oder ^, Fürst Abchasow erzählte uns, er sei vor Jahren mit dem Feld' marschall Paskewitsch beim See Taparawan an der Grenze des Kreises Alhalzick vorübergeritten, da »rare ihnen eine wunderschön gebaute noch gut erhaltene kleine Kirche ins Auge gefallen. Sie hätten sie gena» besehen, eine Inschrift daran habe ausgesagt, daß die Kirche von der Czarin Tamara 1187» gebant worden. Gr behauptete, 170 Jahre vor Alerander d. Gr. habe der gru-sinischl' König Pharnabas die jetzige grusinische Schrift (Kirchenschrift) erfunden oder wenigstens eingeführt. Erst seitdem sei die grusinische Sprache die vorherrschende in diesen Landstrichen gewor. den, während vorher unzählige Dialekte vorhanden gewesen. Ist dies historisches Factum oder blos Sage? Der Fürst Abchasow hat hier überall in der Landwirthschaft Verbesserungen einzuführen versucht. Die Krone hat ihm daher 500 Dissiatincn ('2000 preuß. Morgen) Land geschenkt, nm darauf allerhand Cultur zu versuchen, (5r erzählte unö, das; er vollkommen gelungene Versuche mit den: Vaue von Zuckerrohr gemacht habe, er habe sich einen eigenen Lehrmeister aus Westindien verschrieben, der zwar jetzt gestorben, der aber mehre seiner Leute hinreichend angelernt habe. Nur mit dem Rafftniren könne er noch nicht recht fertig werden. Auch mit dem Baue von Indigo hat er jetzt glückliche Versuche gemacht. Desgleichen baut er Baumwolle, doch nicht hinreichend, um der hiesigen nicht geringen Fabrikation das genügende Material zu liefern. Er baut viel Kartoffeln, und wir aßen an seiner Tasel sehr wohlschmeckend zubereitete. Die Stadt Sychnach liegt sehr schön, sie bedeckt von drei Seiten einen runden Verg vom Fuße bis zum Gipfel. Der obere Theil ist nüt einer zum Theil in Ruinen liegenden ehemals sehr festen 20 — 50 Fuß hohen Mauer umgeben, über welche eine Anzahl mächtiger Thurme ragt. Sie ist von Czar Heraelius (?) gebaut und gilt als sehr fest. Doch eroberten die Perser die Stadt und 143 verwüsteten sic, Sychnach mag ein paar tallsend Einwohner za'h !, ist Hie Nebersetziiug der Chronik vou Georgien vom König Wachtaug V. mitgetheilt, iu welcher sich S. I4>l der Hand eilt Rauchfaß, und in dem Rauche erblickte sie die Seelen IN des Großen 314 — 318 das Christenthum zuerst in diese Gegenden gebracht, das hiesige Kloster gestiftet und die Kirche gebaut. Tie war so heilig und von allem Irdischen zu Gott gewandt, daß ihr Fuß nie die Erde berührte, sie schwebte stets eine Me hoch darüber, Ihre Schülerin war nach der Sage eine berühmte Königin, Namens Tamara. Nicht weit von Eychnach in der Richtung von Zarskekaletsch und Karalatsch liegen die Ruinen einer Vurg, wo diese letztere gewohnt haben soll. Sie war eine grosie Heldin und führte glückliche Kriege mit den Persern und den Lesgiern. Die Lctztern zwang sie im Winter, das Eis aus dem lesgischen Gebirge nach Tislis zu tragen. Das; diese Tamara der Sage nicht mit der berühmten Czarin dieses Namens im 12. Jahrhundert verwechselt werden darf, versteht sich von selbst. Zuerst besahen wir die Kirche der heiligen Nino, welche der Sage nach aus dem 4. Jahrhundert stammen soll und worin diese Heilige begraben. Die Kirche ist in ihrem Aeußern, aber auch in ihrer ganzen Construction durchaus von allen Kirchen der oricn-talischcn Kirchengemeinden verschieden, die sämmtlich mehr oder weniger im Nundkuppelstyl gebant sind, was auf symbolischen Ideen beruht. Die hiesige Kirche hat keine Kuppeln, sondern blos ein langes Gewölbe und zwei Nebengewölbe. Das Kloster scheint als solches aufgehoben und zum Aussterben bestimmt, wir fanden nur noch den Archimandrite» und neben ihm drei Weltpriester zur Erhaltung des Kirchendienstes. Der Archiv mandrit nahm uns sehr freundlich auf und führte uns in seine Wohnung. Selten fand ich den Charakter der stillen Nuhe, der Zurückgczogenheit, der Einsamkeit so lieblich ausgedrückt, wie in dieser Wohnung. Der Flügel des Klosters, den der Archimandrit ihrer Gefährten, welche mit ihr von Tiridat verfolgt, gefangen u»d eben dazumal rrmordct wurden, »vie sie ihre Leiber verlassend zmn Himmrl emporstiegen. Da rief die heilige Nino: ,,O! Herr mein Gott, warum laßt du mich unter den Nattern und Schlangen!" Aber ciin' Stimme aus der Höh.- sprach zu ihr: ,.Auch du wirst einst zum Himmel erHoden Werden und zu deinem Gott loinmen, Einst zu ihrer Zeit werden die Dornen, welche dich jeftt umgeben, auch herrlich dustende Nosci» tragen! Du al'er stehe auf und gehe nach Norden, wo viele Vrnte reift, aber sehr wenig Schnitte, sind," l4Ö bewohnt, ist alterthümlich. Gin Saal, ein Paar Zimmer, danu ein auf Valkm ruhendes vorstehendes Cabinet, nicht zu hoch, doch mit hohen schmalen Fenstern, die aber nut Gitterwerk von der zierlichsten Schnitzarbeit geschlossen waren, dann dichte Weinranken, die nicht blos die Seiten, sondern das ganze Dach überdeckten, in den Zimmern viele Heiligenbilder, Tische und Stühle von gefälliger, dem Nococostyl ähnlicher Form mit hübschem Schnitzwerk. Das Kloster war sehr reich-, es hatte gegen 12A» Bauern, welche jcijt unter der Verwaltung des Eynodalcomptoir stehen. Die Abgaben, Zehnten u. s. w. wurden früher vom Archimandrite« nach einer gewissen Schätzung festgesetzt, jetzt vom Synodalcomptoir. Sie sind in vier Vermögensclassen geseht, wovon die erste 8 Nu-bel, die zweite 6 Rubel, die dritte 4 Rubel, die vierte 2 Nubel zahlt. Dir Pfarren der uerheiratheten Popen sind in diesen (legenden auf Landbesitz gegründet, und außerdem erhalten sie von jedem Hofe 27 Pfund Brot und drei Abastn Landesmünze und unbestimmte nach liebereinkommen zu zahlende Gebühren für kirchliche Verrichtungen, Taufen, Trauungen, Begräbnisse u. s. w., für letztere z. B. zwischen 2 und IN Rubel, Es herrscht dabei ein dcmora-lisirrndes Schachern! Vci Begräbnissen werden zwei bis drei Mahlzeiten gegeben, nach l4 Tagen noch eine, und nach einem Monat die letzte, woran der Pope Antheil nimmt. Fremde Popen, die sich dabei einfinden, erhalten drei Abäsen. Am andern Morgen fuhren wir zurück nach Tiflis, und zwar überstiegen wir das Gebirge und fuhren längs dem südlichen Ab' hange desselben her. Unser liebenswürdiger Wirth begleitete uns noch eine Stunde weit zu Pferde, und zwar, wie es hier Sitte ist, mit einem glänzenden Gefolge von Vasallen und Dienern. Den Berg herauf wurden unsern zwei Pferden noch zwei Büffel vorgespannt. Diese ginge» in einem gemeinsamen Joche, auf welchem sich in der Mitte ihr Führer schaukelte und zwar das Gesicht nicht vorwärts, sondern uns zugewandt; vor den Büffeln waren noch zwei Ochsen gespannt, deren Führer aber zu Fuß nebeohrr giug. Der ganze Zug muß für europäische Augen barock genug ausgc-sehen haben. Auf der andern Seite des Verges lag cine Post' station, Hier verlies? uns unser Wirth. Der Fürst Liven trennte 10 446 sich von mir und machte einen Abstecker in die östlichen Landstrichs ich aber kehrte aliritt mit meinem Peter Neu nach Tiflis zurück. Anfangs hatten wir sehr wohl angebautes Land, die Felder waren sehr regelmäsiig abgetheilt, dann kamen wir über eine wüste Dorfstä'tie. t5s war ein Tatarmdorf gewesen, war vor Jahren voll den Lcsgiern völlig zerstört und niedergebrannt. Spät am Nachmittage erreichten wir wieder die Colonie Marienfeld, Unmittelbar daranstoßend Garten an Garten liegt das grusinische Dorf Sartischalc. Hier hatte denn doch die deutsche Nachbarschaft schon in der Art gewirkt, daß neuerdings geballte Häuser schon eine offenbare, wenn auch etwas armselige Nachahmung der deutschen '^auarl zeigten. Die Fenster aber hatten kein Glas, auch waren die Mauern nach grusinischer Weise aus abwechselnden Lagen von runden Kieseln und Kalksteinen ausgemauert, (5s begegneten uns an diesem Tage mehre aus dem Gebirge rücktrhrende Schasheerden, Die Hirten waren alle in bunter grusinischer Tracht zu Pferd/ und bis in die Zälmc bewaffnet. Bei jeder Heerde »raren fünf bis sechs Hundc von der vortrefflichen Race der Steppeuhunde, die, ans einer Mischung von Wölfen und Windhunden entstanden, einen tiefen Haft gegen die Wölfe haben, es auch mit jedem Wolfe aufnehmen. Sie sind nur zum Schutz der Herrdc da und haben ein viel zu viel kriegerisches Ehrgefühl, um die innere und äusirrr Polizei der Hcerde selbst aufrecht zu erhalten und sie zu leiten und zu bevormunden, wie unsere Schäfer. Hunde! Hierzu dienen die hier jeder Schafheerde zugesellten Ziegen, Beim Weiden halten sich die Ziegen an der äußern Peripherie und zwingen die Schafe zusammen zu bleiben. Die kluge und gewandte Ziege knufft das dumme feige Schaf, wenn es etwas von der Heerde abgekommen, so lange, bis es wieber beim Trupp ist. Beim Zu l'auseziehen schreitet stets ein ehrwürdiger Ziegenbock an der Spitze der Hecrde, und sie folgt ihm, in der Mitte die Schafe, an den Seiten die Ziegen. Ist der regierende Ziegcnbock krank, oder hat ein Bedürfnis,, ist verhindert und bleibt zurück, so tritt augenblicklich ein anderer Vock, und zwar der nächste im Alter lind Mng nach ihm, in seine Stelle und leitet die Heerde. Dieses Factum, diese Oekonomie der Natur, wie sie sich hier ausgebildet N7 hat, erzählte mir Peter Neu! In den Ebenen der kaukasische» Län der findet man vorherrschend das Schaf mit dem Fettsclm'anze. Je mehr ins Gebirge hinein, je schwächer die Fcttschwänze, je besser die Wolle, Vei den Tschertesstn und von dort überall in die Ge birge verbreitet sich eine Race mit vortrefflicher Wolle. Spät i» der Nacht vom 2l bis 22, kamen wir wieder in Tiflis on. Ich hatte bis jetzt die wichtigsten Landstriche deö .Msinischen Volksstammes durchzogen und beschloß nunmehr mich südlich nach Armenien zu wenden. Ich habe auf allen meinen Reist» stets einen ausmerksamen Vlick auf die Wohnuugsart der Völker geworfen. Die Häuser, Wohnungen, Gehöfte, das Hausgeräth, die Ackerwerkzeuge, die Trachten u. s. w. sind dort historisches Ergebniß des Charakters, der Unterscheidungsmerkmale, der Bildungsstufe, der Sitten und Gewohnheiten, und der LebcnSart der Völker, sowie sie auch wieder die größte Rückwirkung auf Sitten und Gebräuche und Lebensart, und auf deren Stabilität oder Fortbildung äußern. Die höhcrn Stände Europas haben mehr oder weniger in allen Ländern eine homogene Bildung, gleiche Trachten oder vielmehr Moden, gleiche Lebensart, gleiche Sitten, gleiche Ideen und Lebensanschauunge». Der gebildete Deutsche, Engländer, Franzose, Musst u. s. w. haben sich eigentlich vom Volke ausgeschieden, sie stehen sich in jeder Beziehung näber untereinander, als zu den untern Classen oder Ständen ihres eigenen Volts. Die Sprache knüpft sie noch einigermaßen an letztere, aber auch hier beginnt ja schon die allgemeine höhere Umgangssprache, das Französische, ein Vand um das allgemeine europäische Volk der Gebildeten zu schlingen! So ist denn auch die Wohnungsart, die Häuser, das Hausgeräth durch ganz Europa dasstlbe, hat dieselben Formen, denselben Charakter. Nur allein Volkssympathic und Gewohnheiten, dann das Klima und das verschieden zu verwendende Material bildet noch kleine Nminem. Anders ist dies aber bei den untern Classen; hier, gibt es noch überall Stände, der Bauernstand, der Handwerkerstand, der Arbeiterstand. Hier erblickt man noch die Völker in ihrer Eigenthümlichkeit und Abgeschlossenheit. Hier gibt es noch nationale Lebensart und Lebenöanschammgm, nationale Sitten nnd Gewohnheiten, natw- l 0 148 nale Wohnnngsweise und Hausgrrätde, wenn man freilich auch zugeben muß, daß die moderne Cultur eine ungeheuere Macht, das Nationale und Eigenthümliche zu nivelliren und zu zersetzen hat. Unaufhaltsam, wenn auch nur allmälig, sickert sie in Europa wie die Gewässer im Innen» der Verge bis zu den untersten Regionen und Classe» der Völker durch! Mit Beziehung hierauf will ich denn hier auch einige gesammelte Notizen über die Wohnungöart, den Hausbau und die Ge-höfteanlagm in den kaukasischen Landstrichen geben und, was tch an den verschiedenen Orten des grusinischen Volksstammes gesehen, hier zunächst zusammenstellen, l) Das eigentliche grusinische Haus*) im Mittelpunkte ves Landes in der Gegend von Tiflis. Das grusinische Wohnhaus der Vaucrn liegt fast immer an einer Anhöhe, einem AbHange, in welchen dergestalt hineingearbeitet ist, daß die hintere Seite, durch die scharf abgegrabene Erdwand gebildet wird. Von dieser Erdwand gehen Balken aus, die vorn auf zwei Ständern ruhen, welche mit einem Querbalken verbunden sind. Hierdurch wird ein Viereck gebildet, welches nun zwischen den Standern bis zur Höhe der Balken aufgemauerte Wände hat. Vorn in der Mauer ist die Haus^ thür. Dies Viereck ist oben dicht mit Valken belegt, welche aber vorn um 5 — de g<'b>nitc ^"simsch',' H.iuo h>ißt nach Koch Sackl!) versteckt snissisch Scmlj.iüka). V?i den Tscherfesseii beißt das H>n<6 lluch, bei dc» Mai!"! ''w". 149 sitzen, wenn es das Wetter erlaubt, Die Balken sind oben mit Erde und Nase» belegt und bilden also ein plattes Dach, auf dem man sich auch Abends und mitunter Nachts aufhält, Mitten in, Dach ist ein viereckiges Loch, durch welches der Nauch des Feuer. Herdes abzieht; dieses Loch und die Thür geben auch allein Licht ins Innere des Hauseö, welches übrigens gewöhnlich nur aus einem Gemach besteht. Ueber die innere Einrichtung habe ich schon im vierten Capitel bei Tiftis gesprochen. Die Wände sind von runden Kieseln mit Lehm aufgemauert. Vei besser gebauten ist erst eine doppelte Schicht horizontal liegender Backsteine gelegt, dann ist ein Fnsi hoch mit Kieseln aufgemanert, dann wieder eine Schicht Backsteine, uno wieder Kiesel bis oben unter den Balken, Das ganze Haus ist meist nur 10—15 Fuß hoch. Für das Vieh sind sehr einfach eonstruirte Ställe, für jede Vieh-art besondere errichtet. Der Hos ist selten geschlossen und umzäunt. 2) Die Häuser und GeHüfte in Mingrelien und Imereti, die ich sah, waren wenig verschieden. Die Häuser waren meist Blockhäuser von übereimmdergelegten und verschränkten Balken, Auf beiden Gicbelseiten befanden sich Thüren, mitunter mit einem 5 — 6 Fuß vorstehenden Giebel, ver auf Pilaren ruht, Besondere Ställe für das Vieh. Alle Gebäude liegen in einem geschlossenen umzäunten Hofe. Fast immer sah ich einige KürbiSranken an der Wand herauf über das Dach geleitet, was allerliebst aussah. 3) Das Naucrhaus in Kachetien hat immer vier Wände mit einem Strohdach oder Schilfdach; die beiden Seitenwände sind aufgemauert, oder es sind hölzerne Ständer, welche von außen mit Dielen bekleidet sind, mitunter sind sie auch mit Strauchwerk gc-flochten und mit Thon und Kuhmist verschmiert. Die hintere Giebelseite ist nur bei Reichern gemauert oder mit Dielen bekleidet, bei den meisten ist sie zaunartig eingeflochtcn, die vordere Seite ist mit Dielen zugemacht, darin aber eine Thür oben mit einem run^ den Bogen gelassen, das Dach tritt hier oft 10 Fuß vor und bildet, auf Pilaren ruhend, eine Arcade. Vei Reichern steht anch wol diese so hoch, daß darnnter noch eine Thür in der Giebelseite »st, welche zu einem Büffelstall führt; zuweilen ist auch in de> Seittnwand eine Thür, Ich sah auch einzelne Häuser, wo die 4 30 Arcade runvum lief, oder auch um vrri Seiten mit Ausschluß der hintern Giebelseite, Inwendig ist meist nur ein großer Raun», in der Mitte das Feuer, auf einer Seite sämmtliche Betten sehr ordentlich aufgeschichtet, Häuser und Ställe liegen zuweilen, aber nicht immer, in geschlossenen und umzäunten Gehöften, Das Haus in Anagaß, welches die nebenstehende Illustration zeigt, ge^ hörte zu de>, besten des Dorfs; es ward mir gestattet hineinzugehen, ich war nicht wenig verwundert, allerhand Geschirr von Fayence, Teller, eine weiße Weinflasche und ein Paar Tassen zu finden. Das Ganze bildete nur ein großes Gemach, welches durch ein niedriges Flechtwerf und dann durch einen großen Vorhang, wie ein Theatervorhang, von der offene» Arcade des Hauses geschieden war. In der Mitte war die Feuerftelle, aber kein er^ höhter Herd, Au der einen Nand waren die sämmtlichen Veiten sehr ordentlich aufgeschichtet, Tische und Stühle eristirten nicht, 4) Das Vauerhaus in Gurien (Guriel), Der Uebersicht halben gebe ich es hier, unbeachtet ich erst auf meiner Rückreise nach Gurirn kam. Ich muß zuvörderst bemerken, daß Gurien vielleicht der frucht barste Strich Landes von ganz Kaukasien ist. Hier wird das Land nie gedüngt und gibt jährlich zwei Ernten! Im Herbst wird das Land mit einer Art zweispitziger Hake«, mit zwei Ochsen, bespannt, Pfl»,i ix Gmlcn, leicht umgerissen, dann wird Weizen hineingesä»'t, del bereits im April genutet wird, dann wird vmi m'»em ^'pslü,,t nnd mit dtt Strauchele (aus Sträuchern zusammengrvlmden) abgecgt, und Hirse oder MaiS hineingesäet, welcher im September gre, ntct wird, Aucli Taback wird l,ier gebant. Das Land ha! im g.i»;en Habitus ^,>l 15! Bauerl^uö ui >?ln.ig^!! lü Nai'meu, li^ Aehnliches mit dem milllern hügligen Westfalen, dem Lipfteschen, Ravensbergischen, Osnabrückischrn. Es ist nicht durch Dörfer, sondern durch einzelne meist auf kleinen Anhöhen liegende Gehöfte angebaut, Ein solches Gehöft bildet einen großen in Hecken oder Zäunen (häusig Plankenzäunen) liegenden Hofraum, auf dem die Gebäude unter hohen prächtigen Bäumen, Nußbäumen, Kastanien, Platanen, stehen. Zunächst nm dir Höfe liegen Gärten und Weingärten, dann kommen Mais und Hirsefeldcr, aber alle sorgfältig eingezäunt. Diese sämmtlichen eingezäunten Stücke haben bei einem einzelnen Hofe die Größe von zusammen vielleicht ä — 8 Dissia-tinen (lti— 32 prcuß. Morgen). Dann haben aber eine Anzahl von Höfen auch noch gemeinschaftliche Felder im Gemenge, die unter ihnen nach regelmäßiger Vermessung vertheilt sind. Hiervon kommen gewöhnlich 8—l2 Dissiatinen auf jeden Hof. Eine An. zahl solcher Höfe, nicht unter 20, aber auch bis zu 2—300 steigend, bilden eine Dorfgemeinde, und zwei bis vier Dorfgemeinden eine Kirchengemeinde *). Ich werde jetzt einen solchen Vauerhof, auf dem ich mich umgesehen, genau beschreiben. Er liegt nicht weit von Moran am Nion und gehörte damals dem Bauer Chachoa Origoriew "). Er bildete ein etwa 2m ^nmllclliiamcn stcts nachgesetzt. 1ä3 Strohdach. Das Haus war in zwei Hälften getheilt, die vordere Seite bildete eine nach drei Seiten ganz offene Halle, fünf Pilcne trugen vorn dad ebenfalls ganz offene Dach. Diese offene Vor-halle (Moadjari), in die man von außen auf ein Paar Stufen durch eine niedrige Geländerthür steigt, war mit einer hübschen geschnitzten etwa drei Fuß hohen Galerie oder Geländer umgeben, was auf dem gemauerten Sockel des Hauses befestigt war. Vo» dieser Vorhalle, dem gewöhnlichen Aufenthalt der Familie, führte eine oben runde Thür in das eigentliche Haus, nur aus einem Baumhaus in Gurien, großen Gemache (Sachcl im engern Sinne) bestehend, cs hatte Fensteröffnungen ohne Glas, aber mit Gittern geschlossen. In der Mitte war die Feuerstelle auf ebener Grde, der Nanch zieht auf der Giebelseite zum Dach hinaus. Rechts stand eine lange Schlafbank, jedoch mit Stahlen und Lehnen, um sie ans Feuer schieben zu können, links stand ein fester Divan, auch zu Schlap stellen dienend, auf welchem sämmtliche Betten sehr ordentlich aufgestapelt lagen; einige niedrige kleine Vä'nke und Dreifüße bildeten das einzige Hansgeräth, Stühle und TMe erislivttn mcht, Dasi liN das Bauevhauo in Gurien im Aeusiern eine anfallende Aeynlich-feit nut dem westfälischen Bauerhause in seiner ursprünglichsten Form, wie sie slch noch in abgelegeneil öden Gcmeinden, z. V. bei Meppen, hin und wieder findet, war flu mich besonders interessant. Ueber die Bauart der Gehöfte bei den Armeniern gebe ich weiter unten das Nöthige, In dm östlichen oder kaspischen Land strichen bin ich nicht umhergezogen. Ich hörte, daß dir dortigen Tataren sehr hübsche Häuser hätten, namentlich mit allerhand Schuift werk nnd Holzverzierunge» an den Giebeln, Dachern, Fenstern, ge-rade wie die, welche man überall in Großrusiland findet. 'Ant Ende ist diese Sitte erst mit den Tataren nach Grosirusiland gekommen, nnd also tatarischen, nicht slawischen Ursprungs. Sie findrt sich allerdings bei den andern slawischen Stämmen, bei den Kleinrussen, Nothrussen, Weißrussen nicht, auch nicht bei den finnischen Stam men, außer bei denen, die, wie die Mordwa, sich völlig russificirl haben. Zur Vergleichung lasse ich auch noch die Beschreibung des Tscher kessenhauses und Gehöftes folgen, die uns Dubois de Montpereur' steife um den Kaukasus, I, S, 25 nebst einer Abbildung, gibt, „In Atsesboho bekam ich erst einen rechten Begriff von einer tschcrkessischen Aula, Nichts ist malerischer. Die Wohnungen stehen gruppenweise unter ssichen, Eschen, Nirn. und Vflaumenbämnen, schönen Ulmen uud Buchen, welche die Art verschont hat und die in der heißen Jahreszeit Alles mit ihren Schatten erquicken. Das Haupthaus ist aus Holz oder Hürden, die man mit Thon bestreicht, aufgeführt. Das Dach besteht aus Bretern, worüber man Stroh breitet, das von langen Stangen festgehalten wird; auf der Seite des Einganges steht das Dach 3—4 Fuß vor und bedeckt eiuen Gang, welche Einrichtung man auch bci den Tataren in der Krim findet, deren Wohnungen überhaupl am meisten denen der Tscher fessrn gleichen. Auf einer Seite dieses Ganges, am Ende des Hauses, öffnet sich ein kleiner, sehr enger und nur aus Gitterwerf ;usammengrschtl'v Stall, dessen Thüre von dem Innern des Hauses aus verrammelt werden kann. Das Innere deS Hauses besteht aus einen, oder ;wei l^mächern. die feine» andern Vooen, als 155 festgestampfte Grde, und keine andere Decke, als das Dach haben nnd mit Thonerde beworfen sind. Die Gemächer stehen im Innern miteinander in Verbindung, jedes hat aber auch eine Thüre, oft sogar deren zwei, nach außen. Das größte hat nicht mehr als 15 Fuß Länge und 12 Fuß Breite. Der halbrunde Nauchfang, welcher sich an die äußere Mauer lehnt, ist ebenfalls aus mit Lehm überstrichener Hürde erbaut und ragt 5 — 6 Fuß über die Firste des Daches hervor; seine Oeffnung nach unten beträgt mehr als 4 Fuß, sein Mantel hängt frei, ungefähr 7» Fuß über der Erde, Nm das Kamin sind Vreter angebracht, auf welchen die Küchen geräthe stehen; die Waffen und Kleider hängen an Zapfen, Un gefähr 3<) Schritte von dem Haupthausc liegt die Vorrathskammer der Tscherkejfen. Auf sechs Pfählen von 4 Fuß Länge ruhen sechs grosie, platte, H^ Fuß breite Steine; im Mittelpunkte stehen sechs kleine Steine, auf welche sich vier starke Valken stützen und das ganze Gebäude tragen. Das Innere derselben ist, wie eine kurländische oder livländischc Klete (Scheune), in vier Näumc für die verschiedenen Getreidearten getheilt. Das Dach besteht aus Stroh, welches von Stangen festgehalten wird. Ein drittes Gr bände schließt sich oft an die beiden ersten an, nämlich ein langer Stall für dir Schafe und Ziegen. Derselbe Hof, welchen ein todter Zaun mit einem Eingänge umgibt, schließt diese drei Gebäude ein. Dicht daran stoßen die Einfriedigungen, in welchen der Tscherkesse Weizen, Roggen, Hafer und vorzüglich Hirse baut. Diese (5in friedigungen sind mit Bäumen oder Wäldern umgeben, und selbst mitten in den Feloern läßt der Tschcrkesse hier und da einen der schönsten Bäume stehen, denn Bäume und Wälder thun ihm vor allem Notli, 8ech5te5 CaMel. Abreise nach Armenien. — Tatarische Sage vom Minden und seinem Sohn. — Sonderbarer Vergkegel mib Sagen davon, — Station Kara-vanserai. — Armenische Eolonie, — Notizen aus dem Gisabethpolschen Kreis. Landbau, Dörfer, Gehöfte. Orbverhältnisse, Adel der VeyS, Ge-memdeverhältiüsse in den tatarischen Dörfern. — Verhältnisse der hiesigen Armenier. — Der Ndlerberg. — Der Goltschaisee. — Sage von Ta-merlan. — Sage von, Kloster Kiegantawcmgy, — Der Ararat. — Sage von den 3si6 Thälern des Gebirges Ultmisch-Altotem. — Griwan, Sage von dessen Namen. — Hr. Abowian, der Bazar, die Handwerwzünfte. — Das Kanalsystem und die Bewässerung. — Bodenverhältnisse, Alter, die Bewässerungssysteme. — DaS Anwansche Kanalsnstem, — Verhältnisse der Stadt Eriwan, — Abgaben und Lasten, Vergleichmlg mit der persischen Zeit, — Verfall des Handels. 3ch blieb in Tiflis nur eben so lcmgr, um die nöthissen Vor-bereitungen zur Neise nach Armenien zu treffen. Nachdem ich vom Gouverneur die nöthigen Papiere zur Legitimation und guten Aufnahme erhalten, miethete ich eineu russischen Tarantas, ein eben so bequemes als für schlechte Wege praktisches Fuhrwerk, ward aber bei der Gelegenheit von einem Landsmaune, einem deutschen Sattler, tüchtig übers Ohr gehauen, indem er mir ein so gebrechliches äußerlich übertüncktes Fuhrwerk gab, daß ich mehr als ein halb Dutzend mal Gebrech hatte, und nicht nur Geld, sondern beson-derö viel Zeit verlor. Die deutschen Handwerker haben sonst fast in allen russischen Provinzen den Ruf großer Rechtlichkeit und Geschicklichkeit. Am 22, August gegen Abend fuhr ich mit Peter Neu und einem russischen Postillon*) die Strafte nach Eriwan hin, zur *) Die russischen Postillone si»d „icht die Wagenlenker, die Stations-knechte, wie bei uns, sondern eine A,t Unterbeamten der Post, welche den 157 Bedeckung ritten zwei Kosackcn mit. Der Weg führte anfangs längs dem reißenden Kur her; rechts hatten wir ein mächtiges Felsgebirge, dann kamen wir durch fruchtbare Gefilde und erreichten mit dem Dunkelwerden den Wald. „Peter Neu, gute, geliebte Scheherazade! es ist Nacht und draufirn nichts mehr zu erkennen, erzähle mir eine von den schönen beschichten und Märchen, deren du so viele weißt!" Peter erzähltem Die wlm'ische 5age nom blinden O6eit> und seinem 5>olM Einst hatte ein persischer König einen Pferdchirten, Namens Obeid, ans den er ein großes Vertrauen setzte. Er ließ stets die Fohlen von ihm aussuchen, die er zu seinem eigenen Gebrauche bestimmt hatte, und hatte die Erfahrung, daß sie dann besonders wohl gediehen. Nun war es geschehen, daß, als der Hirt einst seine Pfcrdeheerde ans Meer getrieben, plötzlich aus den Wellen ein Meerpferd hervorgesprungen und eine Stute belegt, von der dann ein Fohlen geboren ward. Der Hirt erzog dies Fohlen, un^ geachtet es unansehnlich blieb, sorgfältig, und da der König ihn einst wieder beauftragte, sür ihn aus der Hecrde acht junge treffliche Pferde auszusuchen, brachte er dies Fohlen auch in der Zahl, Aber der König ergrimmte, als er es sah, über den Hirten, daß er es gewagt, ihm ein so häßliches Thier vorzuführen, „Weil er so Reisenden mitgegeben werden, um die Pferde zu bestellen, zu bezahle», überhaupt um den Reisenden überall zu ^eitrcten. Hat man einen gute« Postillon, so hat man von allen den (5hicanen und Prellereien, worübrr sonst von den meisten Nriftüdcn in Rußland geklagt wird, nichts zil fürchten. Der mcimHc' war ein Kleinrussr. Timaphe (Timothois), ein vortrefflicher Kerl. *) Andere Versionen diesem Sagenkreises hat in englischer Uebcrsetzung <5hodzfo, ,,8l)o«imt^3 of ln« rioinilm- poelr^ us l'l>i'5ivi8c»«rl!in." t.onä,. 1842. H, Das Gebirge rechts von, Ara-rat, welches Nußland von der Türfei scheidet, heißt übrigens Kheurogii. Dul'ois, II, . sagte der gelehrte Peter. Alles, was Gespräch in der Geschichte war, sagte er zugleich auf tatarisch und deutsch). Kiöroglu war nut diesem Gesellen schon stets in kleinen, Streit gewesen. Kiöroglu nahm, wenn eine Karavanr angegriffen und gewonnen war, stets nur die Hälfte der Waaren und maß diese immer mit seiner Lanze ab. Das Uebrige lies; er dem Eigenthümer der Karavane, Delli Hassan**) aber war hiermit unzufrieden, er wollte, daß die Weg ") Bei Alerander Chodzko heißt dieser tapfere Räuber Ayraz, der kühne, schöne, verräterische Liebling und Adoptivfthn des Kurrogln (ik. i>. 1N8). Dagegen ist Delli >Hass"» auch bei Chodzko ein Held die-seS Sagenkreises, dessen Eintritt in derselben m«,iili«5 ld. i. Uersamm-lung<. Rhapsodie. II, ,x :;<») erzählt wird. Der Zug der Saae v>,m der Vertheiluna der Veute fehlt in der englischen Verswu. "') Dcr närrische Hassan, (5s ist hei den Tatareil und Türken sehr gebräuchlich, Jemanden, dcr >u seinem P.nchmcn elwas Ausgelassenheit zeigt, dacl Epithet Dclli (d. i, närrisch, tt'll) heizulegen. Es ist aber auch ein Ehrentitel, den Knrnigln häufig in der englischen Version si^> selbst und seinen Kriegern beilegt, uud bezeichnet dann die bis zur Raserei und Naghalslgkcit Tapfern. Hieraus erklärt sich, weshalb eine Art t,w lischn berittener Soldatrn denselben Namen führen. 100 nähme von ^ als Gesetz gelte. Da verließ Kioroglu vorläufig semen Gesellen, verkleidete sich als Derwisch, warf die Zither um den Hals »nd zog an den Hof des Sultans, Der will ihn in Dienst nehmen, seht ihn aber zuvor auf die Probe. Kioroglu besiegt alle Derwische an gelehrter Beredtsamknt und alle Dichter und Zitherfpieler in Gesang und Zitherspielrn. Dann spricht er zum Sultan: „Meine größte Kunst aber besteht in der Kenntniß und Vehanolung der Pferde!" Da spricht der Sultan: «Nun, so untersuche das Wesen dieses Grauschimmels und sag mir seine Herkunft, seine Eigenschaften und sein künftig Schicksal,» ^ „Das will ich, allein erlaube mir, ihn zu besteigen, das; ich ihn prüfe." — «Thu es, wenn du es vermagst, allein er läßt Niemand aufsitzen, seit er nach seiner Ankunft in den Stall gebracht worden!» Da tritt Kioroglu zu dem Pferde, was hell aufwiehert und den Kopf auf seine Schulter legt. Da ruft der Sultan: «Der Derwisch ist ein Heremmister!» Nun schwingt sich Kioroglu auf das Pferd, wirft es rin paar mal hermn^und hält vor dem Sultan: „Das ist dir Herkunft, die Eigenschaft, das Schicksal des Pferdes: es stammt nur von Muttcrseite vom Pferdegeschlecht, der Vater ist ein geisterhaftes Wesen. Es übertrifft alle Pferde der Erde, denn wenn auch manche ihm in einzelnen Eigenschaften gleich kommen, so hat es dagegen alle edrln Eigenschaften in hohem Masie. Das ab.'r ist sein Schicksal: eS gehört dem Kioroglu und wird ihm wieder angehören," Da ruft der Sultan: «Ergreift ihn, es ist Kiör^ oglu!» Gs vermag ihn aber Niemand zu ergreifen! So kehrt dann Kioroglu zu semen Näubergesellen zurück und tritt vor Delli-Hassan: „Künstig lache nicht eher, bis du daS Ende siehst!" Das Ende aber von Kioroglu war, daß einst ein Enkel von Pehlewan, Rustem*), ihm entgegentrat. Sie kämpften drei Tage zusam men, dann aber starben Vcide au ihren gegenseitig beigebrachten Wunden "), ') Der mythische Held, dcr Hercules, der Perser. ") Die Sage von Kiöroglu muß iu allen Ländern Westasiens verbreitet still. Sie ist gewiß uralt, ab« wie so viele Sagen regenerirt >,i,d localisirt sie sich sttts von neuem. In Armenien und Oeorgttn werden 161 Diese Erzählung, nicht die durchdachte Erfindung eines Poeten, ohne rechten Anfang und Gnde, ohne einen durchgehende» Grnnd gedanken, ohne sichtbares Motiv, ohne bestimmten Zweck, wie die sich scheinbar zufällig zusammenfügenden Episoden eines einzelnen Menschenlebens, von meinem guten Peter in monotonem Tone er. zählt, »lachte auf mich die Wirkung wie das Klappern der Mühle, ich schlief glücklich ei», ehe sie noch ganz beendet war. Als ich sie am andern Morgen niederschrieb, mußte mir Peter überall einhelfen und den Schluß von neuem erzählen. Die sagenhaften, die mythische» Züge, dir abergläubische» Andeutungen möchten für Forscher orientalischer Geschichte und Anschauungsweise nicht «n interessant sein. Am andern Morgen hatten wir einen wunderlich gestalteten spitzn, Vergkegel vor uns. Wir waren nahe bei eine»» tatarischen Dorfe*), „Heraus Peter, ins Dorf, von dem Verge gibt es gewiß eine Sage, schaff' sie mir!" Nichtig, nach einer halben Stunde kommt Peter zurück und erzählt! Auf dem Verge stano ehemals eine mächtige Burg, bewohnt von einem Könige, man sieht ihre Ruinen noch, um den Vcrg her lag eine große Stadt, viele Höhlen (eine nahe bei Tiflis) und Ruinen von Bergschlöffern bezeichnet, daß sie Kiöroglu bewohnt habe. Zwischen (5riwan und Bajagid Iic.it aus der türkischen Orcnzc der Berg Keuroglüda^h. Po» diesem Ver.ze erzählte man mir eine Sage von Kiöroglu, die ganz in der historische» Zeit spielt. In der Zeit, wo das Pulver erfunden, aber noch nicht viel gekannt war, habe der berühmte Räuber Kiöroglu aus seiner uneinnehmbare!! M'ste Kcurogludagh gehaust. Da habe er eine Karauane erblickt im Vegnss über den ArarcS zu setzen. (5r habe sie verfolgt und eingeholt. Die Karavane habe sich nicht gewehrt, ihr Anführer habe ihn ausgesodert zu nehme», was ihm gefiele. Da habe er ih», nur einen geringe» Tribut abgenommen „nd dir übrige Labung gelassen. Im Gürtel des Anführers habe er ei« sonderbares Instrument qesrheu und gefragt, was das sei? Der Anführer habe die Pistole hervorgezogen und ihm den (Gebrauch derselben beschrieben, n»d zum Zeichen der Wahrheit auf dem Fleck einen H»nd erschossen. Da habe Kiöwglu nach kurzem Nachdenken und Schweigen gerufen: V.b'wohl fnr immer Kiüroglu! deiu Ziel ist erreicht! Bon da an hat Niemand ihn wieder erblickt. (V.,l. Dubois, II, 1150) *) Auf dem ganzen Wegc von Tislis nach Eriwan hat jedes Dorf zwei Name», einen tatarischen uub einen armenischen. In der Tracht sind jrdoch beide Völker hier gauz gleich und gar nicht zu unterscheiden. 11 16^ die hirß wie die Vurg Kewisan, Sie ivald in einen« blutig»'!« Kriege völlig zerstört, aber der letzte Konig verbarg seine und der Bürger Schätz»' im Innern des Verges, Wenn die Sonne darauf scheint, so sieht man sine geöffnete Tbür und auf einem Tische eine Menge glänzender Schriften, aber Niemand hat es bisher gewagt hineinzugehen, denn wenn man sich nahet, so verwandeln sich die Schriften in mächtige zischende Schlangen, Aber wenn dereinst der rechte (5rbe des Königs kommt mld die rechten Erben der Bürger aufgefunden hat, dann wird sich der Verg von selbst öffnen und alle Schätze herausgeben. Die Aehnlichkeit dieser, Sage mit manchen deutschen Sagen liegt uor Äugen, Selbst an die Kvffhänser Sagen erinnert sie in etwas Der Ve»g heißt wie die Nurg und Stadt Kewisan, und das Dorf Pibiö. Auf einer Station, Karavauserei genannt, wahrscheinlich weil früher nichts weiter dort war als diese, mnsite ich mich Gebrechs am Wagen halber zwei Stnndeu aushalten, (5s lag ein armenisches Dorf daneben, welches jedoch erst vor 7>!^ Jahren angelegt war. Die Einwohner hatten früher in persisch Armenien gelebt, waren zur Zeit, als Fürst Zizianoff Gouverneur war, ausgewandert und hier angesiedelt. Sie sind aber arm geblieben. Sie bauen nichts als Weizen und Gerste, pflügen dazu im Mai mit den« großen Pflug (Kotau) und nochmals unmittelbar vor der Einsaat im September mit dem kleinen Pslng (Tschütt), der nur vou zwei Ochsen gezogen wird und der eigentlich blos aufritzt. Kötan nnd Tschütt sind tatarische Wörter. Ich traf hier mit einem Beamten des Kreises Elisabethpol zu sammcu, der mir über die ländlichen Verhältnisse jenes Kreises einige Notizen gab, die ich hier mittheile, weil ich hier die tata rische Provinz (den östlichen Theil Transkaukasieus) nicht selbst besucht habe Der Vezirk Schamsadinfk. zum Elisabethpolschcn Kreise gehörig, ist von Armeniern und Tataren bewohnt. Die Armenier wohueu im (Gebirge, die Tataren, die in der Urbrrzahl sind, in deu rei. che« Ebenen. Die Armenier treiben vorherrschend Ackerbau, Garten-uud Weinbau; Wei^'ll. berste, Hirse und etwas Mais wird gebaut, ,<».; auch hm und wieder etwaö Flachs, Die Tataren treiben bei lreitein mehr Viehzucht, Pferde, Rindvieh , Schafzucht, als Ackerbau, sie sind »mist wohlhabend, aber faul, wogegen die Armenier sehr fteißig. Die Tataren wohnen in große» Dörfern von 100—.WO Häusern, die Dörfer der Armenier sind meist klein, übersteige» die Zahl von hundert Gehöften nie. Die Hänser der Tataren sind ganz denen der Grusier, die ich oben beschrieben, ähnlich, ja es scheint, als ob em Volk die Vauart von den» ander» angenommen hätte. Man könnte die Hänser fast unterirdische Höhlen nennen, sie liegen offen an der Straße, nicht in Gehöften. Der Grund und Hoden in den Krondörfern gilt als Eigenthum der Krone, die Superstructa, die Bäume, die Weinstöcke u. s. w, aber gehöre» den Bauer». W sollen zwar zu jedem Hofe bestimmte Grundstücke gehören, doch disponiren sie ziemlich frei, tauschen, kaufen, verkaufen, jedoch nur an Mitglieder der Gemeinde, da die Gemeinde in uolilili,» haftet. Häufig bleiben die Brüder nach des Vaters Tode bei den Ta tare» in Gemeinschaft des Vermögens und der Wirthschaft sitzen, obgleich die Theilnng gestattet ist. Wenn sie theilen wollen, so setzt sie das Schariat-Scher (das geistliche Gericht), nämlich beiden sunnitischen Mohammedanern der Gasi, bei den schiitischen der Achunt auseinander. Es gibt hier nur einen Achmtten über 50 Dörfer, Das Schariat-Scher setzt die Partei nach Villigkeitsgrundsätzen auseinander, der Thätigste erhält das Haus, die andern Land, wenn sie eigenthümliches besitzen, oder Geld, oder Vieh. Die Töchter werden vom Vater oder den Brüdern verkauft und erhalte» blos Haus-geräthe und Tcppiche mit. Sind jedoch keine Söhne vorhanden, so erben die Töchter. Hat der Vater mit seinen Brüdern getheilt, so erhält die Tochter (oder die Töchter) Alles. Stand der Vater aber mit seineu Brüdern noch in Vermögens und Haushalts gemeinschaft, so erhält sie vom Grund und Boden nichts, vom übn gen Vermögen aber scheidet das Schariat Scher ihren Antheil ans. Bei den Tataren gibt es einen eingeborenen Adel nnter den Namen der Begs. Fast in jedem Dorfe findet man eine Begs samilie. Die Begs hatten früher die Gerichtsbarkeit bei ^ivilstrei-tiglViten, auch war ihnen die (5rheb»mg der Kronabgaben über trage». Dafür mußte jeder Hof dem Beg eineil 5ag Pflüge, eine» 16z Tag ernten und einen Tag dresclxn, auch Pferde bei Neise» stelle» Diese Abgaben find gegenwärtig auf Geld sirin, welches der Veg erhält. Die gemeinen Tataren haben eine große Ehrfurcht vor den alten Veggescklecktrrn, aber nur vor diesen, sie bezeigen jedem Mitgliede eines solcheil Geschlechls überall die größte Ehre, dagegen sie jeden n.uen Veg, der es etwa durch die Erlangung des russischen Ofsizierranges geworden, kanm über dir Schulter ansehen. Die Kroue behauptet, der Grund und Boden der Vegö sei Krongut/ eö scheint aber nur eine Art Oberlehnsherrlickkeit anerkannt, und auch diese kaun», denn sie disponiren uneingeschränkt darüber, anck geben sie keiur Abgaben, Seit 184t hat man in den Dörfern wie in Nußland Star schinas (tatarisch Kjachuda, welches aber ursprünglich ein persisches Wort ist und „Dorfgott" bedeutet) eingesetzt, und ihnen.zur Seite zwei bis fünf Gemeindeälteste (Hampa oder Aksakalie, weiße Häupter). Diese Würden sind lebenslänglich, weun sie nicht abdanken, oder wegen Verbrechen abgesetzt werden. Die Starschinas und Aeltesten werden von deu Gemeinde» gewählt, „nd ersterer von der Domai nenrammer bestätigt. Zuerst standcu die Starschinas unter den Vegs, jetzt nickt mehr, aber es stehen auch die Vegs nicht unter den» Starfchina. Der Starschina erhebt jetzt die Krouabgaben. Die Kronabgaben sind für den ganzen District sirirt und muß dieser solidarisch dafür aufkommen, Auch für jedes Dorf steht der An^ theil unter solidarischer Verpflichtung fest. Von jeder Fenerstelle wird eine feste Geldabgabe, und vom Weizen und Gerste der in Geldwert!) tarirtc Zehnte gehoben, außerdem bestimmte Beiträge für Arresthäuser, Krankenhäuser, Militairhospitälcr, Wege und Pri'lcken; Post und Militärvorspann ist auch hier eine schwere Last. Vei den Armeniern wählen die Parteien Schiedsrichter, welche sie bei Vrbangelegenheiten auseinandersetzen. Die Armenier folgen bei Erbschaftsverhältnisse» ganz den grusinischen Gesetzen und Gewohnheiten. Auch unter den hiesigen Armeniern gibt eS eine Art Adel, Melekö, auch wol Vcgs genannt. Sie haben aber gar keine Vorrechte, erhalten nichts von drn Gemeindell, noch auch von der Krone, besitzen keine Leibeigene», sind nur abgabenfrei wir die tata-rischen Vegs. Aucl, bei ihnen nimmt die Krone das Eigenlhum 7»N Rubel Silber, Weibliche Tagelöhner gibt es nicht, die Weiber arbeiten »ie im sselde. Gemiethete Mägde gibt es nicht. Wir sahen wieder einen sehr spitze« Verg vor uns liege». Peter erfuhr gleich im benachbarten Dorfe, daß er Adlerberg heiße. Einst habe dort ein mächtiger Adler gehorstet, der die ganze Ge-gend von allen llnthieren rein gehalte» habe, aber die Leute hätten ihm allch dafür täglich zwei Hühner bringen muffen. Als sie das einmal während eines Krieges unterlassen, wäre der Adler fort gezogen, und seitdem würden sie sehr von Nnthieren, Wölfen, Füchsen, Schakalen n. s. w, geplagt. In dieser Gegend liegt auch der Verg und Pas, Alawerdi. Der Name erinnert an die oben von mir erzählte legende des heiligen Gregor, des Crlruchters, im vierten Capitel. Wir durchzogen nun den ganzen Tag schöne wildromantische Gebirgsthäler mit mächtigen Orbirgsbächen, Gebrech am Wagen hielt uns wieder lange auf einer Station fest. Die Nacht fuhren wir im Wagen schlafend durch. Beim Grauen des Tages und hellrm Mondschein erreichten wir den herrlichen Goltschais»^ (vaö VIaue Meer) und fuhren fast eine Stunde hart an seinem lifer her. Dieser mächtige See, der vier Tagereisen im Nmfaug hat und somit die Grö'sic des VodcnsccS erreichen möchte, bo< emeu wahrhaft zauberischen Anblick. Peter war hier in der Gegend gut bekannt und erzählte folgende sich auf den See und das darin lie gende Kloster Sevang, worin sich ein armenischer (5rzbischof und zwölf sehr asectifch lebende Mönche, die insgesammt den Katholikos >n Edschmiazin nicht als Haupt der Kirche anerkennen, b, finden, beziehende Sage. l«6 Die 8nne uom Lang-Tamer, dem hinkende» Tamer (Tamerlm,).") Tame»- war ein Hirtenknabe, Sein Vater gab ihm die v'äm n,er zn hüten, (5inst verlief sich ein Hase zwischen den Lämmern, Der Knabe hielt ihn für ein Lamm, und als der Hase zn ent rinnen suchte, holt er ihn jedesmal ein und jagt ihn wieder znr Heerde zurück, ja bringt ihn des Abends mit der Heerde in die Schafhürde hinein, sich aber beim Vater über das stets fortlaufende Lamm beklagend. Der Vater, als er den Hasen und die Vogelgeschwindigkeit des Knaben erkennt, sieht ihn scharf au i „Ans dir wird einst ein Welteroberer nnd ein großer Zerstörer der Mönche orden, damit du aber nicht Alles zerstörst und dic ganze Welt eroberst, so will ich dir deine Geschwindigkeit nehmen!" Er schnei det ihm die Sehne des einen Fußes durch, nnd seitdem hieß der Knabe Lang-Tamer, der hinkende Tamer (Tamerlan). Der Knabe wuchs heran und ward ein kühner gewaltiger Mann, nnd bald das Kriegshaupt seines Stammes. Da erfaßt ihn unbezwingliche Eroberungssucht und er überredet sein Volk zn einem Kriegszuge nach China. 12,000 folgten ihm nach. Der Kaiser von China wohnte damals auf einem Schlosse im Meer. Täglich wurden ihm die Speisen in goldenen Schüsseln gebracht, von welcher Schüssel rr nun aß, die ward stets ins Meer geworfen. Als der Kaiser von Tamrrlan's Zuge hörte, schickte er in seinem ganzeu Reiche umher, ließ 42,000 Hinkende zusammensuchen und sie ans 12,000 ganz gleichen Pferden dem Tamerlan entgegenreiten, um ihm seine unermeßliche Macht zn zeigen, und zugleich eine goldene verdeckte Schüssel. Als Tamerlan sie aufdeckt, ist sie bis oben gefüllt mit den herrlichsten Edelsteinen. Da spricht Tamerlan: „Sagt dem Kaiser, ich bin hungrig, und dn schickst mir Gold und Steine!" Aber der Kaiser antwortet! «Warum bist du hergekommen? Zu essen hattest du zu Hause, willst du Gold und Steine? meine Schatzkammer steht offen, nimm! aber dn bist thö'rigt, gehe heim!« Da kehrt Tamerlan um und zieht durch Persien nach Armenien. Er war *) In de» alten georgischen Chroniken wird Tamcttan stets Lamp Themur genannt. »67 aber ein großer Feind des Christenthums uud hatte die größte Wuth, christliche Kirche» lind Klöster zu zerstöreil. Einst zog cr aus, das berühmte Kloster Kiegantawang zu zerstören, Als er mm an den das Thal durchströmenden Fluß kommt, sieht er >>nseits ein unzählbares Heer von rothen und blauen Reitern. „Es ist ooch kein König, kein Großvolk in diesem Lande, woher das Heer?" Allein, er allein sah es, sein Heer sah nichts, erst als er es auf fodert, sahen seine Leute jmcs Heer. Da lnerkt er, daß ein Wun der vor ihm steht und ruft: „Veui- ßilscli!" (Siehe und gehe vorüber!) Seitdem hat jenes Kloster den tatarischen Beinamen I)örgitsch, Tamerlan aber verschonte das Kloster. Bald darauf zog er au den See Iacktschai (alls armenisch Sewan), an dessen Ufer eilt kleines Kloster lag. Da sieht er einen Mönch seineu Mantel aufs Wasser werfen, sich darauf stellen und so in den See hinein schwimm?,,. Äls Tamerlan das Wunder erblickt, ruft er den Mönch an und zu sich, und sagt ihn»- „Segne du mein Heer und bitte vorher dir eine Gnade aus, sie soll dir gewährt werden!" Da bittet »er Mönch ihn, ihm so viel Gefangene frei zu geben als in die kleine Klosterkirche eingehen könnten. Da gehen nach und nach alle uuzählige Gefangene, die Tamerlan's Heer gemacht hatte, in das Kirchlcin hinein und werden so frei. Der Mönch aber gibt Tamerlan statt einem Segen, einen schriftlichen Fluch! (5s sollen nicht zehn Männer deines Heeres einen uud demselben Manu gehorchen, lind von Stund an zerstreute sich das ganze Heer Tamerlan's und blieb nimmer zusammen. Bon einem Theile dieses Heeres aber sind die Lcsgicr entstanden, von denen noch jetzt niemals ihrer zehn ihr Leben lang einem uud demselbc» Führrr folgen und gehorchen. Von dem in der vorstehnldrn Sage genannten Kloster Kiegan tawang erzählte Petcr folgende Sage! Mn Paar Geschwister, Bruder und Schwester, aus königlichem Geblüte, thnu ein Gelübde, ein Kloster zu bauen. Sie kommen in ein Felscnthal, der Bruder haut mit einem Hammer Steine von dem Fllsen ab, die Schwester abcr steht oben und zieht mit ihreu 168 langen Haaren die vom Bruder losgeschlagenen Steine hinauf. Als das obere Stock von der Schwester fertig gebaut ist, baut der Bruder das untere und will dann schließlich den Gingang aus hauen. Er schläft au die Wand, schläft aber augenblicklich ein; als er erwacht, fehlt ihm sein Hammer und er findet ihn an einer andern Stelle. Da schlägt er dort ein und findet nnn mit Leich tigkeit den rechten Gingang. Nach diesem Kloster ward eine Reliquie der heiligen ^anze gebracht, daher sein Name. Am Goktschaisec nicht weit vou Randomal liegt nach Dubois auch eine sehr schone Kirche ans dem 11. Jahrhundert, an deren südlichem Thore sich folgende Inschrift ringehaueu findet' ,,Im Jahre 1035 als Sagik regierte und Sergius Patriarch war, habe ich, Gregormö Magistros, Sohn Hassan's, diese Kirche erbauen lassen, daß sie eine Fnrsprecherin für mich, für meine Mutter und meine Söhne sei. Wer immer dieses liest, der erinnere Christus an mich in seinem Gebete, ich bitte ihn rarum!" Alle von Nom getrennten orientalischen Kirchen haben die ^ehrc von dem Werth der Fürbitte der Jungfrau Maria und der Heiligen, sowol für die bebenden, als die Todten in» Purgatorio mit der römischen gemeinsam. Auch in Grusicn »nd Armenien findet sich daher dies in unzähligen In schriften an kirchlichen Denkmälern uud Grabmälern ausgedrückt. In der vorstehenden Inschrift tritt uns aber auch die Lehre von dem Werth der guten Werke (den Vau einer Kirche) entgegen. Die Straße drehte sich vom See ab, eine Anhöhe hinauf. Als wir die Hohe erreicht hatten, hatten wir auch einmal den Rieselt bcrg, den Ararat, in der schönsten Morgenbeleuchtung vor uns. Der Ararat, der, ein spitzer Kegel, sich einsam aus einer Gbenr mehr wie l6,WN Fuß über der Meeresfta'che erhebt, ist der grau-diosestc Verg, den ich je gesehen*). Der Elborus ist noch um *) Der große armenische Chronist, Moses von Khorenc, neimt den Ararat dir Wettmitte (Medsch^ Nrschcharhi). sowie er auch den Mittel-vnnft seiner Heimat Armcmcnc' bilde. Ritter, Thl. X. führ» Räumer und Hos an, die behaupten, dcr Ararat habe wirNich nxe central,,' Slellnng in der alten Wcl«. er sei nänUich crsirus der Miltelpmis! der großen Land-liuic vom (5ap der guten Hoffnung bis zur Vchringstraßc, zweitens sei er Mittch'Mikt und Knote« dc^ asiatisch-afrikanischen Wüstcn;nqe«?, des 169 ein paar tausend Fuß höher, aber er ragt nur aus der ganzen Kette der hohen Kaukasusgcbirge hervor, und das schwächt den Eindruck. Der Ararat steht fast einsam in der (5bene und ist bis über die Hälfte mit ewigen» Eis bedeckt, und spielte jetzt in der Morgensonne in allen Farben, roth, fmerfarben, violett. Man begreift gar wohl, daß die Sage an ihn das Niedersinken der Ärcha Noah auf seinen Gipfel geknüpft hat!*) alten Meerbodeus, dritlenS des mit jenem gleichlaufenden Zuges der Viu-uenwäffer von Gibraltar bis ^>m Vaikalfee, vierten,? endlich läge er auch in der Mitte von rings denselben Punkt umgebende,, Gewässern, wie kein anderer des alten lzontinents. Ritter seht dann hinzu, auch er huldige der Meiuung, daß in der Erdplastick, wie in der Organisation überhaupt uichts zufällig sei, so sei denn anch dies ganze Vorderasien das Marimum der Auuäherung der drei Kontinente der alte» Welt mit der Begünstigung der fünf Durchbrüche großer Mecreostraßen. Die uralten traditionelleu Auslegungen der heiligen Sagen der Hebräer und Perser sührrn überall auf Armenien und den Ararat zurück. Vom Ararat kam Vileani, dcr die Erscheinung des Sterns verkündet. Nach einer orientalischen Sage befand sich ans ihm, oder auf einem seiuer Nebenberge, vielleicht dem klei-uen Ararat, die Säule mit dem Bilde des Sterns, bei welcher die Chal-däer zwölf Weise bestellt, die seine Erscheinung am Himmel wahrnehmen sollten. ll»d von denen drei, als sn' ihn nun wirklich aufgehen gesehen, ihm nachzöge», bis sie an die Geburtsstättc des Kindes in Iudäa angelangt. Hier war der Mittelpunkt des chaldäischen Sterncndicnstes. Auch für die Meder und Perser war das bergausstrahlendc Armenien die große Vblkerburg, das Stammhans des ganzen Geschlechts, Die Orundvesten des Hauses Madai (Meder) stud in diesen Nebelberg, den Raseduo oder NiphateS oder Ararat gelegt. Als aber die Austreibuug erfolgte und Ahriman die Schlange, (5den nut zehnmonallicher Kalte schlug (erst seit-dem ist der Ararat in Gis gehüllt!), da mußte das Haus Madai von sei-ucr von Dschemschid gebauten Stammburg auswandern, und suchte daS wärmere Lnftland des Südens. Vergleiche die Volkertafel des Pentateuch von I, Görres, 1815». ein Buch voll Räthsel und Symbolik, fast unverständlich in der Sprache und O'onstruetion, aber das Nesultat liefer Forschuugcn, für welche Armeuieu überall deu Mittelpunkt bildet. ") Ritter, Erdkunde. Thl. X, V. 3, S. 273. Bei den Armeniern heißt der Ararat — Agherhdagh, Daghcrdagh uud Agridagh. Nichtige, möchte cS nach v. Hammer: Arghidagh (Vcrg der Arche) zu schreiben sei«, nnd daun hinge vielleicht das Wor! Nvla iil der Septuaginta nnd das aus dieser in die deutsche Bibel hinübelgeuommene Wort Arche sprachlich damit zusammen. Im Indischen heißt Arghe — Schiff. Vielleicht auch Arg», Argonauten. 170 Rechts hatte» wir dag Gletschergebirge dcS Allagäs. Zwei Meilen von Mwan begann das Gebirge Ultmisch Altötem (tatarisch lletschino) ilnd erstreckte sich von da an 50 Werst (7 Meilen). (5s soll 5(l() Thäler haben, davon erzählte Peter folgende Sage, ur^ sprünglich eine armenische, doch auch von den Tataren adoptirt. Einst wohnte in einer Höhle dieses Gebirges ein Ungeheuer, eine Art Vampyr, Dachanavar genannt, welches den Besuch des Innern des Gebirges und vor Allem die Zahlung seiner Thäler nicht duldete. Jedem, der das Gebirge besuchte und die Thäler desselben zu zähle» begann, hat es in der Nacht das Blut aus der Fußsohle gesogen bis zum Tode. Es ward aber doch von zwei klugen Leuten überlistet. Diese begannen auch die Thäler zu zählen, und als es Nacht wurde, legte» sie sich nieder zum Schlafen, aber verkehrt, dergestalt, daß jeder seine Füße unter den Kopf des andern gestreckt. In der Nacht kommt das Ungeheuer tastet und findet einen Kopf, nun tastet es herab, findet aber wieder einen Kopf. Da ruft es: "„Nun habe ich doch alle 360 Thäler des Gebirges durchzogen und Unzähligen das Blut ausgesogcn, aber noch nie Jemand gefunden mit zwei Köpfen und oh»e Füße." Dar^ auf stürzt es fort und man hat es nie wieder gesehen. Seitdem erst weiß man, dasi das Gebirge 5 babeu wruic; Oeld u»d »och wcui^er Screen, sie liegen und daolpfen ihre Pfeifen au den kühle,, Wasseranellen unter deu Obsthaineu zu Arbusi. 17li wo es noch kein Pulver gab!) und bewässert vorzugsN'eisc die Gärten der Stadt, Er heißt der unterirdisch durchbrochene Kanal (Dalmi). Der vierte Kanal dreht sich etwa vier Werst rechts, er heißt der Neudorfskanal (Nuragig); das Territorium, was er früher bewässerte, war ein Dorf und seine Gärten, welches im Kriege zerstört ward. Alls diesem Territorium sind Gärten gr worden, welche die Einwohner Griwans benutzen. Von der Stadt selbst war noch ein mächtiger Kanal wieder rechts abgezweigt, der einen Hügel umzog. (5r war in einem frühern Kriege zerstört. Der letzte persische Sardar von ßriwan (Statthalter) daraus auf-merksam gemacht, ließ ihn wieder herstellen. Jedoch gehörten Tau sende von Arbeitern dazu, und die Wiederherstellung ward doch erst nach Jahren vollendet! Welche Kräfte und Zeit mag die erste Anlage gekostet haben. Es ward hierdurch die Anlage einer großen Zahl neun Gärte» möglich. Der Sardar legte hier selbst einen prächtigen Lnstgarten an und die persischen Großen folgten ihm. In der Nähe der Stadt sind noch zwei Kanäle abgezweigt, welche aber nicht zu den Bewässerungen, sondern für die Mühlen benutzt werden. Jeder Kanal treibt 49 Mühlen. Das Kanalsystem der Stadt, welches der Stadt gehört, ist b> wundcrungswürdig angelegt, die Kanäle sind zweckmäßig und fest gegraben, bcdeicht und befestigt, das Wasser ist vortrefflich nivellirt, hat nirgends starkes Gefalle, die Kanäle werden gut und leicht in Ordnung gehalten. Die Reparaturen kosten jährlich oii-ci» 5W Rubel Silber. Sämmtliche Bürger, welche das Wasser benutzen, müssen nach der Größe ihres zn bewässernden Grnndcs und Bodens und des dazu nöthigen Volumens von Wasser, welches einer Schätzung unterliegt, an Geld und Personaldienste beitragen. An der Spitze aller Wasser- und Kanalangek-genhelten stehen N Dschu-ware (Wasserallfschcr), Sie werden von den Bürgern gewählt, ohne daß es einer Rcgiernngsbestätigung bedarf, W wird eine Art schriftlichen (Contracts mit ihnen geschlossen und sie erhalten nach der Größe ihrer Districte eine Remuneration bis zu 30 Rubel Silber, außerdem wird von den Bürgern eine Deputation von drei Aufsehern (Müllsaln, Besitzer oder Outsheri) gewählt, welcke die nöthigen Reparaturen anordnen. 1 76 Jeder Besitzer bekommt das Wasser zur Vew'ässernng „ach der Größe semes Grundstücks auf bestimmte Zeit, auf so lauge, als nöthig ist, um das ganze Grundstück zu überrieseln. Alle Ueber-rieselungswasserlöcher zu jedem Grundstücke sind gemauert und gleich groft, aber wer ein kleines Grundstück hat, erhält natürlich den Abfluß nnr etwa halbmal so lange als seiu Nachbar, der ein noch einmal so großes Grundstück besitzt. Nach dem Volumen des Stroms im Kanal bilden l^ bis 15» daranliegrudc Gärten jedes^ mal eine Gesellschaft, die das Wasser gleichzeitig erhält, dann kommt es an die nächste Gesellschaft u. s, w. Jeder Dsckuwar hat für seinen District ein Bret mit einem Stempel, der sich auf dem weißen Lehm, womit die Wassevoffnungen zugestellt werden, abdrnckt. Steht dieser Stempel ans dem Lehm, so darf Niemand das Wasser loslassen, bis er kommt und ven Stempel auslöscht, worauf der Eigenthümer die Wasseröffnung zu seinem Grundstücke aufmacht und das Wasser überströmen läßt. Hat sich Icmaud über den Dschuwar zu beklagcu über Unrecht oder Nachlässigkeit, so geht die Klage an die Polizei, die auf den« Fleck untersucht, bestraft, eventuell den Dschuwar sogar absetzt. Im Frühjahr ist die Bewässerung alle 17, bis 5sl Tage nöthig, im Sommer fast alle 5 bis 1l) Tage, In Griwan sah ich nnr dir Bewässerung von Gärten, später sah ich anf dem Lande auch die der Ackerfelder. Die Felver sind alle so gelegt, das; sie vom Kanal ab eine abhängige Lage haben, sie sind in lauter schmale 4 — 5 Fuß breite Beete abgetheilt durch Wasserfurchen oder Rillen, welche durch eine eigenthümliche Ma schinc, tatarisch Kerdowak, armenisch Margas genannt, sehr regel mäßig und im richtigen Niveau herausgearbeitet worden. Von diesen aus verbreitet sich dann das Wasser sehr gleichmäßig über das ganze Feld. Ich hatte den größten Theil des Tages damit zugebracht, das >hanals,,stem von Criwan überall an Ort und Stelle zu besuchen uud zu untersuchen, der Polizcichef der Stadt hatte mich begleitet, er hatte mehre der am besten über diese Verhältnisse unterrichteten Männer rufen lassen, um mir über Alles Rede nnd Antwort zu geben, (Nn angesehener Mann, Hr, Abowian, machte dabei den 177 Dolmetscher; so kamen die Leute auf dm Gedanken, ich hätte vielleicht eine geheime Mission, die Verhältnisse der Stadt zu untersuchn,, um über manche Klage zu berichten, die sie in letzter Zeit eingesandt hatten; ich mochte noch so ernstlich dagegen Protestiren und sagen, ich sei ein einfacher Reisender, der sich über Alles zu unter richten suche! es half nichts, ich sollte durchaus eine geheime Mission, etwa vom Kaiser selbst haben. Ich mußte mich darein finden, und sah auch bald darin eine Gelegenheit, Manches zu erfahren, was ich sonst wol nicht erfahren hätte. Gegen Abend kam eine feierliche Deputation der Stadt und bat um die Erlaubniß, die trau rigen Verhältnisse derselben vortrage« zu dürfen. Sie hätten sie bereits oft beim Gouvernement zur Sprache gebracht, seien aber bis jetzt nicht damit gehört worden. Sie erzählten nun! In uralten Zeiten hätten Fürsten und Häupter der Stadt Eri-wan eine große Zahl Felder geschenkt, sie hätten darüber ein großes Vestätigungs-Document eines frühern Königs von Armenien, welches sie mir aber nicht zeigen könnten, weil es als Anlage einer Bittschrift bei der Gouvernements Negierung läge. Das persische Gouvernement, wo bekanntlich die vollendeteste Willkür herrschte, hätte diese Felder der Stadt ohne weiteres weggenommen. Die persischen Sardare hätten die (Einkünfte davon bezogen. Seit der russischen Occupation habe nun das russische Gouvernement die Felder ebenfalls der Stadt biö jetzt vorenthalten. Diese Felder seien verpachtet, viele benutze, wer wolle, und die Negierung lasse dann von dem, was eben daraus wüchse, die Abgaben festsetzen. Die Stadt habe ungcmein schwere Lasten und Abgaben zu tragen, und die Entbehrung jener Revenue sei daher eine große l5alamttät. Jetzt müßten alle Ausgaben und Abgaben durch Struern aufgebracht werden. Dir Krone foders voil jedem Hause 5 Nudel Silber lind die Stadt müsse dafür solidarisch aufkommen, die Stadt deputation, an deren Spitze das Stadthaupt stehe, vertheile die ganze Summe nach Reichthum und Armuth, sodasi Mancher 9 Nu-bel, Mancher aber auch nur ^0 Kop. Silber zu zahle» habe. Die sämmtlichen Kaufleute müßten 5W Nubel Silber, und sämmtliche Handwerke desgleichen 5W Rubel Silber Steuer aufbringen. Auch diese sei von jener Deputation nach dem Vermögen vertheilt 12 178 worden. Dir Stadt müsse große Summen für städtische Gebäude, für Brücken und Wege, für die Polizeimeister, deren Unterbeamten und Bureau, für das Stadthaupt und sein Bureau, für Stadt: diener, für einen Stadtarzt u. s, w. aufbringen. Deshalb seien die Buden des Bazars besteuert, Sämmtliche Gärten würden alle drei Jahre neu geschätzt, und es werde dauon eine Abgabe von 5 Procent vom Reinerträge bezahlt. In Pergleichung mit der persischen Zeit glaubten sie sich gegen wärlig viel mehr bedrückt, Unter den Persern hätten die Beamten nüt der größten Willkür verfahren, gedrückt lind geraubt, doch »lit Ausnahme des letzten Sardars, der eiu gütiger und gerechter Mann gewesen. Allein die wirklichen 'Abgaben seien gering gewesen. Die Stadt habe damals Alles in Allem 5000 Nubel Silber (nach jetziger Münze) aufgebracht, und damit feien die Abgaben an den Schah, die Bedürfnisse des Sardar und aller Beamten und sämmtliche Stadtbedürfnisse gedeckt worden. Gegenwärtig müßten sie 15,000 Rubel Silber zahlen' und außerdem Vorspann, Fuhren, Nachtdienste und sonstige Naturaldienstc im höchsten Maße leisten. Der Handel, und somit die Wohlhabenheit, sei im höchsten Grade gedrückt. Ehemals mußte der hiesige Kaufmann von jeder Pferdelast (Iük), wie sie aus der Türkei nach Persien hineinkau«, 2 Abbas zahlen. Gegenwärtig muß der hiesige Kaufmann, wenn er aus Persien Waaren hierher einführen will, dort eiuen Aus-fnhrzoll von 10 Proccnt bezahlen, und dann hier einen Einfuhr zoll ebenfalls von 10 Procent. Der eingeborene persische Kauf^ mann braucht jenen Ausfuhrzoll nicht zu bezahlen, sondern nur den hiesigen Einfuhrzoll, er taun also hier die Waaren um 10 Pro-cent wohlfeiler geben als der hiesige Kaufmann. Daher hier eiue immer mehr um siä! greifende Verarmung. Um die Steuern auf-zubringen, würden den Annen oft alles Hausgeräth, selbst die Bet ten verkauft. Wohlhabende, die aber ihren Ruiu hier vor Augen sähen, übersiedelten sich jetzt ineist nach Persien, was um so leichter sei, da dort nicht einmal gefragt würde - wo sind sie her? 5ieLmle5 CaMel. Abowian. Ritt nach Kanalir, Abowian's älterliches Haus, Geschichte seine, Familie und Kanalirs. — Kirchenruinen. — Kanäle, Landban, Preise, Anlage der Gehöfte, der Häuser. — Armenische GemeindeversMmg. Volfsgliederung. die Dorfhanpter, der armenische Vlelik nnd der tatarische Chan in Eriwan, das persische Oolwerneinent, despotischer Druck, Abgaben, der Sarkjar, — Armenisches Baue,„recht, Untheilbarkeil der Höfe. — Weltgeschichtlicher Venif der Armenier. — Die patriarchale Fanülienver-fassung, Stellung des weiblickien Geschlechts. — Auc< Abowian'S Iugend-crinneriüigen, sein Großvater, Familienleben, Wallfahrt nach Ebschmiazm, der Patt-iarch nnd die Kinder. — Geschenk fürs Kloster. — Geschichle vom geprügelten Derwisch, — Abowian im Kloster, sein Abschied vom Patriarchen. — Mein Abend- und Nachtaufenthalt, Abendessen, Waschung, die Mondnacht. Äm 25, August besuchte ich mit Abowicm früh die am höchsten gelegene Kirche Gnwans und daS dabei gelegene Kloster. Von hier aus hat man eine entzückende AnSsichr, deren Mittelpnnkt der Ararat ist. Von da an blieb ich mit Abowicm im Gespräch bis zum Abend, nnd gewann damals und an den folgenden Tagen einen Neichthnm von Notizen über die Lebensweise, Sitten, Eigenthümlichkeiten, Anlagen deS armenischen Volks, daß mir dadurch ein klarerer Vlick in das innere Lebe» desselben gewährt wurde, als wenn ich vielleicht sonst Monate lang »inter den Leuten gelebt hatte, Abowian war eine von den edlen, wahrhaften und sinnigen Mtnren, wie sie uns nur selten im Leben begegnen. Da er bald heransfand, daß ich im Allgemeinen das Leben der Völker mit Liebe aufzufassen strebe, so gab er mir Alles mit der größten Offenheit, ja machte mich selbst auf VieleS erst anfmrrksam. Denn, da er selbst vier Jahre nnter den Dentschen in Dorpat ge- 180 lebt, so waren ihm schon voll selbst die Uebereinstimmungen wie die Gegensätze der beiden Völker klar geworden, und es bedürfte nur der Frage, der Anregung von meiner Seite, um in ihm den Gedanken und jede Erinnerung zu wecken und sie mir dann mitzutheilen, Abowian besaß dabei den glühendste» Patriotismus für sein Vaterland, Den größern Theil des Folgenden verdanke ich daher ihm und dann meinen eigenen Anschauungen, die aber zum Theil ebenfalls von ihm auf die Gegenstände geleitet wurden. Nachmittags ritten wir nach dem etwa anderthalb Stunden von Eriwan entfernt liegenden Dorse Kanakir, Es war dies der Geburtsort Abowian's, wo seine Mutter, Geschwister und Anver wandten lebten. In gewisser Entfernung sieht das Ganze mehr einem diäne» Walde als einem Orte ähnlich, so sind oie Häuser und Gehöfte von hohen Bäumen und Gebüsch gedeckt lind darin versteckt! Der Ort liegt wie eine Oase in der Wüste; die Hochebene umher, die Verge sehe» unglaublich wild und wüst aus, kein Grashalm, soweit das Auge reichte, aus den Bergen ragen nur die Felsen hervor, auf der Ebene uur zerklüftetes Gestein, lavaartiges Gerölle, Alles im monotonen dunkeln Grau! Die meisten Straßen des Dorfs sind eng und, wie in Eriwan, zwischen zwei Mauern laufend. Die Häuser liegen meist in um mauerten Gehöften, Thüren und Fenster derselbe» gehen nirgends nach der Straße heraus. Wir ritten nach Abowian's älterlichem Gehöfte. Es lag freier als die übrigen und bildete einen sehr großen Garten mit den schönsten und trefflichsten Obstbäumm, Gartengewächsen und Wein. gelanden. Ueberall üppige Blumenzucht bei den Armeniern, während die Grusier nirgends Vlumenpflege kennen. (Auch ein Zeichen größerer Culturfähigt'rit!) An der Ecke des Gartens stiegen wir ab und Abowian führte uns hinein; es war eine Vegetation von einer Frische und Ueppigkeit, wie sie nur diese südliche Sonne, die Bewässerungen des den Garten nach allen Seiten hin durchkreuzenden Kanalsystems und der fruchtbarste Voden gewähren können. Als wir zwischen den Wringenden uns durchwanden, erblickten wir ein paar ss-niuenzimmrr, die aber sogleich »vie aufgescheuchte 181 Nehe davonliefen. Vor dem Hause empfingen uns der Oheim und die Vrüdcr Abowian's, geleiteten uns aber uach einem andern Gehöfte eines Vetters, wo wir uns vorläufig häuslich einrichteten und uns etwas erquickten. Dann gingen wir überall im Dorfe umher, um eine Uebersicht des Ganzen zu gewinnen. Das jetzige Kauakir ist nur noch der Nest eines reichen, glänzenden Orts, Ehemals zählte dasselbe l.Wl) Gehöfte, gegenwärtig nur 72, Vom frühern Glanz und Reichthum und der zahlreichen Bevölkerung sollte ich mir aus folgendem Factum einen Begriff machen. Es ist eiue altarmrnische Sitte, daß an Christi Opfe rungstage alle in dem Jahre getraute Ehemänner mit ihren Hoch^ zeitbittern in der Kirche erscheinen; in jenen glänzenden Zeiten zogen wol mehr als 50 solcher junge» Ehemänner herein, alle im schönsten Waffenschmuck, alle mit silbernen Absätzen unter den Pantoffeln, Ein Zeichen der Volksmenge und des Gurus' Ueber die Entstehung Kanakirs rristirt die Dorfsage (alle histo^ rischen Dokumente, Privilegien, Familienurkunden sind im letzten Perscrkriege 1825 untergegangen), daß der Vorfahr Abowian's, sechs Generationen rückwärts gerechnet, aus einer nördlichen Oe-gend, den Ort kennt man nicht, mit seinen Leuten und Nachbarn, von Feinden (Lesgiern?) brdrängt, zum Chan (Sardar?) von Cri-wan gekommen und um die Erlaubniß zur Ansiedelung gebeten. Dies ist dann an dem Orte, wo jetzt Kanakir steht, geschehen. Jener Führer hieß Abow und war alls einer Familie, die für alt-adelig galt, die Urkunde über ihren Ursprung, und ihre Privilegien, meist in tatarischer Sprache abgefaßt, sind aber, wie oben angeführt, 1825 verloren gegangen. In Tiftis, Garabey und Vorg cristiren übrigens auch noch Familien dieses Namens und desselben Ursprungs. Der Sohn des Abow hies, Wierap, dessen Sohn wieder Abow. Aus dieser Anführerschaft stammt die Stellung der Familie alö erbliche Dorfobrigkeit Kanakirs her, die aber nicht im mindesten den Charakter einer Gutsherrschaft oder Lehnshcrrschaft, sondern nur den der polizeilichen Gewalt hat, Kanakir war wol anfangs kein großes Dorf, allein viele umliegende Dörfer wurden im Kriege oder durch Räubereien verwüstet, der Nest der Einwohner zog nacki Kanakir, ihre Grundstücke 182 vermehrten den Grnndbentz Kauakirs. Dann bewirkte dt.: Annehm lichkeit der Lage und die Nähe von (5riwan, daß die reichen Leute der Stadt den Sommer herüberzogen, sich cinmietheten, ankauften, anbauten, Gartenbau trieben. Für Viele war es auch ein Versteck, Allein dann kamen namentlich in diesem Jahrhundert verheerende Kriege, und im letzten Perserkriege ward es fast ganz zcr^ stört und liegt seitdem zum größten Theil in Ruinen. Gs ist viel leicht jetzt nur noch so groß wie bei seiner Entstehung, die Grundstücke der fremden Dörfer liegen unbebaut oder sind dem Orte wieder abgenommen. Ich ging zwischen den Ruinen umher, Im untern Theile des Orts liegt eine gut erhaltene, aus Quadern solid erbaute Kirche, die zum Gottesdienste dient. Die gewöhnlichen armenischen Kirchen (von den Kathedralen siehe weiter unten bei Gdschmiazin) unter scheiden sich von der russischen in dem Charakter der Architektur be deutend. Sie haben nicht das byzantinische Viereck mit der Kup^ Pel, sondern nähern sich in der Bauart mehr den oceidentalischen Kirchen, bilden ein Oblongum mit einem Giebeldach, auf welchem ein spitzes Thürmchen steht. Im Innern weicht die Einrichtung von der der griechischen Kirchen ab, der Altar z. V, steht frei und meist an der Wand, wir in den lateinischen Kirchen. Höher hin. auf im Orte liegt eine in gleicher Weise gebaute Kirche, aber sehr verwüstet, schon fast Nuine, umgeben uon einem Kirchhofe mit einer großen Zahl Grabsteine nnd Monumente, Bei diesem Tpaziergange fanden wir auch oberhalb des Orts den Knotenpunkt des Kanalsystems, von wo aus die Bewässerungen Kanatirs bewirkt worden. Am Abhang eines Hügels ent springt hier aus 40 Quellen ein mächtiger Vach, die in kleine Kanäle zertheilt das Wasser nach allen Richtungen zur Bewässerung hinführen, Gin Arm des Baches führt sogar das Wasser in einen, Kanal bis nach der Festung von Griwan, die zu hoch liegt, um an dem eigentlichen Eriwanschen Kanalsystemr theilnehmen zu kön. nen. Die Wasserkanäle sind Eigenthum der Gemeinde, und es wird davon nichts gesteuert oder abgegeben. In Bezug auf Benutzung, Aufsicht u, s. w, sind dieselben Ginrichtungen, die ich bei Eriwan beschrieben, Vorzugsweise werden in Kanakir die Gärten 183 bewässert, en Gartenbau ist auch bei weite»» vorherrschend und ge ivährt einen unendlich reichen Ertrag, der Feldbau wird nur zur Nothdurft betrieben, die Frldtheilung in kleine, 4 —5 Fuß schmale zu bewässernde Berte habe ich schon oben angeführt. Mau baut Weizen, Gerste, Lein und auch eine besondere Art Roggen (Atschar), Vei schwerem Boden wird im Mai mit dem großen Pfluge gepflügt, im September nochmals mit dem kleinen Pfluge, dann wird gesäet und eingeeggt, Es wird nur mit Vüffeln und Ochsen gepflügt. Die Pferde werden überhaupt gar nicht eingespannt, sie dienen nur zum Reiten und Tragen, bringen nud holen die Sachen nach und von dem Markte. l5in Pserd tragt hier bis 44 Pud (5 Centner). Ein gutes Pferd kostet hier 300 Rubel Silber, aber man findet hier daghestanische, tnrkomanische, arabische Pferde, die von russischen Offizieren mit 5—400 Dncaten bezahlt werden, wogegen schlechte hiesige, Pferde auch oft nur 10 Rubel Silber kosten. Gute Milchkühe gebe» hier bis !2 Pfund Milch, wogegen Büffelkühe oft 15— 111 Pfund geben. Der Preis eines guten Ochsen schwankt hier in verschiedenen Jahren zwischen 10 und 2i Rubel Silber, eines Vüffrlochsen zwischru 10 und 50 Rubel Silber, einer Kuh zwischen 5 und 10 Rubel Silber, einer Büffelkuh zwi. scheu 10 und '20 Rubel Silber. Gin Schaf kostet 1'/^ bis 3 Rubel Silber, man schert davon 3 Pfund Wolle, die Wolle kostet hier 12 Pfund 40 bis 50 Kop. Silber. Die Armenier halten übrigens wenig Schafe und gar keine Schweine, weil sie unter versischer Herrschast verboten waren. 12 Pfund Baumwolle kosten nicht über 1 Rubtl Silber. Die Preise von Getreide waren in jenem Jahre (1847») 1 Litter oder 12 Pfund Weizen, bester Sorte, 5 Kop, Silber, schlechte Sorte nur 3 Kop,, 1 Litter oder 12 Pfuud Gerste I'/.^Kop,; I Litter oder 2-4 Pfund Wein lostet in theuern Jahren —80 Kop., in wohlfeilen selbst unter 20 Kop, Mn Knecht erhält an Iahreslohn 10 bis 20 Nubel Silber, oer Tagelohn nebst freier Kost 15 Kop, Silber, ohne Kost 20 Kop. Silber. Ich besah verschiedene Gehöfte mit ihre» Hans und Wirthe schaftseinricbtnngen, (5s herrscht eine große Mauuichfaltigteit. Ein armenisches Gehöft enthält in der Regel eine große Zahl von 18z tleinen Gebäuden, jedes sür einen bestimmten Zweck, im Gegellsay von norddeutschen wirthschaftlichen Grundsätzen, so viel unter den», selben Dache zu haben als nur möglich. Das Abowian'sche Fa milienhaus hatte beim Eingang eine offene Halle, bei den Armeniern, Persern und Tataren Evan genannt (wahrscheinlich ein tatarisches Wort); diese dient im Sonnner zur Wohnung der gaw zen Familie, daneben links lag die Winterstube, Oltag. Hierin wirv bei der Kälte Feuer angelegt, auf platter Erde, ein erhöhter Heerd eristirt nicht, eine kleine Oeffnung in der Decke führt den Rauch fort. In einer <5cke und in der Hohe befanden sich zwei kleine Fenster, Alle Wände, sowol die äußern als die innern, sind starke Mauern, in denen überall hoch und niedrig Nischen aus gemauert und angebracht waren, welche dazu dienen, allerhand hineinzustellen. An dm Wänden hingen ein Paar persische Vil der, die Heldenthaten Nustan's (des persischen Hercules) darstellend, anch ein kleiner Spiegel war vorhanden, das allmalige Einschlei chen des europäischen Lnrus prophezeiend. Der übrige Theil des Hauses enthält die Wcibcrgemächer, die ich aber nicht gesehen. Rechts neben dem Hause lag das Weinhaus, Warann persisch, Scherabchauec armenisch genannt. Daneben ein kleines Haus, das ^rothaus, Amba (ein tatarisches Wort), dann das Backhaus, Hattsattun, das Hechselhaus oder Heuhaus, Tarmananotz, endlich das wichtigste, das Piehhaus, in welchem eine erhöhete Abtheilung von einer Galerie umgeben, die Sackn, liegt; hier versammeln sich oft, besonders im Winter, alle Hausgenossen um das Feuer, hier kommen die Nachbarn zusammen, auch dic Fremden wohnen hier oft. Wer Schafe hat, der hat für dieselben meist im Felde einen Schafstall (Agger) aufgebaut. Abowian brachte mich nach dem Gehöfte eines Schwagers *). dessen Grundriß ich aufnahm und dessen Hauptgebäude ich zcichnele. Ich kann mir nicht versagen, die nebenstehenden Zeichnnngen davon ') Bei den Armeniern gelten Ol'schwistcrfmdcr bilvcha>is für Vrnrs» >lnv Schwestern. D« Mann meincr l^usinc ist d.iher nn'in Schwager, so mlt Wie dcr Alann mci»e<, Sciiwcs'Ml!nschcs ^.niernd.ins in Kan^kir, 186 zu gebe», da wol Jedem die merkwürdige Aehnlichkeit mit anliker römischer Architektur auffallen wird. Der Hof war mit einer hoben Mauer umgeben und hatte nur eine kleine Thür, nirgends aber ein Fahrthor. Wenn man in den Hof tritt, so muß Jeder überrascht werden, wenn er anf einmal l>l> Echlaft',N'>>l>,'!! ansdc,» Hofe. a der Hof. I, Vackkaus. L Bl'N'M'llhmic!, Hauptgebäude, u. zw.n ^ 0 Nebenzinnucr. s dcr Hcerd, ^ dic offoül' Sonünerhalle. ^^""^fürOciste. >< Oastzimmer , darunter der Dinchgaxff zum in< »eri! hos. ! Offener Eummcrvmhos. >» die WiiilllhaNe. i> die H,i»c odrr erhöhte Bühne im Stall für den Dorfsängcr, die Waste und Nachbar». n dcr gcwi'lbtc Durchgang unter dieser Halle. p dcr Hof für« Äich. <> St«!I und Hcuscheiine. 1 Hcuschciixe. Die ^äuge des Hofe« ist ungesiihr K« Fuft, die Breit« bii Fuft. wonach sich die ül'rWnssüöhcnvcrlilUt' nissc ergcl'cn. Plan dts Vautlhos« in Kanatir. hier ein Gebäude erblick«, dessen Architektur offenbar große Aehn. lichkeit mit der einer altrömischen Villa hat. Das Gebäude bildet in semer andern Seite eine auf 6 Säulen ruhende Halle, zu dn eine Seitentreppr heraufsi'chrt. Im Hintergrunde der Halle ist rechts eine Thür, die in ein Porzimmer und daneben in ein großes 187 Zimmer führt, beide haben nach der Galeric hin Fensteröffnung, aber ohne Nahmen und Glas. In den Wänden sind überall kleine Nischen, nm allerhand hineinzustellen, über den Wänden der Galerie finden sich hübsche arabes-le»artige Verzierungen, die auch über den Wandnischen angebracht sind. Tische und Stühle finden sich hier, wie überall in armenischen Häusern, nicht. Dieses Haus dient nicht zur eigentliche, Wohnung, es ist das Gasthaus für die geehrteften Gäste, Die Wliotwerzicrungen. Familie hält sich hier nur im Sommer ans. Auf dem Hofe vor dem Gast-Hause steht ein eigen-thümlicheS luftiges Ge bäude. Gin hohes hol. zernes Gestell bildet zwei übercinanderliegendeGa-lerien, zu welchen man vermittelst Treppen hin aufsteigt; von allen Sei ten offen, schützt ein leicht tes Vret doch gegen den Regen. AufdiesrnGale. rien schlafen sämmtliche Hausbewohner während des Sommers. Die Zahl und Bedeutung der übrigen Ge^ bäude ist in dem vorste henden Hofesplan an ssegeben. Der interessan teste Ort des gangen SchlafpMOon, 188 Hofes ist aber unstreitig l.it. m und n. m ist nämlich der schöne geräumige Viehstall, und n ist die daranstoßende hoch liegende Vühne, von drei Seilen geschlossen, nur nach den« Stall hin ganz offen, führt von hier aus eine Treppe von sechs Stufen zu ihr hinauf. Auf dieser Vühne hält man sich im Winter besonders am Abend beim Feuer unter einer Art Kamin auf. hierher kommen die Nachbarn und Dorfältesten, hier bespricht man die eigenen und die Dorfanqclegenheitm. Hier vor allen« findet man stets den herumziehenden Erzähler und Dichter, meist ein Minder, Arschig. Dieser regiert hier, wird hoch gcehrt, und wohnt und schläft während seiner Anwesenheit hier völlig als Hcrr, wird als solcher von Allen bedient, die Nebrigen sind seine Gäste und Kameraden, die er durch seine Märchen nnd Lieder beglückt! In Anlage und Van der Gehöfte unv Häuser herrscht übri^ gens, wie gesagt, die größte Mannichfalligkeit. Das vorstehend be^ schriebenc war eins der mittlern Art in Anlage und Größe, aber es schien mir sehr interessant filr den ganzen Typus der Architektur, Die armenischen Gemeinden werden und wurden von jeher durch einen gewählten Aeltcsten und zwei oder drei Beisitzer regiert, diese hielten die Ordnung aufrecht und entschieden alle kleine Strei tigkeiten über Grenzen, über Mein und Dein, über kleine Veleidi gungrn u. s, w., wobei früher Alles mündlich abgemacht wurde: seit russischer Zeit wird gcfodcrt, daß die Urtheile, insbesondere bei Grenzstreitigkriten u, s. w. niedergeschrieben werden. Kanakir aber hatte, wie schon oben angeführt, ein erbliches Dorfhaupt in der Per. son des Aeltesten der Familie Abowian, Dieser setzte dann noch einen besondern Aeltesten des Dorfes ein nebst zwei Beisitzern, Waren aber die Parteien etwa mit der Entscheidung desselben nicht zufrieden, so entschied das Dorfhaupt Abowian. Größere Sache», besonders wenn sie nach unserm Sprachgebrauch rriminell Ware», Verwundungen, Todtschlag, Raub u, s. w., gingen an den Melik m Griwan. Gin eigentlicher Unterschied, oder gar Gegensatz von Ständen, unter dem Volke ist bei den Armeniern nicht sichtbar. In» Allge meinen kann man im Gegensatz zu der durchaus feudalen Volks-Verfassung des gmimischen Volks sagen, daß die Perfassung des >l89 armenische» auf organisch ^demokratischen Principien beruht, Om Gegensatz von Stadt und Land, Bürge» und Balier, ist nicht da, Landbewohner und Stadtbewohner unterscheiden sich durch nichts als ihren Aufenthalt; in dc» Städten beschäftigt sich der größere Theil der Bewohner mit Handel und Handwerken, in den Dörfern der geringere, und so mit dem Landbau umgekehrt. Nur in geringer Zahl gibt es alte angesehene Familien, die sogenannten Tarchcm Familien (Tarchan heißt wörtlich' Freier), welche Ehrenvorzüge und Abgabcnfrciheit genossen. Gin paar dieser Tarchan-Familicn, wie die Abowians, waren erbliche Dorfhäupter, so in einem Dorfe im kirchbnlayschen Bezirke, und in zwei Dörfern jenseits des Arareö, im surmalenischm Bezirke. Ob diese Orte, wie bei Kanakir, etwa von den Vorfahren dieser Familim angelegt sind, ist nicht fest zu behaupten, wiewol wahrscheinlich. Solchen Familien steht aber keineswegs irgend cine Art von Gutsherrschast über die Dörfer zu, sie erhalten keine Naturalabgaben und Dienste von den übrigen Dorftingesessencn. Von einer Leibeigenschaft ist keine Spur in Ar. menien, sie eristirt wol überhaupt in eigentlich mohammedanischen Neichen und in Ländern, die unter mohammedanischer Herrschast stehen oder standen, nicht *), statt deren bestand die persönliche Skla. verei, die der Koran sanetionirt, indem er die Sklaven als Fa^ milienglieder, als „Kinder des Zeltes", anzusehen und zu behandeln befiehlt. In neuester Zeit scheint aber Mehemrd^AIi die Leib. eigenschaft der Bauern in Aegypten eingeführt zu haben, wol auch als Apprndir der europäischen Cultur! Dieser armenische Adel genoß von der Seite des Volks anerkannte (Hhrenvorzügr, unterschied sich aber in sonst nichts uon den übrigen Armeniern, wie denn auch z. V. bei Hekathen nirgends ein Standesvorurtheil sich bemerkbar machte. ") Die Dörfer in dm transkaukasischen Ländern sind fast überall zicm lich groß und bevölkert, ausgenommen in dm grunscheu Vander», wo die Leibeigenschaft herrscht, wo als» zahlreicher Adcl ist, der in der Negel die bessern Felder der Dorfmark besitzt und durch die Leibeigenen bebauen läßt. ^n Armenien habe» die Dörfer zuweilen 2 — M) Häuser, nur i» den lhel'irqen, wo wenig guteö Land auf eiuem Fleck zusammenlieft, findet »>a» lleine Dörfer v>,'u W—3<1 OchofM,, 100 Als Armenien russisch wurde, verlangte das Gouvernement Do cmnente über die Verleihung der Vorrechte des Dorshauptsrechts u, s, w., nur Verleihungen der Schahs vo» Persicu sollten gelten u. s, w,, und als diese nicht beigebracht werden konnten, hob es alle Rechte auf die Abgabenfrrihrit auf, im Gegensatz zu dem frü Hern Verfahren in Grusien, wo man die erbliche» Dorfhäupter so-gar als erbliche Fürsten anerkaunt hatte. Mau scheint den Fehler des zu viel erkannt zu haben, und möchte nun in den entgegen, gesetzten des zu wenig verfallen sein; denn was das reale Ver. hältniß betrifft, so hatten die Dorfhäupter in den grusischen Län-oern nur Das voraus, dasi ihre Herrschaft willkürlich und drückend war, denn die Dorfe in gesessenen waren ihre Leibeigenen, während die Herrschaft der armenischen Dorfhäupter leicht, milde und wobl thuend war, denn sie herrschten über freie Leute, Das ganze Land, das ehemals persische, jetzt russifche Armenien, hatte noch eine Art gemeinsamen Volksoberhauptes in dem erblichen Mclik von Griwan, dem Aeltesien der Familie Agamaljan'). Ob dies noch ein Abkömmling einer alten fürstlichen oder gar kö'nig^ lichen Familie der Armenier ist, möchte wol schwer zu ermitteln sein. Fast scheint es, denn es eristirt ein Gegensatz zu diesem Me lik, nämlich ein erbliches Volkshaupt der Tataren in Armenien, der tatarische (ihan in Eriwan, welcher in Bezug auf die tatarische Bevölkerung eine ganz gleiche Stellung einnimmt, wie der armenische Melik. Eö scheint demnach, dasi, nachdem Armenien von den Mon-golcn und Tataren erobert ward, mau dem Volke seine innern An. gelegrnheiten selbst zu verwalten, und also auch eine nationale Obrigkeit, überließ, wogegen denn auch die sich ansiedelnden Tataren ihre nationalen Obrigkeiten und Fürsten hatten. Als die Perser alle diese Länder eroberten, fanden sie überall einheimische Fürsteu, in Karabagh, Schamacha, Baku, Verbeut, Ganscha (Msabetpol). Im Karabagh war ein armenisches Fürsteugeschlecht, Schamirchau Vetzlarjan, welches noch im 47. Jahrhundert unabhängig war, Nadir ^ Schah setzte alle diese Fürsten ab und statt deren zeit. ') Die meisten Namenseüdun^'» dcr Armeiner gehen auf ^n a«S. die Russen verwildern die6 in c>n, daher heißt die Familie jetzt Agamalmv. 191 wellige Statthalter (Sardars) ein, allein unter seinen schwachen Nachfolgern kamen die meisten jener Fürsten wieder zur Herrschaft, und erschienen nur noch als Vasallen Persiens. Nur int cigent-lichen Armenien scheinen weder der armenische Melik, noch der tata rische Chan wieder zur vollen Herrschaft gelangt ;u sein, sie blieben stets dem persische» Sardar untergeordnet. Der armenische Melik blieb auch noch bis in die russische Zeit hinein in seiner Würde und seinem Einfluß *), der letzte tatarische Chan aber ward ') Abowian hatte in Dorpat ein Heft von Erinnerungen aus seinem Iugendleben zusammengeschrieben, welches eine Menge interessanter Züge aus dem dortigen Volksleben enthielt. Er schenkte es nur zur Bcnichung. Ich entnehme demselben hier ein Bruchstück, welches die Persönlichkeit des letztverstorbenen Melik von (5riwan, Namens Sahak-Agamaljan, schildert, Abowian hatte die beste Gelegenheit dazu, ba er mit ihm verwandt nnd in seiner Jugend sich oft Monate lang bei ihm aufgehalten. Sahak war ein Mann von auffallend schönem hohen Wuchs und edler Gestalt, sein Besicht trug dei, Ausdruck von Geist uno Milde, in allen seinen Bewegungen lag Anmuth und Gravität. Wenn er in der Tracht der vornehmen Perser, die er, unter den Armeniern allein zu tragen berechtigt war, in dem Purpurgewandc mit engen Erineln, den aus Goldfäden gesponnenen Neihen von Knöpfen auf der Vrnst, auf einem schönen daghestaner Pferde, umgeben von seinen Dienern, erschien, schante jeder Armenier aus ihn, wie ans seinen Fürsten. Er halte den Persern große und wichtige Dienste geleistet, selbst d?r Schah fannte ihn als einen seiner treuestn, Unterthanen, daher war sein Vinftuß überall groß, iu l5'r!wan st,,„p ^-hierin nur dem Sardar nach. Selbst vornehme Perser nahmen oft seine Fürsprache und Hülfe in Anspruch, Da das Recht und der Umfang seiner Gerichtsbarkeit groß war, so hatte er Gelegenheit, Hunderten von Menschen Gutes zu thun, sie aus manchen Gefahren, selbst aus Lebensgefahren, zu retten. Er that dies vhne Unterschied der Person und des Glaubens, und selbst die armen wilden Gebirgsbewohner nnd die Mohammedaner liebten und achteten ihn daher hoch. Wie oft hatte er selbst Vernrtbrüte, die ;u ihm flohen, oder die er beim Sardar fand, durch seine Fürbitte gerettet! Für seine Nation aber hatte er die glühendste aufopferndste r!iebe. daher auch seine Glaubensgenosse» mit der hingebend' sten Treue an ihm hingen. Sein Hof lag sehr schon am Saegestuß, in der Mitte eines herrlichen Gartens lag sein Haus, ganz gebaut und eingerichtet, wie das eines vornehmen tatarischen Ghans, Eine von drei Sei' ten geschlossene, nach der Spitze des Flnsses aber offene Halle, bedeckt mit den kostbarsten, orientalischen Teppichen, bilbele das Vorhauo, Hier fa»^ melte» sich, wenn kanin der Morgen aügebrochen, Mensch,!! aller Klassen 19ä vor 40 bis 50 Jahren von den Persern abgesetzt. (5m Vruder von ihm lebt noch jetzt in Eriwan. unb jeden Glaubens. Dann erschien er meist in einfacher Kleidung, ab« stets mit einem Gefolge von vielen Dienern, unb während er durch d,e sich «heilende Menge gravitätisch den Saal hinaufschritt, überflutete ihn ein Strom orientalischer Höflichkeiten nnd angemessener Redensarten: Du unsere Sonne, du großer, machtiger Gebieter, unser Alles, wir sind Staub vor dir! höher als mcin Auge soll dein Vefehl gelten! riefen die Arme-nier; Nassul-Allah (der Gesandte Gottes) sei der Beschützer deines Wegs! sprachen die Mohammedaner. Oben in der Halle ist ein erhöhter Absah, hier ließ er sich auf Polstern nieder, die ihn etwa besuchenden (5hane und Veys sehten sich mit untergeschlagenen Veinen um ihn her, auch wol sonstige angesehene Bürger und Kaufleute, wenn er sie besonders dazu einlud, die übrigen, die öandlente, Gebirgsbewohner u. s. w. standen ehr» furchtsvotl am untern Ende der Halte mit dm Dienern gemischt, Wal,-rcnb die Galjon sTabackspfeife) unb der Sorbeth umhergcreicht wurden, wuroen die größten Angelegenheiten der Stadt, des Landes und des VoNs besprochen und darüber beralhschkigt. Seine Stimme war stets die entscheidende dabei. Dann begann die Gerichtssitzung, die Klager traten auf, die Vrrtlagten verantworteten sich, er sprach das Urtheil, immer bestimmt und fest. Er lamite Jede» bis ins Herz hinein. Gr strafte unb züchtigle streng die Verbrecher, Sein Ansehen war so groß, daß, als Abbas Mirza in Eriwan einzog, er gleich beim Hineintreten nach ihm fragte. Als er dem Printen vom Sardar vorgestellt ward, legte der die Hand auf seine Schulter und ritt so, sich freundlich mit ihm unterhaltend, seine Verdiensle lobend, und die Gewogenheit seines Vaters, des Schah, gegen ihn rüh mend, mit ihm in die Festung, zur Verwunderung der persischen Große» weil das eine Gunstbezeuguug war, die sonst nur den vornehmsten Leuten, in den Provinzen nur den Statthaltern, zu Theil wird. Als Vriwan von den Nüssen erobert ward, begaben sich alle vornehmen Perser unter seinen Schutz, den er ihnen auch gern und mit großem Erfolg gewahrte. Die Tochter dieses Melif heirathete den Prinzen Alerander Vagrat, einen Sohn des letzten Czaren von Georgien, welcher, in der Ueberzeugung, baß er sein Reich nicht länger gegen die Tnrten und Perser zu vertheidigen vermöge, den Kaiser von Nußland zum Vrben eingesetzt hatte, „damit das Christenthum dort nicht unterginge". Alerandcr Vagrat prl' testirte gegen das Testament, und war stets in der Türke! oder i» Pcrsten, wenn ein Krieg ausbrach. Nach dem Perserlricge blieb die Prinzessin bei ihren Aeltern. PaSkewitsch gestattete ihr. zu ihrem Gemahl zurückzukehren, sie zögerte und ihre Acltcrn wollten sie nicht abreisen lassen, Baron Rvsen schickte sie später mit ihrem Söhnchen nach Petersburg, wo sie königliche <5hren genießt, l9:i Der ar»nenische M'elit l'atte cine große Macht und genoß eines hohen Ansehens, nicht bloö beim armenischen Volte, sondern selbst bei den Persern. In Vezug ans seine Gerichtsbarkeit ging man nichl blos zu ihm, wenn man das Urtheil der Dorfältesten nicht wollte gelten lassen, sondern alle wichtigen Sachen, namentlich alle eriminelle, gingen gleich an ihn, er hatte das Recht der Gefangennehmung, der Gefängmhsetznng und der Bestrafung, jedoch mit Ausnahme der Todesstrafe, die nur der persische Statthalter, der Sardar, aussprechcn konnte. Das Verfahren hierbei war blos mündlich. Nur in der letzten persischen Zeit ward seine Gerichts-barteil etwas eingeschränkt, die vom Sardar gesetzten Chane masiien sich manche seiner Nechte an, namentlich rissen sie Appellationen von den Urtheilen der Dorfältesten an sich. In ihre Stelle sind in rnssischer Zeit die Vezirksnchter getreten, deren Stellen, sowie die ihrer Gehülfen, das Gouvernement bis jetzt nur mit Eingebore nen besetzt. Alle Dörfer mußten dem Melik von Eriwan steuern, Kanakir brachte jährlich 10 Tuman (30 Nubcl Silber) für ihn auf. Das persische Gouvernement war im Princip das drückendste und abscheulichste, was es geben kann, darum haben die Armenier dir Russen wie ihre Befreier von einem unerträglichen Joche angesehen, und hängen sehr, trotz mancher vielleicht begründeter Klagen, an Nußland. Das persische Gouvernement war im Princip und in der Organisation so schlecht, daß selbst gerechte und treffliche Männer, wie der letzte Sardar in Eriwan, in dessen Hand doch alle Gewalt lau,, den, scheußlichsten Drucke, der schändlichsten Veamtenraubsucht nicht zu steuern vermochte. Der Schah setzte in den Provinzen Statthalter (Sardare) mit völlig unbeschränkter Vollmacht ein, diese mußten ihm eine be^ stimmte Truppenmacht im Frieden, eine andere im Kriege stellen und einen bestimmten Tribut zahlen. Wie der Statthalter diesen aufbrachte, wie hoch er die Unterthanen besteuerte, darum bekümmerte sich Niemand*). Die Statthalter waren auf unbestimmte ') Ei» uraltes Princip, welchcö sich sonocrbarer Weise bei fast allen Vollen, als Groberungspnncip findet, daß der dritte Theil dem Oroberer gchiire, s^wie der Zelxtte dic 'Abgabc an <Äott und dessen Diener, die 13 194 Zeit eingesetzt und benutzten daher diese so gut sic konnten, um Schätze zusammenznhäufen. Die Statthalter, aus den Hofschranzen u»d Leibeigenen genommen, kamen meist in ein Land, dessen Ver^ hältnissc und Hülfsquellen sie ga» nicht kannten, sle suchten sich also Leute aus dem Lande, meist Kriegsleute, aus, die sie für ge-schickt hielten, die nöthigen Erpressungen durchzuführen. Diesen ^aben sie dann den Titel und Rang eines Chans oder Vens, Aber auch dirse waren meist nock viel zu träge und genußsüchtig, um selbst die Geschäfte der Administration, der Gerichtspftege, der Ab. gabeneinziehung, d. l), der Erpressung, führen zu wollen, Auch sie setzten daher wieder Unterbeamte ein, die man Sarkjar (auf persisch Gcschäftsaufscher) nannte und die nun auch die wirklichen Geschäfte führten, Vei den Chans oder Behs galt cö für eine Schande, Lesen und Schreiben zu können, nur ein Nothdürftiger dürfe Das verstehen, um sein Brot zu verdienen! Es war daher an contro-lirende Bücher über Einnahme und Ausgabe gar nicht zu den^ ken, es ging Alles von Hand in Hand. Alle diese Menschen wett^ eiferten nun durch Steigerung und Erpressung von Abgaben und erzwungenen Geschenken nicht blos sich die Gunst ihrer unmittel-baren Herren zu erwerben, sondern vor Allem auch ihre eigenen Taschen zu füllen, um sich Genüsse in der Zeit und Bereicheruug für die Zukunft zu verschaffen, denn alle diese Beamten, mit Aus-nähme des Sardarö, blieben nur kurze Zeit, selten länger als zwei bis drei Jahre im Dienst. Hören wir hierüber Abowian selbst aus seinen >»ir mitgetheilte» schriftlichen Ingenderinnerungen, „Im Dorfe (Kauakir) sahen wir jährlich eine» solchen Sarkjar, der im Sommer kam, um den Abgabenantheil vom Getreide für das Gouvernement zu erheben *), Priester, sci, ist in Persieu ai zu bestellen «nd pl schicke» hatte. Or war für die Zeit seines AmtS al,^,l'l'ufrc'i, rrliielt eine Kleinigkeit Olchalt und stand i» hohl'», Ansrhen, *) In jedem arinenischei, Dorfe ist ei» solcher Dorfdiener, der gewählt wird. l5r muß stets um den Dorfalteste« sein, um dessen Befehle zu empfangen und zu besorgen. In größern Orte» sind oft zwei. Sie sind abgabenfrei und erhalten einige Naturalien, allein ihr Amt war das un« glücklichste, das sich denfen läßt. sie waren die Vogelscheuche für das ganze Dvrf. Jeder entfloh oder versteckte sich, wenn er ihn sah, weil « wußte, daß es sich stets um Hoderungen und Mishandluugen handrltt, wenn er auf der Straße erschien. Daher sonnte >»a» auch niu die vn smmnensten Mensche» dazu press»'» dm Dirost aiizum-hme». 17.' 1W kennt man ja in Armenien nicht), oder sie lagerten sich Weizen kauend in den Garten aus der Erde, um Verathschlagungen an. zustellen; sah man ihn dann kommen, so wurde mit Hand oder Mütze gewinkt und Alles floh auseinander. Die schmeichelhaftesten Worte und Oomplimente mußte man, sich stets tief verneigend, ihn hören lassen: Herzensherr (Agathan)! Mein Gebieter! Augapfel meiner Seele! Wir sind Alle deine Knechte! u, s. w. Wehe, wenn sein Zorn entbrannte: Peitsche, Säbel, Dolch, oder was ihn sonst zur Hand kam, ward nachsichtslos verwendet. Aber selbst der oben-genannte Diener, der doch nichts als ein Wäscher oder Pfcifengeber*) war, machte auf solche Unterthänigkeitsbezeugungen für sich Anspruch." Daß nun bei solch tatarischer Willkür dennoch Wohlhabenheit, ja Reichthum und Lurus unter den Armeniern sich finden konnte, daß man da, wo man der Stärkere war, sich wehrte, hin und wieder auch einen bösen Chan oder Sarkjar todt schlug, daß man als Volk zusammenhielt einem fremden Volke (den Persern) gegenüber begreift sich leicht. Eigentlich waren die Abgaben, welche vom Schah »ach der Eroberung festgesetzt waren, nicht hoch. In der letzten Zeit waren nur 50 bis 6l> Familien in Kanakir, die zahlten zusammen von *) Die vornehmen Perser und Tataren waschen sich nie selbst, reinigen und stopfen nie selbst ihre Tabackspfeife. Für j^des dieser wichtigen Ge» schäfte sind eigene Diener bestellt, anch der das Handtuch reicht ist ein besonderer Diener, er hält während des Waschens mit beiden Händen das Tuch bereit, wche ihm, wenn er, nachdem das Waschen geschehe,!, es ihm nicht mit Oeschicklichkeit so auf die Hände wirft, daß es ganz stach darauf liegt, die Strafe würde augenblicklich folgen! Anch der Wäscher muß bei seinem Geschäfte eine besondere Stellung einnehmen. Er kniet vor dein Herrn so, daß der linle Fuß bis zum Knie fiach auf den, Boden unter ihm liegt, während der rechte dicht an demselben so zu stehen kommt, daß die Fußsohle auf der (5rde gerade und das Knie senfrecht darauf steht. Eine abscheuliche beschwerliche Hallung! Uebrigens folgen selbst arme Perser und Tataren hierbei gewissen Sitten und Negel», die nie verletzt werden dürfen, Abcr auch vornehme Armenier haben diese Sitten nachgeahmt und angenommen, an, treuesteu die Geistlichen iu Edschmiazin, die große Sorgfalt darauf verwenden, den Schülern und jungen Geistlichen einzuprägen, daß diese und ähnliche Dienste zur feinsten Weitbildung g,horen. Abowian konnte sich vor Erstaunen nicht fassen, als er zum ersten mal den Neiscnbrn Parrot sich selbst waschen sal,! 197 den Häusern, Gärten und dem Weine ii"» Tuman (7.", Rnbrl Silber, bei dem damaligen hohen Geldwert!) aber etwa 100 Nubel Silber), Vom Korn sollte der Zehnte gehoben werden, wobcl aber nicht die zehnte Garbe, sondern der zehnte Theil des Ausdrusches genommen werden sollte. Der Sarkjar ließ alles Korn auf einen My zusammenbringen, auf einer Tenne ausdreschen, und nahm dann die Abgabe gleich davon ab, aber er begnügte sich nicht, wo er nicht etwa ernsthaften Widerstand besorgte, nut dem Zehnten, sondern nahm den Fünften, Vierten, ja zuweilen gar ein Drittheil. Der frühere Sardar foderte anfangs l00 Tuman von den Gärten und vom Wein, 80 Tuman vom Hause und als Kopf^ fteuer, und vom Korn den dritten Theil (wie in ganz Persien), begnügte sich dann aber mit 80 Tuman und ^ des Korns, Man sieht, die Abgaben hattm den Charakter des Tributs, man spannte ihn so hoch als möglich, und feilschte und lies, nach Umständen nach! Gegenwärtig in russischer Zeit sind die Abgaben fest normirt. Kanakir zahlt statt aller frühern Abgaben jetzt Alles in Mem 504 Nubel Silber. Und dann musi noch jede Familie für den Postucrkehr zahlen 7 Abbas (< Nubel 75 Kop, Silber). Die Dienste für Wege und Brücken, sowie die Beamtenfuhren müssen in Natura geleistet werden. Die Gehöfte des Dorfes Kanakir bilden geschlossene Vauerhöfe, die Feloer können nicht verkauft oder vertauscht werden, wol aber die Gärten. Dies gilt aber nur, so lange die Familie zusammen lebt und eine Einheit bildet. Dies ist Regel, so lange es nur irgend gehen will, oft zwei bis drei Generationen hindurch. Wer^ den der Glieder aber zu viele oder brechen ernsthafte Streitigkeiten auS, so theilen sie gütlich oder lassen sich durch die Priester oder Dorfältesten auseinandersetzen. Alle Söhne haben gleichen Antheil, jede Tochter einen halben Sohnsantheil; heirathen die Töchter bei», Leben der Acltern, so haben sie kein Recht auf ein Grbtheil, sondern erhalten nur eine Ausstattung, Wenn sie nach der Aeltern Tode heirathen, verzichten sie in der Regel auf ihr Erbtheil zu Gunsten der Prüder, Das Familienleben und die Familicnverfafsung des armenischen Volks sind qanz patriarchaler Natur, allein sie weichen in einem 198 Stücke tief und wesentlich von denen der übrigen asiatischen Völker ab; dies ist die Stellung des weiblichen Geschlechts, die Anecken-nung der Selbständigkeit, der Gleichberechtigung und der Würde desselben, die sich in der armenischen Familienverfassung wie ill ihrer Person ausspricht. Hierin liegt meiner Meinung nach der Beruf der Armenier zur höhern Menschencultur, sowie in ihren emi-nenten geistigen Anlagen ihre Znkunft, die sie zum Mittel- und Verbindungögliede zwischen Europa und Asien berufen zu haben scheint. Bei den mohammedanischen Völkern wird das Weib nur halb als Mensch anerkannt, es ist die geborene Sklavin des Mannes: ich glaube der Veruf zur Cultur bei den europaischen Völkern beruht hauptsächlich in der Anerkennung der gleichberechtigten menschlichen Natur des Weibes und der tiefen Achtung gegen dasselbe, Nnr das mohammedanische Volk, wo wenigstens in dcr Sitte und der Poesie das ritterliche Gefühl gegen das weibliche Geschlecht sick aussprach, die Mauren in Spanien, war daher einer höhrrn Cultur-stufe fähig, Vei den 'Armeniern ist ein außerordentlich starker innerer Na-tionalverband sichtbar. Der größere Theil des Volks ist über drei Welttheile zerstreut, aber nirgends ist bei ihnen ihre Nationalität verwischt, nirgends sind sie in den Völkern aufgegangen, unter d,'»en sie wohnen. Sie stellen sich in dieser Beziehung unmittelbar den Juden zur Seite, dem größten Geheimnis, und Räthsel der Weltgeschichte, dem ewigen Volte Gottes, unzerstörbar für alle menschliche Kraft, weil dcr Finger Gottes es bezeichnet hat. Die Juden haben eine religiöse Verfassung, die zugleich Volks und Staatsverfassung ist und die eine solche intensive geistige Kraft besitzt, daß sie die überall zerstreuten Glieder ohne äußern Mittel punkt, ohne ein Oberhaupt, als Ganzes seit fast 2000 Jahren zusammenhält. Auch bei den Armeniern ist die religiöse Verfassung das mächtigste Element der Nationalität, auch hier hat die Reli gion dm Charakter einer Nationalreligion *). Aber die Armenier ') Dies ist s» durcygtrlfcnb, daß die Aimemcr in Tiftis u, s, ,v,, welche sich R^'m uutcrnvrfrn haben, sich nicht mehr Armcincr nemicu, ja diese Vcnemnmq stolz zurückweisrn, sonrrrn Katholifen, 199 haben vor dm Juden den Vortheil innerer Kraft voraus, daß sie rill reelles Vaterland, eine Heimat, noch gegenwärtig inne haben, von wo sie ausgegangen und worauf sie stets zurückblicken können, und in diesem Vaterlande selbst einen religiösen das Ganze zusam menhaltenden Mittelpunkt in dem Patriarchat von Edschmiazm, Der innere Patriarchale Nationalverband des armenischen Volks spiegelt sich nun im Mikrokosmus des Volks, in der Familie, wieder ab. Ich habe kein Volk kennen gelernt, wo das Familien band enger, fester, inniger wäre, als bei dem armenischen, So lange die Häupter der Familie, Vater oder Mutter, leben, lebt stets die ganze Familie ungetrennt und ohne irgend eine Ver^ mögensscheivung zusammen im unbedingten Gehorsam gegen das Haupt, Es ist nicht selten, daß bei einem 8l)jährigm Patriarchen drei Generationen zusannnensitzcn und leben, vier bis fünf verhei-rathete Söhne von 50—llt) Jahren, dann noch Knkrl von 30 Iah^ ren und deren Kinder. Keine Absonderung des Vermögens, kein Glied kann etwas für sich erwerben, es erwirbt nur für das Ganze! W gibt auf solche Weise Gehöfte, auf denen Familien äft bis 50 Köpfe stark leben. Selbst Arüder trennen sich nur sehr ungern; gewöhnlich tritt nach dem Tode der Arltern der älteste Sohn an die Spitze der Familie, und dann ganz mit dem Nechte des Va lers. Grst bei den Gnkeln beginnen vie Theilungen. In einer solchen Familie sehen die Glieder derselben Gene ration, also sämmtliche Onkel aus den verschiedenen Chen, sammt liche Urenkel sich untereinander als Geschwister an, nennen sich auch so untereinander und wenn sie von einander sprechen. Als Abowian mich zu dein vorhin gezeichneten Gehöfte brachte, sagte er: „Ich will sie an das Gehöft meines Schwagers brlna/n," W war aber nur der Mann seiner ssousine! Unter riefen ,,Ge schwistern" herrscht die allergrößte Vertraulichkeit und geschwister lichc Liebe, aber auch nie etwas Anders, die große Sittenreinhrit bewahrt davor. Allein die religiösen Satzungen befestige» hierbei die nationalen Sitten un? Anschauungen, Dir armenische Religion verbietet namentlich die Ehe bis zum siebenten Grade der VllitS nhstammung hindurch; Ehen zwischen Urenkeln (sechster Grad) sind noch uöllig umnöglick, darüber hinaus ist Dispens in l5dschmiazin 200 möglich, aber schwer ^u erhalten. Wo aber die Ehe unmöglicl' ist, regt sich die Sinnlichkeit nicht' Aber, fragt man, wenn Gehorsam gegen das Familienhaupt auch ein mächtiges Band des Zusammenhalts ist, so ist dock dauernde Einigkeit unter fünf bis sechs jungen Weibern allen unsern Erfahrungen „ach fast eine Unmöglichkeit! Wenn es irgend möglich ist, so ist dies bei den Armeniern der Fall, in Folge ihrer einzig in ihrer Art dastehenden eigenthümlichen Erziehung des weiblichen Geschlechts, Ich nenne es Erziehung, und es ist allerdings eine rigorose: aber Sklaverei und Unterdrückung ist es nickt, wie sich »veiter unten ergeben wird. Die unuerheiratheten jungen Leute beider Geschlechter genießen der uneingeschränkten Freiheit in den Grenzen der Sitten und Ge^ wohnheiten. Während bei allen umwohnenden Völkern der Weiber-kauf die hergebrachte einzige Form der Schließung der (5hen ist, wenn bis dahin die jungen Mädchen vort völlig eingeschlossen bleiben, herrscht dagegen bei dcnMrmcniern die vollkommenste Freiheit der Annäherung unter einander. Die jungen Mädchen gehen un-verschleiert, im bloßen Kopf, wohin sie wollen, die jungen Männer dürfen sich offen lim ihre Liebe bewerben, und die Ehen, auf ^icbeö-bündnisse begründet, sind häufig. Aber anders ist es mit der jun gen Frau! Das Ja! vor dem Traualtare ist vorläufig das letzte Wort, was man von ihr hört! Von da erscheint sie überall, selbst im Hause, tief verhüllt, besonders den untern Theil des Gesichts, den Mund, ganz verdeckt, selbst die Äugen hinter dem Schleier. Niemals erblickt man sie auf der Straße, selbst in die Kirche geht sie nur zweimal im Jahr, Ostern und Weihnachten, unter dichtem Schleier; tritt ein fremder Mann ins Haus oder den Garten, so versteckt sie sich augenblicklich. Mit Niemandem darf sie nur ein Wort sprechen, mit dem eigenen Vater und Prüder nicht' Nur mit dem Manne spricht sie, wenn sie mit ihm allein ist! Mit allen Nebligen im Hause darf sie sich nur durch Pantomime *) *) Ich sah zu meiner größten Verwunderung. daß oicie Pantomimen dasselbe waren, was man auch bei unS unter jungen Leuten, besonoers Mädchen, häufig als ein Spiel sieht, c? werden Zeichen mit den Händen, den Fingern, dmch Uebereinandcrleqen, Kreuzn, Zusammensetz,»» der Fin- 201 verständlich machen. In diesem durch die Sitte gebotenen Stumm sein beharrt sie, bis sie das erste Kind geboren. Von da an wird sie wieder allmälig emancipirt, sie spricht mit dem neugeborenen Kinde, dann ist die Mutter ihres Mannes die Erste, mit der sie spricht, nach einiger Zeit darf sie mit ihrer eigenen Mutter spre. chen, dann kommt die Neihe an die Schwester ihres Mannes, dann auch an ihre Schwestern, Mit den jungen Mädchen des Hauses beginnt dann ihr Gespräch, aber Alles nur sehr leise, flüsternd, daß eS keiner der Männer hört! Grst nach sechs und mehr Jahren ist sie völlig emancipirt und ihre Erziehung vollendet, doch ist es nicht schicklich, daß sie je mit fremden Männern spräche oder daß diese sie unverschlelert sähen. Wenn man diese Haussitten mit Hinsicht auf die übrigen Verhältnisse des Volkslebens der Armenier scharf ins Auge faßt, so kann man nicht umhin, anzuerkennen, daß eine große Menschen^ kenntniß, eine tiefe Beurtheilung ves menschlichen Herzens, der Neigungen und Leidenschaften, unö daraus entgegentritt, Waren es Gesetze, sie wären eines Solons würdig; so sind es nur Sitten und Gewohnheiten, die sich fast ohue bewußten menschlichen Willen ausgebildet haben! Wir haben schon gesagt, ei» liege in diesen Sitten keine Unterdrückung'), sondern nur eine Erziehung des weiblichen Geschlechts, gor u, f. w, gemacht, wodurch Buchstaben oder Silben bezeichne« werden. Gin ähnliches Spiel ist, bei nnS in Deutschland, daß man beim Anfang, der Mitte oder dem Ende der Wörter beim Sprechen gewisse Silben zwi-schensetzl und ausspricht. Wer dann rasch spricht, spricht Jedem nnver stäublich. der nicht in daS Geheimniß dieser Sprachweise einqeweiht ist, nur die Eingeweihten verständigen sich auf diese Weist leicht. Bei den Tschertessen. besonders in der Kabardah, findet man dasselbe. Nenn zwei mit einander reden wollen, daß die übrigen sie nicht verstehen sollen, j> sehen sic nach gewissen Regeln die Silben ! u nnd si zwischen den Warten, am Anfang, per Mitte, oder oem Gnde derselben. DaS, was uns jetzt willkürliche, kindische Erfindung und Spielerei scheint, könnt»' cim f5nd>-eine tiefere historische Vedeutimg haben! *) Die Frauen der Armenier werden nie zu schweren Arbeiten ans gefodert, sie verrichte» nur die kleinen Hausgeschäftc, sowie rie leichte:, Gartenarbeiten, Selbst der armenische Bauer ist viel zu zärtlich gegen feim-Lebensgefährtin, um sie bei Feldarbeiten von der Son»? verbrennen zu lassen. 2U2 denn das Weib wird nach der Vollendung dieser Erziehung, nach den Prüfungsjahren, frei und tritt in die vollen Rechte der Ehefrau, der unabhängig» Hausfrau, Ja, ist ihr Mann das Familienhaupt und überlebt sie ihn, so tritt sie durchaus in dessen Stelle und Rechte, und ihr wird mit derselben Ehrfurcht gehorcht, wie dem Vater, dem HauZpatriarchen. (Die Mutter Abowian's war in dieser Stellung.) Sie hat alsdann eine Stellung wie sie keine Frau im Orient hat, ja eine chrfurchtgebietendere, als selbst bei uns in Europa. Ferner, welch ein inniges tief abgeschlossenes Gheverhälmiß wird dadurch begründet! das Weib lernt nur in dem Manne zu leben, iu ihm ganz aufzugehen, nur durch ihn mit der übrigen Welt im Verkehr zu stehen! Diese Abgeschlossenheit dauert Jahre laug, sie wird zur Gewohnheit, die Innigkeit des Cheverhältnisses hat Zeit, sich völlig zu consolidiren; selbst wenn das Weib später oie Redefreiheit erlangt hat, wird sie nur mit Masi Gebrauch davon machen, ihr Charakter hat Gelegenheit gehabt, sich auszubilden und zu befestigen, sie ist in ihren jungen Jahren behütet vor der Verführung, zum Geklatsch zur Treiberei, zur Intrigue; in spätern Jahren wird sie wol in der Regel hiermit nicht erst anfangen. Wir hörten, daß die Ehen der Armenier fast stets glücklich und musterhaft seien. Die Sache hat übrigens, wie schon angedeutet, auch ihre hei^ tcrc fast humoristische Seite. Würden sich fünf bis sechs junge Frauen (mit allem schuldigen Respect gegen die Frauen sei es ge-sagt) in einem und demselben Hause vertragen? würden nicht br ständiger Streit und Disput, Geschrei, Klagen, Thränen im Hause zu finden und zu hören sein? würden nicht die Männer stets mit hineingezogen werden? würde dann nicht am ßnde selbst die Auto rität des Familienhaupts zu Grunde gehen? Allen Dem ist vor gebeugt. Wo der Zunder zum weiblichen Hader, die spitzen, schar fe» Worte, fehlen, wird er schwerlicl' ausbrechen! sich mit Pantomimen zanken ist auf die ^'änge schwer, dabei würde auch dao unausbleibliche Lachen der Zuschauer begütigend einwirken, selbst die später erlangte Redefreiheit, die nur das Flüstern gestattet, ist dem Zanken nicht günstig, kurz, wer ein großes Hauswesen mit 20A mehren jungen Frauen zu leiten hätte, dem wüßten wir wirklicl, nichts besser zu empsehlrn, als diese armenische Sitte einzuführen! Ich lasse hier aus dem Familienleben und den Iugendcrinne nmgen Abowicm's einige Züge folgen, wie er sie mir theils schriftlich, theils mündlich mitgetheilt. Sie werden dazu dienen, über den Charakter des armenischen Volkslebens einige Schlaglichter zu verbreiten. 'Alle ältern Einwohner Kanakirs erinnern sich noch mit Stolz und Ehrfurcht einer imponirenden Persönlichkeit, die unter ihnen gelebt, es war der Großvater Abowian's. Ein großer, schöner Mann, von stolzem und doch mildem und freundlichem Wesen, voll Thätigkeit für alles Gute, ein Schatz für Jeden der in Noth war, ein glücklicher Gatte uno Hausvater, reich, aber im höchsten Grade mildthätig, mittheilend und gastfrei stand er im größten Ansehn bei Armeniern und Tataren, und selbst bei den vornehmen Per sern. Er hatte Gewerbsanstalten und besaß Vuden in (5riwan, die er vermiethete, dann ein bedeutendes Grundeigenthum, beson^ ders herrliche Gärten, deren einer a» der Straße von (Kriwan nach liflis in einem Umfange von fast einer Stunde, mit vielen hun^ derten von mächtigen Wallnußbäumen, Acpfel-, Kirsch-, Pfirsich-, Aprikosen , Maulbcer-, Pschatbäumen *) und herrlichen Wein geländen, von ihm lediglich bestimmt zum Genuß und zur Ve uutzung von Fremden. Drei bis vier Gärtner waren eigens angestellt, um ihn zu bauen, in Ordnung zu halten und zu beaufsichtigen. Jedem vorbeiziehenden Wanderer war es gestattet hineinzugehen und, so viel er wollte, zu rffen und mitzunehmen. Alles Obst, was abfiel oder vom Winde herabgeweht ward, wurde an jedem Morgen in Körben gesammelt vor dem Gattertbor aus gesetzt, damit Jeder, dcr elwa von jener freien Benutzung des Gar tens selbst nichts wußte, Antheil an dem Genuß nehmen konnte. ') Pschcttbaume, mit einer dattelähnlichen Frucht, dic sehr wohlschmeckend ist: dic Blüte verbreitet ilnm O»hla>'ruch weit muh«, ihr äußres Ansehe» hat Achnlichfoi» mit ciner Weide. Die Tataren »eninu ih« Igba. Der botanische Nanu' ist sil?.',»<>«>,' l^tt'.'!^m!5. 20t Was die Wanderer und Aufscher des Gartens nicht verzehrten, da<5 holten die Armenier und Tataren aus den Gebirgsdörftrn, die fast kein Obst hatten, theils des rauhen Klimas halben, theils weil ihnen der Einn und die Lust für Gartenaulagen abgeht. Die im Sommer nicht genießbaren Winterfrüchte und der Nein dieses Gar tens wurden in einem eigenen Vorrathshause aufbewahrt, welches ebenfalls Jedermann zur Benutzung offen stand. „Diese freie Be^ nutzung deS GartcnS, diese Gastfreiheit im ausgedehntesten Maße besteht noch jetzt, aber meine Aeltern klagen mit Thränen, das, sie nicht mehr reich genug seien, jene Leute zum Vau und zur Aufsich! des Gartens zu halten und daß sie nicht Das mehr thun könnten, was der Vater that," (Wörtlich aus dem Erinnerungsbuch Abo-wian's.) In jener Zeit war das Haus nie leer von Gästen, es ging selten Jemand auf der Landstraße vorüber, ohne als freund llch empfangener Gast einzukehren, der Patriarch von Gdschmiazin, die Bischöfe, Geistlichen und Laien bunt durcheinander gingen aus und ein. Welche Erquickung bei der ungeheuern Hitze des Sommers und dem glühend heißen Boden Obst und Wein dem Wan^ derer sind, und wie dankbar er den Garten verlassen mochte, kann Jeder denken, aber daS ganze Volk dieses Landes hält zugleich auch Obst und Wein für das beste Mittel wider alle Krankheiten. Kaum fühlt sich Jemand unwohl, so ist sein erstes Verlangen nach einem von beiden, oder nach beiden zugleich. Selbst auf dem Sterbelager behauptet man noch wohlthätige Wirkungen dieser Universalmittel, In jedem Jahre machte der Großvater in Begleitung seiner Frau und seiner Söhne eine Wallfahrt nach Edschmiazin. Es ist fromme Sitte bei den Armenlcrn, an den fünf Montagen nach oen fünf großen Festen, welche vorzugsweise dem Gebete für die Ver storbenen gewidmet sind, deren Andenken zu feiern. Man bringt dann Fleisch, Brot, Wein. Früchte zu den Gräbern der Verstorbenen , läßt sie durch die Geistlichen einsegnen und vertheilt sie dann unter die Armen, auch pflegt man an diesen Tagen die Kirche des Orts mit reichen Geschenken zu bedenken. Vor Allem aber setzt ein Jeder, der es vermag, eine Ehre darin, an solcken Tagen die PatriarchaikathrdnUe in Edschmiazin zu beschenken. Es fließen unermeßliche Gaben aus der Türkei, aus Persien, Indien, Aegnptcn, ^05 auS Konstantinopcl, Moskau. Petersburg, Astrachan dorthin zusammen. Die ihre Gaben dort persönlich hinbringen, erzählen bei ihrer Rückkehr mit Rührung und Thränen, wie sie dort gewesen, den heilige,, Ort, den Mittelpunkt der Kirche gesehen, wie der Patriarch sie gesegnet, ihnen die Hände aufgelegt, wie sie seine heiligen Knie geküßt, wie man ihnen ein von ihm gesegnetes GlaS Wein gegeben und die heilige Nschchar*). Abowian erzählt: Die Vorbereitungen zur Wallfahrt wurden im Hause meines Großvaters lange vorher gemacht, mein Vater war sieben, mein Onkel neun Jahre alt, als sie zuerst mitgenommen wurden. Sie wurde» in das feinste Tuch und Seivenzeug neu eingekleidet, diesmal in glänzend purpurroth, das folgende Jahr scharf grün, dann blau, dann gelb, kurz, jedes Jahr in einer andern Farbe. Die Schuhe waren vom grünen Leder, welches mcm aus Pferdehäuten vortrefflich zu bereiten versteht. Es ist aber sehr theuer und nur reiche, vornehme Leute können es anschaffen. Die Knaben waren blühend und schön wie die Engel. (5in Dolch steckt im Gürtel, ein kleiner Säbel an der Seite, sie reiten auf muntern, schlanken Pferden. Zwei bis drei Lastthierr «ragen die Geschenke für das Kloster. Der Großvater auf prackt-voll geschmücktem Pferde reitet mit der Gattin voraus, eine zahl reiche Karavane folgt. In jedem Dorfe sammelt sich Alles und man hört sie sagen! ,,Da pilgert der fromme Mann wieder, wer wird so viel thun, wie er!" Kaum erreichen sie die Nähe tes Klosters, so kommen ihnen schon niedere Geistliche entgegen, um sie ') Nschchar ist die Venrnnnng des Brötchens, welches brim Abend-mayl dient. (6s sind runde Scheibe» feinen ÄroteS, welche in einer lwl^ zerne» Form, worin die Kreuzigung Christi und die Marterwerkzeuge, umgeben von einem Olnmensranze, geschniht sind, zusammengedrückt worden. Die Form findet sich in jeder armenischen Kirche. Die Brötchen dienen bei der Messe und dem Abendmahl, allein die nicht geweihten werd,,i auch auf Ostern und Weihnachten von den Priestern in jedem Haust, in Welches sie zum Segnen und GraNiliren eiutretcn, vertheilt. Jeder em Pfängt sie mit Ehrfurcht und beschenkt dafür die Priester. In Edschmiaziu »ristirt eine besonders schöne Form. Wer dort selbst eine Nschchar empf.,n gen hält sie hoch in Ehren bis zum Tode, wo man sie auf die Vrust l^s Gestorbenen legt und mit iiw Gnib gibt, 200 zu empfangen, und Diener, die Pferde abzunehmen. Im Hofe des Klosters kommen schon Visckofe nnd Archimandriten, theils vom Patriarchen zu ihrem Empfange geschickt, theils von selbst als alte Freunde, Jeder will sie in seine Gemächer führen, aber schon bat der Patriarch ungeduldig geschickt, nm sie zu ihm zu führen, Man bringt sie herauf. Vor der Empfangshalle bleibe« Alle. bis auf ein paar vertraute Bischöfe, zurück. Diese führen sie ein. der Patriarch sitzt auf einem mit Pfühlen und kostbaren goldgestickten seidenen Teppichen bedeckten Sitze. Schwarzseidene weite Kleider wallen vom Hals zu den Füßen herab. l>ine p^ramidalförmige hohe schwarze Mönchsmütze, auf deren Mitte ein brillantenes Kreuz blitzt, bedeckt die Stirn des ehrwürdigen Greiftnhaupts, hinten wallt ein schwarzseidener Schleier bis auf die Mitte des Nückens herab. Es ist cine Mbel, ein Gebetbuch oder ein Rosenkranz, womit seine Hände und Finger sich beschäftigen, die mit Brillant ringe»l bedeckt sind. Der silberweiße glänzende Bart bedeckt seine ganze Brust. Wer sich ihm nähert, kniet nieder und küßt ihm Hände und Knie. Nur wenige Worte spricht der Patriarch in der Regel, meist nur Segensworte. Die Sitte bringt es mit sich, daß nur die gegenwärtigen Vischvfe sick rccl'ts und links neben ihn setzen, und auch dies nicht, ohne von ihm aufgefodert zu sein, Kei-ner darf, ohne vom Patriarchen angeredet zu sein, sprechen, und auch dann nur bescheiden, unterwürfig uud mit lobpreisenden, schmricheluden Worten. Diese strenge Cttikettr gilt vorzugsweise i>, Gegenwart von Fremden und bei feierlichen Gelegenheiten. Zutritt zum Patriarchen habeil aber nur wenige der höhern Geistlichkeit, die niedere Geistlichkeit und das Holk sehen ihn nur Samstags und Sonntags in der Kirche. Anders aber war es mit meinem Großvater, ihn« war der Patriarch ein lieber alter Freund! AlS er eintrat fielen alle Crre monien weg, Lieber, lieber Großvater, riefen die Knaben und sick von der Hand der Aeltrrn, die sie zurückhalten wollen, losreißend, stürzen sie dem Patriarchen an die Vrust. Der steht aus und geht seinen Gästen mit ausgebreiteten Armen entgegen- „Willkommen deine Ankunft, dein Wiedersehen, mein Herzenssohn, komm du ^euätter meiner Kirche, Burg unserö Klosters! und auch du sei 207 willkommen, liebes Mütterchen, du treue Tochter meiner Kirche' Hhr habt an uns Sündige gedacht, die Quellen Edens mögen sich in euer Hans ergießeil, der heilige Gregor mag euch schützen, HerzenSkindrrcken, ml'scknldige Blümchen des Frühlings, kommt Alle cm mein Herz, ich habe euch lange vermißt, jetzt hat mein Äuge sein ^.'icht bekommen! Kommt setzt euch und laßt uns froh sein!" Dann setzt er sich, die Gäste dicht um ihn, die Kinder auf seinen Schoos, von ihm stets gelirbkost, und während er milden Aeltern ernsthaft über Angelegenheiten der Familie des Hauses, der Gemeinde des Volks, der Kirche spricht, laufen jene im Zimmer umher, springen wieder auf seinen Schoos, spielen mit seinem Bart, mil seinen Händen, ziehen ihm die Ninge ab, Probiren sie auf den eigenen Fingern, beklagen sich, daß sie nicht passen und stecken sie ihm wieder an. Die Aeltern wollen dem Lärmen wehren, aber der Greis bittet für die Kleine», die dann bald aus der Thür laufen, den ganzen Palast des Klosters dnrchstürmrn, dann in den Garten laufen, von den Bischöfen, den Geistlichen überall aufgehalten nnd geliebkost. Am Bach und Teich wollen sie mit den Fischen spielen lind bellageil sich nachher aber beim Patriarchen, daß sie sich nicht wollen fangen lassen und daß einer von den schwarzen Männern sie an ihrem Herumschwärmen hindern wolle, „Seid mir r»hig Kinderchen, dem bösen schwarzeil Mann werde ich zeigeil, was es l'eißt, meine Kinderchen zn beleidigen, nnd die ungehorsamen Fische sollen heute von selbst auf unser Tischtuch kommen, weil sie nickt von euch sich Yaben fangen lassen." Die jährlich sich wiederholenden Tage in (zdschmiazin waren die größteil Festtage für die Kinder und die Ehrentage für die Großältern. Mein Hater erzählte mir immer von ihnen als seinen liebsten Ingeuderinncrungel,. Am zweiten Tage war der Frendentag für dir Geistlichkeit. Da wurden die mitgebrachten Geschenke ausgetheilt. Jeder, vom Patriarchen bis zum niedrigsten Kirchendiener, erhielt ein Geschenk*). *) Dies ist natürlich nur bei reichen Wallfahren, (^lnauch, al^-r bei solchen ist es auch ein Vhrenvunst, und sucht daher einer den andern durch reichere Geschenke aufzubieten, mu in (5dschmiaziu besonders gek'bt und geehrt zu weroen. Vcim Vtorgen^edet, wo die gl'sammte GeistÜchfl'it i» der Kirche versammelt ist, wnd das Geldgeschenk sdie Daschta»!0<5> 2U8 Nach dem Mittagsgrbct war von meinen Großältcrn ein großes Gastmahl angeordnet") bei welchem die Kinder umhergingen und vertheilt. IedeS Geschenk wird i» Papier gewickelt und sämmtliche auf eine große Schüssel, jedoch „ach ihrer verschiedenen Größe, auf besondere Haufen gelebt, Ein Geistlicher übernimmt die Hertheilung. Am Nande der Schüssel steckt ein Licht, denn es ist noch Nacht, (sr geht zu Jedem, vom Patriarchen bis zum letzten Diakon, und brückt ihm daS für ihn bestimmte Geschenk in die Hand, Eü geschieht, wenn sie auch gerade etwa singen oder beten. Während des Empfangs drehen die vornehmern Geistlichen, die Bischöfe, meist die Köpfe zurück, als ob sie nicht wissen wollten, was ihnen in die Hand fällt, nnd stecken eS dann nachlässig in die Tasche, die lungern aber freuen sich lindlich, nicken dem Geber dankbar zu und fangen gleich an, ihren erhaltenen Schatz zu zählen. Es sind meist türkische Paraa und gewöhnlich 100 zusammengewickelt. Welche Freude, wenn einer etwa ein Paar mehr findet, und die Trauer, wenn welche fehlen. Der 'Anthcil des Patriarchen beträgt meist zwischen 1 und 10 Dukaten, die Bischöfe besommcn gewöhnlich l Rubel Silber, die Archimnndriten und Mönche 2 Nubel Vaneo, die Archidiakoncn 1'/, Nubel Vanco, die Dia° lonen endlich 1 Nubel Vaueo. ^ Im Ganzen sind etwa stets zwischen 80 und 100 Geistliche im Kloster, so daß dies Geschenk außer dem für die Patriarchen, immer wol 50 60 Nudel Silber betragen mochte. Diese Geschenke sind nicht blos bei den reichern Armeniern üblich, sondern wer-de» auch von den Abgeordneten aller armenischen Klöster wie sie in eine«, großen Theile Asien«? und Europas zerstreut sind, und die jährlich einen Tribut an den Patriarchen zahlen, dargebracht. Desgleichen von allen Denr», die zu Nischofen gewählt oder bezeichnet sind nnd nun nach Edsch miaziu kommen, um vom Patriarchen die Weihe und Anerfennung zu erhalten. Die Vaien geben diese Geschenke, un, ihre Ergebenheit für den Mttelpuilkt ihres religiösen Cultus zu bezeugen und um Fürbitte u»d Gebete für sich nnd ihre Verstorbenen zu erlangen. Gewöhnlich erhält der Patriarch die meisten und größten Geschenke von der Geistlichkeit, imd die Mönche in Edschmiazin die größten von den Laien. "> Diese von den Wallfahrern gegebenen Gastgebote, stets aus dnl Speisen bestehend, sind sehr gebräuchlich: wohlhabende Armenier, dene» die Geldgeschenke zu schwer fallen, geben wenigstens ein solches Gastmahl. Nachdem die Gerichte gegessen und die Weingesäße herumgereicht sind, beginnt ein Geistlicher, gewöhnlich der Geamorhnog (wörtlich der Kirchensänger, der bei jedem Gottesdienste in der Kathedrale bei den Ge-beten »ud Gesängen anfängt und intonnt, auch einige Gebete verrichtet, welche die übrigen Geistlichen nicht verrichten dürfen. Nur Bischöfe fönneu dieS 'Amt erhalten, welches übrigens sehr beschwerlich ist, da er bei jedem Gottesdienste von Anfang bis zu Gndc in der Kirche ausdaueru muß!, bei besonders feierlichen Fällen der, welcher im Nufe der größern 2N9 jede,» Geistlichen Fn'lchte schenkten. Nach einen, Aufenthalt von zwei oder drei lagen lehrt.» Alle wieder fröhlich in die Heimat zurück, wobei viele Geistliche ihnen noch aus einiqe Werste writ das Geleite gaben." Die Arltern Abowian's waren nicht mehr reich genug, um solche reiche Geschenke zu gebe», doch machten sie anch noch alle Jahre einmal eine Wallfahrt, wo sie sich aber begnügten, jenes Gastmahl zu veranstalten. Mein Freund Abowian ward von seinen Äeltern zum geistlichen Stande bestimmt. Äls ihn sein Vater in seinem lO. Jahre nach Edschmiazin brachte, um dort erzogen zu werde», stellte er ihn dem alten Patriarchen Vutas vor; da sprach der zu seinem Vate»! ,,Deiu Vater war ein tugendhafter Mann, und ich und mein Klo ster sind seinen Wohlthaten viel schuldig, dein seliger Vater war ein Muster christlicher Gesinnungen und Handlungen, der letzte Geist licke unter uns hat von ihm Gutes empfangen. Daher ist es eine Freude für uns, jetzt deinem Hause einen kleinen Dienst zu leisten, indem wir diesen Knaben aufnehme,:." Dann segnete er den Kna ben und sagte ihm- „Tröste dich, mein Sohn, wenn dem Vater ,etzt weggeht, und daß dich dein« Mutter nicht mehr sieht; ich werde künftig drill Vater sein, komm zu mir und umarme mich, lind küsse meine Hand." Vereotsamfeit steht, von seinem Sitze aus den Urheber dieser Gastlichkeit ,li nenncii und zu preisen, (5r lol't seine Frömmigsrit, sein dargebracht Opfer, spricht über seine Herkunft, seine» Stand, den Zweck seiner Reise u. s, w. Zum Thema wird ein biblischer Spruch genommen, dessen Sinn nnd Anwendung auf daS Gastmahl und seinen Geber auseinandergelegt wird. Stolz setzt er sich auf seinen, Sitze fest, de» Kopf rechts und linke« wendend nnd die Zuhörer anschauend. Die Kunst ftiuer Aeredtsamkeit besteht im Auswerfen von seltsamen Fragen, die mit spitzigen Oiuwen' düngen gehoben und dann von ihm selbst l'^n>twort>t werden, hin und wieder werden aus dein Altarmenischeu (der Kirchcnsprache) Worte und Redensarten eingeftochteu, die '/, „ der Anwesenden nicht verstehen, die aber den Schein der l^rlchlsmnteit geben sollen. Die Rede wird in scyril lendem Tone herau>>geschrie», Hiach Veendigimg der Rede wird von ueuei» in großen Gefäßen Wein uinhergereicht, der gefeierte Gastgeber bedankt sich. Die geistliche» Geschenfbringer erhallen als Gegeugescheuk eiuen Mantel, die schenkenden Laien aber nichts. 14 210 'Abowian's Großvater lebt noch gegenwärtig im Andenken alier klirrn Leute der ganzen Orgend, Abowiau erzählte, daß, als er noch ein Knabe war, mchre angesehene Freunde aus Criwan seine Aeltern besucht hätten Sie hätten im Garten unter schattigen Väumen sitzend sich erquickt u»d ergötzt, und er habe sie bedient, dann wären sie plötzlich traurig geworden und hätten mit der Hand nach einem Ort gezeigt, wo sie oft mit drm Großvater zusammen-gesessen, geplaudert und sich vergnügt hätten. Nach einigen Augenblicken des Schweigend sagten sie: „Dort saß er so oft, die Mütze schräg alls den Kopf gesetzt und mit beiden Händen seinen schönen Äart streichelnd, unser lieber, alter Freund Abow, heiter und froh. m,d wir um ihn herum. Alles habe ich, sagte er wol zu uns, nias Gott deu sündigen Menschen geben kann, Kinder, 3ieichthum und Liebe von alleu Menschen. Daher habe ich diesen Garten ihm und den Armen geopfert, damit sich Alle recht daran erfreuen und genießen können! Wir sehen ihn noch vor uns, die hohe edle Gestalt, mit einem Nock vom feinsten Tuch bekleidet, seine Mütze von den theuersten persischen Schaffellen, seine Beinkleider von Purpur-rother Seide, sei» Gürtel war eiu kostbarer Shawl, in welchen er einen kurzen Dolch steckte. Wie ein König erschien er uns! wir steckten das Kjabek (den Spießbraten) an die hölzernen Spieße, dritten es am offenen Feuer und aßen es fröhlich zusammen und tranken den kühlen Wein dazu! Sein Reichthum war ein Meer, nnd sein Herz der Besitzer desselben, was unerschöpflich für uns Alle war! (sr und sein Reichthum sind hin, doch du braver Sohn unsers Freundes, so lange noch dein Haus besteht uud das Feuer .ms deinem Heerde nicht gelöscht ist, werden wir euch lieben und ehren, wie wir es euch schuldig sind!" Abowian erzählte noch eine allerliebste Geschichte aus seiner eigenen Jugendzeit, die charakteristisch genug für das dortige Volksleben ist, (5'inst waren wir Alle in jenem schönen Gartrn. Es war Herbst, uuv wir waren daran, die Winterfrüchte einzusammeln; mein Vater hatte einen Birnbaum bestiegen, um die Früchte abzunehmen, deren ickou eiue Menge auf einem Haufen zusammengelegt waren. Da sl I trat ein Derwisch ") in den Garten, Mein Vater grüßte ihn ss«,r freundlich von seinem Vaume aus und befahl uns, seine Schüssel mit den besten Birnen zu füllm, indem er dein Derwisch sagte, das seien die Gaben lev Jahreszeit, welche uns der liebe O»tt be-scheert habe. Der Derwisch aber sprach kein Wort und war in der Zeit, wo wir mit dem Füllen seiner Schüssel beschäftigt waren, so ernst und stumm und sah so unverwandt den Boden an, daß man hätte glauben mögen, er sei geistesabwesend. Wir reichten ihm furchtsam die gefüllte Schüssel. (5r nahm sie, sah sie eine zcitlang ganz bewegungslos an. Mit einem male warf er die Birnen so gewaltig fort, daß sie wett umherflogen. Und nun hätte man glauben sollen, daß er seine Sprache nur in Veredrsamkeit von Flu. chen und Schimpfen eingeübt hätte. (5s floß unaufhaltsam ein Strom der Giftigkeit und tobendstrn Schimpfworte aus seinem Munde, dabei schäumte er, und seine Grimaeen waren so scheuß lich, daß wir Kinder ängstlich anseinandrrstoben und von weitem den Ausgang erwarteten, Als er endlich geendet, verlangt er wüthend ein Geschenk, seinem Stande gemäß. Mein Vater blieb unterdeß ruhig auf seinem Baume sitzen, und sagte ihm nun, er werde ihm nicht allein krinen Para mehr geben, sondern er käme nicht eher aus dem Garten, bis er dir fortgeworfenen Birnen bis auf die letzte wieder zusammengelesen und für die Gabe gedankt habe, denn er habe kein Necht, die Gottesgabe zu verschmähen. Ueber diese Antwort gerieth der Derwisch geradezu in Naserei, er lief hin und her, Steine zu sammeln, uns zu steinigen i „Du Hund von einem Christen, wie darfst du solche Worte gegen einen mo^ hammedanischen Diener Gottes aufsprechen!" Mein Vater ermähnte von seinem Baume auö von neuem mit Worten, aber ohne Er ') Diese mohammedanischen ehrlosen Mönche ziehen überall in Armenien umhn-, sie führen beständig eine Schüssel nnd ein großct, Horn mit sich. Sie sind sehr unverschämt; ft'l'ald sie nicht mit Den, zufrieden sind. womit man sie beschenkt hat, so bleiben sie tagelang an einer Stelle sitzen, stoßen von Zeit zu Zeit in ihr Hurn, welches ganz abscheuliche Tmn' vo» sich liibt, und stuchen und schimpfen auf die milden Geber. Wir Kinder hatten eine solche Furcht vor ihnen, daß unscre Aeltern dei unsern ll»-a»ten nur mit ih»e« zu drehen lnauchte», sV' wurde» wir artig, l 5' 3l3 solg. Dann besahl er deu Garteiltnechten, dm rhrivurdigen Der wisch ohne weiteres zu ergreife,: und an einen Banm festzubinden Nun begann das Schimpfen im erhöhten Maße, er schwor, unser ganzes Haus in die Hölie zu schicken, wenn er erst wieder los sei. Als er mm festgebunden alt dem Vauin stand und an diesem zerrte, als ob er ihn ausreisten wollte, u»id mit den Füßen den Boden trampelte, ermähnte ihn mein Vater wieder nnt moralischen Sprüchen zur Ruhe und fragte ihn nochmals, ob er die Birnen sammeln und den Garten dankend und segnend verlassen wollte. Cr antwortete nicht mel'r, er schäumte nur noch. Nun befahl mein Vater, ihn tüchtig zu prügeln. Das war dem Derwisch nie pas sirt, er wollte vor Wuth sich sein eigenes Fleisch abreißen. Mein Vater befahl, eine Pause zu machen und frug ihn wieder, ob er bereue» und in sich gehen wolle? Nichte«, nur Hölle und Teufel waren seine Beschützer, mit denen er uns drohte. Nun fielen die Stockfchläge von beiden Seiten noch häufiger und stärker. Da end-' lich ward er mürbe und rtef nun in den demüthigsten Worte«! Erbarme dich, ich will Alles thun, was du großer Mann haben willst! Vishcr war ihm die Größe unbekannt gewesen, jetzt begriff er sie. Man band ihn los, zuerst nahm er seine Mütze und seinen Mantel auf, die er in der Wnth von sich geworfen, dann las er schweigend dir fortgeworfenen Birnen zusammen, und endlich setzte er sich ganz gelassen unter dein Vaum nieder und fing mit sich selbst an zu sprechen! „Alle diese Leiden und Schmach habe ich mit Reckt verdient, denn ich bin undankbar gegen die Gottesgaben gewesen." Nachdem er nun ein langes Gespräch solchen Inhalts mit sich selbst fortgesetzt und sich gehörig ausgeruht hatte, stand er a>lf und nahm seine Mütze ab, und hatte cr vorher eine außerordentliche Veredtsaml'eit im Schimpfen entwickelt, so entwickelte er nun eine gleich große im Segnen, indem cr uns und unserm Hause dabei das größte Lob spendete. Dann grüßte cr uns Alle auf das freundlichste und sagte beim Fortgehen zu meinem Vater: „Nimmermehr werde ich euch vergessen, edler Herr, den Gott segnen »löge, wollt ihr mir die Erlaubniß gewähren, enrc gastliche Schwelle wieder betreten zu dürfen?" Mein Vater gewährte ihm die Er-lanbniß gern. und nun kam er in verschiedenen Zeiten und bald 213 recht oft, blieb oft Tage lang und war unser bester Frcuud. lins Kindern ging es, wie den Vögeln »lit der Vogelscheuche in den Erb sen, anfangs bliebe» wir scheu in der Ferne, aber bald gewohnten wir uns dergestalt an ihn, daß für uns das größte Fest war, wen» er bei uns war, Er spielte nüt uns und w^r aller Possen voll. Wenn er mit seiner langen spitzen Pyramidale» Mütze aus uns wie eiu Stier losrannte, wollten wir nns ausschütten vor dachen. l5r war ini Grunde eine gute ehrliche Hallt, nur znwei len etwas verdreht. Ich führe hier schließlich noch einen Zug aus den, ^eben Abo wian's an, der für mich etwas Nühreudes hat. Abon'ian war, wie oben angeführt, bereits im 10. Jahre nach dem Kloster (5'dsch miazin gebracht, um sich dort zum Geistlichen auszubilden, Er war als Jüngling stets um die Person des Patriarchen, srr in den Augen aller Armenier als die heiligste Person gilt, nnd höher als jeder weltliche Fürst geachtet wird. Seine Stellung war demnach in ihrer Art eine angenehme und beneidete. Allein es lag ein höheres Streben in ihm, nnd als er den Reisenden Parrot kennen gelernt hatte, zündete es wie ein Blitz in ihm, daß ihm europäische Vildung ein Vebensbedürfmsi sei. Er entschloß sich, Parrot nach Kuropa zu begleiten. Allein nun thürmten sich Hin dernisse von allen Seiten auf, seine Verwandten wollteil ihn nicht in solcher Ferne wissen, vor Allem aber fürchtete die Geistlichkeit, daß er seinem Glauben möchte untreu werden, (? Schwarzen Meeres, (5r »nacht aufmerksam aus die Gleichl,cit und Aehulichlrit ver Speisen der Hauptmahlzeit bei allen kaukasischen (Türken und Perser mit eingeschlossen) und den slawischen Völkerschaften vou Illyrien biö Sibirien. Es ist stets ein Vrei, aus brr Hauptgetreideart, die im Lande wächst, bereitct, welche das Hauptgericht der Mal)I;eit l'ildet. I» ganz Mittelasien und Vordenisien, in Armenien und Georgien ist es der Vrei v>.'N Reis als Pillan n vo» einer andern Ärt Hirse, Vei cilleu Kosackeu und den Pelen ist es der Katschat'Äüchwclzenl'iei, bei orn Lithaucr» und Letten Gerslegrühebrei, bei den Südslawen bis Illylien der Brei aus türkischem Neizr». ") Diese Arl Brod oder Kuchen (denn Tschörcck bebeutet in tatarische Sprache Kuchen) ist bei den meiste» fausasischen Volker» und in ga»< Vorderasieu, Syrien, Palästina und Aeg»pten, bis weit in Nnbien hinl'i» gebräuchlich, l5s «rnd^n Locher oo» 5^-<>' Breite und Ti.fc ge^rabe» unv auögemaucrt. Ist das dann pari» ainikzünvete Fruor auögcbrauüt, werden Kohlen und ?lsch<> hrrau^^rnomiü^i und »u» der Vrodteig wie mit einer Maurerkelle rundum a» die heißen Wände geworfen und geschmiert. Hierauf wird oao Loch zugedeckt m,v ,^ch ^uer halben Stunde wieder geöffnet, wo dann dao Vrod gar ist. Eg ist im Orunde dasselbe Ocbäck, wie unsere Iudenmatzen, nur daß letztere hart gehalten werden, jene aber feucht gelegt, biegsam und zähe wie ein Handtuch werdeu, W ist merkwürdig, daß diese Art Vrod zu backen auch im (Äliickliche» Arabic» fIemen) gebräuchlich ist. In Kleinasic», Syric», Palästina >m? Aegyptc» bä^t n,au diese ?lll Broi in iDef^n, 216 zu Vette gingen, u>ld dock standen sic schon um 5 Uhr wieder auf der Lauer, um unser Erwachen zu erwarten und uns zu bedienen. Uebrigens schliefen nur Abowian und ich auf der Vcmk der Halle, der Wirth und die übrige Familie, wie die meisten dortigen Familien im Sommer, unter den Väumen im Garten vor dem Hause auf ausgebreiteten Decken. ES war eine herrliche Mondnacht. Der Mond erschien mir viel kleiner wie im Norden, aber auch viel klarer und leuchtender, man konnte ohne Mi'chc Gedrucktes lesen. Ich vermochte erst spat einzuschlafen, die Umgebung war wahrhaft zauberhaft! die offene Halle, die herrlichen südlichen Väume, der wundervolle Himmel, das Rauschen des den Garten durchströmenden Vaches, die Kruppen der Schlafenden im Freien; ich fühlte recht das fremdartige Wehen einer asiatischen Atmosphäre um mich her. Der russische Staatsrath v, Hagemeister, wol einer der besten Kenner der kaukasischen Landstriche, hat über die kaukasischen Verhältnisse 187,8 ein kleines Vuch in russischer Sprache herausgegeben, aus dem ich einige Nvtizen zur Vervollständigung und Vcr-gleichung hier mittheile. Im kaspischen Gebiete (den östlichen Landstrichen) können nur die Armenier und Uder sich alö ursprüngliche Einwohner ausweisen, die Uebrigen sind eingewandert (viele andere, hier ursprünglich angesessene Volksstämme sind aber auch theils untergegangen, theils ausgewandert). Auster in dem jeyigeu eigentliche»« Armenien sind die Armenier am zahlreichsten in der Provinz Karabagh. Aus deu Niederungen wurden sie mehr in die Gebirge gedrängt. Hier wur den sie von fünf erblichen Meliks regiert, die unmittelbar unter dem Schah von Pcrsien standen. Allein die Herrschaft und Ueber, macht der tatarischen Fürsten in Karabagh vertrieb sie am Gndc des 18. Jahrhunderts, Sie kehrten jedoch zurück, als Nusiland Karabagh erobert hatte. Gegenwärtig eristiren jedoch nur noch die bei' den Meliksamilicn Bcylar (Plural von Vey) und Schachnasar. Längs der ganzen Kette des Vosdaghgebirges sinden sich armenische Ansiedelungen und Dörfer, desgleichen auf dem Gebirge Sche machin. Im Vosdagh und der Provinz Schckin, von Nucha bis Chatsmas, findet man überall Nuincn von christlichen Kirchen, die untergegangenen armenischen Ansiedelungen angehört haben. Auch 2l7 das in de» Nähe des Dorfes Tschukur-Kabel gelegene a!tc Schloß GiaurKalessi (Schloß der llnglänbigen) ist von Armeniern er-ballt. In allen Städten aller kaukasischen Landstriche findet man ineist kleine Gemeinden Armenier, stets als Kausleute und Handwerker, da alle grusinischen Stämme dm Handel verschmähen. (5s gibt aber auch armenische Dörfer im Gebirge des Kreises Elisa-betpol, dann in Schamschadel und Kasach. In Kachetien siedelten sie sich unter Czar Hcraclius an. Im Kreise Akhalzick findet man eine Anzahl armenischer Dörfer. Nach dem letzten Frieden mit bersten nnd der Türkei, 18A»—1820, wanderten die Türken (cms Akhalzick) und Perser aus den an Rußland gekommenen Landstri chen zum großen Theil aus, dagegen eine große Zahl von Arme niern von dort ein, z. B. ans der Türkei nacl, Akhalzick 40,000, nach Alerandropolök 12,000, nach Vortschala 7000, in die Gegend des Goktschaisccs 200 Familien, nach Nachtschewan 2363 Familien u, s, w. Im Ganzen ivol mehr als 110,000 Köpfe. Die alten armenischen Schriftsteller behaupten dieselbe Abstam-nlung der Armenier und Grusinier. Schon die Sprache zeigt die volle Verschiedenheit. Aber auch die ganze Volksgliedenmg und Verfassung zeigt einen entschiedenen Gegensatz. In den grnsini^ schen Ländern überall eine feudale Volksglieberung und Verfassung, Könige, Fürsten, Adel, Bauern, Alle an der Kette der Abhängig keit. Bei den Armeniern von unten herauf patriarchalische Ver. fassung, ssrauenhäupter, gewählte Dorfhäupter. Alles Wichtige wird in Gemeindeversammlungen entschieden, die selbst den Fürsten im pomrten. Eigentlichen Adel gab es nicht, auch keine Feudaldienste der Bauern, Daher keine Kriegsmacht, keine Soldateska, die arme^ nischen Heere stets schwach. Der große Gesetzgeber Armeniens, der Arsaeide, Wagarschak, theilte im Jahr 15,0 v. Chr, Armenien in 24 Provinzen, daraus wurden erbliche Statthalterschaften, die nacl, Unabhängigkeit strebten. Um fie zu schwächen vermehrte man ihre Zahl, Im 5,. Jahrhundert gab es gegen 400 dergleichen Salra. pengeschlechter, aber dies war kein Feudaladel. Er entwickelte Macht nach oben, nicht nach unten, er ward nicht Gutsherr von Vauer» (ist das vielleicht die Entstehung der Melikgeschlechter und der erb- 218 lichen Dorfhäuptcr?). Anfangs gab jene regelmäßige Vintheilnng des Reichs demselben Kraft nach Außen. Armenien nahm eine ehrenvolle Stellung zwischen dem römischen und parthopersischen Reiche ein. Das Streben der Statthalter nach Unabhängigkeit schwächte das Reich, Nach Christi Geburt sehen wir Armenien nur noch in defensiver Stellung, Das Christenthum brachte die Macht der Kirche. Das Königthum verfiel dreimal, die Kirche erhielt die Einheit des Volks. Geduld, Gigensmn und Entschlossen, heil sind vorherrschend im armenischen Volkscharakter. Die Armenier haben alle Drangsale ertragen und sick slvts alls den Ruinen wieder emporgearbeitet. Die Imeretier lind Mingrelier ;ogen sich vor den verheerenden Kriegen in die Einsamkeit der Wälder zurück, blieben wild und arm, die Grusier verließen die Flächen uud krön ten alle Verge mit Burgen und Thürmen. Die grusischen Städte gingen unter, das Volk versank in Barbarei zugleich mit der Schwächung der obern Herrschaft und dem Verfall des Reichs. Die Armenier blieben ohne Burgen und Thürme in den Ebenen des Arares unwandelbar sitzen, dem Lande, wo alle Heere des Ostens durchzogen, wo mehr Schlachten geliefert und Vlut geflossen, wie irgendwo. Und doch waren hier stets reiche Städte, hellte zerstört, morgen wieder aufgebaut; stets war das Land blühend. Das that der mlgemein starte Gemeinsinn der Armenier, die starken Familienbande. Die Beschaffenheit des Landes wirkt auch dahin. Einzelne Gehöfte sind fast unmöglich, große Dörfer nothwendig, weil das Land nur durch Bewässerungssysteme fruchtbar ist, welche ge meinsame Kräfte und Arbeiten erheischen, und daher große Ort schasten. Dieses mächtige Familien- und Gemeindelebe» hat schon in ältesten Zeiten Cultur, Gewerbe, Handel und Liebe zu den Wis senschaften entwickelt. In Armenien wurden sehr früh als Pro ducte deo Landes Kupfer, Seide, Leinen, Baumwolle und Cochenille verarbeitet und in den Welthandel gebracht, Das Chalifat, wcl ches ArmeiM'ii, Indien, Aegypten, selbst Spanien gleichzeitig be. herrschte, begünstigte den armenischen Handel. Vielleicht schon frühe,', aber bestimmt aus jener Zeit, findet man armenische Kaufleute in der ganzen Welt zerstreut; unter der Weltherrschaft Dschmgischan'ö vermochten »1e bis China ^n dringen. Sie vermittelten den Land 2N) Handel zwischen Hinterasien und Europa, Besonders die Perser verheerten mehrmals Armenien, schleppten einen großen Theil der Eingesessenen mit und siedelten sie in Colonien bis Indien an. Eine derselben, Nm-Dschulfa in Ispahan, wohin Schah Abbas 40,000 Armenier versetzte, ward eine Hauptstation für den euro, päisch - asiatischen Handel, Bildung, Reichthum und LuruS führten die Reisenden ein, davon zeugen die Literatur und die Ruinen der Tempel, Paläste, Städte des -4, und 5>. Jahrhunderts. Die griechische Sprache, als eine Verkehrssprache, war in Armenien so verbreitet, das; persische Regenten ihren Gebrauch mehrmals durch Gesetze untersagten. Die Armenier haben früher, wie irgend ein asiatisches Volk, die Bedeutung der Nuchdruckerkunst eingesehen, und bereits im t6. Jahrhundert gab es gedruckte armenische Bücher. Alle Reisenden und Schriftsteller in allen Zeiten sprechen von der Größe, der zahlreichen Bevölkerung und dein Reichthum der armenischen Städte in der Arcnescbene, aber auf deu Vergeil liegen keine Burgen, in den Dörfern keine Vertheidigungsthürme, wir in Grusien, Der reisende Mönch Rubriquis, !25»7i, meldet von Nachtschcwan, daß dort einst 800 Kirchen gewesen, von denen er aber nur dir Ruinen gefunden, Schah Abbaö führte l(»05» allein aus Dschulfa 40,0li0 Einwohner fort In der Stadt Artaschad sollen im Jahr 7>70, bei der Zerstörung durch die Perser, 40,000 armenische und !)000 jüdische Häuser gewesen sein. In» 8. Jahrhundert finden wir sie dennoch als einen blühenden Ort. Als die Araber 639 Towin eroberten, schlugen sie 42,000 todt und führten 35»,000 in Gefangenschaft, Von Ani melden die Geschichtschreiber, daß es im 1 l, Jahrhundert 1000 Kirchen und 100,000 Häuser gehabt; die noch vorhandenen kolossalen Ruinen wiedersprechen dem nicht, Armenien hat unzählige Verheerungen durch Perser, Griechen, Araber, Mongolen, Türken erduldet, es verlor unter Tamerlan 600,000 Familien, von denen ein Zehntel in dir Gefan. genschaft, wer weiß wohin, geführt wurden, Schah Ismael-Sofi verheerte Aimenien i575 gründlich, desgleichen Schah Abbaö 1005*), ') Ueber die Fortführung der Armenier in andere Lander und ihre AuSwandcrunq bat Ritter, X, S, 59l, das Nöthige zusammen^Nelll. 2^0 Die gegenwärtige armenische Bevölkerung in dell t>an^kal,kasischs,l Landstrichen wird auf ^iiMl) Köpft angegeben, von denen ltwa ci>l Dritthell bis zur Hälfte erst seit 20 Jahre» ans drni persischen und türkischen Armenien eingewandert. Pon der vielleicht um mehr als das zehnfache stärkern Bevölkerung in früher» Zeiten geben die Spuren unzähliger eingegangener Weinberge, z. V. bis zu einer Höhe von 4250 Pariser Fusi, in der Gegend der Ruinen von Tal-güs Zeugniß. In dieser Gegend sind die Wälder ausgerottet, der dadurch hingeschwundene Reichthum an Wasser hat die Verödung des Landes herbeigeführt. Der Flecken Gschnak Hierselbst hatte in alten Zeiten 120,0l)l) Einwohner, jetzt lange nicht soviel Hunderte, und doch reicht jetzt das Wasser kaum für das Bedürfniß, Von der Zahl der Wasserleitungen nnd Wasserbehälter, von denen man die Spuren m Ruinen findet, macht man sich kaun« einen Begriff, Auch sic bezeugen die frühere starke Bevölkerung, deun Wasserkauale sind nie aus Lmus angelegt. Der Reisende Chardin berichtet, das Chanat (der ietzigc Kreis) Griwan hätte !K72 52MN Tuman --584MU Rubel Silber jährlich gesteuert, und dazu noch ein Ge schenk an den Chan von i50,0W Nnbel Silber; gegenwärtig betragen sämmtliche Steuern nur 1ä2MN Rubel Silber. Dcr Reisende Oliarius 1637 behauptet sogar, das Chanat (5riwan habe dem Schah 1,00l),W<) Dukaten eingebracht. Freilich herrschten dir ungeheuerste» Erpressungen, Aber seit dein 48. Jahrhundert liegt dennoch dies herrliche ,Vand in tiefem Berfall und kann sich noch nicht erholen, wol zum Theil der jetzt so gemischten Bevölkerung halber. Statt der gefangen fortgeführten Armenier wurden Ta'chter, Religion, sind Monotheisten, verehren den Satan, nicht alc< Prineip des Bösen, sondern als gefallenen, künftig wieder begnadigten Erzengel, sind eine verdunkeln' christliche Sekle lnit Gnosis. — Nückritt. — Sage vom Arai, — Die tata^ rische Wahrsager!». — Die Festung »mb der Palast des Sardar in Gri-wan. — Der letzte Sardar. — Oiue Liebesnovclle. — Geschichte vom Vezir in Krnstantinopel, — Der Leineweber in Vaja;id. - Besuch der Moschee, tatarische Schule, der Gottesdienst, die Predigt über die Ermordung der Prophetcnkinder, öffentliche bildliche Darstellung derselben. >— Die Mullahs und ihre Etellnng, die Derwische, der Mustert. — Tatarische Verhältnisse, Erl'recht, — Persische Dorfverfassnug, Abgaben, An<5-wandernng der ?lr>ne»ier nach Kautasteu, ^'vüh u>n (» Uhr ritten ivir vier, Aboivian, sein Ontel, Peter 9ln» lind ich, in nordwestlicher Richtung alls, um die Iesiden ") oder ') In Thon,. Brongthon's hist. Lericon aller Religionen, deutsch I75,<», ft'nde» sich folgende Notizen über die Iesideu, wol großentheilt' auSl I.« Iesideu, eine Sekte in der Türkei und Persien, haben ihren Namen von Iesid, einen, arabischen ssnrsten. der die Söhne Alis', Hassan und Hussein erschlug, W g,l't ihrer i>l Persien über 2 Kronen ist. 2S3 paarmal lange Neihen, wo dann die Steine, 2 3 Fnß hoch aufgehäuft, eine Art roher niedriger Mali«» oder Steinwalle bildeten. Dcn Mittelpunkt dl's Ganzen bildete offenbar jener steile Hügel in der Mitte der Cbrne, Der Gipfel desselben war dreifach nut sol. chen angehäuften Steinen wie mit rohen Mauern nmkränzt, oben waren dieselben in mehrere viereckige, etwa 12- 16 Fuß im Durchmesser haltende Abtheilungen eingetheilt, es waren zum Theil mächtige Steinblöcke, zuweilen 3—5 Kubikfuß Inhalt messend. Am Fuß des Hügels war ein ungefähr 20 O-uadratrulhen großes viereckiges Vllssin ausgrgraben, ebenfalls von einem solchen Steinwall umgeben, von dem ein von einem Steinwalle eingefaßter Graben nach dem Thale herab in der Richtung nach dem von uns passir-ten Fluß führte, wahrscheinlich um denselben zu erreichen. Das Ganze war offenbar eine kolossale Arbeit, es waren Hunderte solcher Haufen, und die Steine schienen zum Theil weit hergeschleppt, denn die Ebene schien sonst nicht eben steinreich. Ich wußte durch, aus nicht, was ich daraus machen sollte, es schien allerdings, als ob das Ganze einen militärischen Charakter hätte, aber mir war der militärische Nutzen einer so ungeheuern Arbeit durchaus nicht einleuchtend. Drr Onkel Abowian's, von uns befragt, erzählte nun, Nadir-Schah sei sum 47^4?) von Griwan alls hierher ge-zogen; als er über die von uns Passirte Brücke ziehen wollen, babe man ihm gesagt, sie sei von einem Weibe erbaut, da habe er befohlen, das Heer solle durch den Fluß ziehen, Niemand aber über die Brücke, Cr selbst habe dann auf dem spitzen Hügel sti nen Standpunkt genommen. Alle ienc Steinhaufen seien von seinem Heere aufgehäuft (wozu sieht man freilich nici't!). Die Pferde und Kameele hätte» jede Nacht, oder des Morgens früh, daS Waffer aus dem Flusse nach dem ausgegrabenen Bassin schlepp pen müssen, von da sei es dann am Tage in den Kanal herabgeflossen, um dem Heere zum Trinken zn dienen. Nach einiger Zeit sel ein anderes Heer von Westen her herangezogen (ein tür. kisches?), und da sei dann hier eine blutige Schlacht geschlagen worden. So weit Abowian's Onkel, der uns offenbar eine Bolks-sage mittheilte. Die Volkssagen der kaukasischen Völker heften sick iniMl'r an bestimmte historische Personen, Abraham, König David. ZZz Salomo, Alerander d. Gr., Königin Tamara, Tamerlan u. s. w. Der letzte in dieser Neihe scheint Nadir-Schah zu sein. Mir scheinen diese Sleinbauscn älter zu sein: sie dürften wol eher der Urzeit, jenen räthselhaften Kyklopenmauevn, Hünenringcn u. s. w. angehören. Vielleicht aber hat Nadir. Schah das bereits seit Ur-alters Vorhandene für seine Zwecke benutzt. Wir ritten bei Zelten uomadisirender Tataren vorüber, und er blickten endlich das Ziel unserer Gleise, die Zelte der Ieside». Der alte Abowian ritt voraus, inu zu fragen, ob unser Besuch freundlich aufgenommen werde, winkte uns aber bald. und als wir uns näherten, kamen zuerst die Weiber und Kinder uns entgegen und hielten uns freundlich die Pferde. Die Weiber waren ganz ohne Scheu und sehr frei in ihrem ganzen Benehmen *). Vor den Zelten kam uns das Haupt dieses kleinen Stammes entgegen und führte uns in sein Zelt, was sich bald mit mchrern Nachbarn füllte. Die Sprache der Iesidrn soll die kurdische, d. h. ein verdorbener persischer Dialekt sein, allem die meisten von den Männern verstehen und sprechen das Armenische, da sie in den mannichfacksten Verbindungen und Beziehungen mit den Armeniern leben. Wir wurden alls Teppiche und Polster genöthigt, und wurde dann gleich Anstalt zu unserer Vewirthung gemacht. Es sollte gleich ein Schaf geschlachtet werden, was wir aber verhinderten, da wir die Vollendung der Zubereitung uicht erwarten wollten und konnten. (5me kleine, etwa l '/^ Fuß in Durchmesser haltende runde hölzerne Scheibe ward vor uns aus den Vodcu gesetzt, mit saurer Milch und ganz herrlicher Schafmilch in reinlichen hölzernen Gefäßen nebst Weizen-stadcn derselben Art, wie sie bei den Armeniern gebräuchlich sind. Seine Freude, uns bewirthen zu können, drückte unser Wirth damit aus, daß er sagte: ,,Freund, ich will meinen Kopf unter den Huf deines Pferdes legen!" Sie waren außerordentlich freundlich und zutraulich gegen mich, besonders als sie hörten, ich käme von Ver lin, denn es fand sich hier ein junger Iesid, der unter den Kurden-reiteru, die bei den Manoruvern in Kalisch unter der russischen (5a ") Der Reisende Layard sah nackt badende und sich waschende Iesiden-wciber, die sich nicht im mindesten vor ihm schcuttii. 223_______ Valerie zugegen gewesen, und dann auch nachher als geladener Gast in Berlin gewesen und dort gut behandelt und bewirthet worden war. (5s war derselbe Kurde, der in Warschau uud bei Kalisch wegen seiner ausgezeichneten Neiterkünste in allen Zeitungen ge nannt worden. Or begleitete uns beim Abschied eine Strecke Wegs, und wir hatten dabei Gelegenheit, seine gewandten Meitrrkünste be wundern zu tonnen. Er legte z, V. etwa 20 Mützen ungefähr 40 — 50 Schritt auseinander in zwei Reihen, sodaß sein Pferd zwischen ihnen durchrennen mußte, und hob dann in voller Car-riere erst rechts, dann links mit der Hand eine Mütze nach der andern auf und warf ste in die Luft. Die Gewandtheit, ,nit der er sich bald rechts, bald links tief vom Pferde herabbückte und dann sich im Nu wieder ebenso auf die andere Seite warf, ohne herabzufallen und das Ziel, den Griff nach der Mütze, zu verfehlen, war bewunderungswürdig. Daö in die Luft Werfen der 20 Mützen, eine nach der andern, zeigte uns jcdcömal, daß es gelungen! Ich ließ die Irsiden durch Äbowian frage», ob sie mir gestatten wollten, über ihre Stammes- und Familieucinrichttmgcn, sowie über ihre religiösen Anschauungen ihnen einige Fragen vorzulegen. Sie erklärten sich bereitwillig, sie mir zu beantworte». Unser Wirth sagte unö nun, es mochten vielleicht 1400 Zelte oder Familien der Iesidm*) auf russischem Gebiete nomadisiren, und wol ebenso viel auf der andern Seite der Grenze aus türkis schcm und persischem Gebiete. Sie zahle» für den Schutz und für ihren 'Aufenthalt auf russischen» Grund und Voden, sowie für die freie Benutzung der Gebirgsweiden, ein Kopfgeld an das Gouverne ment, dessen Höhe auf 4 Rubel Silber für jedes Zelt, oder jede Familie berechnet wird. Sie sind sämmtlich Nomaden. Während ") Herr v. Kohebue m Tiftis meinte, diese Zahl wäre sehr übertrieben angeben, es wären faum IM Familien, die die Kopfsteuer an die rus-fischen Behörden bezahlten, und wenn sich auch in den Gebirgen Viele aufhalte» möchten, die von den Behörden nicht bemerkt und eingeschrieben würdrn, so konnten diese doch nnmöglich die I^fache Zahl der Kopfsteuer zahlenden betragen. Soeben sche ich, daß (lhoppin im Bulletin der Ata drmie von St. Petersburg die Zahl sämmtlicher Iefiden aus russische!» Vvdeu auf!l"2l angibt. 15 226 des Sommero ziehen sic srei in den Gebirgen des Ararat und des Allasan umher, in den Wintermonatrn ziehen sie nacli den arme nischen Dörfern, die sie gern aufnehmen, da sie freundlich und arbeitsam sind. Sie miethen den Armeniern kleine Häufer ab. Dir nicht mit den, eigenen Vieh nnd Hausrath nothwendig Be^ schäftigten vermiethen sich auch wol für die Wintermonate zu Knechts diensten. Während sie sich mit den Armeniern gut vertragen, dies offen auöspreclien, selbst fast Alle armenisch sprechen, ja sogar seltsamer Weise behaupten, auch in Vezug auf Religion ständen ihnen die Armenier am nächsten, besteht zwischen ihnen und den Tataren eine National und Neligwnsfeindschaft. Sie ziehen daher nie in tatarische Dörfer. Die aus russischem Gebiete bebenden zerfallen in :wei Stämme nnd stehen unter erblichen Häuptlingsgeschlechtern. Unsere Wirthe gehörten zu dem Ttamme Hassenzi, uno ihr Hänpt. ling hieß Taman-Aga. Gin Sohn desselben befand sich gerade mit nns in unsers Wirths Zelte. Außerdem aber gibt es auch noch gewählte Unterhäuptlinge, Msbaschi (eigentlich Haupt von 1W). Unser Wirth Alo war ein solcher. Gewisse Familien haben auch noch Ehrenvorzügc, man nannte sie uns Tarchanfamilien (wahr scheinlich die armenische Benennung). Dleft"sind nicht eingereiht unter den Untergebenen der gewählten Häuptlinge, sondern stehen allein und unmittelbar unter dem Stammeöhaupt, (5ndlich gibt es vei ihnen auch einen erblichen Pricstrrstand, die Scheikhs (Schechs?) genannt werden, dessen Mitglieder jedoch erst dann priesterliche Functionen ausüben dürfen, wenn sie eine Wallfahrt nach einem Dorfe in der Nähe von Jerusalem (wahrscheinlich im Libanon in Syrien) gemacht haben. Unser Wirth deutete an, daß sie dort eine Art Weihe erhielten, wollte aber nicht sagen, worin diese be. stände, anch den Namen des Dorfs nicht kennen. Was nun die Neligionsanschauungen der Iesiden betrifft, so muß ich bemerken, daß ich vorher nie etwas über sie gelesen hatte. Ich erinnerte mich nnr dunkel von Teufelsanbetern *) in kleinasiati- *) (5s sollen (illcrdiugö bei deu moiiotheistischenNeligilmen. der altpersischen, der jüdischen, der mohammcoamschcn, der christlichen, jlch Selten auöge-luldet halxn, die sich al? '-l^n'hn'r d, Vei-läge No. 1ä!l, sinde» sich in l'inem sehr belehrenden Aufsätze ei»es deutsche» Reisenden (l),'. M. Wagner?) Notizen nber die Iesiden. zugleich wird dort auf drc« Englä»dcrs Nitchard Naturgeschichte des Menschengeschlechts, auf Ainsworth's ,/I'!l>v<>!« l»,ä l^^oilrolie« in ^»ia n,>>w>' and Xilrllü'lun", und endlich auf Ritters A-dfunde von Asien, Ab. Vl, als die Werfe hingewiesen, in welchen ausführlich der Iesiden Erwähnung geschieht. Ein ausgezeichneter Aufsatz über sie ist kürzlich in der deutschen St, Petersburger Zeitung, October 1^46, erschiene», (südlich fallt mir schließlich: Austin Henry Vayard, „Ninive u»d seine Ueberrcste" (deutsch von Meißner, Leipzig bei Dyf 1850) in die Haude, Der Verfasser hat ei„e Abtheilung des Volks in Assyrien besucht und gibt interessante Notizen. <5r bestätigt viele meiner Erfahrungen, ergänzt sie, gibt manche neue, tennt aber auch Manches nicht, was ich geHort und gesehen. In einigeln Wenigen scheint er mit dem in Widerspruch, was ich erfahren und geHort. Ob bei dem Voile selbst Abweichungen und Verschiedenheiten in Sitten und Glauben, oder ob er, oder ich, falsche oder mit Vorsatz verfälschte Aerichte erhalten, mag später» umfassenbern Untersuchungen zu entscheide» überlasse» bleiben. Er behandelt die „Iezidi" im U. Cap.. S. j«"<, und ich gebe hiervon folgende» gedrängte» Auszug: Die Irsiden habe» ei» weltliche Oberhaupt, HusseinBeg, und ein geistliches, Eyeifh-Nasr, die Veide in Vaadri irsidiren. Sie habni eine erbliche Priesterschaft, die in hohen Ehren steht und sich in vier Rangclassen abtheilt, Pils, Scheifhs, Kawals, Fakis; die Pirs heilen .Krankheiten, die Scheiths singen beim Gottesdienst die Hymnen, die Kawals predigen, die Falls spiele» Instrument?! ihre Flöten und Tamburins gelten für heilig. Das Volt spricht Nndisch, ibre Hymnen aber sind arabisch. Sie sollen l'in heiliges Vuch haben, was aber Niemand zu sehe» befömmt, ec< soll z» Vaazani aufbewahrt werde». Sie erkennen ein höchstes Wesen an, bringen ihm aber fei»e Opfer und ftiebtte i»il«n psi- l^t) werden die Iesidrn wol ganz mit Iltlrecht gescholten, sie erklärten mir unumwunden, es gab,.' nur einen Gott, nnd das sei derselbe Gott, den auch die Armenier anbeteten; sie sagten ferner, sie wüßten recht gut, daß Christus Gottes Sohlt sei, und verehrte» ihn daher auch, so verehrten sie auch Maria, die Mutter Christi, und einige heilige Männer, unter an deru Surb Kework, offenbar Sanct Georg, den aber die Armenier unter dem Namen des heiligen Mogni verehren: woher haben nun weniger als das Alte Testamen!. Sie tansen binilen sieben Tagen die Neu geborene« und beschneide» sie wie die Mohammedaner (?). Sie habe» viele Gebrauche der Saba'er, Sie küsse» den Gegenstand, den die Sonnen-strahlen zuerst treffen, spucken nie ins Feuer, sondern fahre» oft mit der Hand durch die Flammr. Nie die Sabäer verabscheuen sie die blane Farbe. Vei ihren Ceremonien wenden sie sich nach Sonncnanfgang und be-graben ihre Todten mit dem Kopfe nach Morgen gelegt. Das Jahr beginnt bei ihnen wie in der griechischen Kirche, allein sie haben eine eigene unbefannte Zeitrechnung und zählen z, V. jetzt das Jahr >5,5<». Das scheint auf Zusammenhang mit den Manichäern hinzndeuten. Der Miit woch ist ihr Sonntag, Salat, Geiuüse nnd Schweinefleisch essen sie nicht, trinken aber Wein. Sie bedienen sich mohammedanischer und christlicher Name». Nei der Hochzeit erhält die Vraut einen Ring oder etwas Oeld, Die Iefiden ertragen für ihre» Klauben freudig Marter und Tod. Aon den Türlen verfolgt, zog sich ein Stamm ins russische Oebiet. Die Mohammedaner und Christen haben allerhand Fabeln von ihnen; sie behaupten von ihren Festen, daß eö gräuliche Orgien seien, in dichte Finsterniß gehüllt, geben ihnen daher den Veinamrn (5heragh souderan (d. >. Mr loscher des LichteY. <5s ist das Wol eine Verwechselung mit deu Feste» der Ansrjrer in Syrien, Feste, deren Entstehung auf Semiramis ^iriick-geführt »vird. Dic Muselmänner glauben, der Name Iezid komme von Ommi iadeut Halifts Iczid (d. i. Verfolger der Familie Ali) her. Der Name ist aber viel älter nnd kommt schon lange vor Mohammed vor, Von den Türken und Persern werden die Iesiden verfolgt. Die Mohammedaner dürfen Umgang haben mit Leuten, die an die Offenbarnngsweile glauben, mit allen andern nicht. Mit solchen dürfen leine Trariale ge-schloffen werden, ihnen gegenüber sind keine Eide bindend; die Iesiden gehören nach ihrer Meinnng zu dieser Kategorie. 230 die Iesiden dm Namen Kcwork (oder Georg)? 'Auch wallfahrten sir zuweilen zu dessen Kloster und Kirche in Armenien*). Abo-wian'ö Onkel sagte mir, da in jedem Winter in« Dorfe Kauakir einige Iesiden sich aufhielten, so habe er Manches gesehen, was man sonst wol nicht erführe, z. V. die Iesiden beten beständig das Ge sicht liegen Morgen gewandt, während die Tataren, als Mohammedaner, es bekanntlich stets nach Mekka kehren. Wenn sie bei einer armenischen Kirche vorübergehen, so beten sie einen Augen^ blick, doch gehen sie nie hinein. Die Kinder erhalten eine Art Wassertaufe, die uon ihren Priestern dabei gebrauchte Formel kannte mein Gastsreund Alo nicht, oder wollte sie nicht auösprrchcn. Ihre Priester haben traditionelle Gebctsformeln, aber keine Schrift, doch solle» Manche nnter ihnen schreiben können, die gemeinen Iestden können aber weder lesen noch schreiben. Sie haben keine Beschnei-dung "). Sie begraben ihre Todten mit den Händen ins Kreuz gelegt, während dir Mohammedaner die Daumen der beiden Hände aneinander gebunden auf dir Magengegrnd legen, und so ihre Tod ten begraben. Sie sehen allen Wein als das Vlut Christi an, und halten ihn deshalb heilig. Sie fassrn daher drn Becher stets mit beiden Händen, um nur ja nichts zu verschütten. Fällt durch Zufall etwas, auch nur ein Tropfen Wein, auf die Erde, so werfen sie sich sogleich nieder und saugen ihn mit dem Munde ans und schlucken ihn mit der Erde, die ihn cmgesaugt hat, nieder. Sie leben in Monogamie, haben nur ein Weib, und die Hochzei» ist feierlich, rs besteht dabei sogar eine Art Trauung oder gegen scitige öffentliche Erklärung und Einsegnung des Priesters. Der alte Abowian sagte uns, die Iesiden halten im Allgemeinen Eid und Gelübde sehr heilig, bei der Trauung aber tritt der Mann in *) Axßer den Iesiden verehren übrigens alle kurdischen Ltämme die anncmschen Heiligen, Am Grabe des Sind Sarfis (h, Senu'uS) zu Topra»Kaleh opfern ;. V. alle kurdischen Stamme, wenn sic in den Krieg ziehen, rincn Widder, und zünden auf dem Grabstein eine Wachskerze an. **) Es ist eine Behauptung des amerikanischen Missionars Grant, dllß die Iesiden die Neschueidnnss hallen. Mir erklärte» sie auf daS bestimmteste, sie kennten sie nicht und verachteten sie, weil es cinc Sitte der »on ihnen gchaßlen Mohammedaner, und dcr Jude» sei. fllchendes Wasser, die Frau aber muß aus den, Trocknen stehen bleiben: das sei ihm aufgefallen, llnd cr habe einige Iesiden, mit denen er vertraut geworden, um die Ursache sslfragt; lange hätten sie es ihm nicht sagen trollen, endlich hatte einer lachend zu ilnn gesagt, sie verspräche» ooch ihren Frauen Treue, wenn sie nun im fließenden Wasser ständen, so spüle das die Strenge deS (5'ides etwas weg und erweiche sie; wenn sie dann etwa künftig einmal über die Schnur gehauen, so würden sie doch nicht so schars bestraft! (Wie man sich in dieser Beziehung doch überall zu helfen weiß!) Abowian's Onkel erzählte ferner, die Iestden hätten auch eine Art Beichte und Vuße, Immer zehn erwachsene Männer bildeten zu diesem Vehuf eine Genossenschaft, einer von ihnen werde gewählt, um der Sündenbock für Alle zu sein. Hat nun einer nach seiner Meinung eine schwere Sünde begangen, so geht er zu Dem und beichtet sie ihm, dann muß Der für ihn büßen, d. h. beten, fasten und sich kasteien. Dagegen lebt er aber auch auf Kosten der Uebri gen, sie müssen für ihn arbeiten, sein Vieh weiden nnd überhaupt ihn ernähren *), Die Iesiden sind aber Monotheisten, sie scheine» die Lehre von der Dreifaltigkeit nicht zu kenne». Vom Heiligen Geist »rissen sie nichts, Christus nennen sie zwar den Sohn Gottes, erkennen aber dadurch noch nicht seine Gottheit an. Sie glaube»», daß Satan (Scheitan) der rrsterschaffene, der höchste und größte aller Erzengel gewesen, daß er auf Vrfrhl Got tes die Welt erschaffen, daß ihm die Herrschaft der Welt gehört, daß er dann aber in Sünde verfallen und sich Gott gleich geachtet. Da habe ihn Gott verworfen und von seinem Angesicht verbannt. Must aber werde ihn Gott wieder zu Gnadeu annehmen, und ihn wieder völlig in sein Reich (diese von ihm geschaffene Welt) einsetzen "). ") Mein Freund, del Baron v, H. in P., der die Iesiden bci seinen amtlichen Reisen in Armenien auch hatte kennen lernen, erzählte mir dieS ebenfalls. '") Als der vorgenannte Varon v. H. die Iesiden über diese Lehre befragte, trat ein weißbartiger Iesid hervor und slnach : ,,Glaubst du, daß O»!t gerecht, allgntig, allerbanncnd ist?" V^n'» u. H. bejahte. „War 232 Die Iesiden dulden nicht, daß man vom Satan Böses sagt. Wenn Jemand in ihrer Gegenwart den tatarischen, mohammedani-schen Fluch auöspricht, Nalat Schcltana (verflucht sei Satan!), so sind sie verpflichtet, denselben, oder sich selbst, umzubringen. Man sagte mir, der ganze Stamm opfere an einem bestimmten Tage dem Satan 50 Schaft, dagegen brächten sie Ostern Christus auch ein Opfer, aber nur 1 Schaf. Gefragt darüber, meinten sie, Christus habe einen so gütigen, menschenfreundlichen Geist, cö bedürfe nicht viel, um ihn gnädig zu erhalten, aber den Satan sich günstig zu machen, das koste viel, das sei ein finsterer, strenger Herr! Sie opfern allerhand Thiere und meist im freien Felde, doch auch wol in der Nähe armenischer Kirchen. Selten, oder nie, opfern sie Gott unmittelbar. Dem Satan werden überall von ihnen die meisten Opfer gebracht, dann aber auch Christus und einigen Hei ligen, deren sie einen, Sarkis, und den schon oben genannten Surb Kework haben. Besondere Oebetfonneln haben sie nicht. Sie halten bestimmte Fasten. Den Satan nennen sie Melek Ta-us, das soll heißen: König, oder Engel Pfau. Von ihren Priestern fodern sie große Sittenreinheit, diese dürfen keine Leinen und keine Baumwolle tragen, nur härene Gewänder auf dem bloßen Leibe. Peter Neu, der überall umher gewesen, hatte auch mit ihnen in der Nähe von Vajasid mitunter verkehrt; er behauptete, sie seien außerordentlich abergläubig, wenn man mit einem Stocke auf der Erde einen Kreis um einen Icstdcn zöge, so wage er nicht, aus dem Kreise zu treten, er schimpfe und lärme ganz entsetzlich, aber er ginge gewiß nicht heraus, ja bleibe volle sieben Tage darin sitzen, nicht Satan einst einer der höchsten oder der höchste geliel'teste Erzengel? Seit vielen Iahrtansenden verstoßen, wird nicht Gott sich dereinst seiner erbarmen, ihn in seine erste Stelle wieder einsetze» «nd ihm die Herrschaft der Welt, die er erschaffen, wiedergeben'!? Wird er dann nicht der armen Iesiden sich annehmen, die allein unter allen Menschen ihn niemals verflucht, nie Böses von ihn» gesprochen, ja dic für ihn gelitten und geduldet haben?" Ein Martyrerthum für die Rechte des Satans! Welche wunderliche Verwirrung menschlicher Idccn.' Es Hai ^,ch fürwahr etwas Rührendes. 233 wenn nicht früher der Kreiszieher mit demselben Stocke den Kreis wieder auslösche! Die Iefiden, welche wir sahen, waren ein schöner Schlag Menschen, groft und sehr muskulös gebant. Schön gewölbte Augenbrauen, große schwarze Augen, gebogene Nase, großer Mund, ein etwas breites Gesicht war fast bei Allen zu sehen. Die Kleidung war bunt und malerisch, näherte sich mehr der türtischen. Wir gingen in den verschiedenen Zelten umher, wo wir die Weiber eifrig Tcppiche webend fanden, was sie sehr gut verstanden. Ich fand sehr schöne Tcppiche bei ihnen. Die von uns besuchten Iesiden waren in ihrer Art wohlhabend, der größere Theil soll aber sehr arm sein. Zwischen den Icsioen und Persern herrscht ein unauslöschlicher Nationalhaß. Jeder Iesid, der sich allein in persischen Orten sehen ließe, würde augenblicklich todtgeschlagen, der Haß ist zugleich religiöser Natur, Die Perser behaupten, die zwei Enkel Mohammed's, Imam Hussein und Imam Hassan, und die 70 Urenkel, die Pro phctcukindcr, seien einst von den Iesiden erschlagen. Dic kühnen nnd tapfern Iesiden verachten die feigen, weichlichen Perser gründ-lich, mein berliner Iesid behauptete, er wolle im freien Felde es allein mit 25 Persern aufnehmen. Meine Meinung über die Iesiden ist kurz folgende. Die Je: siden sind keine Mohammedaner oder eine Sekte derselben, sie scheinen mir Mohammed und seine ganze Lehre zu hassen und zu verachten, sie sind keine Heiden, es ist keine Spur von einem Na-tionalgott oder von Vielgötterei bei ihnen, auch ist ihre Religion nicht etwa eilt Nest der alten Religion der Perser, denn ihr Satan ist kein Princip des Vösen, wie der Ahriman, sie sind auch keine lüdischc Sekte, denn eS scheint leine Spur vom Gesetz und von den jüdischen Gebräuchen bei ihnen zu sein, auch haben sie die Vr schneidung nicht (jedoch behaupten Einige, sie kennten und verehrten das 1. Nuch Moses). Aber eine Selte sind sie, keilt abgesonder. tes Volk. Wahrscheinlich sind sie ein kurdischer Stamm, und ihre Religion ist ein verdunkeltes, verkümmertes Christenthum. Sie stnd, wie ich glaube, eine ursprünglich christliche Sekte, die gnostische Ideen in sich aufgenommen und daher schon in uralter Zeit 234 sich von der Gemeinschaft der Kirche ausgeschieden hat oder von ihr ausgestosien ist, Ihre Lehre vom Satan ist offenbar die gno^ stische Lehre vom Drmiurg (dein Weltschöpfer). Die Stellung, die sie Christus geben, erinnert all die Lehren des Arins *). ') Nachdem ich das Vorstehende lange geschrieben, und das Buch bereits in englischer Sprache erschienen, führten mich meine Studien auf das sonderbare Phänomen der Berchrung des Satans, wie es sich in der Geschichte, insbesondere der Kircheugcschichte, ausgebildet haben machte. Im Iudenthum und Christenthum, in der Vibel, erscheint der Teufel, der Satan, in sehr verschiedener Stellung und Bedeutung. Die Schiauge im 1. Buch Moses, der Sawn im Buche Hiob, der Teufel, der Christum versucht, erscheinen m sehr verschiedener Gestalt, d»ch steht im Iudenthum, wie im Christenthum, der Glaube au das ssaetum fest, daß Sata» uno ein Theil der Engel vor Erschaffung der Welt von (holt abfielen und verstoßen wurden. Das für den menschlichen verstand unauflösliche Mysterium nbcr die Entstehung des Vöseu hat von Anfang an alle Geister beschäftigt. Die verbreitetste religiöse Anschauuilg war die persische Lehre von Ormuzd und Ahriman, uud die mit dieser verwandten maninchsachen Einaxations-lehren. Die heidnische Philosophie hat ticfe Nutersilchungen und Combinationen hierüber angestellt. Nei Entstehuug und Ausbildung des Christenthums traten auch viele Philosophen zu demselben über. Nun bildeten sich im Christenthum selbst philosophische Meüningeu, uud die Philosophie suchte die Emaüatiouslehre mit demselben in Einklang zu sehen. So bildete sich uun die Gnosis aus uud eutyludete in den ersteu drei Jahrhunderte» die heftigsten Kampfe in der Kirche. Mau konnte es mit der Allmacht, der Allgütc und der unendlichen Vollkommenheit Gottes nicht vereinbaren, daß in der sichtbaren Welt Uuvolllommenes und Vöscs vorhanden, so nahm man denn an, daß die Welt uicht von Gott, sondern von einem minder volllommeuen Wesen geschaffen sei. Gs sind nun eine un-gemeine Anzahl verschiedener Meinungen ausgetaucht, sie lassen sich aber unter drei Hauptsystemc subsummirrn: l) Annahme zweier Urpriinipe. 2) Annahme fortgesetzter Emanation aus einem Urpriucip mit Abnahme der Vollkommenheit, und Erschaffung der Welt durch eine dieser Emana tionen. !t) Erschaffung der Engel, deren erstgeschaffener, Salan oder L»» cifer, die Welt schafft, dann in Sünde fällt und verstoßen wird. Die erste Annahme lehnt sich an die persische Lehre von Ormu;d und Ahriman unmittelbar an. Marcion lehrte im 2. Jahrhundert zwei Principe, das Gute habe die Geister, das Vose die Materie geschaffen und die Geister dariu eiugeferfert. Maues im !t. Jahrhundert uild die Ma. uichaer führten dies klarer und conscquenter aus. Priseillian lehrte es im ,j. Jahrhundert in Spanien und Gallien mit großem Erfolg, '.lioch im 236 Nachdem wir von den guten Iestdcn einen freundlichen Abschied genommen, ritten wir einen etwas andern Weg zurück nach Ka-nakir. Wir kamen an einer wüsten Dorfstättc vorüber, dir den Namm Arseni, verdorben aus Arai seni, d. h. Arai wiro geopfert, führt. Die Ebene des Schlachtfeldes heißt Arui-Iaret (Niederlage des Arai), Der Oheim Abowian'ö erzählte davon eine wunderliche Voltssage! Einst lebte ein armenischer Hurst Arai (der <». Jahrhundert hatte die Lehre dort viele Anhanger. Statt des persische» Ahriman ließ sie den Teufel aus den, Chaos und der Finsterniß als PrilU'lp hervorgehe». Das zweite System ging von Simon dein Zauberer im I. Jahrhundert nnd seinen, Schüler Menander auS. Basilides, Valentin und viele Andere bildeten es phantasiere ich und consequent aus. Gott erzeugte die Intelligenz oder Nronen, diese wieder andere, und so viele Generation»'!,; von einer ward dann die Nelt gebildet u. s. W. Daß die dem erste« Systeme Anhängenden meist auch dem bösrn Principe göttliche Verehrung widmeten, liegt in der Conseqncnz. Die Lehre der Iesiden aber, Satan, der erstgeschaffene Erzengel Gottes (also nicht eiu Princip), habe die Welt gebildet und sei dann verstoßen worden, findet sich in den alten orientalischen Selten sonst nicht, aber sonderbarer Weise wol in den occidentalischen des Mittelaltew, die freilich wahrscheinlich aus orientalischen Quellen geschöpft haben, Sie stimmen in vielen Sähen merkwürdig mit den religiösen Anschauungen der Iesiden überein. Es sind dieses zuerst die Albigenser, Sie lehrten: Gott erschuf Lueifer und seine Engel. Diese empörten sich und wurden aus dem Himmel verstoßen. Da brachte Lucifer die sichtbare Welt hervor, von ihm sind auch die Leiber der Menschen uud Thiere geschaffen, und er kerkerte die Seelen darein. Gott erbarmte sich und sandte den zwetterschaffcnen Sohn, den Christus, herab, um die Menschen zu erlösen. Der wesentliche Unterschieb in der Lehre der Iesiden ist, daß nach ihnen Satan vor seinem Falle die Welt erschaffen. I», 13. Iahrhnndert lain in Nordbeutschlaud die Sekte der Stedingcr auf und lehrte: Gott habe mit Unrecht Lneifer verstoßen nnd ihm die Herrschaft der Welt genommen, er würde sie aber einst ^iinick erhalten. Sie erwiesen dein Lueiser große Ehrfurcht und mordeten ihm zur Ohre seinc Feinde, die Priester. Endlich bildete sich auch noch im 14. Iahrhnndert iu Frankreich die Sekte der Lollarden, welche ebenfalls lehrte, Lueiser und die Dämonen seien unrechtmäßiger Weise verstoßen; einst aber würden sie wieder ausgenommen, und dagegen Michael nnd seine Engel und die Menschen, die Lueiser verftuchlen, verstoßen werden. Ihr Führer, W. Lollard, wählte zwölf Apostel, um seine Lehre zu vertun-igen. Or starb ohne Furcht und Reue oen Feuertod. 236 achte Patriarch der Armenier), dessen wunderbare Schönheit dnrch ganz Wen berühmt war. Es war das Zeitalter der babylonischen Schamiran (Semiramis). Diese schickte ihm einen Gesandten, der ihm die Wahl lassen sollte zwischen ihrer Hand oder dem Kriege, Arai schlägt ihre Hand aus, weil bei ihm und seinem Volke die Tradition des Noah »on dem einigen Gott erhalten war, und er kein Weib mochte, das viele Götter anbetete, Da überzog ihn Schamiran mit Krieg, nnd es kam dort, wo das Dorf stand, zur Schlacht. Arai siel, ungeachtet Schamiran befohlen hatte, sein Leben zu schonen und ihn lebendig gefangen zu nehmen. Als man den getödtrten Arai vor ihr niederlegte, ergriff sie die wildeste Verzweiflung, Sie ließ den Leichnam auf das kunstvollste einbalsa mircn und in einem goldenen Sarge in ihrem Schlafgemache aufstellen. (5ine Art Wahnsinn ergriff sie und sie behauptete, er sei nicht gestorben, sondern lebe und sei ihr geliebter Gemahl......') Wir erreichten am Nachmittage wieder Kanakir, wo uns ein treffliches Mittagsessen bereitet war. Ein Gericht von Bohnen mit Butter, Eiern, Knoblauch und saurer Milch darüber zubereitet, schmeckte höchst pikant, außerdem waren Gerichte von gesalzene« Fischen und ein gekochtes Huhn vorhanden, wir aßen im Freien, im Garten, auf einen Tcppich gelagert. Am Abend waren wir wieder in Griwan, Ich hatte von einem alten tatarischen Weibe gehört, Welches sich mit Wahrsagen abgäbe. Sie war gerade im Hanse und hatte eben meinem guten Postillon Thimaphe sehr unangenehme Sachen gesagt, daß ihm seine Frau in Petersburg untreu geworden sei u, f. w. Ich ließ sie hereinrufen und fodertc sie durch Abowian anf, auch mir zu prophezeien. Sie ließ sich ein Gefäß mit Was. ser auf die Erde stellen, kauerte nieder und bückte sich darüber, sah unverwandt hinein und murmelte allerhand völlig Unverstand liches. Dann sagte sie mir ihren Spruch, der ziemlich allgemein ') Was nun folgt läßt sich am besten und anständigste" lateimsch ausdrücken : Oomplcxus amutorum siioruin corpore tnorluo prarsonle accipore solebat, tali modo aiiiiuo fingcns, se ainali amjtiexu prio-ris coiitiiiCJ"'- 237 gehalten und unbedeutend war. Ich ließ sie fragen, wie sie dir Kraft der Wahrsagung erlangt hätte. Sie antwortete! In ihrer Jugend sei sie einst an ein Wasser gegangen, und wie sie lange hineingesehen, habe sie plötzlich einen Jemand hinter sich gemerkt, nnd als sie sich umgesehen, sei der Jemand fortgegangen; da habe sil> plötzlich ein Zittern und heftige Krämpfe bekommen, nnd seit dem habe sie die unglückliche Eigenschaft, im Wasser die Znknnft zn sehen, besonders am Mittwoch zu einer bestimmten Snmde, Auf weitere Fragen nach Erläuterungen ließ sie sich nicht ein, und als Abowian und ich nicht nachließen, schwieg sie gänzlich und ging fort. Am 27. August besnchte ich mit Abowian die Festung von Griwan, in welcher der Palast des ehemaligen persische» Sardai liegt; di»- Fcstimg ist srhr verfalle», die sogenannte» Paläste der Persischen Großen liegen in Nninen, die eine Moschee ist in eine griechisch-russische Kirche, die andere in ein Arsenal verwandelt. Der Palast des Statthalters (Sardar) ist erhalten, ein Flügel aber, früher den Harem enthaltend, wird als Hospital benutzt. Als Bauwerk betrachtet, ist der Palast mit seinen kleinen Höfen und Gärten, Springbrunnen, Teichen nichts weniger als großartig, Alles ist kleinlich und ohne bestimmten Charakter, einzelne Verzierungen, Fenster, Thüren, Arkaden sind jedoch hübsch. Man darf sich keine Alhambra bei den modernen asiatischen Gebäuden vorstellen! Nur der Audienzfaal des Sardar hat etwas Imposantes. Er liegt naäi den, Hofe hin offen, statt der Wand schließt ihn hier nur ein zier lich geschnitztes Gittcrwerk, welches man ganz oder theilwcise weg nehmen konnte. War es abgenommen, so bildete der Saal eine offene mächtige Halle, deren hintere Wand zu zwei Drittheilen ein ungeheueres, vom Boden bis zur Decke reichendes Fenster von buntem Olase bildete, von beiden Seiten durch zwei kleine Cabinete eingeschlossen, wodurch nach diesem Fenster hin ein Vorsprung ge bildet wurde, in dessen Mitte ein Marmorbecken mit einem kleine» Springbrunnen darin stand. An den Wänden nnd am Plafond waren abwechselnd Spiegel und Ocmälde befestigt. Diese letzter» stellten (gegen die sonstige mohammedanische Sitte) theils die Por traits des vorletzten Schahs, dessen Sohnes Abbas-Mirza, des letzten 238 Sardars und des noch lebende» VrnderS desselben, theils Scenen aus der persischen Heroenzeit des Nnstem, Gustasp u, s, w. vor. Auch ein Spottbild aus den armenischen Patriarchen, worauf ein solcher abgebildet ist, wie er mit einer Magd schön thut, während diese ihm einen Vecher Wein anbietet, hing hier cm der Wand. Alles war echt persische Malerei der nencrn Zeit, der man einige europäische Einwirkung in Färbung und Licht und Schatten ansieht, die aber in« Typ noch so erhalten ist, wie man sie in den Zeichnn,^ gen, welche in den Mannscnpten der Schal? Nameh von Ferdusi sick) finden, erkennen kann. Hübsch ist der innere Hof, der ein Vassin enthält mit drei Springbrunnen und einigen Banmen, umgeben von dcn Gebäude» des Harems, welches aber, wie gesagt, zum Hospital eingerichtet ist. Russische Vcamten haben selten Gefühl für die Heiligkeit und Unverletzllchkeit historischer Gebäude und Monumente. Die persische» Sardars n^aren in der titegel despotische Vlut^ sangeri die Ironie des Schicksals wollte, daß eben der letzte, der den wüsten, zum Theil blutigen Neigen schloß, eil« streng gerechter, jedem Klagenden zugänglicher, ja edler Mann war. Cr lebt noch jetzt im Munde und der Erinnerung aller Armenier und Tataren in fleckenlosem Nufe *). Er gab sich ungrmeine Mühe, die Cultur und Blüte des Landes zu heben. Er ballte auf den Ruinen eines zerstörten und verfallenen alten Kanals einen neuen und sehr ver besserten, wodurch eine große Menge Gärten nahe bei tsriwan be ') Dieser Sardar, gerecht und wohlwollend gegcu die Unterthanen, ei» treuer Diener des Schahs, ward nach der l5roberuug ^rnvans, h^ er ge° wisl nicht verschuldet, in Pcrfien alles seines Vermögens beraubt und starb, völlig von Allen verlasse», in dem Winkel eines Stalles in Teheran, Seine Witwe, die nirgends bin wußte, ging nach (5riwan zurück. Das russische Gouvernement versprach ihr, das dort von ihrem Manne zurückgelassene Vermögen ihr zurückzugeben, Sie fam mit sechs Sklaven an. allein da die Zurückgabe des Vermögens sich noch verzögerte, so blieb ihr nur ein Negerknabe «reu, Sir erttantte und lag elend, halb elfteren, in einem Winkel ihres frühern Palastes. Der Negerfnabe bettelte für sie «,« LrbenSmitlv! in allen Häusern! Endlich horten General Vebutojf und Madame <>hardin von dem i5l>,ld, und retteten die arme I^jähriae Vice-kouigin vom Hmigertode. 239 wässert und dadurch gewonnen wurden, die er dann unter die Ein-wohner vertheilte. Er hatte unter Anderm auch die Manie der europäischen Staatsökonomen des vorige!, Jahrhunderts, die Zunahme der Bevölkerung für ein Glück des Landes zu halten, und wählte unter andern dazu auch ein sehr eigenthümliches Mittel, sie zu heben. Die frühern Sardars und sonstigen hohen persischen Beamten hatten wol die Gewohnheit, wnin sie das Dasein eines besonders schönen armenischen Mädchens in Erfahrung gebracht, dieses für ihre Harems mit Gewalt pressen zu lassen. Er that und litt dies nicht, benutzte aber die Furcht vor diesen Gewalttha ten, um die Heirathen zu befördern. Er ließ von Zeit zu Zeit das Gerücht durch das ganze Land ausstreuen, der Sardar und alle persischen Großen wollten ihre fremden Sklavinnen nach Prrsien schicken und verkaufen und ihre Harems nur mit eingeborenen Armenierinnen füllen. Kaum ward das bekannt, so verlobte und verheirathete sich gleich Alles in Armenien, was nur mannbar war, denn nie raubten dir Perser Eheweiber oder verlobte Vräute, das war gegen Sitte und Gesetz. Einst aber, es war wenige Jahre vor der russischen Eroberung, ereignete sich folgende, beinahe novellcnartige Geschichte. Der Sar. dar hatte ein sehr schönes armenisches Mädchen erblickt, entbrannte in Liebe zu ihr und fodrrte sie vo» den Acltern. Ihr eigenes und der Aeltern Flehen fruchtete nichts. Sie hatte auf einer Wallfahrt ei» LiebcMmdnih geschlossen, allein sie war noch nicht Vraut. Sie ward ins Harem gebracht. Da wußte ihr Geliebter sich des Nachts in den Garten des Palastes ein^uschleichen und sang mit leiser Stimmr unter drin Fenster des Harems ein armenisches Lied, in der Hoffnung, seine Geliebte würde ihn hören. Wirklich öffnet sich nach einiger Zeit ein Fenster, und Jemand springt heraus. Das hierdurch verursachte starke Geräusch läsit ihn glauben, er sei verrathen, er nimmt die Flucht; als aber Alles still bleibt, schleicht er sich wieder heran, und wirklich war es seine Geliebte gewesc», die dcu Sprung herab gewagt hatte, sie war aber nicht zur Erde gekommen, sondern in den Zweigen eines Baumes hängen geblieben. Er hilft ihr nun herab, und Beide schickten sich nun ;m Flucht an. Allein indessen hatte doch das Geräusch einen Verräther 240 geweckt, sie werden eingeholt und gefangen genommen. Am Mor gen werden sie vor den Sardar gebracht. Als der aber sich alle Verhältnisse erzählen lassen, spricht er: Ich habe es nicht gewußt, ich sehe, ihr wäret vor Gott schon verlobt, solche treue Liebe soll Niemand trennen, geht mit Gott und lebt glücklich! Peter Neu, der, wenn er eine Geschichte hörte, wie eine eifersüchtige Nachtigall gleich »-uch mit einer bei der Hand war, gab uns bei dieser Gelegenheit, wo der alte Aruthian Abowian das Obige erzählt hatte, auch eine Geschichte zum Besten, die er in der Türkei gehört hatte, und für deren Wahrheit er sich, wenn es ge-fodert wäre, zur Noth verbürgt hätte. Ein Vezier in Konstantinopcl geht eines Tags verkleidet umher und erblickt ein wunderschönes armenisches Weib. Kaum zu Haust gekommen, läßt er sogleich den Manu desselben vor sich fodern und verlangt von ihm die Abtretung und Ueberlassung seines Weibes. Der Mann kommt in voller Verzweiflung zu Hause und klagt seiner Frau sei» Unglück. Die tröstet ihn: „Grab ein tiefes Loch hinter unserm Backofen!" Als das geschehen: „Nun geh zum Vezier und sage ihm, er möge zu mir ins Haus kommen, es zieme sich nicht, daß eine Christin das Hans eines Gläubigen betrete und verunreinige." Der Vezier geht in die Falle, das Weib gibt ihm aber einen Schlaftrunk, enthanptet ihn und verscharrt dann den Leichnam mit Hülfe des Mannes in jenem Loche. Nach einiger Zeit beichtet die Frau, und auch diesen in der Noth wehr begangenen Mord. Aber auch der Priester entbrannte in böser Lust gegen das Neib und drohte, wenn sie sich ihm nicht hingäbe, würde er sie verrathen und beim neuen Vezier angeben. Alleö Flehen und Bitten von ihrer Seite ist umsonst, zuletzt erklärt sie dennoch standhaft, sie würde in die Sünde nicht willigen, und sollte es auch ihr Leben kosten. Der Priester, als er sieht, daß nichts sie zu seinem Willen bewegt, führt seine schändliche Drohung aus und verräth an den neuen Vezier die ganze Geschichte. Der läßt ihn aber sogleich ins Gefängniß werfen und den armenischen Patriarchen vorfodcrn. Den fragt er: „Welche Strafe verwirkt ein Priester nach cuern Gesetzen, der Das, was ihm gebeichtet, einem Anderu verräth?" Der Patriarch antwortet: „Den Tod durch 241 Henkershand, aber vorher soll ihm die Zunge von hinten durch Den Nacken herausgerissen werden!" Der Vezier fodert dies Urtheil vom Patriarchen schriftlich, und als es geschehen: „Du hast das Urtheil einem deiner Priester gesprochen, es geschehe ihm, wie d» gesagt. Dann läßt der Vezier das Ehepaar kommen, gibt ihnen einen Beutel mit Gold und sagt ihnen: „Geht nicht zu Hause, holt nicht euern Mantel, sondern geht augenblicklich ohne euch umzusehen fort in ein fremdes Land, denn die Wände haben Ohren!" Da wir einmal am Erzählen von Liebesgcfchichten sind, so mag hier auch eine Platz finden, die uns Aruthian Abowian beim heutigen Umhergehen erzählte, lind die es werth wäre, den Schluß-punkt oder Knallesfett eines Romans aus der modernen Vcrzweif-lungsporsie zu bilden. „In meiner Jugend war ich einst jenseit des Ararat nach Vajazid in Kleinasien gereist. Als ich auf dem Vazar umher-schlrnderte, fällt mir ein Mann von unglaublich elendem und traurigem Aeußrru auf, der beständig am ganzen Leibe zitterte, nie stille stand, sondern immer unstät und zwecklos umhrrwankte. Man erzählte mir auf meine Erkundigung seine Lebensgeschichte. Er war ein Leinweber und hatte in einem Dorfe unter dein Ararat gear-beitct. Hier verliebt er sich in das Weib seines Hrotherrn und verleitet es, mit ihm zu entfliehen. Am Abend erreichen ste eine Höhle im Araratgebirge. Die Frau bleibt in derselben, um zu ruhen, während er ausgeht, um Lebensmittel aufzusuchen. Nach einiger Zeit kehrt er zurück und erblickt nun in der Höhle eine unge. hellere Schlange, welche das Weib bereits halb hcrabgeschlungen hat. Sie aber hat die Arme weit allsgespannt, so daß dirse ein Hinderniß bilden, daß das Ungeheuer sie nicht völlig h crab würgen kann. Wie sie ihn erblickt, ruft sie: «Spalte mit deinem Sarscha (Säbel) der Schlange den Vanch auf, oder schlitze ihr von beiden Seiten den Rachen, so kann ich noch gerettet werden!« Allein der Mensch hat so alle Besinnung, alle Thatkraft verloren, daß er wie versteinert dasteht, ohne sich zu regen. Von neuem fleht sie: «So reiche mir wenigstens deine Sarscha, ich will versuchen, wie viel ich mir selbst helfen kann!» Auch hierzu fand er keine Vesin^ nnng und Kraft. Da ruft sie verzweiflungsvoll: «N,m, ich sehe, 2t2 welch ein elender, feiger Wicht du bist, so mag ich auch nicht län ger leben!» Und somit schlägt sie die Arme über den Kopf zu-sammen und versinkt augenblicklich in den Bauch des Unthiers. lind nun sieht er noch, wie die Schlange sich mit gewaltiger Kraft um cinen mächtigen Vasaltpfeiler windet, um so die Knochen des Körpers des Weibes in seinem Leibe zu zerbrechen, er hört noch das gräßliche dumpfe Geschrei des Weibes im Leibe der Schlange. Da stürmt er verzweiflungsvoll, halb blödsinnig, halb wahnsinnig fort und schleppt noch jahrelang sein elendes Dasein l'in. Gs war heute Freitag, mithin der Wochenfeiertag der Moham medaner, ich hörte, es sei zugleich ein besonderes Fest, der (5rin-nerungstaaMg des Mordes der Prophelen Hussein und Haffcm und der 70 Prophetenkinder durch die Iesiven. Ich beschloß demnach zur Moschee zu gehen und zu sehen und zu hören, so viel zu sehen und zu hören gestattet würde. Ich hatte schon ein paar Tage früher mit Abowian auf einem Spaziergangc die mohammedanische Moschee besucht. Die Moschee mit ihrem graziösen hohen, Minaret, mit ihrem kolossalen Thor, welches die ganze vordere Hauptwand einnimmt und dem Innern dadurch mehr dem Charakter einer offenen Halle gibt, ist das einzige imposante Gebäude, was ich in Eriwan gesehen. Die Moschee hat einen länglich viereckigen völlig geschlossenen Hof uor sich, das ganze Viereck umschließt ein arkaden-artiges Gebäude mit einer Menge offener Hallen, die zu Schulen (Medressi) und Wohnungen der Mullahs lind sonstiger Kirchendiener dienen. In der Mitte des Platzes ist ein Wasserbassin von vier herrlichen Bäumen beschattet. Als wir in den Hof traten, hatten wir Gelegenheit, einem Schulunterrichte beizuwohnen. In einer der offenen Hallen, links von der Moschee, sasien etwa 3l) Knaben längs den Wänden umher, alle mit untergeschlagenen Beinen. Vorn saßen ans beiden Seiten zwei Lehrer in derselben Weise, In der Mitte standen Wasserkrüge, Tintenfässer u, s. w. Immer zwei Schüler wurden aufgefodert und setzten sich dann den beiden Lehrern gegenüber, um ihre Lection aufzusagen. Sie wiegen und schaukeln sick dabei mit dein Oberleibe beständig vor- und rück^ 243 warts. Sie haben nur geschriebene Bücher, lernen lesen in einer persisch verfaßten Geschichte des Nadir-Schah, schreiben persische Schrift. Keineswegs lesen und schreiben sie tatarisch, ungeachtet es sämmtlich tatarische Kinder sind! Der Lehrer sagt es ihnen so lange vor, bis sie sich mechanisch an die Schriftzüge dieser ihnen ganz fremden Sprache gewöhnt haben. Der Lese- und Schreib-unterricht dauert daher unendlich lange, mehre Jahre hindurch. In einer andern Halle sasi ein alter Mullah und vor ihm zwei junge, ebenfalls alle drei mit untergeschlagenen Beinen. Der Alte las ihnen eifrig das Alte Testament vor und erklärte es ihnen. Die Mullahs unterrichten siä) stets unter einander, haben über-Haupt sämmtlich einen großen Eifer für den Unterricht. Die Un terrichtsmethode mag sehr schlecht sein, allein ihr Eifer könnte wol als Beispiel und Sporn für die träge armenische, grusinische miv russische Geistlichkeit dienen. Am heutigen Feiertage ging ich mit Abowian etwas vor 12 Uhr nach der Moschee. Mit dem Schlage der zwölften Stunde trat der Wächter (Muezzin) auf die Zinne des Minarets und foderte die Gläubigen zum Gebet auf. (5s war ein Gesang, der ungemein melancholisch und klagend herabklang. Die sich nur in ein paar Tönen bewegenden Melodien hatten die größte Aehnlichkeit mit den Melodien einiger katholischen Litaneien, Wir setzten uns in dem Hofe der Moschee auf die steinerne Einfassung des Bassins im Schatten der Bäume. (5's dauerte nicht lange, so kamen von allen Seiten die Gläubigen, um ln die Moschee z» gehen, die Weiber alle tief in Schleier gehüllt. (Ich hörte, nu> alte Weiber besuchten die Moschee,) Bald kamen einige Mullahs und als sie uns sahen, näherten sie sich lins und setzten sich aus unsere Einladung neben uns. Ich frug durch Äbowian an. ob es mir als Fremden wol gestattet sei, dem Gottesdienst beizuwohnen; sie bejahrten dies sehr freundlich und sagten, wir sollten nur dreist in die Moschee gehen, und dürften uns stellen, wohin wir wollten. Wir hielten es doch für angemessen, bescheiden an dem Pfeiler des großen Thors stehen zu bleiben, von wo wir auch sehr gut Alleö übersehen konnten. Die Leute aber waren so ungemein freundlich 1«' 24-5 und anfmerksam, dasi sic mich einiger Zeit uns zwei Stühle brach ten, um alisruhen zu können. ') Die Moschee ist ganz leer von jeder Zierat»), auf die nackten, weißen Wände sind Sprüche des Korans geschrieben, in der MiNe steht srei eine kleine hölzerne Kauzrl zn der eine hölzerne kreppe mit zehn bis zwölf Stufen heraufführt, Rechts standeu die Wei' ber, links die Männer. Zurrst war ein stilles Gebet, dann trat ein alter Mnllah alls die fünfte Stuft der Kanzeltreppe nnd las eiu Capitel aus dem Koran vor, halb singend, im Tone, wie in der katholischen Messe die Epistel nnd die Colletten grsnngen wer den. Dann trat ein jüngerer Mnllah alls die Kanzel nnd hielt eine lange Predigt voll Moral, voll Logik, was der Mensch thun müsse, um die Seligkeit zu erlangen, »vie er sich vor Lastern bewahren sollte, vor Geiz, Hoffart, Sinnlichkeit, Tie Sprache war stets bildlich: ,,Haltet den Fusi rein! bewahrt ihn, daß er keine unrechten Wege gehe zu Diebstahl, Naub, Betrug. Haltet das Auge rein, d. h. von bösen Grinsten. Aber nicht bloö enthaltet euch der Sünde, thnt auch Ontrs, erbannt euch der Armen, Kranken!^ Er führte hierbei Citate und Beispiele aus dem Koran und aus dem Propheten Christus (eher geht ein Kamecl durch ein Na delöhr u. s. w.) an. (5inmal fuhr er auch vou der Kanzel herab auf das heftigste die Weiber an, welche untereinander flüsterten. Als er geschlossen, sagte dir ganze Gemeinde Amen, Um dir Kan^ zel standen in einem Kreise eine Anzahl Mullahs und junger Leute, die nun einen eben nicht harmonischen Gesang in Nasaltönen anstimmten, dann stieg ein junger Mnllah wieder nur bis auf die fünfte Stufe der Kanzeltreppe und trug, ans einem ge. *) Ii» Kankasuo findet man keine Feindseligkeit zwischen Mohammedanern und Christen, amh nicht unter den vrvschiedcncn VolWammen. Tataren, Tschl'rlVsscn, Perser alö Mlchaimm'dancr, nnd Ornsirr, Ärincuilr als Christen, lcl'en viclsach in dcnsclbcn Tölfern zns.ninucn, halten ^nte Nachbarschaft und gl'ftlli^n ^ettehr, essen ans denisell'cn Tcpp^ch zusammen, aber Alle halten dc,'ch streng ans ihre Religion, ihre Sitten, Gewohnheiten und Trachten. Nur >vo sich Sekten gegtiiübersleheil, .ilft uittrr schiitischrn und snnnitischeu Vlohauünedaurrn, lintcr nationalkirchlichen und römischen Armeniern herrscht Feindschaft. Alle Volker und NelissN'nS-verwandte aber vermeiden den ges<te auf der Sttasze redend, klagend ein, er klagte, er weinte selbst mit, der Ansprnck des heftigsten Zorns, der Furcht, der Angst wechselten auf seinen, Gesichte mit dem der höchsten Begeisterung; man sah Alles vor sich, er fodertc die Zuhörer zur Klage, zur Nache gegen die Mör der cinf! Und bald war die ungeheuerste Aufregung unter den Gläubigen in der Moschee, überall hörten wir lautes Klagen und *) Oder vielmehr gesehen, deun ich verstand lciu Wett, Mowia», der «ebe» mir sasi, verdolmetschte mir immer i» den P.msr», was der Mullah s^t''. 246 Schluchzen, sie schlugen sich an die Vrust, viele rauften sich das Haar, kurz, es war ein Anblick, wir ich ihn in meinem Leben »licht gehabt hatte. Kein Schauspieler erreicht die Kraft und Eindringlichkeit dieser Stimme, den Ausdruck dieser Mimik, und die hinreißende Gewalt der Ueberzeugung, die sich dann im Volke so mächtig abspiegelte. Nie habe ich die Gewalt und Macht, die ein Mensch durch seine Ncde über eine Volksmenge zu gewinnen vermag, in dem Maße gesehen, wie hier. Hier erst ward mir klar die Gewalt des Fanatismus, wir selbst rine falsche Lehre durch die Macht der Nede die unbedingte Beherrschung der Gemüther der Menschen erobern kann, wenn auch der nüchterne Verstand sie nicht begreift oder gar verwirft, (5s stiegen auch leise Zweifel in mir auf, ob der Mohammedanismus wirklich so verrottet, abgelebt, in sich versunken sei, wie ihn die politischen Bildungen desselben in seinen jetzigen Staatsgebäuden erscheinen lassen, ob auch der belebende religiöse Geist, der «inst den vierten Theil des Menschengeschlechts unterjochte, nur als eine Zeiterscheinung in der Weltgeschichte anzusehen und jetzt seinem (Erlöschen, seinem Versinken, seinem Tode so nahe sei, wie wir in Europa meinen. Freilich, als Staatsverband erscheint der Mohammedanismus sehr schwach. Die Tataren haben sich gnt, und wie es scheint, ohne Widerwillen, in den russischen christlichen Staatsverband gefügt, sie sind zum großen Theil treill' Unterthanen des christlichen Czar, sie dienen in seiner Armee, ja ich fand Beamte in der russischen Civiluniform, die dennoch treue Anhänger Mohammed's geblieben waren, Die persischen und türkischen Slaatsformen sind völlig morsch und verfallen, eine Regeneration von Innen heraus, wobei das einzige geltende Gesetzbuch, der Koran, die Grundlage bliebe, scheint unmöglich. Alle Versuche, das Staatsgebäude zu erhalten und auszubessern, laufen aus Nachahmung (?) und Einführung euro päischer Formen und Normen hinaus, wie dies im größten Maßstabe in Aegypten geschehen. Der Mohammcdaniömus zieht sich mehr ins Innere der Gläubigen zurück, er erzeugt eine mystische Frömmigkeit bei dem Einzelnen, aber erweckt im Ganzen nicht mehr den Fanatismus der Mengr, Nur im östlichen Kaukasus ist der Muridismus eine merkwürdige Erscheinung der An, aber hier ist 247 der Mohammedanismuö erst frisch eingedrungen, kaum hunder« Jahre alt, dabei bei einem so stets schon kriegerischen und kräf tigen Vergvolkc, unter Anführern wie Schamil, eine wahre Heroenuawr! *) Abowian erzählte mir, daß in persischer Zeit dieses Trauerfest drei Tage gedauert, daß die Geschichte Ali's auf freiem Felde da^ gestellt worden, daß kurdische Reiter die Mörder der Propheten, die Iestdcu hätten vorstellen müssen, dasi die Propheten und ihre Kinder durch Geistliche vorgestellt seien. Vin Mullah habe zuerst von einer aufgebauten Erhöhung herab die Geschichte Ali's erzählt bis zu dem Punkte, wo die heranströmenden Iesiden den Moro versucht. In diesem Augenblick seien auf einmal die kurdische» Reiter in der Tracht der jetzigen Iesiden angesprengt mit entblößtem Säbel und die Voltsmasse durchschneidend. Alles stiebt auseinander, Alles verflucht „nd beschimpft sie zu tausend malen. Die Reiter haben ihre bestimmten Worte und Neden, die sie rufen müssen. Ein herzzerreißendes Klaggeschrei erheben jetzt die Knaben, welche die Kinder der Propheten vorstellen; sie schlagen mit beiden Händen sich an Kopf und Vrust, zerraufen sich das Haar oder umklam mern die Füsie der sie als Vertheidiger umstehenden Jünglinge, Diese, ihre Schwäche den wilden bewaffneten Reitern gegenüber sich lend, schreien verzweiflungsvoll! Nü5« Kind des Christenthums, überall in die mohammedanisch«! Staaten u»d Vdlker ein, ob als Gorläliferin des Christenthums, »ver weiß!? Dao ist sicher, baß nur das Christenthum die ganzc Cultur zutragen, zu halte» und fortzuführen ueriuaa,, lnmmrrml'hr der Mohammedainsmuiü, fchou deshalb nicht, weil er das Weib nntordrückt. Uebrigens schnnt denn doch auch leise, fast »mbemerlt, viel Christliches bci bi» »lohammedanischcu Völ^ lern sich einzudrängen; in dcu HarcniS sind unzählige christliche Frauen, die sogar heimlich eine Menge Kinder taufen! W ist daher auch höchst wichtig, die überall zerstreuten Nestc des Christenthums i„c, ?ii,^ zu fassVn, Könnte »nau sie der Einheit Mührc» und ihnen die höhere enropaischc Cultur geben, sie würden den sie umgebende!, Mohammedaliismue! ball» ubeiwätti^en. Daß ich hicrflir reu wilt^fchichtlichm Veruf der Ärüieliiel l» Anspruch ül'hlin', ist au eincr aud^i, stelle aus^efiihrt. 248 lenden Mullahö erheben ein noch tieferes Wchgeschrei lind beklagen ihre Hülflosigkeit mit schmerzlichem Tone. Das ganze Volk ltmher bricht in Klagen und Weinen aus. Da scheint eine unsichtbare Hand die Feinde fortzutreiben, sie verschwinden, wie sie gekommen. Allein nach einiger Zeit erscheinen sie wieder und dieselben Scenen wiederholen sich drei mal, Aber endlich sendet der Prophet Gottes selbst Hülse i eine glänzende Neitcrschar sprengt über die (5bene heran, und die Mörder, die Iesiden, verschwinden im Nu! Nun ist allgemeiner Jubel und Freude, alle Klage, aller Jammer ist verschwunden und das Volk überläßt sich der ausgelassensten Freude! Man sieht hieraus, die Tragödien der antiken Welt, die zu-zugleich einen Theil des Gottesdienstes bilden, sind noch nicht ganz von der Erde verschwunden! In Eriwan werden diese kriegerischen gottcsdienstlichen Spiele seit der russischen Eroberung nicht mehr aufgeführt, allein in Pcrsien kann man sie noch in jedem Jahre sich wiederholen sehen. So wird stets der Haft der Perser gegen die armen Iesiden von neuem aufgestachelt, und doch ist es wahrscheinlich nur eine Namensverwechselung, die sie zu Nachkommen der Mörder der Propheten stempelt! *) Der Gottesdienst, dem wir beiwohnten, dauerte gegen drei Stunden, und wir gingen fast so bewegt und aufgeregt zu Hause, als daS gläubige Volk. Der Mullah, der die erste Predigt gc^ halten, hielt bei deren Schluß ein öffentliches Gebet für den Czar, für die gläubige Gemeinde in (5riwan, für die Wallfahrer nach Mekka, für die Aufrechthaltung des Islam: „Möge das Gebet der Patriarchen und Propheten, des Abraham, Isaak, Moses, Daniels, Ieremias, Iesaias und der andern der alten Zeit, des (5hristus, Mohammed, des Ali und seiner Kinder den Kaiser, die Gemeinde u. f. w. schützen," Das Volk rief immer bei Nen. nung eines Jeden, für den der Schutz des Himmels verlangt ward, ein lautes, feierliches Amen! *) Der Anführer der Morbci der Propheten hcisit Iisid l>»d w.n ciü Sohn des Moawijay. Allein Recht, grnne Tnrbane zu tragen. 2ö0 thut, als sähe er ihn nicht, allein nun beginnt der Derwisch mit seinem Messer ein ganz kleines Stückchen Feld umzustechen, oft nur eine Elle lang und breit. Er säet Weizen hinein und begießt ihn fleißig, daß er bald anflicht. Wird das Feldchen nun hübsch grün, so ist die Zeit herangekommen, wo er sein Geschenk bekommt, denn es würde »ine ewige Schande für den Schah sein, wenn je der Weizen zur Vlüte käme'). Der Schah befiehlt denn also, ihm ein Geschenk zu reichen, allein da kommt es denn noch oft vor, daß der Derwisch mit dem Geschenk nicht gleich zufrieden ist, daß es ihm zu gering dünkt, und dann setzt er sich vorläufig wieder bei seinem grünen Fcldchcn nieder; endlich nach vielem hin und her Unterhandeln, denn los muß doch nun einmal der Schah den Derwisch werden, wird man eins über ein schlechtes Pferd, über ein neues Kleid oder dergleichen, dann zerstört er zufrieden sein grünes Feldchen und zieht ab. Aber kaum ist er fort, so kommt ein zweiter Derwisch, und dasselbe kleine Lustspiel wird wiederholt und durchgeführt; man kann so wol rechnen, daß alle Monate ein Derwisch auf diese Art vom Schah beschenkt wird. Jedes tatarische oder persische Dorf hat seinen eigenen Mullah. Gr erhält freiwillige Geschenke von der Gemeinde. Os steht eigens lich nichts fest. Oft wendet sich daher eine Gemeinde an den Scheith-el?Islam in Eriwan, das Haupt der mohammedanischen Geistlich-keit in Armenien, und erklärt, slc mache sich verbindlich, «<> bis 100 Rubel jährlich zu zahlen, wenn man ihnen einen Mullah schicke. Der Mullah hat nur das Gebet, die Schule und die Beerdigung vorzunehmen, lieber l5 bis 2l) Dörfer aber ist ei» Ober-mullah bestellt vom Scheikhel-Islam, meist auf Vorschlag der Gemeinden, Nur der Obermullah vollzieht die Trauungen und übt die Gerichtsbarkeit. Gr schlichtet alle Streitigkeiten, früher definitiv nnd allein, gegenwärtig gehen Streit- und Proceßsüchtige auch wol schon an die russischen Gerichte, Das Gericht des Mullah hat don Namen Scherr. Die Parteien sind übrigens nickt an ein ') In deutschen Sprichwörtern u»b Volksliedern lommt die Redensart vor: ,,Wer weis;, wo mir nn'in Wcizrn blüht!" (d. h,, nw mein Gluct mich sindc!) >^st t^io alte sa^'narttt^ Aolfssymbolil? 231 bestimmtes Scherr gebunden, sie gehen zu dem Obermullah, dem Gericht, zu dem sie Zutrauen haben; Streitigkeiten der Mullahs untereinander, sowie Klagen über und gegen die Mullahs entscheidet der Schttkh - el - Islam. In der Negel werden die Söhne der Mullahs wieder Mullahs, doch gibt es bei den Tataren keinen erblichen geistlichen Stand, Jeder, der will und die nöthigen Studien gemacht hat, kann Mullah werden. Die Würde des höchsten Geistlichen, des Scheikh cl Islam in Eriwan, ist aber erblich in einer alten, vornehmen tatarischen Familie, Der Musteit in Tabris ist eigentlich keine geistliche Würde, aber er hat in geistlichen und weltlichen Dingen eine nicht in bestimmten Grenzen eingeschlossene Macht, es ist eine Volksmacht, sich bald stärker, bald schwächer zeigend, sie beruht auf dem Ansrhn des Bluts Mohammed's, Der Musteit ist das Haupt der Familien, die von Mohammed durch seinen Schwiegersohn Ali abstammen*). Das Volk sieht den Musteit eigentlick als das rechtmäßige, poli tische und religiöse Oberhaupt der Geistlichen an und den Schah von Persien sowie den Sultan in Konstantinopel eigentlich nur für Usurpatoren. Die Macht des Musteit ist daher in Persien, besonders bei schwachen Schahs, oft so groß, wie die des Schah selber. Wenn ein Verbrecher hingerichtet werden soll und verlangt, oder seine Verwandten verlangen vom Musteit die Erlaubniß noch ein^ mal die Gnade des Schahs anflehen zu dürfen, so muß die Hin^ *) Halt man die Abstammung für die eigentliche Veoingnng des Vor' nehmseim', so könnte man wol nirgends cine so vornehme Gesellschaft zusammenbringn, als im russischen Reiche! I) der ssürst Vassratio!! s<5zar von Grüften), in direrter Linie vom König David abstammend, also der nächste ciwrisbare Blutsverwandte von (5hristo; 2) der Muftcit in TifliS, der directc Abkömmling von Mohammed; 3) der Fnrst Girei ssshan der Tatarei), dcr directe Abkömmling von Dschingwkhan: 4) ein paar Nachkommen von R>nik, der unmittelbar von Odin nnd den Äsen gittern abstammte: 5)) etwa ei» Fürst Dolgoriicki nnd Odoyesski, Ma» könnte dann allerdings noch ein paar kcnte von der Straße hinznladen, die bircet von Adam und Nl,'ah abstammen, welche doch anch wo! imme» für vornehme Männer gegolten haben, da der liebe Gott stets unmittcll'm mit ihnen verkehrt hat. 2ä2 nchtung aufgeschoben werden, Verlangt der Musteit aber selbst Gnade für den Verbrecher, so muß sie ihm ertheilt werden. Die Tataren sind frei, sie kennen keine Leibeigenschaft, sie habe», »vie schon angeführt, einen eingeborenen Adel, den der Vegs, der auch hier in den südlichen Strichen sehr geachtet ist. Hin »nd wieder findet man bei vornehmen Tataren noch Haus>klaven, sie bringen solche oft (früher viel mehr) von der Wallfahrt nach Mekta mit. Hier dürfen seit russischer Zeit keine Sklaven mehr gekauft und «erkauft werden. Nach dem Grbschaftsrecht der Tataren, natürlich nur auf Sitten und Gewohnheiten, nicht auf Gesehen beruhend, erben die Töchter halb so viel als dic Sohne. Der älteste Sohn erhält einen Sarscha (Säbel), ein Pferd und den Koran voraus, alles Andere theilt er mit den übrigen Söhnen zu gleichen Theilen, Meist jedoch bleiben Brüder in demselben Haushalt zusammensitzen unter Herrschaft des Aeltesten. Peter Neu gab mir einige Notizen über Persien, die hier, wo wir von Landstrichen sprechen, die ehemals unter persischer Herr-schaft standen, eine Stelle finden mögen. An der Spitze eines jeden tatarischen oder persischen Dorfs steht der Kajatchata (wörtlich-Dorfgott), (5r wird von dem Abgabenpächtcr, der wie eine Ar< Gutsherr erscheint, nur daß er temporär ist und oft schon nach einem Jahre wechselt, eingesetzt. (5r übt mit den gewählten Dorf^ ältesten, den Aksakal (Weißbärten), die Polizei «nd entscheidet kleine Streitigkeiten, Vo» ihm wird an das Scherr, das Mullahgencht, appellirt. Die Criminalgenchtsbarkeit liegt in den Händen deo Veglerbeg, der selbst dir Todesstrafe verhängt. Vei den persischen Armeniern ist auch das Gemeindegrricht die erste Instanz, als die zweite ist ihnen der Veglerbeg angewiesen, allein die Armenier wenden sich fast nie an ihn, sondern begnügen sich »lit dem ersteil Spruch, oder nehmen ein Schiedsgericht ihrer Glaubensgenossen. Ueber die oben erwähnten Abgabenpächter sagte er: Im eigentlichen Persien wird alles Land angesehen alö vem Schah gehörig, ^s eristirt ein Lehnsadel, dem vom Schah Grund und Boden mit freie» Disposition untereinander und abgabenfrei 2ö3 (mn N'enn ein Stuck Land mit Weizen bestellt ist, mnsi der dritte Theil der Ernte an den Schah abgegeben werden) verliehen ist, wogegen er Kriegsdienste leisten muß. Von allen» übrigen Grund und Boden, der in Händen der Städter und Bauern ist, soll mich dem Gesetze der Schah den dritten Theil der Ernte erhalten und vom Vieh eine Geldabgabe, nämlich von jedem Pferde oder Stück Rindvieh l Tannabat (nach prensiischem Gelde oirol, 5 Sgr.), von einem Schafe oder rincr Ziege t Abbas (2 Sgr,), von den Hühnern soll das zehnte Stück abgegeben werden. Enten, Gänse li. s. w. sind abgabenfrei. Der Schah hat aber keilte Beamten, Stenerbeamten oder Domaineubeamten, welche diese Abgaben erheben, sondern er hat in jeder Landschaft Statthalter (Sardar), welche ihm ein Bestimmtes aus diesen Abgaben schaffen müssen; dies steht auch nicht für immer fest, sondern wird jedesmal bei jedem neuen Sardar aufs neue festgesetzt, wobei mall die jeweilige g» öftere oder geringere Abgabcnfahigkeit der Provinz im Auge hat. Der Sardar hat nun ebenfalls keine Steuerbeamte, sondern er verpachtet jedes Dors an Abgabencmpfänger, wozu sich Adelige, Bürger, Kaufleute, Tataren drängen, da es ein sehr lucratives Geschäft ist, ES herrscht dabei nämlich so ziemlich die unbeschränkteste Willkür und Raub sucht. Die persischen persönlich freien Bauern sind unendlich viel gedrückter und elender, als wären sie leibeigen! lieberall sind in und neben den Dörfern grosir Dreschtennen, wo alles Korn zusammengebracht und gedroschen werden muß. Sobald dies geschehen, erscheint der Serker (Haupt der Arbeit) als Diener des Pachters, Jeder Bauer hat danu seine besondere Stelle auf der Dreschtenne, wo er sein ausgedroschenes Korn liegen hat. Der Serker hat ein Vret mit einem Stempel, das drückt er auf jeder Ecke des auögedroschrnrn Haufens ab. Wenn alles Korn l'ineö Dorfs ausgedroschen ist, so wird das Äbgabrndrittcl abgemessen. In einigen Provinzen heißen die Statthalter Sardars, in andern (den tatarischen) Chans, noch in andern Vegierbegs*). Sie sollen einen bestimmten Antheil an den Abgaben zu ihrem Unter ") Beglarbeg heißt eigentlich der Veg der Vc^e, alsV' Ot'evh^iipt dei Ve^t, 234 halt haben, nehmen aber meist, was sie erzwingen und erpressen können. Die Armenier im Innern Persienö sollen sogar die Hälfte der Ernte statt ein Drittel abgeben müssen. Die in den Landstrichen nach Tabris hin Ansässigen empfingen daher die Nüssen als ihre Befreier und wanderten, als die Russen nach dem Friede» diese Gegenden wieder räumten, Grund und Voden und Häuser in Stich lasseno, nur ihre Mobilim und Moventien (Vieh u. s. w.) mit sich nehmend, größtcntheils nach der kaukasischen Provinz aus, wo sie angesiedelt wurden. Seitdem sind aber die Perser so klug gewesen, den zu arge» Druck zu heben und die Armenirr in allen Dingen den Tataren gleich zu stellen. Peter Neu sagte, die Bauart der Häuser, die Art und Anlage der Gehöfte und Gärten bei den persischen Bauern seien den arme^. nischen sehr ähnlich, nur Alles viel ärmlicher. Holz ist fast nirgends, daher überall LchnMgel und Pisebau. Gebrannte Ziegel gelten für großen Lunis; nur die Gärten liesern in den Nuß-bäumen, Mandelbäumen, Birnbäumen u. s. w, rtwaö Nutzholz und in der ziemlich häufigen Pyramidenpappel das unentbehrliche Bauholz. Außer in einigen Gebirgsgegenden wächst in Persien in den Ebenen ohne Bewässerung nichts *). Wo die Kanäle verfallen und eingehen, ist in wenig Jahren Alles eine völlig unbewohnte Steppe. In den persischen Städten gehören die Bewässerungskanäle meist besondern Eigenthümern, die sie gebaut oder gekauft haben, und die von der Benutzung des Nassers einen Pacht ziehen. In den Dörfern gehören sie den Gemeinden und werden von diesen in Stand gehalten, die einzelnen Einwohner benuycn sie nach bestimmten Regeln. *) Uebereinstiinmrnd hiermit berichtet (Kapitain Wilbraham Seelen und außerdem noch bis m Georgien hinein zerstreute Besitzungen mit Ull Seelen. Den-noch sollen die iHinlnnfte nur gering gewesen sein. Ueber die Kanäle bemerke ich noch, daß deren mehre Hundert n»> (^riwau herum liegen und daß ver gan^e nichl unbedeutende Fluß Karsack oder Abaran durch sie verschluckt wird. Sie wurden I'M! vom Patriarchen Nahapirt völlig er-nenert lind erweitert. 267 Krieges, wo die Armenier und selbst ihre Geistlichkeit und ihre Klöster offne Sympathien zu Rußland zeigten '), Das Kloster besitzt noch vier andere Dörfer, wo ganz dieselben Verhältnisse herrschen. Die Dörfer sind aber nicht groß, und arm, sodaß die baaren Geldeinnahmen von jedem nur 2 —3W Rubel Silber betragen. Die Hauptrevenuen des Klosters bestehen in den milden Gaben und Geschenken, die ihnen von den durch ganz Asien und durch Theile von Europa und Afrika zerstreuten Ar meniern zustießen. Hiervon wird der Unterhalt der Geistlichkeit, der Klostrrgebäude und Kirchen, des Gottesdienstes uud der Dienerschaft bestritten, der Nest fließt in die Kasse des Patriarchen, welcher die-sen, sowie die unberechenbaren Nevcnuen, welche von den Klöstern in Pcrsien, Indien, der Türkei u. s. w. ihm zustießen, zum Nutzen der Kirche verwendet, DaS Wie? möchte wol schwer zu ernüt teln sein. Am andern Morgen besuchte ich nun das berühmte Kloster selbst. Es liegt in hohen Mauern mit acht Thürmen und galt früher als gut befestigt. <5in tiefes gewölbtes Thor führt zunächst in den äußern Hof. Schon im Thor, und dann alls diesem Hofe, stehen eine Menge Vudcn sowol von Kaufleuten als von Hand werkern aller Art. Hier ist auch eine Wachsfabrik. C'in zweites Thor führt in den innern Hof, in dessen Mitte die berühmte Kathedrale steht, Sie ist offenbar nicht auf ein mal und in demselben Style gebaut, sondern die Theile sind in sehr verschiedenen Zeiten ') Die Perser habe» Ehrfurcht vor der christlichen, namentlich del armenischen höhern Geistlichkeit. ?ll^-?lbba<5 Mirza in dem Kriege gegen die Türken nach ^dschmic^in l>nn, ersuchte er den Palriarchen, sein Schwert zn segnen lino zu weihe». Wä»e es ei» Krieg gegen die Russen gewesen, so tomttc man glauben, er habe. dabei politische Niicksichten im Auge gehabt, allein in einem Kriege gegen andere Mohammedaner löunen nur gläubige oder abcrglältbige Richtungen ihn dazn vermocht haben. Uebri-gcns verehren auch die Tnrkn nnd Kurden dic armenischen Heiligthnmer. Die Mohammedaner in Vajazid glauben, gegen die Pest, welche nach der Sage alle sieben Jahre wiederkehrt, helfe nur dir Reliquie der heiligen Lanze, welche sich in Gdschnimzi» bcfmdet. Sie ward dann früher in einer feierlichen Proeesswn nach Vajazid gebracht nnd soll jcbcSmal rie Macht der Pest gebrochen haben. «7 258 aufgeführt. Die verschiedenartigsten Vaustyle ha!"'« Veiträge gelie fert, man findet Theile und Verzierungen im antiken, im byzanti nischen, gothischen, maurischen, neuitalischen Styl. Aus nruestei Zeit steht sogar neben dem großen Hauptthor das ein^ und an gemauerte steinerne Grabdenkmal eines Engländers, der hier ge-storben. Es war der englische Gesandte am persischen Hofe, Mac-donald, und seine Gemahlin setzte ihm das Denkmal, Es ist eine englische, eine griechische nnd eine persische Inschrift daran. Es zeugt von großer Toleranz und Gefälligkeit, daß der Patriarch und die Geistlichkeit nicht blos das Begräbnis; geduldet, sondern sogar ein solches Monument an ihrer Hauplkirche, wodurch das Andenken eines Mannes geehrt wird, der ihrer Ansicht nach doch ein Ketzer war. Im Innern der Kirche herrscht selbst an hellen Tagen ein magisches Dunkel, zum Vortheil derselben, denn sie ist keineswegs von sehr großartigen kolossalen Verhältnissen. Die Länge der Kirche beträgt 50 Ellen, die Breite 48 Men, die Höhe 35 Ellen, Im Innern herrscht in Bezug auf Architektur der byzantinische Styl nnd dessen Symbolik. Ueberall findrt man eine Menge Instriptio nm angebracht, was die Armenier überall sehr lieben. Eine tibe. tanische Glocke sogar findet sich mit der Inschrift des mystischen tibetanischen Gebets! ,,0m moi»i" olc. Die Stellung und Art des Altars, überhaupt die kirchlichen Anordnungen, sind nicht griechisch, nähern sich »lehr denen der lateinischen Kirche, wie schon angeführt. Der Hausaltar soll übrigens »ach einer Vegende auf derselben Stelle stehen, wo einst in heidni scher Zeit der Altar nnd die Vildsänle der Artemis stand. Der heilige Gregor, der Erleuchter, hatte dann 5l>2 hier eine Vision-er sah den Grlöser in einem Sonnenstrahl herabsteigen, und das Götzenbild versank in die Tiefe, An Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen ist große Pracht, und soll noch mehr unter Verschluß vorhanden sein. Nahe dem Hauptaltar fiel mir ein ungemein schön nnd künstlich geschnitzter Sessel auf, offenbar europäische Arbeit, Noeoco- »oer wol mehr Renaissaneestyl, so schön gearbeitet, wie ich selten gesehen. Man sagte mir, es sel das Geschenk eines frü Hern Papstes in Nom für den damaligen Patriarchen ill Edschmiazin, Man wusite die Veranlassung nnd Zeit nicht genau, nnd meinte, 2äi) es müsse im 1,>>> an 264 Papste stände? Der Patriarch antwortete ohne irgend eine Zurückhaltung und Verlegenheit: „Der Papst ist der erste Patriarch der Christenheit und hat den Nang vor allen andern, auch den Vorsitz bei den Concilien, allein alle eigentlichen Patriarchen sind seines Gleichen. Eigentliche Patriarchen aber sind nur die in Rom, in Jerusalem, Antiochien, Alerandrien, Konstantinipel, und der Katholikos in Edschmiazin. Die armenischen Patriarchen in Jerusalem und Konstantinopel haben dagegen nur den Titel, aber nicht rie Stellung und Rechte der Patriarchen, so wenig wie die Patriarchen in Lissabon und Venedig. Die armenischen Titularpatriarchen in Jerusalem und Konstantinopel könne» vom Katholikos, oder auch vom Volke abgesetzt werden, niemals aber der Katholikos, der gesalbt ist*)," „Wir sind im Ganzen mit Rom im Frieden, In der Negel zeigt der neue Katholikos seine Erhebung dem Papste an. Mit dem Papst ist fast immer Eintracht, aber nicht so mit den katholischen Missionaren. Dann ist auch vorzugsweise Streit zwischen den armenischen Patriarchen in Konstantinopel und deu Katholiken, woran aber der Katholikos fast nie Theil nimmt. — Ein wesentlicher Un-terschied in der Lehre zwischen den Armeniern und Römern ist eigentlich nicht vorhanden, man hat sich mehrmals darüber geeinigt, früher war auch immer viel mehr Eifersucht und Streit mit den Griechen." „Die armenische Kirche ist die duldsamste von allen, sie erkennt Jeden, der getauft ist, sür einen Christen an, und spendet ihm, wenn er es verlangt, die Segnungen und Saeramentc der Kirche, ohne zu fodern, das; er im Verbände der armenischen Kirche stehe, ') Die Geschichte zeigt jedoch, daß die höchste Würde d>'s Katholikos teineswcgS von den Armeniern immer und gleichmäßig anerkannt worden ist. Jene Patriarchen in Jerusalem, 1l»5,5)—Ki^iO. und in Konstantinopel haben sich mitmittr unabhängig gcmacht. In Sis in silicic« ist »och gegenwärtig ein Palriarch, der sich ebenfalls KatholttoS nennt u,id gan; unabhängig von dem in Vdschmiazin ist, Mr sich macht er geltend, daß der ursprüngliche Sitz des Katholikos bis 14 >l iu SiS war. Desgleichen ist auch der Patriarch von Achtanun unabhängig. Beide gelten als Schismatiker. 265 ober hineintrete. Ich habe selbst zwei katholischen Polen, dir es wünschten, in Eriwan das Stcrbesacrament gebracht." „Armenien ist seit vielen Jahrhunderten der Tummelplatz blutiger und gransamcr Kriege gewesen, das arme Volk und seine Kirche sind stets auf das abscheulichste von den Persern nnd Tür ken verfolgt worden. Seit 2W Jahren haben wir nach Nußland hingesehen und geseufzt, und von dort Errettung gehofft. Vor dein Perserkriege, als ich noch Vicar und Vertrauter des Patriarchen Ephrem war, schlugen mir, als ich in Vajazid war, englische Mift sionare aus Indien vor, wir sollten uns mit ihnen vereinigen, sie wollten armenische Schulen anlegen, welche unter englischen und nordamcrikanischcn Schutz gestellt werden könnten, das würde dem ganzen armenischen Volke den Schutz dieser Mächte gewinnen. Ich wollte aber nicht, ich fürchtete für meine Kirche, ich konnte nnr Heil in der Verbindung mit Nußland erblicken." „Mein Volk ist roh, es hat aber herrliche Anlagen. Schon früh lernte ich einsehen, daß Das, was uns Noth that, die Errichtung der Schulen, die Verbreitung der Kenntnisse sei. In Tiflis hatte ich den Plan, eine Schnlc für 8W Schüler anzulegen. Der Gedanke fand bei meinem Volke die größte Unterstütznng, die Schule ward eingerichtet und hatte bereits nahe an ^M Schüler. Vci Edschmiazin, dem Mittelpunkt meiner Kirche, gedachte ich ein gro-ßes Schulpensionat für alle in der ganzen Welt zerstreuten Armenier zu gründen, mit einer Akademie für die höhere geistliche und Welt-lichc Bildung. Dieses Institut sollte die Verbindung unter allen in Europa und Asien lebenden Armeniern auf das engste knüpfen. Die Zahl der zu diesem Zweck dort gebildeten Schüler sollte sich auf 5MW belaufen. Alle Vorbereitungen waren schon getroffen, die Localitäten ausgesucht, die Baupläne entworfen," Ich konnte nicht umhin, zu fragen, wo dann die (Geldmittel zu so kolossalein Unternehmen zu finden seien? l5r antwortete- „Es lebt gegenwärtig ein mächtiger Trieb unter allen Arme. niern, eine innere nationale Bildung zu erhalten nnd darin fort-zuschreiten, sodaß sie zu jedem Opfer dafür stets bereit sind, Ich bin nur ein anncr Mönch, allein ich bin das Haupt der von den Armeniern über Alles geliebten nationalen Kirche, und deshalb bin 200 ich reicher wie viele Könige, es hätte nur der auffodernden Briefe meinerseits bedurft, um Millionen für solche Anstalten zusammen^ zubringen. Ich hatte schon damals Anerbietungen dazu, und zwm zu ungeheuern Summen, besonders in Indien erhalten. Ich konnte dem russischen Gouveluement erklären, daß ich nichts wünsche und erbäte, als die Erlaubniß, mich in dieser Beziehung srci bewegen zu dürfen, für die Fonds würde ich selbst sorgen, die Anlegung der Schule in Tiflis zeige, daß ich über hinreichende Geldmittel ge böte für größere Unternehmungen. Allein es kamen Intriguen und Verdächtigungen, ich erhielt dir Erlaubniß nicht, wurde vielmehr als Erzbifchof nach Kischeneff in Vessarabien versetzt'" ,,Und doch war das Bestreben meines ganzen Lebens nie etwas Anders gewesen, als mein Volk aus der leiblichen und geistigen Sklaverei, unter der es überall seufzt, zu befreien und damit an dem Punkte zu beginnen, wo der Mittelpunkt der Kirche sich als der natürlichste zeigt, und wo durch die Eroberung und den Schutz Rnßlands die Ketten der Sklaverei gebrochen waren! — Als ich damals von Tiflis fortmußte, hätte ich können nach Petersburg gehen, ich hätte mich rechtfertigen können, ich hätte die Lauterkeit meiner Absichten nachweisen können, eS wäre mir gewiß gelungen, wie es mir jetzt gelungen ist, aber ich wollte meinen Charakter als Aischof und Mönch nicht verleugnen." ,.Die Unthätigkeit war mir unendlich lästig! Ich hätte können nach Konstantinopel, nach Persien, nach Indien gehen, überall hätte ich für meine Zwecke wirke» köimrn, ich würde überall von meinem Volke mit offenen Armen empfangen worden sein- «In meines Vaters Hause sind viele Zellen»! Aber ick) vertraute auf den Ruf Gottes, ich ging in die Verbannung und harrte geduldig 15 Jahre aus. Endlich ward ich zum Patriarchen gewählt, der Kaiser ließ mich nach Petersburg berufen, ich kam krank an, bald schien der Tod sich mir zu nahen, da ward mir wie durch ein Wunder das Leben erhalten!*) So glaube ich fest, daß Gott mich dazu be. ') Ich hörte später, daß der Patriarch «lidttranl aM'esen, daß die Aerzte ihn Völlig ausgegeben und man sein Onde binnen wenig Tage» erwartet hätte, da hätte Herr Paschloff chn plötzlich dlnch eine »naaneli sch. ,N»r geheilt. 207 stimmt und berufen, ihm ferner noch in der Weise, wie ich ange-fangen, zu dienen! Die armenische Kirche ist ein Gebäude mit einer Kuppel, der Katholikos ist der Schlußstein derselben, auf wcl chem das Kreuz steht, das Symbol Christi!" „Mein Empfang beim Kaiser war wunderbar günstig. Gott hat sein Herz gerichtet, er sieht jetzt ein, was uns Noth thut, und daß ich es redlich meine und sein treuer Unterthan bin!" „Als General Diebitsch in Gmsten war, sagte ich ihm- Seit 3t) Jahren sind die Nüssen hier, aber wir warten noch auf einen treuen patriotischen Nüssen, der die Wichtigkeit dieses gesegneten Landes und dieser Völker, besonders des armenischen, für Nnsi-land begreift!" „Wie unwürdig ist die Stellung des Patriarchen, des Man. nes, durch den man das ganze armenische Volk, selbst die Glieder desselben, die in Persien, der Türkei, in Indien leben, in seiner Hand hält. Man duldet nicht einmal eine unmittelbare Corrrspon-denz mit dem Kaiser, mit dem Synod, mit dem Minister; alle Griefe müssen offen durch die Hand des Generalgouverneurs von Kaukasien gehen, und wenn es nur der persönlich wäre, aber sie gehen durch seine Kanzleien, jeder Schreiber kann sie dort lesen.-wer möchte da wagen, etwas Wichtiges zu schreiben! — Wir sind ja Alle die echten leiblichen Kinder des Kaisers, wir Alle haben ihm den Eid der Treue geleistet, warum traut man dem Eide des Generalgouverneurs mehr als dem meinigcn? Traut man uns aber, so binde man uns die Hände nicht!*)" „Das armenische Volk ist weit verbreitet und zahlreich, es ist wie ein grosies Waffer! Man sagt, es zähle 15 Millionen Köpfe. Ich glaube dies übertrieben, aber das Dasein von mehr als 8 Mil livnen möchte ich mit Sicherheit behaupten. Von den Armeniern vie sich Nom unmittelbar unterworfen, mögen sich elwa 5l)MN in den kaukasischen Provinzen befinden, Wie Viele derselben in (6u ') Das Gespräch war im Jahr >Nl4, Seildem »mg sich Manch" geändert haben. (5m Mann von dein vollen Takte, von d^v Unabhängig-leit der Gesinnung und Stellnng, von der Macht und d»'m EmftlA', wie Fürst Woronzoff, ist gewiß solchen c»tVn»l'an'n Missta'nde» enl^grngctn'^». 268 ropa, d, h. der Türkei, in Polen, Oestreich, Italien sich befinden, möchte man nur in Rom wissen." Ich frug auch nach der Bibliothek in Gdschmiazin, er sagte: „Die Bibliothek war m ältern Zeiten vom größten Reichthum, allein bei den vielen Verwüstungen des Klosters und bei dem Ver fall aller Gelehrsamkeit darin, ist das Meiste untergegangen, den noch sind noch etwa 30 Manuscripte historischen Inhalts von gro ßem Werth und noch gar nicht benutzt vorhanden. Auch sind einige interessante Werke über die Tradition und die falschen Vvan^ gelien vorhanden. Als 5803 die Perser das Kloster plünderten, schleppten sie alle Vücher, dir etwas gut eingebunden waren, fort!" Als ich den ehrwürdigen Greis verließ, bat ich um ein paar Zeilen von seiner Hand, um ein Andenken seiner Handschrift zu haben und aufzubewahren, (5r versprach freundlich, mir am andern Tage dasselbe zu senden; auch erhielt ich wirklich am folgenden Mittage eine Sendung, welche einen Kupferstich, die Kathedrale in Edschmiazi«, dann das gut gestochene und sehr ähnliche Portrait des Patriarchen, enthielt, und dabei ein Schreiben, durchaus in den Formen und dem Styl der Patriarchaten Kanzlei in armenischer Sprache der Mngang und Titel ist mit rothen Lettern gedruckt, dann aber der Brief ganz vom Patriarchen selbst geschrieben und unterschrieben, Eine Uebersetzung ins Deutsche vom jungen La sareff lag bei. Ich gebe es vollständig, weil es einen interessanten Beitrag zur Charakteristik dieses merkwürdigen Mannes liefert. „Narscs, Jesu Christi Knecht und mit Gnade Gottes Katholi kos aller Armenier und Patriarch des heiligen Klosters Odschmiazin, dem gutherzigen und gelehrten Varon von Harthausen." „Indem ich dem Gebote unsers Heilandes folge, der beim erstell Begegnen mit einem Manne ihm als Zeichen der Liebe Friede zu wünschen verordnet hat, muß ich zuerst dir Friede und Wohlwollen wünschen, und dann meine größte Dankbarreit für die guteu und richtigen Nachrichten äußern, welche du über dir russisch kaukasischen Provinzen und deren (5inwohner, sowie auch über die armenische Nation gebracht hast. Ich bill selbst aus diesen Gegenden gebürtig, habe Vieles gesehen, Manches gehört, und wunderte mich sehr oft über die Neisebeschreibungcn einiger Europäer, welche ohne irgend 269 einige gründliche Kenntnisse über Alles sprachen und dnrch ihre Er: dichtlmgen die Einen in Erstaunen setzten und den Andern einen ganz falschen Begriff über alle diese Gegenden gaben. Du aber, Herr Baron, hast in allen deinen Forschungen die Wahrheit gesucht, wolltest Alles umständlich und gründlich kennen lernen, und hast so eine starke, wahrlich christliche Liebe in allen deinen Aeußerungen für alle diese Völker gezeigt, daß ich es für eine heilige Wicht halte, dir durch diese wenigen Zeilen für deine Menschenliebe, Gerechtigkeit und Vereitschaft, meinen Nationalen, wo es sich irgend treffen wird, behülflich zu sein, herzlich zu danken." Unterzeichnet: Katholikos und Patriarch aller Armenier, Narses. St.-Petersburg, den 27. Januar 48^. Der jetzige Katholikvs und Patriarch von Armenien, Narses Schahasisianz, ist H770 in Aschtarak, einem ehemals berühmten Marktplatz unter dem Ararat, nicht weit von den Quelle» des Guphrat, geboren. Gr stammt aus der alten adeligen Familie der Schahasisse. Mit 18 Jahren kam er nach Edschmiazin, wo ihn der Erzbischof Kalust, sein Taufpathe, erzog. Dieser sandte ihn nach Konstantmopel zum dortigen Patriarchen Gregor, um seinen großen Fähigkeiten Gelegenheit zu geben, sich rascher auszubilden. Vei feiner Rückkehr nach Edschmiazin zog ihn der Patriarch Lucas in seine nähere Umgebung, Ebenso erkannte dessen Nachfolger Daniel den ausgezeichneten Jüngling an, ernannte ihn zum Archimandrite» und weihte ihn bald darauf zum Bischof. Vis dahin den Studien und Klostergeschäften sich hingebend, erhielt er einen grö'siern Schau platz seiner Thätigkeit, als ihn der Patriarch 1809 nach Grusien sandte. Hier entfaltete er eine außerordentliche Thätigkeit, Muth und Selbstverleugnung für das Mo hl seines Volkes während des Kriegs zwischen den Russen und Persern. Nach geschlossenem Frie den kehrte er nach Edschmiazin zurück, wo er die rechte Hand des Katholikos ward, als dieser die eingeschlichencn großen Unordnungen des Patriarchats zu beseitigen unternahm. Dann schickte ihn dieser mit den wichtigsten Aufträgen nach der Türkei und nach Konstan tinopel zum Sultan und Grosivezier ab, (5r kam mit den größten Erfolgen zurück, brachte auch unter Andrrm den Vestätiguiigö- 37 0 firman für den Patriarchen mit. Während des Krieges zwischen Rußland und der Türkei 1809 verwaltete Narseö in Edschmiazin das Patriarchat, während der Katholikos in Emvan war, und ^var nüt Eifer llnd heldeinnüthiger Entschlossenheit nnd Aufopfe-ruug. Nachden« Gphrem den Patriarchalthron bestiegen, sandte er 1811 den Narses alS Eparchialerzbischof nach Grusien. Er brachte Zucht und Ordnung in seine neue Diocese, mid begann ans deren Einkünften ein Kapital zu sannneln zur Fnndirung von Schulen. 1819 baute er in Tiflis ein großes Schnlgebäude, welches 182.^ vollendet war. Jetzt warb die Elementarschule eröffnet, dic 1828 bereits -4W Schüler zählte. Narses berief aus allen Gegenden Lehrer, sogar den bekannten Armenier Schagan-Tschrrbeck aus Pa^ ris. Es ward eine neue Abtheilung in der Schnle gebildet, neben der Elementarschule eine höhere für Theologie und Kircheugeschichte. Die Schule sollte jedoch nicht ausschlicMch zur Bildung von Geist-lichen dienen, sondern auch VM Laien: eine Abtheilung bildete daher ein Seminar, das andere ein Gymnasium Aber auch hiermit begnügte er sich noch nicht, er faßte den Plan einer umsaffeuden Akademie, wo ein vollständiger Unterricht aller höhern Wissenschaf, ten ertheilt werden sollte. Neben der Schnle ward eine Typogra phie angelegt. Der bekannte Reisende Gamba sand den Erzbischof Narses 1824 in Tiflis mitten unter ungeheuern Arbeiten und noch größern Plänen, in welchen er die glückliche Morgenröthe einer glänzenden Zukunft für alle kankasischrn Länder erblickte. Außer der religiösen, der sittlichen, der Verstandesbildung, hatte der Unermüdliche, das ganze sociale Leben ins Auge fassende Priester, gan; besonders die Hebung wr Verkehrsverhältnissc in den Kreis seiner Thätigkeit gezogen, da sein Volk, die Armenier, eine so vorherrschende Neigung zum Handel hatte. Er baute demnach 181!) einen großen Packhof, ein stmiernes Karavanserei, in Tiflis auf der linken Seite des Knr. Der bekannte Reisende Chevalier Gamba sagt in seiner „Voyage dans la Russie meridionalc" (Paris 1820, T. II, p. 157) in btefer H8e^iet}\\nc\ uBcr SMarfeä: P.irmi les son-dateurs des yrands Iravaux, il n'en est pas do plus roconi-mciidublo que Narses, arclieveque nrmciiien, a Tiflis. Cet illustre preliil a fait ItAtir dans In Ville-Ncuvo uti immonse c;\- 271 ravanserail, ijui senible prophetiser hi grandeur cotnnierdiilc do cetle ville. II y a joint une ecole, dans laquelle il se propose d'avoir des professeurs pour les principales langues de 1'Asie el de I'Europe, asm de donner a scs compalriotes une in-slruclior», dont jusqu'ici ils avaient generaletniMil etc prives. Con-sideranl une nation aulrefois i^randu et honoree, aujourd'lnn" (lepo[)dantc, disperseo et avilio, non seulement commc archo-vö([ue, mais encore conime le chef d'un peuplc, il a cru devoir joindre ä rinstniction roliyiousc I'inslruction civile, et pent-etre jelant sur I'avenir lo coup d'ocil du genie, conserv.mt I'espe-rancc, que Dieu n'abandonnera toujours les descendans des .lueicns patriarches, il a voulu tin moins les prepares d'avancc ;i devenir a la l'ois des liomnies vertueux, eclaires et digues d'etre complos parnii les plus eslimables sujcts de I'Empereur de Russie. — Sogar eine Glashütte legte der thätige, sich mit allen Richtungen des Volkslebens beschäftigende Mann in der Oe-Md von Ttflis an. Die Kiesel deS Kur gebcn ein violettes Glas, In Folge mancher Verfolgung von persischer Seile mußte der KatlMkos Ephrem Edschmiazin vl'rlasftn. Narfts übernahm statt seiner die Verwaltung des Patriarchats und dauerte dort während des Krieges zwischen Rußland und Persien aus, sich mit großer Klugheit und Energie benehmend. Er ward Mitglied der provi^ sorischen Verwaltung, welche die Verhältnisse des neu eroberten armenischen Gebiets organisiren sollte. Allein nun begannen die Intriguen der russischen Beamten (Tschinowniks), die den immer mächtiger werdenden Mann, der alle ihre Intriguen und Betrügereien durchschallte, zu fürchten begannen. Er ward in Petersburg ver dächtigl und 1828 in Form einer Erhöhung und Verbesserung zum Erzbischof von Vessarabien ernannt, wo er seinen Sitz in Ki-scheneff hatte. Hier lebte er eine Reihe von Jahren in tiefer Zu^ rückgezogenheit, sich nur mit dem Wohle seiner Eparchie beschäftig gend. Allein ftin Volk hatte ihn nicht vergessen, alle Armenier blickten aus ihn. Kaum hatte sich die Nachricht vom Tode des alten Katholikos verbreitet, räum war von der Wahl eines neuen Patriarchen die Rede, als der Name Rarses aus dein Munde Mer überall ertönte, voll den Ufern des banges bis zu denen der Newa, 272 von den Karpathen bis zum ImauS! Alle Armenier wiederholte« einstimmig, daß, so lange Narses lebe, kein Anderer den Patriar-chcnthron des heiligen Gregor besteigen könne! Die Wahl des Narses zum Katholikos und Patriarchen der Armenier mag uns die Veranlassung geben, über die Wahl eines solchen Patriarchen überhaupt hier einige Notizen folgen zu lassen; sie sind, wie die vorstehenden Lebcnsnotizen des Narseö, zum größern Theil einem über diesen Gegenstand sehr instructive,! im Journal des russischen Ministerium des Innern, September 1845, Thl. 9, S. 355, abgedrnckten Aussatze entnommen. Die armenische Legende erzählt, der armenische König Abgar in Gdcssa habe mit Christus im Briefwechsel gestanden, und es sei bald nach der Himmelfahrt einer der 70 Jünger, Thaddäus, nach Gdessa gekommen und habe den Abgar und viele seiner Unterthanen getauft. Allein die folgenden Könige fielen wieder ab, und das Christenthum erhielt sis) NM kümmerlich, bis der heilige Gregor, der Erleuchtcr, aus der königlichen Familie der Arsaeiden, nach Armenien kam, erst dem Volke das Vvangelium predigte, dann nach ausgestandenen Verfolgungen und Martern den König Dcrtad den Grosien selbst zum Christenthum bekehrte. Der heilige Gregor wird seitdem als der armenische Apostel vom Volke verehrt *) und ist der eigentliche Stifter der armenische» Kirche, Früher schon Erz-bischof, weihte ihn der Papst Sylvester im Anfange des H, Jahrhunderts zum unabhängigen Patriarchen von Armenien, Von ihm behaupten die Patriarchen des heiligen Stuhls in Edschmiazin, ihre Würde und ihr Recht in unnnterbrochmer Reihenfolge durch alle Jahrhunderte hindurch tradirt erhalten zu haben. Sie werden daher auch noch bis jetzt mit der unverweslichen Hand des heiligen Gregor, welche sich als Reliquie in der Kathedrale zu Edschmiazin befindet, geweiht. ") Auch dir Ornsicr urrehrcu den heiligen Grcgrr als ihre» Apostel, wir wir im virrtrn (>apitcl grfthcn, habru abrr ganz audrrr Legendrn über seine Hrrfunft. Sie schrinril ihn dnmmch dcn Armriurrn streitig zu machen. Zwischru Grusiru und Armenien sind viclr Verhältnisse, so haben z. V. verschiedene Liuirn drssrlben Konigsgeschlcchw, das der Va-gratiden lBagration), ül'rr Armrniru, aber auch über Grnsicn geherrscht. H73 Der Patriarch, Katholikoö des Stuhls von Gdschmiazin, ist das anerkannte Haupt der armenischen Kirche, Gr allein darf das heilige Oel beim Sacramentr der Oelung, womit Jeder bei der Taufe gesalbt wird, bereiten. Er allein seht die Bischöfe aller armenischen Eparchien ein, Gr hat die Aufsicht über alle Kirchen, Religions- und Moralangelegenhciten, sendet Bevollmächtigte in die Eparchien, um kirchliche Anordnungen und Einrichtungen zu treffen, zu entscheiden und abzuändern, Er allein kann die Dispensation ertheilen. Vei allen öffentlichen Gebeten muß sein Name im Gebet erwähnt werden. Bücher in armenischer Sprache, die religiöse Gegenstände berühren, dürfen nur mit seiner Erlaubniß gedruckt werden. Der Patriarch erkennt dagegen die Macht der allgemeinen Concilien in allen Dingen über sich an, aber auch die Concilienbeschlüsse der abgesonderte» armenischen Kirche erkennt er als masi^ gebend für sich an. Da es aber gegenwärtig fast unmöglich ist, ein solches Concilium zuscnnmenzuberufen, so ist in Edschmiazin ein Synod angeordnet, welcher unter dem Vorsitze des Patriarchen über alle Einrichtungen und Streitigkeiten in kirchlichen Dingen entscheidet. Die Zahl der Mitglieder hat in verschiedenen Zeiten gewechselt *). Der Patriarch konnte nur durch eine rechtmäßig vorgenommene Wahl zu Amt und Würde gelangen. In ältesten Zeiten, als Armenien noch einheimische Könige hatte, beriefen diese das Volk, Geiste liche und Weltliche, zur Wahl eines neuen Patriarchen zusammen, und Alle nahmen Theil an der Wahl. Mehrmals wurde per nl.-L!.'zm!Uiui!cm gewählt, später trat die Theilnahme der Laien mehr zurück, die Wahl blieb meist den Geistlichen, oft nur den Mönchen, doch sind die Laien nie ausgeschlossen, und nahmen in neuester Zeit wieder entschieden Theil an der Wahl. Die weltliche Negierung hat stets das Bestätigungsrecht oder Anerkennungsrecht geübt, zu- *) Der Patriarch Lucas sehte N83 fest, daß der Synod mchl ami wsmgrr ale« siebe» Mitglieder bchehei, solle, M»2 bestand er a„s >n'»n Mi!glirdel!,. 18 274 erst als Armenien eigene Könige haltt, war dies natürlich und gerecht; da Jeder an der Wahl Theil nahm, so konnte man dock den König nicht ausschließen, nnd da er den Schuft gewähren sollte, so musite er doch wenigstens das Änerkeinnmgsrccht baben, Anders stellte sich die Sache, als Armenien unter Botmäßigkeit mohammedanischer Herrscher kam, hier war das Vestätigungsrecht unnatürlich, ungerecht. (5s gab dazu zu den abscheulichsten Mis brauchen Veranlassung. Der Stuhl von Edschmiazin ward eine Waare, die dem Meistbietenden von den Persern zugeschlagen ward. Aber die Simonie drang von da an auch ins Innere der armenischen Kirche biö unten hin ein. Wenn der Katholikos ungeheure Summen an die Perser für die Erlangung des Stuhls bezahlen mußte, so konnte er dies nur möglich machen, wenn er die (§rzbis thilmer verkaufte, die lFrzbischöfc aber verkauften dann die Weihen an die Priester, die Priester die Sacramente an die Laien! Es kam so weit, daß die Patriarchen sich so erniedrigten, einen Viel größern Werth auf den Vestätigungsfirman des Sultans in Konstautinoprl zu setzen, als auf ihre kanonische Wahl! Sie machten z. V. den Vorzug des Sitzes in Edschmiazin gegen den von Siß*) geltend, weil sie vom Grosisultan durch einen sserman br ftätigt wurden, während der Patriarch von Siß nur von« Pascha von Adana bestätigt werde! Diese Herabwürdigung des christlichen Patriarchats drr Welt: lichen, obendrein mohammeoanischen Machl gegenüber, dauerte selbst ") Das Kloster Gdschmiazin ist zwar uralt, und hat, da die NelicMe» des heiligen Gregor, des Apostels von Armenien, dort aufbewahrt werde», den Rang vor alle» übrigen Klöster,!, allein es ist erst seit llll der bleibende Sitz des Patriarchats geworden. Dieses war zuerst im nördliche» Armenien in Tocain, dann später in Wacharschabad, dann in Ani, In, l l. Jahrhundert n'ard es nach dein Süden, nach Nhom-Kala am (5npln>U vorlegt und von hier nach Siß in (5ilieien, Wahrend der Patliarchm-such! in Eis, noch besetzt war, wählte, die ganze Geistlichkeit deo nördlichen Armeniens den Giragoö znm Katholikos, und bestimmte, daß von nun an Odschmiazin der Slh des Patriarchats sein sollte, Der Patriarch in Siß N'fannte dies nie an, und behaupt» ftitd»-ln dir Würde des Kathclilos in sciiiem kleinen Sprenge!, 275 noch bis tics ins 18. Jahrhundert herab. Diuch Simonie überkam vas Patriarchat seit 1737 der scheuSliche La^ar und erhielt ,'ich darin, ein wahrhaft thierischer Wütherich. Allmälig machte sich neben den» persische» und türkischen auch ver russische Einftuß bei der Wahl des Patriarchen, sowie aucl, während der Regierung geltend, und man muß wol eingestehen, zum Vestcn der armenischen Kirche, die seitdem nach und nach mehr Selbständigkeit gewann, Sie spannte den Schutz des christlichen Rußlands vor gegen die mohammedanischen Herrscher Persirns und der Türkei! Gs war zuerst der Patriarch Lucas, der bei seiner Erhebung aus den Stuhl die russische Anerkennung und Vestätignng suchte mW unter dem 30. Juni 1768 erhielt. Sein Nachfolger, der Katholikos ^'ucaö, erhirlt sie seit dem 2tt. Februar 1708. Nach diesem war der russische l5inflnsi schon so mächtig, daß m, in Rus^ land lebender armenischer Bischof, der Fürst Joseph Argutinski-Dolgomki, die Würde des Patriarchats erhielt und vom Kaiser Paul den 30. October I8W bestätigt ward. Erst nach der russi. schm erfolgte die Anerkennung von Seiten Persicns und der Türkei. Die Patriarchen Daniel (1802 —1800) und (sphrcm (1«M) —1831) wurden schon ganz unter russischem Einstuft gewählt. Der natürliche Einfluß Rußlands uon den Armeniern ersehnt, gewünscht und freiwillig herangezogen, benahm der Eroberung alles Gehässige, wenigstens in Vezug auf die Armenier. Die Armenier haben die russische Occupation nie als eine Eroberung, sondern als eine ersehnte Befreiung angesehen. Sie stud daher das einzige Volk in den transkaukasischen Lände»», was mit der größten TVene und Hingebung alt Rußland hängt, was aber von den russischen Beamten leider uiel zu wenig anerkannt wirb! Rußland hat sich um die armenische Kirche das große Verdienst erworben, daß es das Patriarchat derselben unter seinen doch immer christlichen Schutz gestellt hat, daß es hierauf gegründet alle Armenier in den mohammedanischen Staaten gegen offenbare Be^ drückungen vertritt. Dann hat es a»ch die so viele Jahrhunderte dauernden Misbräuche, welche bei der Wahl des Katholikoö im Innern der Klerisei, sowie von den persischen und türkischen Gou- l« 270 vcrnements geübt und unterhalten wurden, so viel re« dnrch Gesetze möglich gewesen, gründlich beseitigt. (5s gab nämlich unter den, l l, März 187,tl eine zu einem Staatsgesetz erhobene Anordnung über dir Verwaltung der Angelegenheiten der armenischen Kirche ill Nußland, in welcher mit anerkennungswerther Schonung alle alten Gebräuche und Gewohnheiten, so viel man sammeln konnte, sowie alles Essentielle der Kirchengesetze treu aufgenommen, und außerdem in allen äußern Verhältnissen Ordnung hergestellt und einige zweckmäßige neue Ordnungen gemacht worden sind, In diesem Gesetze sind dann auch die Verhältnisse der Wahl eines Katholikos nach den, alten Herkommen und den Kirchengesetzen, die säst ganz in Vergessenheit gekommen waren, nen geordnet wor^ den, Dieses Gesetz kam bei der Wahl des Katholikos Narses V. znm erstenmal zur Anwendung, und ich will daher, statt die trockene Verordnung zu ei'trahiren, vielmehr erzählen, wie die Wahl nach den Anordnungen jenes Gesetzes wirklich vorgenommen ist. Beim Tode des Patriarchen Katholikos Johannes Vül. bestand der Synod, wie es die Verordnung von ttt3s, vorschreibt, aus vier Grzbischöfcn und vier Archimandritcn oder Wartabads (Docto ren des geistlichen Rechts). Der Patriarch war am 7, März 1jN2 in Edschmiazin gestorben. Der Synod übernahm die Archive, die Verwaltung des Patriarchats und des Kirchenvermögens, erstattete dem Ministerium i» Petersburg Bericht und trug auf die Verordmmg zur neuen Wahl an, welche gleich erfolgte. Nun theilte der Synod allen armenischen Cparchien in Rußland, Persien, I„ dien, der Türkei u. s, w. die Nachricht über den Tod des Katho-likos mit und foderte sie auf, Deputirte zu ernennen und zu senden, die an der Neuwahl Theil nehmen konnten. Jede Eparchie hat das Recht, zwei Deputirte, einen Geistlichen und einen Weltliche», zu schicken, Der Geistliche ist i<>!,c) jui-o der Crzbischof oder jewel-lige Vorstand der Gparchir, der sich durch einen gesendeten Geiste lichen vertreten lassen kann, der weltliche Deputirtc wird von sämmtlichen Mclits, Ynöbaschis nnd sonstigen vornehmen Weltlichen, welche nach altem Herkommen der Kirche und der armenischrn Na-lion das Recht dazu haben, gewählt. Der Wahltermin muß stets i» dem Jahre nach dem Tode festgesetzt werden. Der Ort der 277 Wahl ist stets, wenn es irgend möglich ist, Hoschmiazin. Die gewählten Deputirten, welche nicht persönlich erscheinen rönnen, haben das Necht, ihn- Meinung schriftlich beim Synod abzugeben, Außer den Deputirten nehmen die Mitglieder des Synods, sowie die sieben ältesten Vischöse, die sich im Kloster Edschmiazin befinden, an der Wahl Theil. Der oben bezeichnete Aufsatz im Journal deö Ministeriums enthält die vom Synod an die Patriarchen in Konstantinopel und Jerusalem, und an anoerc unabhängige Eparchien, sowie an die wahlberechtigten weltlichen Gemeinden erlassenen Schreiben in Ertenso, Diese Schreiben sind in Vezug aus Styl, Form und Inhalt in. teressant genug, aber zu weitläufig, sie hier mitzutheilen. Nur Einiges, was sich auf die Vorbereitung zur Wahl bezieht, will ich hier anführen. Das Sendschreiben an den armenischen Patriarchen in Konstantinopel Hal solqende titulirrnde Anrede! „Der hochzuverehrende armenische Patriarch der grosien, von (Hott erhaltenen Stadt Konstantinopel, der allcrheiligste Erzbischof Ostwazatnr, vas wahre Kind der heiligen armenischen Kirche und des Patriar-chenthrons zu Gdschmiazi», freue sich in Christo!" Nach der Anzeige über den Tod und die bevorstehende Neuwahl wird er auf. gefodert, am andern Tage die heilige Liturgie lind das Todtenamt für den entschlafenen KatholikoS überall halten zu lassen, dann möge er zweitens alle Eparchien auffodern, die Abgeordneten zur Neuwahl auszuwählen. Die weltlichen, nämlich die hochgeehrten Amire (?)'), die geehrten Asnafbaschis (?)"), die geehrten Kir-chrnfürsorger, die frommen lind arbeitsamen Mlsbaschis (?) oder Reis (?) und die übrigeil vornehmen Mitglieder der armenisch gregorianischen, Kirche, welche nach einem alten Gebrauch unsne» Kirche darauf ei» Necht haben, mögen einen Deputirlen aus ihrer Mitte wählen, der sich mit dem Bischöfe oder dessen Stellvertreter im März l845 nach (5vschmiazin zur Wahl begäbe u, s, w. ") iDdcr (5mire, Fürste», hicr vielleicht huhc Adelige. '") W»asbasch>6 sind die VmlMde, oder vielmehr die Altmeister ?e, verschieden-,, Gewerte, als»,' die Zunftmeister. Müst^schi ist ei» Beschlo-h^ibrr über Hundert, Neis heißt wöllüch Führer, hier wahlscheinlich Wc>!. !ührer dci den ^clsclnedelle» Onverlen, 27« Das Sendschreiben an den Patriarch,,'»! in Jerusalem hat gan^ ^lcichr Form und Inhalt, die an die persischen nnd indischen l^par-chien ähnliche Formen, Die weltliche Gemeinde in Konstantinopel, die mächtigste von all,',,, erhält ein besonderes Sendschreiben. Der Patriarch von Konstantinopel berief sogleich eine Versamm-lung der geistlichen nnd weltlichen Mitglieder seiner Gemeinde, und legte ihnen das Schreiben des Synod vor. Alle erklärten einstim mig, daß sie die Wahl beschicken lind den in Gdfchmiazm Gewälü ten als den Patriarchen und Katholikos aller 'Armenier anerkennen würden. Diesen Beschluß theilte der Patriarch von Konstantinopel dem Synod unter dem 25. December 1842 mit, Gleiche Schrei beu liefen aus allen Eparchien ein. Die Wahl begann am 15, April 1«43, am Donnerstag nach Ostern, und dauerte drei Tage, den 15»,, 16, und 17, l5s waren 26 geistliche und weltliche Wähler persönlich zugegen, nämlich 6l5rz-bischüfe, 8 Bischöfe, 7 Archimandrite,, und 5 Weltliche. Alle versammelten sich in, Saale des Patriarchen und zogen l!'/^ Uhr in bestimmter Ordnung nach der Kirche, wo die Liturgie gehalten wurde nebst einer Fürbitte für den Kaiser. Nun hielt der Vorsitzende des Synods, der Erzbischof Wasilv, eine Vewillkommnungs-reve. Dann foderte er die geistlichen Mitglieder zur Erfüllung ihrer Pflicht auf; den weltlichen Deputirten nahm er hierüber einen Vid ab. Am folgenden Tage, am 5tl. April, versammelten sie sich wieder um !p/2 Uhr in der Kathedrale zur wirklichen Wahl. Vor dem Hauptallar stand ein Tisch, worauf ein Kreuz und ein Evan-gelium sich befand. Rechts setzten sich die Geistlichen, links die Weltliche». Abermals hielt der Grzbischof Wastln eine Rede, worin er sie aufloderte, nach Eid und Gewissen das Wohl und Wehe der Kirche und der Nation ins Auge zu fassen und den« Würdigsten ihre Stimme zu geben. Alsdann setzte der Procurator des Sy nods, der an einem besondern Tische saft, den Zweck der eröffneten Versammlung auseinander. Darauf las der <5i';bischof Wasilv das Verzeichnis) sämmtttchel lebenden armenischen Bischöfe ab und überließ den Wähleru, Viere» derselben ihre Stimme z» geben, die sie am windigsten erachteten. Diese Vier kommen dann auf die 279 engere Wahl dergestalt, daß man aus ihnen zwei Canoidaten be. stimmt, auö welche» dann schriftlich der Kaiser den künftigen Ka tholikos auswählt. Sobald die Stimmen abgegeben zeigte sich, daß folgende vier Candidate« gewählt seien! 1) Narses Schahasisianz, Vrzbischof von Nachtschewan und Vessarabien, Er hatte alle Stimmen der Anwesenden, sowie vie schriftlichen, 2) Sacharias, Patriarch von Jerusalem. Cr hatte l 7 Stimme». 3) Pagas, Erzbischof von Smyrna, Er hatte 1l Stimmen, 4) Karapal, früher Patriarch von Konstantiuopel, ^r hatte 7, Stimmen, Alle übrigen Stimmen zersplitterten sich jedesmal. Am dritten Tagr war die Schlußwahl, wo unter jenen vier die zwei eigens lichen Candidate» gewählt werden mußten. Das Resultat war, dasi l) Narses wieder sämmtliche Stimmen auf sich Vereinigte, H) Sacharias aber nur !? Stimmen hatte, Iu bemerken ist hiebei noch, daß Narses nicht in Gdschmiazin gegenwärtig war. Der Wahlact ward von Allen uutcrschriebeu und doppelt aus-gefertigt, dau» eine Deputation gewählt, um denselben dein Oe neralgouverneur vorzulegen und diesen zu bitten, ihn durch den Minister des Innern an den Kaiser zur Entschließung grlan gen zu lassen. Der Kaiser wählte Narses und bestätigte ihn als Patriarchen nnd Katholikos der armenischen Kirche. Die Armenier sind das erste Volk gewesen, außer den Völkern des römischen Reichs, welches, mit seinem Konige an der Spitze, das Christenthum im Ganzen als Volk angenommen hat. Die Verfassung der armenischen Kirche ist in allen wesentlichen Stücken mit der Verfassung der lateinischen und der griechischen Kirche dieselbe, iu den ohnedem unwesentlichen Stücke» hält sie die Mitte zwischen beiden. Sie hat ihre erste Begründung zwar von ^en kriechen erhalte», sich später aber stets mehr an No,», 'vie 280 an Konftantinopel angeschlossen, weil ihre Selbständigkeit mehr von Konstantinopel bedroht erschien *). Sie Hai sich in ihrer Gesammt-heit eigentlich nie ganz von Nom getrennt und sich schismatisch gezeigt, oder gar Rom als ketzerisch und abtrünnig von der Ur-oder Gesammtkirche dargestellt, wie mitunter die Griechen. Eine essentielle Häresie trennt sie auch eigentlich nicht von Rum. Die Lehre des Eutiches, welcher die doppelte Natur in Christus leugnete, ist allerdings bei den Armeniern eingedrungen, von ein^ zelncn Mönchen, selbst Erzbischösen **) angenommen, aber nie von der Gesammtheit der armenischen Kirche, noch von dem Katholikos. Diese haben sie vielmehr mehrmals geradezu und unumwunden verdammt *"). Auch die Lehre vom Papstthum trennt die armenische Kirche nicht entschieden von Nom. Nicht blos, daß sie anerkannt, daß ihr Stister, der heilige Gregor, der Erlcuchter, das armenische Patriarchat vom Papst Leo erhalten habe, hat sie sich auch mehrmals durch offen unumwundene Erklärungen dem Papste alö dem <^en-li'llm uuiluli^ und obersten Patriarchen nutergeordnet, so im l l. Jahrhundert der Katholikos Gregor Weghajaser, dann im 12. Jahrhundert, im 13. Jahrhundert der Katholikos Gregor VII., 1307 auf dem armenischen (Concilium in Siß die ganze armenische *) Die Griechen habe» die Armenia und ihre Kirche mitunter bitter verfolgt, namentlich am Ende des !>. und des 12. Jahrhunderts. "') Der armenische Patriarch von Konstantinopel und ein Theil der (5rzbischöfe in der Türkei sind es vorzugsweise, die Rom entgegentreten, wo sogar der abscheuliche, eiue Zeit lang unrechtmäßiger Weise sich dec» Patriarchenstlchls in Konstantinopel bemächtigt habende Erzbischof, Gphrcm von Adrianope!, am Ende des 17. Jahrhunderts eine blutige Verfolgung gegen die, welche nicht die Einheit dcr Natur Christi bekannten, anzettelte. Der Katholifoö von Edschmiazin, sowie die meiste» armenischen Geistlichen in Asien, haben sich hievon immer frei und fern gehalten. Uebrigens sind die lateinischen Missionare nicht ohne Schuld an der Spannung mit Rom. Sie bemühten sich gegen die päpstlichen Befehle, den lateimscheil Cultus bei den Armenier» einzuführru, austalt sich de<5 national-armenische», der ja vom Papst anerkannt war, zu bediene». '**) Die größten Kirchenlehrer der Armenier, Narseo roii Laniyrou und der Katholikos Narses Scheuorhali. sprechen sich sehr scharfsinnig uns »inlmwuüden lnerüber auS. 28 Kirche, l342 der Katholikos Mechitar, im ^6, Iahrhulldert der Katholikos Stepau, sein Nachfolger Michael im 17. Jahrhundert, drr Katholikos Nahobed (l09j —1705). 5liemals sind diese Gr. klärungm von dcr armenischen Kirche zurückgenommen, sodaß we-iNgstcnS kein ofsicielles Schisma von Rom cristirt. Die Verbin. dung ist nur zuweilen unterbrochen, in Vergessenheit gerathen! Eine eigentliche Herrschaft, die monarchische Gewalt des Papstes über die armenische Kirche, ist allerdings nicht anerkannt, die käme nach dem Ausspruche der armenischen Theologen dem Papst nur in seinem Patriarchate, dem occidentalischen, zu, sowie dem Katholikos im armenischen Patriarchat, allein damit wird von dcr arme nischcn Kirche noch nicht geradezu geleugnet, daß der Papst das ('lmtsmu uinlglilj ist '). Die Geistlichkeit bildet in der armenischen Kirche, wir in den *j Die armenische Kirche ist eine Controle, ein mächtig (5orollar>um, fnr die sämmtlichen Deinen der katholischen (auch griechisch-katholischen) Kirche. Die sämmtlichen angegriffenen (besonders seit dcr Reformation) Dogmen von der Erbsünde, von der Rechtfertigung, bcr Buße, den Vuß-werken, der Heiligung, den sieben Sacramenten, der Traussubstantiation, dem Meßopfer, den, Ncinigungsortc nach dem Tode u. s. w. (nach litittev, X, S. 433, findet sich am armenischen Kloster St. Jakob unter dem Ararat folgende Inseription: ./Aus Gottes Gnade gelobe ich Mechitar und meine Frau Tamar dem Kloster St. Jakob all nuser Geld gegen daö Versprechen, zu unserm und unserer Nachkommen Gedächtniß viermal im Jahr unser in der Messe zu gedenken, ^»no 1'233." Glaubt man sich nicht mitten in ein katholisches Land versetzt, wenn man dies liest?) hat die armenische Kirche mit der katholischen gemeinsam, wogegen die bei den Armeniern etwas verhüllten, nicht scharf ausgesprochenen, wiewol noch lciurswcgs häretischen Dogmen von dem Ausgangc des Hcilig^n Geistcs und von den zwei Naturen in Christo bri dcn aus dcr Reformation hcr-vorgegangcnen Neligionsparteicn, welche ein streng theologisches System haben, in derselben Weise wie in der katholischen Kirche festgehalten worden sind! Und hiebei ist ins Auge zu fassen, daß die armenische Kirche schon seit dem (Koneil von Chaleedon >5l sich selbständig gestellt und ausge-bildet hat, eifersüchtig hierauf gehalten, jeden (5inftuß der griechischen und romischen Kirche zurückgewiesen hat. Wie sieht cs dami, diesem Factum gtgenüber, mit der Behauptung so vieler protestantischen Schriftsteller auö, jene angegriffenen Dogmen hätten sich erst im Mittclalter in der römischen Kirche ausgebildet, seien damals entstandene Menschensatzungen? 282 beiden andern Kirchen, eine geschlossene, von dem Laienstande we sentlich verschiedene und getrennte Hierarchie, geordnet nach mystischer Anschauung von den neun Chören der Engel vor dem Throne Gottes, ebenfalls in neun stufenweise geschiedenen Abtheilungen. Die oberste Stufe nehmen die Patriarchen, den Katholikos an der Spitze, ein, die darunter stehende wird von denErzbifchöfcn und Bischöfen, unter denen kein wesentlicher Unterschied, sondern nur eine Titrlverschiedenheil ist, eingenommen, darauf folgen die Priester j diese drei Stufen bil den eine Hauptstuse, das Priesterthum. Dann folgen auf der nächsten Stufe darunter die Archidiakonen, dann die Diakonen, dann die Fackelträger, welche wieder eine Hauptstufe bilden. End. lich auf den drei untersten Stufen die Exorcisten, die Leser, die Thürhüter, ebenfalls zusammen eine Hauptstufe bildend. Ueber das Amt und die Befugnisse des Katholikos und Pa triarchen in Gdschmiazin ist schon oben das Nöthige gesagt, dir andern Patriarchen in Konstantinopel und Jerusalem sind eigentlich nur seine Stellvertreter. In der Regel haben nur die Erzbischöfe (5'parchien (Diöcescn). Die Bischöfe werden nur zum Kirchendienst verwendet, wie die Weihbischöfe in der katholischen Kirche. Die Erzbischöfe haben zu ihrem Beistände in ihrer Stellung und de> Regierung der Eparchien eine Anzahl Wartabads (Doetoren dr> Theologie und des geistlichen Rechts), stets gelehrte Mönche, den Mitgliedern des GenenUvieariatö der katholischen Bischöfe entsprechend. Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe werden stets aus den Mön chen gewählt und leben und wohnen auch stets in Klöstern. Die Priester werden meist von den Gemeinden erwählt und von den Bischöfen geweiht, sollen vor der Weihe verheirathet sein, dürfen aber nicht zum zweiten male heirathen. Die Einnahmen des Katholikos bestehen aus Geschenken der Wallfahrer, aus Sammlungen, die alle armenischen Klöster für ihn anstellen, aus Sammlungen, wrlche er alle drei Jahre durch seine Vicare in allen armenischen Gemeinden anstellen läßt, ferner den hinterlassenen Gütern der Erzbischöfe, den großen Summen, welche alle Grzbischüfr, Onstliche und Gemeinden für vas Miron (Salböl) bezahlen müssen, welches nur der Katholikos allein ver-fertige» ;u lassen berechtigt ist. Desgleichen die Summen, welche 283 die Patriarchen und Erzbischöfe für Weihen und beim Antritt ihres Amts erlegen müssen i cildlich dir Neuenüen einer Anzahl Dör fer, die dem Patriarchenstuhl gehören, unter selchen das größte Wacharfchabad ist. Die Erzbischöfc haben die Revenücn des oft reichen Klosters, in dem sie leben und residiren. Auf ihren jährlichen Rundreisen wird in allen Gemeinden für sie gesammelt. Sie erhalten bei den Weihen und bei Nebcrtragung der Pfarrämter u. s, w. uon den Candidate» nicht unbedentende Summen, was früher »ft in die abscheulichste Simonie ausartete. Ihnen fällt der Nachlaß kinderloser Priester sowie aller crblosen Personen zu. Sämmtliche Armenier im russischen Reiche sind fünf Eparchien zugetheilt. Streng geschlossene Pfarren gibt es in Armenien nicht überall, jedes Dorf hat aber doch mindestens einen, oft aber drei bis vier Geistliche. Wenn in einem Dorfe zwei oder mehre Priester sind, so find die Höfe (Zug --- Rauch, wenn die Familie eines Hauses ausstirbt, so sagt man- ein Rauch ist verschwunden!) unter ihnen vertheilt. Stets aber hat einer uon den Priestern nicht blos den Vorrang, sondern eine Art Herrschaft, In jeder Gemeinde sind Gehöfte für die Priester, nach der Zahl, wir sie seit Alters her in der Gemeinde vorhanden waren. Auch Gärten, Land, Wiesen, Weingärten gehören zur Dotinmg der Kirche und der Geistlichen, meist von der Große, wie andere Gehöfte sie haben. Dann ist die Haupteinnahmc der Zehnte, Aber die Kirchenrevenüen des ganzen Dorfs werden zusammengeworfen und unter den Priestern vertheilt, wobei aber der erste oder Oberpfarrer ein Bedeutendes mehr erhält als die andern. Für jede geistliche Handlung bei Taufm, Trauungen, Beerdigungen, Fürbitten u. s. w. wird bezahlt, wobei nicht elmnal eine feste Tare besteht, sondern häufig auf dir niedrigste Weise zum Nachtheil des Ansehens der Kirche gefeilscht wird. Bei alle» diesen Gelegenheiten muß anch der Ortskirche (5twas gegeben werden. Beim Tode fällt z. V, ein vollständiger Anzug des Verstorbenen an die Kirche, Diese Weltpriester sind fast ohne Ausnahme roh und ungebildet. In ihren jüngern Jahren sind es meist Handwerker, Handarbeiter, Krämer; sie melden sich und wer den von den Gemeinden den Erzbischöfen zur Weihung vorgestellt. Sie werden nur darin eraminirt, ob sie die Ceremonien sammt 284 licher kirchlicher Handlungen richtig begriffen haben und verrichten könne». Nun erhalten sie die Weihen, muffen 4U Tage unter Fasten und geistlichen Uebungen zubringen und übernehmen dann ihre Functionen. Im eigentlichen Armenien setzt der (Hrzbischof dic Pfarrer ein, aber der Synod bestätigt sie. Nur der Synod kann sie wieder ab' und der priestcrlichen Würde entsetzen, Alle Tage wird in jeder Kirche zweimal, Morgens und Abends, ein GotteS-dienst gehalten, es sind dabei für jeden Tag drö Jahrs die Gebete und Gesänge (wol eine Art Litaneien) vorgeschrieben. An Sonn und Feiertagen ist eine Messe, in den Wochentagen nur, wenn eine verlangt und bezahlt wird. Es fehlt nicht an Vorschriften, dasi auch an jedem Sonn- und Feiertage gepredigt werden soll, allein es geschieht nie, meist aus dem sehr einfachen Grunde, weil diese rohen Priester gar nicht dazu fähig sind. (5benso sind christliche Lehre und das Katechisircn verordnet, ohne daß es geschieht. Selbst eine große Zahl der Bischöfe kennt die Dogmen nicht genau. Es ist in l5riwan eine Art Katechismus nach der Norm dcS russischen vom Metropoliten Platon gedruckt, er gilt aber »licht für völlig orthodor und wird daher wenig gebraucht, viele Priester würden ihn auch kaum zu lesen vermögen. Am Grünen Donnerstag wa scheu die Priester ihren Gcmeindemitglicdern die Füße. Man beichtet natürlich den Priestern, ist aber keiner vorhanden, so kann man auch einem Laie» beichten, ja im Nothfall, wenn z. V. Jemand in einer Wüste fern von allen Menschen in Todesgefahr käme, eincm Baume, einem Steine, und statt des Abendmahls nimmt man dann (5rde in den Mund. Seltsame religiöse Ansichten, die sich in ganz ähnlicher Weise auch bei den Starowerzi (Altgläubi gen) in Nußland finden! Jedem Weltgeistlichen wird der Titel Ter, Ter! — Herr, Herr' gegeben. Begrüßt man ihn, so sagt man! Ochnja Ter —Segne Herr! er antwortet: Astwatz ochnjc! .^ Möge Gott segnen! (Kinen Mönch begrüßt man: Astwatz Ognakau! — Gott segne, helfe unS, er antwortet! Astwah pahapan! ^-- Gott beschütze! Die Oster begrüsiung ist nngefähr wie in der griechischen Kirche! Christus ist erstanden! Antwort! Gesegnet ist die Auferstehung Christi! Im Gespräch sagl man zu einem Mönch - Hair surb! ^- Heiliger Valer! zu eiuem Weltpnestcr: Ter hair! --- Herr Vater! 285 Es gibt cine geistliche Gerichtsbarkeit in Armenien, sie liegt in dm Händen der Grzbifchöfe, die für ihre Eparchie einc geistliche Verwaltung oder Konsistorium, Hogelvorakan karanarutian, anordnen, gewöhnlich sind dazu zwei Oberpfarrer und zwei Unterpfarrer an gefetzt, dir Appellation geht an den Patriarchen oder dessen Synod, Die vor diesem Gerichte zu verhandelnden Sachen sind: alle Strei tigkeiten der Geistlichen unter einander, Klagen der Weltlichen gegen die Geistlichen (klagen Geistliche gegen Weltliche, so vertritt sie, auf ihre Anzeige, das Consistorium bei der weltlichen Vehördc), ferner Ehestrcitigkciten (Ehescheidungen sind außerordentlich erschwert und tommen eigentlich nie vor). Das Consistorimu hat die Aufsicht über alles Kirchcnvcrmogen und vertritt es gegen Jedermann. Uebrigens sind bei den armenischen Kirchenbehörden gegenwärtig ganz die weitläufigen Formen und (5ontrolen des russischen Ve-amtenwesenS eingeführt, Die Pfarrer sollen über eine Menge Dinge fortwährend a« die Erzbischo'fe, diese an den Synod berichten. In wichtigen Dingen berichtet der Synod in Edschmiazin an den Synod in Petersburg, zwei Behörden desselben Namens, die aber in ihrer Gegenseitigkeit eine ganz verschiedene Bedeutung haben, der Synod in Gdschmiazin ist der geistliche Rath des Patriarchen, der Synod in Petersburg vertritt bei dieser Gelegenheit nnr die weltliche Maclu des Kaisers. Eine Einwirkung auf die kirchlichen Angelegenheiten der armenischen Kirche steht ihm nicht zu. Nun noch ein Wort über die sogenannten unirten, d, h. mit Nom verbundenen Armenier. Schon oben ist angeführt, daß die armenische Kirche und ihr Patriarch sich eigentlich niemals durch einen öffentlichen Act von Nom getrennt haben, daß sie sogar fast in allen Jahrhunderten ein oder einigemal, wenn auch nicht die Herrschaft Roms, doch das Papstthum als ^onli-um umtuti», „:n dem alle Christen hinübrrschaurn müssen und mit ihm in der Einheit leben," wie schon der uralte Irenäus sagt, anerkannt haben. Allein das Vand war doch stets lose und locker, sodasi nicht zn verwundern ist, daß theils aus dem Schoose der armenischen Kirche selbst, theils von Seiten mancher Missionare der lateinischen Kirche Versuche gemacht wurden, eine innigere Verbindung mit dem »ömi-schen Stuhle zn Stande zu bringen. Von den Päpsten selbst wurde eiqentlick nur daö Princip festgehalten und weiter nichts gefodeN. 28<; als außer der Einheit in de» Dogmen die Anerkennung des <üen-lrum lniilülii, der Papalstellung, wogegen man dem Kathoükos die Rechte des Patriarchats unverkümmert und uneingeschränkt belassen, feine und seiner Kirche Unabhängigkeit in der innern Verwaltung anerkennen wollte. Jene Versuche znr concentrirtcn Verbindung mit Rom verfolgten zwei verschiedene Richtungen. Die eine wollte die national-armenische Kirche völlig auflösen, die armenische Kir-chensprachr abschaffen, und statt deren die lateinisch?, wie in allen übrigen oceideutalisch-katholischen Ländern einführen, für die armenische die römische Messe, dann aber auch das Patriarchat selbst auflösen und den Katholikos in einen Primas des Volks, einen Tiwlarpatriarchen, kurz in einen (5'rzbischof verwandeln. Die zweite Richtung wollte die nationale Eigenthümlichkeit der Kirche beibehalten wissen, die altarmenische Sprache bei den Liturgien, die alten Gewohnheiten und Gebräuche, kurz sie wollten nichts ändern, sondern nur die armenische Kirche in ihrem vollen Vestande dem Papst unterwerfen, über Beibehaltung des Patriarchats mit mehr oder weniger ausgedehnten Rechten waren verschiedene Meinungen. Die erste Richtung ist schon sehr alt. Schon 17,17 fand der lateinische Bischof Vartholomäus und fein Schüler Johann von Herna großen Anhang in den südkankasischen Ländern in Tiflis, Nachilschewan und in der Krim, W bildete sich ein eigener armeinscher Orden, den der Unitorni, welche für diese Veränderung warben. Die Uni toren sind untergegangen, ihn' gestifteten Kirchen werden wol noch theilwcise bestehen. Die Jesuiten und andere latrinische Missionare verfolgten dieselben Zwecke, ungeachtet eigentlich die Päpste diese Bestrebungen, welche die von ihnen als gleich berechtigt anerkannten Eigenthümlichkeiten der armenischen Kirche, die armenische Liturgie u, s. w. vernichten mußten, verboten hatten. Die zweite ist die jetzt eigentlich von Rom begünstigte. Die in Polen wohnenden Armenier haben sich auf diese Bedingung schon seit K'»l<» mit ihren Patriarchen Rom untergeordnet. Das bei weitem wichtigste Factum in dieser Richtung aber ist die Gründung des Mechitaristenorden, zuerst in Morea, später in St.-Lazaro bei Venedig. Mechitar, in Sebastc in Kleinasien K.70 geboren, armenischer Mönch, voll Wissensdurst und glühender Liebe für sein Volk, wollte durch geistig und religiös moralische Anregung, durch Verbreitung europäisier 287 Bildung sein armes «nedergedrücktes Volk emporheben, und opferte für diese» Zweck sich vollständig ans. Er unterwarf sich dem Papst, stiftete mit dessen Vewilligung einen Orden nnd ein Kloster, in welclirm nnr geborne Arinenier aufgenolnmen wnrven, Er legte cine armenische Vuchdruckerei an. Er nnd seine Genossen und 9tach folgcr bis jetzt hin haben aus allen Sprachen ins Armenische über ftßt (er z. V, auch den Thomas a Kempis!), und diese armenischen Bücher gehen mit Karavanen nach Persien und Indien, nnd bereiten ans jeden Fall die fernere Vildnng des Volks vor. Mechitar bat offenbar cinc große Eharaktcrähnlichkeit mit Narses! In Grusien gibt es viele katholische Armenier, die jedoch eine große Abneigung gegen die nichtunirten Armenier haben, sich auch nicht gern Armenier nennen lassen, fondern sich Katholiken nennen als ob das ein Volksname sei! Ihre Verbindung mit Rom wurde vorzugsweise durch italienische Mönche erhalten, ^ange Jahre lebte dort in Tiflis ein Pater Joseph, von Jedermann geliebt und geehrt. Die Grusier rechnen ihn zu den Heiligen! Er st^-h ^. l8 Jahren. Auch ein Pater Philipp war außerordentlich geliebt, Dubois de Montpereur, ein Protestant, fuhrt Bd. I, S. 217 an, daß die katholischen armenischen Kaufleute in Kutais sich durch ihre Htechtschaffenheit und Zuverlässigkeit auszeichneten. Nußer den Bestrebungen der römischen Kirche, die armenische Kirche völlig mit sich auszusöhnen und zu vereinigen, hat übrigens auch die griechische Kirche viele vergebliche Versuche gemacht, Es liegen übrigens am Westufer des Enphrat, im Norden von Aratir, 56 Stunden von Diarbekir, sechs armenische Dörfer, deren größtes Aga, oder Agunts, heißt, und die sich sämmtlich mit der griechischen Kirche vereinigt haben. Auch die Protestanten haben Versuche ge macht. Die Vaseler Mission hatte in Schuscha eine armenische Schule gegründet, Sie ward aber auf Ansuchen des Patriarchen, der sie für gefahrlich hielt, wieder aufgehoben. In Kalkutta haben die Engländer, wahrscheinlich mn dem russischen Einfluß auf die Armenier etwas entgegenzutreten, ein armenisches Collegium uud eine Vnchoruckerei angelegt. — Rußland hat sich hier fern von jedem Streben der Prosekitenmacherei gehalten. Zehntes Nnpttel. Armenien, sein alt«- Name Hajastan. — Die Stellung dec« Volks zur Urgeschichte des Menschengeschlechts. -^ Seine jetzige weltgeschichtliche Stellung, — Seine Zerstreuung. — Vergleichnng mit den Inben, — Stel-lnng zu Rußland, — Das Institut «asarcfs'a in Moskau, — Charakteri ftik dcr Armenier. — Die armenische Sprache zu der indogermanischen gehörig. — Ihre Buchstabenschrift vom heiligen Vleörop Mi crsnnden. ^ Einführung deö Christenthums. — Die Hierarchie. — Die Klosterherr-schaften. — Die Literatur Vom ^. bis 13, Jahrhundert von den Mönchen getragen. — Erstarrung aller'<5n>tnr, — Neue Regung im 17. Jahrhundert, die Errichtung der Hochschulen. — Die armenische Literatur, die Nebersehungen, — Die religiöse Poesie. — Die Volköporsie, die epischen Vieder, die ältesten Kirchenlieder, ihr strenger Stül, da,? Fehlen des poetischen (5'lements des Madounendienstes. — Die fahrenden olinden Meistersanger, ihr Leben, ihre Abenteuer, ihre Wettkampfe um den Äiuhm, dichten in tatarischer Sprache, selten in armenischer. — Formen ihrer Gedichte, Neim, Alliteration. Ärmrmn', Armenien, sind nicht die eillhmnischm Namen der Be nwhllcr und des Landes. Der einheimische Name ist Haigh und Hajastan (»nan hört auch, wimwl selten, den Namen Mtanozan), beide Namen sind älter als die Geschichte, und nur die geschichtliche Sage behauptet, Haigh sei der Urenkel Iaphet's gewesen, Armenier aber sei ei» Name, den die umwohnenven Völker ihnen beigelegt von einen» berühmten Könige und Helden des Volks Aram (die Griechen behaupten von Armenvs, einem der Argonauten, Begleiter des Iason). Der Chronist MoseS von Khorene gibt uns die Sage vom Haigh iu folgender Weise! „Als Val-Nimrod in Babel seine Herrschaft gegründet, wollte Haigh sich ihr nicht fügen und 50g mit dem Sohne Armenack. den er in Balwlon gezeugt, und 25W allen Söhnen und Töchtern und alle» seinen (snkeln, starke Manor, insgesammt, 7,00 an der Zahl, sowie mit Andern, die sich hi» zugefunden, ins Reich Ararat, und siedelte sich an am F»ße des hohen Verges." Nimrod fodert ihn auf, sich ih»i als dem Könige der Welt zu unterwerfen, und als er sich weigert, zieht er mit sci^ ncm Heere gegen ihn. Es kam zur Schlacht am Ufer des Salz: sees zwischen hohen Bergen. Haigh durchbohrte mit seinem Geschosse den Vrnstharnisch des Aal-Nimrod, daß er des Todes wurde. Der Hügel, wo er gefallen, heißt noch jetzt Gerezmanch, d, i. die Gräber. Nimrod's Leiche aber ward in Harkh bestattet. Dies war die ersie aber sagenhafte Einwanderung in Armenien, der später viele gefolgt sind *). Arnlcnien ist, geographisch betrachtet, für die Urgeschichte der Menschheit wol das interessanteste Land der (5rde. Die Sagen so vieler Völker, insbesondere die heilige Sage, weisen darauf hin, daß von hier aus die Völker, namentlich die europäischen, ausgezogen sind, um ihre jetzigen Wohnsitze einzunehmen. Die Sage, daß der heilige Verg, wie ihn die umwohnenden Völker nennen, der majestätische Ararat **), der Punkt gewesen, von wo nach der großen Flut die Geschlechter der Menschen sich eine Heimat gesucht, hat auch gewiß ihren tiefen historischen Grund, Die Untersuchungen sind darüber noch lange nicht geschloffen! Dann war dieser Landstrich aber auch später, schon in der historischen Zeit, der große *) Rltter, X, S. 5^, hat die Eiuwandcrungen in Armenien >.'o»> den frühesten Zeiten an zusammengestellt. "*) Den Ararat nennen die Armenier Massiö, von dem mit Haigh anszichendcn Oheim desselben, Äuuissss, die Tataren nennen ihn Agridagh (der schwere Verg). die Perser nennen ihn Knhi-Nuch (Verg Noali), die Türken Agri-Da^h auch Parmaf-Dagh (Fingerberg). die Alten Al'uS. Keino der umwohnende!! Volker liennt ihn Ararat. — Der alte armenische Chronist Mescs von .ttl^rene benchtec vom Ararat, er habe drei Tagereisen im Umfange! allmählig sich fe^lfönni^ zuspitzend, crhebe er sich mit glänlMdcm c^ivfcl, wie der Allvater in der Mitte jugendlicher Berge gesetzt. Die Armenier behaupten, der Landstrich um den Ararat sei das Land Uz im Buche Hiob, uub sie zeisseu in der Nähe der Ruinen von Karalulu einen uralten Baum, unter welchem Hiob gesessen, als er den Besuch seiner Freunde erhielt, 19 290 Knotenpunkt, die Völkerstraße für dir grosieu Weltreiche. Val' Nimrod, Ninus, Semiramis, Sesostris sind hier durchgebrochen, oder haben die Durchbrüche nach dein Norden verflicht. Hier sind die Käinpfe um die asiatische Weltherrschaft zwischen den Assmiern nnd Vtedenl, zn'ischen den Mevern nnd Perser»« ausgefochten. Darius und ^erres sind von hier aus ausgezogen nach dem Westen, und im Gegensatz zog Alrrander hier durch, um den Osten und Norden zu bewältigen, Hier war das Schlachtfeld der Römer uud Parther, Hier bei Nehavcnd erkämpften die Araber die Herrschaft des Orients nnd wiederum brachen hier die Völker durch, welche daö Chalifat stürzten. Vis hierhin drang (5'uropa (die Kreuzfahrer) vor. Durch diese Pforten drangen dir Mongolen und Tataren, Dschingiskhan und Tamerlan. H,er war Jahrhunderte lang der Kampfplatz des zwiespältigen Mohammedanismus, der Schiiten und Sunniten, und in neuester Zeit des Christenthums und des Mohammcdanisnms, Nnsilands und Persienö und der Türkei. Und wird nicht vielleicht dereinst Christenthum und b'ultur von hier aus Asien erobern? Welche Rolle ist nun aber dem Volke beschieden, dem dieser Weltschauplatz als Heimat zugefallen? Dieses Volk, ein UrVolk vom besten Blut, hochbegabt an Körper nnd Geist, wie wenige, war nie mächtig und zahlreich genug, um die Weltherrschaft an stch zu reisicn nnd zu behaupten"), umgekehrt, cö gibt wenig Völker, die Jahrtausende hindurch so tragische Geschicke, so blutigr und furchtbare Unterdrückung lind Sklaverei haben erdulden müssen, als die Armenier, und meist von Völkern, die in geistiger und leib. lichcr Hinsicht tief unter ihnen standen! Aber das Volk scheint auf dem Wendepunkte seines Geschicks *) Und doch milsi das armenische Reich auch einst eine »nächtige historische Zeit gehabt haben, davmi zeugen die Nninen seiner Hauptstadt Aiii, Der Neisenpe Ker Portrr behauptet, es seien die kolossalsten, die es gäbe, Auf einer ungeheuern Fläche ausgedehnt, KönigSpalaste von rinem Umfange, als vl, es Städte waren, umgestürzte Kirchen, ein Dom fast noch erhalte», in Gestalt eine«! lateinischen Kreuzes. — Ein georgischer König eroberte und zerstörte die Stadt, und belehnte das berühmte (Geschlecht Orpetian damit, die später der König (Oeorg III, von Georgien ermorde» ließ, sodaß nur Wenige nach Persien entkamen. 291 ^u stehen.' Die Sklaverei ist in seiner Hmuat von ihm genommen, es athmet wieder auf, und schon kann man auch erkennen, wie sich geistig Alles bei ihm regt! Es ist ein unverkennbares Streben in ihm erwacht, sich die geistige Cultur Europas anzueignen' Es ist, als ob ein Gedanke der Weltregierung, ein Geschick der Zukunft, sich uns unmittelbar offenbare, »renn wir dir gegenwä'r-tige Lage uud Stellnng des armenischen Volks ins Auge fassen. Die Heimat des Volks ist jetzt befreit vom Sklavenjoch, sie ist mit einem europäischen Culturstaat verbunden, alle geistigen Kräfte des Volks können sich frei entwickeln. Europa ist ihm geöffnet, es kann Theil an dessen Cultur nehmen. Allein nur ein geringer Theil des Volks wohnt in dieser Heimat, der bei weitein größere ist dnrch ganz Asien und in großen Theilen von (suropa und Afrika ausgebreitet, und trotz dieser Zerstreuung stehen alle diese zerstreut Lebenden mit der Heimat in der engsten uud festesten Verbindung, die cs geben kann, sie haben dort nicht blos ihr nationales, sondern auch ihr abgeschlossenes, unauflösliches, religiöses Centrum der Einheit. Dieses Ceutrum, dieses Patriarchat hat bisher eine wahrhaft magische Gewalt über Alle geübt! Seit mehr als einem Jahrtausend ist die Zerstreuung ein Factum. Die Heimat hat unterdessen oft die Herren gewechselt, das Patriarchat ist oft geknechtet und tief herabgewürdigt, es ist oft lange Zeiten hindurch geistig und moralisch g^mken gewesen, dennoch ist jenes Band, was auch die entferntesten Glieder mit der Heimat zusammenhielt, niemals gelöst oder nur gelockert worden. Mit der tiefsten Treue haben die Armenier an ihrem Vaterlande, an ihrer Sprache, ihren Sitten, am Christenthum und an dejsen kirchlicher, nationaler Gestaltung unverbrüchlich festgehalten ! Auch die Juden leben ans ähnliche Weise uuter allen Völkern zerstreut. Sie bilden ein mystisches Band, welches sich durch alle Völker schlingt und ihre Geschicke miteinander vereinigt. Sie sind die Knechte aller Völker, aber sie werden dafür auch einst ihre materiellen Herren werden! Leiten sie nicht jetzt schon die Geschicke und Geschichte Europas? Halten sie nicht von der einen Seite die Staaten äußerlich .;usammrn durch die geheimnißvolle Kraft des 292 (holdes, was sie beherrschen, losen sie nicht von der andern Seite alle socialen ^cbensvrrhältmssc der christlichen Völker durch die Revolution der Ideen, dcren Fluktuationen vorzüglich slc leiten, auf? In ihnen lebt und schreitet die Nemesis durch die moderne Geschichte Europas? Aber die Juden haben keinen materiellen Mittelpunkt, der sie auch zu einem äußern Ganzen vereint, der ihnen den Punkt des Archimedes verleiht, von dein alls sic den Hebel ansetzen könnten, um die Welt aus ihren Fugen zu sprengen! Sie werden nur gelenkt und geleitet von ihrem Instinctc und ihrem nationalen und religiösen Geiste, um die Geschicke der Weltgeschichte zum Gnde zu führen. Auch die Armenier scheinen eine ähnliche Bestimmung vorzugsweise für Wen zu haben, man kann sie alö den Tauerteig an-sehen, der in die gährenden Elemente Asiens gelegt worden, um die fast crstorbencn Keime °dcs geistigen Lebens wieder zu erwecken, und da ist nicht zu leugnen, daß ihre Stellung, durch jenen kirchlichen Mittelpunkt im engsten Nationalverkehr untereinander stehend, viel günstiger ist. als die der Juden. Wenn Nußland seine weltgeschichtliche Mission richtig aufgefaßt hat, so wird es den Armeniern Das gewähren, wonach ihre Sehnsucht seit so langer Zeit strebt, intelleetuelle Bildung! Aber es mag sich hüten, hierbei viel ringreifen, leiten, regieren zu wollen. Nicht die russische Nildung, namentlich nicht die Nildung, wie sie den russischen Beamten aller Art gewährt wird und die mehr oder weniger auf ein Abrichten zielt, ist es, die die Armenier bedürfen; sie bedürfen einer Bildung von innen heraus, einer aus nationaler Grundlage hervorgegangenen. Zunächst bedürfen sie der Bildung ihrer Geistlichkeit, einer moralischen, religiösen, theologischen Bildung, Mit dieser muß aber die Bildung in weltlichen Wissenschaften Hand in Hand gehen, wie früher von Mechitar, gegenwärtig von Narses schon nach diesem Ziel hingewirkt wurde. Man möge junge Armeuin' von 1l> bis 12 Jahren nach den deutscheu Schulaustaltl'n, z. V. den sächsischen Gelehrtenschuleil, Schlll-pforta u. s. w. senden, 4« bis 12 Jahre lang in Deutschland lassen, sie auf dortigen Universitäten gründliche, wissenschaftliche Bil- 293 dung suchen lassen, und sie dann in Armenien an den Seminarien und zu errichtenden Gymnasien als Lehrer anstellen. Nußland möge hierbei nach dem berühmten Grundsatze: l.3>88ex fgil-el verfahren, um so eher, da von den Armeniern nicht die Beihülfe des Staats in Anspruch genommen wird, sondern Alles vom Patriarchen, der über die Richtung deö ganzen Volks disponiren kann, ausgehen wird und muß. In Moskau eristirt ein Erziehungsinstitut für junge Armenier. Cö warv 1815 von einer armenischen Familie, den Lasareff*), gestiftet. Ein Ukas vom 20, November 1K55 bestimmt, daß das Institut zur zweiten (5lafsr der Lehranstalten gehören solle (Gymmi simn). Ich habe es bei meiner Anwesenheit in Moskau besucht. Sein Zweck ist im Allgemeinen, die moralische und geistige Vildung des armenischen Volks vorzubereiten, dazu dann l) junge Arme. nier für die Universitätsstudien vorzubereiten und auszubilden, 2) Dolmetscher auszubilden. Vorzugsweise wird daher auf Sprachbildung gesehen, von europäischen Sprachen werden gelehrt Russisch, Fran zösisch, Deutsch, Lateinisch, von orientalischen Armenisch, Arabisch, Türkisch, Persisch. Ich hörte, daß die Armenier außerordentlich laicht fremde Sprachen lernten. Der eigentlich wissenschaftliche Unterricht schien mir mangelhaft, oer historische ganz besonders; es ward nicht einmal armenische Geschichte vorgetragen. Die äußere Haltung der Schüler war gut, die Iahreöpension mäßig, 2W Rubel Silber (es waren auch ärmere ciufgcnommeu, die nur 157 Rubel Silber zahlten). Die Knaben werden zwischen dem zehnten und vierzehnten Jahre aufgenommen. Curator und Director sind die Gebrüder Lasarcff. Rußland kann um so eher den Armeniern freie Hand in Bezug auf ihre innern Angelegenheiten, insbesondere die intellectuelle Fortbildung, lassen, als es sich in jeder Beziehung wegen ihrer entschiedenen Anhänglichkeit an Nußland vollständig auf sie verlassen kann. Die Tataren sind als Mohammedaner Nußland gegenüber stets mehr oder weniger unzuverlässig. Die Grusier konnten zwar *) Lasareff, Lasarewitsch, sind wol eigentlich nur Taufnamm, LazaruS, Lazaruösohn. Der armenische ssamilieuname ist Vlu'asarian; 294 ihre Selbständigkeit nicht gegen die Perser aufrecht erhalten, ab,»,-dennoch grollen sie Rußland, das sich nicht mit der Schirmherr schaft begnügt, sondern sie seiner wirklichen Herrschaft unterworfen hat. Die Armenier aber sind Nußland wahrhaft und mit Recht dankbar- es hat sie von einer uuerträglichen, erniedrigenden Sklaverei befreit, in welche sic augenblicklich wieder verfallen würde», »renn Nlißland seine stark Hand nicht über sie hielte. Die Armenier gehören zu den schönsten Völkern der Erde, der Bau ihres Körpers ist ungemein proportionirt, sie sind nicht so groß und muskulös gebaut wie die Grusier, haben vielmehr meist etwas ZarteS in ihrem Vau, neigen sich auch häufiger zum Fett^ werden als diese. Sie sind sehr brünett, ich sah im Lande selbst nie einen Blonden. Im Aeusicrn zeigen sie sich still, sanft, mäßig, bescheiden und ungcmcm höflich. Was ihren Charakter betrifft, so muß man die Landleute, die in der Heimat des Volts selbst leben, sehr von den Kaufleuten, besonders Denen, die unter fremden Völ. kern leben, unterscheiden, Diese Letztern sind alc« betrügerisch und völlig unzuverlässig im Handel und Wandel bekannt. Man muß aber billig sm>.' überall unter fremden, feindseligen, sie hassenden und verachtenden Völkern zerstreut, ohne Schutz grgeu Willkür und Despotismus, mußten sie argwöhnisch, ihr Gemüth verschlossen, ja heimtückisch und unzuverlässig werden. Eine erboste Gcberde, ein mdiseretes Wort tonnte sie verderben. Selbst eine be;eigte Dankbarkeit gegen einen Wohlthäter, wenn der etwa bei dem Des. poten in Ungnade gefallen, hätte ihnen können Hab und Gut und daö Leben kosten. Da sie keine Ehre, keinen Stand, kein Amt erwerben konnten, so mußle der Erwerb von Gold und Gut das einzige Ziel ihres Strebens werden. Aber selbst diese Armenier in der Türkei und in Persien sind chrcnwerth in ihrem Hause; dort herrschen die alten patriarchalischen und reinen Sitten, sie haben alle häuslichen Tugenden der Ehegatten, Aeltern, Kinder, Ge schwister, sic sind wohlthätig und gastfrei. Sie halten auf das strengste an ihn-n VollMten und vor Allem an ihrer Religion. Außer den Juden gibt rs kein Volk, welches um seiner Religion willen so viel ausgestanden, welches so viele Märtyrer gehabt als das armenische, und nie haben sie gewankt! 29» Jene Untugenden aber sind nur sittliches Verderbniss dltlch die Umstände herbeigeführt, sie sind nicht ursprünglicher Charakter, Das sieht man an den armenischen Landbewohnern, die durchaus ehrlich, brav uud treu sind. Schon der alte Reisende Tonrnefort, der mit den Landlcuten Armeniens selbst in Verkehr kam, rühmt diese Armenier als die „besten, ehrlichsten Leute von der Well, voll redlichen Sinns." Nrbrigens hörte ich, das armenische Vandvolk unter türkischer Hoheit um Vajazid, (5'rzermn, Wan sei noch crn^ ster, redlicher, braver, strenger in Sitten als das um Eriwan *). Von der armenischen Sprache habe ich selbst nicht die geringste Kenntniß, ich will aber doch Mnia.es darüber mittheilen, was ich von Abowian, dem Patriarchen Narses und Andern hörte, weil es doch immer interessant ist, Inländer auch ;u hören, da wir über diese Sprache bis jetzt nur das Urtheil sremder Gelehrten besitzen. ,,Ich kenne keine von den neuern Sprachen, schreibt Abowian, die so von den altern, aus denen sie sich entwickelt, abweicht, als das Neuarmenische ^on dem Altarmenischen. Weder das Polnische steht dem Altslawischen, noch daü Italienische dem lateinischen so fern, wie sich jene. Wer bei uns das Altcmnenische erlernen will, hat viel grösiere Schwierigkeiten zu überwinden, als die Europäer bei Gr-lernung ihrer alten classischen Sprachen, Von meinem zehnten Jahre an habe ich das Studium dieser Sprache mit großen» Eifer getrieben, viele Vücher und die Grammatik derselben fast auswendig *) Welche sonderbare Gegensätze in diesem Polke. W gibt fei» u,u ruhigeres, reiselustigeres, mehr umheruagireudes Volk, als die Armenier in der Zerstreuung, in den fremden Ländern, wo sie als Kaufleute sich angesiedelt, Wie oft trifft man armenische Kaufleute aus Konstantiin'pel, aus Smyrna in deutschen Badeorten.' Aber wie ganz anders in, Heimatö-lande, in Armenien selbst. Schon die Kaufleute, z. V. in lFriwau, fom-men wenig aus. höchstens lenneu sie die umliegenden Handelsorte, aber über Tistis, Tabris. lFrzerum hinaus fast nie! Die eigentlichen Laub-lcute verlassen ihre Heimat dagegen nur etwa zu einer gelobten Wallfahrt. Es gilt für etwas Außerordentliches und verursacht eine Art Zerstörung des Hauswesens, wen» ein Hausvater einige Tage abwesend ist! (5s ist ganz gegen die Sitte, daß Jünglinge über Nacht außer dem Dorfe bleiben. 296 gelernt, viel geschrieben, aber ich bin nicht im Stande, sie geläufig mit Jemandem zu sprechen. Keine Sprache hat mir so viele Mühe gekostet zu lernen, als diese (Abowian sprach geläufig ein halb Dutzend Sprachen), wol vorzüglich, weil alle Begriffe, Wort-setzungen, und selbst einzelne Worte, gar nicht mit der Dcntungs-und Deutungsart der jetzigen Zeit übereinstimmen. Diese Sprache ist rein, nngemein ausgebildet und biegsam, man kann mit großer Leichtigkeit selbst die schwersten und abstraetesten Bücher und Schris-ten in ihr wiedergeben und übersetzen '), aber was hilft das unserm Volke, da selbst unsere Geistlichen in ihrer Mehrzahl sie kaum geläufig lesen, geschweige denn verstehen können. Aber dennoch ist Jedermann stolz auf die alte Sprache; kein Priester mag das Geringste in der Vulgärsprachc schreiben, er würde glauben, damit seine Feder zu verunreinigen. (§in Prediger, der nur schlicht weg in der Vulgärsprachc predigt, misfällt ungemein, er muß überall Redensarten, meist Bibelsprüche, in altarmenischer Sprache anführen, die er häufig selbst nur auswendig gelernt hat, ohne die Sprache als solche zu verstehen." „Das Altarmcnische ist die Kirchensprache, sagte Narseö, das Neuarmcnische verhält sich znm Altarmemschen, wie die romanischen Sprachen zur latrinischen. Die Wurzeln sind altarmenisch, die Construction stimmt größtentheils mit dem Tatarischen übercin. Das Altarmenische hat Biegungen der Wörter, das Vulgärarmenische hat Partikeln dazwischen geschoben. Das Vulgärarmcmsche hat so viele fremde, besonders türkische, persische und lateinische Wörter in sich ausgenommen, daß man versucht wird, eine nahe Verwandtschaft mit diesen Sprachen anzunehmen, die doch nirgends besteht. Ill neuerer Zeit haben sich besonders zwei deutsche Gelehrte mit der armenischen Sprache beschäftigt, die Professoren Petermann in *) Dies bestätigte mir auch der Prediger Dictrich i« Mi^kau, der virlc Jahre in Armenien gelebt, und von dem ein recht instrnctirxS Büchelchen über drn Zustand der armenischen Kirche geschrieben ist. Vr behanMtv. daß namentlich die Neberschnngcn griechischer (5lassifer, z. B. selbst der Werke des Plato und drs AristotclrS. so völlig den Originalen entspräche», daß man sie daraus im Griechischen wieder herstellen koune, ircnn sic ctlva vcrll'nn ^aiMü waren. 297 Berlin und Neumann in München, Von Ersterm ist wol die beste jetzt vorhandene Grammatik erschienen (Berlin, 4837). La Croze hielt die armenische fär eine Schwestersprache der altmedischen. Spätere Gelehrte behaupteten, sie gehöre zum indogermanischen Sprachstamme, vielleicht der westlichen Sanskritfamilie, der arischen, was übrigens der gelehrte Sprachforscher Pott noch für sehr zweifelhaft hielt. Pctermann und Neumann weisen aber den indogermanischen Zusammenhang gründlich nach. Gegensätze und Analogien zn und mit semitischen Sprachen finden sich hinreichend. Das Armenische hat, wie alle indogermanischen Sprachen, mir einsilbige Wurzel,,, die semitischen Sprachen aber zweisilbige. Die armenischen Zahlwörter, die Cardinalia, sind mit den indogermanischen durchgehends verwandt. Die armenischen Gelehrten, selbst die aus neuesten Zeiten, die Mechitaristen, die Patres Indsidshran, Tshamtshean, behaupten, das Altarmenischc sei die Ursprache des Menschengeschlechts gewesen, die Sprache, welche Noah gesprochen! Sie berufen sich hierbei auf die Septuaginta und auf Flauius Iosephus, die ja Armenien geradezu als die Heimat des verjüngten Menschengeschlechts anerkennen, lind in der Heimat würde doch wol gewiß die Hcimatssprache, die Ursprache, erhalten worden sein! Das Neuarmenische zerfällt in viele Dialekte, die im Ban der Sprache wenig unterschieden sind, aber sie haben, je nach den Völkern, unter denen die Armenier zerstreut sind, unter den Persern, Türken, Tataren, Polen, Wörter aus deren Sprache angenommen. Die Dialekte in den Landstrichen am Ararat und in Astrachan gcl, ten für die ungemischtesten und reinsten, sich am nächsten an das Altarmcnische anschließend. Die Armenier haben in der heidnischen Zeit keine eigene Buchstabenschrift gehabt. Ob sie sich der griechischen oder persischen Schrift bedient, ist noch nicht hinreichend ermittelt. Die alten Beherrscher Armeniens, z. N. die Arsaeiden, sollen ihre Annalen durch Fremde, durch Griechen und Syrer haben aufschreiben lassen, Schrift ten aus jenen Zeiten haben sich wol sonst nicht erhalten, ob Inschriften auf Monumenten, weis; ich nicht. Im ersten Jahrhundert der christlichen Zeit war bei der dortigen christlichen Liturgie die 298 syrische Sprache und dir griechische Schrift gebräuchlich. Der heilige Mesrop, einer der größten Männer, die Armenien hervorgebracht, erfand um 4ttli das jetzige armenische Alphabet. Es besteht der vielen abweichenden Kehl- und Zischlaute halber aus 7,8 Schrift-zeichen '), l5k."» soll das erste armenische Vuch gedruckt sein. Als Armenien das Christenthum empfing, lag eö außer dem römischen Reiche, außer den Kulturländern, deren Mittelpunkt Rom war, es hatte zwar politische Verbindungen mit Rom, war aber eben damals, unter Tiridat dem Großen, unabhängig zwischen dir Römer und Perser gestellt. Die Armenier waren die (5rsten, die als ein Volk, als eine Grsammtmasse, ^ls Christenthum annahmen. Alles Heidenchum bestand damals ohne Glauben, nur noch durch Herkommen und Angewöhnung, durch Ceremonien, höchstens durch abergläubige Naturbeziehungen, (5ö war demnach überall l,>!>lili> r.18.-, für eine neue Offenbarung des Weltgeistes, für eine neue Religion vorhanden. Vei«ven Armeniern drang aber das Christen-thum nicht auf dem Wege der Lehre, der allmähligen Ueberzeugung ein. (5'inzrlne Christen waren wol da; ihr Leben, ihr Bei-spiel mochte das Volk im Allgemeinen günstig gestimmt haben; allein nun ließ sich der König Tiridat 7>02 am Ufer des (5'uphrat vom heiligen Gregor taufen und fodcrte das Volt auf, ihm zu folgen, und es folgte zum Thell aus Gehorsam, zum Theil vielleicht einem augenblicklichen Gefühl sich hingebend, (5s ward getauft, die Belehrung sollte erst nachkommen! Es war ein ganz ähnliches historisches Factum wie die An, nähme des Christenthums von Seiten der Franken lind ihrem *) St, Martin in» U6mnii'n lii»lni'ilsu<' ot ^^''"P^I"^ 5M- !',5i'-ml'mc' sl'»ri!' 18l!>) sagt: ,,Dieser Erfindung verdankt das armenische Volf die Vrhaltunss der Sprache nnd Literatur. Dhne sie wäre cs wo! unter den unterjochenden Vollern, den Persern, Türken u. s. »v. längst nutevqracincM, wie so viele Völker Asiens. Nur dadurch konnte die armenische Kirche sich erhalten, nur dadurch die Nationalität eines scit mehr als einem Jahrtausend stets unterjochten Aolks! Der heilige Mesrop hat auch für die Georgier da<5 noch jctzt gebrauch-lichc anlsinische Alphabet erfunden, sowie für die noch laum in geringen Uebcrresten cristircnden kanfasischen Aldaincr das albanische Alphabet. 299 Könige Chlodwig. Die Lehrer und Apostel des Christenthums, der heilige Gregor und seine Gefährten, verfuhren demgemäß, sie entwickelten eine nngrmrinr Thätigfeit, christliche Lehre zu verbreiten, christliches Leben zu wecken, indem sie eine zahlreiche Geistlichkeit mich beiden Richtungen hin, Mönche zur Verbreitung der Lehre und als Veispiele für inneres oder mystisches Leben, Weltgeistliche zur Spendung der Sacramentc bildeten und herbeiriefen, Der hei, ligc Gregor consecrirte unter Anderm auf einmal ^00 Geistliche zu Bischöfen und stiftete unzählige Klöster! ') Armenien war in der Heioenzeit ein wohlorganisirter Staat, in Provinzen eingetheilt, die von Statthaltern verwaltet wurden, aber diese machten sich nach und nach erblich und unabhängig und traten fast in das Verhältniß von Lchnöfi'nsten, Fast nur noch die Pro^ vinz Ararat stand unmittelbar unter dem Könige, die Provinz Hashtian am Tigris bildete die Apanage der königlichen Prinzen, Die mächtigsten Lehnsfürsten waren die Mamigonier, denen das Land Daron, die Vangratiden, denen Sbrr gehörte, aber neben diesen unzählige andere größere und kleinere Dynasten. Schon Pli-nius spricht von IM Strategien in Armenien, Moses von Khorene bannte im l». Jahrhundert A4l) Gaulandschaften, der Patriarch Narses I. führt im M. Jahrhundert t70 Dynastcnfamilieu auf, welche, die Oberherrschaft des Königs anerkennend, doch große Selb ständigkrit und Theil an der Legierung hatten, zngleich unter-einander m bestänvigen Fehden lebend. Neben und zum Theil an die Stelle dieser weltlichen Dynasten-Herrschaften traten nnn nach (^inführuna, des Christenthums hun. derte von Klosterherrschaften. Hier in den einsamen, gering be. uölkrrten Hochthälern bildete sich das Mo'nchSleben als vorherrschendes Volksleben der ganzen Nation aus, ahnlich »vie in den ") S. Mtcr'6 (5rdtundr, Bd. X, S. «W. Eine .MvM' Dame, die lauge in den faukasischen Ländern sich aufgehalten, sagte mir: ,,Keiu Buch ist so wahr, so treu, so instruetiv als Ritter's Wett in Bezug auf die faukasischen Länder; alle Neiscbcschreibungen sind schwach, mlgemu,e»d, unfritisch gegci, Da>?, was er »n<> gib!, der dl,'ch nie im Lande newcfen,'" Ich kann Dem nur beistimmen! 300 tübetamschen und äthiopischen (abyssinischen) Hochländern, Die armenischen Könige banten Städte und Schlösser. Diese ummauerten Werke des Ehrgeizes, der Prunksucht, der Despotic versanken oft schon mit ihnen in Schutt, aber die Kirchen, Klöster, Einsiedeleien, die in allen Gaulandschaften zn Mittelpunkten der Ansiedelung wurden, und deren Vorstand zu sein ein Hauptbestreben von Fürsten und Volk war, gewannen durch die Grabstätten ihrer Heiligen, durch die Verehrung der Nation, durch die Schulen, welche von der Geistlichkeit angelegt wurdeu, eine längere Dauer. Das Mönchsleben (in allen Zeiten von den Völkern höher gestellt und verehrt, als die beweibte Geistlichkeit) verwuchs so tief mit der Nation, daß vom Patriarchen Narsts, dem fünften Nachfolger des heiligen Gregor, gerühmt wird, er habe ÄM) Convente gegründet, darunter Asyle für Witwen und Waisen, H'modochien und Hospize für Fremde, Hospitäler und Armenhäuser. Dieses vorherrschende Klosterlcben hat der ganzen Entwickelung des armenischen Volks den kirchlichen Stempel aufgedrückt, um so mehr, als das politische Leben durch fortwährende Nnteriochuug ganz in den Hintergrund trat. Alle großen Männer der Nation, von Thatkraft wie von Wissenschaft, waren in der glänzenden Zeitperiodc des 4., 5. und (l, Jahrhunderts Mönche, Priester, Bischöfe, Patriarchen. Drei Viertel ihrer damaligen Literatur sind theologischen Inhalts. Ihre Geschichtsforschungen haben stets einen theologischen Hintergrund nnd theologische Nutzanwendung. Ihre Poesie bestand fast nur auö geist^ lichen Liedern, ihre Philosophie aus dogmatischen Disputationen, selbst ihre Arbeiten über die Sphära, die Chronologie, betreffen zunächst die Feststellung des Kalenders der Kirchenfeste u. s. w. Auf diesem kirchlichen, national beengten Standpunkte sind sie damals auch stehen geblieben. Selbst im 5l) uud 42. Jahrhundert, wo sich die armenische Literatur abermals wieder etwas hob, war dies eigentlich nur die Erhebung der basilianischen Klöster zur Gelehrsamkeit. Später unter mohammedanischer Herrschaft versank dann aber das Monchthum zu einer Mmmenenstenz. Die Unwissenheit, selbst unter den Mönchen, ward so groß, daß die eigenen Hand fchriften ihrer Bibliotheken ihnen todte, unverständliche Schätze wur- 301 den, deren Koldkörner erst das Ausland und die Vuchdruckerei wieder auffand "). Diese Erstarrung alles, sowol kirchlichen als weltlichen wissen schaftlichen Lebens bestand vorzüglich im eigentlichen Armenien, im Stammlande, dem Mittelpunkte der kirchlichen Einheit bis in die neueste Zeit fort; in den weit verzweigten Colonien, bei den unter den Völkern zerstreuten Armeniern begann es schon seit dem 47. Jahr hundert wieder sich geistig zu regen. In Lemberg entstand schon 1616 eine armenische Druckerei, 1662 ward daselbst eine armc^ nische Hochschule gestiftet. 1624 wurden in Mailand, 1640 in Paris und in Livorno, 1660 in Amsterdam, 1670 in Marsrille, 168l) in Leipzig, 1690 in Padua armenische Druckereien angelegt. Aber anch selbst in Asien, in Dschulfa und Pcrsien ward 1640 eine Druckerei etablirt, sowie 1677 in Konstantmopcl, Zwar ward auch in Armenien, selbst in Eriwan, 1629 eine höhere Schule gestiftet und 1631 nach Edschmiazin verlegt, wo sie noch, aber in tiefem Verfalle besteht. Eine dort vorhandene elende Druckerei druckt, wie ich hörte, nur armenische Kalender, liturgische und Gebetbücher. Allein das Morgenroth einer neuen geistigen Erhebung, eine neue Literaturentwickelung und eine aus dieser hervorkeimende wissenschaftliche und Volksbildung, kam den Armeniern im 18. Jahrhundert von Seiten des Mechitaristenordens **), wie schon oben angeführt. Die armenische Literatur beginnt mit dem heiligen Mesrop und dessen Erfindung und Einführung des armenischen Alphabets im Anfange des 5. Jahrhunderts. Was etwa auö früherer heidnischer Zeit vorhanden gewesen, ist wol mit den Tempeln und Götter statuen vernichtet. Sie nahm gleich anfangs einen ungemeinen Aufschwung, es entwickelte sich ein brennender Eifer für die Literatur, ') Auszug nach Ritter's Erdkunde. Thl, X, S. M». *') Um den zu sehr nach Rom führenden geistigen Einfluß der Mechi-taristen zu paralysiren, wurden von den nicht unirten Armenier» zwci armenische Antt'iualierkloster mit Hochschulen am Libamm angelegt, wovon das eine den Namen des PatriarchalflosierS erhielt, weil 1753 der Patriarch Abraham von Jerusalem seinen Sitz in dasselbe »erlegte. 302 im tlrinen Maßstabe, ähnlich dem Erwacht'» der Wissenschaften in Europa im 15. Jahrhundert, nach der (5rfindung der Vuchdrucker-kunst. Das erste Hauptwerk war die Nebersrtzung der Vibel, sie ward 416 vollendet, An ihr haben die größten Männer jener Zelt gearbeitet, vom heiligen Mesrop sind die Evangelien übersetzt, die übrigen Vncher von Moses von Khorene, David, Ieönik, Mamber, Glisa, Joseph, Leont, Gorinm, 9lach dem Urtheile der Mechitaristen und sonstiger Kenner ist diese Nebersetzung die Kö' nigin aller Nebersetzungen der Vibel und noch jetzt das unerreichte Musterbild der reinen haikanischen (armenischen) Sprache, wie für Deutschland die Nebrrsetzung Luther's. Das 5. und 6. Jahrhundert ist die Glanzepoche der armenischen Literatur. Durch sie ward eine lebendige, geistige und umfassende Verbindung mit dem Abendlande angeknüpft und unterhalten, die classischen Schriften desselben ins Armenische übersetzt, mit einem innern Verständnisse wie 'sonst vielleicht nirgends (wir haben in dieser Beziehung schon oben auf die Nebersetzung oer Werke Plato's und Aristoteles' hingewiesen). Kein Volk hat eine so frühe und so reiche Nebersetzungslitcratnr, besonders eine theologische und philosophische, als das armenische. Das nach dem Concilium von Chalerdon (-451) sich allmählig ausbildende Schisma lockerte später die Verbindung mit der abendländischen Literatur und mit dem Abendlande selbst. Die armemsche Literatur beschäftigte sich im 7. Jahrhundert fast nur mit theologischen Zänkereien, Bei der demnächst eintretenden Isolirung und dem Kampfe mit dem Mohammedanismus schlief sie allmählig ein. Im 15. Jahrhundert war noch einmal ein grosier Aufschwung. Von da all verfiel fie ganz bis zum 1K. Jahrhundert, wo von den Mechitaristen der erste Anstoß und biö jetzt auch der mächtigste Erfolg kam. Mechitar faßte den großen Gedanken, an jene erste glänzende Periode wieder anzuknüpfen, anch er und seine Schüler und Nachfolger suchten durch Ueberscßungen die Cultur des Abendlandes herüber zu bringen. Aus allen abendländischen Sprachen und aus allen Theileu der Literatur haben die Mechitaristen übersetzt und drucken lassen. Ich selbst sah bei Armeniern Nebersetzungen von Fmelon's Werken von Geßner's Idyllen! u. s. w.! 30:l Ienev frühere außerordentliche AusfchNnnig drr armenischen Lite, ratur hat allerdings vorzugsweise nur eine Uebersetzungslitrratur begründet, keine schöpferische, selbstschaff/ndr. Sie blieb auf rem Punkte damals stehen, und es entwickelte sich keine selbständige nationale Literatur daraus, weil die natürliche Entwickelung durch die Unterjochung und Sklaverei gehemmt wurde. Auch die abend ländischeu Völker haben ja durch das Studium der classischen ^ite^ ratur und durch die Uebersetzungrn aus derselben diese Schule zu ihrer Bildung durchgemacht, ehe sich selbständige nationale Litern turen nnd Ki'mste entwickelten. Selbständige, schöpferische Werke finden sich nur in der theo. logischen und historischen Literatur der Armenier. ssür die Geschichtsforschung sind die armenischen Geschichtsschreiber vom ^l, bis 43. Jahrhundert von noch gar nicht bekanntem und anersanutem Werth. Eie standen ja aus der Höhe und der Umschau zwischen dem Orient nnd dem Oecident! Kaum daß der große Historiker Moses von Khorenr etwas bekannt ist. Die eigene Kunstpoesir der Armenier ist nur eine religiöse *). Das Profane Element der Vildung verschwistert dir Armenier mit der Cultur der (kriechen, das religiöse und namentlich das religiös-poetische mit den Hebräern. Vom 7. Jahrhundert an ist auch arabischer Einfluß bemerkbar. In den alten reim- und maßlosen Gesängen ward nur Rücksicht auf dir Modulationrn drr Stimme und die verschiedenen Töne der Musil genommen, die daher auch noch jetzt in den Kirchengesängen der Armenier dnrch bestimmte Zeichen angedeutet sind. Der Kirchen- ') Dic Vclianvtuna, Wahl'S, den Armcmcrn hattc die Plxsir gänzlich gefehlt, widerlegt NcumccM! in somcm Prrsnchc cincr Geschichte drr arme-nischm Literatur n, s. w. (^eipzig. l^!js»), (5r führt dagegen das arnic? nisch? (>1l'sai!gl'»ch Schavl'g»oo an, wl'un tn-fflichc Lieder v»!l ^vh^beiiheit sich siüdcli. ^ic siild nicht durch dir Quantität und nicht durch dcn Reiin gebunden, fondern dcwrgen sich im Paral^liömlw N'ie dir yrl'raischl' Porsir. Zum großrrn Theil sind eö Nachahinungcn drr Psalinru, virle von ihnen uralt. Oiu Gesang vom Leben Johannes des Täufers wird bc», Moses von Khorene zuaeschricl'rn. Or beginnt: Olliu^cndcs Et<->» doö Morncuroths, Vvrlcurlitcnb dcin SmmcnmiMNg der Worcchügltlt, Vorliwfcr dcr Mcnschwcrduna des göttlichen Sul'ncs! 304 gesang hat Aehnlichkeit mlt dem Gesänge in den türkischen Moscheen, In späterer Zeit erhielten dann die Armenier von den Arabern auch Metrum und Reim, wie Gregor Magistros 1tN0 bezeugt'). Die ältern armenischen Werte bis zum 43. Jahrhundert herab sind in altarmenischer Sprache geschrieben. Im 14. Jahrhundert begann man in vulgärarmruischcr Sprache zu schreiben, Johann Erzinga war der Letzte, der 4326 ein Werk, die Uebersctzung des Vuchs des Thomas von Aquino über die Sacramrnte, in altarmr-nischer Sprache schrieb **). Von der armenischen Literatur mag unendlich viel untergegangen und verloren sein. Schon Moses von Khorene berichtet von Verfolgungen und Vernichtungen armenischer Vüchrr und Handschriften in den Jahren 381 und ^39. Vei der Zerstörung von Am ll)04 sind alle dortigen reichen bibliothekarischen Schätze vernichtet worden. Der größere Theil der in den Klöstern aufgehäuften Literatur ist bei den unzähligen Verheerungen meist untergegangen, bet der geistigen Versunkenheit der Mönche und Einwohner auch wol wenig geachtet und vertheidigt worden. Selbst die schon früh berühmte Bibliothek in Edschmiazin ist theilwcise zerstört, geplündert, aber theilweise auch durch Misachtung, auch schlechte Aufsicht, verkommen. Es eristirte nicht einmal ein Katalog darüber. Diesen verdanken wir gegenwärtig den Anregungen des oben schon mehrmals genannten Baron von Hahn und des Akademikers Vrossct, der ihn in Gdschmiazin aufnahm und später 1«HY kritisch beleuchtet, herausgab. (5r fand nur noch 655 Nummern daselbst, unter denen 462 in armenischer Sprache waren. Unter diesen waren 8 der Poesie und 86 Nummern der Geschichte und Geographie angehörig, die übrigen waren theologischen Inhalts. Vrosset führt dann noch an, daß in der pariser Bibliothek sich 160 armenische Manuscript« befänden. In der Vatieana und der Bibliothek der Propaganda in Rom befinden sich ebenfalls eiue Anzahl, Die reichste Sammlung armenischer Manuscripte sott sich bei den Mechitaristen in Venedig befinden. Es ist wol vorauszusetzen, daß bei einem geistig so hochbegabten -) Ritter's Erdkunde, Thl. X. S. 54'.'. <") Mter'o Grvkunde, Thl. X, S. 582. 305 Volke, »vie die Armenier, neben der Kunstpoesie auch cine reiche Volkspoesie von jeher bestanden und sich ausgebildet hat. Leider ist in dieser Beziehung noch nichts gesammelt, und wir besitzen nur sehr wenige und oberflächliche Notizen darüber. Was ich darüber hier mittheile, verdanke ich lediglich Abowian, seinem Oheim und Peter Neu. Gs mag dazu dienen, die Aufmerksamkeit der gebil' deten und patriotischen Armenier auf diesen wichtigen Gegenstand, auf diesen eigentlichen Nilmesser des armenischen Volkslebens, der Grnndrichwngen, der Anlagen, des Charakters dieses Volks hinzulenken. Insbesondere aber fodere ich Hrn, Abowian auf, sein großes Talent zu verwenden und die Gunst seiner Stellung zu benutzen, um Alles, was sich von Volksliedern, Volkösagen und Märchen erhalten hat, zu sammeln und bekannt zu machen, damit auch Andere dadurch angeregt sich diesen wichtigen Forschungen widmen '). Moses von Khorcne führt an, daß zu seiner Zeit Volks- und Heldenlieder eristirt halten, die er bei der Niedcrzcichnnng seiner Geschichte benutzt habe. Er führt unter Andcrm ein Fragment eines episch-mythologischen Volksgesanges aus heidnischer Zeit an, welcher die Geburt des Vaharn besingt i „In Gebnrtsfchmerzcn lag der Himmel, in Geburtsfchmerzen lag die Erde, in Geburtsschmerzen lag das Purpnrne Meer, in Geburtsschmerzen lag das röthlichc Schilfrohr im Meer! Ans des Rohres Mnndc kam Nauch empor, aus des Nohres Munde kam eine Flamme empor, und aus der Flamme entstieg eilends der blonde Jüngling- Feuer hatte er in den Haaren, und Flamme hatte er am Varte, und die Augen waren Sonne!" Moses von Khorenr erzählt, er habe dergleichen Gesänge znm Schalle geschlagener Handschellen (Castagnetten?) nach verschiedenen Melodien singen hören. Leider gibt er die Melodien selbst nicht! Ritter in seiner Erdkunde, Thl. X, S. 582 gibt die Notiz, das? in der Umgegend des Ararat noch gegenwärtig Volkslieder ') Lcider ist der treffliche Abowian vm- zwei Jahren a»f eine unb^n'if-lichc Weist verschwunden, vielleicht tt'dt. Was hätte dieser Mann zn leisten vermocht, wcnn man verstanden hättV, ihn in die richtige Stellung zu bringen! 20 306 eristirten und gesungen würden, die auS dem 5. und 6. Jahr. hundert herstammtcn. Die Mechitaristen behaupten, es gäbe noch jetzt Handschriften alter Heldenlieder in Armenien, auch würden noch dergleichen Heldenlieder in gewissen Gebirgsgegenden, z. V, im District Kolthan nicht weit von Eriwan gesungen. Diese Heldenlieder sollen dieselben Helden und deren Thaten besingen, die in der Schahnameh des Firdufl leben, also Rustem, Sal, Gustasp u. s. w. Das würde denn auch wol auf eine uralte Stammverwandtschaft zwischen Armeuiern und Persern deuten! Was an allen» diesem Wahres, würde wol nur Abowiau zu ermitteln im Stande sein. Wir haben schon oben gesagt, daß die eigentliche Kunstpoesie der Armenier nur eine religiöse ist. Die Sänger waren wol nur Mönche (Patriarchen und Bischöfe gehen ja nur aus diesen hervor!). Die vorhandenen Lieder und Gedichte sind dabei größtenthcils uralt, denn bei dem jetzt so ti/f in der Bildung gesunkenen geistlichen Stande möchten sich wol schwerlich religiöse Dichter ausbilden unv Anerkennung dahin finden, daß ihre Gedichte in der Kirche oder auch nur vom Volke gesungen und aufgenommen winden. Ob bei den mit Nom verbundenen Armeniern, namentlich ob bei den Mechitaristen sich neuere religiöse Dichter ausgebildet habe», ist mir unbekannt. Die vorhandenen kirchlichen Gedichte, die sich in Form und Inhalt an dir hebräischen der Vibel anschließen, sind im ernsten strengen Stil verfaßt, die ältesten von erhabenem Schwung, allein meist monoton in Ideen und Bildern, Die nicht mit Nom verbundenen Armenier haben zwar den Heiligcndieust, allein der Madonnendienst *) ist nicht so hervorragend und vorherrschend über die Vereh- ") Daß übrigens die von Nom seit lancier als IÜW Jahren feindlich getrennten Armenier auch in Bezug aus die Dogmen über die guten Werfe und ihre Wirkungen im Jenseits, über die Heiligeiwerchrung und die Anrufung ihrer Fürbitte, über den Madounendienst genau dieselben Lehren habe» wie Nom, geht unter Andcrm auch aus deu unzähligen Inschriften an allen Kirchen und Grabdenkmale» (fein Land hat deren so viele) heruor. Ich hebe des zum Zeuguiß einige, die der Protestant Dnbviö mitgetheilt hat, hervor, 1) Vd. ll, S. 158, Inschriften an einem Fenster N'chtö m der Kirche 307 rung der Heiligen wie in der occidentalischen unv den übrigen orientalischen Kirchen. Es fehlt ihnen der, alle Heiligenverehrung des Klosters St. Jakob an, Ararat: Durch den Willen Gottes habe ich, Sombate, zu der Geistlichkeit des Klosters St, Jakob gehörend, den sechsten Theil drS Bodens von Zala und Zibi der Geistlichkeit dieses Platzes gegeben. Den Hrn. G. V.(artabed). . , , Messen zwei fur mich, zwei für meine Fran: Dem, der dies erfüllt, weide Gottes Segen, 721! der armenischen Zeitrechnung (1274 nach Christus). Glaubt man nicht eine Urkunde des europäischen Mittelalters vor sich zu haben?) 2) (5'bendaselbst nnten am Fenster: Durch die Hoffnung, welche wir auf Gott sehen, gehören wir, ich Machetar und meine Frau, Themar zu der Geistlichkeit dieses heiligen Platzes, und wir haben ihm alle unsere (Einkünfte gegeben. Man hat uns gelol't vier Messen für uns, zwei für mich und zwei für Themar am Tagr der Darbringung Jesu im Tempel (Maria Neinignng) zu feiern; wer diese Vestimmung aufhebt, nehme alle unsere Sünden auf sich. 3) Bd. ll, S. 13!). Auf einem Grave in den Ruinen von l»ro-wantasched: Im Jahre 1292 habe ich, Khatschatur, dieses Kreuz errichtet, nm mir und meinen Brüdern den Schatz des Himmels zu verschaffen, 4) Bd. II, S, 156. In der nralten Kirche von Archuri am Arares auf einem Grabstein: Ich, Isaak, ein sündiger Diener unsers Herrn Jesus Christus, liege hier. Man bitte auch für mich bei Gott, wenn man Gebete an ihn richtet. Im Jahr 4<)l der armenischen Zeitrechnung. 5) Vd. Il, S, 1!iH. Auf einem Grabe bei den Kirchemnine» von Kulpe: Im Jahre 101i> der armenischen Zeitrechnung (l.'>7<> nach Christus) habe ich, David, Sohn des Chodschamira, dieses Krenz auf diesem Grabmal errichtet, um Fürsprache vor Gott für mich und meine Aeltern, meinen Vater Ehodschamira und meine Mutter Guchar zn finden...... Ich verschied in Christus und ließ meine Aclteru und meinen Bruder Jakob in Thränen zurück. 6) Unter dem Ehorfenster in» Innern der Kirche von Tschori: Im Namen des Vaters, des Sohnes, und deö Heiligen Geistes, und lurch die Fürsprache der heiligen Mutter Gottes nud des heiligen Grigol (Gregorys) habe ich, Glachac Mia, der ich Superior der Kirche zu St.-Grigol war, es nicht versäumt, eine Vigil rinznführen, zu welcher das Zeichen durch die Klosterklapprr gegeben wird. Zugleich habe ich ein Geschenk von Wein für die zum Lobe Gottes einglsetzte Vigil bestimmt. Gott erhebe Dawit Mapha und seinen Sohn und Abel Mapha; und wer immer nach mir diese Vigil und das der Kirche gemachte Geschenk abändern wird, und wäre es selbst ein Geistlicher, ist von Gott verflucht; wer von den Weltlichen sie aufheben wird. verfällt gleichfalls der schweren Strafe der Kirchengesetze. Alle diese Grabschriftcn und Inschriften stimmen fast wörtlich mit der- 2N* 3U8 überflügelnde und beherrschende Madonncndienst, der glühend?, poetische, fast abschließende Mariencultus der Mutter Christi *), und gleichen in katholischen Kirchen und auf Kirchhöfen in, katholischen Europa überein, 7) Vd, ll, S, 3l8, Inschrift an einer Säule in der Kathedrale von Mzchet: Dieser göttliche und höchst ehrwürdige Tempel Maria's, unserer Königin, der Mutter Gottes, der »„besteckten Jungfrau (wurde......) auf Kosten «nd auf die Anordnung der seligen Dienerin Gottes Peban-pato , , , . Pacrat . , . u. s, w. Hier hätten wir denn auch die immac'uI.Ui' vispn! Unter den Protestanten meint man gewöhnlich, der Papst habe in diesem Jahre ein neneS Dogma ausgesprochen. Er hat uur die natürliche Konsequenz des nie weder in den sämmtlichen orientalischen Kirchen uoch der occidentalischen katholischen Kirche bcstrittenen Dogma von der immlleuww vii-fic», die immllClllZtn c'nnl^sitia festqesrht. Ueber die Liebe uud Anhänglichkeit der Armenier gegen die Mutter Gottes erzahlt übrigens Dubois Bd. Il, S, 187 einen rührenden Zug: Schah Abbas von Persicn war"Ilil)5 von den Türken gedrangt und mußte Armenien räumen. Er beschloß einen Theil der Einwohner mitznschleppen uud sie in Persicn anzusiedeln. Das Loos traf auch die reiche armenische Stadt Dschnlfa an. Arares. Die Einwohner erhielten den Befehl, binnen drei Tagen bei Todesstrafe aus der Stadt zu ziehen und ihre Heimat aus immer zu verlassen. Als nach Verlauf deo dritten Tages keinc Frist, kciue Hoffnung mehr übrig blieb, als die (5'inwohnrr von der Heimat scheiden und ihre friedliche geliebte Wohustätte für immer verlassen mußten, nahm Jeder die Schlüssel seines Hanfes und folgte den Priestern, welche den Kirchenschlüssel mitgenominen hatten, uud als die ganze BolkSmasse vor der Kirche der heiligen Jungfrau, die auf einem Felsen außerhalb dcr Stadt liegt, angekommen war, warf Jeder unter bittern Thränen einen letzten Blick auf die verlassene Stadt! Dann wendeten sich die armen Unglücklichen zur Königin des Himmels und empfahlen dieser Mutter der Nothlridendeu ihre Kirchen uud Wohnungen, deren Schlüssel sie in den Fluß warfen, Schah Abbao ließ augenblicklich die Mauern zerstören uud die Stadt mit in Pech getauchtem Schilfe anzünden, um den Einwohnern, die vom audern Ufer jammernd in den Brand starrten, jede Hoffnung zur Rückkehr zu nehmen. ') In allen Landern der katholischen 0'hnstenheit (sowol in denen der oceideuwUschcn Kirche als bei den Völkern der orieutalischen Kirche, wenn sie auch nicht mit Rom verbunden) ist es überall Volksglauben, ist es tiefste religiöse Uebcrzenguug. daß der Madonnendieust, die Aurufnng, pie Fürbitte der Mutter Gottes den, Oinzelneu, den Familie», »vie den Völkern einen ganz besondern, ja sichtbaren und anerkannten Segen bringe. Dem Einzelnen irdisches Glück bei allen Unternehmungen, dem Familien- 309 damit fehlt ihnen einer der höchsten und begeisterndsten Gegenstände aller modernen religiösen Poesie, Die weltliche Poesie scheint von leben die Einigkeit der Liebe in demselben, den Gemeinden, Ländern, Völkern aber als erwählte Patronin, Mniglcit, Glück und Nnhm im Allgemeinen. Unsere nüchterne Zeit lächelt darüber, das, die Spanier die Madonna als den Generalissimus ihrer Kriegsmacht anerkennen") »nd doch ist es nur eine einfache Vrlimdung des Glauben,? deo ganzen christlichen Mittelalters, wie ja denn auch der größte thatenreichste Ritterorden, der der Deutschen Ritter, feine Grundlage und seinen Ruhm in d,'m ?tameu Mariana suchte und das Panier der Maria in jedes Gefecht granting. Wer fann ohne Schauer der Ehrfurcht und Rührung das kolossale Marienbild mit dem Welthciland auf dem Arme außen an der Kirche drS Hochmeisterschlosses in Marienburg in Preußrn sehen, unter dessen Aegide dieser großartige Orden ein Land eroberte, es dem Christenthum zuführte, eS im Innern bewunderungswürdig organisirte, welches später die Grundlage einer mächtigen Monarchie geworden. Der Madonnenbienst ist die mächtigste tief organische Grundlage der geistigen und materiellen Erziehung, des höhern Voltslebens, ja des ganzen politischeu Lebens der europäischen Voller geworden. Gr ist das Gruubprincip der gennauischen, romanischeu und slawischen Poesie, der Romantik nnd des Ritterthums. Es ist einer weltgeschichtlichen Veachtung werth, daß gerade die Völker, bei denen im Mittrlalt^r voizugöweife der Madonnendienst in der Poesie, dem Cultus und der iunern Gesinnung nnd Hingebung sich ausbildete, auch sich als besonders kräftig, kriegerisch und eroberungssüchtig nach Außen zeigten, wie wir bei den Spaniern, Franzosen, Polen, Russen sahen. Man könnte im Gegensah sogar bemerken, daß die Volker, wo der Mariendienst nicht so vorherrschend nnd das ganze Innere durchglühend sich gezeigt, die Italiener nnd Deutschen, sich weniger tüchtig zum Herrschen und Erobern erwiesen. Unverkennbar ist der Mariendienst die eigentliche und tiefste Grundlage der wahren modernen Gesittung, der erst durch das Christenthum sich entwickelnden höhern und im jetzigen socialen Leben gleich berechtigten Stellung der Frauen. Gr ist die Grundlage der alle europäische Völker b> lebenden romantischen Verehrung des weiblichen Geschlechts, und hieraus ist ja unstreitig hervorgegangen nnd beruht noch jetzt das Uebergewicht Europas oder wenigstens der europäischen Völker nnd ihrer Colonien. (5s ist merkwürdig, das, in der orientalischen Kirche vorzugsweise dir ihr zugethanen slawischen Völker es sind. namemlich die russischen Stämme, bei denen ein eifriger, mniger Mariendienst herrscht, und eben diese sind ') ')!,„ l>,1. lM.nz 18,>» ward daS französische Mnmalschiff «,»<> dc P.niö seitlich d>»ch dlii Pi!d dcr ^im^sr.N! Marni, der Sch>chpaln'M>l dci Matrosc», cingcwcchl unler An» stinnmmg dcr Hymne ävo mni-i» ^w!!.-,, stcuc Preußische Zettmi^ Vl»» !2, ?>vril 1854. _____310______ je her bei dell Armeniern in hoher Vli'tte gestanden zu haben. Aber es scheint sich nicht viel von ihr zu erhalten, und es wird dann auch demnächst durch Vildungsfähigkeit, kriegerischen Sin» und politisches Glück dic mächtigsten geworden. Dagegen sind die Völker mit altgriechischer Liturgie, ungeachtet dcr herrlichsten Naluranlagen (Griechen, Grusinier) vom Politischen Glücke verlassen, unterjocht und in Rohheit versunken! Aber el'en bei ihnen finden wir dann auch den Marieudienst vernachlässigt, ohne Energie und Enthusiasmus! Das hausliche und Fa.' milienlcben stcht hier im Allgemeinen auf cincr niedern Stufe, rben weil das Weib nicht seine wahre und gleichberechtigte Stellung im socialen Leben einnimmt, mehr oder weniger auf orientalische Weise unterdrückt ist, weil bis jetzt nicht die freien romantischen Beziehungen, die Eroberung des Weibes durch Liebe und Ehre, Elemente des innern Volkslebens geworden sind, sondern mehr oder weniger die Form des Kaufs bei Eingehung der Ohe gilt. Mir scheint, die politische Schwäche des byzantinischen Kaiserthums im Mitlelalter ist zum größcrn Theil hierin zu suchen. Wie ist es anders zn erllären, daß die germanischen nnd romanischen Voller nicht etwa in physischer, sondern selbst in geistiger Hinsicht dcn Kriechen im Mittelalter so weit überlegen waren, ungeachtet doch die griechischen Volksstämme von der Namr so reich n»d hoch begabt, im Fidcicoininiß der classischen Eultur ungestört sitzen geblieben, dabei persönlich stets geistvoll, tapfer und kriegomuthig warm? Man wende gegen diese allgemeine historische Anschauung nicht ein, daß die germanischskandinavischen Völker, die Schweden, die Engländer, die den Marien-dienst jetzt nicht haben, dcn Gegenbeweis führten, da ihnen doch wol Niemand politische Bildung und politisches Glück abspreche» köniir, Sie haben aber früher den Mariendienst gehabt, sie sind iu ihm und durch ihn erzogen, ihr ganzes sociales Leben, ihre ganze n den Hintergrund gedrängt. Die Verehrung dcr Heiligen, besonders ihrer Gräber, bie Wallfahrten zu ihnen, die Anflehung ihrer Fürbitten sind ein eifrig geübter Theil ihres Rcligionscultus. Allein die Nationalheilige», 31s_____ wol wenig niedergeschrieben, gedruckt wol gar nichts! Außer jenen alten Heldenliedern finde ich nirgends niedergeschriebene oder gar gedruckte Gedichte erwähnt, hörte auch nicht, daß Jemand welche besäße. Abowian theilte mir cin Paar aus neuester Zeit mit, wovon das eine, cin Lobgesang auf die Befreiung des Vaterlandes, Arn,eniens, vom mohammedanischen Joche im Jahre 1828, nicht ohne poetischen Schwung war, doch viel zu lang, nm hier mitgetheilt werden zu können, Wenn man aber auch nicht viele niedergeschriebene Gedichte auffinden und sammeln könnte, so findet man doch um so mehr armenische Dichter. Sie bilden eine Art Zunft wie unsere deutschen Meistersänger *). In der Negel sind es fahrende blinde Sänger. drr heilige Gregor, brr heiler Turb, der heilige Mesrop, vie heilige Hripsiua und ihre Gräber, werden weit mehr besucht und angerufen als die Jungfrau Maria. Das möchte dann wol einige, Rückwirlung gehabt haben auf die Stellung des weiblichen Geschlechts und des Familienlebens. Wenn ich oben nachgewiesen, baß die strenge Vehandlung der iungen Frauen beim armenische» Landvolk keine Unterdrückung, sondern eine nn? gemein strenge Erziehung des weiblichen Geschlechts ist und beabsichtigt, so hörte ich doch, daß bei den unter den Mohammedanern zerstreuten Armeniern, besonders in den Städten, eine fast haremartige Abschließung der Weiber emgerissru sei. Dies ist aber überall anders bei den mit Rom unirten Armeniern. Hier ist der Madonnendienst vorherrschend und wie es scheint ist wol hierdurch die Stellung des weiblichen Geschlechts freier und unabhängiger, die Familiensitte milder und humaner geworden. (5rst wenu die übrigen Armenier diese milde Gesittung angenommen, das weibliche Geschlecht seine gleich berechtigte Stellung eingenommen, werden sie als ein echtes Kulturvolk anerkannt werden tonnen nnd ihre welthistorische Mission, Asien die (5»Itur zu bringen, übernehmen und durchführen können. Dringt einst der Mariendienst mit dem Christenthum im Ganzen und Großen in den Orient ein, so wird dort das weidliche Geschlecht cmau-cipirt nnb dann erst kaun sich eine höhere Cultur dort entwickeln. Dau» aber wird auch das Uebcrgewicht Europas aufyöreu! Ohne den Madonnendienst wird jedoch daS Christenthum niemals in den Orient eindringen! Der so äußerst geringe Erfolg der protestantischen Missionen, trotz der überreichen Mittel, erklärt sich vorzugsweise hieraus. *) Der Gesang der armeuischeu Säuger ist allerdings für unser euro^ päisches Ohr uicht wohltonend. Langgezogene Nasaltone lauten monoton genug, dann aber gehe» sie plötzlich zu deu raschesteu Rouladen über und 31 L Meist jeder Blinde fühlt nämlich dort in sich den Veruf, als Dichter, wenigstens als Erzähler, aufzutreten. Ist sein Talent gering, oder sei» Ruf noch nicht begründet, so bleibt er in seinem Dorfe, oder höchstens in der uächstm Umgegend, aber dort geliebt und geehrt von Jedermann, In jedem Gehöft ist ein eigenes Zimmer, oder wenigstens eine eigene Abtheilung im Zimmer mit dem Sitze für den Dorfsänger. Jeder fühlt sich geehrt, wenn derselbe bei ihm einkehrt, und des Abends versammeln sich die Hausbewohner um ihn und er erfreut jedes Herz mit seinen Gesängen, seinen Märchen und Sagen. Hat nun aber ein solcher Sänger wirklich höhere poetische Anlagen, verbreitet sich sein Nuf in wettern Kreisen, dann wird er ein wirklicher fahrender Meistersänge:, er zieht umher nach den Palästen der Vornehmen, an die Höfe der Fürsten und (5hane tief il» Persien oder der Türkei hinein, denn er wird überall mit Freuden aufgenommen. Wenn nun ein solcher Sänger von einem andern berühmten fahrenden Sänger hört, so kann er der ^ust nicht widerstehen, sich mit ihm in einen poetischen Wettkampf einzulassen, er beschickt ihn und läßt ihn auffodern, er ruht nicht, bis er ihn gefunden um mit ihm um den höhern Ruhm zu kämpfen, und wäre es hundert Meilen weit, die er wandern müßte! Treffen sie nun aber zusammen, so ist das ein Fest für das ganze Land. Veide werden von dem Fürsten desselben mit großen (5hren gastfrei empfangen und der Tag des Wettkampfes festgesetzt. A» diesem Tage versammeln sich Tausende von Menschen, oft von weit her. Veide blinde Sänger werden dann hinausgeführt ins freie Feld, unter einzelne Väume, wenn welche vorhanden. Sie setzen sich auf erhabenen Sitzen einander gegenüber, alle Zuhörer in einem dichten Kreise um sie her, und nun beginnt der Kampf. Wechselsweise gibt zuerst der Eine dem Andern Räthsel auf, die der Andere meist augenblicklich unter dem Zujauchzen der Zuhörer löst. Dann setzt der Mne irgend einen Spruch aus der Vibel oder dem Koran in ein künstliches Versmaß um j augenblicklich muß der enden mit einen wilden betäubenden Geschrei in den höchsten Tönen. Sie begleiten sich mit einem Instrumente, welches in der Mitte zwischen de, russischen Valaleita und der Gniiarre steht. 313 Andere die folgende Stelle, oder eine mit jenem Spruche correspon. dirende in demselben Versmaße aus dem Stegreife und ohne Stocken reeitiren. Witzige Fragen verlangen nnd rufen witzige Antworten hervor. Stockt dann aber Einer, oder gibt er eine schwache, nichtssagende Antwort, so wird er i^r <'i<:o!lllnie Schlangen des Verges Ararat besitzen unter sich daS Königs-geschlrcht der Schlangen und »vcrden stets von einer Königin aus diesem Geschlechte beherrscht. Oft kommen große Heere fremder *) Auch bei den germanischen nnd slawischen Völkern findet sich die Sage von der Königin der Schlangen, Vnsching in seinen Wöchentlichen Nachrichten erzählt auch eine von nur an Ort und Stelle gehörte Sage, daß im Spreewalde bei Lubbeuau in der Lausitz früher der Aufenthalt der weißen Schlange, der Königin der Schlangen, gewesen sei, welche eine elfenbeinerne Krone getragen, Orst habe ein Einwohner von Lübbeuau, in einem Gebüsche versteckt, gesehen, wie ein langer Zug von Schlangen, die weiße Königin in der Mitte, herangezogen. Diese habe aus ein ihm gehöriges, dort liegendes rotlies Tuch ihre Krone abgelegt und sei dann 319 Schlangen und wollen das Königthum erobern, aber sie erliegen stets in der Schlacht, so lange die Schlangen des Ararat auf ihren Leibern die Königin tragen, deren Augen die fremden Schlangen bezaubern und erstarren machen, daß sie ohne sich zn wehrm ge-todtet werden. Die Königin aber hat in ihrem Mnnde den wun-derbarcn Stein, den Hul (Lichtstein), In gewissen Nachten wirft sie ihn hoch in die Luft, daS blitzt dann wie dir Sonne. Selig der Mensch, der diesen Stein einst in der Luft auffängt! Die 8age «on den giftigen Kchkmgm am Ararat und u«m dem Blanche, der sie besi'rochen *). Einst waren alle Schlangen am Ararat giftig, gegenwärtig sollen nur die Schlangen diesseits (nördlich) vom Ararat giftig sein, die jenseits (südlich) desselben nicht mehr. Und doch waren sie ehemals dort noch weit giftiger! Ein Fürst (Pascha) wollte dort eine neue Stadt (Pajazid) gründen. Er zog die Weisen zu Rath, wie die Schlangen zu vertilgen seien, Es wird ihm ein griechischer Mönch gerühmt, der sehr erfahren in Zauberkünsten sei. mit ihrem Gefolge auf oiueu benachbarten Hügel gezogen, um sich zu sonnen und zu spiele«. Wählend dein schleicht der Manu heran, nimmt sein Tuch mit der Krone auf und emftirht mit größter Me nach der Stadt, aber bald Hort er das Zischen der ihn verfolgenden Schlangen. Gr errechit das Stadtthor und ist gerettet, weil ein Marienbild mit dcm Jesuskinde in der Nische über dem Thore steht. Der Mann war von da an in allen seinen Unternehmungen glücklich. Nach seinem Tode war oder ging die Schlangrnkrone verloren. Sie war iu fremde Hände gekommen und befand sich zuletzt im Äesitzc eines alteu, reichen, wunderlichen Mannes in Hildeoheim, der aus seinem Vermögen milde Stiftungen gebildet hat. Vei der Versteigerung sciuer Sachen wurde sie von einem Juden getauft, von welchem ich sie erhalten. Sie liegt iu einem kleinen, goldenen, antiken Kästchen, auf welchem gravirt ist: ('oi'l'im «l'i pc'iUi» i,!l,i mit der Zeichnung und Abbildung deö darinliegenden Kronchcus. Vergl. darüber Mythologie von Jacob Orimm; Freidauk, herausgegeben vou Wilhelm Grimm, S. 340. Auch Ptinius kennt die Sage. *) Nicht weit von der uralten Stadt Nachtschiwan, die von Noah erbaut worden, nach dem Ararat hin, liegt ein spitzer Kcgelberg, Ilanli, der Schlangcnberg, Der Reisende Tavcrnicr berichtet, am Fuße desselben sei eine Quelle, die jeden giftigen Schlangenbiß heile. Jede Schlange die diesen heiligen Vodru berührt, stirbt augenblicklich. 320 Der kommt auch wirklich auf Bitten des Fürsten, bespricht die Schlangen nnd segnet das Land. Von Stund an verschwinden die Schlangen und wenn sich später welche zeigten, so waren sie nicht giftig. Als der Mönch wieder zu Hause reist, sagt er beim Ab. schiede dem Fürsten- „Nnr so lange wird der Segensspruch dauern und die giftigen Schlangen vom Lande abhalten, als meine Zähne noch nicht verwest sind." Als der Mönch mm fortgezogen, tömmt über Nacht dem Fürsten ein böser Rath. Er läßt dem Mönche nachsetzen, ihn ergreifen und das Haupt abschlagen. Dieses Haupt läßt er dann mit den Zähnen in Gold fassen, um sie vor der Verwesung zu schützen. Die Stelle in Türkisch.Armenien, wo das Haupt des armen Mönchs gefallen, ist ein Hügel und heißt noch jetzt zum Andeuten an jene Unthat Chatschi-Iaduk (Kreuzes Anhöhe). Ein ZauberlmllMlckchell. Da eben von Zaubereien die Ncde ist, will ich hier eine Zaubergeschichte einschalten, die mir Peter Neu erzählte. Der Chan in Elisabethpol besaß einen überaus kostbaren Nmg, der einen Talisman enthielt. Diesen verliert er aus dem Ringe und vermag ihn trotz der größten Mühe nicht wieder zu finden. Es wird ein Tatarcnweib gerufen, die im Rufe von Zauberkünsten steht. Diese läßt ein unschnldiges Mädchen in die Mitte des Zimmers setzen, eine Schüssel mit Wasser vor dasselbe stellen, verhüllt es und dic Schüssel mit einem großen, weißen Laken und befiehlt ihm, unverwandt in das Wasser der Schüssel zu schauen. Dann setzt sie selbst sich hinter ihm, Nucken an Rücken, nimmt ein mitgebrachtes Buch und liest daraus allerhand Zaubersprüche. Nach einiger Zeit fragt sie das Mädchen: „Was siehst du" — «Ich sehe Reiter, ganz roth, in langen, rothen Gewändern!" „Laß sie vorüberziehen!" Sie murmelt wieder ihre Zaubersprüchr, und nach einiger Zeit fragt sie abermals: „Was siehst du jetzt?" — «Ich sehe Franen zu Pferde in grüner Kleidung!» „Laß sic vorüberziehen!" Abermals Pause, dann dieselbe Frage: «Ich sehr Knaben vorübergehen in blauer Kleidung!" „Laß sie vorübergehen!" Noch ein- 321 mal eifrigcS Murmeln der Zaubersprüche: „Was siehst vu jetzt?" — «Ich sehe Mädchen in weißen, wallenden Gewändern!» „Diese frage, n'o der Verlorne Stein zn finden!" — «Sie sagen mir, im Garten des Chans!» Jetzt geht dir Zauberin in den Garten und theilt denselben in sieben Theile; sie setzt sich nieder und murmelt von neuem Zaubcrsprüche. Nach einiger Zeit steht sie auf und sucht einen Theil aus, theilt diesen wieder in drei Theile und so fort bis nur ein einzelner Vaum übrig bleibt. Auch dieser wird wieder in drei Theile getheilt, ein Zweig bleibt übrig, endlich bleibt in letzter Theilung nur ein Vlatt übrig, unt>>r dem versteckt sich der Talisman des Ringes findet. Die 5age um Kor Pest. Aruthian erzählte nur: Die Pest ist stets eine Strafe Gottes, wenn ein Volk und Land schwer gesündigt haben. Sie kommt alle sieben Jahre und wird voraus verkündigt durch zwei Reiter, Zas-manazog (die Pestvcrkündiger) genannt. Der eine ist roth getlri. det, ganz roth, mit einem rothen Stabc in der Hand, der andere schwarz, ganz schwarz, in einem schwarzen Kleide, mit schwarzem Stäbe. Retten sie in ein Dorf, so zwingen sie den ersten Mann, der ihnen begegnet, mit ihnen zu gehen und ihnen jedes Haus zu benennen. Nur der sieht sie dann körperlich, kein Anderer, für jeden Andern sind sie unsichtbar, Sie treten in die Häuser und bezeichnen mit ihrem Stäbe Menschen und Thiere, sie schreibe» mit demselben eine unbekannte Schrift auf deren Körper. Wenn der Schwarze schreibt, so muß der Veznchntte sterben, wenn der Rothe, fo ist sein Leben gerettet. Meine Großmütter erzählte mir, und die sagte nie eine Lüge, einst sei ein alter Freund der Familie plötzlich in das Haus getreten, ohne Gniß, habe sich in den Winkel gesetzt, traurig, ohne Worte, habe auf keinen M'»ß und keine Frage geantwortet. Man habe (ssftn v^r ihn hingestellt, das sei verschwunden, ohne daß man gesehen, daß er etwas gegessen. Plötzlich sei er wieder ausgestanden und schweigend fortgegangen. Nach einiger Zeit als, er einmal wiedergekommen, habe man ihn gefragt, was damals sein sonderbares Vctragen verursacht habe. Da habe er gesagt- „Ihr seid einer großen Gefahr entgangen, da- 2l 322 malö ward ich gezwungen, mit den Zasmanazogs bei euch einzutreten. Als diese aber die frommen Sitten des Haufes und eure große Gastfreiheit sahen, sagten sie, solch gastfreiem Hause soll nicht das mindeste Uebel geschehen, und keiner von Veide» bezeichnete mit seinem Stäbe irgend ein lebendiges Geschöpf in eurem Hanse, und zum Zeichen der Freundschaft aßen sie von eurer Speise uno zogen still und ohne Kränkung aus dem Dorfe"*), Die 8age non dm Mehrnwlsen. (5s gibt Weiber, die in Folge schwerer Sünde von Gott gestraft sind, das; sie sieben Jahre lang in Wölfe verwandelt werden. (5s tritt vann in einer Nacht ein Geist zu einem solchen Weibe mit einem Wolfsfelle und befiehlt ihm, es anzuziehen. Sowie es dies gethan, entstehen in ihm entsetzliche Wolfsgelnste. Anfangs kämpft die menschliche Natur mit diesen, aber bald gewinne» jene die Oberhand, und nun frißt daö Weib zuerst die eigenen Kinder anf, dann die Kinder der Verwandten nach der Nähe des Grades, zuletzt fremde Kinder, Jede Thür, jedes Schloß springt von selbst auf, *) Die Rujscu, Polen, Cerbcu lalso wol überhaupt die Slawen) stellen sich die Pest unter der Gestalt einer Jungfrau vor, die in Serbien Kng genannt wird. Daß mcm auch die Cholera sich a!s personificirt denkt, habe ich in meinen Studien über Nußland, Vd, U, S. ^!2, angeführt, ,,WaS ist denn die Cholera eigentlich? Hast du sie gesehen?" fragte ein Klcintusse seinen Landsmann, der unlängst vom Don zurückgekehrt war. — »Freilich«, antwortete Jener. — ,,Wic sieht sie denn aus?" — «Es ist ein Weib in rothen Stiefeln, das anf dem Wasser geht und beständig seufzt!» Die altpolnische Tage läßt die Pestjungfrau aus einem zweirad-nge« Wagen fahren, Konnnt sie in ein Dorf, so streck» sie die Hand mit einem rothen Tuche in die eben offenen ssenstrr oder Thüren, nnd in dcm Hause sterbe» dann die Einwohner. Nähert sich also die Pest einer Gegend, so schließt sich Jeder fest ein, allein der Mangel an Lcbeuomitteln zwingt doch die Leute wiebcr, die Thüren zuweilen ^l öffnen. Vinst be» schloß ein Edelmann in einem Dorfe, der hinreichende LebcnSmittel im Hause hatte, sich dennoch für Alle zn opfern: er öffnete das Fenster, und alS die Pesijnngfrau die Hand mil dem rothen Tuche hineinstreckt, haut er sie ihr mit einen, Säbel, auf dem die Namen Iesin' Maria eiugeaht waren, ab, uud die Pest wav aue> de> Umgegend verschwunden. Ausland, 18:w, Nr. 163, 3Z3 wenn das Ungeheuer kommt, Es wüthet nur des Nachts; sowie der Morgen nahet, wird es wieder zum Weibe, wirft das Fell ab und versteckt dies sorgfältig. Ginst sah ein Mann einen Wolf, drr ein Kind ergriffen, fortspringen. Er verfolgt ihn eilig, kann ihn aber nicht erreichen, Endlich gegen Morgen findet er auf einer Stelle die Hände und Füße eines Kindes und die Vlutspuren, er entdeckt eine nabe Höhle und findet in derselben ein Wolfssell. Er nimmt es, macht rasch ein Feuer an und wirft es hinein, da er^ scheint plötzlich ein Weib und jammert und heult ganz entsetzlich lind springt um das Feuer, und will das schon brennende Fell herausziehen, Aber der Mann verhindert es; laum ist aber das Fell verbrannt, so ist auch das Weib im Nauchc verschwunden. Die ^Ujje «om Ilm'cslsilliermeel. Tief im anatolischcn Gebirge in einem Felsenkessel liegt das Quecksilbcrmeer. Es ist von unermeßlichem Werthe, aber Niemand kann ohne Lebensgefahr daraus schöpfen, denn sowie sich ein Mensch nähert, hebt es sich in einer ungeheuern Woge, zieht wie ein Magnet ihn an und verschlingt ihn. Aber ein der Magie kundiger Armenier hat dennoch einst eine große Quantität des kost-baren Metalls erbeutet. Er wälzte einen mächtigen Block Vlei vor sich her nach dem Quecksilbermcere zu: das beruhigt das Quecksilber und nimmt ihm seine Anziehungskraft. Dann machte er eine tiefe Grube und belegte sie im Grunde mit zusammengenäheten Huudebälgen, dann zog er von der Grube eine Rinne bis an den Block Blei und bohrte unter demselben her eine Röhre bis ans Quecksilber, welches dadurch abgezapft wurde, bis es iu die Hundebälge floß, denn nur in diesen fann es aufgefangen und erhalten werden. Die 8age non der /undgrulie der Edelsteine. Alle wahren und echten Edelsteine, die herrlichsten, von unschätzbarem Werthe, liegen zusammen in Hindostan, in einem tiefen völlig von Felsen eingeschlossenen Thale, ganz frei auf der Oberfläche der Erde. Wenn die Sonne hineinscheint, so glitzert es wie ein farbiges Feuermeer. Die Menschen sehen es von fernen Hügeln, 21' 324 allein Niemand kann hineinkommen, theils weil kein Eingang ino Thal führt, man sich also nur etwa an den Felsen herablassen könnte, theils weil da nnten eine Glnt, eine Hitze ist, daß Niemand auch nur eine Minnte ausdauern kann, Die Kaufleute aus fernen Gegenden kommen nun hin, nehmen einen Ochsen, zerhaue» ihn und schleudern die Stücke a» langen Stangen in das Thal der Edelsteine hinab, Dann schweben große Raubvögel herbei, stoßen herab und bringen die Stücken Fleisch heraus. Nun geben die Kanslrute Acht, wohin jene fliegen und sich niedersetzen, um den Raub zu verzehren, und finden dort oft die herrlichsten Steine, Die 8age nom Merthe des Tempels Oalomo's. Als Salomo's Tempel vollendet war, kamen die Werkmeister und Künstler aus aller Welt Gnden und wollten seinen Werth ergründen und schätzen. Aber Salomo trat unter sie und sagte: „Kein Sterblicher vermag den Werth des Tempels des Aller, höchsten zu ergründen und zu schätzen, nur die Regentropfen im Monat Mal wissen allein seinen Werth!" Er wußte aber gar wohl, »ras er sagte! Im Mai steigt nämlich die Muschel aus der Tiefe des Meeres an die Oberfläche hcranf und öffnet sich sehn. süchtig dem Himmel entgegen, und wo ein Regentropfen hinein, fällt, da wird eine Perle erzeugt und geboren!') Um die Perle zu gewinnen läßt sich der Taucher hinab in die Tiefe, den Kopf in die Haut gehüllt, welche das Kind im Mutter leibe umgeben hat. Er hat eine Flasche mit Oel bei sich; hat er nun die Schürze voll Muscheln, so läßt er die Oelftafche empor, steigen, dadnrch das Zeichen gebend, ihn rasch rmporzuziehen. Die 5age uom Ringe 8alomo'5. Salomo hatte ein Weib, was er unendlich liebte. Dieses fühlt, daß des Nachts oft ein geistiges Wesen sich ihm nahet und eö ") Os herrscht noch jetzt bei den Perlenfischer» des Rothni und Persischen Meeres allgemein der Glaube, daß die Perlenmuscheln durch einen feinen, im Frühjahre fallenden Regen befruchtet werden. :jA5 glühend umarmt, ohne daß es dasselbe zu srhett vermag. Die Frau klagt dies dem Salomo, der heißt ihr, sie möge durch Schmeicheleien zu erfahren suchen, wer der Geist und wo er sei. Das gelingt ihr, und der Geist bekennt ihr, er sei der oberste der Teufel und wohne in einem kleinen Steine, der in einem Schutthaufen zwischen ihrem Haust und dem Gebirge läge. Gleich am Morgen läßt sie den Schutthaufen durchwühlen, durchsieben, und findet glücklich den Stein, den sie dem Salomo bringt. Salomo läßt den Stein in einen Ring fassen und wird, indem er ihn an den Zeigefinger steckt, dadurch Gebieter und Meister aller Geschöpfe. Nun läßt er alle vor sich kommen und an sich vorüberziehen, Er entläßt sie alle, bis die Teufel (Dowler) kommen, die sperrt er in zwei eiserue Tonnen ein, versiegelt dieselben und versenkt sie ins Meer, Aber einst haben Schiffer ihre Netze herabgelassen, und als sie dieselben wieder herausziehen, können sie dieselben nur mit Mühe heraufbrin^ gen, sie haben eine eiserne Tonne darin! Voll, Freude, in der Hoffnung, einen Schatz gehoben zu habe«, losen sie das Siegel und schlagen die Tonne auf. Da steigt ein dichter Nauch empor und die Tonne ist leer, ES war aber die Tonne, in welcher die Ten-feliunen eingesperrt waren. Seitdem werden die Männer durch böse Träume geplagt und geschwächt *) durch Einwirkung der Teufelinnen, die Weiber aber nicht, w^il die Teusel noch nicht aus ihrer Tonne befreit sind, Die Teufel (Dowler) sind keine eigentlichen Geister nur mit gei stigen Eigenschaften und Neigungen, sondern es sind physische Wesen mit ätherischen Körpern, die mit den Menschen gleiche Eigenschaften und Leidenschaften haben; sie bewohnten die Erde uor den Men schen und bewohnen sie auch noch, sind aber in die hohen Gebirge verbannt. Gänzlich von ihnen verschieden ist der Satan und seine Engel, die von Gott in die Hölle verstoßene» wirtlichen körperlosen Geister! ") Vi,i pn1!l!tianil!U5 ck'Iilülniittll-, »niliercl, »I» lioc mnln nnn t>x«'r-<-ell-, S. ;ur Vcl'gU'ichmiq m den Vvlks- >md hauc>marchen vo» Grimm: ' Das Märchen »vm M'isle im Glast. 336 Das Mirchrn «mi dem Ancchl. tn>r .1l»n>iu llilii üeiil Karlen ^aluxw'6 «lid ihlüli ^>'s>eilmlissen. *) Ein Perserkönig hatte eine Tochter, die, von allen Seiten zur Ehe begehrt, nur den heirathen zu ivollen erklärte, der das von ihr aufzugebende Räthsel zu lösen verstände. Wer dann binnen drei Tagen die Lösung nicht fand. verlor sein Leben. Es hatten nnn schon so Viele ihr Leben eingebüßt, dasi sie einen Schädelthurm (Kelle-Minar) von den Köpfen ihrer getö'dtetrn Bewerber und daneben einen Mastbaum ausgerichtet hatte. Da kam ein armer Jüngling und bewarb sich um sie. Er klimmte den Mastl'amn hinauf, den jeder Bewerber besteigen mußte, damit die Prinzessin ihn von ihrem Schädelthurme aus sehen konnte. Sie befiehlt ihm hereinzutrrten und legt ihm ibr Räthsel vor. Es hieß! 8<.'i»ol)» (^Iv., lii'il ^eim^Li-« neinl^i? d. i.! Was hat die Senoba dem Gül gethan und was hat Gül der Senoba (Zenobia) gethan? Der Jüngling gel/t zu einer alten Fran, die seine Freundin war und fragt sie um Rath. Die sagt ihm - „Dn bist verloren, wenn du nicht zu den Diws ins Gebirge gehst, dasi sie dir die Lösung des Räthsels gewähren." Er macht sich anf und trifft zuerst den ältesten Bruder der Diws. Als der auf ihn zustürzt um ihn zu verschlingen, wirft er ihm eine Kugel Mastir in den Hals, was die Diws über Alles lieben. Der schenkt ihm deshalb das ^eben. vermag aber daö Räthsel nicht zu lösen. Mit dem zweiten Bruder ist derselbe Vorgang, als er aber dann auch die Schwester der Diws durch Mastir gewonnen, sagt diese ihm' „Geh eine sichere Straße, von welcher rechts ein Weg abführt, oann kommst du in den Garten Talomo's, wo du die Lösung des Räthsels finden wirst." Er findet oen Weg unv den Garten Salomo's und versteckt sich im Palaste. Dort sieht er einen Menschen, schön und glänzend wie der Vollmond, in d>>n Saal gehen, ein Hündchen neben sich-, er siel't ihn vor einen Bog.ldauer treten, in welchem *) Dies Märchen, ^'n Peter Neu erzählt, ist dem v.'etischei, Ilchaltt nach uiü'ernltt'id, ich »heile es alier mit, der Analogie einzelner Züge mit dene» miden'l' Volker, und weil es einige mythologische Bezichmn^n ;n haben schrint. 66 soll übrigen«? ursprünglich ein pmischcc Marchcu stni. 327 nn wunderschönes Weib gefangen saß. Er steht ihn essen, die Hälfte dem Hunde geben, und, was der übrig läßt, dem Weibe. Da tritt er aus seinem Versteck in den Saal, Jener bittet ihn zu Gaste, (5r will es nicht annehmen! ,,Wie tann ich dein Gast lein, da ich sehe, wie du nn Thier und ein Weib so unnatürlich behandelst!" Jener: „Wenn ich dir die Ursache sagen soll, so mußt du sterben, wie Alle vor dir, denn nie soll das Geheimniß bekannt werden. Ich bin der Knecht Salomo'o unn heiße Gül, und jenes Weib ist die Magd Salomo's und heißt Tenoba. Ich besitze zwei Wunderrosse, das Pferd des Windes und das Wolkenpferd, so mir Salomo hinterlassen," Da nun der Jüngling jene Namen hört, steht er, daß er uor der Lösung des Räthsels steht, er denkt bei sich,- Dult soll ich sterben, wenn ich das Räthsel nicht löse, hier sott ich sterben, wenn mir vas Räthsel gelöst wird! Ich will das Letzte wählen, vielleicht kommt Rettung! So fodert er denn den Gül auf, das Räthsel zu lösen. Der beginnt! „Diese Frau, die du hier im Käfig stehst, liebte ich unsäglich und ste mich. Auf einmal wird ste kalt gegen mich, ich werde mistramsch, lege mich scheinbar schlafen. Mit halb geschlossenen Augen sehe ich nun meine Frau leise und vorsichtig aufstehen, sich ankleiden und in den Stall gehen. Ich schleiche ihr nach, sie sattelt das Windroß, schwingt sich hinauf und jagt fort. Da nahm ich das Woltenroß und jagte ihr nach, W ist nicht schnell, aber es folgt stets der Spur des Windrosses, Wir k.nnen an ein Felsgebirgr, dessen Thor eine Höhle war, von wo auö der Weg in herrliche Zimmer führte"), Ich versteckte mich hinter cim-n mächtig großen Weinkrug und sehe nnn, wie eine ssran 25 häßlicken Ungeheuren auf das demüthigste und sorgsamste aufwarlet, Der Anführer, ein Kerl häßlicher als Alle, behandelte ste strenge. Sie mußte vor ihnen tanzen; wenn sie das geringste uersah, schlug er sie, nichts desto weniger liebkoste ") Vine merfirüldige Eiwahmma dcr sogenannten Felsenstadte und der in Felsen ciugehauenen PalDe, umi denen ich eine, Uvlasziche, wie weiter unten ;>i scheu, besucht habe. Die Geschichle kennt sie nicht. Die Sagrn d^rül'er smr> sehr düvftist. und hie,' eine sirwähnn»^ i» einen, Märchen all' Aufenthalt drr Ungeheuer >md Zaubern! 328 sic ihn auf rao zärtlichste, In rascndein Ingrimm wars ick ein schlaferndes Gift in die Weinkrüge. Alle schliefen schnell ein, nur der Anführer nicht, denn er war ein mächtiger Zanberer. Äl'eine Frau fnhr fort, vor ihm zn tanzen, sie glitschte ans, da schlug er sie, aber dennoch küßte sie ihn. Nun stürzte ich mich anf ihn, allein er war zn stark, und ich wäre unterlegen, hätte mein Hund ihn nicht »on hinten gepackt, so daß ich Zeit gewann, ihm den Dolch in die Seite zu stoßen, 'Aber von seiner Zauberei unter-stützt entkam er mir dennoch durch einen dunkeln Gang. Die Uebrigen blieben todt. Er lebt noch gegenwärtig und hat ourch seine Zauberkünste eine Königstochter in sich verliebt gemacht, mit der er bereits zwri Kinder gezeugt, (5r wohnt mit den Kindern in einem Keller unter dem Gemache der Königstochter, aus welchen» eine Fallthür zu ihm herabführt. Das ist der Grund, warum sie Niemanden heirathen will und jedem Freier Räthsel aufgibt, die sie nicht zn lösen vermöge»!.. Ich aber nahm damals meine Frau zu Hause und behandelte sie so, wie du siehst, und wol mit Recht! Das ist die Auflösung des Räthsels, nun bereite dich zum Tode!" Der Jüngling bat ihn, ihm nur die Zeit zu einem Gebete zu lassen, er benutzte diese aber, um sich in einen hohlen Vaum zu verstecken. Nun schwingt sich Gül auf das Windpferd, ihn zu uer folgen, findet ihn aber nicht, kehrt zurück und verfolgt ihn nun von neuem auf dem Wolkcnpfcrde. Allein auch alls diesem kehrt er bald zurück, ohne den Jüngling angetroffen zu haben. Dieser schleicht nun aus dem Garten und entkommt glücklich, so dasi er noch zur rechten Zeit vor Ablauf des dritten Tages vor der Königs, tochter zu erscheinen vermag. Jetzt sagt er ihr, sie möge nicht ver langen und darauf bestehen, dasi er das Räthsel löse, vas würde den König, ihren Vater, tief beleidigen. Aber sie sprach: ,, Löse das Räthsel oder stirb!" Er bat nochmals, aber sie zog das Schwert, doch der König hielt sie zurück, und befahl ihm mm selbst, das Räthsel zn lösen. Da bittet er zunächst dir Königstochter zn ent fernen, dann deckt cr die Fallthür und geheime Treppe auf, und bittet den König mit vieler Mannschaft hinabzusteigen und das Ungeheuer im Keller zu fangen. Dennoch entkam der Zauberer, aber die beiden Kinder brachte man heraus, die so häsilich und 329 ungeheuer waren, d^ß der König sich vor ihnen entsetzte. Nun ward die Königstochter herbeigeführt, und als sie sah, daß Alles entdeckt war und das Räthsel gelöst, bat sie um ihr Leben und wollte gleich in die Heirath willigen, aber der König ließ sie und die Kinder todten und nahm den Jüngling zum Sohn an. Die 8age uon.Mäander'» Heliurt*). Alerander d. Gr. war nicht der Sohn deS Königs Philipp, sondern eines mächtigen Zauberers, Dieser verliebte sich in dir Frau des Philipp, konnte sie aber nicht zu seinem Willen bewegen. Sie sehnte sich nach ihrem Manne, der im Felde lag. Der Zauberer versprach ihr, Philipp solle zurückkommen, durch Hülfe der Zauberei, allein er könne nur in (Gestalt einer Schlange zu ihr kommen. Er nahm nun selbst dir Gestalt einer Schlange an und kam in der Nacht zu ihr, in derselben Nacht gab er dem Philipp einen Traum ein, als ob er wirklich in eine Schlange verwandelt bei seiner Frau gewesen. Als nun später Philipp nach Hause kam und seine Frau schwanger fand, wollte er sie todten lassen, sie aber behauptete, er sei in einer Nacht als eine Schlange ver^ wandelt bei ihr gewesen. Da gedachte e^r seines hiermit überein, stimmenden Traums und ließ sie leben. Von da an halte er einen unaussprechlichen Abscheu vor allen Schlangen. Alerander d, Gr. kam auf seinen Zügen einst in den Ararat und hörte von einem Einsiedler, der große Wunder verrichte und die Zukunft kenne-, er geht zu ihm und fragt ihn: „Vist du der weise Mann, von dem Alle reden?" — «Nur Oott ist weise!« — „Ich hörte von dir viel Wunderbares erzählen, sag mir, welchen Todes wirst du sterben?" — «Durch die Hand meines Sohnes!» — Alexander riefi „Du lügst!" und durchstach ihn, da sprach der Einsiedler: «Du bist wirklich mein Sohn», erzählte ihm das Ge. heimniß seiner Geburt und starb, ") Jedenfalls «ine höchst merkwürdige Sage! Auch die altgriechische Sage machte den Alerander zn einem Sohne des ZenS. Wie kommt diese Sage nach Armenien? l)r. Zacher Hal alle Alcrandersagen gesammelt und zusammengestellt. Sein wahvscheiülich sehr interessantes Buch wird hoffentlich lialo erscheinen. X 330 Die 8age lion der 5chatzhöhle 6ei Eriman. Als ich von Eriwan abreiste, begleitete mich Abowian bis zur ersten Station Abranku-Pos, wörtlich Schatz grübe, dort, sagte er mir, sei die Sage, daß in dem nahen Verge eine geheime Höhle eristire, deren Eingang aber Niemand wisse; er sei nur gewisse Stunden im Jahre sichtbar. Einst kommt ein Vauer auf einem Esel reitend an dem Verge vorüber, da sieht er eine Thür, die zu einer Hohle im Verge führt, Or tritt ein und findet unermeßliche Schätze an Gold und Edelsteinen, füllt damit seinen Sack, den er dem Esel aufladet. Da sieht er, daß er seinen Dornenstock in der Höhle zurückgelassen, und geht wieder hinein, um ihn zu holen. Allein die Stunde, wo die Thür sichtbar uud geöffnet ist, war vorüber, die Höhle schloß sich und man hat ihn nie wieder ge-sehen. Der Esel aber kam mit der Veladmig zu Hanse, und die Familie ward sehr reich *>, *) Zur Vergleichnng führe ich aus Ritter's Erdkunde, Thl. X, S. 3! 9, Folgendes im Ausluge an: Wo die Keilmscriptionen in den Felswänden sind, glaubt dacl jetzige Vo^f, seien Schätze begraben, und Me Inschriften seien Talismane, sic zn schützen, Bei der Stadt Van, also in Armenien, südlich vom 'Ararat, liegt ein großes Felsenschloß, Van?Kalesi, oder vom Volke Ghniab genannt. Go ist ein wahrer Wnndcrbau. »och ietzt so fest. baß er als letztes und sicherste Nefmu'um für den türkischen Pascha gilt. Gin großer Theil ist in den Felsen selbst aiisgchanc,,. Gs eristircn viele Sagen darüber. (5>ne Grotte daselbst ist wahrscheinlich ein besonderes Hl-iligthnm der Assyrer gewesen, jetzt ist von den Armeniern ein plllmpes Kren; darüber aiielgehaum. Hier finden sich die herrlichsten Keilinftriptionen, Sie ist noch gegenwärtig selbst für Muselmänner, besonders deren Weiber, ein vielbesuchter Wallfahrwon (Iiaret). Gin Vanm heißt das Schatzhaus (Khazne). »nter dessen Thor soll ein großer Schatz liegen, zwei Männer mit Flainmrnschwertern bewachen ihn, eine Schlange lagert sich jcdr Nacht vor dem Talisman (der Krilinseriptu'»), des Morgens ver^ schwindet sie durch ein Loch rechts. Vine halbe Meile von diesem Schlosse liegt ans einem Hügel ein Fels mit assyrischen Inschriften bedeckt; hier soll der Vmgang zu der unterirdischen Stadt der Diws sein, Gs gibt zwei Mittrl, Eintritt zn erlangen: entweder daß man den Talisman entziffert, oder am siebenten Tac,e nach Ostern, oder am Iohannisfeste, denn da öffnet sich einmal das Thor von selbst. Geschieht dies nun am Morgen, wo ein ver;auberiu?e, seilst vn'irN sich der ^iutrclende gleich, 4!or lnrzeui war ein Einwohner a»!? ^!an eingedrungen, er ist ader nie heimgefehrt, Das Thor führt den Namen Mchathor (vielleicht Mitrathor. d. i, Sonneuthor,. Die aM; ähülichrn dcutschm Vottos^cu v»,, den verzauberten Schätzen nnd den VepiugmnM ibr« Nuffmbuna mögr mau in Grimms Deutschen Volkssaaen n. s, w, nachsehen und vergleichen. Desgleichen in deren Haus-märchcn: Das Mälchen vom Verge Semsi. Anch in Tausend m,d <5iuer Nacht findet man eine ähnliche (5',-zHhlnm,, ') (5in Oalwar ist gleich l«><» Patman. ein ^atni.n, wiegt l^'Pfuud; lM» Galwar sind also !^<»,w!» 3lmlige, dlN' im Mer glücklich Mlllde. Es hei-rschte einst ein gütiger, wohlwollender König. Zu dem tritt eines Tags ein Genius heran: „Ich bin von Gott gesandt, dich zu fragen, ob du glücklich sein willst in deiner Jugend oder in deinem Alter.' du sollst die Wahl haben!" Der König wählt das Letztere. Nun stürmt das Unglück auf ihn ein: er verliert sein gleich, lebt als armer Vilrger, da ranbt ihm ein reicher Kaufmann sein Weib, und als er diesem mit seinen beiden Cöhuen nachfetze» will, kommt er an einen Fluh. Er will den einen Sohn durch-tragen, da ergreift ein Wolf den andern am Ufer zurückgebliebenen, und als er dem zu Hülfe eilt, reißt der Strom den erstrrn fort, Veide Söhne finden, wie er glaubt, ihren Tod. Als er nun arm, verlassen, ohne Weib und Kinder in fremden Landen Jahre lang umhergeirrt, kommt er in ein Land, wo eben der König ohne Erben gestorben ist. Die Priester und das Volk haben bestimmt, der solle König werden, auf welchen sich ein weißer Adler nieder-lassen würde, Alls einem großen Felde ist alles Volk versammelt, da senkt sich der Adler drei mal auf einen fremden Vettler herab, eö ist jener entthronte König! Nun nahet sich ihm alles Glück! er wild der machtigste König, Ein reicher Kaufmann tritt vor ihn und fodert ihn auf, sein Weib, welches in einen Kasten gesperrt sei, streng bewachen zu lassen, Zwei Trabanten erhalten hierzu Befehl. In der Nacht, als sie ans der Wacht stehen, erzählen sie sich ihre Schicksale, da findet sich, daß sie Vrüder sind. Indessen pocht das Weib an die Thür des Kastens und ruft ihnen zu, sie möchten aufmachen, sie habe ihr Gespräch gehört und daraus erkannt, daß sic ihre Söhne seien! Sie befreien die Mutter und 335 erzählen sich alle ihre Schlcksale, dann schlafen sie zusammen ein, So findet sie am Morgen der Kaufmann, läuft zum Könige und schreit um Rache. Aber bald klärt sich Alles auf, der König findet in ihnen Frau und Kinder wieder und der Kaufmann wird enthauptet. Die Legünl),.' oder der frommr Hümbo iMl dil' 5eek des Mensche». Nach dem Tode soll die Seele des Menschen noch »leben Tage über dem Körper und dem Grabe schweben *). Die Seele des Gerechte» segnet dann den Körper, daß er sie während des Erden^ lebens gerecht erhalten, vor Sünden bewahrt, für sie und ihre Reinheit durch Arbeiten und Fasten mit gesorgt und geduldet habe, in den rührendsten 'Ausdrücken **). Die Seele des Schlechten aber verflucht ihn alsdann auf das Allerentsetzlichste, weil er au ihrer Verdammung schuld sei. Die Seeleu der Gerechten kommen oft als schöue Vögel herab aus den lichten Höhen und schauen von einem Vaume aus auf ihre Lieben und Nachgelassenen. Darum todten die Armenier keine Waldvögelchen und zeigen den Kindern oft die Vögelchen auf den Zweigen- „das ist euer Väterchen, euer Brüderchen, euer Schwesterchen, seid artig, sonst stiegt es fort und sieht euch nicht mehr mit feinen süßen Aeugelchen an!" Man behauptet, bei den Armeniern seien in den Sitten und manchen Religiousgebräucheu noch Spuren des Heidenthmns bemerkbar. Daß man heidnische Gebräuche durch eine christliche Weibe *) Auch bei dm Russen, besonders bei den russischen Sekten, findet man den Glauben, daß die Seele nach dem Tobe noch in der Nähe des Kor-pcrs bleibe, bis sie von allen Sünden befreit von ihrem Schutzengel aus dem Grabe ins Paradies geführt wird, Also cine Art Pin^att'rium! Icn-seitS sollen die Seele» denselben Vergnügungen und Beschäftigungen nach-hängen, die sie diesseits geliebt, daher die Sitte bci ft vielen Völkern, den Todten das Liebste, was sie hatten, ihre Waffen, Pferde (selbst Weiber und Sklaven) mit ins Grab zu geben, **) Dieser fmgirte Segen findet sich in einem ünuenischen Nndachtö-buche abgedruckt. 330 in christliche verwandelt, oder wenigstens ihnen rcn etwa abgöttisch heidnischen Charakter benommen hat, daß man heidnischen Festen christliche suppouirt hat, kommt auch in europäischen Ländern, namentlich Deutschland, vor. Der deutsche Michel ist in den Erz^ engel Michael, der starke Hans in den Johannes umgewandelt. Das Fest der Göttin Ostar verwandelte sich nüt Namensbeibehaltung in die christlichen Ostern, das Iulfest mit seinem Feuer alls den Vcrgrn in das Iohannisfest mit den Iohanniöfcuern. So sollen denn auch noch Neste des alten Mitra^ oder Sonnendienftes bei den Armeniern sich finden. Die Sonne genießt einer besondern Verehrung, sie gilt als Symbol der göttlichen Gnade. DeS Ster^ benden Antlitz wird der Sonne zugewendet. Nur bei Sonnenschein wird begraben, das Haupt im Sarge muß nach Osten liegen. Die Neuvermählten wenden sich bei Besteigung des Ehebettes zur Soiu nenscite. Das christliche Fest Lichtmesse soll in die Stelle der Festes des Mihr, des Urfeuers, getreten sein, das Fest der Verklärung Christi, welches drei Tage dauert, in die Stelle des Festes Ward: hawar (Nosenschmuck) der Frühlingsgöttin Anahid, der Göttin der Stärke und Weisheit. Ersle chim'sische Jawbel uom 8oyen l^ Hastsroiheil.") Auf einer feiner vielen Wanderungen kam Fohi in ein Dorf, er klopft an die Thür einer reichen Frau und bittet um Aufnahme. „Wie sollt ich dazu kommen, jeden Vaudstrcichrr aufzunehmen, das schickt sich für ehrbare Frauen nicht, geh weiter!" Nun klopft er an der Hütte einer Armen, die bittet ihn sogleich freundlich, einzutreten, holt das Einzige, was sie hat, ein bischen Ziegenmilch herbei, brockt ein bischen Vrot hinein und spricht! ,,Fohi möge es uns segneu, daß wir Neide davon satt werden!" Dann be^ *) Als ich auf der Rückreise von Eriwan nach Tiflis mit meinem guten Peter Neu in Tanintas zurückfuhr, erzählte mir meine tressliche Scheherazade wieder die allerschönften Geschichten m,d Märchen, bis ich eingeschlafen. Zwei derselben habe ich anf dcm Postwechsel gleich nieder-aeschrn'ben und gebe sie hier als Anhang der armenischen Sagen und Märchen. Gs sind eigentlich chinesische Märchen, die Peter in Persien gehört hatte. 337 reitet sil> dem Freindlinge ei» Lager von Stroh, und als er ein-geschlafen und sie gesehen, daß er kein Hemd anhabe, setzt sie sich noch dle Nacht durch hin und nähet ihm von ihrer sauer erarbeiteten Leinwand ein Hemd, was sie am Morgen mit der demüthigen Vitte bringt, die arme, schlechte Gabe nicht zu verschmähen. Nach dem Frühstück begleitet sie ihn noch eine Strecke, und als sie von einander Abschied nehmen, sagt ihr Fohi: „Möge die erste Arbeit, die du beginnst, bis zum Abend dauern!" AIs sie zu Hause kommt, will sie zusehen, wie viel Leinwand, nach dem Verschneiden jenes Hemdes, sie noch übrig hat. Sie fängt an zu messen, und mißt und mißt, die Leinwand hört nicht alls! Vis zum Abend ist Haus und Hof voll Leinwand, sie weiß ihres Reichthums keinen Rath' Die reiche Nachbarin sieht es und ärgert sich über das Glück, denkt aber, das soU mir nicht znm zweiten male pasfiren! Nnd siehe, nach einigen Monaten sieht sie wirklich jenen Wanderer wieder in das Dorf eintreten, Oleich geht sie ihm entgegen und nöthigt ihn auf das Dringendste bei ihr einzukehren. Sie trattirt ihn anf das Veste, um Morgen bringt sie ihm ein feines Hemd, das sie lange vorher hat machen lassen. Sie hatte aber die ganze Nacht durch ein Licht in ihrer Kammer brennen lassen, damit der Fremde, wenn er etwa aufwache, glauben sollte, sie arbeite fleißig an dem Hemde Am Morgen nach dem Frühstück begleitet sie ihn ebenfalls aus dem Dorfe und beim Abschiede sagt er auch ihr- ..Mö'gr die erste Arbeit, die du beginnst, biö zum Abend dauern!" Sie geht zu Hause, stets an die Leinwand und deren wunderbare Vermehrung denkend. Da Hort sie ihre Kühe blöken: „Nun, ehe ich ans Lein^ wandmcsseu gehe, will ich doch geschwind erst dem Viehe Nasser bringen." Aber als sie den Eimer in der Trog gießt, wird er nicht leer, er stießt und fließt und der Nasse» ström wird immer stärker, bald steht Haus und Hof unter Wasser, die Nachbarn beklagen sich, Alles verdirbt, das Vieh ertrinkt, kaum rettet sir ihr Leben, da erst mit Sonnenuntergang das Ausströmen des Eimers aushört. Zweite chm'slM Mrnl»el twm 5,'lj«',! s,!', ^ajMnhl'll. Ein anderes mal kam Fohi wieder onrcli ein Dorf, abermals m der Gestalt eines dürftige» Wanderers Ein reicher (hlahkopf 22 338 schaut zum Fenster hinaus und hetzt auf seine Ansprache um eine Mahlzeit ihn gleich mit Hunden fort. Gegenüber steht die Hütte eines armen Ehepaars, Fohi tritt hinein und wird auf das Freund lichste aufgenommen. Sie sind blutarm, aber sie laufen gleich überall mnyer und betteln etwas zum Essen für ihren Gast zu sainmen. Nach der Mahlzeit setzt er seinen Stab weiter, das Ehepaar begleitet ihn bis vor das Dorf, Beim Abschicdnehmen gibt sich Fohi zu erkennen und gibt ihnen drei Wünsche frei. Zum Er. sten wünschen sie sich die ewige Seligkeit, zum Zweiten, das, sie nicht mehr zu betteln brauchten, wenn Gäste bei ihnen einkehrten, zum Dritten wissen sie sich auf nichts mehr zu besinnen, was ihnen nöthig erschiene. Da sagt Fohi zu ihnen, es wäre doch wol nicht übel, wenn sie statt ihrer baufälligen Hütte ein ordentliches Haus hätten, „Ach ja, wie du meinst, Herr, du weißt besser wie wir selbst, was uns frommt!" AIs sie zu Hause gehen, suchen sie vergebens ihre Hütte, ein schöner Palast steht an deren Stelle. Sie wagen kaum hincinzutretcn und finden darin alle Kisten und Kasten voll, Reichthum in allen Ecken! Der reiche Glatzkopf hat indessen ein Mittagsschläfchen gemacht; wie er aufsteht und sich zum Fenster wendet, erblickt er den Palast, er reibt sich die Augen ein mal, zwei mal, der Palast bleibt, er ruft seine Frau: „Mir träumt, gib mir eine Ohrfeige, damit ich aufwache!" Es hilft nichts, der Palast bleibt! Er stürzt auf die Straße, sein Haus dünkt ihm nur eine Bauerhütte gegen den Palast da drüben! Er geht hinein und findet seine alten Nachbarn von Reichthum umgeben, die ihm die Wundergeschichte erzählen, Er hört sie kaum aus, stürzt zu Hause in den Stall, sattelt sich das schnellste Pferd, schwingt sich auf und jagt die Straße hinab, um wo möglich den von ihm geschmähten und vertriebenen Wanderer wieder aufzufinden und einzuholen. Es gelingt ihm, er demüthigt sich vor ihm, er bittet ihn tausend mal um Verzeihung, bittet ihn umzukehren, bei ihm zu wohnen. Der Wandere,- will nicht umkehren, aber er verzeiht ihm Alles. Da fleht der Glatzkopf, ihm doch auch drei Wünsche zu gestatten und zu erfüllen: „Wünsche dir nichts, du wünscht dir nur Schlechtes!" Aber Jener läßt nicht nach, bis Fohi ihm endlich gewährt, Ieyt reitet er ;u Hanst' im tiefen Nachsinnen, waß er nck Alles wünsche» 339 solle. Da geht sein Pferd durch, er vermag es nicht zu halle» In der 'Angst ruft er- „Nun, so wollte ich, daß du gleich Hals und Genick brächest! Augenblicklich stürzt das Pferd todt unter ihm zusammen. Sein erster Wunsch war erfüllt! Mismuthig tragt ev den abgenommenen Sattel, Es ist entsetzlich heiß, er denkt >>ck "0» ä, ')!, ^>l'ckl'tm5 in Leipzig Druckfehler. Seite 290, Icilc 2 von unten, swtt: Orpl'^in, lies: Orpclian Im Verlage von F. W. VrvckhauS in Leipzig erschien und ist in allen Buchhandlungen zu haben: KManck MmelleMMbr. Uebertragen und mit biographisch-kritischen Einleitungen von Wilhelm Wolfsohn. Drei Theile. t2. 3 Thlr. 15 Nqr. Inhalt: I. Helena Hahn: DscheUalebbin; Utballa. - Alexander Puschkin: Dle Ellpitainstochter. — II. Nikolaus Pawlow: Der Maskenball: Der Namenstass; Vine Million; Der Yatagan. — lll. Alexander Herzen: Wer ist Schuld'i Im Verlage von F. A. Brocklinus in Leipzig erschien und ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen: ESSAI P'UN SYSTEME POUR SEIMR DE GUIDE DANS L'ETUDE DES OPERATIONS fflJTAIEES, suivi d'un prdeis de l'histoire militaire de France depuis le rftgne de Philippe de Valois jusqu'A Ia paix de Fontalnebleau, en 1762. par LE BARON C. L. DE PHTJLL. Original fran^ais publie pour la premiere fois par LE BARON P. »E BATZ. Avcc nne preface de l'editeur, traduite de l'allemand, vine piece additioneile et deux planches. In-8- 2 Thlr. Dieses Werk ist das französische Original des kürzlich von Freiherrn von fiatz zuerst in deutscher Uebersetzung herausgcgcbtiiien „Versuch einer systematischen Anleitung für das Studium der Kriegsoperationen" (Stuttgart, Cotta, 1852) aus der Feder des Generals von Phull. Letzterer, der Lehrer, Freund und militairische Mentor des Kaisers Alexander und, was jetzt nicht mehr bezweifelt werden kann, der eigentliche Urheber des strategischen Plans, der 181 'i Napoleon's Folding gegen Russland scheitern machte, unterrichtete den Kaiser Alexander in der Kriegskunst und das im vorliegenden Werk Gesammelte diente ihm dabei als Leitfaden. Dasselbe darf somit als eine der werthvollsten und wichtigsten Bereicherungen der Militairliteratur bezeichnet werden. VluH von ^, A. Vrockhau« in Leipzig,