st//*?, *;/,/, ^,0"» Reise »n den Regentschaften Tunis und Tripolis von rich Freiherrn von Malhan. Zweiter Band. Nebst einem Anhang, enthaltend consularijche Uctenstucke nnd n, Hrrdrrs Gattin I. Müller, nebst Briefen v»n F 3. W. Mcyer und A. von Einsiedcl, Nd. III. ^c>> Äliefivechsel mit Knebel, Kar! van T^Iberq, Ioh, ssr. Huc,o vun Dnlbrra, einzclnc V> an Herder, linc>cdrnÄte Gedichte und Ul>l»erscMnss«n Herders, !)odessetische At>»nd^uit> Herders; aus Äricfeu uon Herders Oatiin an I/O. Müller, .s'eiderc« Amwurt nn den! chenconuent der Pelcrögcmcinde zn Peterobürss. Hooker, J. !>., „Himalayan Journals". Tagebuch auf einer Reise in B galen, dem Himalaya in Sikkim und Nepal, dem Khasiagebirge f A. d. Englischen. Mit vielen Illustrationen, gr. 8. geh. 2 Thlr. 27 S Hue {früherer apostol. Missionar in China), das chinesische Reich. Deuts Ausgabe. 2 Thle. Nebst einer Karte. gr. 8. geb. 1 Thlr, 12 $ Humboldt, Alexander V., Rtiftn in dtn Al>n»inc>cl Amerika. > Deutschlands Jugend bearbeitet von C. Göhring. Mit zahlreichen I strationen in Holzschnitt und-Stcwdruck. 6. Eleg. geb. 1 T Hygini Tabulae ed B. Buntö; gr, 8. geh. 1 Thlr. 3 ? Hyg-inus Philosophus. D.e iniaginibus coeh (tl. i. das :s. Buch des Po con Astronomicon dos C. .Till. Ityginns). Nach einer Pariser von ' im Druck erschienenen völlig versesliedojien Handsel]ritt zum ersten jVI herausgegeben von. Dr.-L. W. Has per. 8. geh. 6 I Inscription]s Rosscttanae McrOuslyphkac deeretum sacerdotal«. iV ratissime recognovit',. latino yertit, versione graeca contulit atque c posuit, glossario insiruxit M.'A. Uhlomann, Pliilos. J)octor, So( Litt. Orient. Germ. Sod. 4. geh. 4 's Jacobs, Fr., Jugmdschriften. Erstes Nändchen: Allmin und Qheolwr. Lesebuch für Kinder. Hieu herausgegeben und mit einem Vorworte begl« von K. G. Jacob. Mit 3 Kupfern. Neue wohlfeile Ausgabe. 6. geb. 10 V Drittes Bändchen: Kleine Er).ihlu>n Ein Vuch zur Unterhaltung der Jugend. Mit 3 Kupfern. Neue wohl! Ausgabe. 8. geb. 10 Z — Personalien. Zweite wohlfeile Ausgabe. 8. geh. 1 Thlr. 7'/- ^ Iobsiade, die. Oin komisches Heldengedicht in 3 Theilen (von Dr.'C. Kortüm). Mit .vorschnitten. 6. aeb. 6 Mr.: aeb. 7 3 Junker, 1\ J., königl. Professor u, Dr, der Thilos., Untersuchungen l die ägyptischen Sothisperioden, chronologische Tafeln derselben in ^ bindung mit den Jahren der gebräuchlichsten Aeren und ägypti' julianische Kalender verschiedener Zeiten der Sothispcriode gr. 8. geh. 10 i — Beiträge zur Chronologie und Geschichte im Alterthume, namentlich israelitisch-ägyptischen Beziehungen. Auf Grundlage des Flavins Jose}1 mit besonderer Berücksichtigung der hebräischen Urkunden. Die schiffung Lybiens durch die Phöniker. Historische Abhandlung, gr. 8. | 15; KniJtel, A., Cheops der Pyramidenbauer und seine Nachfolger. Nochm.i gründliche und allseitige Erörterung der Fragen, was es mit dem -falle der Hirten in Egypton, dein Pyramidenbau, der Glaubwürdig Manetho's n. s. w. für eine Bewandtniss habe. gr. 8. geh, 27 \ — System der ägyptischen Chronologie übersichtlich entwickelt und st schlössen hingestellt, nebst e. kurzen Abriss der ältesten ägyptis« Geschichte, wie sich dieselbe nach den Ergebnissen der Zeitrech* gestaltet, gr. 8. geh. 24 — de pastoribus qui Hyc-sos vocantur deque regibus pyramidum auctoH Commentatio historico-chronologica. gr. 8. geh. 10 : Koch, M,, die Alpen-Etrusker. gr. 3. geh, 15 Reise m den Regentschaften Tunis und Tripolis von Heinrich Freihcrrn von Malhan. Zweiter Band. Nebst einem Anhang, enthaltend consularische Uctenftücke und Aste der' Stämme Hunistms. Mit, CitMipfer und AaUe. Leipzig. D y k'sche Buchhandlung. 1870. Das Recht der Uebersetzling bleibt vorbehalten. Znhalt. Seite Zehntes Oapitet. Bon Tunis nach Ddna (Uthina). Aus. bruch uon Tunis zu einer längeren Reis« im Innern. — Meine kleine Karagane — Bedäwy. — Bräbym, der Verehrer des schönen Geschlechts. — Mein Koch und sein musikalischer Sohn. — Iladsch Hämed, der Maulthier» treiber. — Familienscene. — Abreise uon Tunis. — Das Schloß Moliammediya. — Die Wasserleitung von Kar< thago. — Die Ruinen von Uthina. — Die großen Wasser» behälter. — Citadelle. — Aquäduct uou Uthina. — Hi» storisches über Uthinci. '............ 1 Elftes Oapitel. Dschuqar lZuccara). Reise uon Odna nach Dschuqar. — Abermals der Aqnäduct von Karthago. — stauschyr Bad Chälid. — llan'chyr Ssimyxdschcl. — Sarhuan. — Der östliche Auszangspnnkt der farlhagischen Wasserleitung, — Ruinen des Tempels der Fkißqotcheiten. — llanschyr el Oayda. das antike Thudurbo majus. — Das Heiliqthnm der Bint Ssa'iMn. — "Ayn D'chuqar, das antike Znccara, — Der westliche Ausgangspunkt der karthagischen Nasserleitung. — Rninen eines Nymphaeum. — Sagen über die berühmte Heilige Bint Sfa'lMn. . . 33 Zwölftes Oapitel. Qayruän. Weg von Dschuqar nach Qayruan. — Landschaftlicher Character nnd Pflauzenwuchs. — Angaben des Ptolemaos über diese Gegend. — Verwirrung und Deutung der alte» Topographie. — Ruinen von Qayr el awnar. — Dschelula. — Erster Anblick der beiligen Stadt Qayrnan. — Unnahbarkeit derselben. — Mein Lager uor der Stadt, — Seltsamer Besnch. — Der deutjchredende nlte Renegat. — Besnch von Seiten deS Qkyid. — Ein-zng in Qayrnön in seltsamer Verkleidung. — Absteige, quartier im Regierungshanse. — Hindernisse und Schwie» riMten einer Besichtigung der Stadt. — Die Kniffe des Qäyid. — Ausgaug in der Stadt. — Die Moscheen. — IV Seite Der Kinnbart deß Propheten. — Antike Reste. — Der Basar. — Handelsartikel. — Abreise von Qaynuln. — Untersuchungen über die Lage von Anguston oder Vicus Augusti. -» Geschichtliches über Qayrnun......48 Zreizeljntes Oapitel. Gl Dschem (Tysdrus). Stamme der Dschelass und der Ssawässa. — Verständniß der Topographie des Ptolemäos in dieser Gegend. — Ein Lager der Dscheläss. — Ruinen von Terentum? — Versuchter Raubanfall von Seiten der Ssawä,ssa. — Schrecken, den wir einem Lager eiuflößten. — Ein musikliebendes Ka« meel. — Ankunft in El Dschem. — Erster Anblick des Coloffeums. — Messungen seiner Dimensionen. — Seine Architectur. — Fayade. — Unterirdischer Gang, — Sagen über denselben. — Die Kahyna, die Prophetin der Berber. — Berichte der alten Autoren über Tysdrus.....34 Merzehntes Eapitel. Ayn baydyä, Dschilma. Rückkehr zum Lager der Ssawassa. — Einförmige Ebene. — Die Wohnungen der Nomade». — Die antiken Maftalia oder Magalia. — °Ayn baydha, — Das antike Aquae Regiae. Vergleich der alten Stationentafeln. — Pflanzemvuchs der Steprenlandschaft. — Eine wasserreichere Gegend. — Nie» derlassung des Dschelassstammes. — Der Stamm der Farkschysch. — Räubereien desselben. — Hädsch Hämeds Gefangenschaft unter ihnen. — Bedenken in Bezug auf ihr Verhalten. — Ankunft in Dschilma. — Das antike Kilma oder oppiäum NkilNHnen»«. — HkmedS Aussöhnung mit den Faräschysch...........106 Fünfzehntes Oapilel. Qafya (Capsa). Gefährlicsifrit der Gegend zwischen Dschilma und Qafya. — Zuwachs zu meiner Escorte. — Verlassenheit der Landschaft. — Ihr steppeuartiger Charakter. — Erster Anblick der Palmen-Oase von Qafya. — Das antike Capsa. — Untersuchungen über seinen Namen. — Bericht des Salust über dessen Giunahme durch Marius. — Das moderne Qaf^a. — Antike Reste und Inschriften. — Citadelle. — Bäder. — Moscheen. — Bewohner............125 Sechzehntes Oapitel. Die Oasen des Neled-el-Dscharyd. Das Dattelland der tnnisischen Sahara. — Seltsamkeit Vtlt« des Namens. — Gränzen des Beled«el'Dscharyd. — Schwierigkeit, meine Diener znm Aufbrnch von Qaf^a zu bewegen, — Die Lustbarkeiten der Oaseustädte. — Felsige Wiistengegeud. — Die Oase uon Ilomma. — Zauberhafte Landschaft. — Die Oase uon Tnsär, — Rniuen von Thu» snssus. — Dic Oase von Tadschnr. — Ruinen von Thiges. — Die Oasenzrnppe von Nefta, — Das antike Nepta.— Rückkehr nach Qaf<^a.............141 Kiebenzeljntes ßapitel. Fcryäna. Ruinen uon Ssmä, el kamrä. — Ein zärtlicher antiker Gatte. — Untersuchungen über die Lage von Gemellae und Gremellae, — Das moderne Feryäna. — Die GrabkapeNe des heiligen Ssayydy ^elyl. — Seltsa,ne Sage über dieseü. — Viadynat cl qadyma. — Rass el 'Ayn. — Untersuchungen über die Lage von Thclepte. — Mn römisches Balneum. — Der „schwarze Stein"...............158 Achtzehntes Ollpitel. Ssobaytala oder Ssbaytla (Sufctula). 3)tcnge der Nüinrnstädte in dieser Gegend. — Hansch el Chayma. — llanschyr ess Ssula. — Rninen römischer Villen und Bauern Häuser. — Aufnnft in Qayräyn. — Lager der Far^schysch. — Ruiucn uon Qatzräyn. — Inschriftliche Bestätigung der Oertlichkeit.—Grabdenkmal des Secundus. — Reise von Qayrnyn nach Ssbaytla. — Das antike Sufewla. — Ruinen dreier Tempel. — Triumph» bogen. — Formn. — Byzantinische Citadelle. — Wichtig» kcit uon Snfetula unter den Byzantinern. — Einnahme dnrch die Araber...............170 UeiNlzeljntes Hapitel. Ssabybc». Thala. Ein geldsüchtiger Heiliger. — Reise von Ssbaytla nach Ssabyba. — Das antike Snfes, — Nntersuchnugen über den phönicischen Nainen. — Römische Reste in Ssabyba. — Reise von Ssabyba nach Thala. — Ilanschyr el Baqr. — Das Thala des Ingnrtha und das Thala des Tacfarinas. — Sallust's Schilderung von der Einnahme Thala's. — N,iinett in Thala, — Römische Nckropole. — Anöflng von Tdala nach Haydra. — Gefährlichkeit dieser Gegend. — Besuch der Ruinen von ad Mederam. — Abentener des jnngen Kochs mit arabischen Räubern. — Rückkehr nach Thala. — Eintritt in's Gebiet des Mädschirstammes. — VI Seite Die große Ebene Ssr», Wartän. — Hanschyr el Madyna. — Das llntike Abba oder Obba..........^92 Zwanzigstes Oapitel. Sanfür (Assurae), Mädir odcrMoch- tar sTucca Terebenthina). Die N,nnen von Saufür, — Nekropole. — Festnugsfnudamente. — Andere Trümmer. — Ritt von Sanfür nach Mochtar. — Ruinen uon Moch» tar. — Das antike Tucca Terebentbiua. ^- Abweichende Ansichten, — Inschriften. — Mausoleen. — Grab des heiligen Ssayydy "Alyy ben 'Amr. — Wunderliche Geschichte dieses Heiligen. — Ausflug uach Ilammum. — Schwieriger Weg. — Bedeutende römische Ruinen. — Ungewisse Identification. — Vielfache Reste aus der christ» lichen Periode................220 eMundzwanzilistes Oapitel. 'Ann Furna. Das Schlachtfeld von Zama. Atmosphärische Störung meiner Reise. — Fortsetzung derselben nach Maghrä,ua. — Untersuchungen über diesen Namen. — Seltsame Reste aus urältester Zeit. — Pböuicische Ruinen. — Römische Trmmner. — Reise von Maghräua nach "Ayn Fnrna. — Größe der Ruinen daselbst. — Citadelle. — Seltsamer Aberglaube eines Schahgräbers — Abstecher von °Ayn Furna nach der Ebene uon Dschäma. — Das Schlachtfeld von Zama. — Untersuchungen über dessen Lage, — Berichte über die Schlacht bei den alten Autoren, — Vordsch Massudi. — Römische Ruinen. — Untersuchungen über die Lage von Mnsti.................23!) Zweiundzwanzigstes Eapitel. Qoff oder Keff lSicca Veneria). Die Wasserscheide bei Bordsch Maisudy. — Der Fluß Mossul, vielleicht der Mntlull der Alten. - Unrichtigkeiten der meiste» Karten in Bezug auf dirse Gegend und namentlich den ^auf der Flüsse, — Reise von Bordsch Mas» sudy nach Qoff. — Das antike Sicca Veneria — Antiker Name, — Inschriften, — Römische Reste, — Citadelle — Nekropole. — Der moderne jüdische Friedhof. — Das Qayr el Rhnla. — Selts me Sage. — Ich muß den Arzt spielen. — Mysteriöse Krantt,citen. — Anfbruch nach Ssayydy 'Abd er Rabby, — Das antike Musti, — I» fchriften. — Ruinen — Odscha. das antike Agbia. — llauschyr Duqa, das antike Tucca. — Bedeutende Reste VII Seite aus dem Alterthum. — Triumphbogen, Tempel.— Theater. — Gradmausoleum. — Fundort der berühmten Inschrift von Duqa.................253 Zreiundzwanzigftes Oapitel. Ruinensiädte am Bagrada. Todorssoq. das antike Tudursicum Bure. — Triumphbogen aus byzantinischer Zeit. - Nni»en in Tunga. — Bedenteude Trümmer, — Das antike Thignica, — Tempel. — lZita» delle. - Reise in nördlicher Richtxug von Tnnga, — Der Bagrada. — Oinsame Gegend, — Fruchtbare Landschaft. — Eine der Kornkammern R^'Ms. — Die kleine Stadt Bädscha. — Das antike Vaga. — Verrath der Bürger uo>l Vaga, gegen Ätarins. — Zahlreiche antike Reste. — Stadtmauern. — Christliche Kirche, jelU Moschee. — Riick« reise nach Tnnis, ^ Teburba, das antike Tudnrdo unnus. — Eine Bogenrcihe der karthagischen Wasserleitung. — Abermals in Tunis.............236 Merunbzwanzigstes Oapitel. Küstenfahrt von Tunis nach Uammä,m2t. Plan einer Seereise mit Nernhrung der Küttenpnnkte zwischen Tunis und Tripolis. — Die Ba» d>riya. — Der kleine (Gutter. — Capita,, Vaolo. — Der kleiue Ort Rhades. — Das antike Ätaxula Prates. — llamm^m Qurbos. — Ssayydy Daüd. — Das ailttke Nissua oder Äcissua.—Fabelhafte Geschichte von der See» schlänge. — Das Cap Von. — Q-Uibiya, das antike Nly-pea Aspis. — Geschichte des Negers Vomba. — Rönüsche Citadelle in Q-Uidiya, — Das arabische Fort. — Ich spiele den Arzt bei der Garnison. — Der „schwedische Consul". — Kiistenfcchrt nach Nudel. — Das antike Neapolis. — Gm lustiges Völkchen. — Geschichte des alten Algierers. — Ankunft in Uammam^t. — Untersuchungen über das Alterthum dieser Stadt............300 Zünfundzwanzigstes Kapitel. Küstenfahrt von LammänM nach der tripolitanischen Gränze. Abfahrt uon üam» mittat. — Ssnssa. — Basar und moslimische Kaufleute. — Iianschyr Maqluda. — Alterthümer. — Das antike Ha-drmmtum. — 3)iistyr oder Monastyr. — Das antike Rus. piua. — Das mittelalterliche Kloster. — Ausflug uach üanschyr Lamda, — Das antike Leptis parva. — Wahr° VIII >" Seite scheinliche Lage desselben. — Fruchtloses Aufsuchen anderer Alterthümer. — Grausamkeiten der tuuisischeu Beamten und Soldaten. — Mahadiya. — Die mittelalterliche arabische Stadt. — Die Inseln Qarqenna, —'Alterthümer. — Ssi^qeß — Die Europäer und ihr Viertel. — Das antike Taphrura. — Fahrt nach Q-^biss. — Herrliche Kn» stenlantschaft. — Qäbiss und fein Chalufa. — Vegetation. — Die berühmte Lotosstaude. — Die strafbaren Unter» thanen. — Erpressuiigssystem. — Die Hundeesser. — Komisches Abenteuer einer Engländerin. — Bevölkerung. — Alterthümer. — DaS antike Tacape. — Seefahrt über Dscherba nach Tripolis.............341 UnHang I. Tabellarische Uebersicht über die Bevölkerung Tunisiens, die wichtigsten Städte. NegiermigsiMricte, Nomadcnstämme, ungefähre Einwohnerzahl nebst den Namen der Gou« verueure im Jahre 1868............413 Unljllitss II. Consnlansches Aktenstück übcr die unbestraft und nnnnter^ sucht gebliebene Ermordung uon 17 Israelite« in der Stadt Tunis im Lanfe des Jahres 1868 als Beweisstück zu Band I. Seite 69..............427 UnHang III. 2u Laioma 8«iI1itaua (Hutzrk^n 8. 181). vag landers 6s-äiokt in Hexametern 8. 433. — 1)^8 kürzere <36äiodt in Oi8tiHon 8. 435. — 6rlidm3ekrift iu torentianiLouen Verben am Noektar oder Nlkllkr (8. 228)......436 Zehntes Oapitel. Von Tunis nach Odna (Uthina). Au!Vt«ch »on Tunis zu einer längeren ^eist im Innern.— Meine kleine Mravane. — Bedlul'u,. — Vräl>;,m, der Verehrer des schönen Geschlechts. — Nein Aoch und sein nlusilkilifcher Ü>ns>n.— iMbsch hämed, der Malllthierireitier.— Familiensceiie. — Al'reise von Tunis. — Das 5ciMi Mnhammedi^a.— Die Wasserleitung von? abzuleiten ist, der „sich schlangelnde, biegende Fluß", heißen dürfte. An dieser Stelle überschritt der Aquäduet den Fluß auf einer noch in ihren Fundamenten deutlich nachweisbaren Brücke, von der bei meiner ersten Neise in Tunisien noch ansehnliche Nuinen vorhanden waren und ein höchst malerisches Schauspiel gewährten. Bei meinem letzten Besuch im Jahre 1868 sollte tch jedoch diese antiken Baureste beinahe gänzlich hinweggeräumt und ihre Stelle durch die moderne Brücke der französischen Compagnie eingenommen finden. Dieses elende moderne Machwerk, an welchem ich keineswegs die vermeintliche „uodis nunMoitÖ" entdeckte, Welches Prädicat V. Guerin mit ächt französischer Parteilichkeit der Bauart seiner Landsleute bei' legt, besitzt allerdings einen Vortheil, den nämlich, zugleich Aquäduct und Passage für Wagen und Fußgänger zu sein, und dieses rühmt auch besagter Schriftsteller als einen Vorzug vor dem Werte des Alterthums. Aber wenn auch die Alten nicht so ökonomisch, wie die Modernen, bauten und 34 nicht immer zwei Fliegen mit einem Schlag treffen wollten, so hatten sie doch an dieser Stelle, während sie eine Brücke für den Aquaduct besaßen, keineswegs den andern Zweck vernachlässigt, auch eine solche für Menschen und Wagen zu bauen. Ich konnte vielmehr, im Flußbette deutliche Spuren von einer doppelten Brücke entdecken, die eine mit hochstrebenden massiven Quaderftfeilern, die andere auf gleicher Höhe wie die Nferflächen mit den gewöhnlichen durch sehr festen Mörtel verbundenen, kleineren, unregelmäßigen Bausteinen errichtet. Der Grund, warum man beide Brücken nicht durch eine einzige ersetzt hatte, muß wohl in ihrer verschiedenen Entstehungszeit gesucht werden. Auch waren beide Werke von sehr verschiedenartigem Interesse' der Aquaduct besaß die höchste weltstädtische Nichtigkeit und gewissermaßen eine ofsieiclle Bedeutung, da er die Hauptstadt der Proconsularis mit dem Nöthigsten, d. h. mit Wasser, versorgte. Die Brücke für Menschen und Wagen dagegen war von sehr untergeordneter Bedeutung, da sie allem Anschein nach nur fur die Bewohner von Uthina einen Zweck besaß und auch für diese war sie eigentlich den größten Theil des Jahres über ganz überflüssig, da der Catada an vielen Stellen sehr leicht zu durchfahren und zu durchreiten ist und sein Wasser selbst dem Fußgänger kaum über die Knöchel gehen dürfte. Nur für die seltnen Fälle der fast ganz ausnahmsweise« Anschwellungen des Flusses erschien eine solche Brücke wünschenswert!) und Uthina mochte wohl erst dann, als die Stadt zu höherer colonialer Bedeutung gelangt war, ein Bedürfniß nach derselben empfunden haben. Wann dieser Zeitpunkt eintrat, wissen wir nicht, aber allem Anschein nach war er nicht derselbe, wie derjenige der Erbauung des Aquäducts, sonst würde man vielleicht auch hier, wie an dem großen Viaduct von Constantine, den Aquaduct mit der eigentlichen Brücke vereinigt haben. 25 Von dieser Brücke hatten wir noch etwa dreiviertel Stunden bis zu den Ruinen von Uthina zu gehen. Dieselben sind höchst ansehnlich und über einen Flächenraum von einer viertel Quadratmeile zerstreut. Derjenige Punkt derselben, welcher schon von Weitem die Blicke des Besuchers am Vorzüglichsten fesselt, ist eine imposante Ruincnmasse auf dem höchsten der vier oder fün^ Hügel des Trümmerfeldes gelegen. Indem ich hierhin zuerst meine Schritte lenkte, kam ich an das trockene Bett eines kleinen Gießbaches, welcher nur zur Zeit der stärksten Regengüsse Wasser führen dürfte, denn vor meiner Anwesenheit hier hatte es beinahe vierzehn Tage unaufhörlich geregnet und dennoch fand ich das Flußbett trocken. Trotz dieser fast beständigen Trockenheit desselben hatten dennoch die Römer eine Brücke darüber gebaut und von dieser steht noch der eine, das Flußbett selbst überwölbende Bogen in hehrer Majestät aufrecht. An ihn gränzt ein anderer, der nicht mehr über dem Flußbett liegt und gleichfalls fast noch ganz erhalten ist. Wir haben es hier offenbar mehr mit einer Prachtbaute, als einem bloßen Mtzlichteitswerk, zu thun. Wahrscheinlich, ja beinahe gewiß lag dieser von den hochgewölbten Bogen getragene Viaduct schon mitten in der Stadt; er bildete einen kuustvollen Verbindungsweg zwischen einzelnen Theilen derselben und sollte den Bürgern die gcringc Mühe des Hinab-steigens in das Flußbett ersparen-, seine Existenz kann uns als ein deutliches Anzeichen von der Wohlhabenheit dieser Colonia gelten. Bald nach diesem Viaduct gericth ich auf die Spur einer Wasserleitung, nicht jedoch eines von Pfeilern und Bogen getragenen, erhabenen Aquäduets , wie der Hauvttheil des Saales gebildet wurde, sondern aus der mit Mörtel verbundenen Anhäufung kleiner Steine, welche die Römer <.'ii6moutloiu »truo turn instil, (um sie von der autism,. Zu unterscheiden) nannten. Wenn uns die verschiedenen Kanäle, welche zu und aus diesem großen Saale führten, der eine von oben kommend, der ihn mit dem Aquäduct in Verbindung setzte, der andere nach unten führend, welcher als unterirdischer Gang sich bis zum nördlichen Ende des Hügels hinzieht, noch nicht hinlänglich über die Bestimmung dieses Baues aufklären würden, so dürfte jene Verschiedenheit des Baumaterials 'des uuterm Theils und des Deckgcwölbes uns einen hülfreichen Fingerzeig geben. Der Saal war offenbar ein großer Wasserbehälter, eine Art von ?igemli limuri^ in welcher man verschiedene Kammern angebracht hatte, in denen sich das durch den daran dicht anstoßenden Aquäduct hergeleitete Wasser von seinen erdigen Bestandtheilen vollkommen reinigte. So geklärt, floß es dann durch den jetzt noch zum Theil zugänglichen, sehr weiten, unterirdischen Gang in einen andern, noch größeren Wasserbehälter, eine Art von O>,8wlwm u 1t>ou8 udi i)6«u8 prooumdit. „Ein Ort, wo das Vieh lagert", erweist sich allerdings als eine sehr passende Benennung für das wasserreiche, offene Thal von Odna. Dieser seiner fruchtbaren Lage verdankte auch gewiß Uthina den hohen Blüthezustand, in welchem es zur Zeit des Plinius gestanden haben muß, da er es als eine der wenigen Kolonien nennt, die in der Proconsularis existirten. Geschichtliche Nichtigkeit scheint der Ort niemals besessen 3U haben, denn außer den genannten Erwähnungen bei den alten Geographen erfahren wir nur, daß es in der christ-"chen Periode ein Bisthum war (kpi^aimtim ^t!>ln«u«l8 ^1 I.It'mou8i8)i aber das tann seinen Ruhm schwerlich vermehrt haben, da es diese Eigenschaft mit einigen vierhundert Dörfern Afrikas theilte. Schon zu Tcrtullians Zeit besaß es einen Bischof, welchen dieser schismatische Kirchenvater als n^6o 8Llwtiiüam tim6i,8" erwähnt; im Jahre 255 erschien sein Bischof Felix auf dem von Cyprian berufenen Concil, 32 Lamftadius 314 auf dem Concil von Aries, Isaac 411 auf dem zu Karthago und endlich wird noch ein Bischof Felicissimus im Jahre 525 erwähnt, und zwar zu gleicher Zeit als Npi8«0pug pledi» 8oä6lon8>g r, da«.' a,>li>ie Zuccarn. — Der wciNichc Ausssao^^iükl dcr knrlhligijch!?» Wasserleitung. — Ruinen eines ^<^>,lpl)al!,i,». — 5ageu iiln'r die liernhmle heilige Vint Isa^dä». Achon u>n 5 Uhr Morgens, noch in voller Dunkelheit, war das Zelt abgebrochen, die Lastthiere beladen, die Pferde gesattelt und, der aufgehenden Sonne entgegenreitend, verließen wir die Ruinen des antiken UHina. Das Terrain zeigte sich während der ersten Stunde unsres sechs Meilen langen heutigen Weges noch eben und führte uns wieder dem antiken Catada entlang bis zu den oben schon erwähnten Ruinen einer Brücke desselben, wo ehemals auch der Aquäduet den Fluß überschritt. Hier sind die Bogen vielleicht die großartigsten, jedenfalls die Pfeiler die höchsten im ganzen Laufe der Wasserleitung, was seine Ertlärung in der Vertiefung des Catada-thales findet. Nach anderthalb Stunden von der Brücke gelangten wir nach Ilanschyr bu Hadscheba, wo sich römische krümmer von unbedeutendem Umfang, und ohne irgend welche architektonische Pracht oder^Großartigkcit befinden. Der Aauäduct, dem entlang unser Weg führte, welcher w der Ebene die volle Pracht seiner majestätischen Bogen uns zur Seite entfaltet hatte, fing nun, da wir in eine gebirgige Landschaft eindrangen, allmählig an, niedriger und II. g 34 immer niedriger zu werden. Die Bogen, welche sich immer weniger über den Boden erhoben, verschwanden zuletzt ganz, doch war die Richtung des unterirdischen Laufes der Wasserleitung an den in regelmäßigen Zwischenräumen angebrachten Luftlöchern deutlich zu verfolgen. Gegen IN Uhr hielten wir einen Augenblick bei einem andern Trümmerhaufen, Namens yanfchyr bäb Chalid. 1-lan-schyr (ich denke statt ^.^xö dem Verbalnomcn der zweiten Form des arabischen Verbums >.^ö Naschara) heißt „das Zerstreute", und gilt in der ganzen Regentschaft Tunis als die allgemeine Bezeichnung für alle Nuinenstädte. Der Name bäb Chalid d. h. das ewige (uralte) Thor, wurde diesem Trümmerhaufen wegen des einzigen hier zu sehenden unversehrten Bauwerks, eines kleinen Triumphbogens, beigelegt. Außer diesem kleinen Bogen von etwa 12 Fuß Weite steht hier kein einziges unterscheidbares Gebäude. Dieser Numenhaufe ist bis jetzt noch nicht identificirt worden. Ich glaube jedoch, wir würden schwerlich irren, wenn wir hierher das Onellana der Peutmgerschen Tafel verlegen, welches zwischen Uthina und Thuburbo majus in der Mitte (von jedem 15 Mllliarien entfernt) lag, da diese Stelle die Mitte zwischen Odna und Ilanschyr el Qa^ba bezeichnet. Nun ging es, abermals der Wasserleitung entlang, in ein bergiges Gebiet, unser Weg wurde steiler und steiler, und bald waren wir eifrig mit dem Ersteigen des über dreitausend Fuß hohen Sarhuängebirges (des antiken NonZ Aou-3ltanu8 beschäftigt. Bei Vyr-Ssimyndscha, einem antiken, noch heuzutage von den Beduinen benutzten Brunnen, kamen wir abermals an einer römischen Station vorbei, welche vielleicht, wie Einige vermuthet haben, für das opMum kimin-jMuum der Kirchengeschichte zu halten sein dürfte, von welchem wir übrigens nichts andres wissen, als daß es im dritten Jahrhundert ein Bisthum war. Die Namensähnlichkeit zwischen 35 Ssimyndscha und Simingitanum, welche freilich unverkennbar scheint, ist jedoch das Einzige, was uns in dieser Identification leiten kann, denn das oppläum ist so obscur, daß es auf keinem Itinerar vorkommt und wir folglich gar nicht wissen, m welchem Theile der Provinz es lag. Die Ruinen zeigen sich nicht unbedeutend. Ich glaubte auf dem höchsten Puncte des Ilanschyrs (Trümmerhaufen) in einem höchst massiven Gebäude die Neste einer Citadelle wiederzuerkennen. Die Mauern der Stadt sind zerstört, aber ihre Fundamente zu traeircn. Einige Säulen und andere Kunstfragmentc, auf dem Boden zerstreut und die Ruinen eines tempelartigm Gebäudes bezeugen den verhältmßmaßigcn Glanz dieser kleinen Stadt. Uebrigens bildet die Gesammtmasse der Trümmer nichts, als eine riesige Schuttanhäufung. Vom Vyr-Ssimyndscha hatten wir noch einen vierstündigen Ritt bis zu unserm Nachtquartier. Nach anderthalb Stunden nahm uns eine schöne fruchtbare Niederung auf, wo auf einmal die Bogen des Aquäducts, der in der letzten Meile seinen Lauf unterirdisch beschrieben hatte, wieder zum Vorschein kamen und eine nicht geringe Zierde dieses anmuthigcn amphlthcatralischen Thales bildeten. Doch bald, wie unser Weg wieder höher hinanstrebte, versenkte sich die uns begleitende Wasserleitung abermals in die Erde. Ein frischer Luftzug ^chte vom Dschebcl Sachuan, den wir zu erklimmen begonnen hatten und belebte den Muth unsrer Pferde, so daß sie mit unglaublicher Behendigkeit die letzte steile Strecke des ^Üegcs zurücklegten. Unser Nachtlager bildete die kleine Stadt Sarhuan selbst, ber Haufttort dieses Bergdistricts, von dessen Autoritäten wir uns der zuvorkommendsten Aufnahme zu erfreuen hatten. Der Schaych el bcled (Bürgermeister) suchte uns im Kaffeehause "uf und geruhte, sich mit uns einige Stunden zu unterhalten, ^r schien sehr eingeschüchtert, weil ich ihm einen 'Amrä (ofsi- 3' 36 zielles Empfehlungsschreiben) überreicht hatte und er mich für einen besondren Schützling der Negierung ansehen mochte. Nach diesem "Amrä wäre er genöthigt gewesen, mich mit Obdach und Nahrung zu versehen, und zwar unendgeltlich, was ihm natürlich keineswegs erwünscht sein konnte. Es war komisch, zu sehen, wie in ihm der Wunsch, höflich zu erscheinen, mit seiner Angst, mich für die Nacht in seinem Hause zu haben, einen Kampf lieferte. Höflich mußte er sein, damit ich einen günstigen Rapport über ihn erstatte, aber ja nicht allzu liebenswürdig, damit ich mich nicht versucht fühlen möchte, seine süße Gesellschaft länger genießen und für die Nacht sein Gast werden zu wollen. Wie froh war deßhalb der diplomatische Schaych, der es weder mit mir noch mit seinem Geldbeutel verderben wollte, als er sah, wie die Anstalten zur Errichtung meines Zeltes getroffen wurden und mein .Koch Moses einen Reichthum von mitgebrachten Lebensmitteln enthüllte, der ihn aller Sorge für mein Souper enthob. Nun wurde er noch viel freundlicher und bot sich sogar an, mich zu den schönsten „alten Steinen" in der Nähe zu führen. Wir gingen etwa eine halbe Stunde immer bergauf, bis wir an das Ende dieses Arms der großen Wasserleitung von Karthago kamen. Die hier vorhandnen „alten Steine" sind die Ruinen eines recht schönen Nymvhaeum, mit einem Tempel verbunden, eine Gruppe von Gebäuden, welche den Abschluß zum Aquäduct bildeten. Vom Tempel ist noch das Gpistyl, ein Altar im Innern und die Wand der Cclla erhalten. An ihn stößt ein Porticus, dessen Dach gewölbt ist; die Säulen fehlen jedoch. Die dreizehn Nischen dieser Bogenhalle waren ohne Zweifel zur Aufstellung der Statuen von Flußgotthciten bestimmt, welche die Schutzgeister des Aquäducts vorstellten. Das Nymvhaeum selbst ist tiefer gelegen und war allem Anschein nach durch eine hohe Treppe mit dem Tempel und dem Portieus verbunden. 37 Es ist schwer, sich eine schönere Lage zu denken, als diejenige dieser Baudenkmäler. Sie lehnen sich unmittelbar an den Abhang des Verges Sarhuan, dessen finstre Masse gegen das weite lachende Thal zu unsern Füßen einen lieblichen Contrast bildet. Gen Norden sieht man die weite Ebene, dann eine anmuthige Linie niederer Hügel von Laub gekrönt, dann wieder eine kleine Ebene und endlich die Vorläufer des Hauptgebirges selbst und durch alle zieht sich wie ein goldener Faden die malerischste Zierde der Landschaft, der Majestätische Aquäduct, um hier bei dem Heiligthum der Flußgottheiten zu münden. Der Ort Sarhuän selbst bietet nichts Sehenswerthes als einen jetzt mit Backsteinen zugemauerten, übrigens unbedeutenden, spätrömischen, möglicherweise byzantinischen Triumphbogen. Wir verließen ihn um 6 Uhr am Morgen des 8. März und wandten uns bergabwärts wieder zum Ued Mi-Ihan, den wir nach drei Stunden erreichten, um nun unsern Weg direct in südlicher Richtung dem Laufe des Flusses entlang fortzusetzen. Dieser kleine Ucd Milyana, auch in verkürzter Form Milyan genannt, besitzt die überall, nur nicht in Afrika, auffallende Eigenschaft, daß er eine für seine Kleinheit höchst pomphafte Namensbezeichnung führt. Er heißt nämlich Ued el tebir, d. h. der große Fluß, und zwar nimmt er diesen großartigen Namen erst da an, wo er in seinem höhern Lauf immer kleiner geworden, ihn am wenigsten verdient. Dieser „große Auß" bietet so wenig Tiefe, daß wir ihn zu wiederholten Malen mit Leichtigkeit durchwateten, um auch sein linkes Ufer ur Augenschein zu nehmen. Auf diesem linken Ufer war es auch, daß wir bald an einer höchst ausgedehnten Ruinenstätte anlangten, von den Eingebornen ihrer Großartigkeit wegen I^Ian-schhr el Qa^ba, d. h. die „Ruinen der Festung" genannt. Der antike Name dieser Ruinen war nnr schon bekannt, und zwar 38 aus der in Algier publicirten, höchst zuverlässigen Novuo atrieaine (Band I. p. 416), in welcher Herr Tissot eine hier copirte Inschrift veröffentlicht hat, welche keinen Zweifel darüber übrig läßt, daß hier die Stelle des Thuburbo (Tuburbo) Majus der Römer war. Vesagte Inschrift enthält nämlich eine Widmung an Kaiser Gordian von den Bürgern der Colonia Julia Aurelia Commoda Thurburbo Majus. Nnter seiner einfacheren, nur aus den letzten beiden Worten gebildeten Namensbezeichnung kennen wir dieses Thuburbo Majus aus Plinius, der es gleichfalls unter den Coloniae anführt (es besaß also diese Eigenschaft schon vor Commodus), aus der Peutinger'schen Tafel und aus dem Itinerar, wo es schlechtweg Tuburbo heißt, sowie aus späteren lirchengcschichtlichen Berichten. Die Peutinger'sche Tafel giebt die Entfernung dieser Römerstadt von U-thina über Onellana auf 30 Milliarien an. Die directe Entfernung von Odna nach I.Ianschyr el Qa<.;ba beträgt allein schon 4"/,s geographische (deutsche) Meilen, also ungefähr 25 Milliarien und 5 Milliarien müssen wir wohl auf die Abweichung von der graden Linie rechnen. Somit dient uns diese Angabe zur Sicherstellung der Lage von Uthina; die Sicherstellung derjenigen von Thuburbo ist durch die Inschrift hinlänglich beglaubigt. Schwieriger als in nordöstlicher Richtung ist die Römerstraße hier in westlicher oder nordwestlicher zu verfolgen. In dieser Richtung geben Zwar sowohl Peutingers Tafel als das Itinerar Straßen an, welche nach der ^oionia VaUi» oder Valli führten, letzteres in directer Linie, erstere auf einem Umweg über Sicillaba und Turris, Orte, die nicht identificirt sind. Da Vallis unzweifelhaft mit Ssayydy Melyan identificirt wurde und dieses in grader Linie 22—28 Milliarien von llanschyr el Qacha liegt, so ersehen wir, daß das Itinerar, welches diese Straße nur 18 (19) M. angiebt, hier irrt. 39 Die Peutinger'sche Tafel giebt zwar 39 M., aber wir kennen die Orte nicht, über welche ihre Straße führte. In den Bischofslisten aus dem 3ten und 4ten Jahrhundert wird ausdrücklich zwischen zwei Thuburbo unterschieden, indem ein Bischof Tuburbitanorum Majorum und Minorum vorkommt. Auch der Geschichtschreiber der Vandalischcn Glaubensverfolgung, Victor Vitensis, nennt diese Stadt als ^udurdiwna vivita» UaM- und zwar bei Gelegenheit des Märtyrerthums des Servus, welcher schon unter Geiserich seines Glaubens wegen viel gelitten hatte, dem aber der fanatischste Arianer, der Vandalenkönig Huncrich, noch viel gräßlichere Leiden bereiten sollte. Aus den Märtyrergeschichten (Uoroelli Htrica, Okri^t. 1, ^32) erfahren wir auch den interessanten Umstand, daß eines der beiden Tuburbo den Namen Tuburbi Lucernaria oder schlechtweg Lucernaria führte, wahrscheinlich von der hier sehr Verbreiteten Fabrication thönerner Lampen. Daß dieser Ort Tuburbo Majus gewesen sei, macht das Vorkommen der zu solcher Fabrication nöthigen Erde an dieser Oertlichkcit höchst wahrscheinlich. Gesenius hat gewiß auch in der Ableitung dieses Namens das Nichtige getroffen, wenn er ihn aus ^"1 »12 sclivß» opidu») entstanden sein läßt, denn sowohl die fruchtbare Lage im reichen F'lußthale, als die ansehnlichen Vaureste deuten auf Reichthum und Glanz dieser einstigen römischen Colonie. No sonst noch der Name Thuburbo bei den alten Autoren vorkommt, ist jedesmal das andere, das Thuburbo Minus, gemeint, welches noch heute Teburba heißt und am Ued Medscherda (dem Bagrada der Alten) nur vier Meilen West-lich von Tunis liegt. Trotzdem, daß dieses das kleinere hieß, scheint es doch das wichtigere gewesen zu sein, da seiner viel häusiger Erwähnung geschieht, als des Thuburbo Majus. Daß übrigens dieses letztere auch nicht ohne Bedeutung war, 40 sehen wir aus den höchst ansehnlichen Trümmern, welche von ihm übrig geblieben sind. Das Bedeutendste schien mir außer den vier Thoren, von denen zwei fast vollständig, die anderen theilweise erhalten sind, eine große Trümmerinasse, auf mächtigen Quaderfundamenten ruhend, welche ich ihrer erhöhten Lage und ihrem festungsartigen Charakter nach zu schließen, für die Citadelle der Römerstadt halten möchte. Nebrigens scheint diese Citadelle, wie alle in Afrika, welche nach der Vandalen-herrschaft nicht aufgegeben wurden, von den Byzantinern völlig restaurirt oder vielmehr auf den alten Fundamenten neu aufgebaut worden zu sein, da viele antike Fragmente anderer Gebäude und Inschriftstafeln aus älterer Zeit sich hier als gewöhnliche Bausteine verwendet finden. Außerdem sah ich noch einige sehr tiefe Cisternen, andere mit Schutt angefüllte, eine große piseini». Um^i-W, deren Gewölbe noch theilweise steht, die sehr verschütteten Trümmer eines Amphitheaters, den kolossalen Schutthaufen eines großen Gebäudes auf einem Hügel gelegen, möglicherweise auch einem Fort angehörig, doch ohne Spuren einer späteren Restauration. Am besten erhalten, nach den beiden Thoren, ist ein längliches viereckiges Gebäude, das ganz aussieht wie eine christliche Capelle: die Mauern sind aus großen Werksteinen gebildet und das Innere Zeigt nur einen einzigen Saal, kann also nicht zu einem gewöhnlichen Haus und der Abwesenheit des Pronaos wegen, auch wohl nicht zu einem heidnischen Tempel gehört haben. Etwas südlich von den Ruinen von Thuburbo Majus überschritten wir den U,ed Milyana auf einer neuen Brücke, ein Grleichtcrungsmittel des Verkehrs, dem man in Tunisien nur äußerst selten begegnet. Zur Römerzeit bestanden, wie die Ruinen derselben bezeugen, Brücken über alle Flüsse, aber die arabische Nachlässigkeit der letzten Jahrhunderte hat sie einfallen lassen, während sie in der Glanzzeit der maurischen Civilisation sorgfältig unterhalten und von Zeit zu Zeit restau- 41 rnt worden waren. Diese neue Brücke verdankt ihre Entstehung dem vorletzten Bey von Tunis, Hamed (Ahmed) Pascha, dem einzigen civilisirten Herrscher, welchen dieses Land seit den letzten drei Iahunderten besaß und den ich bei Meiner ßrsten Reise nach Tunis, im Jahre 1852, noch unter den Lebenden getroffen hatte. Auch dieser neuen Brücke zur Seite sah ich die Neste der alten Nömerbrücke. Mittag machten wir bei der Grabkaftelle eines arabischen Heiligen. Namens Ssayydy bu Uamydu, eines der unzähligen Maräbotyn, welche sich in diesem abergläubischen ^ande hoher Verehrung erfreuen. Ich wünschte etwas über die Geschichte dieses Heiligen zu erführen, bekam aber nur so abgedroschene Berichte zu hören, wie ich sie von andern Marabotyn in genau denselben Worten schon oft vernommen hatte. Diese guten ^eute haben der Heiligen zu viele, nehmen es auch mit der traditionellen Geschichte selten genau, und die Folge davon ist, daß alle diese Heiligenlegenden miteinander verwechselt und unter einander vermengt werden. Einem Marabot werden oft die Thaten und Wunder von zehn andern zusammen beigelegt. So haben denn alle diese legenden etwas sehr Verschwommenes. Nur die Geschichte der berühmtesten Marabotyn hat cincn persönlich'charatteristischen Typus bewahrt, während die der <1ü nünm-um ^«ntmm meist aus Abgedroschenheiten und Gemeinplätzen Zusammengesetzt ist. Von Ssayydy bu Iiamydu hatten wir noch einen dreistündigen Nitt bis nach Bint Ssa ydan, dem Heiligthum einer berühmten Marabota, ja der berühmtesten der ganzen Regentschaft. Der Ncg ging immer hügelan. Hier hatten wir den zweiten Arm des großen Aquäduets von Karthago zu unserm steten Begleiter, während wir gestern den ersten Arm desselben bis zu seinem Ausgangspunkte in Sarhuan verfolgt hatten. Da das Terrain, kaum als wir uns vom Ued Milyäna entfernt hatten, wieder hügelig und später bergig 42 wurde, so beschrieb diese Wasserleitung, wie ihr Schwesterarm, zum großen Theil ihren Weg unterirdisch und war nur an den regelmäßig angebrachten Luftlöchern zu erkennen. Etwa zwei Stunden vor Sonnenuntergang langten wir am Grabe der berühmten Heiligen an, wo sich eine Sauya, in literaler Form Säviya (Qoränschule) und Moschee befinden. Die dreißig oder vierzig Häuser des um die Moschee gelegenen kleinen Dorfes sind zum Theil aus antiken Bau-fragmcnten erbaut, außerdem sieht man noch einen römischen Brunnen, kurz Manches deutet darauf hin, daß hier oder in der nächsten Nähe im Alterthum ein Städtchen gestanden habe und diese Vermuthung wird noch verstärkt durch die Thatsache, daß eine Achtelsmeile von hier sich die Ruinen eines ansehnlichen antiken Gebäudes befinden. Der Ort, wo diese Ruine steht, heißt M)n Dschuqar ist auf dem Verge gleichen Namens gelegen und bildet den südwestlichen Ausgangspunkt des großen Aquäducts, der hier die Nasser der Dschuqar-Quelle aufnimmt. Aus der Aehn-lichkeit des Namens Dschuqar mit dein der römischen Stadt Zuceara und aus einer hier von Shaw erwähnten, leider seitdem spurlos verschwundenen Inschrift, welche den Namen Xueoimni oivitu» enthielt, hat man geschlossen, daß wir hier die Römerstadt dieses Namens zu suchen haben, von welcher freilich kein Schriftsteller des Alterthums spricht, außer dem einzigen Ptolemäos, der ein Zugar angiebt. Die einzige Nuine, welche sich hier findet, ist ein halbrundes, von einer Halbkuftpel überwölbtes, temftelähnliches Gebäude mit drei Nischen, in welchen ohne Zweifel einst Statuen aufgestellt waren. Von diesem Gebäude, welches unmittelbar über der Quelle des Aquäducts erbauet ist, führte eine Ninne das Wasser nach einem davor gelegenen, sehr großen, viereckigen Behälter, von welchem zwei Wasserleitungen ausgingen, die eine der große, vielerwähnte Aquäduct, die andere ein kleinerer, 43 längst zerstörter, aber doch nachweisbarer, welcher vielleicht die Stadt Zuccara selbst mit Wasser versorgte. Dieses Bassin hat sehr ansehnliche Proportionen, es mißt nämlich an 250 Fuß in der Länge und etwa 60 Fuß in der Breite. Das darüber gelegene Gebäude zeigt sich aller seiner Ornamente beraubt, welche Shaw hier noch im vorigen Jahrhundert sah Und welche nach seiner Annahme korinthischer Ordnung gewesen sein sollen. Weder Vordergiebel, noch Peristyle, noch Cclla, noch sonst irgend ein Bestandtheil eines Tempels ist nachweisbar. War also das Gebäude wirtlich ein Tempel, Wofür es Shaw gehalten hat? Wie kommt man überhaupt dazu, es für einen Tempel auszugeben? Kein Umstand kann dazu berechtigen, außer vielleicht die Nischen, welche Götter-statucn, und zwar wahrscheinlich Wassergottheiten, enthalten haben mögen. Aber solche Götterstatucn befanden sich in zahlreichen Gebäuden von ganz anderer Bestimmung. Auch gab es außer den eigentlichen Tempeln noch anderweitige Vauten, welche Gottheiten oder Halbgöttern geweiht waren. Zu dieser Classe von Bauten gehörten namentlich die Nymphäen. In Rom und Umgegend giebt es nicht wenige Ruinen solcher Nymphäen, welche, wie der Name aussagt, den Schutzgöttinnen der Quellen, den Nymphen, geweiht waren. Noch vor wenigen Jahrzehnten pflegten auch in Rom die Archäologen alle diese Nymphäen Tempel zu nennen. Aber sie waren in Wirklichkeit nichts andres, als Zierbautcn, zur Lust und Bequemlichkeit der bei der Quelle Kühlung Suchenden errichtet, deren geweihter Charakter übrigens durch die in den Nischen aufgestellten Wasscrgottheiten angedeutet wurde. Diese Nuine von Zuecara besitzt eine auffallende Achn-lichkeit mit jenen zwei Nymphäen, welche in Rom und Tivoli die am besten erhaltenen sind, nämlich mit der sogenannten Grotte der Egeria, unweit von San Sebastian» vor Nom, und mit dem sogenannten Tempel des Serapis am See des 44 Canopus in Hadrian's Villa bei Tivoli. Nach Ammianus (XV, 7, 3) lagen solche Nymphäen oft in der Nähe von Thermen, deren Kühlstuben sie ersetzen konnten. Nach einem andern alten Schriftsteller (I^idlm. ^utiook. p. 372) waren es hohe, mit Kuftpeln versehene Näume, mit Nischen, Säulen, Statuen geschmückt, in deren Mitte sich eine Quelle befand. Diese Aussprüche der Alten und die Vcrgleichung mit den so eben genannten, am besten erhaltenen Beispielen dieser Classe von Bauten lassen keinen Zweifel übrig, daß wir es hier ganz einfach mit einem Nymphäum und keineswegs mit einem Tempel zu thun haben. Ich will hiermit übrigens gar nicht behaupten, daß nicht etwa auch hier, wie bei dem Nymphäum von Sarhuan, ein gottesdienstliches Gebäude gestanden habe. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß ein Tempel, den Schutzgottheiten des Aquäducts geweiht, an das Nymphäum anstieß, für dessen Trümmer man ein neben dem Wasserbehälter gelegenes antikes Mauerwerk ansehen könnte. Ich glaube nur nicht, daß das Nymphäum selbst ein Theil dieses Tempels war. Außer diesem, den Schlußstein zum Aquäduct bildenden Nymphäum war nichts Erhebliches an Alterthümern in Ayn Dschuqar zu sehen. Ich kehrte deshalb bald nach Bint Ssa'ydan zurück und überzeugte mich durch eine genaue Besichtigung der Localitä't und Vergleich derselben mit°Ayn Dschuqar davon, daß das antike Städtchen, als dessen Namen loir Zuc-chara oder Zugar annehmen können, nicht an der Quelle, sondern an der Stelle des jetzigen Dorfes gelegen haben muß. Es stand zu jenem Gebäude in ^Ayn Dschuqar ganz in demselben Verhältniß, wie das Nömerstädtchcn, welches auf Sarhuäns Stelle lag, zu dem in seiner Nähe befindlichen Heiligthum. Der Umstand, daß das Dorf nicht den Namen bewahrt hat, während er in der Quelle fortlebt, braucht uns nicht zu stören, da der Name Dschusiar kein auf eine bestimmte Stelle beschränkter ist, sondern dem ganzen Verge an- 45 gehört, auf dem die Quelle und an dessen Fuß das Dorf liegt, denn der Dschebel Bint Ssaydän bildet nur einen Theil des Dschebcl Dschuqar. Abends machten wir dem Wakyl (Wächter) des Heiligengrabes unsre Aufwartung. Er ist selbst ein Stück von einem Heiligen, da er sich rühmt, in dirceter Linie von der großen Vint Ssaydän abzustammen. Ich glühte natürlich vom Verlangen, etwas über die Geschichte dieser von den Moslims Tunisiens so hochverehrten Dame zu erfahren. Ihr Abkömmling sollte diesem Wunsche auch entgegenkommen, indem er mir die Geschichte seiner erlauchten Ahnfrau auftischte, für deren Wahrhaftigkeit ich übrigens die Verantwortlichkeit dem Watyl selbst überlassen möchte. Bint Ssaydän war in einem Dorfe unweit der heiligen Stadt Qayruän geboren, wo sie sich schon in frühester Jugend durch ihren exemplarischen Lebenswandel, ihre Fröm-wigkeit und Wunderthätigkeit auszeichnete. Denn bereits als kleines Mädchen wirkte sie Wunder. Durch ein solches bekehrte sie zum Beispiel einen Ungläubigen, einen Christensklaven, welcher ihr als Grund seiner Zweifel am Qorän eine Stelle desselben anführte, die seiner Meinung nach doch unmöglich wahr sei. In dieser Stelle spricht Mohammed von den Felsen, von denen er unter Anderm sagt: „Einige von ihnen sinken nieder aus Ehrfurcht vor dem Höchsten." Dieß, behauptete der gottlose Nmny (Christ), finde gar nicht Statt und er werde nicht eher an den Islam glauben, als bis er das fragliche Phänomen mit eignen Augen gesehen habe. Aber die junge Heilige wurde nicht verlegen und erbot sich. ihm den Beleg zur Wahrheit dieser Stelle zu liefern. Sie führte ihn und eine Anzahl von Zeugen an einen felsigen Ort, dort schlug sie den Qoran auf, las die fragliche Stelle vor und stche, die Felsen begannen alle sich in Bergung zu fetzen-, sie senkten sich langsam, und zwar in der 46 orthodoxen Richtung gegen Mekka, thalwärts und blieben dort eine Zeit lang wie in Adoration liegen, dann aber, damit ja Niemand das Wunder natürlicher Ursache zuschreiben könne, begaben sie sich auf ihren früheren Platz zurück. Natürlich bekehrte sich der Ungläubige-, er erlangte in Folge dieses Schrittes bald seine Freiheit, widmete dieselbe aber ganz dem Dienste der Heiligen. Dieselbe war kaum zwanzig Jahre alt, als sie schon ein wahres Heer von Verehrern um sich hatte, Verehrer nicht ihrer Schönheit, obgleich diese groß war, sondern lediglich ihrer Heiligkeit. Dadurch wurde sie selbst in politischer Beziehung bald eine hochwichtige Persönlichkeit, welche demjenigen Fürsten, der sich ihrer Gnade erfreute, zahlreiche Anhänger zuführen konnte, und was für Anhänger! Nicht feile Söldlinge, sondern todesmuthigc Fanatiker, welche sich auf einen Wink der Gebieterin in Stücke hauen ließen. Der damalige Pascha von Tunis, Myy Bey, befand sich grade in einer höchst bedrängten Lage. Er war im Kriege mit Algier und seine Heere wurden bei jedem Zusammenstoß geschlagen. In dieser Noth erschien ihm die Heilige im Traum und verhieß ihm ihre Hülfe unter der Bedingung, daß er unter die Zahl ihrer Anhänger träte, welche eine Art von religiösem Orden gebildet hatten. 'Alyy Bey verhieß es, immer noch im Traum. Als er erwacht war, schickte er nach der Heiligen, dieselbe war jedoch nirgends zu finden. Man sagte, sie habe sich auf einen hohen Berg zurückgezogen, um dort eine Zeit lang ungestört der Beschaulichkeit zu leben, aber Niemand wußte den Weg zu ihr. Unterdessen drang jedoch der Feind in's Land ein; Myy Bey mußte sich ihm stellen, selbst ohne Bint Ssa'ydan und ihre Anhänger. Im Herzen verzagt, suchte er lange jede Schlacht zu vermeiden, doch zuletzt war ihm dieses nicht mehr möglich. Wie nun die feindlichen Heere aufeinander stießen, konnten die Tuniser dem Anprall der Algierer nicht widerstehen. Sie wichen zurück und glaubten "». 47 natürlich nun den Feind auf ihren Fersen folgen zu sehen. Aber o Wunder! Die Algierer drangen nicht vor; unsichtbare Mächte schienen sie aufzuhalten. Ja viele, von ihnen sanken, von Geschossen getroffen, die Niemand sehen konnte, entseelt zu Voden. Sie hatten es offenbar mit überirdischen Gegnern zu thun. Darüber ergriff sie ein panischer Schrecken und sie wendeten sich zu jäher Flucht. Die Tuniser behaupteten nicht nur den Sieg, sondern machten auch unermeßliche Beute. Als sie von der Verfolgung des Feindes zurückkehrten, sahen sie auf dem Kampfplatz ein wohlgeordnetes Heer lagern. In Mitte des Lagers stand ein Zelt, dessen Farbe die grüne, bie heilige, war. Zwölf gezähmte Löwen bewachten seinen Eingang und wehrten Jedermann den Eintritt. Myy Bey und die Tuniser erblickten dieses mit unaussprechlichem Staunen und fast mit Grauen. Aber dieses Gefühl wurde bald in Freude verwandelt, als sie sahen, wie ein wunderschönes Weib aus dem Zelte hervortrat, auf den Fürsten zuging und zu diesem, der vor ihr den Staub küßte, sagte: „Ich bm Bint Ssa ydän. Ich habe Wort gehalten und Dich von Deinen Feinden errettet, nun halte Du das Deine." Myy Bey ließ sich dieses nicht zweimal sagen, er wurde der eifrigste Verehrer der Heiligen, baute ihr zu Ehren eine Sauya, eine Moschee und dotirto diese mit sieben großen Landgütern, deren Ncvenuen jetzt noch der Wakyl und die Verwalter ihrer Qobba genießen. 48 Zwölftes Oapitel. Qayruan. weg pan Dlchnqar nach Ni'uruän. — candschaftlicher Charakter und pflanzen, wnäis. — Angaben des ftloleiuäos über diese Gegend. — Verwirrung und Deuluug dev alle» Copogmpljie. — 7lui>n'u von G,a<>r el awnar. — Dschelula. — Erster Anlilick der heiligen blakt Nnuruan. — Unnahliarkeil dersel. öen. — Mein tlagcr vor der ''ladt. ^- heilsamer Vesuch. — Der deutsch-redende Me Aenegal. — Vestich van 5eit in sellsamcr Verkleidung, — MleigePiarlier ini Re<;ierungs>jnuse. — hiudmiUc nud 5chwierigkeilen einer ^ejichliguug der Äadt. — 2ie Anijfe des N^id. — Ausgan,i in der 5ladt. — Oie Moscheen. — Der VinuLml des Propheten. — AnlilttAcjle. — OerVüsar. — haudelsarlikel. — Aßreise van Nauru«». — Unlei suchungen ulier^ die Üage von AugHon oder UisU5.A,!liujIi.— Geschichtliches klier NMuän. ^)or Ncg von Dschuqar nach Qayruan, der alten Chalyfen-stadt, läuft immer in südöstlicher Richtung, beinahe parallel mit der an fünf Meilen entfernten Meeresküste, und beträgt nahezu fünfzehn Meilen, also einen vollen Breitegrad, eine Entfernung, welche wir Mühe hatten in zwei Tagen zurückzulegen. Da die Landschaft, durch welche uns diese zweitägige Reise führen sollte, nicht zu den sichersten in der überall unsichern Regentschaft Tunis gehört, so hatte ich mir von dem Negierungsbeamten, welcher die höchste Administrativbehörde dieser Gegend vorstellte, wie ich es vermöge eines officiellen Schreibens fordern konnte, zwei berittene Gendarmen, die man hier Hamba nennt, und welche dasselbe wie die Mochässny Algeriens sind, zur Bedeckung geben lassen, eine Vorsichtsmaßregel, welche trotz unsrer guten Bewaffnung sich als keineswegs überflüssig erwies. 49 Die erste Tagereise führte durch hochgelegenes Land, von Ausläufern des Dschebcl Sarhuän gebildet. Die Temperatur zeigte sich hier gegen die der Küste bedeutend abgekühlt. Wir befanden uns Anfangs März, hatten an dem Ufer des Mittelmeeres selten unter 10 Grad Ne'aumur im Schatten gehabt, dagegen sahen wir hier das Thermometer um 5, Uhr Morgens bis auf vier Grad herabsinken, eine für den afrikanischen Reisenden höchst empfindliche Kühle. Die Vegetation entsprach der kühleren Aergregion, in welche wir eingetreten waren. Die Zwergpalme, der Lentiscus, Arbutus, Yucca, ^ftuntia, Agave, welche Pflanzen die nordafrikanischen Ebenen charalterisiren, kamen zwar hier auch noch, wenngleich weniger üppig vor, aber andere Pflanzen traten als Charattergewächse auf. Ms den eigentlichen Charaktcrbaum dieser Hochebenen kann man den Pistacicnbaum des Atlas (I'^taeia iUlmltl^), bon den Arabern Betum genannt, bezeichnen. Er zeigt die ^genthümlichleit, daß er keine Wälder bildet, sondern immer nur einzeln vorkommt. An seiner abgerundeten Zwcigtrone H er von Weitein zu erkennen. Außer ihm sind noch eine Eschenart (I^'ilxmu» (Umorpliu,) und zwei Wachholderarten, der phönizische Wachholder f^umponiz plio^ne^) und der.smii-I"Mm ox/(!«<1i'„» für diese (legenden bezeichnend. Im Ganzen stndet zwischen der Vegetation der Hochebenen in Tunisien kein Unterschied mit den algierischen statt. Der Wcg, welchen wir heutc und am folgenden Tage zurück-legen sollten, ist bis jetzt nur äußerst feiten von Europäern betreten worden. Die meisten folgen einer stereotypen Reiseroute, Welche von Dschuqar an'^Meer, dann diesen: entlang bis Ssüssa, bon da landeinwärts nach Dschem (Tysdrus) und dann nördlich über EI 'Uyün . nennt. Am Morgen des 11. März verließen wir Dschelüla, um die drei ersten Stunden durch eine öde Felsengegend, jedoch ohne hohe Felsen, zu reiten, dann durchwateten wir den kleinen Ue'd Fedsch und befanden uns in einer wasserarmen- 55 Ebene, wo nichts wuchs, als das borstige Halfa und einzelne Eufthorbiaceen. Endlich am Abend des zweiten Tages seit unsrer Ableise von Dschuqar erblickten wir eine stattliche Häusermasse am Horizonte auftauchen. Es war ein so ächt orientalischer Anblick, wie er mir lange nicht zu Theil geworden. Aus einem steinernen Meer, dessen Wellen die gewölbten Dächer Zahlreicher Häuser und Kapellen bildeten, hoben sich nicht wenige größere Kuppeln und namentlich eine sehr große auf einem thurmartigen Rundbau erhöhte empor, während ein kleiner Wald von Minareten, alle in ihrer Form der berühmten Giralda nacheifernd, und folglich kleine Thürmchcn, als Aufsatz auf dem größeren massiven viereckigen Thurm tragend, aufwärts ragte. Hie und da waud sich der schlanke Stamm einer Dattelpalme zwischen diesen charakteristischen Baumassen empor und schüttelte luftig im Ostwinde seine zierliche Federkrone. Wenn ich sage: „es war ein orientalischer Anblick", so ist dieses jedoch nicht buchstäblich zu verstehen. Das Wort „orientalisch" soll hier nur den Gegensatz des mohammedanischen Kunsttypus gegen den europäischen ausdrücken. Aber »utter orientalisch im engen Sinn verstehe ich etwas andres. Im "gentlichen Orient ist der Typus einer Stadt nicht derselbe, wie im Maghreb (Nordwesten von Afrika). Dort drückt sich ber byzantinische, hier der maurische Kunstcharakter in den Gebäuden aus. Keiner von beiden Vaustylen ist freilich rein geblieben, aber ihr Grundcharakter bleibt denn doch unverkennbar. Im Orient im engern Sinne, worunter ich den mohammedanischen Orient verstehe, giebt es (von Persien nicht zu reden) zwei Haupttyften von Städten, wie sie sich von der Entfernung darbieten, das ist der türkische und der syrisch-äghvtische. Ersterer findet seinen Ausdruck in den mächtigen Riesenluppeln der Moscheen, umgeben von den schlanken Mastbäumen ähnlichen Säulenminarets, letzterer in der größeren 56 Menge kleinerer Kuppeln und den launenhaft verschiedenen, aber alle mehr thurmähnlichen, als säulcnartigcn, oft sechseckigen, selbst achteckigen Gebetsthürmen. Anders dagegen bietet sich eine maurische Stadt dar. Solcher Städte sind freilich so wenige unverfälscht zu sehen (in Algerien sucht man sie umsonst in Marokko sind sie unzugänglich), daß man kaum mehr von einem gegenwärtigen Typus derselben reden kann. Eine solche Seltenheit von einer Stadt war es aber, welche ich min vor mir sah, eine ächt maurische Stadt, reich an Moscheen und Gebetsthürmen, in einem Style erbaut, welcher einst zu den künstlerisch vollendetsten gehörte. Diese Stadt war Qayruan, einst die Hauptstadt des ganzen mohammedanischen Afrika, Sitz eines Chalyfats und wegen dieser dem Moslim so theuren Erinnerung einerseits, andrerseits als Vegräbnißort vieler Heiligen des Islam, vor allen Dingen aber als Bewahrungsstätte jener kostbarsten Reliquie, des Kinnbarts des Propheten Mohammed, eine der heiligsten Städte in der ganzen moslimitischen Welt, eine der „vier Pforten des Paradieses". Das Unangenehme besitzen aber alle heiligen Städte des Islams für den europäischen Reisenden, daß der Eintritt in dieselben jedem Nichtmoslim durch ein religiöses Gesetz untersagt ist. Noch im Jahre 1833 musite Sir Grenville Temple, als er diese Stadt besuchte, während der größten Zeit seines Aufenthalts versteckt im Hause des Gouverneurs verweilen, konnte sie nur einmal im größten Geheim und zwar als Moslim verkleidet besuchen, und doch besaß dieser Engländer eine eigene Erlaubniß von Seite der tunisischen Negierung, in Qayruan frei ein- und auszugehen, der erste Europäer, welchem eine solche ertheilt worden war. Man sieht daraus, daß das Verbot jetzt zuweilen umgangen wird und es liegt nicht an der Regierung, daß dieses nicht öfter geschieht. Aber der Bey von Tunis ist hier den Qayruanern gegenüber in 57 einem ganz ähnlichen Fall, wie der marokkanische Kaiser mit den Bewohnern seiner Hauptstädte Fess und Marokko. Beide Fürsten sind aufgeklärt genug, um Europäern den Zutritt zu diesen Städten in gegebenen Fällen zu gestatten, aber alle nwslimischen Fürsten haben Grund, sich vor dem Fanatismus der Menge zu fürchten, welche eine solche Verletzung eines religiösen Gesetzes, das keinen Ungläubigen in besagten Städten duldet, dem Fürsten sehr übel nimmt und ihm als Ketzerei auslegt, wodurch er natürlich alle Popularität verliert. Ja ein noch wichtigerer Grund macht, daß sie nur höchst ungern eine solche Erlaubniß ertheilen, der nämlich, daß sie ohnmächtig sind, den Europäer vor dem Fanatismus des Pöbels der heiligen Stadt zu schützen, während sie doch dessen Consul und Regierung gegenüber für jede ihm widerfahrene Unbill verantwortlich sind. Die tunisische Negierung zeigt sich nun freilich in vieler Beziehung dem europäischen Einfluß zugänglicher, als die marokkanische, von welcher ich nie die Erlaubniß der Neise nach einer ihrer Hauptstädte erlangen tonnte. So war es mir denn auch in Tunis gelungen, ein offieielles Schreiben an den Qayid (Gouverneur) von Qayruän zu erlangen, durch welches ich zu dein Eintritt in die heilige Stadt ermächtigt war. Ohne dieses hätte ich gleich vor den Thoren dieser Paradiesespforte wieder umkehren können. Aber auch im Besitze dieses Schlüssels, welcher mir die heilige Stadt aufthun sollte, tonnte ich keineswegs jetzt schnurstracks in dieselbe hineinreiten. Ich mußte erst den Hamba (Reiter) zum Qäyid schicken, diesem mein Schreiben übersenden und von ihm eine Escorte verlangen. Dieß that ich gleich am Abend meiner Ankunft vor dem Thore. Die späte Stunde machte es jedoch nicht wahrscheinlich, daß vor dem nächsten Morgen eine Antwort erfolgen würde. Ich ließ also mein Zelt eine achtel Meile vor dem Thore, an der Stelle, welche den Namen „Dar el Imän," d. h. „Haus des 58 Glaubens oder der Treue", führt, einem häufigen Lagerplatz tunisischer Truppen, aufschlagen. Am Abend erhielt ich noch einen höchst seltsamen, unerwarteten Besuch. Es ist merkwürdig, wie schnell sich in diesen Ländern mündliche Nachrichten verbreiten: man sollte denken, die Leute hätten sich eigens darauf eingeübt, als Ersatz für die ihnen mangelnden Zeitungen, Neuigkeiten mit Blitzesschnelle weiter zu befördern. So ist es verbürgt, daß die Nachricht von der Einnahme Algiers durch die Franzosen in Tunis lange vor Eintreffen der regelmäßigen Couriere bekannt war. Aber auch solche Nachrichten, welche Zeitungen nicht erwähnenswert!) finden, werden auf diese Weise mit beinahe ge-heimnistvoller Geschwindigkeit colftortirt. Ich erinnre mich, daß ich in Algier den Tod eines jungen Engländers, meines Bekannten, in einem abgelegenen arabischen Hause der Vorstadt von den Eingebornen früher erfuhr, als dessen eigne Hausgenossen, d. h. beinahe im Augenblick des Todes. So war auch meine Ankunft vor Qayruan in dieser Stadt schon bekannt, ehe mein wohlberittener Hamba, welchen ich doch sogleich dahin abgeschickt hatte, dort angekommen sein konnte. Die Folge dieses schnellen Bekanntsems meiner Ankunft bildete der Besuch eines Bewohners der heiligen Stadt. Ich sah einen ehrwürdigen, uralten Greis mit langem, weißem Barte und schönen regelmäßigen Zügen, ganz wie ein wohlhabender Stadtaraber gekleidet, in mein Zelt eintreten. Ich begrüßte ihn natürlich auf Arabisch, wer aber beschreibt mein Erstaunen, als ich hören mußte, wie er mir meinen Gruß in meiner eignen Muttersprache zurückgab und zwar mit so reiner Aussprache des Deutschen, daß ich ihn für nichts Anders als einen Landsmann halten konnte. Aber dieser Landsmann oder halber Landsmann hatte sich ganz die arabische Gravität zu eigen gemacht und war deßhalb gar nicht so schnell dazu zu bringen, mir das Räthsel, nach dessen 59 Enthüllung ich brannte, aufzulösen. Erst mußte er auf einem improvisirten Divan mit untergeschlagenen Beinen mit aller Würde und Gemächlichkeit Platz genommen, erst ein Täßchm Mokka geschlurft und einige Züge Dschebeli-Tabaks geraucht Und die Damftfwolken in harmonischen Spiralen zur Zeltes-decke hinauf geblasen haben. Dann erst gestattete sein Decorum ein Eingehen auf meine von stürmischer Neugierde eingegebenen Fragen. Wer war er? Wie war er Hieher gekommen? Nas machte er hier? Diese Fragen beantwortete jedoch der arabisirte Europäer keineswegs direct, sondern ich mußte Mir die Antwort aus dem Schwulst einer langen Rede, die er mir hielt, gewissermaßen heraussondiren. Schon seit vierzig Jahren war llädsch Sayd ein Bewohner von Qayruan, wo er als Kaufmann, Bürger und Familienvater in Ansehen stand. Fast Niemand in Qayruän wußte, daß er ein Renegat war; denn das häßliche Wort Muß heraus, der Alte war Renegat. Die Meisten hielten ihn für einen fremden Moslim, der zugewandert war. Ein Deutscher war er nun freilich nicht, sondern ein Dalmatiner, hatte aber als Knabe in Trieft im Dienste verschiedener Deutschen Lestanden und unsre Sprache vollkommen sprechen gelernt, so baß selbst ein langes Leben, während dessen er leinen deutschen Laut vernommen, diese Kenntniß nicht verwischt hatte. Mit einem dalmatinischen Schiff an der Küste Tunisiens gestrandet, war er gezwungener Weise dort geblieben, Moslim geworden, um frei zu sein, hatte sich mit einer Tochter seines früheren Herrn verheirathet, ein Geschäft angefangen, in Qayruän nach einem längern Aufenthalt an der Küste sich niedergelassen, und befand sich so wohl, daß, als Lord Exmouth's Expedition vom Jahre 1616 alle gefangenen Christen befreite, kr es vorzog, in seinem adoptirten Vaterlande zu bleiben. Ein aufrichtiger Moslim war er nun freilich nicht. Ich habe noch nie einen Renegaten gesehen, der es wäre. Aeußer- 60 lich machte er allerdings alle Satzungen mit, war sogar nach Mekka gepilgert und galt für fromm. Aber mir gegenüber genirte er sich gar nicht, zu bekennen, daß dies Alles nur Co-mödie sei. Er glaubte nicht an die Unumstößlichkeit des Islam. Ein Christ war er aber in seinem Herzen auch nicht geblieben, auch das findet man fast niemals bei Renegaten. Die meisten derselben haben gar k?ine Religion. Dieser schien jedoch das Bedürfniß nach einer solchen lebhaft zu empfinden, und deßhalb hatte er sich eine eigne Religion aus Reminiscenzen des alten und neuen Testaments und des Qoran's gebildet, in welcher jede Offenbarung und außerdem noch eine gewisse Vernunftlehre Platz hatte. Wenn ich auch nicht mit ihm übereinstimmen konnte, so war es mir doch interessant zu hören, wie solch' ein Mensch, der keine höhere Bildung genossen, lediglich durch -Nachdenken und Studium zu einem eignen Neligionssystem gekommen war. Da sein System so einfach war, daß es sich mit drei Worten geben läßt, so brauche ich nicht zu fürchten, meine Leser zu langweilen, wenn ich seine eigne Auseinandersetzung desselben hier kurz mittheile. „Ich glaube", so sprach Iladsch Sayd, „daß es einen Gott, ein künftiges Leben und eine Bestrafung der Bösen und Belohnung der Guten giebt. Auch glaube ich an göttliche Offenbarung, an eine Reihe von Propheten von Adam bis Moses, von Moses bis Christus und von Christus bis Mol.mmmcd. Aber ich halte diese Offenbarung nicht für eine übernatürliche, sondern lediglich für eine Herzensbegeisterung und Geisteser-weckung hervorragender Männer. Gott ist das große geistige Princip, von dem unser Geist nur ein schwacher Theil ist. Ist nun aber dieser Theil des göttlichen Princips bei einem Menschen besonders stark vertreten, so daß er bessere und weisere Lehren ertheilt, als seine Vorgänger, so nenne ich das eine Offenbarung, ein Prophetenthum. In diesem Sinne waren Moses, Christus, Mohammed, ja Sotrates Pro- 61 Pheten. Was man von ihrer Laufbahn Wunderbares berichtet hat, sind Märchen, von ihren Schülern ersonnen, welche nicht auf so hoher geistiger Stufe standen, wie ihr Lehrer. Da nun das geistige Princip ewig ist und die Menschheit stets fortschreitet, so glaube ich auch, daß es stets neue Offenbarungen geben wird. Deßhalb glaube ich an einen neuen Messias, nicht in dem Sinne, wie die Juden daran glauben, sondern lediglich, daß ein besonders weiser Mensch kommen wird, ein Mensch, der der Stimme Gottes in seinem eignen Herzen Gehör giebt, um eine reine, einfache, nur auf Menschenliebe gegründete Religion zu predigen und alle älteren, auch ursprünglich geoffenbarten, aber in der Zeit des Aberglaubens durch Fabeln entstellten Glaubenslehren von ihrem Nunderkram zu reinigen. Das ist der Prophet, an den ich glaube und auch er wird nicht der letzte sein. Denn das Menschengeschlecht ist noch nicht überall reif, um auf einmal dem Wunderglauben zu entsagen. Erst einer ganzen Neihe sulcher Vcrnunftprediger dürfte es gelingen, alle Religionen von ihren abergläubischen Zuthaten zu reinigen. Ein solcher Prophet braucht aber, um sich der Offenbarung zu rühmen, weder auf Sinai mit Gott zu sprechen, noch ein Sohn Gottes zu sein, noch mir dem Engel Gabriel Zusammenkünfte Zu halten, nein er braucht nur auf die Stimme seines eigenen Herzens zu hören, denn was wir an Gedanken Edles und Gutes haben, das sind Gottes Offenbarungen. Deßhalb wird auch Niemand an einem solchen Propheten zweifeln tonnen, da er ja selbst erklären wird, daß er nicht in wunderbarem Zusammenhang mit dem Höchsten steht. Nenn diese Zeit kommen wird, ahne ich freilich nicht, aber ich beneide diejenigen, welche sie erleben werden." Glücklicherweise für lladsch Sayd ergoß sich diese Beredt-samkeit in einer meinen Dienern, welche stets im Zelte aus-und eingingen, völlig unverständlichen Sprache, sonst würden 62 seme eben ausgesprochenen Grundsätze ihm höchst wahrscheinlich bei seiner Rückkehr in die fanatische heilige Stadt eine Steinigung zugezogen haben. Von mir schien er keine Indiscretion zu befürchten, und zwar wohl aus dem einfachen Grunde, weil das Zeugniß eines Christen gegen einen Mos-lim nichts gilt. Durch seine Erwähnung des Sokrates war ich neugierig geworden, wie er, der doch in Europa keine klassische Bildung genossen hatte, von diesem Weltweiscn gehört habe. Auf meine Frage danach zog er ein arabisches Vuch aus der Tasche, welches, wie er sagte, seine Lieblings? lecture bilde. Ich staunte, eine alte Vagdader Uebersetzung des Aristoteles zu finden, und dieser Umstand überzeugte mich mehr von der geistigen Bedeutung des Mannes als alles Gesagte, denn wer in einem solchen Lande der Unwissenheit, wie Nordafrita, ohne Schulbildung, lediglich aus eignem geistigen Bedürniß, sich einem derartigen Studium mit Vorliebe ergeben kann, muß sicher ein über seine Umgebung hervorragender Mensch sein. Leider war es mir jedoch nicht vergönnt, diese interessante Bekanntschaft ferner zu cultiviren, denn der Alte nahm mir das Versprechen ab, ihn in Qayruän nicht aufzusuchen, weil mein Besuch ihn bei seinen fanatischen Mitbürgern schwer compromittirt haben würde. So nahmen wir denn Abschied, wie ich damals fürchtete, auf Nimmerwiedersehen. Der Leser wird jedoch aus dem Folgenden sehen, daß diese Furcht nicht realisirt wurde. Am Morgen des 11. März war ich noch im schönsten Schlummer in meinem Zelt begriffen, als Plötzlich Vedawy, welchem Vrähym mit meinen gewichsten Stiefeln auf dein Fuße folgte, hereinstürzte, mich weckte und mir bedeutete, ich solle mich schnell anziehen, da Niemand geringeres, als der Qäyid selbst mit Gefolge, mich zu besuchen, gekommen sei. Da der faule Vrahym indeß meine Kleider noch nicht ge- 63 Putzt hatte, so war ich genöthigt, schnell in einen weiten Schlafrock zu schlüpfen, in dcm ich ein ganz orientalisches Aussehen hatte, welches durch ein als Morgcnkappe getragenes Fes vervollständigt wurde. In diesem improvifirten Costüm brauchte ich nicht anzustehen, den Würdenträger zu empfangen, da ich nach orientalischen Begriffen in dem weiten umhüllenden Gewand ungleich anständiger gekleidet war, als ich es selbst im Frack oder Uniform hätte sein können, denn in einer so fanatisch moslimischen Stadt, wie Qayruan, wird selbst das vom Pascha eingeführte europäische Costüm der Reform nur mit großen: Widerwillen gesehen. Schnell wurde wein Bett in einen Divan verwandelt, Kaffee gekocht, Pfeifen gestopft und der Besuch konnte kommen. Der Qayid, welcher mit sehr cercmoniösen Salamaleks bei mir eintrat, war ein Mann in den Fünfzigcn, der aber so hinfällig und frühgealtert aussah, daß man ihm wohl siebenzig zuschreiben konnte. Er suchte mich Anfangs durch alle möglichen Vorstellungen von meinem Wunsche, Qayruan M besuchen, abzubringen, schilderte nur die heilige Unnahbarkeit des Orts, den Fanatismus seiner Bewohner, die Gefahr, welche mir drohe, die Unpoftularität, in welche er selbst täme, wenn er einen Nichtmoslim in die „Pforte des Paradieses" einführen würde. Er erbot sich dagegen, mir hier, außen vor dem Thore, alle möglichen Zerstreuungen zu verschaffen, versprach mir einen berühmten Märchenerzähler und tanzende Knaben zu schicken, auch mit dcn ausgesuchtesten Mahlzeiten Zu versorgen, ja selbst mit Nein, wenn ich es verlange, da er, obgleich selbst kein Weintrinker, doch eine vortreffliche geheime Quelle wisse. Aber alle diese in Aussicht gestellten Herrlichkeiten konnten mich wenig rühren und gar nicht von meinem Entschlüsse, in die Stadt zu gehen, abbringen. Da der Qayid sah. daß alle Vorstellungen umsonst blieben, biß er in den sauren Apfel und bemerkte, daß, da ich doch 64 einmal auf den Einzug in Qayruan bestände, dieser wenigstens auf der Stelle zu erfolgen habe, da der Tag bald anbrechen werde (es war kaum 5 Uhr Morgens und Anfang März) und es wünschenswerth sei, daß ich, wenigstens für's Erste, von Niemand gesehen werde. Später, so mochte er bei sich selbst sagen, wird es meine Sache sein, Dich vom Ausgehen und Gesehcnwcrden abzuhalten. Obgleich es mir grade nicht sehr erwünscht war, eine so interessante Stadt, wie Qayruan, in der Dunkelheit zu betreten, so mußte ich doch auf den Wunsch des Würdenträgers eingehen und bat ihn, mir nur Zeit zum Ankleiden zu lassen. Als der Qäyid aber meine inzwischen von dein saumseligen Brahym hereingebrachten Kleider musterte, schienen ihm diese mit ihrer unverkennbar europäischen Form höchlichst zu mißfallen. Er behauptete, gar nicht einzusehen, warum ich das Costüm wechseln wolle. Ich sei so schon sehr gut, viel besser, als in der engen europäischen Tracht, gekleidet und der lange Kaftan (der Schlafrock) sähe höchst würdevoll aus und könne vielleicht noch machen, daß, wer mich darin erblicke, mich gar nicht für einen Rumv (Christ) halten werde. Umsonst versuchte ich ihm begreiflich zu machen, daß nach unsern Begriffen ein Schlafrock ein höchst negligirtes Morgencostüm und es keineswegs anständig sei, sich außer der Behausung in ihm zu zeigen. Alles war vergeblich; der Qavid, um schnellen Proceß zu machen, ließ sein Pferd vorführen, bestieg es! sein Gefolge that deßgleichen und Alle riefen nur zu, wenn ich jetzt nicht mitkäme, würde ich sie erst später wiedersehen, da der Qayid schnell in die Stadt zurück müsse. Ich wußte recht wohl, daß dieses „Späterkommen" mit „Niewiederkommen" ziemlich gleichbedeutend war. Ohne den Qäyid hatte ich aber wenig Hoffnung, überhaupt nach der Stadt zu gelangen. Da ich also nicht einmal Zeit hatte, mich umzukleiden und ohnehin schon von früheren Reisen an Verkleidungen mancher Art ge- 65 wohnt war, beschloß ich, aus der Noth auch dießmal eine Tugend zu machen und, so wie ich war, gleich zu Pferde zu sitzen und mitzureiten, während ich meine Diener anwies, mit dem Zelt und Gepäck so bald als möglich nachzukommen. AIs der Qliyid meine Fügsamkeit sah, schien er hocherfreut über dieselbe, ergoß sich in Lobeserhebungen nicht nur meiner geistigen und moralischen Vorzüge, sondern sogar meines Aeußein, welches, wie er behauptete, durch das schöne türkische Costüm (so nannte er meinen Schlafrock) sehr gehoben werde. „Ich habe immer geglaubt", bemerkte er, „daß denNumy's in ihl^n engen häßlichen Kleidern nicht wohl sein könne. Nun habe ich es aber mit eignen Augen gesehen, daß sie im Hause eine viel bequemere, der unsrigen ähnliche Tracht anlegen. Nur scheinen sie sich zu schämen, sich darin öffentlich zu zeigen. Daß Du aber diese falsche Scham überwunden hast, finde ich im höchsten Grade verständig." Aber durch solcherlei Gespräche verlor der Qäyid keine Ieit, sondern, seinem Pferde die Sporen gebend, ritt er, immer plaudernd, pfeilschnell der Stadt zu. Natürlich folgten Alle, ich mitbegrifscn, und so erreichten wir die Thore Qayruan's noch vor Sonnenaufgang. So war es denn vom Schicksal bestimmt, daß ich auch in diese,» Metta Afrika's, wie in dem wirklichen Metta, verkleidet eintreffen sollte; freilich war meine heutige Verkleidung eigentlich gar keine, sondern eine gewöhnliche europäische Haustracht, aber sie besaß, ohne daß ich im Geringsten daran gedacht hätte, alle Vortheile einer solchcn. Denn bei dem immer heller werdenden Scheine der Morgendämmerung mochte meine Gestalt zwar immerhin von manchen Vlicken gemustert werden, aber keiner der oft sehr nahe an uns Vorübertommenden verrieth jene Anzeichen fanatischer Abneigung, wie ich sie sonst an Moslims in heiligen Städten gewohnt war. Sie schienen mich offenbar, wenn auch für keinen Tuniser, so doch möglicherweise für einen II, 5 66 Aegyvter, Syrer, Türken, am Ende gar für einen Mekkaner, welche letztere hier zuweilen als fromme Subscrivtionssammler herkommen und ganz ähnliche schlafrockartige Gewände tragen, Wie das meinige war, zu halten. Unser Weg führte von« Stadtthore direct nach dem wenig entfernten Rcgierungsvalast, Dar ei Bey (d. h. Haus des Bey), wo der Qayid seine Amtswohnung hat und wo er mir die Gastfreundschaft anbot, ja in seinein eignen Interesse anbieten mußte, denn, da ich ohne seine Erlaubniß die Stadt nicht hatte betreten können, so galt er gewissermaßen als Bürge für mein nicht antimoslimisches Betragen. Hätte ich wo anders, als bei ihm, gewohnt, wie hätte er mich da überwachen können? Wie viele Verlegenheiten würde ihm mein Benehmen nicht möglicherweise bereitet haben? Diese Ueber? wachung hatte er sich nur zu sehr zur Aufgabe gesetzt, denn bald merkte ich, daß er die Absicht hege, als solle sein Haus für mich während meines kurzen Aufenthalts nichts sein, als ein goldener Käsig, in welchem ich zwar auf Seide und Kaschmirtücher gebettet und mit allen möglichen Süßigkeiten des Orients gelabt werden, aus dem ich aber vor meiner definitiven Abreise nicht herausgelassen werden sollte. Der Morgen verging nach dem Geschmack des Qayid, das heißt, er wurde mit einem langen, nie enden wollenden Frühstück von Pilaff und einer Unzahl von Süßigkeiten vertrödelt. Dann aber hatte der Qayid, wie es hieß, zu thun, das heißt, er mußte aus dem Hause gehen, und zwar bestand das wichtige Staatsgeschäft, wie ich später erfuhr, in einem Besuch seines eignen Harems, welcher nicht im Dar ei Bey, sondern in einem ihm zugehörigen Privathause befindlich war. Ich wurde unter Aufsicht seines Chalyfa zurückgelassen. Diesem Biedermann meldete ich nun meine Absicht, die Stadt ansehen zu wollen, was er Anfangs gar nicht zu verstehen vorgab. Als ich aber, diesen Entschluß der Ausführung nahe bringend, 67 schon auf der Schwelle des „Dar el Vey" und eben im Ve-Lriff, sie zu überschreiten, stand, lief mir der Chalyfa mit brei seiner Diener vor, mir den Weg versperrend. Ohne Ordre bes Qayid, behaupteten sie, dürften sie mich nicht in die Etadt lassen. Nun mußte die Nückkehr des Würdenträgers "bgewartet werden. Ich bat, wenigstens auf die Terrasse steigen zu dürfen, um die Aussicht zu genießen. Aber dieser Wunsch war ein beinahe noch ärgeres Verbrechen, als der üucrst ausgedrückte. Die Terrassen, wurde mir berichtet, gehörten fast in allen arabischen Häusern ausschließlich den 3raucn, man könne sie als Theile des Harems ansehen, und lhr Besuch wäre folglich eine EntHeiligung. Nun wußte ich Moch, dcH im ganzen „Dar el Bey" keine Frauen wohnhaft waren. Auf meinen dahin gehenden Ginwand erklärte man 'nich Anfangs für falsch unterrichtet, gab mir aber, nach lan-3cm nutzlosen Gestreite, endlich doch Necht, was mir jedoch ^enig half, denn nun wurde mir auseinandergesetzt, daß es keineswegs blos wegen der etwa im Hause wohnenden Frauen, sondern überhaupt unziemlich sei, auf's Dach zu steigen, weil lnan von demselben ja die Frauen auf andern Dachterrassen sehen könne. Ich kannte ähnliche, vom Haremslebcn dictirte "erböte in andern muslimischen Städten, wie z. B. in Algier, ^o es vor Ankunft der Franzosen auch keinem Mann erlaubt ^ar, auf eine Dachterrasse zu steigen. Auf's Dach mußte ^ also auch verzichten. So verbiß ich mit Mühe meine Ungeduld und erwartete die Rückkehr des Qäyid, welche leider kch nach Sonnenuntergang erfolgte, so daß es für heute 'Hon zu spät, Qayru.m zu sehen, und ein Tag nutzlos ver-loren war. Am nächsten Morgen setzte ich dem Qnyid energisch zu, ^cch er mich in die Stadt ausgehen und begleiten lasse, denn "n Alleingehen hätte nur ein Verrückter denken können, selbst wenn es nur aus dem Hause zu entspringen gelungen wäre. 5' 68 Der Würdenträger ließ sich entsetzlich viel bitten und setzte Anfangs allem meinem Zureden die Ausrede entgegen, davon stehe nichts in dem officiellen Schreiben, daß er mich in der Stadt Qayrwm herumgehen lassen solle. Ich fragte ihn, ob nicht darin befohlen sei, mich in die Stadt hineinzulassen? Da er dieß nicht leugnen konnte, so stcllte ich ihm vor, daß er ja seine eigne Negierung in den Ruf der größten Tyrannei durch seine Auslegung ihrer Befehle bringe, wenn er ihr zumuthe, daß sie einen Europäer zwar in eine Stadt hinein, aber nicht in derselben herumgehen lasse. Ich weiß nicht, war es, daß ihn mein Zusetzen mürbe gemacht, oder war es der Eindruck eines Geschenks, welches ich ihm versprach, endlich ließ er sich doch herbei, mich von seinem Chalyfa und einem Dutzend Schmarotzer oder Unter-bcamten, oder was diese im Palast lungernden Faulenzer sonst sein mochten, in der Stadt herumführen zu lassen. Auf einer Bedingung bestand er jedoch, nämlich der, daß ich in demselben Costüm (nach meinen Begriffen hochtomisch), in welchem ich meinen Einzug in Qayruän gehalten, auch dessen Straßen durchwandeln müsse. Diese Tracht, so meinte er, habe sich bei meinem Einzug so ausgezeichnet bewährt, daß er deßhalb gar nicht nöthig finde, mir eine förmliche Verkleidung als Moslim aufzuerlegeu, was sonst freilich nothwendig gewesen wäre, aber, da ich diesen Anzug ja einmal zu tragen gewohnt sei, so vereinige er den doppelten Vortheil, für mich keine Verkleidung zu sein und mich doch wenigstens den: oberflächlichen Beschauer nicht gleich auf den ersten Blick als NumY zu verrathen, wie es die häßliche enge europäische Kleidung unfehlbar thun würde. So trat ich nun, von einer ganzen Schaar begleitet, meinen Ausgang an. Aber alle diese guten Leute mußte ich noch bestechen, damit sie ihren Ausgang nicht auf einen im Sturmschritt durchrannten Dauerlauf von fünf oder zehn Minuten beschränkten; denn Anfangs schienen sie 69 es nicht anders vorzuhaben, als mich im Gcschwindschritt durch einige abgelegene Gassen traben zu lassen. Was mir gleich am Anfang auffiel, war, daß die Straßen ber heiligen Stadt Qayruän sich vor denen anderer muslimischer Städte durch größere Nettigkeit und Sauberkeit auszeichnen. Man sieht hier nicht die vielen Ruinen moderner Vauten, verfallener Moscheen, nicht die Haufen von Kehricht, schmutz und Unrath, nicht Thicrleichname, welche man anderswo ungestört in Mitte der Straßen verwesen läßt. Die Häuser sind alle mehrere Stockwerke hoch, meist aus Luft-^egeln gebaut, welches unschöne Material jedoch durch den leinlich gehaltenen weißen Anstrich verdeckt würd. Von verschwindend geringer Wichtigkeit sind indessen in dieser heiligen Stadt, welche den Bart des Propheten beherbergt, welche die "Sauyat el Ifriqiya", d. h. die hohe Schule von ganz Afrika, ^eißt, alle andevn Gebäude gegen die dem Cultus und dcm Unterricht gewidmeten. Qayruän ist das Nom dieses Theiles bun Afrika und mit der ewigen Stadt hat es auch die "überzahl von Gotteshäusern gemein. So sollte auch mein Ausgang hauptsächlich den Moscheen 6eltcn, welche ich freilich nicht aus großer Nähe ansehen, geschweige denn betreten durste. Aber selbst der Umstand, daß weine Begleiter überhaupt mit mir den Weg dahin ein->")lugcn, war schon ein großes Zugeständnis^ nicht ohne Bestechung erlangt. Unter den zahlreichen Moscheen dieser frommen Stadt sind es vorzüglich sechs, welche die Aufmerksamkeit "es Reisenden verdienen. Die vornehmste derselben liegt vor "em Tuniser Thore im Westen der Stadt, und da sie die ^chtigste, wenn auch nicht die größte ist, so wandten sich meine Schritte ihr zuerst zu. Sie führteimVoltsmuud schlechtweg den Namen Dschänn Ssayydy e>,' ^älnby (d/ h. die Moschee des Freundes des Propheten) und officiell Dschami 'Esayydy el Dwayb, nach 'Owayb, einem der ib en N^ibyy (Waffen- 70 brüdcr des Propheten) genannt. Von Einigen wird er fälschlich für den Barbier des Propheten gehalten. Diese Meinung hat vielleicht darin ihren Ursprung gefunden, daß 'Owayb im Besitz jener kostbarsten Reliquie, des Kinnbartes Mohammeds war, mit welcher er von Metka nach Afrika kam, bier im Glaubenskrieg kämpfte, fiel und sich erbat, von jenem Heilig-thume ungetrennt begraben zu werden. So erhebt sich dcnn über 'Owaybs und des Prophetenbartes Grab die jetzige Moschee, von einer schönen Kuppel überwölbt, welcher ein graciöser, altmaurischer Giraldaartiger Minaret zur Seite steht. Diese Moschee ist offenbar sehr alt, wenn auch nicht so alt, wie die Araber vorgeben. Der Umstand, daß alle ihre Inschriften sich konnte nur die äußeren von ferne sehen) tufisch sind, ist schon ein deutlicher Beweis ihres ehrwürdigen Alterthums. In der Nähe eines so heiligen Gebäudes, wie das Grab des Prophetenbartes, wollte mich meine Umgebung, so günstig ich sie mir auch gestimmt hatte, nicht lange lassen. Wir gingen deßhalb in die Stadt zurück, fast bis an den Rcgierungs-palast, und wandten uns dann nordöstlich, um zur großen Moschee zu gelangen. Dieses stattliche Gebäude liegt auf einem geräumigen freien Platze und ist von einer mächtigen thurmartig erhöhten Kuppel bedeckt- ihr Minaret trägt oben scharf hervortretend eine tufische Inschrift. Sie ist offenbar mit den Resten antiker Bauten aufgeführt; man erblickt selbst in ihrem der Straße zugekehrten Gemäuer nicht wenige Fragmente alter Säulen und Kunstvroducte, im Innern soll sie deren jedoch bei Weitem mehr und selbst viele wohlerhaltene antike Säulen und Pilaster enthalten, obgleich die Zahl von fünf' hundert Säulen, welche Shaw angiebt, der sie im vorigen Jahrhundert gesehen haben will, etwas übertrieben scheint. Indeß sagt auch der Franzose Desfontaincs, welcher Qayruan im Jahre 1764 besuchte, daß deren fünfhundert seien und setzt 71 hinzu -. ^6 1o8 ni 5üt onmptßr par nn r6nüz;lit italion. Nach demselben sollen darunter vier von violettem, zwölf von grünem, einige von rothgesftrenkeltem Marmor sein. Seltsam, daß ich, achtzig Jahre später kommend, über diese Säulen im Besondern, wie über das Innere der Moschee im Allgemeinen nicht mehr, ja nicht einmal so viel erfahren konnte, als Des-fontaines. Freilich stand mir kein mittheilungslustiger italienischer Renegat, sondern nur fanatische Muslims zur Seite, welche über das unnahbare Heiligthum eine höchst orthodoxe Schweigsamkeit allen meinen Fragen entgegensetzten. Nur soviel ward mir aus ihren Antworten deutlich, daß die von Shaw "nd Dcsfontaines angegebene Säulenzahl um ein Fünftheil, also auf vierhundert zu reduciren sein dürfte. In dieser Moschee bewahrt man den Mihräb (Allerheiligste) des Gründers Ssayydy 'Oqba ben Näss auf, doch soll derselbe nicht sichtbar ftin, da er bei dem Neubau der Moschee aus Ehrfurcht Mar conservirt, aber eingemauert wurde. Von verschiedenen ehrgeizigen Herrschern niedergerissen und Wieder aufgebaut, soll diese Moschee zum letztenmal von dem Bruder des Gründers der Aghlabityschen Dynastie, Syädat Allah ben Ibrahym, wl Jahre 820 völlig neu errichtet worden sein. Diesem hohen Alter entspricht auch der Umstand, daß sie etwas baufällig aussieht und wohl einer Restauration bedürfte. Die zweitgrößte Moschee von Qayruän führt denselben Namen, wie die große Hauvtmoschee von Tunis, Dschami es Saytuna, d. h. die Olivcnmoschee. Auch an ihr führte wich die Bande meiner Begleiter vorbei; sie schien mir ^doch dem Aeußern nach sich nur durch Größe und nicht durch architektonische Schönheit auszuzeichnen. Ueber ihr Innres wurden mir freilich Wunderdinge gesagt, aber was das Innre einer Moschee betrifft, da haben die Moslims in diesem Lande einem Rumy gegenüber gut lügen, da er sie doch nicht der Lüge zeihen kann, denn im Maghreb sind alle Moscheen den 72 Christen streng verschlossen, und in Qayruän ist natürlich diese Strenge verdoppelt. Die vierte Moschee, zn welcher wir unsre Schritte wandten, lag grade in entgegengesetzter Himmelsrichtnng von der großen, so daß wir auf dem Wege zu ihr beinahe die ganze Stadt durchwandern mußten und, durch belebtere Stadttheile kommend, vielen Menschen begegneten, d. h. ebensovielen neugierigen Beobachtern, welche mich mit meinem rothen Fes und in: geblümten Schlafrock wohl für den exotischsten Muselman halten mochten, der sich je Hieher verloren, aber mich nicht als Rumy anzusehen schienen. Ich kenne die Blicke zu gut, die man dein als solchen sich verrathenden und erkannten Ungläubigen zuzuwerfen Pflegt, um mich in Bezug aus diese physiognomische Einzelheit noch zu täuschen. Bald jedoch, denn Qayruan ist keine große Stadt, langten wir an der beinahe vor der Mauer gelegenen Moschee Ssayydy Abäda an, nach einem Heiligen dieses Namens, welcher vor noch nicht langer Zeit bei Tunis lebte, benannt. Sie ist zwar ganz neu, aber trotz ihrer Entstehung in unsrer kunstarmen Zeit eines der schönsten Gebäude Qayruans mit fünf großen Kuppeln von höchst harmonischer Rundung und ganz im Verhältniß mit der Baute selbst. Da indeß dieses Vethaus grade von vielen Moslims besucht wurde, denn es war die Stunde des Tsohur (Mittagsgebets), so hielt es meine Begleitung nicht für rathsam, mich länger den Blicken der Neugierigen auszusetzen. Hierauf führte man mich noch zu der Sauya Ssayydy 'Abd-el Qadir el Dschilany, einer hohen Qoränschule, mit der eme mittelalterliche Moschee, aus einem großen kuftftelgc-wölbten Vetsaal bestehend, verbunden ist. Ihr zur Seite ragt ein Minaret, der in seiner Form mehr den ägyptischen ähnelt. Sie ist zu Ehren des großen moslimischen Heiligen ^Abd-el-Qadir el Dschilany benannt, dessen sieben Heiligthümer, worunter auch sein Grab, sich in Bagdad befinden, wohin alle 73 Jahre viele Maghrebiner wallfahrten, da dieser Heilige gewissermaßen der Schutzpatron des Maghrebs ist. Die sechste Moschee, die nach Süden gelegene Dschams bu A'8 oder wie sie sonst heißen mögen, nicht natürlich sind und keinen natürlichen, sondern einen erkünstelt scharfen, auf abgenutzte Nerven berechneten Geruch besitzen. Nach meinem ersten Ausgang in der heiligen Stadt zum Qayid zurückgekehrt, merkte ich bald aus den Gesprächen dieses Biedermannes, daß eine Wiederholung desselben ihm höchst unerwünscht sein und er sein Möglichstes thun werde, um eine solche zu verhindern. Von der Stadt und namentlich von ihrem Sehenswerthesten, den Moscheen, konnte ich kaum hoffen, bei einem zweiten Ausgang mehr zu Gesicht zu bekommen, und da mich die Freuden, welche mir der gastfreie Qayid während eines verlängerten Aufenthalts im Regierungs-ftalaste in Aussicht stellte, wenig verlockten, so beschloß ich sogleich am nächsten Morgen weiterzureisen und ließ meine sämmtliche fahrende Habe bereits an demselben Nachmittage wieder vor's Thor bringen, wohin ich bei einbrechender Dunkelheit folgen sollte, um wieder bei meinem anfänglichen La.-gerplatz im Zelt zu übernachten. So erlöste ich den Qäyid von seiner Angst, ich könnte am Ende doch das Schlafrock-lebcn überdrüssig bekommen und mich zu seinem Kummer und Aller Aergerniß in meinem unheiligen europäischen Costüm zeigen. Die Geschichte von Qayruan ist zugleich die Geschichte des ganzen mohammedanischen Afrika, wenigstens in seiner Glanzzeit, denn im Mittclalter war diese, jetzt so unbedeutende und nur noch durch den religiösen Fanatismus der Be- 78 wohner und frommer Wallfahrer zu ihren Heiligthümern ihr Leben fristende Stadt, die mächtige Hauptstadt eines weiten Reiches, welches ganz Europa an Flächeninhalt wenig nachstand. Die Aghlabytische Dynastie schwang von Qayruan aus ihr Scepter über alle Reiche vom rothen Meer bis zum Cap Spartel, d. h. über ganz Nordafrika bis tief hinein über den Saum der Wüste, während in Europa ihr Sicilien, Cor-sika, Sardinien und ein Theil von Unteritalien gehorchten. Qayruan scheint nicht immer dieselbe Stelle eingenommen zu haben. Zuerst wurde es im Jahre 34 der Hidschra von Mo'awyia ben llodaydsch nach der Eroberung von Dschelüla und nach der Einnahme von Ssobaytala, der alten Hauptstadt dieses Districts, gegründet, wahrscheinlich jedoch nicht an derselben Stelle, da der zweite Gründer hier wieder einen dichten Wald antraf, wie der Geschichtschreiber der Berber, Ibn Chaldün, erzählt. Ihre zweite Gründung soll die Stadt dem hochberühmten ^!adiby en Näbyy (Waffengefährte des Propheten), Ssayydy 'Oqba, verdanken, welcher im Jahre 660 n. Chr. von Arabien aus seine siegreichen Schaarcn bis nach Marokko führte, alle Länder Nordafrika's dem Islam unterwarf und alle seine Bewohner durch's Schwert betehrte. Die arabische Legende erzählt, daß zur Zeit Dqba's sich hier ein undurchdringliches Gehölz, eine Art Urwald, befunden habe, und daß als der fromme Mann seinen Kriegern befahl, hier eine Stadt zu gründen, diese ihm geantwortet hätten: „Willst Du uns in einer Wildniß, mitten zwischen Löwen, Panthern und Schlangen ansiedeln?" Aber ^Oqba brauchte nur ein Capitel des Qonin zu recitiren und eine Ermahnung an die Thiere zu erlassen, um sie zu vertreiben. „O ihr Schlangen und wilden Thiere", so predigte Dqba, „wisset, daß wir die Gefährten des Propheten sind, zieht euch zurück von diesem Ort, den wir zu unserm Wohnsitz bestimmt haben. Diejenigen von Euch, die 79 wir später treffen, sollm sterben!" Die Schlangen ließen sich dieß nicht zweimal sagen und verschwanden. Der Zweck der Gründung soll lediglich der gewesen sein, eine befestigte Aufbewahrungsstätte für die im Kriege erbeuteten Schätze zu schaffen, da diese Beute zuerst als gemeinsames Gut aufgespeichert und erst nach vollendetem Kriege nach gewissen, vom Ü^orän vorgeschriebenen Normen vertheilt werden sollte. 'Oqba wirkte hier noch andere Wunder. Ein Streit um die Gebetsrichtung verhinderte den Bau der von ihm Projcctirten Moschee. Da träumte ^Oqba, daß ihm von Gott befohlen werde, am andern Morgen die Fahne zu ergreifen und mit ihr so weit voranzuschrciten, bis er von unsichtbarem Munde das Gebet des Takbyr aussvrcchen hören würde. Dort solle dann die Moschee errichtet werden. 'Oqba han-beltc demgemäß und so entstand die Hauptdsch^nni' Qayruän's. Was wir von dem Urwald zu denken haben, der sich 3u Dqba's Zeit hier befunden haben soll, dazu giebt uns ber arabische Historiker Rowayry einen Anhaltspunkt, indem w sagt, in der Mitte von Qayruan liege ein Castell, Namens ^amüniya («^^».-), welches von den Griechen errichtet worden sei. Also bezeugen die Moslims selbst, daß hier schon vor Dqba Bewohner waren. In der That verkünden auch die vielen antiken Baurestc, welche man in Moscheen Und Häusern von Qayruan verwendet sieht, daß hier vor bem Islam nicht nur ein Castell, sondern eine antike Stadt bestanden habe, welche von den Meisten für das Auguston drs Ptolemäos gehalten wird. Dieses Auguston ist ohne Zweifel identisch mit dem vom Itinerar angeführten Vicm» ^"3u«U, dessen Entfernung von Sufetula 73, von Hadru-"etum 25, von Tysdrus 31, von Karthago 91 Milliarien betrug. Da wir diese Orte kennen, so brauchen wir nur die Wirklichen Entfernungen derselben von Qayruan herzusetzen, Um daraus unsre Schlüsse zu ziehen. Diese sind von Sufe- 80 tula 78, von Hadrumetmn 34, von Thysdrus 40, von Karthago 90 Milliarien. Von diesen passen die erste und letzte sehr gut, die beiden andern sind im Itinerar um circa 10 Milliarien jede zu klein angegeben; da sie aber in entgegengesetzter Richtung divergiren, so heben sich diese Abschweifungen gegenseitig auf, weil eben die Entfernung von Sufetula nach Hadrmnetum überhaupt zu gering angegeben ist. Uebrigens befinden sich auch in der nächsten Nähe (etwa l/g Meile) von Qayruan die Spuren einer antiken Stadt, auf deren Trümmern sich die mittelalterliche Stadt Ssabra oder Mam.mriya erhoben hatte, welche letzteren Namen, der „die Siegreiche" bedeutet, sie von dem dritten Fatimytischen oder Dbaydytischen Chalyfen, Issmayl el Man^ür, (um 950) erhielt, der in dieselbe die Residenz der Ohalyfen verlegte, welche bisher gröhtentheilZ in Qayru^n gewesen war. Zur Zeit des schon ofterwähnten Geographen ei Bakry stand sie noch im vollen Glanz, seitdem ist sie beinahe spurlos verschwunden, ebenso wie man von der antiken Stadt, ihrer Vorgängerin, auch nichts erblickt, als einige Häuserfundamente. Wohl möglich, daß der antike Vic>u» ^^n»ti nicht an Qay-ruan's Stelle selbst, sondern an derjenigen ihrer mittelalterlichen Rivalin, Mantzuriya, gestanden habe. Nach dem Vater der afrikanischen Geschichte, Ibn Chal-dün, hatte Qayruan die wechsclvollsten Schicksale sogar schon zu derjenigen Zeit, welche man seine Glanzperiode nennen kann. Bereits im Jahre 55 der Hcdschra soll die Stadt, welche kaum erbaut worden war, wieder zerstört worden sein, und zwar durch den Nachfolger Dqba's, Mosslim ben Mächlid, welcher aus Haß gegen seinen Vorgänger dessen Gründung zu Nichte machen wollte. Als aber Dqba im I. 62 d. H. wieder zum Gouverneur von Afrika eingesetzt worden war, erhob sich Qayruän mit neuem Glanz. Nach 'Oqba's Tode siel die arabische Stadt in die Hände der Berber und 81 bildete eine Zeit lang die Hauptstadt eines Verberkö'nigs, Qa-yila, Schaych der Aurba und Verclny. Indeß Qa^ila fiel bald und nun genoß Qayruan eine 70jährige Ruhe unter den arabischen Gouverneuren, bis es im I. 140 der Hidschra wieder in die Gewalt der Berber fiel und zwar des Schaychs der Warfadschumy (eines Berberstammes), 'Abd el Mälik ben Aby el Dscha^d. Die Verber scheinen immer einen Haß gegen die arabischen und streng orthodoxen Bewohner Qay-ruans genährt zu haben, da sie diese Stadt gleichsam als den Heerd aller Feindseligkeit gegen das nationale (berbcrische) Element ansehen muhten. So mißhandelte auch ^Abd el Malik die Bewohner der heiligen Stadt und setzte sie dadurch, daß er ihre Mauern einreihen ließ, aller Unbill des Krieges aus. Erst im I. 145 der Hidschra wurden die Mauern Qay-ruan's wieder erbaut und zwar durch Mol.mmmcd ben el Ascha'th ei Chosay. den vom Chalyfen Abu Dschä'far el Manikür ernannten Gouverneur. Aber schon 10 Jahre später lesen wir von einer neuen, völligen Zerstörung Qayruän's, dessen sich berberische Rebellen, verbunden mit Arabern von der ketzerischen Secte der Ibadhiya, bemächtigt hatten und das der siegreiche Gouverneur des Chalyfen, ^Omar ben ftaf^ Ha-särmard, bei der Einnahme gänzlich verwüstete. Nach allen diesen Zerstörungen scheint sich indeß die Stadt immer wieder mit neuem Glanz erhoben zu haben und trotz dieser wechselvollen Schicksale bildete dieser Zeitabschnitt doch die Blüthe-Periode von Qayruan. Wir können sagen, daß diese Periode wit dem I. 186 der Hidschra in's Stadium des Verblühens eintrat. Die Bevölkerung von Qayruan war, wie es scheint, durchaus arabisch, d. h. orientalisch; sie »nag im Lande und wit dem Lande wenig Sympathien besessen haben. Darum hmg sie auch mit Treue an den Chalvfcn des Orients und II. 6 82 war jedem Streben nach Selbstständigkeit in Afrika abgeneigt. Deßhalb mußte sie denjenigen Gouverneuren, welche danach rangen, hier ein selbstständiges Reich zu errichten und eine eigne Dynastie zu gründen, stets ein Dorn im Auge sein. Der erste dieser Statthalter, welchem dieß gelingen sollte, Ibrähym ben ei Arhlab (Aghlab), der Gründer der Arhlabytischm oder Aghlabytischen Dynastie, ließ denn auch die Bewohner Qayruän's seinen ganzen Haß fühlen. Er zerstörte den Markt der Stadt und errichtete in ihrer Nähe seine Residenz, indem er die Stadt 'Abbässiya gründete, welche schnell emporblühte und für eine Zeitlang den Glanz der „vierten Pforte des Paradieses" verdunkelte. Sein Nachfolger und Bruder, Siyädat Allah ben Ibrahym, welcher den Chalyfen von Baghdad die Vasallenschaft aufgesagt und Münzen mit dem Namen der Edryssyten von Marokko hatte Prägen lassen, erwies sich als ein noch heftigerer Feind der orientalisch gesinnten Stadt. Nicht nur ließ er ihren Markt aufs Neue zerstören, sondern beraubte sie auch ihrer Mauern und Thore. Unter den späteren Arhlabyten sank Qayrunn gänzlich zur Provinzialstadt herab. Diese re-sidirtcn nicht einmal immer in dem in seiner Nähe gelegenen ^Wbässiya, sondern theils in neugegründeten Städten, in einem andern 'Abbässiya bei Tahart, in der Gebirgsstadt Naqqäda oder auch in Tüniss, wo namentlich die letzten Fürsten dieser Dynastie ihre Residenz hatten. Die ihnen nachfolgenden Fatimyten oder Dbayoyten wählten zu ihrer Hauptstadt Anfangs das von dem Stifter der Dynastie neugegründete Machadiya am Meere und später das schon erwähnte Ssabra oder Manyüriya, bis sie sich nach AegYPten zurückzogen, wo ihre Dynastie mit den letzten Schattenchalyfen, unter halad ed Dyn bekanntlich so traurig und ruhmlos endigen sollte. In Afrika war ein neues Geschlecht, die Sayrytcn, auf den Thron gelangt und unter ihrer Herrschaft scheint Qayruan einen letzten vorübergehenden Glanz entfaltet zu haben. 83 Aber wenn auch der politischen Wichtigkeit beraubt, so wußte doch Qayruän seinen Rang als religiöse Hauptstadt des Maghrebs lange zu behaupten und diesen hat sie selbst heutzutage noch nicht ganz verloren. Hier besteht noch die erste Qoranschule von ganz Nordafrika (und Qayruan selbst führt bei Vielen gradezu den Namen Sawiyat el Ifryqiya, hohe Schule von Afrika); die berühmtesten Schriftgelehrten tragen ihre verwickelten Spitzfindigkeiten im Schatten der Dschami/ Ssayydy 'Oqba's vor, die besten Copisten des Qorän, deren Producte vor dem profanen Auge des Christen womöglich noch strenger bewahrt werden, als andere religiöse Schriften des Islam, befinden sich noch hier. In den Augen des orthodoxen Moslim gilt Qayruän noch für das, was es einst war, für eine Schule der göttlichen Weisheit, welche der Nngläubige nicht ungestraft betreten darf-, denn wenn auch die weltliche Macht heutzutage säumt, den Numy zu Grafen, der die „vierte Pforte des Paradieses" durch seine unheiligc Gegenwart entweiht, so ist doch Allah's Gerechtigkeit da und erlangt unfehlbar den Entweihcr der heiligen Stätte, das ist bei jedem Qayruäner ausgemacht. 84 Dreizehntes Kapitel. El Dschem (Tysdrus). 5lanime dei Dschesäss l,„d der .iftwnjsn. — llersimidoil! d?r Cupngniphic des ^lüle»!äu5 in ftiejer El'gexd. — Ein Üngcr dcr Oschcl^ss. — Anine» van Terünlüm?— I^isiichler Aa»l>lNisul! va» ^ciltti der ^snwässa,— 5chrec>!M, den wir ei»em ^igcr ciilfio^le», — Ei» iimMielicudes Alnnccl. — Anliunft in el vschem. — Elj^er AMick öes Cnsosseunis. — M^ss>,,ilien semer Oi> mensioxe», — 5ci,ic Architektur. — Fncade, — U>ttenrdijcher Gnug. — 5agen liüer deüsewen. — Die AnhiMi, diü ftropljeli» t>e, Vcrber. — Veiichle der nslcn Auloren nüer 3üsdr»Z. ^/ie beiden Tagereisen, welche nur am dreizehnten und Vierzehnten März bevorstanden, sollten dnrch ihr Ziel die lohnendsten vielleicht meines ganzen bisherigen afrikanischen Neiselebcns werden, denn an ihrem Ende war es mir bestimmt, mein Zelt im Schatten eines der großartigsten Bau- und Kunstdenkmäler, welche uns das Alterthmn hinterlassen, aufzuschlagen, im Schatten des mächtigen Colosseums von Tysdrus, welches mit seinen Schwestertolossen von Nom, Verona und Pola den Ruhm theilt, die lebhafteste Ossenbarungsform des antiken Voltsgeistes, wie sich derselbe in den öffentlichen Spielen enthüllte, Zu bilden. Der Weg von Qayruan nach ei Dschem beträgt mit allen Krümmungen nahe an zwölf geographische (deutsche) Meilen, mußte also in zwei Tagereisen zurückgelegt werden. Da derselbe durch die Stammesgebiete zweier höchst verrufener, unruhiger und räuberischer Stämme, der Dschelass und der Ssawässa, führte, so hatte ich mir vom Qayid von Qayruän 85 abermals eine Bedeckung von zwei Hamba erbeten, eine keineswegs unnöthigc Vorsicht. Die Dschcläss, welche in drei Stämme, die Auläd Ssandassy, die Auläd ?)dyr und die Auläd Chalyfa, Zerfallen, bewohnen die ganze Gegend westlich und südlich von Ayn Vaydhä, vom Dschebel ^uyla und von Qayruän, bis ei ^Ayun im Süden, wo das Gebiet der Ssawassa seine nördliche Gränze hat. Sie sind indeß ein viel bedeutenderer Stamm, als die Ssawassa, oder wie man gewöhnlich den Namen ausspricht, die Ssuassy, wie schon die Dreitheilnng der ganzen Stammesmasse und deren Unterordnung unter drei verschiedene Qayid's andeutet, während die Ssawassa nur einen einzigen Qayid und eigentlich nur ein Hauptlager besitzen, welches immer in der Nähe des Seees von Qayruan aufgeschlagen ist. Die nördlichste Abtheilung der Dschclass bilden die Auläd Ssandassy, welche in der Gegend von ^Ayn Baydhä hausen und auf über 12000 Seelen angeschlagen werden. Im I. 1869, als ich zum letztenmal diese Gegend bereiste, hatten sie zum Qayid einen gewissen Vcdäwy, ein sehr verrufenes Subject, über den der Stamm so unzufrieden war, daß stete Klagen über ihn nach Tunis drangen, aber gleichwohl nichts halfen, da Bedawy klingende Gegenmittel anwandte, die er natürlich vom Stamm selbst erpreßt hatte. Die Auläd Aydyr oder Idyr, deren Zahl 7000 Seelen betragen mag, wohnen um Qayruan und Dschelüla. Ihr Qayid war im I. 1809 'Alyy ben Chalyfa, der sich um seinen Stamm wenig kümmerte, immer in Tunis oder in Qayruan lebte und die von den Aydyr erpreßten Summen durchbrachte. Bei den Aydyr zeigt sich die eigenthümliche Erscheinung, daß sie sehr geneigt sind, das Zeltes- und Nomadenleben aufzu-geben. Viele derselben haben sich schon in Qayruan niedergelassen und sind friedliche Stadtbürgcr geworden. Die Auläd Chalyfa, einige 3000 Seelen stark, hausen auf den südlichen und östlichen Abhängen des Dschebel luyla. Sie 86 gelten für die kriegerischste Abtheilung der Dschelass, hatten sogar einmal ihren jetzigen Qäyid, Mohammed ben ei Iladsch Ko°ub davongejagt und war es diesem nur durch mühevolle Intriguen gelungen, sich wieder ^n Besitz seines Amtes zu setzen. Die Ssawassa sind nur 8000 Seelen stark. Ihre kriegerische Macht ist in neuester Zeit sehr in Abnahme gekommen, so sehr, daß es der jetzige Bey wagen konnte, ihnen einen Fremden vom Stamme der Methalyt zum Qäyid zu setzen, was sie freilich als eine Schmach empfinden, aber gleichwohl sich gefallen lassen müssen. Ihr letzter Qäyid el Mdsch Myy ben Issmäyl war ein ausgemachter Schurke. Ptolemäos giebt die Wegesrichtung von Auguston (Qay-ruän?) nach Tysdrus als eine beinahe direct nördliche, nur mit einer kleinen Abschweifung nach Osten an, während sie in Wirklichkeit eine südöstliche ist. Ich habe schon oben gesagt, was für Begriffe Ptolemäos vom Verlauf dieser Küste hatte und wie diese Begriffe verstanden werden müssen, um aus seinen Angaben Nutzen zu ziehen. Für diese Provinz Byzacium habe ich nun das seltsame Resultat herausgefunden, daß die nach den Angaben des Alexandriners entworfenen Karten nur ganz einfach umgedreht werden müssen; thut man dieß, so versteht man sie, findet sie mit der Wirklichkeit auffallend harmonirend und bewundert, wie gut Ptolemäos unterrichtet war. Unter diesem Umdrehen verstehe ich natürlich nicht ein gänzliches Verdrehen der Karte, sondern nur, daß man sie so wende, daß die bei Ptolemäos von links nach rechts verlaufende Küste nun (der gewöhnlichen Richtung der Karten nach) von oben nach unten gerichtet erscheint. Dadurch wird die Richtung von Nord nach Süd in eine von Ost nach West verkehrt. Machen wir nun dieses kleine Experiment auch in diesem Falle, so wird man finden, daß die zwischen Auguston und Tysdrus vom Alexandriner angegebene Entfernung, nachdem man noch die gehörige Reduction des 87 Gradabstandes (ungefähr auf die Hälfte) vorgenommen hat, auffallend mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Die Gegend, durch welche wir am ersten Tage kamen, war eine große Ebene, im Osten von einem Salzsee dem Bahr Ssayydy Ill.läny, bespült, welcher sich in einer Länge von vier und einer Breite von zwei Meilen zwischen Qayruän und Tysdrus hinzieht. Wir kamen an einzelnen Stellen 6anz nahe an ihn heran. Die ganze Bodenfläche um ihn herum zeigte sich mit einer grauweißen Salzkruste bedeckt. Die Vegetation veränderte sich auffallend, je näher wir dem See kamen. Die gewöhnlichen Sträncher und Kräuter afrikanischer Ebenen machten den Staticeen und Salsolaceen Platz, welche w einiger Entfernung vom Ufer eine ziemlich reiche Flora entfalteten. Am Unmuthigsten zeigte sich eine Pflanze mit fettigfleischigen Blättern (I^mouiustl'uni Ou^oniimum), deren lebhaft rothe Blüthen lieblich gegen das Grauweiß des Salzes abstachen, welches Stengel und Blätter bedeckte. Im Allgemeinen waren unter diesen Gewächsen die Staticeen vorherrschend, deren grünende Büsche oft große Dichtigkeit erdichten. Gänzlich fehlten jedoch Schilf und Binsen. Näher am See wurde die Vegetation ärmer, nur einige holzige Sal-svlaceen, wie ^ulsolÄ vLnmculutu,, ^luidusi» urtioulHtu, zeigten sich noch. Endlich dicht um den Strand herum ließ der all-zugroße Salzgehalt des Bodens und die Salzausdünstung, welche die Luft erfüllte, kein Pflanzenlcbcn mehr aufkommen. Diese große Ebene, welche sich südlich von Qayruän und westlich von den hohen Gebirgen des Dschebel 'suyl, Dschebel ^rutza und Dschebel Haruarib hinzieht, möchte wohl der ^nnMl» UammüM» des Prokopios und Coripvus sein, in welchen der Patricius Salomon den rebellischen Mauren eine siegreiche Schlacht lieferte. Wenigstens paßt die Beschreibung des Prokopios, „es ist daselbst ein hohes Gebirge, zu dessen Füßen sich eine weite Ebene hinstreckt" sö^ öc inll, ^rolFOa auf keine andere Gegend der Provinz Byzacium, in welcher doch die Schlacht geliefert Wurde, fo gut wie auf diese. Ich kann nicht umhin hier die Verse des Corippus (Iohannis VI. 283) zu wiederholen, welche die Mammensischen Gefilde be-rükmt aemackt haben. .... Campis Marnmensibus Anstur Rustica funereis stcrnebat corpora telis Byzacii partes rapiens pracdamque secundam. Im Laufe des Nachmittags erreichten wir eine große arabische Niederlassung, den Sitz eines der vier iHäyids des Stammes der Dschcläss. Der Häuptling selbst war grade abwesend, aber einer seiner Söhne empfing mich sehr freundlich, was mir auffiel, da ich gar nicht an seinen Vater empfohlen war. Ich mußte Kaffee trinken und wurde viel nach meiner vermeintlichen Heimath (England, denn alle Europäer gelten in diesem Lande für Engländer) ausgefragt. Es half wenig, das; ich diesen Leuten meine Nationalität auseinandersetzte, sie konnten dieselbe immer nur als eine Modification von „englisch" auffassen. Sie bewunderten alle Gegenstände, welche ich an und um mich hatte, von meinen Stiefeln bis zu meinem Sattel, vor Allem aber ein dummes Spielzeug, welches ich, dm eingebornen, oft sehr kindischen Charakter wohl kennend, mitgenommen hatte, um gelegentlich Jemand damit glücklich zu machen. Es war ein kleiner Springpopanz, der aus einer Schachtel hervorhüpfte, sowie man denn Deckel öffnete. Dieser geistreiche Mechanismus gab Gelegenheit zu zahlreichcnLobeserhcbungen meiner „Landsleute", d. h. der Engländer, welche ein so gescheidtes Spiel erfunden hätten. In der Nähe dieses Lagers kam ich an sehr umfangreichen antiken Nuinen vorbei, unter welchen ich das Fundament eines Tempels deutlich zu identisiciren vermochte. Unweit 89 dieses Gebäudes müssen andere ähnliche, in einer gewissen Symmetrie geordnet, gestanden haben, wie ich an den Spuren erkennen konnte, ein Umstand, welcher mich auf die Vermuthung brachte, als könne dieß die Stelle eines Forums gewesen sein, wie es jede römische Stadt besaß, denn die Ruinen waren unverkennbar römisch. Pwlemäos giebt uns in dieser Gegend zwei, nur 2—3 Meilen von einander entfernte Städte an, welche er Zalapa und Zurmentum nennt. Da letzteres Mit dem Terentum der Peutinger'schen Tafel und der kirchengeschichtlichen Berichte, welches Einige, unter Andern auch Davis, in unserm heutigen Nachtquartier el 'Ayun erkennen wollen, identisch sein dürfte, so bleibt für diese Stelle nur der Name Za-lafta. Nach den Entfernungsangaben des Itinerars sollte man jedoch schließen, daß in dieser Nähe ein Ort Namens Germani-ciana gelegen habe, derselbe wird von Tusdro (Tysdrus) 34, Und von Sufetula 76 Milliarien entfernt angegeben, Data, welche auf diese Gegend ausgezeichnet passen, sei es nun, daß Man el M)un oder das obengenanntc Lager der Dschelass für Germaniciana nehmen wollte, denn beide sind nur wenige Milliarien von einander entfernt, ihre Ilanschyrs auch fast von gleichem Umfang, so daß man in Abwesenheit einer aufklärenden Inschrift wirklich in Verlegenheit ist, welchem Man den Namen beilegen kann. Zwischen diesem Lager und el ^Ayun beträgt die Entfernung in der Wirklichkeit nicht viel mehr als die von Ptole-lnäos zwischen Zalafta und Zurmentum angegebene. Wir erreichten ei Ayun (d. h. die Quellen) noch vor Sonnenuntergang. Die Ruinen sind ebenfalls bedeutend, ja zum Theil besser erhalten, als die im Gebiete der Dschelass. Namentlich d:c Nekropole zeigt sich noch in leidlichem Zustande. Ich sah dort ein großartiges rundliches Grabmonument auf sehr solider Basis ruhend, nach Art jener, deren man so viele an der Via Apftia in Rom erblickt, auch ein kleineres Denk« 90 mal, ziemlich ähnlich dem sogenannten Tempel des «Isug i-«tiou1u8 beim Hain der Egeria unweit Rom. Nur die Stadt der Gräber schien dieses einstige römische Municiftium überlebt zu haben, denn alle andern Ruinen waren unförmige Trümmerhaufen; aber aus der Bcdeutendheit der Nekropole läßt sich auf die der Stadt schließen, deren Namen wir einstweilen nur errathen, nicht aber definitiv bestimmen können. Sehr gut paßt die Lage, wie schon erwähnt, auf das Gcrmani-ciana des Itmerarium Antonini Augusti, welches zwischen Elia und Aquae regiae lag. Elia selbst scheint es nicht gewesen zu fein, da dieses nur 18 Milliarien von Tysdrus entfernt war und hier die Entfernung an 30 beträgt. Davis halt es für Terentum, ohne jedoch seine Gründe für diese Meinung anzugeben. Die beiden Itinerare, das Antoninische und die Peu-tinger'sche Tafel, geben übereinstimmend eine Straße an, welche offenbar durch diese Gegend führte. Die Endstationen Aquae Negiae und Tysdrus (auf der Tafel fälschlich Thisurus geschrieben) sind bei beiden dieselben. Auch die eine Zwischen-statwn, das zunächst bei Tysdrus gelegene Eliae oder Aeliae findet sich bei beiden Quellen. Zwischen Eliae und Aquae Regiae giebt das Itinerar Germaniciana, die Tafel Teren-tuman. Da jedoch die Entfernungen von Germaniciana, von Eliae und Aquae Regiae zusammen 33 Milliarien, die von Terentum nach den beiden Punkten nur 26 Milliarien betrugen, so muß Terentum offenbar auf der directeren Straße von Tysdrus nach Aquae Ncgiae, abseits Germaniciana, gelegen haben. Die Stelle von Aquae Regiae ist zwar nicht ganz genau ermittelt, aber die Richtung, in der es lag, kennen wir doch. Deßhalb kann uns auch diese Richtung leiten, wenn wir in ihr eine grade Linie ziehen und nach der Länge dieser Linie, je nachdem sie mehr den 38 Milliarien des Itincrars oder den 26 der Tafel entspricht, auf den Namen 91 des hier gelegenen Ortes schließen. Danach würden wir allerdings hier Tercntum zu suchen haben. Etwas Gewisses läßt sich jedoch darüber nicht sagen, ehe nicht die Position von Eliae selbst ermittelt ist. Es wäre sehr gut möglich, daß wir wirklich hier Eliae und in den oben beschriebenen Ruinen Terentum zu sehen hätten. Jedenfalls scheint Germaniciana als Ortschaft eine höhere Bedeutung (so gering diese auch sein mochte), als das von der Peutinger'schcn Tafel erwähnte Terentum besessen zu haben, denn von ersterem wissen wir, daß es in der christlichen Periode ein Bisthum war, dessen Bischof Iambus, der auch später als Confessor erscheint, als HplyWpu^ 66rm:minÄM6N8i8 im Jahre 255, auf dem von Cyprian präsidirten karthagischen Concil erschien, während Terentum in den Bisthumslisten fehlt, ein Umstand, der ihm jede Nichtigkeit raubt, da zu jener Zeit jedes Städtchen seinen Bischof besaß. Noch im siebenten Jahrhundert wird Ger-Maniciana erwähnt und zwar wegen der wichtigen Landgüter, welche der heilige Stuhl unter Gregor dem Großen in seiner Nähe besaß Avanue» viaoonus Vita Ore^orü U^ni 0Mt. 251). Am Morgen des vierzehnten März drangen wir in das Gebiet des Ssawassa-Stammes ein. Die ersten Männer dieses raubsüchtigen Volkes, welche ich erblickte, machten auf Wich einen keineswegs günstigen Eindruck. Es waren wild barbarische Kerle, das Gesicht von struppigem Varthaar bedeckt, die Augen von unheimlichem Feuer funkelnd, mit trotzigem, unverschämt scheinendem Gange. Sie sahen nicht nur wie Näuber aus, sondern bald sollte ich mich überzeugen, daß sie es auch waren. Ich war nämlich etwas vor meinen Leuten vorausgcritten, und da ein kleiner Hügel den Anblick derselben noch verhinderte, so war ich scheinbar allein. Eine solche gute Gelegenheit wollten die schurkischen Ssawässa nicht unbenutzt vorübergehen lassen. Sie konnten zwar nicht an- 92 nehmen, daß ein Europäer in diesem unsichern Lande ohne bewaffnete Diener und Bedeckung reise, aber sie mochten hoffen, noch vor Ankunft meines Gefolges Zeit zu haben, mich auszuplündern und zu fliehen. Es waren ihrer nur sechs, eine kleine Zahl meinem Gefolge, aber eine große mir allein gegenüber. Anfangs verriethen sie noch nicht ihre böse Absicht, sondern stellten sich vielmehr höchst demüthig, kamen mit unterwürfigen Begrüßungsformeln auf mich zu, und Einer bat mich, ihm die Stunde zu sagen. Eine solche Frage von Seiten eines Beduinen war mir schon gleich verdächtig, da diese Leute, wenn sie auch keine Uhren besitzen, dennoch gewohnt sind, aus der Höhe des Sonnenstandes dM Stunde des Tages mit erstaunlicher Genauigkeit heraus zu lesen. Daß es dabei nur darauf, daß ich meine Uhr herauszöge, um ihnen das ErHaschen derselben möglich zu machen, abgesehen war, schien unzweifelhaft. Ich machte ihnen natürlich nicht das Vergnügen, meine Uhr sehen zu lassen, sondern gab dem Fragenden die Stunde nach meiner bloßen Vermuthung an. Da so das erste Manöver fehlgeschlagen war, beschlossen sie, ein zweites zu versuchen. Sie baten mich plötzlich in jämmerlichen Ausdrücken, ihre große Armuth beklagend, um Almosen. Ein so plumpes Stratagem bewies, daß sie mich für einen rechten Neuling halten mochten. Ich wußte aber zu gut, daß Almosen bei diesem Volk nur Raub bedeute, daß die einmal gezogene Börse schnell erhascht und unwiederbringlich verloren ist. Deßhalb gab ich dießmal gar keine Antwort. Sie mochten nun glauben, oder vielmehr sie stellten sich, als glaubten sie, ich hätte ihr Gesuch nicht verstanden, obgleich sie aus den gewechselten Worten sehr gut auf meine Kenntniß ihrer Sprache schließen konnten, deßhalb näherten sie sich mir immer mehr und suchten durch beredte Zeichen ihr Begehren deutlicher auszudrücken. Diese Zeichen wurden jedoch zuletzt so beredt, daß die Beduinen meinem Pferde in 93 die Zügel und mir an die Hände griffen. Dieß war der Moment, ihnen ein wenig Entschlossenheit zu Zeigen. Ich zog wit der einen, noch freien, glücklicherweise der rechten Hand, meinen Revolver, zielte auf Denjenigen, welcher meinem Pferd M den Zügeln lag, und rief ihm zu, loszulassen oder ich würde abdrücken. Wie mit einem Schlage änderte sich nun die Scene. Ich war plötzlich frei, und alle sechs Araber flohen in verschiedenen Richtungen auseinander. Was zu dieser Plötzlichen Flucht mitgewirkt haben mag, war ohne Zweifel die inzwischen eintreffende Ankunft meiner bewaffneten Diener und der Hamba, aber die große fast abergläubische Furcht, welche alle Araber vor europäischen Feuerwaffen hegen, mochte auch ihr gutes Theil dazu beigetragen haben. Ich war übrigens froh, daß ich nicht zum Abfeuern des Revolvers gekommen war, denn eine Verwundung oder gar Tüdtung eines dieser Araber hätte auf mein Haupt alle Schrecken der Blutrache geladen. "Unmöglich ist es dem Nn-glücklichen, welcher diese Rache auf sich ladet, sich zu retten, außer etwa durch schleuniges Verlassen des Landes. Denn dem Bluträcher ist jede List, jeder Schleichweg, jedes heimliche Auflauern, jeder Hinterhalt erlaubt, um zu seinem Ziele zu kommen, Niemand kann sich also vor dem rächenden Mord sichern. Muth und Entschlossenheit helfen in solchen Fällen gar nichts, denn der Dolch kommt aus dem Finstern, aus irgend einem Versteck, fast immer von der Seite, wo man ihn am Wenigsten erwartet. Durch dieses kleine Abenteuer über die Gefahr der Vereinzelung belehrt, befahl ich einem Theil meiner Leute, vor, einem andern hinter mir, und zwar in nächster Nähe zu bleiben und so rückten wir nun in geschlossener Colonne weiter. Gegen Mittag kamen wir au eine arabische Niederlassung, ein Lager derselben Ssawassa, mit deren Stammesgenossen ich eben noch auf so unangenehme Weise in Berührung ge- 94 kommen war. Was sich hier ereignete, war ein komisches Gegenstück zu dem eben Vorgefallenen. Jetzt waren wir es, die gefürchtet und denen möglicherweise räuberische Absichten zugeschrieben wurden, denn „Hammer oder Amboß" muß der Mensch sein, so heißt es bei diesen Leuten. Die Niederlassung war nämlich nur schwach, es mochten nicht mehr als fünfzig Männer da sein, und fünfzig schlechtbewaffnete Beduinen fühlen selten den Muth, zehn gutbewaffnete Europäer oder europäisch Bewaffnete anzugreifen. Wir waren freilich nur acht Bewaffnete, denn Moses und Saul führten nur Kochlöffel und Guitarre. Aber wir ergänzten unsere numerische Schwachheit durch unser martialisches Aussehen; wir acht waren bis an die Zähne bewaffnet-. die zwei Hambas sahen vielleicht am Kriegerischsten aus; aber nichts glich dem männlichen, imposanten Aussehen von Ilädsch Hamed und seinen beiden Söhnen, welche drei sehr gut mit meinen Doppelbüchsen umzugehen gelernt hatten. Bedawy und Brähym waren vielleicht die schwächsten Punkte in unsrer kleinen Schaar, aber an kriegerischem Aussehen gaben sie Niemand nach; Bedawy hatte nicht weniger als vier Pistolen in seinem Gürtel stecken, dazu die alte silberbeschlagene, mit Perlmutter ausgelegte Moqöla auf der Schulter; Brahym außer einem Revolver, welcher „Leon Roches" (d. h. einem beliebigen Franzosen, für dessen Namen der wohlbekannte des Herrn Leon Roches herhalten muß) gehört haben sollte und demselben wahrscheinlich gestohlen War, führte noch eine Flinte, einen Iataghan und vor allen Dingen die alte kabylische Flissa, ein Schwert von zwei Schuh Länge mit einer mächtigen hölzernen Scheide, kunstvoll geschnitzt. Mit soviel Pulver und Eisen auftretend, verfehlten wir keineswegs, bei den Zeltbewohncrn eine große Sensation zu erregen, die natürlich nicht angenehmer Art sein konnte. Bei unserm Nahen liefen nicht nur Frauen und Kinder 95 davon, als ob der Feind in ihr Lager fiele, sondern selbst die Männer zogen sich theilweise zurück bis auf einige beherztere, welche uns erwarteten und bei unserer Ankunft nach unserm Begehr fragten. Ihre Gesichter entsinsterten sich merklich, als wir ihnen erklärten, weiter nichts zu wollen, als hier ein wenig auszuruhen und einige Lebensrnittel und zwar käuflich zu erlangen. Hierauf wurden wir eingeladen, uns in dem „Zelte der Gastfreundschaft" niederzulassen, wo sich bald ein Theil der Anfangs Entflohenen einfand und wir zuletzt von einem dichten Kreise umgeben waren. Kaffee und Tabak sind bei diesen Zeltbeduinen ungewohnte Dinge, sie trinken nur die Milch ihrer Kameele, deren sie sehr viele besitzen und welche ihren Haufttreichthum bilden. Nnter diesen Wüsten« wssen, deren eine ganze Heerde vor den Zelten lagerte, cnt-^ckte ich ein phänomenales Thier, nämlich ein musitliebcn-des Kameel. Von musitliebenben Hunden, Pferden, Elephanten hatte ich gehört, aber ein melomanes Kameel war mir noch nicht vorgekommen. Ich hatte nämlich Saul den Arabern s"nc Künste als Violinspieler zeigen lassen, welche diese Zwei-füßler weit weniger zu würdigen schienen, als das musikalische Kameel, welches jedesmal, so oft die Violine ertönte, dicht an's Zelt herankam und sogar einmal seinen Kopf hineinsteckte. Um der Sache gewiß zu sein, ließ ich unsern Apollo ün Freien auf- und niedergehen und dabei immer geigen. Stets folgte das musitalische Kameel seinen Schritten. Diese Seltenheit an einem Höckerthier bestimmte mich dazu, ein Gebot dafür zu machen, aber so hoch auch das Angebot war, so gingen die Ssawassa doch nicht darauf ein-, plötzlich schiebn sie das Kameel, das ihnen nun in einem ganz neuen ^cht erschienen war, denn sie selbst hatten sein Musikgenie "och nicht gekannt, als ein Wunderthicr anzusehen. Nach kurzer Nast brachen wir in der Richtung von ei Dschem auf, welches wir gegen Abend erreichten. Die mäch- 96 tige Masse des Colosseums zeigte sich schon lange vorher am Horizonte! je näher wir kamen, desto deutlicher hoben sich die graciösen Formen der Bogen hervor und endlich trat uns die ganze herrliche Baute in ihrer vollen Pracht entgegen. Der Anblick eines so imposanten und zugleich, wenigstens was seine Fayade betrifft, so wohlcrhaltencn Kunstdentmals ist dem afrikanischen Reisenden um so mehr willkommen, je mehr antike Ruinen er schon in diesem ^ande aufgesucht hat, um durch den Anblick der meisten nur enttäuscht zu werden, denn wie ansehnlich auch die Zahl der erhaltenen Bauten hier noch sein mag, so ist doch die der verfallenen, der in unförmigen Trümmerhaufen den Boden bedeckenden Legion und meistens ist der Reisende, ehe er der Stelle einer antiken Stadt naht, schon im Voraus auf eine Enttäuschung gefaßt. Nur hier, in el Dschem, fand das Wort Enttäuschung bei mir nicht seine Anwendung. Gegen diesen mächtigen Zeugen einer längstveisunkenen Civilisation nehmen sich die Hütten der modernen Barbaren, welche in seinem Schatten erbaut sind, wie elende Maulwurfshügel aus, ja man bemerkt sie kaum und beachtet sie gar nicht, und ständen nicht die Einwohner von cl Dschem als fanatisch und räuberisch in einem sehr schlechten Nufc, so würde man auch ihnen keine Aufmerksamkeit schenken; so wie es steht, muß man es aber thun, lediglich nm vor ihnen sich in Acht zu nehmen. Ich schlug mein Zelt unweit des leider zerstörten westlichen Eingangs zum Colosseum auf, welches ich erst am nächsten Morgen genauer besichtigen konnte. Es gleicht in jeder Beziehung seinen beiden großen Schwesterkolossen, dem Amphitheater der Flavicr in Rom und dem Veroneser. Gegen das erstere muß es natürlich die Flagge streichen. Dem Veronescr Amphitheater steht es aber an Größe nur um wenige Fuß, und an Wohlerhaltenheit seines 97 architektonischen Schmuckes um nichts nach. Denn nach den neuesten Messungen beträgt die Länge des Tysdraner Co-losseums 489 Fuß bei 403 Fuß der größten Breite, während die des Veroneser 505 Fuß bei 405 Fuß Vreite ist. Freilich haben die vielen, oft plumpen Restaurationen, die ja auch das Colosseum in Rom so häßlich entstellen, dem Veroneser seine Sitze erhalten, welche jedoch in Tysdrus ebensowenig, wie in Rom selbst, geblieben sind. Aber dafür fehlt in Ve-wna beinahe die ganze Facade, deren Nohlcrhaltenheit dem Amphitheater von Tysdrus einen so hohen Kunstwerth verleiht und jedenfalls seinen Vorzug vor dem Veroneser bedingt. Auch vor einem dritten Schwesterkoloß, dem Amphitheater in Pola, welches von Vielen mehr als das Veronescr geschätzt wird, besitzt das Colosseum von el Dschem einen Iroßen Vorzug, den nämlich, daß seine drei Stockwerke alle gleichhixh und mit gleichen architektonischen Verzierungen geschmückt sind, während in Pola die Stockwerte ungleich sind, das Erdgeschoß höher, als der erste Stock, dieser höher als ber zweite, und nur die beiden untern Stockwerke Arcaden und Säulenschmuck, das obere jedoch nur kleine schmucklos-bürftigc Fenster besitzt. Was für mich den Hauptreiz dieses Kolosseums aus« wachte, war, daß an ihm dasjenige fehlte, was mich so oft ^n seinem Echwesterkoloß in Rom gestört hatte, nämlich die Plumpen, modernen Restaurationen, die abscheulichen, hohen, nagelneuen Pfeiler, mit den großen päpstlichen Wappen und ben ellenlangen Inschriften, welche das Lob dieser jämmerlichen Flickereien singen und mehr Raum einnehmen, als jene Inschrift, welche der Erbauung selbst galt. Gleich dem römischen besitzt das Colosseum von Tysdrus drei Stockwerke, deren äußere Faoadc, mit Ausnahme einer ziemlich großen Lücke im Westen ringsherum wohlerhalten ist. Die Fayade zeigt drei übereinanderstchende Arcadenreihen, II 7 98 über denen die mit Pilastern geschmückte hohe Brüstung gleichsam ein viertes Stockwerk bildet, mit länglichen, oben abgerundeten Fenstern, zwischen welchen lange Reihen schöner römischer Halbsäulen stehen. Ihre Ordnung entspricht nicht dem ausgebildeten Typus des sogenannten gemischten Styls, sondern ist' vorwiegend noch korinthisch, nur mit geringen Mo-dificationen, sie bildet gleichsam eine Uebergangsstufe des korinthischen Zum eigentlichen gemischten Säulenstyl. Piedestale und Capitäler in allen drei Stockwerken sind nämlich hier in einem und demselben Kunststyle, nicht wie in Nom und bei vielen ähnlichen Bauten in den verschiedenen drei Säulenordnungen, je ein Stockwerk in einer Ordnung. Hierin ist ohne Zweifel ein Vorzug zu erblicken, denn dieses Uebercin-anderstellen verschiedener Säulenordnungen an einem und demselben Gebäude widerspricht gewift der Reinheit des Styls. Jedes der drei Stockwerke besitzt eine Höhe von einigen dreißig Fuß, die des ganzen Gebäudes beträgt nahezu hundert. Der einzige jetzt noch wohlerhaltene Eingang ist der östliche. Die Zerstörung des westlichen rührt von einein Beherrscher von Tunis aus dem vorigen Jahrhundert her, welcher verhindern wollte, daß das Colosseum Rebellen zur Festung diene, zu welchen: Zwecke es, ganz ähnlich wie das Colosseum zu Rom, öfters benutzt worden war. Die Tradition bezeichnet Mohammed Bey (um 1700) als den Urheber dieser Zerstörung. Unter seiner Negierung hatten die beständig rebellischen Stämme des Innern sich im Colosseum verschanzt und es, wie einst jene alte Berberkönigin, die Kahyna, zu ihrer Citadelle gemacht. Dennoch wurde es vom Bey erobert, welcher dann drei der Arcaden am westlichen Eingang niederreißen ließ. Aber diese Bresche ist seitdem durch die muthwillige Zerstürungslust der Araber noch sehr erweitert worden, so daß jetzt von 64 Arcaden des Amphitheaters beinahe ein Drittel fehlt. 99 Als ich durch den östlichen Eingang unter die herrlichen Arcaden trat, überschlich mich ein oftempfundenes Gefühl. Wie gern und häufig war ich in Rom grade zwifchen ähnlichen Arcaden gewandelt, stets diesen kühlen Gang dem Centrum des Amphitheaters vorziehend. Auch hier empfand ich wieder, daß dieser Theil eines Amphitheaters, wo man weder außen noch innen ist, und doch das Aeußere und Innere sieht, der lohnendste ist. Die so sehr interessante Struetur eines jeden Amphitheaters läßt sich auch hier am Besten stu-diren. Obgleich nämlich die gewaltsame Zerstörung des Innern sich auch vielfach bis auf diese Halle erstreckt hat, so sind doch nicht alle Treppen, innern Thore und Seitengänge verschwunden oder unkenntlich gemacht. Einzelne Treppen, welche zu den verschiedenen Sitzabtheilungen (umLniana) führten, fand ich noch bruchstückweise erhalten, namentlich eine gegen Süden gelegene, sowie das daran gränzende Ausgangsthor (vnniiwrium). Im Innern zeigt sich freilich die Verwüstung groß, die Sitze sind alle verfallen, nur von einzelnen der obersten, welche durch die darunter stehenden Arcaden der Fayade gestützt werden, konnte ich Spuren, sowie auch die Zwischenmauer (daitßus) entdecken, welche diese dem gemeinsten Volke angewiesenen Plätze von der nächsten m^niana trennte. Auch von einer über den letzten Sitzesreihen aufgebauten Loge (lu^oum oder pulp'Mm) konnte ich Spuren sehen. Solche auf der summn maoin-mn erbaute Logen dienten manchmal als Sitz für höchste Personen, vielleicht auch für Damen. Sie kommen zwar bei Amphitheatern selten vor, in Algerien sah ich jedoch ein anderes Beispiel, nämlich in Guelma (dem ^nltlmtl Aumiäiao). Der Ausdruck la^vum oder pulm'wm findet auch nur ausnahmsweise in dieser Bedeutung seine Anwendung. Gewöhnlich versteht man bekanntlich unter lo-3 222) möchte die Erbauung dem Kaiser Gordian 1. (237) zuschreiben, welcher in Tysdrus von seinen Soldaten zum Imperator ausgerufen wurde. Aber, da dieser Kaiser den Purpur nur anderthalb Monate trug, so ist es sehr unwahrscheinlich, daß er diese kurze Zeit, in welcher er genug mit dem Bekämpfen von Gcgcnkaisern zu thun hatte, auch noch mit Abfassung von Bauplänen ausgefüllt und geradezu unmöglich, daß er den Plan noch selbst ausgeführt habe. Von der Stadt Tysdrus selbst haben wir nur äußerst dürftige Nachrichten. Eine Bedeutung scheint sie erst in der Kaiserzcit erlangt zu haben, denn zu Cäsars Zeit war fie in so elenden: Zustande, daß dieser ihren Bewohnern, welche auf Pompcjus' Seite gestanden hatten, die Strafe für solche Feindlichkeit ausdrücklich „wegen der Armseligkeit ihrer Stadt" (pi'optor Inimillt^tom ^ivit.lt!^) erlieft. Am Meisten wird sie M diesem Kriege der Pompejaner gegen Cäsar genannt ((^gar ^«N. ^triean. o. 36—86). Sie hielt zur republikanischen Partei bis nach der Schlacht bei Thapsus, als Cnejus Do-witius in Cäsars Rainen von ihr Besitz ergriff. Vor jener Eroberung scheint die Stadt der Schauplatz der Gewaltthätigkeiten einer ungezügelten Soldateska gewesen Zu sein, welche den Bürgern viele Leiden verursachte. Unter jenen waren auch viele Gladiatoren, welche Considius, Scipios' Unterfeldherr, hier vereinigt hatte. Erwähnt wird Tysdrus mit unbedeutenden Modifikationen in der Schreibart des Namens fast von allen alten Geographen. Plinius (V, 4) nennt es oppiämn 'I'uuaritiUlum und zwar führt er es unter den 30 freien Städten der I>l'oe(ii>8uli»ri8 an. Diese oppiög, lidoia standen aber im Nang unter den 15 uppiätl eiviuN liomanorum und diese wieder unter den Ooloniae. Tysdrus war also zu Plinius' Zeit eine Stadt nur dritten 104 Ranges. Zur Zeit der Antonine hatte sie sich zum Nang einer Colonia erhoben, denn im Itinerar heißt es Tusdrus Colonia, in der Peutinger'schen Tafel Thisdrus (fälschlich Thisurus) Colonia. Bei Ptolemäos wird der Name Thys-drus, bei Hirtius Tisdra geschrieben. Noch ärger wurde dieser Name in der christlichsten Periode entstellt. Da erscheint es gar als i^igouMwg ^m-,o «cciLkinü I'urüitlimuw erwähnt. Bei den Beweisen über die Identität von el Dschem mit Tysdrus nach den Gntfernungsangaben der Itinerare braucht man sich nicht deßhalb aufzuhalten, weil dieselbe durch hier gefundene Inschriften dargethan ist. Im kleinen Museum auf dem Ludwigshügel in Karthago befindet sich nämlich eine sehr gut erhaltene Inschrift, deren Fundort verbürgt ist, in welcher zweimal der Name Thysdrus (mit th wie bei Ptolemäos) vorkommt; das erste Mal in dieser Form, das zweite Mal als Thysdritana Colonia. Die Stadt wird darin als unter der Schutzgottheit des Mcrcur stehend bezeichnet. In der That kann sie nur dem Handel jenen auf' fallenden Vlüthezustand verdankt haben, welcher solche Kunstbauten, wie das Colosseum, in's Leben rief. Ihre höchste Glanzepoche muß sie zur Zeit des ersten Gordian (237) besessen haben, da ebensowohl die Vürger von Tysdrus, wie die hier befindlichen Legionen den guten alten Gordian zur 105 Annahme des Purpurs zwangen, denn eine unbedeutende Stadt hätte wohl schwerlich eine solche Rolle spielen können. Freilich^erwiesen sie dem Kaiser damit einen schlechten Dienst, denn diesem war die Krone so lästig, daß er sich nach sechzig Tagen durch Selbstmord ihren Verpflichtungen entzog. 106 Merzehntes Oapitel. 'Ayn baydha, Dschilma. Aückkehl ö»m l,'n^er der 5saw5ssa, — Einförmige Cüene, — Die wohilungcii der ^oiunden, — Die anüken Natalia ode,- Magnli«, — "A^n l'nijdhä,, — DaZ anlike Aqilne Argiae. — Vergleich der allen 5lc>lw»el!laseln, — ^ssnnzen-wuchs der ÄeMnlandschnsl. — Nne wnssmeichcre Gegend.— Uiedrrlassuilg des Djchel!issfl„nl»ie5, — Der 5lamm der Furafch^sch. — MnHmien dessel-be». — Hudj'ch humeds Grjangeujchlisl »iilcr ihnm, — bedenken i» 1^'zug auf ihr Verhüllen, — Aüllüüst i„ Dschilm», — Das aniiüe ?iilm!, oder oppiäum <ÜIli!mÄnc!U»u,— hamedÄ A>l5fül)M!Ng mil den Faruschusch, Dinen Tag der Nuhe und des archäologischen Genusses hatte ich mir bei dem herrlichen Colosseum von Tysdrus gegönnt. Der folgende Tag, der 16. März, sollte mich wieder nach el Ayün zurückführen. Wieder kamen wir zu derselben Niederlassung der Ssawässa-Veduinen, welche das erste Mal so viel Furcht vor unsrer kleinen, aber wohlbewaffneten Karawane gezeigt hatten, die uns aber jetzt als alte Bekannte begrüßten. Saul mußte abermals sein Violinspiel zum Besten geben und abermals wurde der Musiksinn des melodieliebenden Wüstenschiffes erprobt. Von el 'Ayun (die Quellen) ging dann am Morgen des siebzehnten März unser Neg in direct westlicher Richtung nach einem andern, seinen Namen von einer Quelle herleitenden Orte, nämlich nach M)N baydha, gewöhnlich bydha ausgesprochen (der weißen Quelle). Die Gegend bildete Anfangs noch eine Fortsetzung der einförmigen Ebene von Qayruan, dann wurde das Terrain hügeliger und gegen Abend befanden wir uns bereits mitten zwischen Gebirgsausläufern. Dieses Gebiet gehörte wieder 10? dem Stamme der Dschelass, welchen wir auf unserm Wege von Qayruän nach el 'Ayün angetroffen hatten. Auch diese Leute schienen die Fremden, besonders ungläubige Fremde, durchaus nicht zu lieben: da sie aber wegen ihres Ungehorsams in neuester Zeit von der Regierung mehrmals mit schweren Geldstrafen heimgesucht worden waren, und folglich allen Grund besaßen, derselben keine Ursache zu neuen Bestrafungen zu geben, so mußten sie auch gegen mich, der ich mich des Schutzes ihrer Regierung erfreute, wie die mir zur Escorte dienenden Hamba's bewiesen, eine gewisse Höflichkeit und Willfährigkeit zeigen. In der That konnte ich mich nicht ubcr ihr Benehmen beklagen; sie fanden sich sogar bewogen wir Gastfreundschaft anzutragen, deren ich jedoch glücklicherweise nicht bedürfte, da mein europäisches Reisezeit mir ungleich mehr Bequemlichkeit bot, als die aus Ninderhäuten gebildeten niedrigen Zelte oder Neiserhüttcn dieser Veduincn, bei deren Anblick mir imme? Sallust's treffende Beschreibung einfiel, welcher sie zu schildern scheint, wenn er von den Hütten der damaligen Numidier sagt: „Bis auf den heutigen Tag sind die Wohnungen des numidischen Volkes, die sogenannten Mapalia (Hütten, Gurbi's, auch Zelte) länglich, mit gctrümmten Dachseiten gedeckt, den Schiffskielen an Form Vergleichbar" (äs deilo ^u^urtk. 18). Sallust wollte wohl burch die Worte „bis auf den heutigen Tag" seinem Erstaunen Ausdruck geben darüber, daß die römische Civilisation noch uicht vermocht hatte, die Numidier zum Aufgeben der barbarischen Sitte des Wohnens in elenden Zelten oder Neiserhütten zu bringen. Aber fünfhundert Jahre nach Sallust giebt ein anderer Schriftsteller, der Byzantiner Prokopios von Cäsarea, eine ganz ähnliche Beschreibung des Wohncns und Lebens dieser für alle Civilisation unzugänglichen Menschen. „Die Mauren", sagt Prokopios, „führen das härteste Leben. Sie schlafen auf dem nackten Boden, nur die Reichen betten sich 108 auf Thierfellen. Sie wohnen in ärmlichen offenstehenden Hütten" (?l-o«oplo8 äe di!)?2, Wagenburg, abzuleiten) sein dürften. Uebri-Iens werden dieselben, oder wenigstens sehr ähnliche Hüttenbauten, von den alten Schriftstellern auch Magalia (worin bas g des phönicischen Magul ^^ also unverändert ist) genannt. Unter dieser Form kommen sie bei Hieronymus ('n pral. Hmog) und bei Servius (aä Vir^. H.on. I. 421) bvr. Die Form Maftalia dagegen findet sich außer bei Sallust auch bei Silius Italicus (XVU, 89), Pompomus Mela (I, 3, 23), bei Tacitus (Mnal^ IV, 25), bei Livius (XXIX, 31). Eine noch genauere Beschreibung, als Sallust, giebt von ihnen litt Sulpicius Severus (Dialog. I, 3, 3), welcher uns aus dem 4ten Jahrhundert aus eigner Anschauung ein 'Maftalium schildert. „Ich sah", so berichtet dieser Autor, „auf dem Sande eine kleine Hütte, deren Dach, wie Sallust schon mit Recht von ähnlichen Wohnungen bemerkte, einem Schiffskiel glich und sich sehr wenig über den Boden erhob. Die Wände waren von einer gewissen, doch nicht hinreichenden Festigkeit. Da nun dieß ein Land der Stürme ist, so kann man sicher sein, eher in einer solchen Wohnung auf dem Lande, als in irgend einem Schiffe auf dem Meer Schiffbruch zu leiden." Zur Wahrheit dieser Worte lieferte mir ein bei Tunis in einem Gurbi (Reiserhütte) wohnender Araber einen schlagen' den Beweis, indem dieser sein Mapalium jedesmal zu verlassen Pflegte, so oft das Wetter Sturm drohte, damit es nicht über seinem Kopfe zusammenbreche. Auch in dieser Niederlassung des Dschelassstammes befand sich eine gewisse Anzahl solcher Geräba (Neiserhütten), deren Inneres, obgleich ich zum Genuß einer kleinen Mahlzeit in eines derselben eingeladen wurde, durchaus nichts Verlockendes für mich besaß, da ich aus Erfahrung wußte, daß es keine besseren Treibhäuser für jede Art von ekelhaftem und lästigem Ungeziefer gebe, als diese antiken Maftalia. In welchem Grade dieses auch hier der Fall war, bewies mir ein Mann dieses Stammes, welcher, als im Gespräche unter Anderm auch auf die Geräba die Rede kam, erzählte, daß er nie in einem derselben, sondern stets im Freien zu schlafen Pflege. Nach dem Grunde befragt, erklärte er, es geschehe „Alachäter el borghuth", d.h. der Flöhe wegen, und die Araber können sich doch in dieser Beziehung einer höchst abgehärteten Haut rühmen. Immer im Gebiete desselben Stammes weiterreitend, erreichten wir gegen Abend 'Ayn baydha (die weiße Quelle) Ill Welches auch den Namen el Ahwär (gewöhnlich in Ahuarih verunstaltet) führt. Der Name Ahwär bedeutet „die Teiche" und paßt also ebensogut wie „die weiße Quelle" auf diese Lage. In der Nähe befindet sich der Ilandschyr Ahuarib, ein Haufen antiker Ruinen. Da die „Weiße Quelle" ihrem Namen durch ihren Wasserreichthum Ehre macht und sich die besagten Ruinen in ihrer Nähe befinden, so ist man auf den Gedanken verfallen, es könne hier zur Römerzeit ein Badeort gewesen sein. In dieser Gegend nennen uns die Itinerare nur einen einzigen Badeort, nämlich Aquae Regiae, dessen Entfernungsangaben von denjenigen Nömerstationen, derenIdentification feststeht, für 'Ayn baydhä ungefähr passend befunden werden dürften. Die Aquae Rcgiae lagen nämlich 35 Mlliarien vom Vicus Augusti, welcher doch wohl in Qay-ruän's Nähe gesucht werden muß; nun ist diese Stadt zwar nur etwa 24 Milliarien von 'Ayn baydhä entfernt, da aber das Terrain bergig ist, so erscheinen 11 Milliarien, als Umweg gerechnet, nicht zu viel. In der Richtung von Sufetula stimmen die Angaben beinahe auf ein Milliarium mit der Wirklichkeit überein. In derjenigen von Sufes erscheint allerdings die Entfernung von 43 Milliarien etwas zu klein, da 'Ayn baydhä in directer Linie etwa 55 Milliarien von Ssabyba, in dem man unfehlbar Sufes erkannt hat, absteht. Diese übrigens ganz vereinzelt dastehende Angabe (während diejenige der Entfernung von Sufetula nach Aquae Regiae 4—5 mal wiederholt wird) dürfte jedoch weniger Berücksichtigung verdienen, um so mehr da auch die Angaben der Peu-linger'schen Tafel hier übereinstimmen. Dieselbe giebt uns eine Route von Aquae Regiae nach Assume, die sie auf etwa 80 Milliarien berechnet, grade V? mehr, als die wirkliche Entfernung. Aber dieses Mehr dient uns hier zur besten Bestätigung, da Wir in diesem sehr bergigen District unmöglich einen geringeren Umweg der Straße annehmen können, als 112 das besagte Siebentel. In der Entfermmgsangabe zwischen Tys-drus und Aquae Negiae variiren das Itinerar und die Peu-tinger'sche Tafel, ersteres giebt 56, letztere nur 44 Milliarien an und zwar ist bei beiden die Straße etwa dieselbe, da sie das von beiden genannte Gliae oder Aeliae einschließt. Hier müssen wir jedoch einen Irrthum der Peutinger'schen Tafel annehmen (dieselbe begeht auch noch den Fehler, die Entfernung zwischen Aeliae und ihrem Thisurus d. h. Tysdrus nicht zu nennen, welche wir also aus dem Itinerar ergänzen mußten), denn 44 Milliarien ist offenbar zu wenig, wohingegen die Angabe des Itinerars sehr gut übereinstimmt und nur einen ganz kurzen Umweg voraussetzt, ein Umstand, der leicht erkärlich, da in dieser Gegend der Weg meist durch Ebenen ging. Die Ruinen, welche ich hier erblicken konnte, schienen mir nicht aus der Glanzzeit Roms, sondern von späteren, etwa byzantinischen und architektonisch unbedeutenden Bauten herzustammen, auch kann ich nicht sagen, daß ich in ihnen Anzeichen entdeckt hätte, welche ihre Bestimmung auf die von Badegebäuden zurückzuführen berechtigte. Unbedeutend durch ihre Massenhaftigkeit erscheinen sie allerdings nicht, denn die Trümmer bedecken eine Fläche von namhafter Ausdehnung. Inmitten dieses Chaos zusammengewürfelter Baureste vermochte ich nur ein einziges Gebäude mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erkennen, nämlich ein kleines, ohne Zweifel römisches Haus, welches nach den vielen Zimmertheilungsfundamenten zu schließen aus lauter ganz kleinen Stuben bestanden haben muß. Nie hatte ich noch in so kleinem Raum so viele Zimmer zusammengequetfcht gesehen. Auch dieser römische Badeort war in der christlichen Periode ein Visthum, dessen Bischöfe Maximianus (ohne dona-tistischen Gegner erklärte er in patria Noa non Iladko alium 6M00PUM) und Liberatus auf den karthagischen Concilen von m 411 und 484 erschienen. Auch durch das Martyrium zweier Brüder, welches Victor Vitensis beschreibt ohne deren Namen ZU nennen, hatte die Oertlichteit tirchengeschichtliche Bedeutung. Das moderne Oertchen 'Ayn baydha ist kein gemauertes Dorf, sondern nur eine Zelt' und Hütten-Niederlassung der Dschclass-Veduinen. Seine Lage zeigt sich übrigens reizend, nur auf einer Seite der Ebene zugekehrt, ist cs auf allen andern Seiten von ansehnlichen Äergen umgeben. Es liegt unmittelbar am Dschebel Marhyla, der von Sträuchern und aromatischen Kräutern dicht bewachsen erscheint. Im Norden erhebt sich der mit Mineralquellen gesegnete Dschcbel Trus'sa (gewöhnlich Trutza ausgesprochen), zum großen Theil aus nackten Felsenmassen bestehend, während in Nordost der Dschebel tuyl (der hohe Verg) seinen stolzen Gipfel in die laufte tragt und im Eüdost die charakteristische Form des Dschebcl bu aobrayn itinerarium Antonini Augusti von Aquae Regiae nach Mas-clianae angiebt. Auch die Entfernungsangabe zwischen beiden ^rten swenn nämlich das heutige Dschilma, das Kilma des ^tolemäos, wie ich zu vermuthen versucht bin, mit Mas-clianae identisch ist) schien nur so ziemlich zu passen. Die-selbe wird als 18 Milliarien betragend angegeben und unser heutiger Weg sollte auch nicht viel mehr sei. Ptolemävs, welcher Aquae Regiae nicht ncunt, der aber ungefähr an derselben Stelle einen Ort Namens keae erwähnt nlm>i «l«!! als eine Stadt römischer Bürger an. Der Name ist offenbar mit Kilma identisch. Im Itinerarium Antonini Augusti suchen wir diesen Namen Kilma oder Chilma umsonst. Dagegen erscheint an seiner Stelle ein Ort, welcher Masclianae heißt und dessen Entfernungsangaben recht gut auf diese ^ocalität passen. Auch der Umstand, daß die Bisthumslistm kein Chilma, wohl aber Masclianae kennen, während doch hier christliche Ruinen sind, bestärkt uns in der Vermuthung von der Identität beider Orte. Masclianae war die erste Station auf dem Nege von Sufetula nach Tysdrus und von ersterer Stadt 36 Millianen entfernt. Sufetula ist das heutige Ssbahtla und da dieses in directer Linie 30 V,^ 123 Milliarien von Dschilma entfernt liegt und das Terrain sehr uneben ist, folglich wohl einen Umweg der Straße von 6 Mb liarien annehmen läßt, so trifft die Angabe zu. Wir haben schon oben gesehen, daß sie auch in ostlicher Richtung, gegen Aquae regiae und Vicus Augusti zu, ganz gut paßt. Was nun freilich die Namensform Masclianae betrifft, so scheint diese von dem Namen Kilma allerdings etwas verschieden, aber bis auf die Vorsylbe Mas ist der Name beinahe derselbe. Diese Voisylbe ist einheimisch, kabylisch oder vielmehr numi-disch und hat die Bedeutung eines getrennten Wortes, so daß Masclianae eigentlich so zu schreiben wäre „Mas-Clianae". Der Name besteht also aus zwei Wörtern, ähnlich wie so viele numidische Namen, wie Masguen, Mastiman, Mastumus (bei Coripftus) und die bekannten Mas-Nass. Mas-Ups, Mas-Sul, Mas-Säsul, woraus die Römer Massinissa, Miciftsa, Massylier, Massäsylier machten. Bei Städtenamen, die aus zwei Wörtern bestehen, pflegen aber oft die alten Geographen nur das eine zu schreiben, z. B. Zarytus für Hiftfto Zarytus, und so schrieb Vielleicht auch Ptolemäos Kilma statt Mass-Kilma oder Masi-CIianae. Während ich mich unter den Ruinen des antiken oppiäum ^1nlnmn0ii8« herumgetrieben hatte, war der alte Maulthier-treibcr, Iladsch Hämed, mit den Fanischysch-Bedmnen in nähere Berührung getreten. Das Resultat davon war ein so günstiges gewesen, daß er mir noch an demselben Abend seine nach so langer Zeit erst kennen gelernten und durch das Hei-rathsgeld versöhnten Anverwandten wie im Triumph vorführen konnte. Der Vater der vor dreißig Jahren schönen Sayda war freilich gestorben. Die Ansprüche auf das Heirathsgeld hatten aber seine beiden Söhne geerbt, denen diese natürlich sehr erwünschte Vaarschaft wie eine göttliche Gabe vom Himmel zu fallen schien. Ob fie selbst einer solchen antediluvianischen Ehrlichkeit, wie die war, eine dreißigjährige, durch keine ein- 124 zige Mahnung der Gläubiger vor Verjährung geschützte Schuld unaufgefordert zurückzuzahlen, fähig waren, bezweifle ichi aber sie schienen doch nicht unfähig, den hohen Grad von altvaterischer, leider gänzlich aus der Mode gekommenen Tugend zu bewundern, welchen Ilädsch Hameds Handlungsweise offenbarte. Solch biedere Gesinnung findet man unter Moslims nur noch bei jenen alten starren, aber grundbraven Naturen, wie der alte Maulthiertreiber eine war. Die Folge dieser Aussöhnung Hameds mit der Familie seiner Frau wäre beinahe ein Hinderniß für meine auf den folgenden Tag festgefetzte Abreife geworden, denn so groß war die plötzlich erwachte Verwandtschaftsliebe, daß man den Alten so bald gar nicht weiter ziehen lassen wollte. Aber sein eiserner Wille ließ sich selbst von Liebe und Zärtlichkeit, deren Hohlheit er übrigens wohl zu würdigen wußte, keine Fesseln an legen. Da die Schwäger solcher Weise den kaum gefundenen Bruder ebcnsoschnell, als sie ihn kennen gelernt, auch wieder verlieren sollten, so suchten sie wemgstens diesen ersten und letzten Abend ihm und uns möglichst zu versüßen und wenn ich letzteres Wort buchstäblich fassen wollte, so geschah dieses wohl nie in solchem Grade, denn selten sah ich noch bei Zeltarabern eine so erstaunliche Menge süßer Gerichte, Wie die war, womit man uns beim Abendessen tractirte, nachdem Wir den ersten Hunger an dem obligaten Kusskussu (eine Griesmehlspeise mit aufgelegtem Hammel- und Hühnerfleisch, Gemüsen, Obst, Rosinen, saurer Milch :c.) gestillt hatten. So endete unser gefürchtetes Begeguen mit den verrufenen Räubern noch in einemLiebesmahl und allgemeiner Freundschaft. 135 Fünfzehntes Oapitel. Qafya (Capsa). EchMich!'!«! t'l's Gegellt' zu'ijchen Dschiüna mid lünscn, — Zuwachs zu meiner Escm'le, — vtt^ssl'„lil'i! der t.'a,:dschnss,— ühr steppenorüger ChlNülilef,— Erster Anblick der paünenVnse vm> Qiisc», — Dl,s anliKe Cnpsa,— Unter-sochmW,! iil'er j'l'inen Aiimm, — Vnichl de^ '^ilu>t >>l>er dessen Nnmchm diü'ch '.U«ui»s, — Dlis niodeiüe (ü»j^ü, —^ Anüüe Aesic und Inschnjteu. — ^ie plötzlich geschlossene Freundschaft meines Maul' thiertreibers, Nadsch Hämed, mit den Faraschysch-Bedumen sollte nicht ohne günstige Folgen für den weiteren Verlauf Meiner Reise bleiben. Ich hegte nämlich schon lange meine Bedenken wegen der Reise nach dem tiefen Süden der Regentschaft Tunis, wo ich die Ruinen der berühmten antiken Städte Capsa, Tigas und Tisurus besuchen wollte. So viel Abschreckendes war mir von den Räubereien, ja von den Anschlägen auf der Reisenden Leben von Seiten der dort hausenden Vedmuenstämme, namentlich der Aulad IMnyma, erzählt worden, daß ich fast versucht war, diesen Ausflug aufzugeben. Hamed kannte diese meine Bedenken wohl und theilte sie, ja er hatte nur bis heute immer abgerathen, meinen Neiseplan soweit auszudehnen. Um so freudiger ward ich am Morgen des 19. März, kurz ehe wir von Dschilma aufbrechen sollten, überrascht, als der Alte mit folgender Erklärung in mein Zelt trat: „Die Wege sind frei bis Qafya und so weit Sie wollen. Ich habe Ihren Neiseftlan den Faraschysch mitgetheilt und 126 diese sind erbötig, uns vier Mann zur Bedeckung mitzugeben. Bewaffnet sind die Leute zwar nur schlecht, aber der Umstand, daß sie überhaupt mit uns gehen, ist allein schon ein Bassa-burdu (Passirschein, vom italienischen Pafsaporto). Denn die Faraschysch stehen mit den meisten südlichen Stämmen in freundschaftlichem Verhältniß, sie haben überall Bekannte und können uns stets die werthvollste Auskunft ertheilen." Man kann sich denken, daß ich diese Nachricht mit Jubel begrüßte. Schnell trat ich vor's Zelt, welches sofort von Hamed und seinen Söhnen abgebrochen wurde, und da sah ick) vier baumstarke Kerle neben ihren gesattelten Pferden stehen; es waren die vier Faraschysch, welche von nun an meine Escorte bilden sollten. Die Brüder von Hameds Gattin waren nicht dabei: beide waren schon bejahrt und mochten die Zeltruhe dem abenteuerlichen Zuge durch's Land vorziehen. Dagegen waren zwei davon die Neffen Sayda's, die beiden andern gleichfalls, doch entferntere Verwandte. Alle vier waren jung, urwüchsig natürlich, prächtige Exemplare von Halbwilden. Der älteste derselben, Qadür, war so eine Figur, wie man sich ungefähr Iugurtha vorstellen mag. Ein wild zerzaustes Haar bedeckte sein Haupt und konnte kaum unter dem Hayk (weißes dünnes, den ganzen Körper einhüllendes Gewand, das über den Kopf gezogen wird) vermittelst das Chayt (Strick von Kameelshaaren den Hayk umwindend) festgehalten werden. Sein Bart war finster, struppig wie ein borstiger Halfabusch, den man schwarz gefärbt hätte. Seine Augen glichen denen des Panthers, so viel barbarische List und vielleicht auch Blutgier konnte man aus ihnen herauslesen. Seine Lippen waren dick, sinnlich, wie es die ächten Varbarenliftpen sind. Das Antlitz des Zweiten, eines jungen Mannes von etwa siebenundzwanzig Jahren, zeigte die beinahe kugelrunde Form des ächten Berbergesichts, so verschieden von dem Oval arabischer Physiognomien, nur mäßigte die lange Vartspitze 127 den allzu vollmondsartigcn Ausdruck. Wo aber dieser Vollmond ungehindert zur Geltung kam, das war bei dem dritten Faraschysch, welcher noch unbärtig War, obgleich er schon im vicrundzwanzigsten Lebensjahre stand. Aber es ist ein europäischer Irrthum, wenn man glaubt, daß diese Menschen, weil sie früh männlich, auch schon früh bärtig werden müssen. Einen auffallenden Contrast gegen diese beiden bildete der Vierte-, in seinem Typus lag durchaus nichts Kabylischcs, er war seinen Zügen nach ein ächter Abkömmling jener Glaubens-streiter, mit deren Hülfe Ssayydy 'Oqba diese Gegenden isla-misirte. Für solche physiognomische Verschiedenheiten brauchen wir nicht um eine Erklärung in Verlegenheit zu sein. Die große Mehrzahl der Beduinen oder sogenannten Zelt-Araber ist allerdings autochthoncn, d. h. numidisch-berberischen Ursprungs, aber die Abkömmlinge der beidcu ersten großen arabischen Einwanderungen haben sich ohne Zweifel vielfach mit ihnen vermischt. Diejenigen Araber dagegen, welche die dritte, die einzige wirkliche Familien-Auswanderung nach Afrika brachte, sind noch heute sehr gut von jenen nur arabisirten, theilweise mit Arabern vermischten Berberstämmcn zu unterscheiden. Sie bilden noch eigene ächte arabische Stämme, welche jedoch gcgcn die andern in verschwindender Minderzahl stehen. Unsere kleine Schaar war durch diesen Zuwachs von zchn auf vierzehn Mann vermehrt worden, immerhin ein noch sehr schwaches Häuflein, wenn es zu ernstlichen Conflicten gekommen wäre. Aber diesen vorzubeugen, das sollte ja der Hauptzweck des Mitkommens unsrer neuen Begleiter sein und ich muß vorgreifend ihnen hier das Zeugniß ausstellen, daß sie diesen Zweck zu unsrer Aller Genugthuung erfüllt haben. Eine Vesorgniß für die Erhaltung des Friedens in meiner kleinen KaravMe erfüllte mich noch wegen der Hamba's (unregelmäßige Cavalleristen). Diese im Dienst der Negierung, d< h. der Unterdrücker des Landvolkes, stehenden Reiter sind 128 nämlich bei dm Beduinen weder beliebt, noch geachtet. Da sie nun meistens gewohnt sind, mehr mit Stadtarabern, welche vor Allem, was Uniform trägt, wenigstens äußerlich, den höchsten Respect hegen, zu verkehren, so wird es ihnen sehr schwer, den sie mit Geringschätzung behandelnden Beduinen gegenüber ihre Empfindlichkeit in Schranken zu halten. Deßhalb fürchtete ich eine rücksichtslose Behandlung der Hamba's von Seiten der Faraschysch einerseits, andrerseits den Ausbruch des beleidigten Ehrgefühls der Cavalleristen. Auch diese Besorgniß theilte ich dem alten Madsck) Hämed mit, welcher sie sehr begründet fand, aber doch rieth, die Hamba's nicht fortzuschicken, woran ich einen Augenblick gedacht hatte. „Meine Aufgabe" so sagte er, „soll es sein, Streitigkeiten zwischen beiden Parteien zu verhindern. Den Faraschysch werde ich Zügelung ihrer Zunge, den Hamba's Mäßigung ihrer Ansprüche an's Herz legen. Nebrigens haben letztere, seit wir in Beduinengegenden sind, schon viel von ihrem offi-ciellen Hochmuth abgelegt. Von ihnen befürchte ich nicht die Eröffnung der Feindseligkeit und, was das im Zaum Halten der Beduinen betrifft, so überlassen Sie das nur ganz mir! ich weiß schon, wie man mit Beduinen umgehen muß. Die Hamba's fortzuschicken, rathe ich durchaus nicht; wir wissen, daß wir uns auf sie so ziemlich verlassen können, von den Faraschysch hoffen wir es nur. Ich glaube sogar, daß die Rivalität der beiden Parteien, als unsre Beschützer, nur gute Folgen für uns haben wird." Der Weg, welchen wir am Morgen des 19. März antraten, bildete die directe Verbindungslinie zwischen Dschilma und Qaf>,-,a. Er besaß allerdings den Nebelstand, daß er uns nur durch Steppen und später durch Wüstenstriche führen und sogar in ganz unbewohnter Gegend zu übernachten zwingen sollte, aber er besaß vor der gewöhnlichen Route über Ssbaytla, Qa<^rayn und Feryana den großen Vorzug einer Abkürzung 129 um dic Hälfte, denn er sollte uns schon in zwei Tagen, mit nur einem unterwegs zu bestehenden Nachtlager, an unser Ziel führen. Mit Proviant und mit Wasser, in den üblichen großen Lederschläuchen der Beduinen eingeschlossen, hatten wir uns in Dschilma für eine selbst nm einen Tag längere Reise wohl versehen, so daß jedes Hinderniß, dessen Hinwegräumung in unserer Macht lag, gehoben war. Die directc Entfernung zwischen Dschilma und Qafya, welche etwa sechzehn geographische (deutsche) Meilen, also etwas über einen Breitengrad, beträgt, machte es, wenn wir nicht zweimal übernachten wollten, nöthig, daß wir täglich zwölf bis vierzehn Stunden im Sattel blieben, da bei größeren Touren man hier den gewöhnlichen Pferden und Mäulern nicht zu-Muthen kann, mehr als dreiviertel Meilen in einer Stunde zurückzulegen. Auf so angestrengten Tagereisen schien es mir auch nicht menschlich, die Söhne Hamcds, wie bisher, zu Fuße gehen zu lassen, obgleich diese Anfangs gar nichts von Pferden hören wollten. Aber trotzdem ließ ich durch ihren Vater von dessen Schwägern zwei Pferde miethen, wofür sich Mir Alle höchst dankbar zeigten. Während der ersten vier Stunden ging der Morgenritt auffallend rüstig von Statten, so daß wir, erst um acht Uhr Von Dschilma aufgebrochen, schon um Mittag bei dem vier Meilen entfernten Ued cl I.Iatab (dem holztrcibcndcn Fluß) Halt machten. Hier füllten Kur die letzten Wasserschläuchc, denn von nun an glaubten wir kein fließendes Wasser mehr anzutreffen. Dennoch überraschte uns nach weiterem sechsstündigen Nitt am Abend das liebliche Gemnrmel eines zwischen Felsen hervorquillenden Baches, eines Seitenarms des Ued ei I.latab. Hier schlugen wir unsre Zelte, ich mein europäisches und die Faraschysch zwei mitgeführte arabische auf, 'n welchem meine Leute schliefen. Aisher hatten nämlich letztere immer Nachts bei den nächstwohnenden Eingebornen II. 9 130 Unterkommen gefunden; Zelte für Alle mitzuschleppen, wäre viel zu umständlich gewesen. In dieser unbewohnten Gegend waren aber die Zelte der Faräschysch höchst willkommen. Die Gegend, in der wir uns befanden, war noch weit entfernt davon, eine Wüste zu sein. Die Wüste sollten Wir am folgenden Tage antreffen. Diese Landschaft bildete ein Mittelding zwischen Steppe und Hügelland. Von der Steppe hatte sie die Vegetation und die großartige Einsamkeit. Dem Hügelland gehörten dagegen ihre Formen an. Im Norden ruhte der Blick auf den Gebirgen des tunisischen Tell und im Süden erhoben sich felsige Hügel und Berge, welche die Wasserscheide zwischen dem Mittelmeer und dem Nüstensee, dem Bahr Fircnm, bilden. Wir hatten nun die westliche Gränze der einstigen römischen Provinz, ^tn<:ü, in-cW-m, überschritten und befanden uns im eigentlichen Numidien. Merkwürdig ist es, welche Erweiterung seines ursprünglichen Sinnes dieser Name Afrika im Laufe der Zeiten erfahren hat, während mit dem ihm zur Seite stehenden Namen Libyen fast das Gegentheil stattfand. Afrika war anfänglich nur der Name der vom libyschen Stamme der Zeugi oder Afri bewohnten kleinen Provinz Zeugitana, d. h. der nordöstlichen Ecke der heutigen Regentschaft Tunis. Das Wort ist offenbar nicht einheimischen, ich glaube auch nicht phönicischen Ursprungs, obgleich mir die Etymologieen von Epher, dem Sohn Midians (1 Mos. 25, 4) und von dem Worte Paruk (^nc>) das losgetrennte, d. h. vom Mutterlandc entfernte Land, die Colonie, bekannt sind. Ob es vom lateinischen ^i-i^ (sonnige Gegenden) oder vom griechischen ä^lxH? (ohne Kälteschauer) herstammt, wage ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls kannten es die Römer nicht in ältester Zeit, denn Ennius (ttcoro 6o oi^tor. III. 42) ist der Erste, der es erwähnt. Nach Karthago's Zerstörung wurde der Name Afrika auf die ganze Rom einverleibte 131 Provinz ausgedehnt, so daß jetzt außer der Zeugitana auch noch die Provinz Byzacmm oder Emporia diese Benennung führte. Je weiter sich das Gebiet der Nömer ausdehnte, desto weiter wurde auch die Bedeutung des Namens, bis er zuletzt den ganzen nördlichen Continent Nfrika's bezeichnete. Vildlich am Anfang, später definitiv, wurde er dann auf den ganzen Welttheil angewandt, während der Name Libyen, welcher früher bald für Nordafrika, bald für den ganzen Erdtheil ftand, die beschränktere Bedeutung eines Theiles von Nordafrika annahm. Aehnlich hat auch das Wort Numidien mit ber Zeit eine beschränktere Bedeutung erhalten, denn vor Cäsar verstand man darunter die beiden Reiche der Massylier und Massäsylier, das heutige Algerien. Später bildete man aber w diesem Lande zwei Provinzen, welchen man den vom Nachbarlande, der späteren Mauritania Tingitana, entlehnten "amen Mauritania beilegte, nämlich die Mauritania Caesa-liensis und Sitifensis, und Numidien beschränkte sich auf die Mutige Provinz Constantine. Dieser Theil aber der Provinz ^mnidien, in welchen wir jetzt eingetreten waren, hatte in ältester Zeit gar nicht zu Numidien gehört, sondern zur kar-lhagischcn Provinz Emporia (Byzacium) und war erst durch ^e Schenkung der Römer an das vereinigte Königreich der Massylier und Massäsylier, das nach Syphax Fall geschaffene einige Numidien, gefallen. Seinem landschaftlichen Charakter nach gehörte jedoch ^U'ser Theil der einstigen Provinz Emporia völlig zu Nu-"ndicn und zwar zu Numidien im engeren Sinne, d. h. 3Ur heutigen Provinz Constantine. Lebhaft trat in meinem Gedächtniß die Erinnerung an meine Nüstenfahrt von Constantine nach Biskara wieder hervor, als ich am 20. März bic Nüstenstcftpe zwischen dem kleinen Ue'd el berd und Qafta durchritt. Anfangs bot sich mir eine ähnliche Bcrggegend, ^ie die um Batna mit denselben Pistacimbäumen, denselben !32 Wachholderbüschen bewachsen. Dann folgte ein Stück Steppe und endlich ganz dieselbe Wüste, wie nördlich von Viskara. Auch diese Wüste besah ebensowenig, wie jene, das Grauenvolle, qualvoll Eintönige, was man sich oft bei einer Wüste vorstellt. An Pflanzen zeigte sie allerdings Mangel. Kaum hie und da sproßte ein borstiger Halfabusch zwischen den Felsen hervor, denn felsig und hügelig bewährte sich dieses Stück Wüste, ebensogut wie jenes. Aber der Horizont schien nicht unbegränzt, im Norden blieben immer die harmonischschönen Älußrnlinien der Berge des tunisischen Tell sichtbar. Den höchsten Genus; gewährte jedoch diese Wüste durch die Pracht der Beleuchtung, welche die gluthruthc Sonne über sie ausgoß i welch eine tiefe Wärme dieser Tinten, welche Intensität dieser rothen, gelben, violetten Farbentöne! Ein heftiger Wind, wie fast immer in der Wüste, jagte Sandeswirbel vor uns her, die manchmal in dichten Säulen sich zwischen uns und die Sonne stellten und sich mit purpurrother Muth zu füllen schienen. Waren wir so in dieser hehren Einsamkeit nicht ohne landschaftliche Genüsse, so war doch die Nüchternheit der Wüste, der Mangel an abwechselnden Vildern eine treffliche Vorbereitung auf den Hochgenuß, welchen uns der Abend aufsparte. Gegen fünf Uhr erblickten wir in der Ferne eine graue steinerne Masse, welche von unzähligen feinen, zarten Federbüscheln geziert schien. Je näher wir kamen, desto deutlicher wurden diese phantastischen Formen und bald erkannte ich, daß es die Gipfel zahlloser Palmen waren, welche die graue Steinmasse der Stadt Qaf^a überragten. Der Anblick einer Palmen-Oase nach der Wüstenwanderung macht auf mich, so viel ich ihrer auch schon sah, immer noch einen neuen mächtigen Eindruck. Mein Entzücken kannte jedoch keine Gränzen, als grade vor unserm Einzug der Mond sich erhob und sein 133 weißes Licht auf die federartigen Laubeskronen warf. Der ganze Palmenwald schien ein erleuchteter himmlischer Dom. In solchem Hochgenusse schwelgend, hielt ich meinen Einzug in die alte Stadt, welche mitten im Palmenwald der Oase liegt. Der Qäyid des Orts, von meiner Ankunft unterrichtet, bot nur sehr höflich eine Wohnung an, der ich jedoch 'nein Zelt vorzog. Mit wahrhaft wonnigen Gefühlen, wie ich sie immer empfinde, wenn ich nach langer Zeit wieder einmal in eine Palmenoase komme, brachte ich den Abend zu, alle menschliche Gesellschaft fliehend nur im Anblick dieser schönsten Kinder des Pfanzenreiches und ihter magischen Mond-beleuchtung schwelgend. Solche Stunden sind die reinsten Freuden, welche der Schöpfer dem Menschen verliehen hat. Erst gegen Mitternacht schlich ich aus dem Palmenwald in Mein Zelt. Die Wichtigkeit Qafca's, die Schönheit seiner herrlichen Dasennatur bestimmte mich, hier einen Ruhetag zu machen, welcher theils dem landschaftlichen Genusse, theils den Alterthümern ber alten Libyerstadt und Nömereulonie Capsa gewidmet war. Qaf<,:a, dessen bei Ptolemäos angegebener Name Kavsa (K«^«) sich fast buchstäblich erhalten hat, war eine der ältesten libyvhönicischen Ansiedelungen im Süden von Byzacium oder Emporia. Ihr Name, unzweifelhaft vhonicisch, wird von Gesenius von Kafaz, f^P, d. h. „die geschlossene, mn-Mauerte Stadt" abgeleitet. Sallust läßt sie vom libyschen, Orosius (V., 15) vom phönicischen Hercules gegründet sein, beide gewiß identisch mit dem tyrischen Gotte Baal-Chon, Chom oder Chijan und mit Makar oder Melkarth, der einen Form des Hereulcs bei den Phöniciern. Ueberall in Nordafrika begegnen wir derselben Sage vom Hercules, offenbar, ähnlich wie der indische Bacchos oder Dionysos im Osten, km vornehmlich im Westen vordringender Eroberer und Anführer zahlreicher Auswanderer, die sich in Afrika nieder- 134 ließen. Von Einigen wird Caftsa für das nach Diodor (IV, 18) in Afrika von Herkules gegründete fabelhafte He-katompylos gehalten. Im Iugurthinischen Krieg wird Caftsa mehrfach erwähnt. Die Römer hatten diese einstige karthagische Besitzung nach Zerstörung der Mutterstadt nicht zu ihrer neugegründeten Provinz ^t'i'iln jn-cMili. geschlagen, sondern sie den numidischcn Königen überlassen, welche, da sie eine starke Festung war, was ja auch der hebräische Name andeutet, aus ihr eine ihrer sichersten Schatzkammern machten (Strabo 831). Merkwürdig U,ebertriebenes liegt m der Beschreibung der Lage dieser Stadt bei Sallust (IleN. ^,F. 89): „Zwischen ungeheuren Wüsteneien lag eine große und mächtige Stadt, Namens (5aftsa." Meine Leser, die mich im Geiste begleitet haben, wissen, was jene „ungeheuren Wüsteneien" find. Dann schildert Sallust mit ebenfalls stark aufgetragenen Farben die Gefährlichkeit der hier lebenden Schlangen: „deren Wuth, wie das bei allen wilden Thieren der Fall ist, durck) Mangel an Nahrung gesteigert wird. Auch durch den Durst, den sie hier ausstehen, werden diese Schlangen noch mehr gereizt." Ich habe hier keine Schlangen gesehen und auch nicht gehört, daß diese Reptilien in Qas^a häufiger seien, als in den übrigen afrikanischen Oasen, vermuthe aber, daß das Gerücht, welches dem Sallust zu Ohren gekommen war, die in der ganzen Sahara vorkommenden sogenannten „gehörnten Schlangen" bezeichnen wollte. Sallust ist, so viel ich weiß, der einzige Autor, welcher von diesem Schlangenüberfluß bei Capsa spricht, der, wenn er überhaupt diesen Namen verdient, jedenfalls kein unterscheidendes Merkmal dieser Oase, sondern eine Eigenschaft der ganzen Sahara ist. Deßhalb scheint mir auch jene Etymologie des Namens (5apsa, welche ihn von N2,7>, Kippos ableitet, was Pfeilschlange bedeutet, sehr bei den Haaren herbeigezogen. (Klo86u. 'Iiiyg. p. 1226.) 135 „Gegen Feinde", sagt Sallust weiter, „war Caftsa nicht nur durch ihre Befestigungen, Nassen und Besatzung, sondern durch ihre fast unnahbare Lage geschützt. Nußer ihrer nächsten Umgebung war nämlich ringsum die Gegend eine wasserarme, keiner Cultur fähige Wüste. Marius hegte den heißesten Wunsch, diese Stadt zu erobern, sowohl wegen ihrer günstigen Lage als Operationsbasis, als auch weil ihn die Schwierigkeit der'.Unternehmung reizte und Metellus zu seinem großen Ruhm die Stadt Thala eingenommen hatte, welche an Festigkeit und Lage ähnlich war, nur daß es bei Thala außer der Stadt Quellen gab, während die Bewohner Capsas nur eine, aber eine unversiegbare, innerhalb ihrer Mauern hatten." Sallust schildert ferner den vorsichtigen Zug des Marius, wie er zum Marsch durch die Wüste schon lange Zeit vorher massenhaft Vieh eintreiben und aus deren Häuten Wasserschläuche inachen ließ, die Soldaten aber mit dem Fleisch ernährte, womit sie sich als einziger Nahrung, des Getreide-Mangels wegen, begnügen mußten. Nach 6 Tagemärschen durch die Wüste langte Marius beim Flusse Tanas (Ued-el-abyädh) an, wo er seinen Soldaten befahl, alles Gepäck zurückzulassen und sich und ihre Lastthiere nur mit gefüllten Wasserschläuchen zu beladen. „AIs der Zeitpunkt gekommen zu sein schien", schreibt Sallust, „brach Marius vom Lager am Tanas auf, marschirte die ganze Nacht hindurch und ließ dann Halt machen. Dasselbe that er in der zweiten Nacht. In der dritten Nacht vor Tagesanbruch langte er in einer hügeligen Gegend an, wo er von Capsa nicht zweitausend Schritte entfernt war, und wartete dort mit seiner ganzen Streitmacht so geheim wie möglich. Sobald der Tag angebrochen, und die Numidier, ohne etwas von einem Feinde zu ahnen, in gewisser Anzahl aus der Stadt gegangen waren, befahl Marius plötzlich allen seinen Reitern, sowie den flinksten Fußgängern, im Eilmarsch auf Capsa loszmücken und die 136 Thore zu besetzen, hierauf folgte er selbst mit der Armee schlagfertig nach. Als die Bewohner Capsa's dieß gewahrten, ge-riethen sie in außerordentliche Verwirrung und sahen sich zur Uebergabe gezwungen, theils aus Schrecken, theils weil sie Hungersnoth befürchteten, theils weil viele der Ihrigen außer der Stadt schon in Feindesgewalt gefallen waren. Trotz dieser Uebergabe wurden jedoch auf Befehl des Marius alle Bewaffneten niedergemacht, alle andern Einwohner als Sklaven verkauft und die Stadt Caftsa selbst in Brand gesteckt." Der Zug des Marius endete so mit der völligen Zerstörung Capsa's. Da die Nömer zu Marius' Zeit noch nicht an eine dauernde Besitznahme von Numidien dachten, so erscheint die Zerstörung von Caftsa durch diesen Feldherrn vom strategischen Standpunkt aus gerechtfertigt. Später, als Numidien unter Cäsar definitiv römische Provinz wurde, erstand auch Caftsa Wieder aus seiner Asche und zwar als römische Niederlassung, denn sowohl die Peutinger'sche Tafel als der Geograph von Ravenna führen es als Colonia an (Utt^'l'- N:lv. z,. 114). Plinius gedenkt Capsa's, als eines dcr wichtigsten Central-punkte des Binnenlandes. Das ltiiwi-lu-ium Entminn ^il^u^ti schreibt diesen Namen Capse, genau dieselbe Form, unter welcher er auf einer hier zu sehenden Inschrift gelesen wird. Da die Identität von Qaf^a mit Caftsa oder Capse nie bezweifelt worden und inschriftlich verbürgt ist, so brauchen wir uns hier bei den Entformmgsangabcn der Itincrare nicht aufzuhalten. Unter Justinian besaß Capsa eine der festesten Citadellen von Vyzacimn und war abwechselnd mit dem kleinen Leptis der Sitz des militärischen Gouverneurs der Provinz (Oaäkx ^ugtiman. 1. 27 lux 1). Zur Zeit der arabischen Herrschaft verlor Caftsa seine Bedeutung nicht. Im elften Jahrhundert wird es von El Bakry als eine Stadt mit Mar-morarcaden, sehr festen Mauern und majestätischen Thoren 13? geschildert, — eine arabische Uebertreibung, ganz würdig des fabelhaften Ursprungs, den die Stadt nach dem Geographen von Cordoba gehabt haben soll. El Bakri läßt sie nämlich von Schantiän, dem Waffenträger des Nimrod, gegründet sein (Umnisoi'iM äe lu. dibliotkösiuo äu Itm. ^«m« XII). Von den Herrlichkeiten der einstigen römischen Colonie fand ich leider unter meinem Erwarten wenig erhalten. Die einzigen antiken Baulichkeiten, welche noch theilweise erhalten blieben, sind zwei Bäder und wenigstens in ihren Fundamenten die Citadelle. Denn die moderne Qa^ba, ein kolossales, Mit Quellen versehenes, zwei Moscheen in ihrem Hofraum einschließendes Festungsschloß, ist ohne Zweifel auf den Fundamenten jener alten Burg errichtet, in welcher der Dux Byzacii zu residiren Pflegte und ist übrigens gänzlich mit antikem Material erbaut, worunter Säulencaftitäler, Epistyl-fragmentc und namentlich so viele Inschriftstafeln, daß man diese Citadelle fast ein epigraphisches Museum nennen kann. Die Bäder sind keine Thermen, sondern offene Bassins, von einer leichthin mineralischen Quelle gespeist, und noch heute von den Bewohnern Qaf^a's benutzt. Es waren gewöhnliche I^8ointl«, ohne Gewölbe oder Dach, nur durch hohe Mauern vor indiscreten Blicken geschützt. Das größere Bad heißt jetzt Tarmyl el Bey (d. h. Bad des Bey) uud besteht aus einem Iroßen viereckigen Bassin mit zwei kleineren Nebenbassins, das Nänncrbad und das Frauenbad genannt. Ein nicht sehr emvfchlcnswerther Umstand ist der, daß das Wasser von dem Bad des Bey in das Männerbad und von da in das Frauenbad fließt, so daß die Damen sich nicht in sehr reinlichem Wasser baden können. Das andere Bad liegt bei der Citadelle und ist ebenfalls ein großes antikes Bassin. Beide werden von mineralischen Quellen von etwa 20" Reaumur Wärme gespeist. 138 Das archäologisch Wichtigste, was ich sonst noch erblicken konnte, waren ohne Zweifel die vielen Inschriftfragmente, namentlich eines, auf welchem sich der Namen Cavse deutlich lesbar zeigte. Auf dieser Inschrift befinden sich die Titelreste .....N1ÄNÄ6 0ap86 . . . ) welche sich Zu Oolonia« ^,uto 1ÜÄNH6 <ül>.p86»8i,8 ergänzen lassen und so zu den andern Beweisen der Identität dieses Ortes mit dem alten 0:>,p8a auch den eines an Ort und Stelle erhaltenen Inschriftszeugnisses hinzufügen. Unter den zahlreichen Inschriftstafeln, welche als Bausteine in den Häusern benutzt wurden, sah ich auch einen Grabstein, auf welchem sich ebenfalls die Worte apsLnsig, die gewiß zu (^liigongi» zu ergänzen sind, finden. Dieser Grabstein liefert auch einige komische orthographische Schnitzer, so steht Vil!xit statt Vixit und ^ratti-s statt lVatro. Auf andern Inschriften werden die Kaiser Hadrian und Marcus Aurelius genannt, Ersterer bei Gelegenheit einer ihm errichteten Statue, Letzterer als Wiederhersteller einer Landstraße. Am Bade des Bey finden sich mehrere Inschriftsbruchstücke, welche wohl zur Nidmungstafel des Bades gehörten, denn eincs enthält das Wort ^iu,,«. Die in der Qayba eingemauerten Inschriftstafeln sind zum größten Theil zu hoch angebracht, als daß man sie ohne eine sehr hohe Leiter lesen könnte. Schon öfters auf dieser Neise habe ich in ähnlichen Fällen, z. B. auch beim Colosseum von Tysdrus, das eigenthümliche Bedürfniß nach einer Leiter empfunden. Welche bisher ungeahnten archäologischen Aufklärungen könnte man nicht vielleicht aus dem Inhalt dieser unnahbaren Inschriften erlangen! Unnahbar sind sie aber, denn einmal giebt cs in den arabischen Städten keine so hohen Leitern, um zu ihnen zu gelangen, und dann wird wohl schwerlich Jemand sich entschließen, sich eigens an Ort und Stelle eine solche anfertigen zu lassen, da sie ihm eben doch nur für den einen Ort dienen könnte und er beim nächsten ähnlichen Fall eine neue machen lassen müßte, 139 denn mit einer hundert Fuß langen Leiter zu reisen, möchte wohl etwas schwer durchführbar erscheinen. Unter den hier gefundenen antiken Resten bemerkte ich auch viele, welche offenbar der christlichen Periode entstammen, in welcher Caftsa ein bedeutendes Bisthum war. Die Namen von fünf seiner Bischöfe sind uns erhalten. Donatulus erschien 255, Fortunatianus 348, der Donatist Donatianus (ohne katholischen Gegenbischof) im Jahre 411 und Vinde-mialis (der als Märtyrer heilig gesprochen wurde) auf den Concilen von Karthago, Quintarius im Jahre 393 auf demjenigen Von Cabarsussum. Auch ein andres Caftsa, welches zur Unterscheidung Caftsa Numid-iae genannt ward, während man das erste Caftsa Byzacenae nannte, obgleich es nicht zu allen Zeiten zu dieser Provinz, sondern früher zur Procon-sularis gehörte, kommt in den Concilsberichten vom Jahre 411 als Sitz zweier feindlicher Bischöfe, des Katholiken For-tunatus und des Donatisten Ccler, vor. Qaf^a ist heutzutage, als Stadt, fehr von seiner mittelalterlichen Pracht, wie sie el Bakri beschreibt, zurückgekommen. Von den vielen Moscheen, welche er ihr giebt, existirt zwar noch ein halbes Dutzend, aber nur drei mögen die Aufmerksamkeit des Moslim, der ihr Inneres betreten darf, verdienen. Für den Euroftäer, welcher sie nur von Außen bewundern kann, bietet ihr Anblick nichts Sehenswerthes. Die Dschann el kebyr (große Moschee), Dschann Ssayydy Manyur und Dschänn Ssayydv Vadascha sind alle drei höchst kunstlose Vaumassen, nieist aus antikem Material zusammengestoftftelt. Nur die erstere besitzt einen schönen massiven Minaret, im maurischen Styl, einem italienischen Campanile vergleichbar. Die Häuser Qaf^a's zeigen sich fast alle einstöckig, aber geräumig. Die Bewohnerzahl wurde mir auf 4000 angegeben, worunter beinahe ein Viertel Israe-liten; denn es ist merkwürdig, wie wohl sich die Kinder Israels 140 immer in der Wüste fühlen. Auch fast in allen algierischen Oasen traf ich Juden angesiedelt und fand, daß sie im Allgemeinen von den Oasenbewohnern, d. h. den Städtern, gut behandelt wurden; auch hier vernahm ich dasselbe. Nur die eigentlichen Wüstenmenschen, die schweifenden Beduinen, zeigen sich voll von Fanatismus gegen dieses unglückliche Volk. Wenn nun auch Qaf^a als Stadt wenig bietet, so erweist sich seine Landschaft desto reicher. Hier herrscht ein Reichthum an Wasser, wie ich ihn in keiner andern Oase gesehen habe. In Algerien muft fast in allen Oasen die Bewässerung ängstlich behutsam regulirt werden, damit ja kein Feld mehr Wasser bekomme, als das andere, und die Stundenzahl, wie lange ein Gefilde täglich bewässert werden darf, ist genau abgemessen. Hier jedoch ist Nasser genug, um jedes Feld den Tag und die Nacht reichlich zu bewässern. 141 Sechzehntes Kapitel. Die Oasen des Balad-el-Dscharyd. Dns Dlillellant! der lmiisischen 5l>ljarn. - 1'eüftnllieit dei; Nmm'lls. — Gränzen des ^alnd-el-Dschnr^d. — ^chuncrigüa!, meine Dieuer zum Ausl!ruch von Na^a zu l>ewegm, — Die ^ustlnuueilen t'e!' (!)»smsMie, — Feljige wüsten» gegend. — Die Vnft >w» >lo,nnlli. — ZMmhüsic ^„»dschlijl, — Die Vase von Tulär, ^- ^»iiien >w>, Cli>isujsit5,— Die Vli>>: vcm Tädschur.— Ruinen von ChuM, — Die ^!i>e!ig!uppe vou Acsla,— Dns »»like Nep<»i. — Mck> kehr nach Nastl!, H/as Balad-ul-Dscharyd, im Volksmunde ohne die grammatikalisch gebotene Hinübcrziehung des Ulautes geiuöhnlich Valad-el^Dscharyd und von Europäern in der Pluralform (o!^) Biladuldscherid genannt, führt seinen Namen nach den ihrer Blätter beraubten Palmzweigen (arabisch Dscharyd ). Diese Ableitung scheint mir nicht zweifelhaft, obgleich ihr Sinn keineswegs auf den ersten Blick einleuchtet, wie der so vieler anderer arabischer Etymolugieen. An Palmen ist allerdings in diesem Oasenlande Ueberstuß. Warum aber findet sich in der Benennung grade die Entblätterung derselben angedeutet? Ich kann es nur nicht anders erklären, als dadurch, daß bei der oft sehr künstligen Pflege des Dattelbaumes auch das Abschneiden überflüssiger Blätter, sowie das Zusammenbinden ganzer Zweige und Umwinden dieser sehr enge zusammengebundenen Aeste mit einem großen Tuche, hier besonders häufig vorkommt. Da nun die auf solche Weise behandelten Palmbäume ein sehr kahles Aussehen be- 142 kommen, so mochte dieses wohl manchen Arabern aus Gegenden, wo man dem Palmbanm keine so künstliche Pflege zuwendet, aufgefallen sein und sie bestimmt haben, diese Gegend das „Land der kahlen Palmzweige" zu nennen. Auf die Pflege der Palmbäume, welche in diesem köstlichsten Dattel-lande der Welt natürlich eine wichtige Nolle spielt, denke ich Weiter unten des Ausführlicheren zurückzukommen. Das Obige sei nur zu etymologischen Zwecken vorausgeschickt. Es giebt freilich noch eine andere Erklärung dieses Namens, wonach Dscharyd, d. h. der seiner Blätter beraubte Palmzweig, ganz einfach bildlich für Palmzweig im Allgemeinen, und dieser vermittelst einer zweiten Metapher für Palme stände. Demnach hieße das Land schlechtweg Palmcnland. Solche Metaphern sind im Arabischen allerdings nichts Ungewöhnliches, dennoch scheint mir diese etwas gar zu ausgedehnt. Die Gränzen des Valad-ei-Dscharyd bilden im Süden der große Salzsee, die Ssebcha Firäün, der laou» ^ritoniti» der Alten, im Osten jener Wüstcnstrich, durch welchen wir auf dem Wege von Dschilma nach Qaf^a gekommen waren, im Westen die algierische Sahara, von Einigen auch algierisches Dscharyd genannt, und im Norden der Dschebel Nadür und der Dschebel bu ^Ayischa. Die Oasen in diesem gesegneten Lande zählen bis auf einige dreißig, wovon die bedeutenderen im Südosten Ssadyda, Qa ys, Dagäsch, Ssardän und Tädschuss sind. Im Süden Tusar, Nibda, Wassua, Qatna, Ssaräwy und Schorfä. Im Westen Nafta, Ssuq, Banü Myy, Ssayydy Ssalym. Im Nordwesten, aber in ziemlich großer Entfernung liegt dann Qaf'l qadijum, — Anjs el^lM, — Unlns»chling>,'!i iil'tt die >.'nge von Chckple, — Ei» rümische^ Valnenm, — Der ^schwarze 5lein". ^enn Marius auf seinem Zuge nach Caftsa denselben Wcg eingeschlagen hätte, welcher mich von dieser Stadt nach Feryana führen sollte, so würde er nicht nöthig gehabt haben, eine so große Menge von Nasserschlüuchen mit sich zu sichren, da ein kleiner, im Frühjahr nach den Regengüssen mit Wasser gefüllter Gießbach die ganze Strecke durchrinnt und außerdem noch das nur sieben Meilen von Capsa entfernte Feryana Ueberfluß an Quellen besitzt. Der römische Feldherr wollte freilich seinen Zug geheim halten, darum führte er seine Truppen westlich durch Einöden an den kleinen Fluß Tanas, dem heutigen Ued el abyadh, und von da in drei nächtlichen Märschen nach Caftsa, wo er ankam, ehe man Uon seinem Marsche Kenntniß besaß. Diese Gegend muß zur Zeit, als Nom definitiv von ihr Besitz ergriffen hatte, eine dichte Bevölkerung gehabt haben, denn kaum in irgend einein andern Theil des tiefen Innern trifft man so viele Nuinenstädte und vereinzelte Denkmäler an. Das erste dieser Denkmäler sollte ich gleich am Morgen des 26. März, zwei Stunden nach meiner Abreise von Qaf^a, erreichen. Es lag einsam in einer öden Landschaft am Nande 159 eines wllsserlofen Flüßchens, das von ihm den Namen trägt, nämlich Ued ess Ssmä, d. h. Fluß des Thurmes, denn die Araber sehen dieses zierliche Bauwerk, welches ein dreißig Fuß hohes viereckiges Mausoleum ist, für einen Thurm an und nennen es der röthlichen Farbe seiner Bausteine wegen Ssmä ei hamrä, d. h. der rothe Thurm. Das sehr schöne Und wohlerhaltene, aus soliden Werksteinen erbaute, mit korinthischen Pilastern geschmückte Grabmal trägt in großen La-Pidarbuchstaben eine lateinische Aufschrift, worin ein zärtlicher Gatte, Namens Lucius, den Tod seiner hier begrabenen Frau, Namens Urbanilla, in den rührendsten Ausdrücken beklagt. Dieselbe lautet: VEI3ANILLA Ml III CONIVNX VERECVNDIA PLENA 1IIC S.LTA EST ROMAE COMES NEGOTIORVM SOC1A PARSIMONIO FVLTA BENE GESTIS OMNIBVS CVM IN PATRIAM MECVM REDIRET AV MISERAM CARTHAGO MIHI ERIPVIT SOCIAM NVLLA SPES VIVENDI MIHI SINE CONIVGE TALI ILLA DOMVM SERVARE MEAM ILLA ET CONSILIO 1VVARE LVCE PRIVATA MISERA QVESCIT IN MARMORE CLVSA LVCIVS EGO CONIVNX HIC TE MARMORE TEXI ANC NOBIS SORTE DEDIT FATVM CVM LVCiDA- REMVR Diese Urbanilla, sagt die Inschrift, starb in Karthago auf der Rückreise von Nom, wohin sie ihren Mann begleitet hatte. Der Umstand, daß ihre Leiche von Karthago hieher gebracht wurde, deutet an, daß dieser Lucius in der Nähe gewohnt haben muß. Aber man sieht sich umsonst nach Ruinen um, welche der Wohnung eines reichen Römers, was jener 160 Lucius nach der Pracht des Denkmals zu urtheilen gewesen sein muß, angehört haben könnten. Mittag machten wir bei einem Nuinenhaufen, welcher dem nahgelegenen Berge nach, den Namen I,Ianschyr Ssayydy 'Ayisch führt. Auch hier sah ich höchst ausgedehnte Ruinen, aber, bis auf einige Grabmonumente, lauter unförmige Schutthaufen. Das am Besten erhaltene Mausoleum zeigte sich dem heute Morgen angetroffenen sehr ähnlich und unterschied sich nur durch einen pyramidenförmigen Aufsatz. Die Inschrift nennt es als Grabstätte eines Julius Rogatus, der 91 Jahre alt wurde. Nach dem Itinerar kann über den Namen der hier gelegenen Römerstation lein Zweifel bleiben; die Entfernung von 24 Milliarien von Cavsa und die Richtung von da nach Televte giebt uns die Station nä (^'«nu^in», und ganz übereinstimmend mit dieser Entfernungsangabe finden wir auf der Peutingerschen Tafel eine Station Gemcllae, oder, wie es dort geschrieben ist, Vico Gemellas. Als eine große Seltsamkeit muß es jedoch erscheinen, daß das Itinerar außer seinem Gremellac auch ein Gemellae nennt und zwar als die unmittelbar auf Grcmellae folgende Station. Da nun die Entfernung von jenem Gemellae nach dem Televte des An-toninischen Routiers, welches die nächste Station ist, sowie sie das Itinerar giebt, wieder sehr gut mit der Entfernungsangabe von Vico Gcmellas nach dem Theleftte in der Peutinger'schcn Tafel stimmt, so kann ich nicht umhin, das ganze Mittelglied der Straße, welches das Itinerarium AntoniniAugusti zwischen Gremellae und seinem Gemellae giebt, als ein fehlerhaftes Einschiebsel anzusehen, wahrscheinlich durch eine unachtsame Wiederholung desselben Namens durch den ersten Zusammensteller dieses Provineialroutiers entstanden. In dieser Annahme bestärkt mich der Umstand, daß der älteste und einer der besten Codices, der aus dem achten Jahrhundert 161 stammende Wiener Codex, hier hintereinander zweimal Ge-Mellas schreibt und von einem Greinellas nichts weiß (Iti-NLl'ui'iuin ^Vnt. /Vu^. eä. 1'«itll6^ ot ?inä6r p. 35). Ein anderer Codex giebt auch noch dazu die Entfernung von Gremellas nach Gemellas als dieselbe wie die von Gemcllas nach Telepte an, ein neuer Wiederholungsfehler. Aus allem dem scheint mir hervorzugehen, daß das vermeintliche Gre-Mellae und Gemellae ein und derselbe Ort waren. Wenn wir, wie es wahrscheinlich ist Teleftte oder Theleftte in Ma-dynat cl aadyma bei Feryana zu erblicken haben, so bestätigen auch von dieser Seite die Entfernungsangaben des Itinerars Und der Tafel, welche bis auf 2 Milliarien übereinstimmen, vollkommen die Lage von Gemellae an Stelle von Ssaydy ^Ayisch. Dieses Gemellae war ohne Zweifel identisch mit der in der ^0titl:l vi^iiltÄtiiln genannten Festung, dem unter dein Comes Africae stehenden Haufttort des 1imo8 (iLmeilsn^ig. Ein limog bildete eine Gränzvrovinz, eine Art von abgesondertem Mili-iärdistrict, an ein feindliches oder rebellisches Land anstoßend, Und wir ersehen sowohl aus dem Umstand, daß Gemellae Hauptstadt eines solchen limc« war, als daraus, daß das nahe Cavsa als Festung eine wichtige Bedeutung hatte, daß die Numidicr dieser Gegend den Römern viel zu schaffen gemacht haben müfsen, ähnlich wie die Bewohner der Hlam-itania ^tlten8i3 (der heutigen Kabylie), in welcher nicht weniger als vier bis fünf I^miws befindlich waren. Auch Gemellae war in der christlichen Periode ein Visthum, dessen Bischof Licteus 255 auf dem von Cyftrian präsidirten ^oneil erschien. Im I. 411 sandte es nur einen donatistischen Bischof zum Concil von Karthago. Dieser, Namens Burcaton, rief swlz aus, als sein Name verlesen wurde: ^nMttti-em non ^doo N6o luünü umlU!im. Als Verräther galten natürlich den Donatisten die tatholischcnMischöfe. Zu Hunerichs Zeit war es wohl schon zerstört, da kein Bischof mehr vorkommt. II. 11 162 Im Laufe des Nachmittags kamen wir an nicht weniger als vier I^lanschyr (Ruinenstädten), lauter unförmigen, unkenntlichen Trümmerhaufen, vorbei. Der letzte lag in einem engen Thal und führte den Namen Qa^r el Fül (Schloß der Bohne), dann gelangten wir in eine offene Gegend, in welcher die kleine Oasis Feryäna uns aufnahm. Das moderne Feryäna ist ein Dorf von etwa fünfhundert Einwohnern, mit meist einstöckigen steinernen oder von Luftziegeln erbauten Häufern, mit einem sehr kleinen Basar von kaum einem Dutzend Läden, in welchen viele Schmuck-artitcl seltsamster Form von Silber, Korallen oder Glas, für die Veduinenweiber der Nmgegend, feilgeboten werden. Die Landschaft bildet durch ihre Palmenpflanzungen einerseits, andererseits durch ihre dem Norden mehr entsprechende Boden-cultur ein Mittelding zwischen einer Oase und einer Landschaft des Tell. Derselbe zwitterhafte Character drückt sich auch in der Mischung ihrer Bevölkerung aus. Dieselbe besteht nämlich theils aus den den Saharastämmen verwandten, in Häusern ansässigen, bäurisch lebenden Dorfbewohnern, theils aus den nomadisch in der Gegend herumziehenden, aber oft doch für längere Zeit hier mit ihren Zelten sich niederlassenden Beduinen, vom Stamme der Auläd Ssayydy ^Abd. Den Hauptstolz der Einwohner bildet die Moschee und die daneben liegende Sauya (hohe Schule), welche den Namen eines Heiligen, Ssayydy 'salyl führt, dessen Andenken in so hohen Ehren steht, daß fast alle Feryaner sich Auläd Ssayydy 'falyl oder ^lyly (d. h. etwa 'l'alylancr) nennen. Der Name Auläd bedeutet zwar Söhne, und auch wirtlich rühmen sich viele Einwohner Feryäna's von dem großen Heiligen abzustammen, aber die Bedeutung des Wortes braucht keineswegs buchstäblich genommen, sondern kann lediglich bildlich als Verehrer erklärt und übersetzt werden. Von diesem wunderlichen Heiligen erzählte mir der Wakyl 163 (Wächter) seines bei der Sauya gelegenen Grabes, welchen ich am Abend besuchte, die fabelhaftesten Geschichten. Er soll hier in der Nähe in einer schwarzen Höhle gewohnt haben, welche noch gezeigt wird und die auch ich sah. Schwarz heißt sie wegen der Dunkelheit des Gesteins sowohl, als wegen ihrer in Folge der vielen von Schäfern oder Nomaden in ihrem Innern angezündeten Feuer gerußten Decke. In dieser Höhle lebte nun Ssayydy 'l'alyl, von der ganzen Nelt zurückgezogen, in der ersten Zeit auch uhne Besuche von Verehrern, welche ihm erst später, als der Nuf seiner Heiligkeit stieg, zu Theil werden sollten. Ein Gelübde, welches er abgelegt hatte, verhinderte ihn, selbst für seine Nahrung zu sorgen. Aber dafür starb er boch nicht Hungers. Denn Allah hatte sechs Löwen angewiesen, die Diener des Heiligen zu sein. Diese brachten ihm alle Nahrung, deren er bedürfte, und waren in seiner Gegenwart so sanft und friedlich, daß sie ihm wie Hunde gehorchten. Nenn er reisen mußte, so ritt er auf einem der Löwen, während die fünf andern daneben herliefen, bis der erste wude war, worauf ihn ein andrer ablöste. So legte Ssayydy ?alyl oft in einem Tage ungeheure Strecken zurück. Was ihn zuerst als einen Wundermann bekannt machte, war folgendes Greigniß. Eines Tages verirrte sich ein Ve-buinentino von einein auf der Wanderung begriffenen Stamme bis vor Ssayydy 'j'alyls Höhle. Das Kind trat sorglos ein, aber wer beschreibt sein Entsetzen, als es in derselben einen "ackten, am ganzen Leibe behaarten Greis in Mitten von sechs Löwen sitzen sah. Das Kind wollte fliehen, aber es suhlte sich von einer magischen Gewalt gefesselt. Der Heilige kam auf es zu und tröstete es. Er hatte nicht nöthig, zu sragen, wie der Meine sich verirrt habe, und woher er komme, denn er wußte Alles im Voraus. Darum versprach er gleich, Hn zu seinen Eltern zurückzuführen. 11' 164 Ssayydy Talyl setzte das Kind auf einen Löwen, er selbst bestieg einen zweiten und die vier andern liefen neben her. Bald erreichten sie eine Lagerstätte, welche jedoch leer war, aber alle Anzeichen sprachen dafür, daß ein wandernder Stamm hier gelagert habe. Sie verfolgten die Spur desselben und erreichten abermals einen Zeltplatz, aber auch dieser war bereits verlassen. Da der Staunn, zu welchem der Kleine gehörte, vom äußersten Ende Arabiens kam, und im Begriff war, nach Marokko auszuwandern, und Ssayydy 'lalyl mit seinem Schützling ein Lager nach dem andern zu spät erreichte, so kamen sie, immer dem Wanderstamm folgend, beinahe durch das ganze Paschalik Tunis und das von Algier. Natürlich konnten sie von der Bevölkerung nicht lange unbemerkt bleiben: bald ging der Nuf von den zwei Löwenrcitern durch's ganze Land, dessen Bevölkerung schaarcnweise zu dem Heiligen strömte, ihm ihre Verehrung bewies und ihn bat, ihn durch ihr Stammesgebiet begleiten zu dürfen. Ssayydy 'lalyl gestattete es: er ließ sich sogar herab, für die Nacht die Gastfreundschaft der Menschen anzunehmen und kehrte selbst in Städten ein, wo er im Hause oder Palast des Oberhaupts wohnte und dieser, sowie alle Würdenträger, den Staub seiner Füße küßten. Nach Algier gekommen, wurde er vom Beherrscher des Landes gebeten, in dessen Palast abzusteigen, was der fromme Mann auch zu thun geruhte. Aber dieser Pascha, obgleich er eine gewisse Frömmigkeit durch diese Einladung des Heiligen an den Tag gelegt hatte, war doch kein recht gottesfürchtigcr Mensch, er zweifelte an der Wunderkraft des Heiligen. Er bildete sich nämlich ein, die Löwen seien ganz gewöhnliche gezähmte, abgerichtete Löwen, denen man die Zähne ausgerissen und die Klauen abgeschnitten habe und die außerdem noch durch Opium betäubt worden wären, wie die Löwen von Ssayydy Däud, welche alle Jahre die Neger, ihre Abrichter, 165 durch Algiers Straßen zu führen pflegen. Darum wollte der Dey scine Künste mit diesen Löwen treiben. Da Ssayydy ?alyl dieß aber vielleicht nicht gelitten haben würde, so wußte der Fürst denselben durch eine List auf kurze Zeit zu entfernen. Die Löwen, durch die Abwesenheit ihres Herrn, dessen Nähe allein ihre wilde Natur zu bändigen vermochte, wüthend geinacht, emftfingen den Pascha, als er zu ihnen eintrat, um wit ihnen zu spielen, so schlecht, daß eine Minute nach seinem Eintritt nichts mehr von ihm übrig war, als der Kopf. Die Löwen hatten alle seine Glieder zerrissen und verschlungen, nur der Kopf war ihnen zu groß, diesen ließen sie auf dem Boden rollen und spielten damit wie mit einer Kugel. Wie der Heilige zurückkam, rollte ihm der Kopf des Pascha uutcr die Füße. Ssayvdy 'salyl wußte wohl, was vorgefallen war und durch welch' strafbare Gesinnung sich der Pascha sein schreckliches Loos zugezogen hatte, aber das vom Leib getrennte Haupt dessen, deß Gast er geworden war, erregte doch sein Mitleid, und wehklagend redete er es an: "Warum warst du so ungläubig, Fürst?" sagte der Heilige. "Du lebtest uoch, wärest Du ein untaoelhafter Moslim geblieben." Der Kopf des Dey, vom Heiligen angeredet, bekam plötz-^ch durch Wunderkraft die Sprache wieder und rief: „O Mann Gottes, ich glaube an Dich und an alle Wunder, die Du gethan und daß Dir nichts unmöglich ist. Darum kannst Du auch meinen Leib wieder aus dem Rachen der Löwen holen und zusammensetzen. Wenn Du das thust, so gelobe ich, alle Tage hundertmal Deinen Lieblingsvers des Korans herzusagen." Der Heilige versammelte nun alle Großen der Stadt ans dem Hauptftlatz von Algier und ließ auch das Haupt 166 des Pascha, sowie seine sechs Löwen dorthin kommen. Vor allem Volk erzählte er das Vorgefallene bis zu dem Versprechen des Pascha, den Qoränvers des Heiligen täglich hundertmal herzusagen, was bekanntlich die Bedeutung hat, daß der, welcher dieß thut, zu der religiösen Bruderschaft des Heiligen gehören will. Darauf befahl er den: abgerissenen Haupte schon jetzt mit dem Hersagen des fraglichen Verses den Anfang zu machen, und zum Staunen des Volks begann der Todtenkoftf wirklich zu sprechen und den Qoränvers zu recitiren. Aber das Staunen nahm noch viel mehr zu, als sie nun sehen mußten, wie nach Hersagung eines jeden Verses eines der vielen kleinen Stücke, in welche die Löwen den Leib des Fürsten zerbissen hatten, aus deren Nachen wieder herausfuhr und sich an das Haupt anfügte. Der Körper des Pascha war nämlich in hundert und ein Stück zerbissen worden. So kam es, daß nach hundcrtmaligem Necitircn des Lieblingsverses Ssayydy ^alyl's der Körper des Pascha vollständig war, bis auf ein Glied, denn die kleine Zehe am rechten Fuße war das hundert und erste Stück, und dieses konnte der Dey durch keine Bitten vom Heiligen wiedererhalten. „Eine Strafe muh sein", sagte dieser, „und ich habe Dir nur eine gelinde auferlegt." Einige Tage darauf fand Ssahydy 'salyl den Wanderstamm, gab das Kind seinen Eltern zurück, entzog sich aber dem Dank dieses Stammes, des Pascha's, sowie aller der Tausende, welche er durch seine unzähligen Wunderthaten beglückt hatte. Er kehrte nach Fery^na zurück, wo er hundert Jahre alt wurde, starb und ward hier in der Qobba (Grabkapelle) beigesetzt. Für den Alterthumsfreund besitzt jedoch Feryana ein ungleich höheres Interesse, als durch Ssayydy 'salyl und seine Wunder, dadurch, daß sich in seiner nächsten Nähe an einer Stelle, welche den Namen Madynat ei qadyma, d. h. die alte 167 Stadt, führt, römische Ruinen von großer Ausdehnung befinden. Als ich mich noch am Tage meiner gegen drei Uhr Nachmittags erfolgten Ankunft in Feryana dorthin begab, wurde ich durch das weite Trümmergefilde in Erstaunen gesetzt. Die noch vorhandenen Ruinen zeigen sich zwar sehr schlecht conscrvirt, dennoch erkennt man auf den ersten Blick, daß die hier befindliche Stadt eine wichtige und starke Festung gewesen sein Muß. Mitten aus dem weiten, mit kolossalen Werksteinen And Schutthaufen förmlich übersäten Nuinenfelde ragen einige sechs oder sieben größere Mauerfragmentc in die Höhe und unter Andern auch vier schöne korinthische Säulen, welche die vier Ecken eines kleinen Gebäudes geschmückt zu haben scheinen und von den Arabern „ei Arbc^ achwan", d. h. die vier Brüder, genannt werden. Ueber der eigentlichen Stadt erhebt sich der Dschebel Rass el °Ayn, auf welchem höchst massive antike Ruinen in besserem Zustande erhalten, als die' der Stadt, sich erheben. Der in die Augen fallendste Theil dieser Ruinen ist ein riesiges Maucrviereck, aus großen, vlumv behauenen Quadersteinen aufgeführt, wahrscheinlich seiner erhöhten Lage, seinem festen Charakter, sowie seinem großen Umfang und der in seinem Umkreis eingeschlossenen kleineren Bauten nach zu schließen, die Außenmauer der Citadelle. Die nmerhalb dieses Mauervierecks eingeschlossen gewesenen Gebäude sind nur noch in ihren Fundamenten zu erkennen. Ich bemerkte an diesen Ruinen zweierlei Arten des Bauens vertreten, die eine mit großen festen Materialien, die andere mit zerstreuten Bruchstücken aus wahrscheinlich zerstörten, älteren Gebäuden. So sah ich Säulenfragmente, welche so zugehauen waren, daß es unverkennbar schien, daß sie zu einem Gebäude späterer Zeit, als die war, in der sie vielleicht an einer Prachtbaute sigurirt hatten, als Bausteine verwendet worden waren. Ueberall in diesem Theile von Afrika, wo wir solcherlei Benutzung von Säulenfragmenten oder sonstiger kunstvoll 168 gearbeiteter Materialien als gemeine Bausteine finden, spricht die Vermuthung dafür, daß sie zu einer byzantinischen Restau-rationsbaute gehörten. Besonders, wenn diese Baute eine Festung ist, gewinnt diese Vermuthung an Wahrscheinlichkeit, denn überall in Afrika restaurirten Velisar und dessen Nachfolger, der Patricius Salomon, die von den Vandalen zerstörten Festungen auf solche eilige und plumpe Weise, indem sie alte Baufragmcnte zusammenhäuften und damit die noch stehenden Neste der ursprünglichen Festungen wiederherstellten. In Tebessa, dem antiken Theveste, ist dieß vielleicht am deutlichsten zu sehen und dort wurde die byzantinische Restauration auch durch eine aufgefundene Inschrift unzweifelhaft gemacht. Hier nun sah ich deutliche Indicien eines ähnlichen Werkes. Aus dein Gesagten möchte ich den Schluß ziehen, daß die hier befindliche Festung, von den Vandalcn, wie alle in Afrika, zerstört, zur Zeit der byzantinischen Herrschaft wieder erbaut wurde. Daß diese Stadt das Feraditana der Kirchen-geschichtc (Nm-Ldlli ^,ti'io!l Oin-^t. 1. 157 ...), wie Shaw aus der Namensähnlichkeit schließen will, gewesen sei, glaube ich nicht. Wir kennen aus den Visthumslistcn zwei Feraditana, ein Majus und ein Minus, aber wir wissen nichts über ihre Lage. Andere haben mit mehr Necht in Madynat ei qadyma und seiner Citadelle Rass el 'Ayn die römische Colonie Telepte erblicken wollen, welche zwar das Itinerarium Antonini Augusti 71 Milliarien von Caftsa entfernt angiebt, während der Weg von Qafya nach Feryäna nur 37—38 Milliarien beträgt, also beinahe die Hälfte weniger, ein Unterschied, der zu groß ist, um ihn durch einen durch Terrainschwicrigkeiten verursachten Umweg der Straße erklären zu können. Wir haben jedoch schon oben bei Ssayydy/Avisch, welches wir mit Gemellae idcntificirten, gesehen, daß das Itinerar hier ein fehlerhaftes Glied der Route durch Versehen eingeschaltet hat, Gemellae 169 zweimal hintereinander nennt und eine Straße von einem Gemellae zum andern, das dort Gremellae heißt, angiebt. Diese Straße müssen wir von der Summe der ganzen Route abziehen und dann finden wir die Entfernungsangabe des Itinerars mit der Wirklichkeit (denn Ssayydy 'Ayisch liegt in directer Linie 20 Milliaren von Feryana entfernt) und auch mit der Entfernungsangabe der Peutingcr'schen Tafel, die den Ort zu Folge eines Schreibfehlers Theleote nennt, übereinstimmend. Der heilige Cyprian erwähnt Televte als eine Stadt der Provinz Vyzacium, zu welcher sie also zu seiner Zeit wiedergekommen war, nachdem sie unter Massinissa zu Numidien gehört hatte. In der Kirchengeschichtc ist Telepte nicht nur als Bischofsfitz, von dem uns drei Inhaber Iulianus, Dona-tianus und Frumentius, welche auf den karthagischen Loneilen von 255, 411 und 464 erschienen, bekannt sind, berühmt, sondern auch als die Geburtsstätte des Bischofs Fulgentius von Ruspe, der zweimal Vom Vandalentvnig Thrasamund nach Sardinien verbannt, dort als Mönch lebte und später canonisirt wurde. Auf dem Rückweg von Madynat el qadyma führten mich die Araber nach einem großen viereckigen Gebäude, dicht am Flüßchen gelegen, welches seiner Anlage nach vollkommen dem Namen entspricht, den es noch heutzutage trägt. (5s heißt nämlich I.lammäm, d. h. Bad, und war offenbar ein römisches Balneum. Auch ein anderes vermeintliches Denkmal wurde mir gezeigt, nämlich ein großer schwarzer Monolith, von den Arabern IMdschr el Assuad genannt und abergläubisch verehrt, fast wie der berühmte schwarze Stein, den ich in Mekka sah. Dieser iladschr ei Assuäd hat jedoch nicht das Geringste mit der Archäologie zu thun und ist eine rohe Steinmasse. 170 Achtzehntes Oapitel. Ssobaytala oder Ssbaytla (Sufetula). Menge der AimmMdle in dieser Gegend, — hausch el Cyni>ma. — Ilanschijr e>s< 5säü>, — Anincn römischer Villen nnd Vluiernhänser, — Anünnsl in Nn^ra^n. — l'ager der HanijWsch, — Auinen von GüliuM, — Ilij'chrislNche Vestii-lignng der Vertlichkeü, — Gralidenüinal des 5ecnndl,s. — Aeije von Qa^ä^n nnch "'jliazjtla, — Dus nnlille 5nse!nlli,—Aniucn dreier Cenipel. — Cnmnpy-üogen, — Foruin, — NMittiuische Cillidelle, — wichtigkeil von 5nsettlla »nler de» 35».ilinli!ttrn, — Eimmhme dnrch die ^lrnlier, Durch den Ausflug nach Hausch-el-chayma war beinahe die Hälfte des Tages verloren gegangen. Wir konnten also nicht hoffen, in der noch übrigen weiter zu kommen als bis nach Qa^rayn (den zwei Schlössern), welches zwar eine Abschweifung nach Westen von unserm graden Wege bildete; aber einmal befinden sich daselbst höchst ausgedehnte und interessante antike Ruinen, und dann war es eine Niederlassung des Stammes der Faraschysch, von welchem wir ja vier Männer bei uns hatten und den wir als uns befreundet ansehen konnten. Der Weg dorthin führte Anfangs in nördlicher Richtung, bis wir nach einem zweistündigen Ritt abermals beim Ilanschyr es Ssäla bei Trümmern einer römischen Stadt anlangten. Die Fundamente der Stadtmauern waren hier deutlich zu traciren, ebenso die von mehreren Häusern. Die große Ausdehnung des Umkreises der Stadtmauern läßt auf die Bedeutsamkeit dieser antiken Stadt schließen, obgleich ihr Name bis jetzt noch dem Reiche der Vermuthungen angehört. Ptolemäos läßt uns hier gänzlich im Stich-. wir haben frei- 173 lich die Wahl zwischen mehreren von ihm ungefähr in dieser Gegend angegebenen Orten, wie Ubata, Veftillion, Tuscubis, Timica, aber jedes genauere Indicium fehlt. Das Itinerar kann uns gleichfalls nicht leiten, da es die Straße von Telepte nördlich nicht weiter verfolgt und das von der Peu-tinger'schcn Tafel 20 Milliarien nördlich von Telepte verlegte Nbaha Eastrum kann in dem nur 10 Milliarien entfernten Hlanschyr ess Ssala wohl schwerlich gesucht werden. Jetzt blieben uns noch drei volle Meilen bis Qa^rayn zurückzulegen und da es schon zwei Uhr Nachmittags war, so mußten wir eilen, um nicht spät nach Sonnenuntergang bei den Faraschysch anzulangen. Diese Eile war mir um so mehr unerwünscht, weil wir auf diesem Wege mehr als noch irgendwo außerhalb der bekannteren Nuinenstädte, zahlreiche Neste des Alterthums zerstreut antrafen. Gleich bei den ebenbeschriebenen Ruinen stießen wir auf die unverkennbaren Spuren einer Römerstraße, deren Wagengeleise noch deutlich zu sehen war. Dieser Umstand rechtfertigt es vollkommen, wenn wir die von der Peutinger'schen Tafel angegebene Straße, welche von Teleftte über Ubaha Castrum nach Majores führte, hier suchen. Eine wirklich noch in ihren Pflastersteinen nachweisbare Römerstraße, wie die hier vorhandene war, ist aber für den Alterthumsfreund in diesem Lande ein seltner Fund und kann ihm zu einem kostbaren Fingerzeig werden. Etwas später erblickten wir rechts und links viele zerstreute Ruinen, oft in ziemlicher Entfernung von einander; sie trugen ganz den Character von römischen' die wenigen größeren schienen mir die Reste von Villen (großen Landhäusern), die kleinern entsprachen vollkommen der Beschreibung der Vasae oder Casulae (kleiner Landhäuser oder gemauerter Hütten), wie sie die römischen Vauern in der Vlüthezeit des Staates hatten und wie sie Martial (I5p. VI. 4!i) beschreibt, wahrend in ältester Zeit bekanntlich die Casae, sogar die klas- 173 fische des Romulus, nichts als Schilfhütten waren. Nie klein und namentlich wie schmal mitunter diese Casae gewesen sein müssen, was uns ja auch eine pompejanische Freske im Museum zu Neaftel recht anschaulich macht, davon bekam ich hier wieder einen Beleg. Die Thür nämlich, welche bei einer dieser kleinen Bauten noch vollkommen erhalten war, besaß bei einer Höhe von sieben bis acht Fuß eine Weite von kaum anderthalb, so daß nur mit Mühe ein Mann sich hindurchzwängen tonnte. Das Gebäude selbst entsprach genau diesen Verhältnissen der Breite zur Höhe. Auch diese für eine so geringe Breite verhältnißmäßig große Höhe ist auf der erwähnten pompejanischen Freske zu sehen. Vin anderer auffallender Umstand bei dieser Thür war der, daß dieselbe nicht die bei solchen bescheidenen Bauten gewohnlichen t^rämW (Thürangeln) besaß, sondern statt deren die mehr bei Luxus-bauten üblichen ^ntoMg-mnntÄ, d. h. Rillen, durch welche ein unten in der Schwelle und oben in der Decke befestigter Oisen-ftock ging, welcher nicht nur durch die Nille, sondern auch oben Und unten durch die Thürpfosten gänzlich verdeckt war, so baß man nichts vom Bewegungsapparat der Thür sehen tonnte. Ans dem Vorhandensein solcher, allem Anschein nach römischen, ländlichen Wohnungen werden wir zu dem Schlüsse geführt, daß die hier Angesiedelten, ungleich der Mehrzahl der Colonisten, welche in Städten lebten und von diesen aus ihren: ^andbau vorstanden, wirklich das ,^and selbst bewohnten, denn an eine Stadt ist bei der weitläufigen Zerstreutheit der .Ruinen hier nicht zu denken. Vielleicht waren auch dieß nicht die Wohnungen von freien Colonisten, sondern von Sklaven, welche für ihre Herren das Feld bestellen mußten und oft auf demselben wohnlich untergebracht wurden. Bekanntlich war die Agricultur durch Sklaven in keiner römischen Pro-dinz schon in frühester Zeit so ausgedehnt, wie in Afrika, wo ja auch die Karthager dieselbe schon in so großartigem Maß- 174 stabe betrieben und zu einer förmlichen ökonomischen Wissenschaft ausgebildet hatten, in welcher die Römer sich sogar von ihnen belehren ließen, wie uns der Umstand beweist, daß nach Zerstörung Karthago's ein dort gefundenes Buch über den Ackerbau vom karthagischen Feldherrn Mago verfaßt, auf Befehl des Senats durch Silanus in's Lateinische übersetzt wurde, fast das einzige Beispiel eines so officiell empfohlenen fremdländischen Werkes lNinm» IIi»t. Nut. XVIII. 5). Diese Ruinen von Landhäusern, sowie die zahlreichen in dieser Gegend gelegenen Trümmerstädte lassen auf eine dichte Bevölkerung dieser Gegend im Alterthum schließen. Wie sie jetzt angebaut, oder vielmehr nicht angebaut ist, würde sie freilich nicht im Stande sein, eine solche zu ernähren. Aber zu einer solchen wüstenartigen Steppe, in Welcher außer dem borstigen Halfa (Niu-oolilLu, tena^iggima) und dem weißlichen Beifuß (HrtLmigia berda alda) fast nichts wächst, zu einer solchen Steppe, wie wir sie in unserm Jahrhundert scheu, ist sie eben nur in Folge der langjährigen Verwahrlosung durch die arbeitsscheue und außerdem noch wenig zahlreiche Bevölkerung aMorden, deren geringe Bedürfnisse die Viehzucht auf eine mühelose und ihren nomadischen Instinkten entsprechendere Weise hinreichend befriedigt. Nach einem weiteren Ritt von einer Stunde trafen wir abermals auf eine Nuinc Iianschyr er Rüysched, und gleich darauf auf eine andere IMschyr el Makdüdiss. Letzterer Name schien mir eine entstellte Form von KadHoyss, welches „ungedroschenes Getreide" bedeutet und also den Ort als eine Tenne kennzeichnet. Für eine solche mögen wohl die Araber das ansehnlichste hier vorhandene antike Gebäude halten, welches allerdings damit eine entfernte Aehnlichkeit zeigt. Es ist eine große rundliche Ruine, von welcher jedoch nicht viel mehr, als Theile des Erdgeschosses stehen. Daneben liegt ein zweistöckiges Gebäude, sowie noch einige kleinere, welche alle, eben- 175 so wie die vermeintliche „Tenne" selbst, den Charakter von Grabmonumenten und Mausoleen tragen. Diese Denkmäler sind übrigens allen architektonischen Schmuckes beraubt, auch suchte ich umsonst nach der kleinsten Inschrift. Wie in so vielen Ruinenstädten, so war auch hier die Nekrovole fast das Einzige, was nicht ganz in Schutt und Staub lag. Dennoch vermochte ich es, die Fundamente eines festungsartigen Gebäudes zu traciren, welche von sehr massenhaften Werksteinen gebildet waren, aber Spuren von einer Restauration Mit anderen Baufragmenten trugen. Alle übrigen Häuser dieser gewiß einst nicht unansehnlichen Stadt boten jetzt nur Unförmige Trümmermassen. Neber den muthmaßlichen Namen dieser antiken Niederlassung hat bis jetzt noch keiner der Reisenden, welche sie öesuchrcn, eine Anficht geäußert, dennoch möchte ich es wagen, hier eine Identification vorzuschlagen und zwar mit dem von der Peutinger'schen Tafel erwähnten Ubaha Castrum, welches 20 Milliarien von Telepte entfernt lag. Die directe Entfernung von Feryana nach Nanschyr cl Matdüoiss beträgt zwar nur 1l', Milliarien, aber vier können gewiß hier a.uf den Umweg gerechnet werden. Das Itincrar giebt hier keine Straße an. Bei einbrechender Dunkelheit stießen wir plötzlich auf Mehrere Gruppen von Zelten, welche mit einer Nmfriedigung von aufgeschichteten Reisern und Dornen umgeben waren. Daß dieß unser Nachtlager bei Qa^räyn war, stand auße^, Zweifel. Nie aber hinein! kommen? Das schien Anfangs gar nicht leicht, denn ein ganzes Heer großer schatalsartiger Hunde brach mit fürchterlichem Gelläffe daraus hervor und schien Uns den Eintritt streitig machen zu wollen. Die arabischen Hunde sind ebenso orthodox fanatische Moslims, wie ihre Herren. Sie haben ungemein feine Spürnasen und wittern den Ketzer und Ungläubigen, selbst wenn sie noch nie einen 176 gesehen hätten. In unserer kleinen Karawane waren nun drei Nichtmoslims, nämlich außer mir noch die beiden Kinder Israels und deren unheilige Ausdünstung mochte den orthodoxen Niechorganen dieser gläubigen Hunde keineswegs gefallen. Auch die Stadtaraber pflegen diese interessanten Thiere nicht zu lieben: dieselben mögen ihrem Instinkt wohl als halbe Europäer gelten. Was sie aber lieben ist der alte staubige, zerfetzte Burnus des Beduinen und zum Glück hatten wir vier der letzteren bei uns, Faräschysch von dem Stamme der Herren dieser Zclteswächter. Unsern vier Faräschysch gelang es denn auch schnell, die stammverwandten Thiere zu besänftigen, welche sich, knurrend und murrend zwar, aber doch zurückzogen. Diese unsre beduinischen Begleiter begaben sich nun zuerst in die Zelte, um auf unsre Ankunft vorzubereiten. Aber es dauerte nicht lange, so kam eine ganze Schaar von Faräschysch zu uns heraus und begrüßte uns auf's Höflichste. Einige von ihnen hatten nämlich schon früher Kunde von unsrer Annäherung erhalten und erfahren, daß wir nicht mit dem gewöhnlichen Erftressungssystem reisten, welches übrigens auch bei ihnen gar nicht praktisch anzuwenden gewesen wäre, ja daß wir sogar einige ihrer Stammesgcnofsen bei uns hatten. Dieß sicherte uns einen trefflichen Empfang. Ich wurde in ein prächtiges Zelt geführt und dort eingeladen mich auf einein Fell niederzulassen, welches ich zu meinem Erstaunen für das eines Löwen erkannte. Wohl wissend, daß diese Gegend im Besondern, wie die ganze 'Regentschaft Tuuis im Allgemeinen jetzt nur noch äußerst selten Löwen sieht, so war ich neugierig genug nach dcr (5rlcgungsart dieses Thieres zu fragen und erfuhr, daß dasselbe bei der Jagd, welche die hierin sehr unerfahrenen Faräschysch angestellt hatten, einen ganz außerordentlichen Schaden angerichtet; nicht weniger als fünf Menschenleben waren dabei zu Grunde gegangen. Vor- her hatte der Löwe sogar, wie mir die Faraschysch versicherten, eine ganze Iudenfamilie aufgefressen. Ich erfuhr hier nämlich den interessanten Umstand, daß unter dem Stamme der Faraschysch eine gewisse Anzahl israelitischer Familien lebe. Dieselben treiben zwar hier wie überall in Tunisien ausschließlich Handel und Schlächterei, sind aber im Uebrigen völlige Beduinen geworden. Sie wohnen in Zelten, führen dasselbe nomadische Leben, wie der Stamm, dem sie gewisser-Maßen einverleibt sind, ohne jedoch eigentlich zu ihm zu gehören, denn von verwandtschaftlicher Verbindung mit jenen ist nicht die Nede. Dennoch hegen die Faraschysch für diese Juden, welche sie „ihre Juden" nennen, nicht dieselbe Verachtung, wie die übrigen Moslims gegen Israeliten im Allgeweinen. Hier sind es vielmehr die Juden, welche sich von den Moslims abzusondern streben. Diese Israeliten suchen Nämlich gewöhnlich ihren Aufenthaltsort an dem äußersten Ende des Lagers, oft ganz auch von einander abgesondert, ^ine solche beinahe vereinzelt nomadisirende Iudenfamilie hatte der besagte Löwe überfallen, war in ihre Lagereinfriedigung gedrungen und da er dort kein Vieh fand (die handelsbe-flissenen Juden halten selten Vieh) bis zu den Menschen vor-gedrungen und hatte diese theils erwürgt, theils wirklich verschlungen. Außer den Faraschysch haben auch noch die Hamama ^re Juden. Einige kühne Ethnologen wollen behaupten, da diese Juden sich als Nomaden so sehr von ihren Glaubensbrüdern unterscheiden, dieselben müßten auch in der Abstammung verschieden sein und sind auf den Gedanken gekommen, su könnten wohl die letzten Reste der bekannten verloren gegangenen zehn Stämme Israels sein. Doch diese zehn Stämme hat man schon in so vielen Volksgruppen erblicken wollen, und keine von allen diesen Ansichten hat Stich gehalten, daß wir auch dieser keine große Plausibilität beimesfcn können. II 12 178 Die frühesten Morgenstunden des 28. März benutzte ich zur genaueren Besichtigung der Ruinen von Qa.pl8«o^u3 (^ilUtanu» vor. ^ir haben also drei Schreibarten des Namens: Scillium, Willis und Cilio. Dieses Cilio oder vielmehr Cilium, von ber Inschrift Seillium genannt, ist ohne Zweifel mit dem ^isthum identisch, das wir als UplsonMtn» 8eil1it!MU5 er-^ahnt finden, dessen Bischöfe Squillaeius und Pariator auf ^en Concilien Ventil und 484 zu.Karthago erschienen. In letzterer Stadt befand sich auch eine Basilica, dem Martyres Seillitam gewidmet, von welcher Augustinus spricht. Eine "ndere Inschrift auf demselben Bogen lautet: 12' 180 CLEMENTIA • TEMPORIS • ET • VIRT VTE DIVINA'DD-NN-CONSTANTINI ET DECIMINVC .. SEMP • AVG • ORNAM10NTA - LIBERTA • RESTITVTA- ET VETERA C[VI TATIS-INSIGNIA ■ CVRANTE • CELONIO APRONIANO'CX A PATRO-CIVITATIS Die Erwähnung der beiden gleichzeitig regierenden römischen Kaiser Constantin und Liemius (denn dafür müssen wir wohl den letzteren Namen nehmen) giebt uns das Datum der Erbauung des Triumphbogens als das Jahr 312 oder 313 nach Christi Geburt, da vor dieser Epoche Constantin noch andre Nebenkaiser (Maximin und Maxentius) anerkannte, und da nach derselben Licinius im Kriege gegen ihn war, also wohl nicht auf einer Inschrift mit ihm figuriren tonnte. Wichtig ist eine kleine Inschrift, welche sich auf einer Hinterwand des weiter unten zu beschreibenden schönen Mausoleums findet, sie nennt nämlich den Namen eines Decurio der Eolonia Thelefttensis. Hätte man nicht hier die andere Inschrift, welche deutlich den Namen der Stadt als Colonia Scillitana angiebt, so würde man natürlich aus jener schließen, daft hier Thelepte lag. Aber wenigstens das können wir daraus mit Wahrscheinlichkeit folgern, daß Thelepte nicht weit von hier war. Außer dem Triumphbogen bemerkte ich in der einstigen Colonia Seillitana vor Anderm noch ein sehr schönes Mausoleum, aus einem viereckigen Grabgemach bestehend, welches ein erstes von neun korinthischen Säulen umgebenes Stockwerk trägt, worauf sich ein nischenartiger Aufsatz befindet, offenbar zum Aufstellen von Statuen bestimmt. Dieses schöne kleine Mausoleum, bei dessen Anblick lch mich unwilltührlich an die Via Appia in Nom versetzt wähnte, so edel war sein Vaustyl, ist etwa achtzehn Fuß hoch, ohne die drei großen Stufen zu rechnen, welche zum Erdgeschoß führen: letzteres 181 mag sieben, das säulonumringte erste Stockwerk sechs und der Aufbau fünf Fuß Höhe haben, während die Breite des Denkmals vier, seine Tiefe drei Fuß beträgt. Auch hier liest man eine Inschrift, welche aussagt, daß ein gewisser Titus Uavius Secundus dieses Grabmal für seinen Vater Titus Flavius Secundus, seine Mutter Flavia Urdana, seine Schwestern Separata und Flavia, seine Brüder Marcellus und Martialis Und seine Gattin Pacata erbaute. Derselbe Titus Flavius Eecundus ist am Ende der Grabinschrift auch als hier begraben erwähnt. Merkwürdig ist das fabelhaft hohe Alter, welches diese Aeltcrn des Titus Flavius erreichten, der Vater hundert und zwölf, die Mutter hundert und fünf Jahre, wenn nicht anders diese nach vi^it mma» Hieher gesetzten Zahlen irgend eine andere, uns unbekannte Bedeutung haben sollten. Nebrigens sind dergleichen Altersangaben auf Grabsteinen in Numidien nichts Seltenes: im Museum von Con-stantine kann man über zwanzig Inschriften lesen, welche Hundertjährigen gewidmet sind. Unterhalb der Grabinschrift lesen wir zwei lateinische Gedichte; das eine, außerordentlich lang, enthält neunzig Hexameter, das zweite besteht in zehn Distichen. Das erste Gedicht enthält theils langgedehnte philosophisch-moralische Netrachtungen, mit einer lobhudelnden Anwendung auf die hier Begrabenen, theils eine pomphafte und übertriebene Beschreibung des Grabdenkmals selbst. Auch in dein elegischen Gedicht iin Distichen) finden wir eine ähnliche Lobeserhebung bcs Denkmals. (Am Schluß dieses Bandes in Anhang II. Wiedergegeben.) In dem Gedicht wird das Bild eines Hahns erwähnt, welcher oben auf der Spitze des Mausoleums stand und dessen Nuf die Götter hier versammeln soll. Schließlich wird dem Secundus gewünscht, daß er viele Jahre lang diese Inschrift lesen, d. h. lange leben möge. Ich muß ge- 182 stehen, daß ich mich freue, die Inschrift nicht so oft lesen zu müssen, als dieser Secundus, der hier wohnte, möglicherweise gethan hat. Außer diesem Mausoleum des hundertjährigen Ehepaars sah ich noch einige sechs andere, die leidlich erhalten waren. Sie boten jedoch weder Inschriften noch architektonische Schönheiten. Eines zeichnete sich durch feine Größe aus, indem es einen etwa vierzehn Fuß hohen Gingangsbogen hatte, an dessen Seiten korinthische Säulen standen, welche ein Karnieß getragen zu haben scheinen. Das obere Stockwerk war zur Hälfte herabgefallen, aus der noch stehenden konnte man aber die Höhe des Denkmals auf dreißig Fuß schätzen. Jetzt ist Qa^, d. h. „Ul ist Nichter". Ul oder II war nach dem berühmten Phönikologen der Name des phönicischen Chronos oder Saturn. Die Ruinen dieser antiken Stadt zeigen sich sehr bedeutend, zum Theil wohlerhalten und gehören vorwiegend der bösseren Periode der Kunst und Architektur an. 'Nachdem ich mir von einem erhöhten Punkte einen orientirendm Ueber- 185 blick über das Trümmerfeld verschafft hatte, begab ich mich gleich zu demjenigen Theil desselben, welcher mir von oben als der bedeutungsvollste erschienen war. Es war dieß ein architektonisch begränztes, von einem Porticus eingeschlossenes Parallelogram von etwa 150 Fuß Länge und 60 Fuß Breite, umgeben oder vielmehr eng zu einem Ganzen verbunden mit drei der schönsten Tempel, zwei großen Triumphpforten und andern öffentlichen Prachtbauten. Dieß muß das Forum, der Mittelpunkt des öffentlichen Bebens, der Römer gewesen sein. Man müßte noch nie ein römisches Forum gesehen haben, um einen Augenblick an dieser Bestimmung zu zweifeln. Namentlich mit dem Forum von Pompeji fällt die Aehnlichkeit auf den ersten Blick auf. Obgleich der Porticus, welcher diese Architekturmassen zu einem Ganzen vereinigte, zum größten Theile verfallen ist, so kann man ihn doch deutlich traeircn und sich von der Ausdehnung des von ihm eingeschlossenen Forums einen richtigen Begriff verschaffen. Von den drei an das Forum, stoßenden Tempeln war der erste von korinthischer Ordnung, etwa 30 Fuß breit und 50 Fuß lang. Er erwies sich als ein prostMg t«tru.8tM8 (vornsäuliger mit vier Säulen versehener Tempel). Vier korinthische canellirte Marmorsäulen trugen das Tympanum (Vordergiebel), während sich auf den Seitenwänden und der Nück-wand korinthische Pilaster in gleichen Abständen von einander, wie die Säulen des Pronaos, befanden. Vom Innern zeigte sich nur wenig erhalten und auch die Facade, obwohl in allen ihren Dimensionen nachweisbar, war zum großen Theil verfallen. Aber von den Steinen des Tempels fehlte vielleicht kein einziger; nur bildeten sie einen riesigen Schutthaufen. Der zweite, dicht an ihn gränzende Tempel ist etwa 15 Fuß länger, als der erste, und von entsprechender Breite. Seine architektonische Anlage ist ganz ähnlich, nur ist hier die Säulenordnung nicht die korinthische, sondern die gemischte, 186 welche bekanntlich der korinthischen verwandt ist, sonst ist die Zahl der Säulen, die Form des Gebäudes, die Stellung der Pilaster ganz dieselbe. Von ihm hat sich außer dein Vordergiebel und seinen Säulen noch fast Alles erhalten. Die Cella ist besonders wohl conservirt; sie mißt etwa zwei Drittel der Länge des Tempels. Der dritte Tempel hat sich am besten erhalten; er bietet in allen Stücken die genaue Nachahmung des ersten, so daß der mittlere Tempel von zwei sich völlig gleichenden Prostylen eingeschlossen war. Diese drei Tempel liegen so nahe aneinander, das; sie eigentlich nur eine einzige Nuine bilden. Sie gehören offenbar alle drei der bessern Zeit der Architektur an. Zahlreiche Inschriften, welche man hier entdeckte, lassen, trotz ihrer Unvollständigkeit, die Kaiser Marc Aurel und Antoninus Pius als die Urheber dieser Bauten annehmen. Von jener Unvollständigkeit möge die folgende Inschrift einen Begriff geben, welche noch von allen hier gefundenen am meisten ununterbrochen sich folaende Buchstaben hat. .....IVIPI..................NI. . . . . DIV . . . RVAPRONEP.....R . . . . . INO.....1)0 . . NTMAX . . . HIT . . Nur in der mittleren Zeile können uns hier einige Worte über die Bedeutung dieser Inschrift Aufklärung geben. Diese sind . . rv:>, in'ouLp . . . , Welche unfehlbar zu ^«n'VAv Mmopa» zu ergänzen sind. Also war der Urenkel des Koi-v^ d. h. durch Adoption Antoninus Pius, der auf der Inschrift Gemeinte. In der Nähe der Tempel erhebt sich eine große Triumph-phorte mit einem zehn Fuß hohen Mittelbogen und zwei halb so hohen Seitenarcaden. Zur Seite des Mittelbogens befinden sich zwei schöne korinthische Säulen. Auch dieser :n'«il8 ti'imni>nuli« ist im schönsten Style gebaut und stammt eben» falls, wie zwei auf ihm befindliche Inschriften beweisen, aus der Zeit der Antonini. Die eine Inschrift lautet: 187 . . IVIANTONI NI . AVG . . . PP. F. DD. PP. SDie slnbeve: IMP CAESAR AVG...... ......ONIN....... In Beiden ist fast nichts als der Name Antoninus zu entziffern, aber dieser ist auch unverkennbar. Der Ehrenbogen ward also wohl zu gleicher Zeit wie die Tempel erbaut. An das Forum anstoßend, den drei Tempeln gegenüber, liegt eine andere zwar größere Triumphpforte, aber von viel weniger schönen Dimensionen, als die erste, offenbar der Zeit des Verfalles angehörig. Sic besitzt nur einen einzigen etwa dreißig Fuß hohen Bogen. Ihre architektonischen Ornamente find zwar dem korinthischen Style entlehnt, machen demselben aber Ehre. An der Vorderseite trägt dieser Triumphbogen folgende Inschrift, welche mir das bestätigte, was ich beim ersten Anblick desselben errieth, daß er nämlich der spateren Klliserzeit, d. h. der Zeit des Kunstverfalls, scinc Entstehung verdanke. D. I). N . . PR ... V ... PMAX...................... IN VIC .... S A . . . GF .. EM .. CONSTANTIO .. MAXIMIAN 0 BLSS1M1S . CAJflSARIBVS. P. 1). N.....VGVSTO........... ISTICINPROV1N .. IS VA.....................TVTÜ . . Fast das Einzige, was wir aus dieser Inschrift entziffern können, sind die Namen des Constcmtius und Mar.imianus und ihre Titel als Cäsaren. Wir werdm dadurch auf das Ende des dritten Jahrhunderts als die Grbmmngszcit dieses Denkmals hingewiesen, und dieser Epoche entspricht auch vollkommen der Charakter der Architektur. Außer den dicht um das Forum gelegenen Bauten sehen wir in Snfetula noch ein Theater, ein Amphitheater, einen Aquäduet, eine Citadelle, eine Basilica, alles mehr oder weniger ansehnliche, wenn auch zum größten Theil verschüttete 188 Ruinen. Auch ist eine Stadtstraße, welche von einem der Bogen nach den Tempeln führt, noch vollkommen erhalten. Viele Ruinen von Ssbaytla zeigen deutliche Spuren, daß sie in späterer Zeit, ihrer ursprünglichen Bestimmung entgegengesetzt, zu Befestigungen benutzt worden sind- so namentl lich die drei Tempel, deren Celten, durch barricadenartige Anhäufungen von Bautrümmern rings um sie herum, zu kleinen Citadellen umgeschaffen erscheinen. Außerdem befindet sich in der Nuinenstadt noch ein großes festungsartiges Gebäude, welches in der Zusammensetzung seines Baumaterials, ganz den byzantinischen Citadellen in Nordafrika, namentlich denen von Tebessa (Theveste) und von Scherschell l.1'l> (,':>e l'Mi 5'jlny!.U>i «nch 5ftßB<- — Das m,like 5us^, — N,lln1»chl»lg^» über de>t pl)mn>>sche,! Aame». — Aümischc ^este »oü dl'r Eimmhnn' Chnl«^. — Aüilü!» i>i Thlila,— 7^'»üsche Aüliropole, —-AüiM'H von Chlüa nnch ha^dra. — Eejnhrlichkeil diej^r Gegend — Vesnch der Aüineu vo>t nd Nledmn«. — ?U'^ili'»>'r dc^ jungen Aochs mil nravijchen Mlibmi, — AiMehr >i'»ch Choln, — EmlMl iü'5 Geßi,'! des N!ä,djchir-stmnm's. — Die grnfle El'«n' 1'>>,l wntt^», — Ilansch^r el N>di>mi. — Das aittike AWa oder VM>, ^/er einzige Bewohner des einstigen Sufetula ist jetzt eine Art von Derwisch, Namens Ibrähym, der in einer wohlerhaltenen Ruine sich eingenistet hat und sich den Titel „Nakyl" (Grabwächter) einer Heiligenkaftelle beilegt. Seine Neden flössen von Salbung über, aber seine Finger waren stets nach Geschenken ausgestreckt, ja er wurde manchmal so zudringlich, daß nichts übrig blieb, als ihn zur Thür hinauszuwerfen. Dieß hatte ich am Abend vorher zweimal gethan und immer hatte er sich wieder eingefunden. Auch, als ich am Morgen des 29. März eben mein Pferd zur Abreise besteigen wollte, erschien Ihrahym und erbat eine Liebesgabe für seinen todten Heiligen, wie er sich ausdrückte, worunter natürlich sein eigner lebendiger Magen verstanden war. Nur mit Mühe entledigte ich mich dieses Zudringlichen, der mir mit seinen sechs halbnackten Kindern noch eine halbe Stunde lang nachlief und 193 „Korub" (Kupfergeld) schrie, ähnlich wie die Bettler in Algier „Sordi" (d. h. Sous) rufen. Ich fing erst an, den Morgen zu genießen, als der Derwisch nicht mehr sichtbar war. Solche Menschen wie dieser Ibrahym halte ich aller Almosen für unwürdig, einmal, und das ist der triftigste Grund, weil sie gar keinen Mangel leiden, sondern von den Arabern gefüttert werden, dann weil sie ein ascetisches Leben heucheln und doch im Besitz mehrerer Gattinnen ihr Dasein auf eine so sinnliche Weise genießen, wie der beste Lebemann. An der Stelle, wo Ibrähym endlich für gut fand, uns zu verlassen, gewahrte ich zu meinem Staunen ausnahmsweise schöne Reste des Alterthums, zwar kein Gebäude mehr bildend, aber doch geeignet, einen Kunstgenuß zu gewähren. Es waren die Trümmer eines Tempels, von defsen Säulen noch einige aufrecht stauden, die meisten aber den Voden bedeckten. Darunter befanden sich einige vom schöusten Porphyr, die Capitäler höchst kunstreich im besten Styl gemeißelt. Ich vermuthe, daß der Tempel, zu dem sie gehörten, von den Bürgern Sufetula's errichtet und irgend einer Nationalgottheit, die in einem abgelegenen Hain ihre durch die Tradition bezeichnete heilige Stelle haben mochte, gewidmet war, denn der Tempel muß ganz isoint gestanden haben. Von andern Ruinen war keine Spur zu sehen. Die Araber nennen diesen Ort Uanschyr el Usst. Mittag machten wir am Ued Dschildschil, bei einen: gleichnamigen l.lanschyr, dessen Trümmermassen einen Hügel bedecken. Auf der höchsten Spitze desselben liegt die Ruine eines Forts der Vitadelle der kleinen Stadt, deren Name es Unnütz wäre zu suchen. Von diesem l.lanschyr hatten wir noch einen vierstündigen angestrengten Ritt, bis wir gegen 5 Uhr die Ruinen von Ssabyba am Horizont auftauchen sahen. II. 13 194 Während meine Leute das Lager herrichteten, stöberte ich in den Alterthümern herum. Die Ruinen von Ssabyba (gewöhnlich Sbiba ausgesprochen) füllten ein weites Trümmerfeld, dessen Umkreis ich auf nicht weniger als eine halbe geographische Meile schätzen kann. Das in diesem ungeheuren Zwischenramn eingeschlossene Terrain ist wellenförmig mit vier oder fünf ansehnlicheren Hügeln, auf denen die massiveren Trümmer liegen. Zuerst fesselte meine Blicke ein großes klrchenähnliches Gebäude, welches die Araber eine Moschee nennen und das möglicherweise auch einmal zu diesem Zwecke gedient hat. Aber alle Materialien des Innern und auch gewiß der ganze Mauertreis sind antik. Im Innern stehen noch 36 Säulen, welche offenbar von älteren Gebäuden herstammen. Wahrscheinlich wurden sie aus andern Bauten Hieher verpflanzt, um die Moschee zu schmücken, deren Mauer jedoch schon vorher gestanden und wohl einer Basilika angehört haben mich. Auf zwei Hügeln bemerkte ich Fundamente und Theile der Nmfangsmauern von festungsartigen Gebäuden-. das größere scheint die Citadelle, das kleinere ein Fort gewesen zu sein. Nnweit davon liegt eine verfallene christliche Kirche. Oine große 3tuinenlnasse, aus Backsteinen bestehend, in deren besser erhaltenem Theil man noch eineu Haal traciren kann und dessen hie und da sich zeigende Hohlziegel auf die Bestimmung zu einem Bade deuten, scheint den Thermen angehört zu haben. In der Ebne liegt eine massenhafte Ruine byzantinischer Bauart, d. h. nicht etwa im byzantinischen Styl, sondern ganz ohne Styl, aus allen möglichen von andern Gebäuden geraubten Materialien plump zusammengesetzt, welche Bauweise mau in diesem Lande die byzantinische nennen muß, weil die Byzantiner hier nur in Noth und Eile enorme Tteinmassen aufeinanderhäuften und sich weder um Styl noch Schönheit kümmerten. Wie fast alle byzantinischen Bauten in Afrika, so hatte auch 195 dieses ohne Zweifel eine militärische Bestimmung, wenn es auch für eine Citadelle nicht hoch genug liegt. Ueber den Namen der hier im Alterthum gelegenen Stadt giebt uns das Itinerarium Antonini Augusti vollkommene Aufklärung und dieselbe wird durch die Namensähnlichkeit zwischen dem modernen Namen Ssabyba und dem antiken Sufibus bestätigt. Nach Osten hin trifft die Ent-fernungsangabe von 108 Milliarien von Sufibus nach Ha-drumetum beinahe auf ein Milliarium zu, denn die directe Linie von Ssabyba nach Ssussa (Hadrumetum) gezogen, mißt allein schon 100 Milliarien. Nach Nordnordwest wird Sufibus von Karthago als 147 Milliarien entfernt angegeben und oie grade Linie von Ssabyba nach Karthago beträgt 130 Milliarien; 17 Milliarien Umweg auf eine so große Entfernung sind das Geringste, was man annehmen kann. Nach Norden haben wir die Straße von Sufibus nach Tuburbo Minus, 126 Milliarien; Tuburbo Minus ist das heutige ^eburba, von wo eine grade Linie nach Ssabyba gezogen allein schon 106 Milliarien mißt; das überaus bergige Terrain und der Umweg über Assuras, welchen diese Straße beschrieb, Rechtfertigen eine Abschweifung von 20 Milliarien von der gradcn Linie. Die Entfernung von Sufibus nach Sufetula, welche zu 25 Milliarien angegeben wird, läßt ebenfalls keinen Iweifel, wie ich mich durch eigne Schätzung dieser eben zurückgelegten Strecke überzeugt habe. Nas die Namcnsähnlichkeit betrifft, so ist diese so auffallend, daß dieser Punkt den Beweis gewiß nicht umstoßen kann. Der moderne Name ist offenbar aus der Ablativform Sufibus und nicht aus Sufes lder ursprünglichen Form) entstanden. Ablativformen standen bekanntlich in svä'trömischer Zeit für den Nominativ. Zum" Ueberfluß ist übrigens noch in neuester Zeit hier eine Inschrift gefunden worden, welche ich nicht sah, deren Aechtheit jedoch verbürgt ist, und die deutlich den Namen Colonia Sufetana 13* 196 angiebt ((^noi'M) Vo^M älui8 In. k«ge,n«c: 60 ^uni»^ l'^ri» 1802). Was wir von dieser libyfthönicischen, später römischen Stadt wissen, ist freilich nur sehr wenig. Ihr phönieifcher Name wird zwar von Gescnius von ^'^ ^l5', „Hügel des Baal" abgeleitet, hat aber wohl ähnlichen Nrsftrung, wie der von Sufetula, und kommt wohl auch vom Worte Schofet (Richter), was die Römer in Sufes verwandelten und mit Eonsuln oder Königen übeisetzten. Beide Städte scheinen mir nicht, wie Manche glauben, deßhalb Consularische oder Königliche geheißen zu haben, weil sie eigne hier residirende Sufeten hatten, sondern wohl, weil der Ertrag aus ihren Steilern den Sufeten als Einkommen angewiesen war, wie wir Aehn-liches auch bei andern Städten voraussetzen tonnen, namentlich bei den beiden V5n Ptolemäos angeführten Vulla, Vulla regia und Bulla Mesna (d. h. ^^'^?2 Mischnah, die zweite). Das Wort Bul l^2) bedeutet Eintommen. Also war Vulla regia wohl den Königen oder Eonsuln als erste Steuerstadt, Vulla Mesna denselben als zweite Stenerstadt zum Einkommen angewiesen. Ja, ich möchte die Möglichkeit aufstellen, daß wir in Sufibus oder in Sufetula das sonst ganz unbekannte Vulla Mesna des Ptolemäos erblicken tonnen. Aus der Periode der römischen Herrschaft finden wir von Sufibus keine andere Erwähnung, als die in den Itinerarien. In christlicher Zeit wird es als Bischofssitz und im Martyro-logium als Geburtsort von sechzig Märtyrern bezeichnet, von denen Augustinus (kMwl^ I^,.) berichtet, daß sie eine Statue des Hereules zerschlagen und deßhalb das Martyrium erlitten hätten. Das Heidenthum scheint demnach hier noch im 5ten Jahrhundert mächtlg gewesen zu sein. AIs Stadt scheint Sufibus Sufetula überdauert zu haben, denn noch im Jahre 123 der Mdschra wird der Einzug des Gouverueurs KolthuM ben M)ädh in Sfabyba von Ibn Chaldün erwähnt. 19? Ssabyba ist jetzt nicht mehr wie zu ei Vakn's Zeit, welcher es pomphaft beschreibt, eine bewohnte Stadt, denn die hier hausenden Beduinen vom Mädschirstamme haben keine Häuser, sondern führen das Zeltesleben. Mein Zelt stand mitten in dem Ruinenfeldc neben der sogenannten Moschee, welcher man den Namen Dqba's, des Eroberers von Afrika, beilegt. Zum Glück war hier kein zudringlicher Derwisch, wie in Ssbaytla, und wir konnten am Morgen des 30. März un-belä'stigt unsern Nitt gegen Thala zu fortsetzen. Der Weg dorthin beträgt in directcr Linie zwar nur neun, aber der Unebenheiten des Terrains wegen nahe an elf geographische Meilen. Doch waren wir ietzt schon an härtere Strapazen gewöhnt und so sollte uns dieser 15—ittstündige Nitt nicht lästig werden. U.m 5 llhr Morgens aufgebrochen, folgten wir dem Laufe des U'e'd Ssabyba, bis wir an eine Ruinenstadt, welche den Namen ftanschyr el Vaqr führt/ kamen. Hier auf einem Hügel sah ich ein Grabmonu.meut, ganz den römischheidnischen an Form ähnlich, nur durch ein großes eingemeißeltes Kreuz als christlich bezeichnet. Ginige hundert Schritte Weiter entdeckte ich auf einem zweiten Hügel, dessen Ruinen ebenfalls l.Ianschyr ei Baqr heißen, die Reste eines großen biereckigen Gebäudes, wahrscheinlich eines Forts. Auf diesem Wege giebt uns das Itinerar zwischen Tucca Terebinthina und Sufibus keine Zwischenstation an, so daß wir in Ermangelung auch anderer Indicien darauf verzichten müssen, diese Ruine mit einer bekannten Stadt zu identificiren. Von Ilanschyr ei Baqr ging unser Weg direct westlich 'über einen niederen Gebirgszug, bis wir um Mittag ein enges Thal erreichten, in dem der kleine UI-d et 'sofla (der Mädchenfluß) sich hinzog. Hier machten wir in einer völlig verlassenen Gegmd einen kurzen Halt, um schon um 1 Uhr wieder aufzubrechen. Wir überschritten abermals eine kleine Wasserscheide und kamen gegen 4 Uhr an einen mitten im Gebirge 198 gelegenen Ruinenhaufen, Mnschyr er Racha genannt. Auch hier sah ich die Fundamente eines großen festungsartigcn Gebäudes, sonst war Alles eine unförmige Schuttmasse. Veim Sonnenuntergang erreichten wir lianschyr Itamda, wo ich ähnliche Ruinen wie die in llanschyr er Nächa entdeckte. Nun hatten wir noch drei Stunden in vollkommner Dunkelheit zurückzulegen, und da diese Gegend als höchst unsicher verrufen ist, so gab ich meiner kleinen Karawane eine strategische Marschordnung. Sehr bedauerte ich, daß die vier Faraschysch uns in Ssbaytla verlassen hatten, um von da nach dem nahen Dschilma, ihrer Heimach, zurückzukehren. Nir waren jetzt nur uoch acht Bewaffnete: die Tüchtigsten, Uädsch Hämed und seine Söhne, ließ ich an den Endpunkten unsrcrs Zuges reiten, den Iiadsch mit dem einen Sohn hinten, da diese Seite die ausgesetzteste war. Der andere Sohn und ich selbst ritten voran. Dann folgten die'Hamba's; die unkriegerischen Söhne Israels nuchten in die Mitte genommen werden, wo sich auch das Gepäck befand. Bedäwy und Vrähym ritten zwischen ihnen und dem yadsch. Auf diefe Weise, militärisch geschlossen, mag unsre kleine Schaar wohl den hier wie überall versteckt lauernden Wegelagerern imponirt haben, denn wir erreichten um 9 Uhr Abends in aller Sicherheit Thala. Zum Glück war Thala eine kleine Stadt und kein von Dornheckcn umgebenes, von schakalsartigen Hunden umheultes Veduinenlager, sonst würde unsre Ankunft in so später Stunde wohl mit Schwierigkeiten verbunden gewesen sein. Obgleich mir der Chalyfa (Stellvertreter) des Qayid (Gouverneurs), der sogleich von meiner Ankunft benachrichtigt worden und herbeigeeilt war, eine Wohnung im Regicrungshaus anbot, so zog ich doch mein geliebtes Zelt bei Weitem vor. Dieser Ort hat etwa tausend Einwohner und ich konnte mir bei den Händlern hier fast allen Proviant verschaffen, dessen ich be-nöthigt und zwar sehr benöthigt war, denn seit Qaf»,-a hatte 199 ich eigentlich keinen menschlich bewohnten Ort mehr angetroffen. Der Chalyfa war über meine Art zu reisen, daß ich nävMch nicht auf den Regierungsbefchl hin überall Lebensmittel erpreßte, so entzückt, daß er sich gar nicht von mir trennen zu wollen schien. Erst um Mitternacht verließ dieser Würdenträger mein Zelt und ich konnte einer 5—Gündigen Ruhe pflegen, um am andern Morgen schon in aller Frühe die Ruinen von Thala in Augenschein zu nehmen. Das heutige Thala vertritt die Stelle der alten Festungsstadt des Iugurtha, welche auch Thala hieß, so daß wir in diesem Namen ein weiteres Beispiel einer völlig unveränderten Nomenclatur haben, wie wir in Qaf^a schon ein andres sahen. Die Lage der Ruinen entspricht auch so vollkommen der Bestimmung einer Vcrgfestung, welche Thala hatte, daß es wirtlich Wunder nimmt, wie man so lange im Irrthum über die wahre Stelle von Iugurtha's Feste sein konnte. Denn erst ln allerneuester Zeit ist man darauf verfallen, das heutige Thala als die Stätte des alten anzusehen. Visher war man immer der Ansicht Shaw's gefolgt, welcher jedoch, wie man letzt allgemein annimmt, das Innere dieses Landes nicht selbst durchreist, sondern alle Berichte darüber mit großem Fleiß in den Mstenstädten gesammelt hat. Shaw nun findet das alte Thala in Feryana, und erklärt es zu gleicher Zeit für identisch mit dem Telcpte des Itinerars. Diese Identität wird nun freilich durch die Bisthumslisten als unmöglich dargethan, welche auf ein und demselben Concil Bischöfe von beiden Städten anführen. Was jedoch die Lage der jugurthimschen Feste an Stelle des heutigen Feryana anbelangt, so halte ich sie deßhalb für unmöglich, weil Marius auf seinem Feldzug gegen Capsa, welches von Feryana nur sieben Meilen entfernt ist, ja dann von dieser Stadt aus die bequemste Oftcra-tionsbasis gegen Caftsa gehabt hätte und nicht gezwungen gewesen wäre, sich Capsa von Westen her durch Steppen 300 und Wüsten Zu nähern. Sallust sagt nicht, daß Metellus Thala zerstörte, aber, wäre es selbst zerstört gewesen, so blieben doch immer die Quellen und der Fluß, aus welchem Marius sein Heer viel bequemer weil mehr in Cavsa's Nähe mit Wasser hätte versorgen können, als aus dem drei Tagemärsche entfernten Fluß Tanas. Wenn wir lesen, welche große Mühe sich Marius gab, seinem Heere Wasservorräthe zu sichern, so müssen wir die Annahme für rein absurd halten, Feryana, das quellenreiche, könne damals in seiner Gewalt gewesen sein. Thala war aber zur Zeit des Zuges gegen Capsa schon längst in Gewalt der Nömer. Televte oder wie sonst die Stadt hieß, welche ein Jahrhundert vor unsrer Zeitrechnung an Stelle des heutigen Feryana lag, war gewiß damals nicht in Gewalt der Nömer, sonst hätte Marius sich und seinem Heere nicht so viele Entbehrungen und Wüstenmärsche auferlegen müssen. Ohne Zweifel hätte der Feldherr die Stadt leicht wegnehmen können, aber er wollte ja seinen Zug den Cavsensern geheim halten, was er nicht konnte, wenn er mit der Einnahme von Telepte Zeit verloren hätte. Eine zweite Ansicht, welche die Feste Iugurtha's nach einem andern Thala zwischen Konstantine sCirta) und Bougie (Saldae) in der großen Kabylie sder alten Mauritania Siti-fensis) verlegt, hat mehr für sich, scheint mir aber gleichfalls nicht die richtige. Dieses zweite, dieses kabylische Thala exi-stirt längst nicht mehr; selbst der Name ist verschollen; der einzige Edrysst) erwähnt es im zwölften Jahrhundert und führt daselbst eine zerstörte Burg an. Dennoch, wenn wir auch die genaue Lage dieses zweiten Thala nicht kennen, so wissen wir aus Tacitus (^mMos III. 21. II. 52. und IV. 23.), daß es ein solches gab, welches in der Nebellion des Tacfarinas eine Nolle spielte, und nicht mit dem hiesigen Thala identisch sein kann, weil der Schreiber der Annalen seine Lage als zwischen Cirta (Constantine) und 201 Saldae (Bougie) bezeichnet. Ich halte es auch gar nicht für wahrscheinlich, daß das Thala des Iugurtha und das Thala, welches Tacfarinas belagerte, eine und dieselbe Stadt waren. Denn ersteres wird uns von Sallust als eine mächtige Festung, reiche und blühende Stadt, wo die Söhne des Königs eine glänzende Erziehung erhielten, genannt und letzteres erscheint bei Tacitus nur als ein einfaches praßMium (^a,ot'm-wiüi8 ^opiiiL i)i'ue8iäium nn ^Iliü«. nomen a^rß88Ä8 ^o. ^im. III. 21). Es ist auch durchaus nicht anzunehmen, daß ein Rebell, wie Tacfarinas, welcher nicht viel besser als ein Räuberhauftt-Mann war, welcher den Krieg auf numidische Weise, d. h. einen unregelmäßigen Guerillakrieg führte, sich an eine große und mächtige Feste, wie das Thala des Iugurtha war, gewagt haben würde. Um uns einen Begriff über die Lage von Sallust's Thala zu verschaffeil, müssen wir den Marsch des Metellus zurück-verfolgen, welchen dieser mit seinem Heer vor Einnahme der Festung machte. Sallust berichtet kurz vorher von einem offenen Feldsiege des Metellus gegen Iugurtha. Da der Autor aber w seiner großartigen Verachtung aller Einzelheiten es verschmäht, uns das Schlachtfeld zu nennen, so müssen wir zu den nächstvorhergehenden Anhaltspunttcn unsre Zuflucht nehmen. Solcher Anhaltspuntte haben wir nun zwei, einmal die Angabe von der Reise des Marius vom Feldlager nach Utica ((^p. 73) welche in zwei Tagen zurückgelegt ward, dann die Beschreibung der kurz vorher erfolgten Wiedereinnahme Va-ga's. Aus ersterer Angabe können wir ersehen, daß das Heer Unmöglich weit von Utiea gestanden haben kann, aus letzterer wird wahrscheinlich, daß es noch in der Nähe von Vaga lag. Die Schlacht erfolgte gewiß auch in Nähe dieser Stadt, zu deren Entsatz Iugurtha herbeigeeilt sein mochte. Vaga, das heutige Vädscha, liegt im Norden von Thala, welches Im gurtha auf seiner Flucht erreichte. Das in Kabylien gelegene 203 Thala wäre zu weit von der Umgegend Vaga's selbst für den als ziemlich lang angegebenen Marsch des Metellus. Wahrscheinlich floh der geschlagene König nach dem tiefen Innern des Landes und da lag das heutige Thala mitten auf seinem Wege. Andere Indicien können wir aus Sallust nicht entnehmen, seine Beschreibung von der anfänglich gehegten aber dann plötzlich als grundlos sich erweisenden Furcht vor Wassermangel klingt ganz, wie wenn dieser Wassermangel nur in den Berichten der kriegslistigen Numidier existirt hätte, welche den Metcllus dadurch vor Thala abschrecken, später als Metellus wirklich nach Thala kam, ihren Angaben den Anschein der Wahrheit geben wollten, indem sie das Heer mit Wasser versorgten, grade als ob keines sonst der Armee erreichbar gewesen wäre. Der Name Thala soll ein kabylisches Wort sein, welches „Quellen" bedeute (Exploration ß^iontiti^uL äo I'^izzsi-is IV p. 40. 43). Da jedoch fast alle Städte Numidieus und namentlich die nördlicheren, phönicische Namen haben, die Hauptstadt Cirta nicht ausgenommen, und es wahrscheinlich ist, daß die Numidier erst von den Karthagern die Sitte, in Städten zu wohnen annahmen, so glaube ich, auch hier der phönicischen Etymologie den Vorzug geben zu müssen. Ge-senius leitet ihn von 7^71, Wasserleitung, ab, giebt ihm also dieselbe Bedeutung, wie die libysche Etymologie. Er hält es jedoch auch für möglich, daß das Wort von ^ Hügel abstammt. Ich möchte es von 7!^ i»lm'. ^N, ableiten, welches „Lämmer" heißt, da diese Thierart den Reichthum und den Haupternährungszweig der hier hausenden Stämme bildet. Vor dem jugurthinischen Krieg wird Thala nicht in der Geschichte erwähnt. In diesen: spielt es aber eine wichtige Nolle und gab Gelegenheit zu einer der ruhmvollsten Waffen-thaten des Metellus. Diese Stadt, welche Sallust als eine große und reiche, als die Schatzkammer des Königs und den 203 Aufenthaltsort von dessen Söhnen schildert, diese Zufluchtsstätte des geschlagenen Iugurtha, erreichte Metellus nach einem ähnlichen mühsamen Marsche, wie der spätere des Marius nach Caftsa, und befand sich zum Schrecken ihrer Bewohner, welche sich durch die Nnwegsamkeit der Umgegend geschützt geglaubt hatten, plötzlich vor ihren Thoren. Iugurtha floh augenblicklich, nahm seine Kinder und einen Theil der Schätze Mit sich und überließ die Stadtbewohner ihren eigenen Ver-theidigungsmitteln. Metellus schritt nun zu einer regelmäßigen Belagerung. Er umgab die Stadt mit Wall und Graben. Dann ließ er Sturmdächer vorrücken, einen Damm auswerfen und über dem Damme Thürme errichten, um die Arbeiter zu schützen. Dawider trafen die Thalenser eifrig Gegenanstalten; kurz auf beiden Seiten ließ man es an nichts fehlen. Aber die Widder (ni-i^n) des Metellus wurden so ununterbrochen in Bewegung gesetzt, daß vierzig Tage nach Ankunft des Heeres die Mauern erschüttert waren. Jedoch den Römern fiel nur die Stadt selbst, nicht ihre Schätze, in die Hände. Mit allen Reichthümern, Kunstsachen, sowie sonstigen Kostbarkeiten verbrannten sich in dem königlichen Palaste, in den sie sich geflüchtet hatten, die zahlreichen römischen Ueberläufer, die in Iugurtha's Heer dienten und keine Gnade vom Sieger zu erwarten hatten, nachdem sie vorher ein schwelgerisches Abschiedsmahl gehalten hatten. So fiel Thala mit seiner verbrannten Königsburg in die Hände der Römer. Von einer Zerstörung der Stadt selbst ist nicht die Rede. Später geschieht ihrer nicht mehr Erwähnung; denn das Thala, welches Tacfarinas belagerte, kann nicht im heutigen Tunisien gelegen haben, aus Gründen, deren oben gedacht worden ist. In den alten Itinerarien suchen wir diese Stadt umsonst. Strabo allein erwähnt Thala (VIII. 2. 12.) neben Capsa, Vaga, Uthina und Zama, die einzigen Städte des Innern im heutigen Tunisien, welche 304 er anführt; Ptolemäos führt einen Ort von annähernd ähnlichem Namen an, nämlich Theudalä, welches südlich von Utica, nordöstlich von Bulla regia und nordnordöstlich von Theveste lag, lauter zutreffende Richtungen, jedoch sind meist die Entfernungen zu groß. In den Concilsberichten suchen wir Thala umsonst, dagegen finden wir ein Tela oder Tele, das sonst nirgends identisicirt worden ist, und von dem Wir nur wissen, daft es in der Proconsularis lag. Dieser Name dürfte also wohl als eine svätere Form von Thala oder Tala anzusehen sein. Vier Bischöfe von Tele sind uns bekannt, die Donatisten Natalius (3!)3) und Felix (411), indem der Ort damals keinen katholischen Bischof hatte, und später Deumhabet (483) und Bomfacius (625), welche bei Gelegenheit der bekannten Concile genannt werden. Die hundert Häuser des modernen arabischen Thala erweisen sich alle bis auf den letzten Stein aus den Trümmern der römischen und numidischen Stadt Thala zusammengesetzt. Die edelsten Materialien sind zerschlagen worden, um diesen ärmlichen Kleinstädtern elende Wohnungen aus den Fragmenten zu bauen. Aus diesem Umstand allein konnte ich es mir erklären, daß von der alten Stadt so auffallend wenig Ruinen noch aufrecht standen. Ihre Grundmauern sind jedoch deutlich nachzuweisen und mögen einen Umkreis von einer halben deutschen Meile beschreiben. Sie lag auf zwei Hügeln, durch ein wenig tiefes Thal, in dem die moderne Stadt erbaut ist, getrennt. Auf diesen Hügeln sah ich solide Fundamente von massiven Quadersteinen, ohne Zweifel Neste von Befestigungen. Die Schutthaufen der Häuser und zahlreiche Säulenfragmcnte, Karmeße, Frieße liegen auf den Abhängen gegen das Thal und in diesem selbst zerstreut. Im Süden der heutigen Stadt sah ich auch mehrere massive Grundmauern von festungsartigen Gebäuden, welche ihrer erhöhten Lage nach zu schließen einem 205 Fort, möglicherweise der Iugurthinischen Citadelle angehört haben mögen. In der Nekropole sind einige Grabmonumente leidlich erhalten, besonders eines mit zierlichen Pilastern korinthischer Ordnung. Aber dieser Friedhof scheint doch auch sehr viel von dem Vandalismus der Bewohner gelitten zu haben; denn an vielen Mauern ihrer modernen Häuser oder vielmehr Hütten finden sich Inschriftstafeln von Mausoleen als gemeine Bausteine verwendet. Ein seltsames Beispiel von Aberglauben kam mir hier vor. Während ich in der sogenannten Stadt umherging und den Vandalismus ihrer Bewohner beklagte, sah ich, wie eben ein Araber auf einem Eselchen eine kleine Ladung von Steinfragmenten aus den Ruinen Thala's herbei führte, um sie zur Ausbauung seines schon begonnenen Hauses zu benutzen. Als ich diese Steine musterte, fiel mir plötzlich eine Inschriftstafel auf, welche ich dem Araber abzukaufen mich erbot. Dieser Kerl war jedoch ein solch unwissender Fanatiker, daß er fürchtete, ein Nichtmoslim könne ans diesen mystischen Buchstaben Gott weiß welches Unglück für die Stadt herausbeschwören. Nicht Nur wollte er mir die Tafel nicht geben, sondern er zerschlug sie auch vor meinen Augen in viele Stücke, damit ja kein Späterer die mystischen Charaktere entziffern und dadurch Spuk anrichten möge. AIs ich am Morgen des 31. März dem Chalyfa von Nhala meine Abficht mittheilte, einen Ausflug nach den etwa dritthalb Meilen entfernten Ruinen von Haydra zu machen, war derselbe nicht wenig erschrocken und behauptete Anfangs, er tönue nicht die Verantwortung übernehmen, mich dorthin reism zu lassen, da jene an Algerien stoßende Gränzgegend dm Aufenthaltsort des räuberischsten Gesindels aus beiden Regentschaften bilde. Da ich jedoch auf meinem Plan bestand, so fand es der Chalyfa nöthig, mir noch vier Mann zur Bedeckung auf diesen Ausflug mitzugeben und so rückten wir 206 denn, zwölf Bewaffnete stark, gegen 10 Uhr aus dem Städtchen aus, wo ich Moses mit dein Zelt zurückließ, da wir ja am Abend nach Thala zurückkehren sollten. Nach Neberschreitung des Ned Mädschir kamen wir in eine reich mit Strauchwerk und aromatischen Kräutern bewachsene Hügellandschaft. Dort stießen wir bald auf einen Ruinenhaufen, ^anschyr Manschiya genannt, wo ich jedoch nichts, als ein großes Quadersteingcmäuer, mitten aus einem Schutthaufen hervorragend, bemerken konnte. Im Weiterritt ftassirten wir zwei Flußbetten, jetzt trocken, in der Regenzeit jedoch Zuweilen bis über den Rand gefüllt, den N5d esch Scharyf und den Ned el KM. Darauf lamm wir an den Ned Haydra, das stärkste Fluß-chen dieser Gegend. An ihm liegt der große klanschyr gleichen Namens, die Ruinen einer bedeutenden antiken Stadt, auf beiden Nfern des Flüßchens vertheilt. Der Gefährlichkeit der Gegend wegen, welche von den berüchtigten Gränzstämmen, den Namänfcha und Hanänscha, bewohnt wird, mußte ich die größte Vorsicht beim Besuche dieser Ruinen anwenden und durfte hier nicht, wie ich es bisher anderswo immer gethan hatte, allein oder von einem einzigen Araber begleitet, mich im Trümmerfelde ergehen. Wir ließen daher unsre Pferde in der ziemlich wohlerhaltenen Ruine einer christlichen Basilika, welche uns zu den: profanen Zwecke eines Stalles dienen mußte, unter der Obhut zweier Männer zurück und wir übrigen zehn formirten uns zu einer geschlossenen Schaar, welche die archäologische Wanderung durch die weitläufigen Ruinen Haydra's antreten sollte. Voran gingen zwei Hamba's aus Thala, dann folgten unsre alten Begleiter, die Hamba aus Qayruan, dann kam ich und Be-däwy, hinter uns die zwei andern Hamba's aus Thala und zuletzt Ilädsch Hamed mit seinem einen Sohn, während der andere mit Brähhm die Pferde hütete. Bei den Pferden war 307 auch Saul zurückgeblieben, der für uns das zweite Frühstück besorgen sollte, aber statt dessen sich verirrte und ein schlimmes Abenteuer bestand. Doch davon später. So bildeten wir mm eine förmliche Patrouille, welche, Gewehr geschultert, Dolch und Pistvlen im Gürtel, eher aussah, als verrichte sie den Garnisonsdienst in einer vom Feinde belagerten Stadt, als ginge sie friedlich Alterthümer aufzusuchen. Die'Ruinen von Haydra besitzen einen in dieser Gegend sonst selten gefundenen Typus; sie sind nämlich vorwiegend christlich; heidnische Denkmäler cxistiren zwar auch, und sind solche von großer Schönheit darunter, aber alle scheinen in späteren Jahrhunderten zu andern Zwecken, als ihren ursprünglichen, benutzt und demgemäß umgemodelt worden zu sein. So zeigt sich das schönste Monument, ein herrlicher Triumphbogen mit vier edelgeformten korinthischen Säulen zur Seite des hohen schöngewölbten Eingangs, merkwürdiger Weise halb in einem ihn überkleidcnden andern Bau eingeschlossen, welcher Nau iedoch, von geringerer Solidität als der Bogen selbst, zum Theil wieder verfallen ist, so daß das herrliche Kunstwerk zur Hälfte sichtbar wird. Nie fand ich noch bis jetzt am Einfallen eines Alterthums Freude, aber diesem häßlichen Neberbau gönne ich von Herzen einen recht baldigen Einsturz. Dieser Bogen trägt deutlich lesbar folgende Inschrift: IMP ■ CAKS • L ■ SEPTIMIO• SEVERO • PERTINACI-AVG' P • M TRIB • POT - III ■ IMP • V • COS • II • pp • PAKTHICO ■ ARA BICO ■ ET PARTHICO • AZIABENICO DD ■ PP Der Bogen ist also von gleichem Alter trie der Seuerus-bogen in Nom, doch glücklicherweise trägt er keine so geschmacklosen Basreliefs wie jener, welche deutlich anzeigen, wie bei den Römern die Sculptur früher in Verfall gerieth, als die Architektur, denn diese letztere war zur Zeit des Eeptimius Severus (195>) noch blühend. Wer es wohl unternommen hat, dieses Kunstwerk in das häßliche neuere Gehäuse einzu- 208 schließen? Ob es wohl die Byzantiner, die Verunstalter aller antiken Kunstwerke und Erbauer von schwerfälligen, aus gestohlenem Material plump zusammengefügten Monstrekasernen, waren? Ich würde verfucht sein, es zu glauben, wenn die Citadelle den byzantinischen Charakter, d. h. die Conglomerat-Architektur zeigte, aber den besitzt sie ja gar nicht, sie ist im Gegentheil höchst massiv aus Werksteinen gebaut. Ans diesem Umstand kann man schließen, daß die Stadt zur byzantinischen Zeit nicht mehr befestigt war, denn die römische Festung muß von den Vandalen, welche grundsätzlich alle Stadtmauern und Festungen niederrissen, zerstört worden sein. Es steht übrigens von der Citadelle wenig mehr als einzelne Theile des Erdgeschosses und einige Wände kleinerer Bauten, welche in dem geräumigen Parallelogramm eingeschlossen waren. Der Umkreis der in ihren Fundamenten deutlich zu tracirenden Mauern ist sehr bedeutend und mag an tausend Fuß betragen. Dieses war also die sowohl heidnisch-römische, als christlich-römische Citadelle der Stadt, welche höchst wahrscheinlich von der Vandalenzeit an nicht mehr bewohnt wurde. Denn, war eine Stadt in dieser Gegend nicht mehr befestigt, so stand sie allen Räubereien der hier rebellisch schweifenden Numidier offen und kein Bürger tonnte in ihr Sicherheit und Nuhe finden. Man sieht es an den Vcfestigungswcrken aus byzantinischer Zeit von dem ganz nahe bei Haydra gelegenen The-veste, daß die Byzantiner sich von allen Seiten gegen das Landvolk schützten, daß sie es sogar, wenn es in der Kirche betete (denn die Numidier waren scheinbar zum Christenthum bekehrt), von eigens dieser Richtung, d. h. der im Innern der Stadt gelegenen Kirche zugekehrten Befestigungswerken aus bewachen mußten. Ein Landvolk aber, welches selbst, wenn cs betet, noch bewacht werden mußte, ließ gewiß keine friedlichen Bürger in dem festungslosen Orte leben. 309 In der That find auch alle christlichen Baudenkmäler, welche man hier findet, vorvandalischen Ursprungs. Gin solches architektonisches Monstrum, wie das byzantinische Kloster in Tebessa, findet sich hier nicht. Das schönste dieser Gebäude ist eine Kirche, im Styl der christlichen Basiliken erbaut, deren drei Schiffe von zwei Reihen kostbarer antiker Säulen, offenbar heidnischen Tempeln entnommen, getrennt wurden, von welchen noch einige stehen. Dic andere christliche Basilika ist viel weniger schön, übrigens auch mehr Ruine. Eine heidnisch-römische Basilika, d. h. eine ihrer ursprünglichen Bedeutung, nämlich der eines Gerichtshauses und einer Börse zugleich entsprechende Basilika findet sich jedoch auch hier. Dieses Gebäude liegt mit seinem Chaleidicum (Porticus mit einem schiefen Dach) direct dem Fluß zugewandt. Die Säulen des Chalcidieum sind alle gestürzt, aber ihre zerstreuten Fragmente von großer Schönheit bedecken den Boden. Die Gallericen im Innern sind zu erkennen, obgleich man der Trümmerhaufen wegen die Säulenzahl nicht bestimmen kann. Möglich, daß auch dieses Gebäude, welches übrigens ganz der Beschreibung der ursprünglichen vorchristlichen Basiliken entspricht, zur christlichen Zeit in eine Kirche verwandelt worden war. Unweit davon stieß unsre Patrouille auf eine vierte kleinere Basilika, ebenfalls drei-schiffig und in einer Abside endigend. Da diese Kirche zu klein für gewöhnliche Pfarreizwecke gewesen Zu sein scheint, so möchte ich in ihr eine jener Memoria oder Märtyrer- und Heiligen-Kapellen sehen, welche wir aus den Werten des Augustinus kennen. In der Neirovole befindet sich ein recht zierliches Monument, welches das Ansehen eines kleinen Triumphbogens hat, aber wohl nur den Eingang zur Gräberstadt bildete. Im Friedhof selbst sind keine Denkmäler von Bedeutung. Die reicheren Bewohner der Stadt scheinen ihre Monumente vor II. 14 210 den Stadtthoren zerstreut gehabt zu haben. Vor dem südlichen liegt ein Grabmonument, welches ein Heptagon bildet und sehr kunstvoll mit Ornamenten des korinthischen Styls geschmückt ist. Zwei große völlig vereinzelt stehende Säulen, der Mauerkreis eines kleinen Theaters, verschiedene Häuserfundamente, die Neste einer pinem», eine noch wohlcrhaltene gepflasterte Stadtstraße, das waren die Haufttalterthümcr, zu denen sich unsre kleine Karavane der Neihe nach begab. Alle diese Denkmäler liegen auf dem linken Ufer des Ued Haydra, während auf dem rechten ebenfalls die ausgedehnten Trümmer einer Vorstadt, deren eine Straße sich noch gut erhalten zeigte, zu sehen waren. Wie lautete der Name dieser antiken Stadt? Mannert hat in diese Gegend Admedera verlegt und zwar nach dem ziemlich nahen Tebessa. Da man dieses aber jetzt unzweifelhaft für Theveste erkannt hat, so könnte man vielleicht hier jenes Admedera suchen, welches jedenfalls in diesem Theil der Provinz gelegen haben muß. Die Entfernung von 25 Millia-rien von Theveste, welche das Itinerar giebt, entspricht auch vollkommen; und in dem Namen Haydra selbst könnte man eine Verstümmelung vom Worte uä Noä<;rn, wie die Peu-tinger'sche Tafel den Namen giebt, dem Admedera des Itine-rars, dein Amadera, Admcdera oder Ammedcra der Visthums-listen erblicken. Zwei Bischöfe Eugenius (25i5) und Speratus (411) sind uns bekannt geworden. Der englische Reisende Davis hat in Haydra das Casa nigra der ,Mchengeschichtc erblicken wollen, in welchem der Urheber des Donatistischen Kirchenschisma's, Donatus, geboren ward. Ja, Davis will sogar m einer hiesigen Basilika die Grabinschrift eines Donatus Sacerdos gefunden haben, welcher mit dem berühmten Donatus, von dem Einige den Namen dieser Schismatiker ableiten, identisch sein soll. Aber Donatus war Bischof von Casa Nigra und starb also nicht als 8!l!>!d;j °A^» ße» ^Anii'. — wli,lde^iche Ge< schichk' diej'e5 yeil'i^en, — Aussiug nach lNimmiim, — ','chwittigür we,;, — I^edmlmde rmnische Auuien. — NmMiisse Üdmlislciilion, — Dielftche Äefte „us de,- christlichen sieriode. H/ie Ruinen von Sanfür entsprachen emer Stadt dritten Ranges. Die Mauern beschrieben einen Umkreis von etwa 6000 Fuß und sind noch deutlich zu traciren. Sowohl sie als die Citadelle tragen Spuren byzantinischer Restauration. Ich sah hier nicht weniger als drei Triumphbogen, die zwei ersten leidlich wohlerhalten, im korinthischen Styl, den dritten eingestürzt, jedoch mit noch aufrecht stehenden Pfeilern. Am Fuße des ersten Triumphbogens liegen jene Inschriftstafel-fragmente auf dem Boden zerstreut, deren Worte Sir Gren-ville Temple so zusaiümensetzt, daß man aus ihnen den Namen Assuras herauslesen kann. Die drei wigtigsten Fragmente Nnd solaende: 1) XI 2) .... 3) ..... AVG- ET CAS TRORVM OL-I VL'ASS VRAM J>KV Die Worte der untersten Zeile dieser drei Fragmente hat nun der englische Archäologe so zusammengesetzt, daß sie Col. Iul. Ussuras lauten, welches vervollständigt (,!0lnacy.: läßt, um die Kopfsteuer zu erheben, 225 welche für jeden Einzelnen etwa fünf Thaler beträgt, eine für die Aermercn ganz unerschwingliche Summe. Da die Gegend alfo jetzt weniger Unsicherheit bot, so tonnte ich die beiden überzähligen Hamba entlassen, welche nach Thala zurückkehrten. Unser heutiger Nitt sollte nur ein lleiner werden, denn das im Neiscplan stehende Nachtquartier Mader war nur etliche vier Meilen von Mcdäd. Auf dem Wege zu ihm kamen wir an mehreren Nuinenhaufen ohne Bedeutung, sowie auch an einem recht schönen, einzeln stehenden Mausoleum vorbei, welches die Araber Qai)r ei Iladschr (steinernes Schloß) nennen. Es erwies sich als ein lleiner viereckiger Thurm mit zwei Stockwerken, deren jedes ein Karnieß und das untere eine Einfassung von zehn korinthischen Pilastern besaß. Das Innere bildet ein ttopuloruin t'^milim-o mit einigen sehr tleinen Kolumbarien (Urnennischcn). Auch Mäder oder Mochtar (^-^) führt, wie Medäd, einen arabischen Namen, welcher „erhöht", also „hochgelegen", bedeutet, eine topographisch vollständig gerechtfertigte Benennung. So fehlt uns also gleichfalls in diesem modernen Namen ein Anknüpfungspunkt zur Aufsuchung des antiken. Aber die Itincrarien kommen uns hier ausreichend zu Hülfe. Das "in^rlu-ium ^,utoinni ^u^u^tl giebt nämlich fünfundzwanzig Milliarien nördlich von Sufes und zwölf Milliarien östlich bon Assura die alte Stadt Tucca Tcrebenthina an, und da wir Sufes in Ssabyba »gefunden haben, welches wirklich die ""gegebene Entfernung von Mochtar hat, und Assura das etwa zwei deutsche Meilen von hier entfernte Sanfür sein wöchte, so spricht die Wahrscheinlichkeit für Tucca als die Vorgängerin von Mochtar. Mit Tucca, welches Pwlcmäos Tukma nennt, kommen wir endlich einmal wieder auf eine von diesem Geographen II 15 226 erwähnte Stadt. So begriffsvcrwirrend wir auch manche der Angaben des Alexandriners in Bezug auf die Lage der auf dieser Neise berührten Punkte finden mußten, und so sehr wir zur Furcht berechtigt schienen, schon ganz auf falsche Spur gerathen zu sein, desto mehr überrascht es uns, nun plötzlich wieder eine antike Stadt auffallend mit der Wirklichkeit stimmend angegeben zu finden und auf einmal gegen unser Erwarten wieder orientirt zu sein. Tucca ist nach fttolomäischen Begriffen so richtig als möglich angegeben. Man hüte sich indessen, es bei ihm genau unter dieser Namensform zu suchen. Der Name IVoxx« bezeichnet bei Ptolemäos das andere nördliche, bei Sicea gelegene Tueea, welches auch Thugga geschrieben wird, wogegen die Terebinthenstadt beim Alexandriner ^<><^//« heißt. In neuester Zeit hat der oft schon genannte Archäologe Guerin Tucea Terebenthina in einem ziemlich unbedeutenden Ruinenfeld zwischen Medad und Thala wiedererkennen wollen, welches allerdings den Namen Iianschyr Düqa führt. Aber da wir annehmen müssen, daß Tucea Terebenthina die bedeutendste Stadt in dieser Gegend war, da wir im Umkreis von 10 Meilen keine Ruinenstadt finden, welche mit Mochtar an Größe und Bedeutung ihrer Alterthümer wetteifern kann, da ferner die Entfcrnungsangaben des Itinerars vollkommen zutreffen, so glaube ich, daß wir uns hier nicht durch die Namcnsähnlich-keit irre führen lassen müssen. Eine Namensähnlichteit kann doch immer nur als Hülfsbeweis gelten und genügt nicht, um auf sie allein eine Meinung zu gründen. So ist z. B. die auf Namensähnlichteit beruhende Idcntifieation von Massudi mit Musti aus guten Gründen verworfen worden, obgleich aufter dem Namen dort auch noch die Entfernungsangaben zutreffen. Ein Bisthum scheint dieses Tueea nie gewesen zu sein, denn von den drei Visthümcrn dieses Namens, die uns be> 227 kannt sind, lag nur eins in der Proconsulans und dieß ist das bekannte andere Tucca, dessen Ruinen so bedeutend sind. Die beiden andern waren in Numidien und in der Mauritania Sitifensis. Auf dem Ruinenfelde Tucca's sielen mir außer einer Anzahl aus dem Boden aufragender Säulen und Pfeiler hauptsächlich drei einigermaßen erhaltene Monumente auf. Das unversehrteste war eiu pyramidenförmig zugespitztes, dreistöckiges Mausoleum von etwa 50 Fuß Höhe. Das erste Stockwerk steht auf einer breiten Stufenbasis, hat zwei schone korinthische Säulen an den beiden Ecken, ein Karnieß unter dem obern Mauervorsprung und über dem Eingang ein undeutlich gewordenes Vasrelief. Im Innern dieses ersten Stockwerkes, welches leicht zugänglich ist, sah ich einige Grabnischen, doch fehlte jede Inschrift oder Kunstverzierung. Das Zweite Stockwerk, wenn es überhaupt diesen Namen verdient, ist nur halb so hoch und scheint mehr eine Fortsetzung des ersteren; es trägt auf der Vorderseite eine Inschrift mit llesigcn Buchstaben, von der jedoch Alles bis auf das obligate Dii8 NmiiduL lsacvum unleserlich geworden ist. Das dritte enthält, wie bei fast allen in Numidien angetroffenen dreistöckigen Mausoleen, eine Loggia oder offene Nische; auf ihm 5uht das pyramidenförmige, ziemlich hohe Dach. Die beiden andern Denkmäler sind Triumphbogen. Der erste, nördlich von dem ebenerwähnten Mausoleum, stammt offenbar aus der besseren Zeit des Kunstgeschmacks; er ist solid gebaut und von höchst harmonischen Verhältnissen. In Abwesenheit einer Inschrift können wir auf die Epoche seiner Erbauung nur annähernd Schlüsse ziehen. Die zahlreichen ^uf dem Boden zerstreuten Fragmente seiner Säulen, Architrave und Verzierungen lassen jedoch erkennen, daß er der bessern Kunstzeit seine Entstehung verdankte. Von diesem 15* 328 Denkmal steht nichts mehr, als der nackte Bogen, der noch etwa vierzig Fuß hoch ist. Venn zweiten Bogen sind wir glücklicher, was die Angabe seines Erbauers oder dessen, dem er gewidmet war, betrifft. Er träat nämlick auf seinem Evistyl folaende Inschrift: IM___RI . .VI. . .VA..FAM . TRATANO. OP. IMÜ. AVG___ GE...ICOPARTIIICO.PM...ES. XX. IMP. XII. COS. VI...... ........................SELM . . ÜS. DEDIC. I). D. P.P. Der Name Trajan ist fast das einzig Leserliche auf dieser übrigens nicht schwer zu ergänzenden Inschrift. Das Denkmal erweist sich kleiner und weniger geschmückt als der erste Triumphbogen. Unweit von ihm liegen die Reste zweier Tempel, deren Säulen Zmn Theil den Boden bedecken; das Fundament eines Theaters, ein gewölbtes Gebäude, von Säulen gestützt, ein Bad und viele Häuserfragmente sind zu traeiren. In der Nekropole findet sich ein halbverfallenes Grabdenkmal, von welchem beinahe nichts erhalten ist, als eine fabelhaft lange und überaus lob rednerische Inschrift (am Schluß dieses Bandes in Anhang III. wiedergegeben), welche in dreißig großen terentianischen Versen aussagt, daß dieses das Grab eines ganz vorzüglichen jungen Mannes von Zweiundzwanzig Jahren, Namens Julius Proeulns Fortunatianus, sei, dessen große Tugenden in drei ellenlangen Gedichten gepriesen werden. Außer diesem und dem vorher erwähnten Mausoleum liegen noch sechs ansehnliche, beinahe ganz erhaltene thurmartige Grabdenkmäler in dem weiten Rmnenfelde zerstreut; sie gleichen sich alle so ziemlich und besitzen nichts Bemerkenswerthes. Die Wohlhabenheit der Bürger von Tueea Terebenthina beweist das Vorhandensein einer Wasserleitung, welche die mit einem Fliißchen versehene Stadt zum Ueberfluß auch noch mit dem frischen Quellwasser der nahen Berge versorgte. Achtzehn schöne Bogen dieses Aquäduets zeigen sich noch erhalten und dienen nicht Wenig dazu, dieses Ruinen- 329 feld zu einem der malerischsten zu machen. Im Süden der alten Stadt erhebt sich eine schwerfällige Vaumasse von jener Structur, welche die Alten Diamicton nannten, und von jenem fragmentarischen Material, wie es die Byzantiner gewöhnlich zum Vau ihrer Citadellen benutzten, zusammengesetzt; die Mauern bewähren sich trotz dieser Conglomerat-Architcktur doch als höchst massiv, da sie an sechs Fuß Dicke besitzen und durch trefflichen Cement verbunden sind. Es ist dieß wohl jene Citadelle, welche der Patricius Salomon hier baute, wie wir aus Prokoftios (ä« ^ecUtioiis VI. o. 5) wissen. Im westlichen Theil des Trümmerfeldes liegen noch eine Menge theils halbzerstörter, theils ganz verschütteter Ruinen. Eine lange Reihe von Vogen eines Gewölbes schienen mir dem unteren Theil eines Amphitheaters angehört zu haben. Hier befindet sich auch die Grabkapelle eines moslimischcn Heiligen, von welchem mir die wunderlichsten Geschichten erzählt wurden. Ssayydy Myy ben Ammr, so hieß der fromme Mann, dessen sterbliche Uebcrreste jetzt, viele Jahre nach seinem Tode, noch die seltsamsten Wunder bewirken sollen. Er pflegte übrigens bei seinen Lebzeiten nicht wenige Proben von seiner Wunderkraft abzulegen. Eine seiner Specialitäten bildete namentlich die Befruchtung des Schooßes der Unfruchtbaren oder solcher, welche dafür galten. Der Heilige Pflegte bei Vewerlstelligung dieses Wunders höchst methodisch zu Werke zu gehen. Wurde eine für unfruchtbar gehaltene Frau ihm zugeführt, was gewöhnlich von dem nach den Vaterfrcuden sehnsüchtigen Ehemann geschah, so verlangte der fromme Mann Zuerst, daß sie sich vor ihm entschleiere, damit er sehen könne, ob die göttliche Gnade sich im Ausdruck ihrer Physiognomie Wiederspiegele, das heißt ob sie gläubig genug sei, um das Wunder zu verdienen. Denn nur besonders fromme und andächtige Frauen wurden seiner Fürbitte für würdig gehalten. Der Heilige war aber ein so feiner Physiognomik«, 330 daß er die Frömmigkeit und Andacht, welche allein die Frauen des Mirakels würdig machen konnte, beim ersten Vlick aus ihrem Gesicht herauszulesen vermochte. Deßhalb war natürlich die Entschleierung durchaus nothwendig. Nun steht eine solche zwar mit allen moslimischen Sittengcsetzen im Widerspruch; aber einem Heiligen gegenüber giebt es keine Sittengesetze. Einem solchen Gottesmann, bei dem keine fleischliche Regung aufkommen kann, ist vielmehr Alles erlaubt, da Alles durch den frommen Geist, der ihn durchweht, geheiligt erscheint. Einige gottlose Menschen wollten freilich behaupten, daß Ssayydy Myy ben ^Ammr den nöthigen Grad von Frömmigkeit und Andacht, welcher zur Bewerkstelligung des Wunders gehörte, immer nur auf dein Angesicht solcher Frauen ausgedrückt fände, welche durch Jugend und besondere Schönheit ausgezeichnet waren. Aber das war entweder eine Verleumdung, oder die göttliche Gnade hatte bei den von ihr erwählten Frauen das Wunder bewirkt, daß sie, sowie sie sich vor dem Heiligen entschleierten, plötzlich jung und schön wurden. Wie dem auch sein mag, die Thatsache ist, daß der Gottesinann nur mit jungen und schönen Frauen zu thun hatte. Hatte Ssayydy 'Alyy ben ^Ammr eine Frau der göttlichen Guade würdig gefunden, so schritt er in seiner methodischen Verfahrungsweise zunächst dazu, dem Ehemann die Augen zu verbinden; denn dessen profane, von irdischen Regungen oft allzusehr entflammten Blicke hätten der Vcwerkstelligung des Wunders die größten Hindernisse in den Weg gefetzt. Dieses war eine reine That des Geistes und durfte von keinen von fleischlichen Trieben erregten Augen erblickt werden. Um ja nicht das Wunder der Gefahr eines durch eine solche profane Ursache herbeigeführten Mißlingcns auszusetzen, mußte dem Ehemann sogar die Fähigkeit genommen werden, sich die Binde in einem Augenblick der Ungeduld herunterzureißen. Deßhalb war es nothwendig, ihm auch noch die Hände auf 231 dem Nucken festzubinden und, damit er ja nicht durch ein blindes Hineintölpeln die Vollziehung der heiligen Handlung störe, mußte er sich noch dazu an einen Baum fesseln lassen und in dieser unbequemen Stellung das Ende der Wunder-that abwarten. Das war freilich für manchen Gatten eine harte Nuß zu knacken, aber die Hoffnung auf die bald zu erlebenden Vaterfreuden genügte, um ihm Geduld zur Ertragung seiner unangenehmen,^age, lvelche sich oft über sein Erwarten verlängerte, einzuflößen. War so der profane Ehemann in Sicherheit gebracht, so begann der Heilige die fromme Handlung daunt, daß er ein Mmmlein, welches ihm der besagte Ehemann hatte schenken müssen, in gehörig salbungsvoller Weise opferte. Dieß wurde dann schnell geröstet, Brod und Gemüse, Kuchen und andere Süßigkeiten waren zur Hand und der Gottesmann setzte sich nüt der zu heilenden Frau an ein leckeres Mahl, welches, wie es schien, durchaus uothwendig war, um Beide in jene gekräftigte und gehobene Stimmung zu versetzen, in welcher die heilige Haudlung am Ersprießlichsten zu Werke gehen konnte. Einige verruchte Ketzer wollen sogar behaupten, der Heilige pflegte bei solchen Gelegenheiten einige Flaschen voll eines röthlichen Saftes hervorzuholen und in Gemeinschaft Nut der Patientin zu leeren, eines Saftes, welcher ganz wie Wein ausgesehen hätte. Aber natürlich müssen wir dieß gleichfalls für Verlemnduung erklären, oder wenn es auch wahr und das Getränk wirtlich Wein gewesen wäre, so weiß doch jeder gläubige Moslim, daß der Nein, sowie er die Lippen eines Heiligen berührt, in Paradiesestrank verwandelt wird, und baß folglich ein Heiliger nie Wein trinken kann, selbst wenn alle Menschen ihn dieß anscheinend thun sehen. War die leckere Mahlzeit beendet, so zog sich der Heilige mit der Patientin in sein Zelt zurück und verrichtete dort, w inniger Gemeinschaft nüt ihr, jene frommen Ceremonien, 232 welche zur Vewerkstelligung des Wunders nöthig waren. Nach diesen gingen Beide wieder hinaus, setzten sich unter einen schattigen Olivenbaum, tranken Kaffee, den ihnen der Ehemann hatte bereiten müssen, oder kehrten auch wohl zu der Flasche mit dem Paradiesestrank zurück, kurz, sie genossen so ein recht wohlthuendes Verdauungsstündchen, welches selbst einem Heiligen nichts schaden kann. Nach Beendigung desselben fand dann der fromme Mann gewöhnlich noch eine Wiederholung der erwähnten Ceremonieen nothwendig und diese sollen sich oft über alles Erwarten lang ausgedehnt haben. Endlich aber war die Ceremonie beendet, der Ehemann wurde losgebunden, sah das Tageslicht wieder und war entzückt, seine geliebte Gattin in einem so gehobenen, allem Anschein nach inspirirten Zustande wiederzubekommen, wie ihm das Feuer ihrer Augen und die Nöthe ihrer Wangen verkündete, lauter Anzeichen, welche für die Wirksamkeit der wunderbaren Handlung eine günstige Vorbedeutung bildeten. So lebte Ssayydy Myy ben ^Ammr ein gottseliges und wunderthätiges Leben, und er wäre gewiß hundert Jahre alt geworden, hätte nicht ein gottloser Verbrecher seinem Dasein ein unverhofft frühes Ende gemacht. Dieser gottlose Verbrecher war natürlich ein Ehemann, der nicht von dem gehörigen Grade von Glauben und Frömmigkeit durchdrungen sein mochte, um an die übernatürliche Verfahrungsweise des Heiligen zu glauben. Dieser Ungläubige hörte auf die Verlockungen des Satan, welcher, wie der Qorän sagt, „Versuchungsworte in die Ohren bläst." Er hörte grade im Augenblick auf diese Worte, als er am Baum festgebunden und der Heilige mit seiner Frau beim Mahle war. Er glaubte nämlich einen schmatzenden Laut zu vernehmen, und wie er sich fragte, was das bedeute, da antwortete ihm Satan: „Ssayydy Myy küßt deine Frau!" Der gottlose Mann glaubte den 233 Worten des Bösm, gerieth in heftige Wuth, die ihm die Kraft verlieh, sich loszureißen: er eilte auf das Paar zu, entriß dem Heiligen ein Messer und stach den frommen Mann damit todt. Aber natürlich hat Niemand an die Schuld des Heiligen glauben wollen. Er wurde pomphaft beerdigt und verrichtet nun als Leiche, wie man sagt, immer noch seine alten Nun-der, deren ersprießlicher Wirksamkeit sein Grabeswächter, ein im Geruch der Heiligkeit stehender baumstarker Derwisch, seine ganzen Kräfte der Seele und des Leibes dienstbar macht und so zum Rufe seines Schutzpatrons nicht wenig beiträgt, so daß Ssayydy Myy ben 'Ammr nach wie vor den Ruhm von Mochtar bildet. Da ich von höchst interessant geschilderten Ruinen in dem etwa zwei Meilen von Mochtar westlich abgelegenen Uammäm gehört hatte, so beschloß ich, diese Abschweifung von der sogenannten Hauptstraße, welche von Mochtar direct nach Maghräua führt, zu machen. Ich sage nicht umsonst „abgelegen" von Ilammäm, denn in der That liegt es gewissermaßen außerhalb der Welt, in einer wilden, schwer zugänglichen Gebirgsgegend, zu welcher eigentlich gar kein für Pferde gebahnter Weg hinführt. Der Ort scheint beinahe vergessen, obgleich zwei gelehrte Reisende, Barth und Davis, schon auf ihn aufmerksam gemacht haben. In der Umgegend selbst ist sein Ruf kaum über einen Vezirk von einer Meile weit gedrungen. So weiß selbst ein Paar Meilen von hier schon beinahe Niemand mehr etwas von Hammam. Außerdem gilt die dortige Gegend für so unsicher, daß es durchaus nicht gerathen schien daselbst zu übernachten. Ich beschloß deß' halb den ganzen Tag des 5. April zu einem Ausflug von Mochtar nach Iiammäm und zurück zu benutzen, obgleich ich leicht hätte Zeit sparen können, wenn ich von l.Iammam, statt nach Mochtar zurück, direct nach Maghräua gegangen Wäre. 234 Aber Nadsch Hamed, mein Manlthiertreiber, welcher alle Wege in diesem Lande kannte, schilderte mir den von Ilammam nach Maghraua mit so schaudcrvollen Farben, ja als nahezu lebensgefährlich wca,en der vielen Abgründe und der schlüpfrigen Stellen, an welchen dieser enge Gebirgspaß vorbeiführe, daß mein Ve-dcnkcn erregt wurde; der Weg von Mochtar nach Ilammam erweise sich zwar schon.schlimm genug, aber der von letzterem Ort nach Maghraua gradezu halsbrecherisch. Hamed erzählte mir, daß er einmal von Maghraua nach I.lammam geritten sei und den Weg dermaßen steil und gefährlich gefunden, daß er lieber einen großen Umweg über Mochtar gemacht habe, um nach Maghraua zurückzukehren, denn bergabwärts an diesen steilen Schluchten hinzureiten halte er für ein thörichtes Wagstück. Der alte Maulthiertreibcr war aber gewiß nicht leicht durch Schwierigkeiten eines Wegs abzuschrecken und in der That hörte ich in Ilammam die Bestätigung seiner Aussage, denn einige dort wohnende Araber vom Madschirstamme versicherten mir, daß sie zwar den Hinweg Von Maghraua nach l.lammam zu Pferde, den Rückweg aber von diesem Ort nach Maghraua nur zu Fuße zu machen wagten, wobei sie noch große Mühe hätten, ihre Thiere sicher an der Hand zu führen. Für mich bekam Ilammam, das schwer zugängliche, dadurch einen neuen Neiz, daß der schlechte Weg so viele Menschen von seinem Besuche abschreckte und es folglich nur sehr wenig bekannt sein konnte. Hämed hatte nicht übcrtricbeu, wenn er selbst diese leichteste Art, nach Ilammam zu kommen, nämlich die von Mochtar aus, immer noch schwierig geschildert hatte, denn so groß zeigten sich die Terrainschwierigkeiten, so steil einzelne Partieen, so ungebahnt, ja oft gar nicht erkennbar die Wege, daß wir diese Entfernung von nur zwei geographischen Meilen nicht in kürzerer Zeit als in fünf Stunden zurückzulegen vermochten. In landschaftlicher Be- 235 ziehung bot jedoch dieser steile Gebirgsftfad viel Lohnendes. Ich möchte ihn, seinem wildromantischen Character nach, dem berühmten Schluchtenwcg der Schiffa zwischen Vlida und Medea in Algerien an die Seite stellen. Wie er mit ihm an finsterpoetischen und doch auch hie und da wieder lieblich-lächelnden, abwechslungsvollen Landschaftsbildern wetteiferte, so bot er mit demselben noch andere Aehnlichkeiten, einmal die der Vegetation, welche auch hier fast ausschließlich aus größerem Strauchwerk, der duftenden pigwoili. lo.ntigou», dein schwermüthigcn .luniiimn» plwonioo.'l, dem Oleander, dem wilden Lorbeer und andern subtropischen Büschen bestand, dann auch wegen der Thiergattung, welche diese Schluchten vorzugsweise belebte. Diese bestand nämlich aus jenen flinken behenden Aeffchen, welche dem Norden von Afrika in Spanien den Titel „Affenland" eingetragen haben und deren Haupttummelvlatz in Marokko die Sierra Vullones bei Tetuan, in Algerien die genannten Schluchten der Schiffa und in Tunisien die Gegend ist, in welcher ich mich heute befand. Diese Affen gehören zur Classe ßimm, d. h. der sogenannten ungc-schwänzten Affen, zur Familie des 1mm«> des N^'oi des Vüffon, oder Affen der Berberei. Sie sind außerordentlich zahm, auf unserm Nitt sahen wir sie bis zu unsrer Ankunft mitten auf dem Wege sitzen-. erst ganz kurz, ehe wir sie erreichten, zogen sie sich zurück und dann auch nicht in große Entfernung, sondern gewöhnlich nur in die nahe offne Schlucht, wo fie oft in kleinen Schaaren von sechs bis sieben beieinander saßen und uns neugierig zu mustern schienen. Die Araber haben über diese Affen ganz eigenthümliche Ansichten. Die abergläubischen Beduinen halten sie für die Abkömmlinge jener Sabbathschänder aus der Zeit des Moses, welche im Qoran sSure II und lV> 50) in „Affen, abgesondert vom menschlichen Geschlecht" Verwandelt wurden. Nun sind zwar schon alle Juden den Mostims verächtlich, 236 aber solche Juden, die den Sabbath schänden, find es natürlich doppelt, da die Moslims die Meinung hegen, daß Jeder, der sich nicht zum Islam bekehren will, wenigstens seine angestammte Religion mit Pünktlichkeit befolgen soll. Man kann sich deßhalb denken, daß die in Affen verwandelten fabbath-schänderischen Juden sich nicht der Gunst der Gläubigen erfreuen. Nie dieses zum Märchenhaften geneigte phantasiereiche Volk gern an Alles eine Fabel knüpft, so konnte es auch nicht fehlen, daß die Affen Gegenstände von Sagen wurden, in welchen sich namentlich das auf deren vermeintliche Abstammung begründete gehässige Vorurtheil zu erkennen gab. In vielen dieser Sagen wird den Affen ein großer Haß gegen den Islam und seine Gläubigen zugeschrieben, sie werden als sehr klug und Pfiffig geschildert, sie schmieden listige Pläne, um Gott und den Gläubigen zu schaden, denn groß ist ihre List, aber, wie es im Qoran heißt „die List Allah's ist noch viel größer" und darum werden die Affen mit ihren Plänen jedesmal zu Schanden. Nach einem drei bis vierstündigen Ritt in dieser wilden Schluchtengegend stießen wir plötzlich auf die völlig verlassenen Ruinen einer einstigen Römcrstadt. Nach der Ausdehnung des Trümmerfeldes muß die Vorgängerin Von Uammam eine höchst voltreiche Stadt gewesen sein, denn diese Ruinen bedecken eine Fläche von nahezu einem Zehntel einer Quadratmcile, aber unter seinen massenhaften antiken Resten sehen wir uns umsonst nach Zeugen von Glanz und Reichthum dieser einstigen Nömerstadt um. Viele, selbst große Gebäude sind deutlich zu traeiren, an einzelnen Stellen sind sogar ganze Stadtviertel mit Straßen und den Fundamenten der daran stoßenden Häuser zu erkennen, aber keines von all' diesen Gebäuden scheint sich über die mittelmäßige Gewöhnlichkeit erhoben zu haben. Das einzige Baudenkmal, welches cinigermaaßen auf 237 künstlerischen Werth Anspruch machen kann, ist ein Triumphbogen, der jedoch sammt seiner Corona nur zwanzig Fuß Höhe erreicht und mir in die Classe jener kleineren Vogen zu gehören scheint, wie sie Kleinbürger, Zünfte und Handelsleute irgend einem Patron zu errichten Pflegten, ähnlich wie jener kleine Bogen, welcher in Rom an der Kirche 8:m (^uv^lo m Vsiadro steht und ^.reo ä^li, oreüoi heißt. Aber so schön architektonisch geschmückt wie dieser letztere ist der in I.lammäm nicht- er scheint es auch niemals gewesen zu sein. An ihm selbst ist keine Inschrift zu entdecken, aber in seiner Nähe wurde eine Inschriftstafel mit dem Namen Valentinianus Augustus gefunden, woraus wir wenigstens den Schluß ziehen können, daß die Stadt im vierten Jahrhundert noch existirte. Dieser hier inschriftlich bewahrte Name eines christlichen Kaisers in Verbindung gebracht mit dem Umstand, daß hier Mehrere christliche Kirchen, von denen ich zwei traeiren tonnte, standen und mit der beinahe völligen Abwesenheit von Resten aus der heidnischen Zeit, möchte wohl zu dem Schlüsse be? ^chtigen, daß Uammam in der christlichen Periode seine Glanzepoche gehabt habe. Die Trümmer sind übrigens höchst un-^'gclmäßig auf den Hügelabhängen und selbst bis in eine Schlucht, welche der lleine Ued ei I.lammam bildet, vertheilt. In dieser letzteren scheint die Nekrovole gelegen zu haben, wenigstens sah ich hier neben einigen römischen Grabdenkmälern ohne Bedeutung auch noch andere, welche mir älteren Ursprungs schienen. Es waren in den Fels gemauerte Grabkammern, offenbar zur Aufnahme von Sartophagen bestimmt. Was den antiken Namen von cl l.lammäm betrifft, so hat der englische Reisende und langjährige Erforscher der Ruinen Karthago's, Davis, hier das Afsurae des Itinerars erblicken wollen. Wir haben schon oben gesagt, welche Gründe dawider streiten. Allerdings ist es nicht ausgemacht, daß die Art und Weise, wie Sir Grenville Temple die Inschrift in 238 Sanfür, welche die Worte Colonia Julia Assuras tragen soll, zusammengesetzt hat, die richtige ist und folglich kann man es gar nicht als bewiesen ansehen, daß Sanfür wirklich Assurae sei. Deßhalb verdient die Ansicht von Davis offenbar eine Prüfung. Das Itmerar giebt Assurae zweimal als 12 Millia-rien und einmal als 15 Milliarien von Tueca Terebenthina entfernt an. Wenn nun letztere Stadt das heutige Mochtar ist, so kann die Entfernungsangabe von 12 Milliarien als zutreffend angesehen werden, denn die Straße mußte hier der Berge wegen viele Nmwcgc machen. Im Norden, wo das Itmerar Assurae alü 30 Milliarien von Musti entfernt angiebt, will sie freilich weniger passen, da diese Entfernung in Wirklichkeit 36 Milliaricn betrügt. Ich kann mich deßhalb doch nicht der Anficht von Davis anschließen und bleibe einstweilen dabei, Ussurae in Sanfür zu erblicken. 239 «Mmmdzwanzigstes Kapitel' 'Al)n Furna. Das Schlachtfeld von Zama. Alnwsphiinsche ''lö>»»g «inncr Gleise, — FoNjchmig dttiWs» »ach Maghsäna,— Nnlnsuchungeu iil'tt' dicjcil N»i»!l'», — lifl'ljwm' Acstc nns uiiiNeNs!- Zeit.— Mänicijch!' Aüincn, -^ Nmnischl' Trümüicr, — Al>ije vc»! Magl)>äua »mch 'A^jn Funin, — M'öfk dcr Aniiil'lt düjMst, ^- CitadM', — bellsnnn'r Aßw-glaüln' ciitts Ichntzgriil'crs,— Al'jlechn' rnn "A^ii Fiisna «och der Elk'uc ,wn> Dj'chäina, — Dos 5chl'nch!scld l>o>i Zania, — Uuwsüchlmg!'» üb«' dessen i.'nge, — I^'richlc Dl's die^chlachl l>ci dc» allcu Aulorc». — BlUdj^)Nassud>. — komische Aimttn, — U!iltt1»ch>u»gc» ul'sl dic l!nge von Mufti. Ein besonders glücklicher Umstand meiner wit dcm hcu-llgen Tage grade einen Monat währenden Rundreise durch Tu-uisien war es gewesen, das; wir uns bis jetzt über das Wetter uie zu beklagen hatten, um so auffallender, da wir im Monate ^er Stürme und heftigen Regengüsse standen. Hellte Nacht schien aber der Himmel sich anders besinnen und das Versäumte wo-'nöglich in kürzester Zeit nachholen zu wollen. Denn gegen ^ Uhr erhob sich ein so heftiger Sturm, daß mein kleines Zelt aus den Fugen gerüttelt und mit mir und mehreren Personen barin von der Stelle geschoben wurde. Natürlich, da die Zclt-Wücke vom Winde ausgerissen worden waren, so blieb es auch keinen Augenblick in dieser Stellung fest, sondern sank bald über unsern Häuptern zusammen. Ein ungeheures Durcheinander erfolgte nun. Vedäwy und Brahym lagend heulend, bon Tisch nnd Bett bedeckt, auf dem Boden; ich selbst war höchst sanft auf das Bett selbst gefallen und vermehrte also noch die Last der beiden Hartgequetschten. Auf meinen 340 Kopf aber hatte ich die Zeltesstangen und die nassen Zelteswände, denn es regnete zugleich in Strömen. Nicht ohne Mühe gelang es mir, mich frei zu machen, und dann wurden die beiden Verschütteten hervorgesucht. Sie waren zwar hart geschunden, hatten aber doch keinen ernstlichen Schaden genommen. Wir errichteten nicht ohne Anstrengung das Zelt wieder, aber kaum saßen wir von Neuem darin, so erfolgte ein abermaliges Krachen und wir lagen dieftmal alle drei auf dem Boden und das Zelt auf uns. In dieser Noth nahmen wir unsere Zuflucht zu den Ruinen von Mochtar, neben denen mein Zelt stand, und wir fanden wirklich einen Platz zum Zeltaufschlagen hinter einer gegen die Sturmseite geschützten Wand, so daß ich, wenn auch eine sehr nasse, doch eine weiter nicht mehr gewaltsam gestörte Nacht zubrachte. Erst gegen Mittag am 6. Aftril ließ der Negen ein wenig nach, welche Frist wir benutzten, um den 4—bstündigen Ritt nach Maghräua zu unternehmen. Der Name Maghräua, vom arabischen Verbum ^5>^ (mit kühler Quelle versehen sein) abzuleiten, entspricht seiner Bedeutung, welche „der Ort der kühlen Quelle" ist, vollkommen, wie ich mich selbst durch köstlichen Labetrunk aus seinem frisch Hervorsprudeluden Wasser überzeugte. Dieser so einfachen Ableitung zum Trotz hat man dem Namen durchaus einen phömcischen Ursprung beilegen wollen. Aber wie gesucht erscheinen nicht die phönicischen Ableitungen dieses Wortes, sei es, daß man es von M^)?2 (Migraoth), d. h. Mauer-absätzc, von ^I^, Migron, d. h. lateinisch 8««^». oder von N^Q (Mgara, das p vielleicht wie in Gomorrha als g zu lesen?), Höhle, herstammen lassen? Darüber kann freilich kein Zweifel obwalten, daß Maghräua schon in der allerältesten Zeit ein bewohnter Ort gewesen ist. Die wenig zahlreichen, aber höchst charakteristischen Alter- 341 thümer, welche noch hier stehen, sprechen zu beredt dafür. Es sind steinerne Zeugen aus beinahe jeder Periode afrikanischer Geschichte hier zu sehen, selbst aus der sogenannten Urgeschichte, welche eigentlich gar keine Geschichte mehr ist. Aus dieser räthsclvollen Zeit müssen jene ungeheuren Steinblöcke herstammen, welche vereinzelt ohne Anlehnung an irgend ein Gebäude, aber doch mit einer gewissen Symmetrie zu einander hier aufgestellt erscheinen. Sie besitzen die größte Aehnlich-keit mit jenen Dolmen, Menhirs oder sogenannten Druidentempeln der französischen Vretagne und dein Stonehcnge Englands, welche man früher für keltische Baudenkmäler hielt, über welche man aber, seit man deren in Algerien (z. V. bei Gcryville) nicht unbedeutende entdeckte, ganz anderer Ansicht geworden ist, d. h. man schreibt sie jetzt entweder einem vorgeschichtlichen nomadisch die ganze Welt durchziehenden Volte zu, welches Afrika und Europa durchwandert hätte, vder man hält sie gar für Ueberreste eines Menschengeschlechts, das in den sogenannten Stein- und ErzPerioden lebte, oder, und das ist das Klügste, man verzichtet Uor der Hand gänz° lich auf eine Ursprungsherleitung nnd wartet ruhig neue, mehr Indicien enthaltende Entdeckungen ab. Diese einst sogenannten Attischen Denkmäler find bis jetzt ein eben solches Räthsel geblieben, wie jene mysteriösen Pfahlbauten, welche in neuester Zeit den Archäologen so viel Kopfzerbrechens machen. Uebri-3ens sind die ebcu beschriebenen räthselhaften Alterthümer uicht die einzigen der Art, welche sich in dieser Gegend befinden. In dem etwa drei Meilen nordöstlich von hier gelegenen Lahyss bemerkte der berühmte Reisende Varth ganz "hnliche, nur scheinen dieselben noch ausgedehnter und in ^rer Form von Kammern und Gängen jenen sogenannten Druidischcn Tempeln zu gleichen, wie ich sie auf einer Insel des Morbihan bei Lotmariaker unweit von Vannes in der Bretagne sah, während die von mir bei Maghräua gesehenen II. lg 242 mehr den Dolmen und Menhir von Lokmariaker selbst ähnlich sehen. Einen andern, verhältnißmäßig neueren Ursprung möchte ich einer Baute zuschreiben, welche nicht unweit von jenen räth-selhaftcn Steinen in Maghräua emporragt. Sie ist ebenfalls von höchst solidein Material errichtet, von großen Monolithen, deren manche vierzehn bis zwanzig Fuß Länge und vielleicht halb so viel Breite besitzen. Aber diese Baute bildet keine bloße Neb'eneinanderrcihung von Monolithen, wie das eben erwähnte archäologische Räthsel, sondern ein wirklich gemauertes Gebäude, ein quadratförmiges, etwa 30 Fuß hohes Haus, mit einem einzigen großen Zimmer im Innern und Mauern von fünf bis sieben Fuß Dicke. So massiv Pflegte man in: hohen Alterthum in Numidien nur Gräber oder Festungen zu bauen, und da letztere Bestimmung hier unmöglich anzunehmen ist, so bleibt nur übrig, die Baute für ein Mausoleum zu halten. Die ältesten, uns bekannten Mausoleen im Maghreb sind das sogenannte Grab der Christin bei Scherschell und das vermeintliche Grab des Syvhax bei Constantine, beide ohne Zweifel alte numidische Königsgräber, bei deren Erbauung aber wahrscheinlich karthagische Baumeister thätig waren. Mit diesen Denkmälern besitzt nun das hiesige, was seine allgemeine Bauart betrifft, eine gewisse Aehnlichkeit, wenn es ihnen auch nur in der Massivität des Baumaterials und der Weise, wie dieses zusammengefügt erscheint, sonst jedoch weder an Größe noch in der Form gleicht. Aber allem Anschein nach steht es zu jenen .Königsgräbern in demselben Verhältniß, in welchem ein Privathaus zu einem Palast steht. Ich halte es also für das Grabmal entweder einer vornehmen numidischen oder einer karthagischen Familie, möglicherweise eines Stammeshäuptlings allein. Weitere Schlüsse ziehen zu wollen, schiene nichts, als ein Rathen in's Blaue hinein. 343 So finden wir also in der „Quellenstadt" Denkmäler aus vorhistorischer Zeit sowohl, wie aus der frühesten geschichtlichen Periode dieses Landes. Aber wir finden auch, obgleich nur sehr spärlich, Reste aus historisch neuerm Epochen, woraus hervorgeht, daß der Ort wohl nie aufhörte, bewohnt zu sein. Sehr dürftig sind allerdings die noch erhaltenen Ueberbleibsel aus der Nömerzeit, aber viele unzweifelhaft jener Periode an-gehörige Trümmer, sowie mehrere hier entdeckte Grabinschriften beweisen hinlänglich, daß auch hier eine Niederlassung des Königsvolks bestand. Freilich kann dieselbe keine große Bedeutung gehabt haben. Auch suchen wir umsonst in den alten Itinerarien nach einem Namen für dieselbe, wenn es nicht vielleicht das Cerbica slli^x«) des Ptolemäus war, welches bischen Tukma (Tucca Terebenthina) und Easura angegeben ^ird. Da wir nun ersteren Ort in Mochtar, letzteren, der "l)nc Zweifel mit Assurae identisch, in Sanfür wiedergefunden haben, so paßt die Lage von Maghwua vollkommen an die stelle von Cerbica. Daß dieses Cerbica mit dem im sechsten Jahrhundert genannten Visthum Cerbalia identisch gewesen, ist "ne sehr einladende Vermuthung Morcelli's . o. 57). Nicht nur hatte also Zama keine Berge vder Hügel von nenncnswerther Bedeutung (außer dem kleinen w den genannten Autoren angeführten), sondern nicht einmal einen Fluß, der zur Fortificationsbasis hätte dienen können, und dieß Alles trifft hier gmau zu. Ueberhaupt verweist uns noch Vielfaches, was wir im Sallust über die Belagerung von Zama lesen, in diese Gegend. Iugurtha lieferte kurz zuvor den Römern ein Treffen bei Sicca Venerea, nach 252 dessen für ihn unglücklichem Ausgang sein Gegner Marius gleich vor Zama anlangte. Sicca (das heutige Qoff) lag nach Prokopios (li^II. Vmx!. II. 24) drei Tagrcisen von Karthago, Zama, wie wir oben gesehen haben, fünf Tagereisen. Die Entfernung von Qoff nach Dschäma beträgt aber grade 2 Tagereisen. Alles bestätigt also die Lage von Zama an Stelle des letzteren. » Dieß war also die historische Ebene, auf welcher der Kampf um die Weltherrschaft seine Entscheidung fand. Karthago war zwar im ersten punischcn Kriege schwer gedemüthigt worden, im zweiten hatte bereits auch schon das Glück seine Waffen verlassen, aber Karthago war noch nicht geschlagen. Hätte es bei Zama gesiegt, so drohte dem Heer des Sciftio das Schicksal desjenigen des Negulus. Aber dieser letzte Entscheidungstampf war ein ungleicher. Mit was für Truppen kämpfte Scipio, und was hatte Hannibal diesen entgegenzustellen? Betrachten wir einmal die einzelnen Truppenkörver, wie sie sich in diesem Kampfe entgegenstanden, und der Ausgang der Schlacht wird uns erklärlich werden. Auf dem linken Flügel der Karthager stand ihre numidische Reiterei, Truppen, die für ihre Zwingherren, ihre Tyrannen, kämpfen sollten, und wer stand ihnen auf dem entsprechenden Flügel der Römer gegenüber? Der nationale Fürst der Numidier, Massinissa, welcher sein Volk mit Hülfe der Nömer von der punischcn Botmäßigkeit befreite. Für ihn mußten in Numidlen alle nationalen Aspirationen sein: was Wunder also, daß die Numidier auf Seiten der Nömer freudig und muthig, die auf Seiten der Karthager nur lässig fochten. Auf dcm rechten Flügel der Karthager stand ihre eigne Reiterei. Die ächten Karthager waren nie besonders gute Soldaten gewesen, sie waren Kaufleute, die sich dem Kriegshandwerk nicht mit Liebe widmeten, sondern es nur nothgedrungen zuweilen erwählten. Nach dem beinahe völligen Untergang der Armee 253 des Hannibal in Italien, hatte man, was sonst nur äußerst selten geschah, aus Karthagern selbst Truftften gebildet und zwar in größter Eile, nicht lange vor dieser Schlacht. Fremde Cohorten dienten wohl auch als Söldlingstntftpen in der Reiterei, aber auch sie waren meistentheils noch Necruten, Wie die Karthager selbst. Dieser Reiterei stand Cajus Laelius gegenüber mit der geprüften, altgedientcn, italischen Cavallcrie. Das Resultat blieb keinen Augenblick unentschieden; die Reiterei des Hannibal stob gleich beim Beginn des Treffens vor dem Anprall des Laelius auseinander. Gleicher an militärischer Tüchtigkeit waren sich die Truppen des Centrums in beiden Heeren. Hannibal hatte sich in dem italienischen Kriege eine treffliche Fußtruppe ausgebildet, km Ding, was den Karthagern bis dahin unbekannt gewesen war. Sie war ganz der römischen nachgebildet, denn Hannibal war bei seinen Feinden in die Schule gegangen. Diese Veteranen aus dem italienischen Kriege, zum größten Theil Nicht-karthager, bildeten seine Hauptstärke, die einzigen Truppen, auf die er sich verlassen konnte. Die neuangeworbencn Mieths-truppcn, aus kriegslustigen Männern aller Nationen bestehend, Waren gleichfalls nicht zu verachten und hätten gewiß gut gefochten, wären sie von den unmittelbar hinter ihnen aufgestellten Karthagern unterstützt worden. Aber diese ächten Karthager, welche doch allein von allen Truppen Hannibals ein nationales Interesse bei dem Kampfe hatten, welche für Haus und Hcerd kämpften, waren die Allerersten, zurückzuweichen und hinderten sogar ihre eigenen Bundesgenossen am Kä'mpfcn. Diese karthagische Infanterie erwies sich als ebenso untüchtig, wie die karthagische Reiterei. Sie kehrte zwar später verzweifelt zum Kamvfe zurück, aber zu spät; Alles war bereits verloren. Diesen drei Heeresabtheilungen, von welchen die eine tüchtig, die andere es nur halb und die dritte gar nicht war, 354 stellte Scipio drei gleichtüchtige, treffliche Trupftenkörper entgegen, lauter Römer oder Italiker, mit Rom innig verbündet. In erster Reihe standen die Hastati, schwerbewaffnete Lanzenträger, meist junge Soldaten, vielleicht an Ausdauer den alten nachstehend, aber gewiß zum Angriff durch ihr jugendliches Ungestüm sehr geeignet. Hinter diesen waren die Principes aufgestellt, theils aus Veteranen gebildet, alle schon gediente, erprobte Soldaten. In dritter Neihe kam das ausgewählte Corps der Triarier, aus den kräftigsten Männern der römischen Stadtbevölkerung hervorgegangen. Hannibal stellte in die vordere Reihe die Elephanten, diesen altmodischen Kriegspopanz, der für die Römer schon keine Schrecken mehr hatte. Hier erwies sich die Gegenwart dieser Thiere für die Karthager nur schädlich, denn beim ersten Klang der römischen Kriegstromfteten nahmen die Elephanten die Flucht und richteten im karthagischen Heere große Verwirrung an. Die nächsten zu fliehen waren die karthagischen Fußtrupften, so daß der Kampf gegen die Römer von den Veteranen und Methstruppcn allein geführt worden wäre, hätte Hannibal nicht die fliehenden Karthager in's Treffen zurücktreiben lassen, so daß diese, gleichsam zwischen zwei Feuern stehend, wie rasend gemacht wurden und plötzlich eine Tapferkeit zeigten, welche man an ihnen nicht vermuthet hatte. Lange schwankte der nach dem ersten Weichen der Punier wiederaufgenommene Kampf zwischen den beiden Mittelkörftorn der feindlichen Heere. Aber die Entscheidung zu Gunsten der Römer führten die beiden Befehlshaber der Reiterei, Massi-nissa und Laclius, herbei, welche beinahe zu gleicher Zeit siegreich vom Verfolgen der numidischen und karthagischen Kavallerie zurückkehrten und dem Feinde in den Rücken fielen, der sich plötzlich von allen Seiten umzingelt sah. Die große Mehrzahl der Karthager soll gefallen sein, die Römer dagegen nur zweitausend Mann verloren haben. 255 Den Namen einer solchen ihresgleichen in der Geschichte suchenden Schlacht trägt diese welthistorische Ebene, trägt das kleine elende, aus Ruinen erbaute arabische Dorf Dschäma. Mit dieser Schlacht verschwindet übrigens Zama nicht "us der Geschichte. Im jugurthinischcn Krieg wurde es von Metcllus belagert und vertheidigte sich so tapfer, daß dieser römische Feldherr, der Eroberer der Bergfeste Thala, don diesem nur durch Kunst befestigten Orte unverrichtetcr Sache abziehen mußte. Unter Iuba I. war es eine königliche Stadt und starke Festung (Vitruv. VIII, 4). Strabo (829, 831) nennt es zwar unter den von den Römern zerstörten Städten. Aber wir können dabei nicht an eine Zer-M'ung durch Iuba's Gegner, I. Cäsar, decken, denn die Zamen-scr waren von Iuba abgefallen und Zu Cäsar's Partei überge-tMen. Cäsar belobte sie deßhalb und ließ Belohnungen Unter sie vertheilen (L«!!. ^tri^imin 91). Die von Strabo erwähnte Zerstörung erfolgte also vielleicht zur Zeit des von Diodor erwähnten Bürgerkriegs (I). XI.VIII, 23). Es wäre iedoch möglich, daß die Berichte des Hirtius sich auf das zweite Zama, dasjenige, welches in Numidien lag, bezögen, "°ch glaube ich dieß nicht. Später wird sein Name wieder genannt. Unter Hadrian erhielt es den Titel Colonia Aelia Hadriana (6rut. ^64, 10). Auch in der Kirchcngeschichte kommt es als Bischofssitz mehrmals vor. Marcellus erschien ^55 und Dialogus 411 als Bischof von Zama in Karthago. Letzterer hatte einen donatistischen Gegenbischof in der Person des Montanus. Das kleine Dorf Dschäma liegt unweit des Ssylyana, welchcn wir um Mittag überschritten. Leider wußten meine ^eute den Weg dahin nicht zu finden und zum Unglück war lm Augeublick, als wir uns in seiner Nähe befanden, weit und breit kein Araber zu erblicken, welcher uns dorthin hätte >ühren können. AIs wir endlich einem begegneten, erhielten 356 wir die tröstliche Nachricht, daß wir vor einigen Stunden daran vorbeigeritten sein mußten. Jetzt warm wir schon mehrere Meilen davon entfernt, und umzukehren erlaubte die Zeit nicht. So hängt der Erfolg des Studiums des Reisenden oft von den geringfügigsten Umständen ab. Wir setzten jetzt den Weg immer in östlicher Richtung fort, bis wir den kleinen Ned Schalid erreichten, bei dcm wir auf die sogenannte Landstraße von Tunis nach Qoff gelangten. Unser Nachtquartier bildete heute ein kleines arabisches Dorfz, Bordsch Massudy genannt, bei welchem sich ebenfalls Ruinen finden. In einem uuförmigen Trümmerhaufen glaubte ich die Spuren von Thermen zu erkennen. Ich sah nämlich Ziemlich viele Hohlziegel (tt^ula« Illuimtnc.) von der Art, wie sie die Römer über dem Badeofen anzubringen pflegten. Auch mehrere Mausoleen vermochte ich deutlich zu traciren. Aus der Namensähnlichkeit hat Davis geschlossen, daß Massudy das antike Musti sein könne. Nach Ptolemäos wird man allerdings über die Lage des letzteren ganz verwirrt, denn er führt es fünf (^rade südlich von der Küste an, während Massudy nicht einen einzigen davon entfernt ist. Da er aber ganz in seiner Nähe Zama angiebt, so müssen wir schließen, daß er in Betreff der Lage von beiden falschen Breitcan-gabcn folgte und nur von der Nähe des einen beim andern unterrichtet war. Ich möchte indeß obiger Ansicht nicht beipflichten, da nur die Namensähnlichkeit von Massudy mit Musti kein genügender Beweis für ihre Identität scheint. Bisher haben die meisten Reisenden die sehr bedeutenden Ruinen, welche sich bei Ssayydy Abd-cr-Nabby, etwa ill Milliarien nordwestlich von hier, befinden, für die von Musti gehalten, und eine dort gefundene Inschrift, welche den Namen Musti nennt, hat diese Ansicht bestätigt. Auch scheinen nur die Entfernungsangaben des Itinerars viel besser auf Ssayydy 'Abd-cr-Nabby, als auf Massudy zu passen. Dieselben sind! von Karthago i)2, 257 von Theveste INI, von Sicca Vencria 33, von Assura 30 Milliarien. Alle diese Angaben passen besser auf Ssayydy ^Abd-er-Rabby, als auf Massudy, namentlich diejenige, welche Sicca betrifft, denn von Massudy nach Kess sind kanm 17 Milliarien und die Römerstrafte ist noch zu tracircn und aus ihr zu erkennen, daß sie keine Umwege machte. Dagegen beträgt der Weg von Ssayydy Abd-er-Rabby nach Keff ungefähr 30 Milliaricn, was ziemlich genau eintrifft. N 17 258 Iweiundzwanzigstes Oapitel. Qoff oder Keff (Sicca Veneria). Die Wasserscheide Lei Vardsch MM,. — Der Äust Massnl, viesseicht der Nnthnl der Alle», — Unrichtigkeiten der meiste» karten in Vr,',ng auf dieje Gegend und namentlich den Cans der Küsse,— Acise uonBmdsch Wassnd^j nach Neff. — Das antike -'icca lleneria. — Antiker Aame, — Inschriften, — Aomische 7^^,— Citadelle, — Actir^pole — Der mndernc jiidüche ^nelchol', — Das Nlllr el^hula,— seltsame 5a,;e, —Ich ,»»si den Ar/,l jpiele»,— NlBeriöj'e Nrankljeiten. — ?I»st'rnch nach ''sa»^d^ "Al'd er Aabb». — Da5 antike Wusti. — ünschristcn, — Minen. — Edscha, das nnlüie Aglna. ^ IInn!chi^r Dnaa, das anlilie Tur«, — Vedeulende Aejte ans dem Alterthum. — L.nllmpl)l'oge», Tempel, — Theater. — OsOmansolenm, — ^nntwrl der lie-riihnilex Inschrift van Duqa, A/icht bei Bordsch Massudy ist eine Wasserscheide zwischen den directen Zuflüssen des Ue'd Medscherda, des historischen Bagrada, und zlvischen den Zuflüssen seines Nebenflusses, des Ned Ssylyana, welcher sich erst am Ausgangspunkt der Ebne von Dschama nut dem Bagrada vereinigt. Zwei Seitenflüsse des Bagrada, der Ued Melek und der erwähnte Ssylyana laufen in einer gewissen Strecke einander parallel, durch ein hügeliges Terrain von etwa vier Meilen Breite von einander getrennt und selbst der Bagrada folgt in einer kurzen Strecke nach seiner Aufnahme des Ued Melck dieser Parallelrichtung mit dem Silyäna, bis der größere Fluß am Ende seines Parallcllaufcs mit dem Ssylyana angelangt, plötzlich seine Richtung im rechten Winkel wendet und nun, statt gegen Norden, direct nach Osten fließt, um nach weitcrem vier Meilen langen Lauf den Ssylyana aufzunehmen. Von den Neben- 259 flüssen des Ued Ssylyana ist der bedeutendste, welcher südlich von Dschama und nördlich von Maghräua in ihn mündet, ein berühmter historischer Fluß, oder richtiger ein Flüßchen, denn die Wassermenge aller dieser stießenden Gewässer bewährt sich als eine nur sehr geringfügige. Er heißt Ued Mossul und ist nichts andres, als der Muthul des Sallust, welcher den altcrthumsforschenden Geographen bisher immer ein Räthsel geblieben war. Früher suchte man den Muthul gar in dem fünfzehn Meilen von hier entfernten Ued Ssaybuss bei Bona, bem Nbus oder Rubrieatus der Alten, und nahm an, dieser habe so zwei oder vielmehr drei Namen, Muthul, Nubricatus und Ubus geführt. Man entdeckte jedoch bald, daß die Beschreibung des Muthul im Sallust auf den Ued Ssaybuss nicht recht passen wolle. Wie sehr wir auch an die geographischen Sprünge Und die drovitHg ot immm-talis vßlaoitu» (Quintilian) dieses Geschichtsschreibers gewöhnt sein mögen, so scheint der, welchen n den Melellus gleich zu Anfang des Krieges von der Nähe Vaga's in das ununterjochte Thal des Ubus, also mitten in's feindliche Land, machen lassen würde, wenn dieser Fluß wirklich der Muthul wäre, doch ein bischen gar zu unwahrscheinlich. Der Franzose Laftie hat zuerst das Bedürfniß empfunden, ^'M Muthul eine andere Stelle anzuweisen, und zwar erkannte er ganz richtig die Gegend, in welcher dieser Fluß gesucht werden muß, nur verlegte er ihn in einen andern Seitenarm des Vagrada, in den Ued Hamis (Lapie's Karte bon 1810). Da dieser aber nicht im Süden entspringt, wie ^as Sallustische oriou» a monüio zu erkennen giebt, so ver-siel man bald auf einen andern Seitenarm des Bagrada, auf den von Süd nach Nord stießenden Ssylyana. Hätte man "icht jene indirecten Beweise, welche in der Bewahrung des antiken Namens in der modernen arabischen Form am Ende boch ohne Zweifel liegen, gar zu verächtlich behandelt, und 17' 360 ihnen auch gar keine Beweiseskraft zugestanden, so hätte man sich vielleicht Mühe gegeben nachzuforschen, ob nicht einer der Seitenflüsse des Bagrada oder Ssylyäna den Namen Muthul unter einer wenig veränderten modernen Form bewahrt habe, und da würde man gefunden haben, daß in der Benennung des U^d Mossul, welcher auch „ui'iLn» l^ moriäio" ist und in den Ssylyana mündet, sich der antike Name Muthul beinahe buchstäblich erhalten hat. Weit entfernt bin ich davon, der Aehnlichkeit moderner Namen mit antiken eine Beweiseskraft von zu großer Tragweite zuzuschreiben, aber die Erfahrung hat mich gelehrt, daß diejenigen Nachfolgerinnen antiker Städte in Nordafrika, deren Name nicht eine deutlich nachweisbare, meist leichtverständliche arabische Bedeutung besitzt, fast ohne Ausnahme den antiken Namen, manchmal ohne alle, oft mit einer nur sehr geringen Veränderung beibehalten haben. Wo freilich genaue Beschreibungen der geographischen Lage eines solchen Ortes bei den Alten in vollkommenem Widerspruch mit den Schlüssen stehen, welche auf der Namensähnlichkcit beruhen, da kann diese letztere gar nicht in Betracht gezogen werden. Wo aber, wie in diesem Falle, die topographischen Angaben der Alten schon im Allgemeinen zutreffend befunden worden find, da darf ohne allen Zweifel die Namensähnlichkeit, als unterstützender Beweis, ihr Necht geltend machen. Selbst bin ich nicht an diesen Ued Mossul gekommen, aber seine Lage kannte ich aus der neuesten Karte von Davis so gut, daß ich die Hügelkette, welche ich hier von Bordsch Massudy aus, von Ost nach West sich hinziehen sah, als parallel mit ihm laufend erkennen konnte. Diese Hügelkette ist freilich nicht immer streng genommen parallel mit seinem Laufe, aber sie entfernt sich auch nicht bedeutend von der Parallellinie. Solche Ausdrücke wie „parallel" können, wenn sie von Flüssen und Gebirgen gebraucht werden, doch immer nur 261 relativ genommen werden. Ihre Entfernung von der Stelle des Ued Mossul, wo sich derselbe in den Ssylyäna ergießt, beträgt fast genau vier geographische Meilen, also ungefähr die zwanzigtausend Schritte oder zwanzig Milliarien des Sallust. An diesen: historischen Flusse Mossul-Muthul war es also, daß eine der lHigsten Schlachten des Iugurthinischen Krieges geliefert wurde, eine Schlacht, in welcher, wie Eallust sagt, beide Feldherren, Metellus und Iugurtha, sich an strategischen: Talent gleich kamen, der Numidier aber von der Ocrt-lichl'eit, der Römer von der Tüchtigkeit seiner Soldaten besser unterstützt wurden. Welch' ein andres Vild haben wir hier, als in der im vorigen Capitel beschriebenen Schlacht bei Zama! Dicßmal waren es die Numidier selbst, welche für ihr Vaterland kämpften; da gab es keine tyrannische, fremde Macht, wie Karthago, welche sie zwang, für ihre Unterdrücker zu fechten; sie vertheidigten Haus und Heerd; aber da waren auch keine disciplinirten Truppen, wie die Veteranen des Hannibal und die Miethvöltcr der Karthager. Sallust sagt: den Iugurtha begünstigte in dieser Schlacht Alles, ausgenommen seine Soldaten. Dennoch tonnten diese Krieger nicht feig sein, sonst hätte der Kampf unmöglich so lange gedauert, sondern sie waren eben zum größten Theile rohe Barbaren, gelohnt an die numidische Kriegsweise, eine Art Guerillakrieg, m welchem sie meistens zwar dem directcn Zusammenstoß nnt dem Feinde auswichen, in denjenigen Fällen aber, in welchen sie ihn nicht vermeiden tonnten, mit einer Art von thierische Wildheit und barbarischem Ungestüm kämpften, wie heutzutage noch jene in französischem Kriegsdienst stehenden Nachkommen der alten Numidier, die algierischcn Turcos, denen wan weder Disciplin noch strategische Begriffe der einfachsten ^lrt beibringen kann, die aber im blutigen Handgemenge sich als höchst energische Kämpfer erweisen. Das Bild eines solchen 262 großartigen Handgemenges muß auch diese Schlacht am Muthul geboten haben, wie sie uns Sallust mit seinen gewohnten lebhaften Farben schildert. „Der ganze stampf bot em wechselndes, grauenvolles, jämmerliches Bild. Versprengt flohen Einige, Andere verfolgten; Niemand hielt sich in Reih und Glied. Wo die Gefahr einen Jeden befiel, da widerstand er und wehrte sich. Schutz- und Trutz-Waffen, Noß und Mann, Feind und Freund, Alles erschien hier untereinander gewirrt. Nichts ging nach Plan und Befehl, der Zufall lenkte Alles" Mlunt, «eil. ^UAM'tli. 51). Dieser Zufall, wenn es einer war, gab jedoch zuletzt den Römern den Sieg. Die Beschreibung der Flucht der Numidier ist dann wieder ebenso handgreiflich und buchstäblich anwendbar auf das Benehmen unter ähnlichen Verhältnissen der heutigen Algierer und Tuniser, wie die obige Schilderung des Handgemenges. Man sollte glauben, man lese die Beschreibung einer modernen Schlacht zwischen Franzosen und Arabern, etwa der Schlacht am Isly, wo die ersteren siegten, oder der grauenvollsten, weil blutigsten, von allen, der Schlacht bei el Malta, in welcher Abd-el-Qäder den Franzosen eine fürchterliche, mörderische Niederlage beibrachte. Die jetzigen Bewohner dieser Gegend haben von den wild-kriegerischen Instinkten ihrer Vorfahren wenig geerbt. Sie gehören sogar zu den sanftesten, friedlichsten Bewohnern der ganzen Regentschaft Tunis. Darum müssen die armen Menschen auch ganz besonders von den Erpressungen der Regierung leiden, wie denn überhaupt in diesem Lande in Bezug auf Gerechtigkeit von oben herab die entgegengesetzten Grundsätze, wie in Europa, oder vielmehr wie in allen civili-sirten Staaten gehandhabt zu werden pflegen. Der getreue Unterthan, weit entfernt davon, daß sein Gehorsam ihm eine erträglichere Behandlung von Seiten der Regierung eintrüge, 263 Pflegt im Gegentheil mehr geschunden, zu werden, als der schlechte, zur Rebellion geneigte. Dieser letztere wird geschont, ja nicht selten gehätschelt und man ist froh, wenn man mit guten Worten von ihm die Hälfte derjenigen Steuern erlangt, welche man von dem friedlichen Landmann oder Bürger durch tyrannische Erpressung erzwingt. Zwischen Massudy und Qoff bietet die Gegend die größte Mannichfaltigkeit in der Seeneric. Ein anmuthiges Hügelland, reich an abwechslungsvollen Schluchten, in welchen sprudelnde Wasserbäche ihren Ursprung nehmen, um gleich darauf jäh hinunter in das nicht entfernte, tiefe Thal des Vagrada zu stürzen, eine wildromantische Felsnatur voll launenhafter Mannichfaltigkeit und überraschenden scenischen Effecten. Denn der Charakter der oben beschriebenen Wasserscheide zwischen Ssylyana und Vagrada prägt sich hier scharf aus, nach dem ersteren zu sanfte, langsam fließende Wasser auf wenig abschüssigem, sich sanfthin wellendem Erdreich, nach dem andern abschüssige Felsen und Abhänge, hie und da selbst steile Ab' gründe. Im Westen leuchtet die Ebene von Dschäma in ihrem grünen Wiesmschmucke, im Norden dehnt sich das sanft gewellte Hügelland bis an den unteren Lauf des Bagrada, während im Westen steile Ufer den oberen Lauf desselben Flusses begränzen. Die Entfernung zwischen Massudy und Qoff, welche wir am Morgen des li. April zurücklegten, beträgt nur wenige Meilen. So sollten wir einen ganzen Nachmittag, meine Leute zum Ausruhen und für die Genüsse des Kasseehaus-lebens, ich zum Besehen der Alterthümer von Sicca Veneria vor uns haben. Denn nach den Berichten aller alten Autoren wüssen wir schließen, daß die bedeutenden antiken Ruinen in und um die heutige Stadt Qoff nichts Andres sind, als die der alten libyphönicischen Stadt Sicca. Namentlich ist es Prokopios (lioil. Vauäa!. II, 24), welcher uns hierin Ve- 264 stätigung giebt, wenn er sagt, Sieea sei östlich vom Vagrada, nördlich von Zama und drei Tagereisen von Karthago gelegen, wenn wir überhaupt einer solchen Bestätigung bedürfen, die uns auch die Itinerare liefern würden. Aber wir bedürfen deren nicht, da die Identität keiner modernen Stadt mit einer antiken wohl zureichender und reichlicher durch an Ort und Stelle gefundene Inschriften beglaubigt ist, als diejenige von Qoff mit Sicca Veneria. Der Name Sicca soll das phömcische Sukoth 7^2^ d. h. Laubhütten, sein. Diese Laubhütten waren die Wohnungen der dem Astartedienste gewidmeten Mädchen und daher haben auch berühmte Hebräologen, wie Selden und Voß, den Namen der der Venus geweihten Stadt auf Sukoth Nenoth, r,^2'7i12^ d. h. „Laubhütten der Mädchen", vervollständigen zu können geglaubt. In der heiligen Schrift (2 Könige 17, 30) wird erwähnt, daß die nach Samarien übergesiedelten Babylonier dort die Sukoth-Venoth errichtet hätten. Diese Mädchen, deren Gewerbe oft in der Bibel Erwähnung geschieht, waren Priesterinnen der Liebesgöttin und ursprünglich mit dein religiösen Titel Kedescha, T^IF, d. h. die Geweihte, benannt, welche der Göttin Astarte ihre Keuschheit zum Opfer brachten. Sie wohnten in der Nähe des Astartetempels in den Sukoth, Laubhütten, ganz ähnlich wie noch heute ihre unheiligen Nachfolgerinnen im Tunisischen oft in Geräba (Reiserhütten) hausen. Da die Römer die Astarte, wenigstens die hier verehrte Astarte, der Ausschweifungen ihres Cultus wegen, für gleichbedeutend mit ihrer Venus halten muhten, und auch zur Römerzeit diese griechisch-römische Göttin hier unter ihrem eigenen Namen verehrt wurde, wie die hier gefundenen Statuen beweisen, so gaben sie mit Meglassung des Namens Benoth dem Worte Sicea oder Sukoth das Prädikat Vencrea oder Veneria, in welcher letzteren verderbten Form es auf den 365 Itinerarien vorkommt. Diesem halb religiösen, halb schlüpfrigen Namen scheint denn die Stadt auch vollkommen entsprochen Zu haben, denn kaum von irgend einem Ort der antiken Welt werden uns so große Unsittlichkeit und Ausschweifungen gemeldet, als von Sicca Veneria. Die gewichtigste Autorität eines Ge-semus hat freilich die Ableitung des Namens Sicea von Sukoth Benoth verworfen und statt derselben eine andere aufgestellt, wonach Sicea vom Phönicischen Worte ^115', Schuk, abzuleiten wäre, welches Straße, Stadtstraße, und durch Erweiterung des Begriffs auch Markt bedeuten kann und fich in dem arabischen Worte ^I^"", Ssuq, wiederfindet. Wie freilich der moderne arabische Name aus diesen Worten entstanden sein soll, verstehe ich nicht, wenn es nicht etwa durch Abkürzung der beiden Worte Sicea Veneria und durch Beibehaltung des Anfangseonsonanten des zweiten und der letzten Silbe des ersten Wortes geschehen ist, also Cav, woraus Caf und schließlich Qoff. Solche wcithergesuchte Ableitung haben wir jedoch gar nicht nöthig, da der arabische Name ^^' selbstredend ist, indem das Wort Qoff einen von Steinen bedeckten Boden ebensowohl, wie einen Hügel bezeichnet und beide Bezeichnungen hier vollkommen zutreffend gefunden werden. Qoff v.^^/ ist also wieder einmal ein rein arabischer Städtename, dessen gewöhnliche Aussprache ln Qeff oder Keff corrumpirt wurde. Uebrigens ist der Name Qoff vcrhältnihmäßig neuen Datums, denn noch im Mittelalter war Sieea Vencria die vorherrschende Benennung, freilich in einer häßlich verunstalteten Form, so nennt el Batry die Stadt Schit'ta-Benaria und Ibn Hautal gar Schatbannaria. ' Es wäre überflüssig, die Beweise für die unzweifelhafte Identität von Qoff mit Sicca nach den Itinerarien hier anfuhren zu wollen, da diese Identität inschriftlich verbürgt ist. 26k In dem Dar ben ^Aschur, einem an Alterthümern reichen Hause, sah ich selbst jene beiden von Berbrugger (lievuo ^.triomno, Band I, 273) zuerst Veröffentlichten Inschriften, welche den Stadtnamen unter seinen verschiedenen Formen nennen. Die kleinere derselben ist folgende: P. • LICINIO • M • F ■ QVIR PAPIRIANO PROCVR AVG. IMP. CAES. M. AVRELI ANTONINI AVG GERMANICI SARMT ICI MAXIMI P. P. P. SPLENDIDISSIMVS ÜRDO SICCEN SIVM OB MERITA KIVS Hier haben wir deutlich die Worte ^lenäiäigKimn» oi-äa 8i«o6n8imu, welche leinen Zweifel über den Ramm der Stadt übrig lassen. Auf der andern Seite desselben Sockels, auf welchem obige Inschrift steht, lesen wir den Namen der Stadt unter einer andern Form, indem die Inschrift mit den Worten NunicM>M« nwl8 ^ilt,1wi>8ldu8 8ioc^i!8ldug l;uri»8!ml8 beginnt, und da gleich darauf die Worte (üoimiia,« no«tr:w vorkommen, so können wir den römischen Namen der Stadt zur Zeit Marc Aurel's, aus welcher dieses Denkmal stammt, als Oolanw <^,'tli6N8l» Klo^n8i8 annehmen. Veide Inschriften beziehen sich auf die Errichtung einer Statue des P. Lieinius Paviria-nus von der ti-idu» Hmnnn, Procurator Kaiser Marc Aurel's, für die von ihm der Stadt erwiesenen Wohlthaten, indem er eine Stiftung zum Unterhalt von 300 armen Knaben und 200 armen Mädchen gegründet hatte. Man schließe ans der Bedeutung einer solchen Stiftung auf den Neichthum der Bürger von Sieca. Eine dritte in demselben Hause aufbewahrte Inschrift giebt den Namen der Stadt unter einer bisher unbekannten Form, nämlich als OoimÜH ^uN^ Oirw uov^l. Schon die zweite Inschrift hat uns den Namen Sieea mit Cirthenfis 267 vereinigt gezeigt, hier finden wir merkwürdiger Weise mit gänzlichem Wegfall des eigentlichen Städtenamens nur den letzteren. Uebrigens war der Name Cirta, welcher einfach Stadt (711s?) bedeutet, in diesen Gegenden ein so vielfach angewandter, daß sein Vorkommen ganz natürlich erscheint. Die Bedeutung der einstigen Sicca Veneria ist heute nur noch durch den Umfang ihrer Trümmer, nicht aber durch irgend eine namhafte Nuine nachzuweisen. Das mittelalterliche Sicca hat das meiste Material des römischen verbraucht und sogar das moderne, welches freilich selbst eine halbverfallene Stadt ist, besteht bis auf den letzten Stein aus dem vom alten Sicca geraubten Material. In der Stadt selbst konnte ich außer zwei antiken Brunnenbassins, wovon noch eines benutzt wird, und den Fundamenten eines kasernenartigen Gebäudes, sowie den Trümmern einer christlichen Basilika, an Merkwürdigkeiten nichts entdecken, als einen kleinen Herculestemvel (nach der von Peyssonel hier entdeckten Inschrift so benannt), welcher in ein modernes Haus eingebaut erscheint. Die Citadelle, auch heute noch im Gebrauch, erhebt sich auf einem die Stadt beherrschenden Felsen, der aber selbst wieder von benachbarten Hohen beherrscht wird, also modernen Festungszwecken wenig entspricht. Ihre Fundamente gehören unzweifelhaft der ältesten Zeit an, wenn der obere Bau auch von den Byzantinern und später von den Arabern restaurirt worden ist. Den Byzantinern scheint mir auch eine außerhalb der Stadt auf dem die Citadelle dominirenden Hügel gelegene massenhafte Nuine ihre Erbauung verdankt zu haben. Ihr Material besteht aus dm Fragmenten aller möglichen antiken Gebäude; man findet hier korinthische Capitäler und Inschriftstafeln neben weniger werthvollm Bruchstücken als einfache Bausteine benutzt. Ihrer Anlage nach muß diese Baute eine 268 christliche Basilika gewesen sein; vielleicht gehörte sie zu einem befestigten Kloster, wie sie die Byzantiner zn errichten pflegten, was ihre erhöhte Lage und die großen Quadersteinmassen zur Seite der Ruine plausibel erscheinen lassen. Die Araber, welche sich von dieser einsam, auf finsterm Felsen gelegenen Kirchenruine allerlei Spukgeschichten erzählen, nennen sie das Gcsftensterschloß, Qac^r ei Rhul. Dieses Nort Rhul oder Ghul ^^) haben Einige mit Zauberer übersetzt, während es eine Dämonenart bezeichnet, und alls dem so übersetzten Worte geschlossen, die Ruine könne jener von cl Batry erwähnten Kirche angehören, in welcher der Sage nach ein höchst merkwürdiger Zauberspicgel aufbewahrt wurde. Dieser Spiegel besaß die schätzbare Eigenschaft, jedem eifersüchtigen Ehemann, der an der Treue seiner theuren Hälfte zweifelte, völlige Aufklärung zu geben. War die Frau treu, so benähn: sich der Zauberspiegel ganz wie jeder andere Spiegel und reflec-tirte das Bild des in ihn blickenden Ehemanns. War sie aber untreu, so sah der unglückliche Mann im Spiegel statt seines eignen Bildes das seines Nebenbuhlers. EI Bakry erzählt, daß in der christlichen Penode Nordafrika's ein junger Verber (ein geborner Numidier) von den Reizen einer verheiratheten Römerin hingerissen, es durch die Erfüllung seiner verliebten Wünsche endlich dahin gebracht hatte, daß der Zauberspiegel dem Gatten der Römerin sein, des Berbers, Vildniß zeigte, was ein um so schlechteres ^icht auf den jungen Berber warf, als derselbe der christlichen Geistlichkeit angehörte. Der eifersüchtige Ehemann rief den Schutz der Vehörde an und diese verurtheilte den Geistlichen zur Strafe, daß ihm die Nase abgeschnitten und er so verstümmelt durch die ganze Stadt geführt werden solle. Der Zauberspiegel hörte nun zwar auf, das Bild des jetzt nascnlosen Mannes zu zeigen, welcher wohl der Römerin nicht mehr gefallen mochte, aber dem magischen Gegenstand selbst war keine lange Dauer 269 bestimmt, denn der Berberstamm, zu welchcm der junge Geistliche gehörte, drang bei der Nacht mit Gewalt in die Kirche ein und zertrümmerte das indiscrete Ehestandsftalladium. Außer dieser fabelhaften Erwähnung finden wir jedoch bei den Alten vielfach authentische des Namens von Sicca Veneria, unter welcher Form es die drei Haufttquellen über alte Geographie, die Peutinger'sche Tafel, Ptolemäos und das Itinerar einstimmig nennen, während es beim Polyhistor Solinus nur unter der Benennung Veneria und bei Valerius Maximus, Polybios und Plinius nur unter der Namensform Sicca vorkommt. Von Sallust wird es im Iugurthinischen Krieg als eine vom König zwar Anfangs abgefallene, dann wieder mit ihm in Unterhandlung getretene Stadt genannt, welche nahe daran war, den römischen Feldherrn Marius seinem Feinde Iugurtha gefangen in die Hände Zü spielen. Valerius Mar,imus betont besonders die Unsittlichkeit des hier gefeierten Venuscultus. Nach ihm pflegten sich selbst Frauen ans guter Familie von allen Theilen der Provinz hierher Zu begeben, um hier durch Prostitution ihrer Person sich eine ihrem Gatten zuzubringende Mitgift zu erwerben und so das schändlichste Gewerbe als Mittel zu einem ehrbaren Zweck auszubeuten. Dieser uralte Sittenzug der Nu-midier lebt noch heute bei dem Stämmen der Sahara fort. Die Mädchen vom Stamme der Auläd Nayl, Nayliva genannt, und auch solche von andern Stämmen, pflegen sich in großer Anzahl in die vielfach von Fremden und Nomaden besuchten Oasenstädte zu dem Zwecke zu begeben, um dort mehrere Jahre das Geschäft einer Mma (ursprünglich Tänzerin) zu betreiben, bis sie sich soviel erworben haben, um als vermögende Frauen in ihrer Heimath eiuen angesehenen Gatten bekommen zu können, was ihnen auch fast immer gelingt, da der Wüstenbewohner nur auf die Gegenwart, nicht aber auf 270 die Antecendentien seiner Frau eifersüchtig zu sein pflegt. Ja, ich kannte hochangesehene algierische Stammeshäuptlinge, mit französischen Orden geschmückt, welche sich gar nicht schämten, eine soche Prostituirte zu heirathen und aus dem von ihr so schändlich erworbenen Gelde Vortheil zu ziehen. Von dieser unheiligen Erwähnung zu derjenigen des christlichen Bisthumes Sicca ist ein weiter Schritt, welchen wir gleichwohl thun müssen. Nicht weniger als sechs Bischöfe von Sicca sind uns bekannt geworden; nämlich Castus (255), Eftarchus (der 348 auf dem von Gratus fträsidirten Concil in Karthago erschien), Fortunatianus (411 mit donatistischem Gegenbischof Paullus), Urbanus (418), Paullus (48-y und Candidus (646) kommen theils in Concilsberichten, theils in Briefen der Erzbischöfe von Karthago vor. Das heutige Sicca oder vielmehr Qoff oder Keff, wie es jetzt heißt, macht zwar auf den Ankömmling beim ersten Betreten immer noch den Eindruck einer größeren Stadt, aber je mehr er sich in seinen Straßen ergeht, desto mehr wird er inne, daß dieser erste Eindruck ein falscher, und daß die Größe von Qoff nur Lug und Trug ist; die Hälfte dieser Straßen ist eingefallen. Man kommt durch ganze Ruinen-viertel, nicht antiker Ruinen, sondern Trümmer von Häusern, die noch keine fünfzig Jahre alt sind; Alles athmet Verfall, Schutt, Moder und Asche. In den leidlich noch erhaltenen Stadtvierteln vegetiren einige 5800 Menschen, wovon ein Viertel vom Stamm Israel. Der Basar fristet ein dürftiges Leben und feine Kaufleute scheinen keineswegs die würdigen Nachfolger jenes Bürgers von Sicca zu sein, welcher täglich 500 Kinder speiste und versorgte. Am Besten scheinen sich in dieser Stadt des Verfalls jene größeren und kleineren Blutigel, welche das Land in Gestalt von Negierungsbeamten aussaugen, zu befinden. Namentlich zeigen sich als gute Verdauer von Unterthanenblut und Schweiß die zwei Großwürden- 271 träger des Orts, einer, welcher den Titel Qahya führt und der Stellvertreter des stets in Tunis lebenden wahren Gouverneurs der Provinz ist, der andere, welcher sich als Festungsgouverneur eines militärischen Ranges erfreut und denselben auch gelegentlich zu recht ansehnlichen Erpressungen benutzt. Mit beiden wurde ich bekannt, von dem Qahya sogar mit Artigkeiten überhäuft, von denen ich jedoch wenig profitirte. Das Einzige, was ich der Großmüthigkeit dieses Würdenträgers verdankte, war ein verdorbener Viagen und eine schlaflose Nacht, die ich mir in Folge eines höchst unverdaulichen Soupers zuzog, welches er mir schickte und das aus gräßlich fetten, von Ocl und Honig triefenden Süßigkeiten bestand. Meine Wohnung im sogenannten Palast des Bey, dem Regierungshause, zu nehmen, dazu konnten mich die Bitten des Qähya denn doch nicht bewegen, denn bei einem kurzen Anstandsbesuchc, welchen ich dieser Personage machte, hatte ich mich schon hinlänglich davon überzeugt, daß der große Mann allzuviel Gäste hatte. Ich meine nicht zweibeinige, sondern sehr vielbcinige und deren Zahl war Legion. Namentlich war jenes liebliche Thierchen, welches man in den Betten unreinlicher Gasthöfe findet, und jenes andere, welches man beim öffentlichen Gctämmtwerden neapolitanischer Lazzarom sieht und welches, wie die Moslims sagen, „am Meisten von Gott geliebt" wird, hier tausend und einmal vertreten. Ueber die metaphysisch-theologischen Gründe, warum das höchste Wesen grade dieses Thierchen am Meisten lieben soll, ließe sich ein ganzer Folioband schreiben. Uebrigens kann ich trotz allem Lächerlichen, was in dieser Idee liegt, nicht umhin, sie dennoch rührend zu finden. Wo gäbe es ein ergreifenderes Bild der göttlichen Barmherzigkeit, als diese Allliebe, welche sich des Elendesten und Verächtlichsten in der Schöpfung erbarmt? Auch emem wohlhabenden Israeliten von Qoff mußte ich einen Besuch machen, um mir von ihm vermittelst meines 273 Creditbriefes das Wichtigste zu verschaffen. Leider fiel ich aber hier mitten in ein jüdisches Fest, ich glaube jenes, in dem Haman todtgeschlagen und Mardochai lebengelasscn wird, und das man, wenn ich nicht irre, Purim nennt. Diesem Fest zu Ehren war ein großer Familienschmaus gewesen und die Folge davon war, daß nun die zwölf Köpfe starke Juden-familie an überladenem Magen laborirte und wie die Niesen-schlange im Verdauungsschleim, unbeholfen auf Tisch und Bänken dalag und fürchterlich nach Knoblauch roch. Der Familienvater, mein specieller Geldmann, hatte allein soviel Geistesgegenwart bewahrt, um mir auseinanderzusetzen, daß vor Sonnenuntergang weder Moses noch die Propheten ihm gestatteten, mir Geld zu geben. Nach demselben aber, setzte er sehr höflich hinzu, werde er es mir selbst bringen. Diese Israeliten von Qoff haben schon seit mehreren Generationen eine eigenthümliche Marotte. Man weiß, wie sehr die Juden in allen Ländern auf ihre Friedhöfe halten, wie selbst den ärmsten es wünschenswert!) erscheint, ihren verstorbenen Verwandten eigne Grabsteine zu geben. Nun muß in dieser Gemeinde aber ein besonderer Mangel an Steinmetzen stattgefunden haben, so daß die Israeliten sich keine eignen Denkmäler zu verschaffen wußten. Worauf sind sie nun verfallen? In der römischen Nekroftole des antiken Sicca Veneria findet man Leicheusteine, von achtzehn oder sechzehnhundertjährigem Datum, so viel man will. Diese haben nun die hiesigen Juden für ihren Friedhof nutzbar gemacht und zwar ohne die alte Inschrift, wenige Fälle ausgenommen, durch eine neue zu ersetzen. So kommt es, daß der hiesige jüdische Friedhof ein Museum antiker Grabsteine und Inschriftstafeln bildet. Alle Leichensteine ohne Ausnahme sind römisch; bei einigen freilich verhindert der Anstrich, die alte Inschrift zu lesen, aber bei vielen tritt sie unverkennbar deutlich hervor. Ich war nicht wenig erstaunt, als ich diesen 273 Friedhof betrat, und auf vielen Grabsteinen las: „Den Manen des Julius Proculus, oder des Cajus Fortunatianus geweiht", zu hören, daß hier nicht besagte Römer mit majestätischen Namen, sondern statt deren „Jakob, Sohn des Lcvi" oder „Moses, Sohn des Saul" begraben lagen. Wer weiß, ob nicht in früheren Jahrhunderten schon ähnliche Grabsteins-Usurpationen vorkamen und ob uicht manches alte Nömerbein, das jetzt in einem Museum sigurirt, in Wirklichkeit einen ganz andern Ursprung hat? Die Nacht brachte ich in meinem Zelt zu und zwar zum großen Erstaunen der Bevölkerung, die gar nicht begreifen konnte, wie ich dieß leinene Haus dem kostbaren Negierungs-Palast vorziehen könne. Aber für mein Ablehnen dieser splendiden Wohnung hatte sich der Gouverneur gerächt. Das Souper, welches er mir gesandt, ließ durch seine magenbc-drückenden Folgen keinen Gedanken an eine Nachtruhe aufkommen. Die Folge davon bildete der Umstand, daß ich, schon lange vor Tagesanbruch auf den Beinen war und zur Abreise drängte. Schon vor Sonnenaufgang war mein Zelt abgebrochen und nun sollte der Tagesritt beginnen, als plötzlich eine Verzögerung eintrat. Die Araber pflegen früh aufzustehen und auch der Qähiya von Qoff, was immer seine sonstigen Fehler sein mochten, war kein Tagschläfer, sondern pflegte die frühesten Morgenstunden, ja eigentlich nur diese, zum Ausgehen zu benutzen. Heute sollte sein Ausgang mir geltender kam mit Angehörigen seiner Familie, welche drei Generationen reftrasen-tirten, d. h. seinen: Bruder, seinem Sohn und Enkel zu mir und zwar nicht als bloße Staatsvisite, sondern in der egoistischen Absicht, um meine vermeintliche ärztliche Kenntniß zu Nathe zu ziehen, denn jeder Europäer wird in diesem Lande für einen Aesculap gehalten, und muß wollend oder nicht wollend sehr oft den Arzt spielen, sei es auch nur durch Verabreichung U. 18 274 von Brausepulvern, englischem Pflaster, oder sonstigen unschuldigen Dingen. Ich führte für solche Fälle eine eigne kleine Reiseapotheke bei mir, in welcher sich Pillen, Mixturen und Pulver befanden, die in Wirklichkeit nur aus Brod, Syrup oder gewöhnlichem Zucker bestanden, aber nach der Behauptung der Araber, welche sie im Glauben nahmen, daß es wirkliche Medicin sei, oft die günstigsten Heilungserfolge bewerkstelligten. Wenn dieß Charlatanismus war, so konnte er wenigstens Niemand schaden. Wirkliche Medicinen führte ich zwar auch mit mir, gab sie aber nur in den seltensten Fällen, wenn mir gar kein Zweifel über die Art der Krankheit blieb. Nun war ich gezwungen, die Krantheitsschilderungen des Qähiya, seines Bruders und seines Sohnes anzuhören, denn alle drei schienen meine Anwesenheit benutzt zu haben, um plötzlich krank zu werden. Aber gerechte Götter! Was waren das für sonderbare Krankheiten! Noch nie hatte ich bei Männern von ähnlichen Symptomen gehört. Ich traute meinen Ohren kaum, als mir der Sohn des Qahiya seinen vermeintlichen Zustand schilderte. Dieser Zustand hatte alle Symptome, welche eine Frau in gesegneten Umständen an sich gewahr wird. Der alte Qahiya erzählte mir von einer Krankheit, welche ich seiner Beschreibung nach für Hysterie halten mußte. Sein Bruder wollte gar an Bleichsucht leiden. Endlich konnte mir die Sache nicht länger dunkel bleiben. Diese Männer consultirten mich im Namen ihrer Frauen, Schwestern, Töchter, nur verbot ihnen Eifersucht und die heuchlerische, falsche Scham-haftigkeit der Araber, die Personen zu nennen, weil diese dem unnahbaren weiblichen Geschlecht angehörten. Statt dessen redeten sie ganz, als ob sie selbst die bewußten Frauenkrankheiten hätten, und spielten so den Stellvertreter ihrer weiblichen Angehörigen, in ähnlicher Weise, wie bei den Moslims der Advocat einer Braut sich in ihrem Namen mit dem Advo-caten des Bräutigams verheirathet. 275 Seit ich den Schlüssel zu diesem Räthsel gefunden hatte, konnte ich ganz offen mit dem Sohn von seiner bevorstehenden Entbindung, mit dem Vater von seiner Hysterie, mit dem Onkel von seiner zartjungfräulichen Krankheit reden. Da ich mir in Behandlung dieser Krankheiten nicht die gehörige Erfahrung zutraute, und doch ohne Verabreichung von Mitteln diese Leute nicht losgeworden wäre, so gab ich den dreien völlig gleichgültige Dinge, dem einen ein wenig Himbeersaft in einem sehr apothekarisch aussehenden Arzneiglase, dem andern ein Zuckerftulver, dem dritten einige Brodvillen, welche alle drei, wie ich später in Tunis durch einen Brief des Oähiya erfahren sollte, der sich in demselben vielfach bei mir bedankte, Wundcrkuren bewerkstelligt haben müssen. Der einzige wirklich leidende war der kleine Enkel, aber für seine Leiden, die sogenannte bedumische Krätze und den Erbgrind, womit fast alle Araberkinder behaftet find, besaß ich vortreffliche Salben. So schied denn diese Familie hochbeglückt und ich konnte endlich meine Neise fortsetzen. Etwas nach der Mittagsstunde hatten wir den fünf-meiligen Weg von Qoff nach Massudy wieder zurückgelegt. Wie schon oben erwähnt, ist letzterer Ort von Einigen, z. B. dem Engländer Davis, für Musti gehalten worden. Ein nur anderthalbstündiger Ritt sollte uns jedoch vom falschen nach dem wahren Musti bringen, welches wir nach Durchwatung zweier kleinen Flüßchcn, des Ned el Ilammam und des Ued ei Qerssa, um halb vier Uhr Nachmittags erreichten. Das wahre Musti führt jetzt den Namen Ssayydy M'd-er-Nabby, nach der Grabkapellc eines hier ruhenden arabischen Heiligen benannt. Ssayydy °Abd-er-Rabby ist keiner von den I)ii nünm-mn Mntiuw, sondern vielmehr ein ganz vorzugsweise verehrter Heiliger, er ist gleichsam der Nationalheilige der ganzen Regentschaft Tunis und erfreut sich des Ruhmes, 18* 276 nach seinem Tode noch die seltsamsten Wunder Wirten zu können. Sein Ruf, so heißt es, ist eben so groß im Himmel wie auf Erden, die Engel dienen ihm und die schönsten Jungfrauen des Paradieses sehnen sich nach den Blicken dieses alten schmutzigen Bettlers. Statt der besudelten zerfetzten Gundura, welche auf Erden seine Jammergestalt umgab, bedecken ihn nun Prachtgewande, deren Glanz die hellsten Diamanten übertrifft, sem niegekämmtes Haar umleuchtet eine Sternenkrone, seine Füße schmücken goldne Neife und seine Fußsohlen bekleiden roscnrothe Schuhe, aus dem Duft der Morgenröthe gewoben. Aber dieses himmlische Glück vermag doch nicht seine Aufmerksamkeit von seinen irdischen Verehrern abzulenken. Vr gedenkt derer, die zu seinem Grabe wallfahrten, ihnen wird das höchste Muck zu Theil und sie werden namentlich vor zwei Uebeln dieses irdischen Daseins durch die Gnade des Heiligen bewahrt. Das eine Nebel ist Krankheit, das andere, höchst bezeichnend für ein so räuberisches Land, Gefahr vor Dieben. Diese Wallfahrt schützt also auch vor dem Bcstohlenwerden. Leider war ich zu unwürdig, als daß mir auch nur eine der Segnungen dieses Grabbesuches zu Theil werden konnte, dcnn krank und bestohlen sollte ich vor wie nach meiner Wallfahrt zum Grabe des heiligen ^Abd-er-Rabby noch oft genug werden. Wohl geschah dieß deßhalb, weil mein Besuch von Ssayydy 'Abd-er-Nabby nicht ausschließlich dem Heiligcngrabe, sondern den höchst unhciligen Resten einer alten römischen Stadt galt. Das Wichtigste dieser Baureste ist unstreitig der halbeingefallene Triumphbogen, nicht um seiner selbst willen, obgleich die Ruine von dem edelsten Baustyl Zeugniß giebt, sondern vorwiegend wegen der am Fuße seiner Pfeiler gefundenen Inschrift, in welcher der Name der antiken Stadt deutlich Zu lesen ist. ' Diese Inschrift lautet: 277 ARCVM QVEM SVAE PROMISERAT CTIONEM MVST1TANIS DEDICAVIT DAT1S STS POPVLARIBVS DaZ in der dritten Linie unverstümmelt erhaltene Wort Uu8tltiUli8 läßt keinen Zweifel über die wahre Lage des alten Mufti mehr aufkommen. Ich habe fchon oben bei dem falschen Mufti, nämlich bei Massudy, die Gründe aus den Entfernungsangaben der Itinerare angeführt, welche für die Identität von 'Abd-er-Rabby mit Mnsti sprechen. Diese von Ptole-mäos so auffallend weit südlich versetzte Stadt wird fast von allen alten Geographen genannt; das Intinerarium Antonim Augnsti nennt sie Mufti, Ptolemäos schreibt Muste mit einem ?/ (wahrscheinlich wurde jedoch das ?? bei den alten, wie jetzt bei den modernen Griechen i ausgesprochen), die Peutinger'sche Tafel giebt den Namen unter der Form Mubsi. Nach Vibius Sequester soll hier der Kampf des Negulus mit der Niesen-schlange stattgefunden haben. In der Kirchengeschichte kommt ein Bisthum Musti in Numidien und ein andres gleichnamiges in der Proeonfularis vor, mit welchem letzteren wir es natürlich hier zu thun haben. Creseonius (411) und Ianuarius (646) werden als ^pisc^i Nustitimi erwähnt. Nur aus den Concilsberichten ersehen wir, daß es zwei Musti gab (ein Umstand über den alle andern Autoren schweigen), denn auf dem Concil von 411 war auch das Visthum Musti Numidiae durch seinen Bischof, welcher Vietorianus hieß, vertreten (Uurc. ^irie. 0W'. l, 2!;orssoq, das anliüe Tiibursmm Vine,— Triumpljliossen aus l'^antinischer Zeil. — Ruinen in CmW, — Vcdeulende Trünnner. —Das nnlü'.e Thignica. — Tempel, — CilndM, — Aeise in lwMcher Aichtinig u«» C»»gli, — Der Vagrada. — Cinjume Gegend. — Fruchtbare ^niidjchaj!, — Eine der Rom-kammm! Äum5. — Die kleine '»Int»! Vädjchn. — Da5 anlille l)aga, — Uttrall) Ker Vürger vnn Unga gegen Manns. — Zahlreiche mUike Aeste, — ^tadlmaumi. — Christliche Virche, jetzl Mojchee. — Aückreije nach Cmii>-,. — Celinrüa, das anlikeTMtrlw minus.— Eine ^o>;enreil)e der uarlljagijchen Wasserleilnng, — Aliernmls in Tunis, Mach einem nur einstündigcn Nitt von Duqa erreichten wir mn Morgen des 12. April eine doppelte Nuinenstadt, Toborssoq, denn hier sah ich nicht nur die Neste einer römischen Niederlassung, sondern auch das arabische Städtchen, welches man auf ihren Trümmern gegründet hatte, war bereits der Zerstörung der Zeit anheimgefallen. Dennoch zeigten sich die halbverfallenen Häuser zum Theil noch von Arabern bewohnt, welche hier unter den Ruinen einer großartigen antiken Civilisation, die sie in ihrem Stumpfsinn und Fanatismus verachten, in modernen Ruinen den geistlosen Schlendrian ihres bedeutungslosen Lebens hinziehen. Nie traurig und elend nehmen sich diese modernen Ruinen neben den antiken aus, welche trotz ihres fast zweitausendjährigen ältern Ursprungs dennoch mehr Festigkeit besitzen und mehr Dauer versprechen, als jene armseligen Machwerke eines durch Fanatismus und Aberglauben zurückgegangenen, nach der kurzen Periode seines mittelalterlichen Vlüthezustandes so auffallend und so unWider- 28? bringbar in Verfall gerathmen Volkes. Ich glaube, es wäre weniger gewagt, das Wiederaufblühen der alten Römercivili-sation aus ihren Ruinen zu hoffen, als die Rückkehr des Blüthezustandes des für ewig untergrabenen Islam. Toborssoq führte im Alterthum einen dem heutigen ganz ähnlichen Namen. Von dem heiligen Augustinus wird es Thuburficumbure genannt, in dcn Visthumslisten erscheint es als Tubursicum Bure. Denn die Identität von Toborssoq mit Thubursieumbure ist durch eine hier in der Citadelle als Baustein benutzte Inschriftstafel verbürgt, auf welcher die Worte I5o8p. Mmioipi ßovssimni . . . nilmi l^id. ^1M>. I^urs vorkommen, welche von allen Archäologen als liospudlio^ Uunieipii ßsvei'iimi ^ntoninni I^ibori ^Nidur8ioen8mm-Lui'6 ergänzt werden. Weder das Itinerarium Antonini Augusti, welches auf der Straße Von Sicca nach Karthago große Sprünge macht und nicht einmal Tucca erwähnt, noch auch Ptolemäos führen eine Stadt Namens Thibursieumbure an, doch glaube ich, kann man in der von dem letzteren Geographen angegebenen Stadt Tobros diesen wiedererkennen, da diese Namensform nur eine Gräcisirung von Tubursicum sein dürfte. Tobros liegt nach Ptolemäos nördlich von Tucca, unter welcher Richtung man bei ihm die Richtung nach dem Meere zu verstehen muß und dann findet man Toborssoq ganz an der Stelle, welche meiner öfter erwähnten Auffassung der Angaben des Ptolemäos entspricht. Wenig Erwähnung geschieht dieser zwiefach benannten Stadt bei den alten Autoren; nur zur Zeit der Christcnverfolgung unter Diocletian wird es von dem christlichen Cicero, Lactantius, angeführt. Ein Bürger von Thibursicumbure war der heilige Felix, welcher in Aftulicn den Märtyrertod starb, weil er die Evangelien nicht ausliefern wollte, wie dich zur Zeit der Diocletianischen Verfolgung gefordert wurde. Felix leugnete nicht, im Besitz der heiligen Bücher zu sein, aber er verweigerte standhaft ihre 288 Herausgabe und starb den Tod durch Henkershand; da er enthauptet und nicht den wilden Thieren vorgeworfen wurde, so scheint dieß anzudeuten, daß er das römische Bürgerrecht besaß, ein Umstand, welcher es wahrscheinlich macht, daß Tubursicumbure identisch mit dem von Plinius erwähnten 0Mi6um 1udm'nio«n»6 war, welches er eine Stadt römischer Bürger nennt. So beschämte dieser Laie (einige geben ihn freilich für einen Bischof aus) den damals schon theilweise verderbten geistlichen Stand, von welchem viele, ja selbst Bischöfe eben hier in Afrika und eben in derselben Verfolgung, nicht den Muth zum Martyrcrtod besaßen und die heiligen Bücher auslieferten. In den Visthumslisten erscheint der Name als Upiseop^wn "I'udui-ßioynsl» Lui ^« und als ^llindur-»wudui-s mit seinen Bischöfen Servus Dei (406), Nevaratus (520) und Valerius (046). Aus der Zeit, in welcher das Christenthum zum Siege gelangt war, stammen die byzantinischen Stadtmauern, das Fort, die Thore und viele andere Ruinen von Tubursicumbure her, ich sah dort die Neste eines rundlichen Gebäudes, welches ich für ein Baptisterium halten möchte, außerdem noch andere undeutlich zu definirende, aber allem Anschein nach christliche Bautrümmer. Da leider jedoch diese Epoche eine Zeit des tiefsten Kunstverfalls war, so machen diese Denkmäler des Alterthums keinen erfreulichen Eindruck. Ein recht sprechendes Zeugniß dieses Rückschritts in der Kunst bildet eine Ruine aus der byzantinischen Zeit, ein elender kleiner Triumphbogen, welcher, wie die Inschrift sagt, „den allerchristlichsten und siegreichsten Kaisern, dem Iustinus und seiner Gemahlin Sofia" vom Präfecten Thomas gewidmet wurde. Uebrigens ist jetzt nur noch ein Theil der Inschrift, Welche Sir Grenville Temple vollständig sah, erhalten, die Namen Iustinus und Thomas sind jetzt nicht mehr zu lesen, nur der der allerchristlichsten Sofia ist übrig geblieben. Dieser 389 Präfect Thomas ist derselbe, welchen Coripftus m seinem Lobgedicht, das den kleinen Kaiser, .lnstiuM minor, vergrößert, den „Stützpfeiler der wankenden Herrschaft über Afrika" benennt (Cor. de laudibus Just. Min. I, 181). Thomas Libyacae nutantis destina terrae, Qui lapsam statuit, vitamque reddidit Afris, Pacem composuit, bellum sine milite prcssit, Vicit consiliis quos millns vicerat unnis. Die bedeutendsten Reste des Alterthums in Toborssoq stammen jedoch ans der vorchristlichen römischen oder, wie der Fund einer phönieischen Inschriftstafel vermuthen läßt, selbst aus der punischen Zeit. Diese Ruinen sind übrigens so verfallen, daß sich über ihre nähere Bestimmung nur nach angestellten Nachgrabungen urtheilen lassen dürfte, aber ihre Großartigkeit stellt Tubursicmnbure unter den afrikanischen Städten nicht auf den letzten Rang. Toborssoq bot, wie man ans dem Obigen ersehen Hat, wenig Fesselndes. Wir eilten deßhalb bald Hinweg von dieser Stätte der doppelten Zerstörung und langten nach einem weiteren zweistündigen Ritt an einer Furt des SsYlyäna an, Welchen wir, nicht ohne Mühe und nicht ohne das Wasser bis an den Bauch unserer Pferde zu Haben, durchwateten. Um Mittag machten wir Halt in einer durch ihr malerisches Hügelland, schöne Olivenhaine und Herrliche Fernsicht reizenden und durch künstlerisch werthvolle antike Ruinen geschmückten Gegend. Dieser Ort war Tunga, jetzt beinahe verlassen, einst jedoch wie die Hier vorhandenen Ruinen bezeugen, eine ansehnliche Nömcrstadt. Ueber seinen Namen können wir nicht ^w Zweifel sein, da derselbe uns durch im Hof der Citadelle erhaltene Inschriften verbürgt ist, deren eine den einfachen Namen THignica, die andere die etwas längere Namensform Unnicipwm ßoptimiuw Aurslium Anwnianum Hsreuisnm II. 19 290 ^ruAitoi-um iiiiAincn enthält. Thignica ist ohne Zweifel dieselbe Stadt, welche die Peutinger'sche Tafel Tionica nennt und die sie auf der Straße von Obba über Lares nach Karthago gelegen, und zwar von ersterer Stadt 39 Milliarien entfernt, angiebt. Das Einzige, was wir von dieser Nömer-stadt wissen, ist daß dieselbe im fünften Jahrhundert unserer Zeitrechnung ein Visthum war. In den Bisthumslistcn erscheint sie als UMooplUliz ^i^ni«6U8i8, von dem wir jedoch nur einen Bischof, Aufidius, kennen, welcher 411 auf dem Concil zu Karthago erschien und den Donatisten Iulianus zum Gegenbischof hatte. Den Trümmern nach zu schließen, war jedoch die Bedeutung der Stadt nicht gering. Dieselben bedecken einen Flächeninhalt von nahezu einem Zehntel einer Quadratmeile. Einige Ruinen Zeichnen sich durch die Anmuth ihrer Formen aus, so namentlich die eines sehr großen Tempels, von welchem noch die Cella steht. Allem Anschein nach war er ein Prostylos mit einem Porticus, ähnlich dem des Pantheon in Rom. Etwa hundert Schritte davon liegt eine andere Tempel-ruine. Von ihr stehen noch einige Säulen der Pronaos, doch ist die Cella nur noch ein unförmiger Trümnlerhaufen. Am Vesten conservirt ist ein kleiner Triumphbogen, dessen Ornamente jedoch leider verschwunden sind. Ferner sah ich hier ein Gebäude ganz von der Form eines Theaters, jedoch im Innern geebnet, statt mit Sitzen versehen. Ein großes viereckiges Mausoleum, drei kleine Grabmonumente, eines mit einem noch erhaltenen zierlichen Pilaster, eine christliche Basilika, verschiedene Häuserfundamente, das sind, außer der Citadelle, die wichtigsten Ueberbleibsel des Alterthums in Tunga. Letzteres Gebäude, die Citadelle, steht noch zum größten Theile, was ihre Ringmauern und Thürme betrifft, unversehrt und ist ein sehr festes Gebäude, scheint jedoch seinem fragmentarischen Material nach ebenfalls, wie fast alle Cita- 291 dellen Numidiens, eine byzantinische Rcstaurationsbaute zu sein. Man sieht viele kleine Inschriftsfragmente, sowie Säulen-capitäler, Karnicßtheilc und andere architektonische Bruchstücke einer edleren Geschmacksperiode auch hier als gemeine Vau-steine verwendet. Im Innern, welches von Cactushccken wild überwachsen ist, sieht man die schon oben erwähnten Inschriftstafeln, wie überhaupt Tunga an evigravhischen Denksteinen reich ist. Zur Zeit Shaw's war hier noch eine andere merkwürdige Inschrift zu sehen, welche nicht nur den Namen der Etadt ('Ivltll» ^lnMieenki») sondern auch die Einthcilung derselben in zwei große getrennte Hauptquartiere erwähnte. Thig-nica besaß keinen Mangel an Wasser, wie Zwei unversiegbare noch vorhandene Quellen bezeugen. Darum nennen auch die Araber den Ort oft nicht Tunga schlechthin, sondern ^Ayn Tunga, d. h. Quelle von Tunga. Von Tunga aus lag unser Weg in direct nördlicher Richtung, da ich mir vorgenommen hatte, die alte Königsstadt Vaga (Vadscha) zu besuchen, was mich von dem graven Nückweg nach Tunis entfernen sollte. Hier hörte die gebahnte Straße auf; der sogenannte Regicrungsweg, schlecht genug und 3- B. für etwaige Wagen völlig unbrauchbar, sollte nun von uns mit einem noch schlechteren oder vielmehr mit gar keinem Nege vertauscht werden, denn wir ritten zwei Stunden lang, vhne alle Indicien einer Straße zu erblicken, größtenthcils durch Wiesenland, durchwateten den kleinen Ued (5haled, dann durch fteppenartige, von Gestrüpp überwucherte Haiden bis an das Ufer des Md Medscherda, des historischen Vagrada, nicht iveit von der Stelle, wo er den Nrd (5haled aufnimmt. Glühenden Sand durchfließt mit langsamem Laufe der trübe Vagrada, ihm kommt gleich kein Strom in dem Libyschen Lande, Keiner dehnt, so wie er, weit aus die schlammigen Wogen. (8i1. Italien» Lsii. ?unio. . . .) 19* 292 Diese Verse des Dichters Silius Italiens, welche ich auf einer früheren Reise am oberen Laufe des Ned Medscherda in der Provinz Constantine, wo dieser Fluß seinen Ursprung nimmt, geneigt war für übertrieben zu halten, kamen mir nun, da ich den größten Fluß Tunisiens nicht sehr weit von seiner Mündung erblickte, ganz gerechtfertigt vor. Ist auch der „glühende Sand" vielleicht hier eine poetische Fiction und obendrein ein Widerspruch mit dem den Wogen beigelegten Prädicat „schlammig", da dieselben ihren Schlamm doch am Ufer absetzen und folglich den Sand schon lange in Schlamm verwandelt haben müßten, so trifft doch die allgemeine Ve-schreibung zu. Der Fluß hat viel Aehnlichkeit mit der Tiber, schlammig wie dieser „gelbe" Strom, langsam in diesem seinem ebenen, unteren Lauf, von zahlreichen Schilfftflanzm umwachsen, in denen ein Heer von Wasscrvögeln nistet, unterscheidet er sich nur durch die geringere Größe von ihr; denn obgleich „der größte Strom in Libyen" (damit ist hier ein sehr beschränkter Theil von Afrika gemeint), so ist der Vagrada doch weit entfernt davon, ein großer Fluß zu sein- ein Fluß wie der Neckar oder Main könnte kaum aus zehn Vagrada's zusammen gebildet werden. An dieser völlig einsamen Stelle ftassirten wir den Mdscherdafluß, indem es Iiadsch Hamed nicht ohne Mühe gelang, eine Furt zu entdecken. Diese Passage war mit der Unannehmlichkeit verbunden, daß da die Ufer des Flusses beinahe senkrechte Wände bilden, wir sehr steil auf dem einen hernieder und sehr mühsam auf dem andern wieder in die Höhe klimmen mußten. Beim Durchwaten hatten wir keinen weiteren Unfall, als daß wieder Brahhm nahe daran war, vom Pferd zu fallen und nur durch den herbeieilenden Mdsch Hamed gerettet wurde. Da wir nun aller weiteren Indicien über den Weg entbehrten und die Gegend völlig ausgestorben schien, so nahm ich meine Hülfe zur Karte. Nach dieser 293 wußte ich, daß ein kleines Flüßchon, der Ue'd Badscha, an der gleichnamigen Stadt vorbeiführe und dann seinen Lauf bis zum Medscherda beschreibe. So schien es mir das Sicherste, dem größeren Fluß so lange entlang zu reiten, bis wir an diese Mündung des Ue'd Vädscha kommen würden und dann dem Laufe des letzteren zu folgen. Allerdings machten wir auf diese Weise einen Umweg von nahezu zwei Meilen, aber wären wir, statt ein rechtwinkeliges Dreieck zu beschreiben, gradeaus geritten, in welcher Richtung nicht die geringste Spur von einem Wege und Niemand war, der auf unsere Fragen Antwort ertheilte, wer weiß, wann wir dann in Badscha angekommen und in welche Einöden und Sümpfe wir uns verirrt hätten? Es war eine der Kornkammern von Afrika, durch welche uns dieser Weg führte, ähnlich den beiden früher schon von mir durchrittenen Ebenen, der von Dschama und der von Scrrä Nartän, nur daß hier vielleicht der Charakter einer Niederung mehr hervortrat, während erstere mehr sich dem der Hochebenen näherten. Auch die Vegetation war hier nicht mehr die des nordafritanischen Binnenlandes, sondern mehr die eigentlich mittelmeerische. Das Haifa und die Artemisia-Artcn, welche die vorherrschenden Pflanzen der im Innern gelegenen Plateaux sind, fehlten hier gänzlich, statt deren zeigten sich Zwergpalmen und Oa.«w» Upunti». vorherrschend; am Flusscsufer wuchsen dichte Buschwerke von I'ißt^ii». WM««,», von Oleander, Arbutus, Ginster, dazwischen der blaublüthige 8:n-cnonpim8; die Lm-aiea ditnmmoka schlang ihre zarten Zweige windenartig von Strauch zu Strauch; hie und da erfreute das Auge ein aufgeblühter Busch von McxIoäLnäi'on I'onticmm Mit seinen prachtvollen rothen Blüthen, aber alle diese Wechsel-volle Vegetation beschränkte sich auf das ^lussesufer. Die Ebene selbst war in das einförmige Goldgelb der Kornähren gekleidet. Als wir den kleinen Ued Badscha erreichten, verließ 294 uns die grünende Vegetation des Flußufers, denn dieser Nebenfluß hat zu wenig Wasser, um eine frische Vegetation um seinen Rand zu verbreiten. Das wenige Wasser dieses Flüß-chens verdient auch noch in erhöhterem Grade, als das des Bagrada, den Beinamen Turbidus: es ist sogar oft sehr trübe und selbst die Araber, die doch oft mit Pfützmwasser vorlieb nehmen, trinken es nicht gern. Diesem Flüßchm entlang reitend, stießen wir endlich gegen Abend auf unser heutiges Nachtquartier, Bädscha. Bädscha (ausgesprochen Vädscha) ist eine der wenigen antiken Städte Tunisiens, welche in moderner Zeit eine gewisse Bedeutung bewahrt haben. Leider zeigen sich die Sümpfe der Nachbarschaft für die Gesundheit seiner Bewohner von den nachtheiligsten Folgen, indem kein Ort der ganzen Regentschaft mehr von Fiebern heimgesucht wird. Auch hierin ergiebt sich, wie in dem gewellten Hügelland mit sumpfigen Niederungen abwechselnd, welches die Stadt umgiebt, eine Aehnlichkeit mit der römischen Camftagna, an welche ich auf dem ganzen Ritt vom Bagrada, der selbst nur wie eine verkleinerte Auflage der Tiber erscheint, lebhaft erinnert wurde. Selbst der Handel ist in Bädscha noch nicht ganz ausgestorben, obgleich er lange nicht mehr die großartigen Proportionen besitzt, wie sie Shaw im vorigen Jahrhundert beschreibt. Auch in diesem Namen ist der antike beinahe unversehrt erhalten worden. Vädscha ist das antike Vaga, libyphöni-cischen Ursprungs, später eine der Residenzen der numidischen Könige, welche Stadt wir uns um so mehr wundern, weder bei Ptolemäos, noch im Itinerarium Antonini Augusti zu finden, als dieselbe bei andern Autoren wie Sallust, Plutarch, Plinius, Strabo als wichtiger Handelsmittelpunkt erwähnt und selbst von Dichtern, wie Silius Italicus genannt wird. Sallust gedenkt der zahlreich in dieser dem Iugurtha unter- 295 worfenen Stadt ansässigen italienischen Großhändler. Sie war eine der ersten Städte Nordafrika's, in welche Metellus zu Anfang des Iugurthmischen Krieges eine Garnison verlegte und die für ihn eines der wichtigsten Proviantmagazine Nu-midicns werden sollte. Zwar wurde sie ihm für kurze Zeit wieder durch Verrath entrissen, aber bald fiel sie von Neuem in die Gewalt der Nömer. Dieser Verrath der Bürger von Vaga, wie er von Sallust beschrieben wird, zeigt uns so viele noch heute under-änderte Züge des numidischen Volkscharakters, daß er gewissermaßen als eine Illustration desselben, wie er sich noch in unsern Tagen darbietet, dienen kann. Wankelmüthig, aufrührerisch und händelsüchtig, nach Umsturz des Bestehenden begierig, ein Feind von Nuhe und Frieden, so wird das Volk geschildert. Man sollte glauben, Sallust habe die modernen Tunisier zeichnen wollen, welche auch jeden Augenblick die Fahne des Aufruhrs erheben, es aber doch nie zu einer wirklich großartigen und ausdauernden Gesammtrebellion bringen, weil sie eben wankelmüthig find und weil der Zustand der Empörung, wenn sie sich ein Paar Monate in demselben befunden haben, ihnen auch schon als etwas „Bestehendes" erscheint und da sie alles Bestehende hassen, so begrüßen sie, als eine willkommne Abwechslung, selbst die zeitweilige Rückkehr unter die alte Tyrannei, bis sie dieser von Neuem wieder überdrüssig werden und dann geht der alte eirculus vltin«u3 von vorn an. Auch jene beabsichtigte und ausgeführte Schilderhebung der Empörer, welche die Gelegenheit eines Festes abwarteten, um im Taumel der Mahlzeit das römische Heer zu überfallen, erinnert handgreiflich an eine jener blutigen, derrätherischeu Scenen, wie sie vor wenig Jahren in Kabylien noch häufig vorzukommen pflegten, wo oft bei Festen und Märkten ein Stamm über den andern Plötzlich herfiel und eine sicilianische Vesper im Kleinen aufführte. Jene megären- 296 haften Weiber und dämonischen Kinder, welche große Steine und andere Projectile auf die überrumpelten Römer schleuderten, mehr aus reiner Mordlust, als zum Zwecke der Vertheidigung, das sind dieselben Kabylinnen und ihre fanatischen Sprößlinge, die noch im Jahre 1857, im letzten kabylischen Krieg, die Gefangenen zu Tode marterten und sich an ihren Zuckungen weideten. Der Volkscharakter ist in diesem Lande unverändert geblieben; das Mohammedanerthum erscheint nur wie ein oberflächlich aufgetragener Firniß, der ihn bedeckt und verschleiert, aber nicht vertilgt hat. Obgleich wir Vaga in den Itinerarien umsonst suchen, so gehen uns doch nicht andere Mittel ab, die Identität der Nömerstadt mit dem heutigen Bädscha oder Vadscha, wie es in mehr corrumpirter Form oft ausgesprochen wird, zu beweisen, und zwar besitzen wir das sicherste von allen, eine inschriftliche Verbürgung. Schon Peyssonel hat eine hier in ein Haus eingemauerte Inschriftstafel erwähnt, auf welcher wir die Worte ^Lptimill Va^. lesen, welche sich zu «üoloui^ 8ep-timia Vnzz-Lil»i8 vervollständigen lassen. Nach Plinius scheint es jedoch zwei Städte dieses Namens gegeben zu haben; er nennt nämlich ein Oppiäum Oiv'mm ünmanoruin Vatzvii»« und ein Oppiäum lidc^-lim gleichen Namens. Das erstere müssen wir ohne Zweifel in Vadscha erblicken. Wo aber das andere lag, ist eine Frage, die wohl nie gelöst werden dürfte. Bei einigen alten Autoren finden wir den Namen Bädscha ganz in seiner heutigen Form; nämlich Plutarch und Prokoft schreiben Baga und da das griechische Gamma durchaus dem arabischen Dschim entspricht, so ist der Name buchstäblich derselbe. Auch Gesenius, welcher das Wort vom Phönicischen 1<72 (urb») ableitet, bestärkt uns in der Annahme, daß die Stadt schon im Alterthum mit einem B ihren Namen begann. Den Namen Theodorias, welchen Vaga im sechsten Jahrhundert zu Ehren der Gemahlin Iustinians, der die Mauern 397 wieder aufführen ließ, angenommen hatte, scheint es dagegen nicht lange beibehalten zu haben, da die Araber ihn nicht mehr als gebräuchlich vorfanden. Dieser byzantinischen Eftoche entstammen auch fast alle Ruinen Bädscha's. Eine Ruine jedoch kann man kaum die Stadtmauer nennen, denn dieselbe ist nur baufällig und nicht verfallen; sie ist zum größten Theile noch die byzantinische Mauer, welche der edle Patricius Salomon aus dem Raube der römischen Bauten errichten ließ. Auch die Qayba ist Unstreitig die byzantinische Citadelle, mit nur wenigen arabischen Restaurationen. Die Hauptmoschee, merkwürdiger Weise noch jetzt Ssayydnä 'Ayssa (wörtlich übersetzt unserm Herrn Jesus) gewidmet, ist die alte byzantinische Cathedrale, wie aus einer hier von Gucrin entdeckten Inschrift hervorgeht. Sonst hat sich von antiken Gebäuden fast nichts erhalten, aber das gesammte moderne Bädscha besteht aus antikem Material' die ganze Stadt ist ein epigrafthisches Museum; beinahe in jedem dritten oder vierten Hause findet man irgend eine Inschriftstafel, einen Grabstein, eine Votivvlatte oder sonst ein interessantes antikes Fragment als modernes Baumaterial benutzt. In der Kirchcngeschichte kommt Vaga gleichfalls vor. Aus den Berichten über das Concil von 411 erfahren wir das merkwürdige Factum, daß in Vaga zu gleicher Zeit zwei katholische Bischöfe in völliger Eintracht existirten, nämlich Amftelius und sein» früherer Nebenbuhler und Gegcnbischof Primulus, der sich aber vom Donatismus auf besagtem Concil bekehrte (ein vielleicht einziger Fall) und von nun an von Ampelius als „truwr meu» I'riimilu« 6pi8<;0pu8" bezeichnet Wurde. Außer diesen wird noch der Bischof Proficius (4^4) und Ascleftius (495) erwähnt. Bei letzterer Erwähnung finden wir sogar den Namen der Stadt nicht mehr Vaga, sondern Baja geschrieben, eine Namensform, welche sich dem 298 gegenwärtig üblichen arabischen Badscha noch mehr nähert (OsiMiMun 6« vir. iUu»t. bei N«r<;. ^fr. t^rist. I, .^45). Doch diese jetzt sehr heruntergekommene Stadt, in welcher 4000 Menschen traurig vegetiren, vermochte meine Schritte nicht lange zu fesseln. Ich stand am Ende dieser meiner größeren tunisischen Tour und die Nähe von Tunis wirkte wie ein Magnet, nicht wegen dieser sogenannten „Perle des Westens" selbst, sondern wegen ihrer Verbindungen mit der civilisirten Nelt, nach welcher selbst der afrikanische Reisende hie und da eine Sehnsucht empfindet. So benutzte ich denn den nächsten Tag dazu, um den größten Theil der Entfernung, welche mich noch von Tunis trennte, hinter mich zu bringen und Teburba zu erreichen. Der Weg dahin führte über zwei niedere Bergketten, den Dschebel Haidus und Dschebel Anssaryn, ein ödes Gebirgsland, ganz aus Stein und fast von aller Vegetation entblößt. Teburba, ein Städtchen von 2000 Einwohnern, am Bagrada gelegen, wurde nach der arabischen Tradition von den aus Spanien vertriebenen Mauren gegründet. Aber es hat einen viel älteren Ursprung. Es ist nichts anders, als das antike Tuburbo Minus des Itinerars, das Thuburbi Minus der Peutinger'schen Tafel, das Bisthum der Tubur-bitanorum Minorum der Coneilsberichte vom Jahre 411, welche die beiden Gegenbischöfe, den katholischen Victor und den donatistischen Maximinus erwähnen» Ersterer war jedoch nicht selbst zugegen, sondern ließ sich durch den Bischof von Utica vertreten. Obgleich diese Identität nicht inschriftlich verbürgt ist, so wird und wurde sie von jeher doch von allen historischen Geographen so einstimmig angenommen, daß mir jede Beweisführung, die übrigens leicht genug, hier über' flüssig scheint. Von Alterthümern hat diese einstige Stadt dritten Ranges mchts bewahrt, als das erkennbare Fundament eines Amphitheaters. 299 Auch hier konnte meines Aufenthalts nicht lange sein. Von Tunis trennte uns nur noch die fruchtbare Ebene Ma-nuba, durch eine schöne Bogenreihe des karthagischen Aquä-ducts geschmückt, und in wenigen Stunden hatten unsre raschen Nosse diese Zierde der tunisischm Camftagna erreicht. Meine Rundreise durch die Provinzen endete also, ähnlich wie sie begonnen hatte, bei einem Stück jenes gewaltigen Werkes des Alterthums. Das bei der Manuba gelegene, welches etwa 40 Bogen zählen mochte, unterschied sich jedoch von dem bei der Molmmmediya beschriebenen dadurch, daß man hier nicht zwei verschiedene, sondern nur eine einzige Art der Structur beobachtet und zwar diejenige, welche ich ihres geringeren Materials, der Luftziegeln, wegen den Byzantinern zuschreiben möchte. Wahrscheinlich hatten die Vandalen, welche den Aquäduct zerstörten, hier, in größerer Nähe von Karthago, dieß am Eingreifendsten gethan, so daß von der ältern römischen Structur nichts übrig blieb und die Byzantiner Alles neu errichten mußten. 300 Menmdzwanzigstes Oapitel. Küstenfahrt von Tunis nach llammamät. Man einer Seereise »nil Veriihning der "liiistenpunkle zwischen Tmns «,ch Tripolis. — Die Vakäri^a, — Der kleine Cutter, — Capitnn Baolo, — Der kleine Ort AHades. — Das antike UlcMlla ftrates. — Itammäm Nurl'as. — 5sa>^d!l Daüd. — Das antike NW» oder Missna, — Fal'elhasle Geschichte van der 5eeschlmige, — Dns Cap Von, — «Nnliliiu,», das anlike ClMa> Aspis. — Geschichte des Negers Bombn, — Aömische Citadelle i» Clalißi^ja. — Das aral'ische Forl, — Üch spiele de» As.;! l'ei der Garnison, — Der „schwedische Consul," — lUifteofthrt nach NDel, — Das antike NeaM'is. — Cin lustiges Völkchen. — Geschichte des allen Algierers. — Ankunst in NanttullNtäl, — Untersuchungen iil>er das ANertljum dieser 5ladt. Mon Tunis nach Tripolis zu kommen und auf dem Wege so viel als möglich zu sehen, war meine Absicht, und die Frage nur die, auf welche Art dieselbe am Ersprießlichsten erreicht werden konnte. Des Interessanten Vieles versprach zwar der Landweg, aber dieser besaß den Uebelstand, daß er ein ganzes großes Stück der Regentschaft, nämlich die nördlich von Tunis in's Mittelmeer vorgeschobene geräumige Halbinsel Dächila, unberührt zur Seite liegen ließ. Der Seeweg dagegen gab Aussicht, die interessantesten Punkte dieser Halbinsel zu berühren, an ihnen zu landen und so den Zweck der Reise in einer Beziehung vollkommener erfüllen zu können. Freilich mußte eine Art von Seeweg, gänzlich verschieden von der gewöhnlichen europäischen Reiseroute, welche vom Ausgangspunkt dircet auf's Endziel lossteuert, gewählt werden, eine Reiseroute von beinahe noch schncckenartigerer Veförderungs-fähigkeit, als die zu Lande, nämlich eine solche, welche sich 301 nur in den seltensten Fällen von der Küste entfernte und jeden wichtigeren modernen oder antiken Ort der ganzen Ufer« linie berührte. Da die inzwischen eingetretene regelmäßigere Witterung des späten Frühjahrs oder Frühsommers eine gesicherte Seereise in Altssicht stellte, so diente auch dieser Umstand dazu, meinen Entschluß, einen eingehenden PeriPlus um diesen Theil der Mittelmeersgränze zu unternehmen, seiner vollen Reife entgegenzufuhren. Eine Schwierigkeit blieb nun noch übrig und eiue Frage zu lösen. In was für einem Boot war eine solche Tour auszuführen? und wo tonnte man dieses Boot finden? An ein größeres Schiff war, abgesehen von dem gleichfalls sehr hin-derlichen Kostenpunkt, auch schon deßhalb nicht zu denken, weil ein solches mir die Landung in den meisten Häfen Tunisiens, Von denen selbst die größten klein zu nennen sind, zur Unmöglichkeit gemacht haben winde. Aber ein zu kleines versprach gleichfalls viele Nebelstände, worunter der des wahrscheinlichen Echiffbruchs beim ersten besten tüchtigen Windstoß gewiß Berücksichtigung verdiente. Ein mittleres aber, welches allein allen Anforderungen genügen konnte, war grade am Schwierigsten zu bekommen. Fast hätte ich in der Verzweiflung, ein solches Boot auf dem Meere selbst zu finden, eines jener größeren Passagierboote, welche die Bal.nra, den sumpfartigen See von Tunis, beschissen, gemiethet und stand auch wirtlich schon mit einem Val.läry (Seemann) vom Väb 'Älywa in Tunis deßhalb in Verbindung. Beim Väb ^Alywa wohnt nämlich dieses komische Völkchen der Bahäriya, die man hier eigentlich nur Sumpfseeleute nennen sollte, ein Völkchen voll unruhigem Geist, Ausgelassenheit, Uebermuth und nebenbei glücklicherweise etwas Weniger vorurtheilsvoll gegen Andersgläubige, als die Mehrzahl der Moslims. In der Person eines gewissen Dussuf hatte ich einen solchen Ba^ary kennen gelernt, der mir versprach, 302 mich selbst bis auf den Ocean in seiner Nußschale zu führen. Aber ein Rest von Mißtrauen veranlaßte mich, auf einer Probefahrt nur eine Meile in die See hinaus zu bestehen und siehe! diese siel so glänzend aus, daß das Boot, welches nur lateinische Segel besaß, bei einem plötzlichen Windwechsel ebenso plötzlich umkippte und uns sämmtlich im Meere absetzte, woraus wir nur mit Hülfe eines vorbeisegelnden Kauffahrers entkamen. An ein Voliayra-Boot war also nicht zu denken. Als ich eben schon fast verzweifelte und nahe daran war, die Neise aufzugeben, da wollte es die Gunst des Schicksals, daß em kleiner, aber nicht zu kleiner Cutter, der früher einem Engländer als Jacht gedient hatte, mit Waaren beladen, von Malta ankam und der Vaftitän desselben, ein Malteser, Namens Vaolo, auf meinen Vorschlag einging, mir denselben mit Mann und Maus zur Küstenreise nach Tripolis zu vermiethen. In diesem kleinen Cutter also unternahm ich den ersehnten PeriPlus und zwar nicht direct von der Goletta aus, sondern Von dem in ihrer nächsten Nähe gelegenen Orte Nhadiss, in dessen Uferwasser ich das Fahrzeug bestellt hatte. Der Weg von Tunis nach Nhadiss ist nämlich noch kürzer, als der nach der Goletta, dem gewöhnlichen Einschiffungsort von Tunis, denn Hafen kann man hier nicht sagen, da die Goletta nur für Schiffe, die noch kleiner sind, als der von mir gemiethete Cutter, als solcher zu dienen vermag. Der kleine Ort Nhadiss ist ein freundliches arabisches Dorf, auf der einen Seite eines sanftansteigenden Hügels gelegen, mitten in seinen Olivenhainen versteckt. Er liegt jetzt nicht mehr dicht am Meer, wie dieß im Alterthum ohne Zweifel der Fall war, denn unter dem Namen Maxula (nicht zu verwechseln mit Maxula palaea, Ilammam el Anf) führt ihn Ptolemäos als die nächste östliche Küstenstadt von Karthago 303 an. Die Ncnnensfoml, welche das Itinerarium Nntonini Augusti für diesen Ort angiebt, Maxula Prates, vereinigt die beiden Namen, den vom Alexandriner erwähnten, welcher diesem Orte mit einem andern, dem heutigen Ilammam el Anf gemeinsam war, und denjenigen, aus welchem ohne Zweifel die moderne Benennung abgeleitet ist, Nhadiss aus Prates. Jeder Zweifel über die Identität von Maxula Prates mit dem modernen Rhädiss wird wohl durch die genau zutreffende Entfernungsangabe vou zehn Milliaricn von Karthago, welche das Itinerar angiebt, gehoben. Letztere Quelle nennt das andere Maxula als 18Milliarien von Karthago entfernt und führt es unter dem Namen Maxula civitas an. Außerdem wird Maxula Prates noch von der Peutinger'schen Tafel erwähnt, welche dasselbe schlechtweg Maxula neunt und unter dieser Bezeichnung nicht das andere Maxula meinen tann, da sie die Entfernung von Tunis (in der Peut. Tafel Thnni sseschrieben) als sieben Milliarien betragend angiebt, was für Nhädiss genau zutrifft, was aber gegen die Entfernung des andern Maxula (Ilammäm cl Anf) viel zu sehr zurücksteht. Das letztere Maxula (votus oder oivita») wird von der Peutinger'schen Tafel gar nicht erwähnt. Man hat diesen Ort auch mit dem Adis oder Adin des Polybios idcntificiren wollen, welches die erste Stadt in Afrika war, welche die Römer zur Zeit des ersten vunischen Krieges Uach ihrer Landung bei Asvis Clivea unter dem Oberbefehl des Negulus einnahmen. Regulus hat in der sagenhaften beschichte durch das Märchen seines Todes als Märtyrer des Patriotismus und des gegebenen Wortes einen ruhmreichen Nang erhalten- dieses Märchen hat nun freilich Niebuhr all seines Flitters entkleidet und der wirkliche Negulus ist übrig geblieben, ein Mann, der so wenig edleren Patriotismus besaß, daß er das römische Heer seinem eignen Ehrgeize aufopferte und unter ungünstigen Umständen eine Schlacht 304 wagte, nur weil er den Krieg unter seinem Consulat schnell beendigen wollte, um sich persönlich allen Ruhm zu sichern und seinem Nachfolger keine Lorbeeren zum Pflücken übrig zu lassen. Aber die Schlacht fiel bekanntlich zu Gunsten seines Gegners, des karthagischen Generals, Xanthiftpus aus Sparta, aus und endete mit einer vollständigen Niederlage der Römer, von welcher sich nur zweitausend Mann retten konnten. In Folge dessen wurde denn auch Adis oder Adin geräumt. In die Nähe dieser Stadt, wenn anders wir nicht Adin im heutigen Odna suchen können, wie oben angedeutet, müssen wir auch den Schauplatz des fabelhaften Kampfes des Regulus mit einer Riesenschlange von hundertundzwanzig Fuß Länge verlegen, welche von diesem Feldherrn gleich einer Festung mit großein Geschütz beschossen und bezwungen wurde, denn obgleich Plinius (llikt. nät. I, 2, A) diese märchenhafte Waffenthat an den Fluß Bagrada verlegt, so ist doch anzunehmen, daß nicht dieser, sondern der Fluß Vatada, der heutige Milyana, in der älteren Fabel gemeint gewesen sei, denn ein Vordringen der Römer bis an den Bagrada kommt im ersten punischen Krieg gar nicht vor, während sie sich fast immer bei dem bei Adis fließenden Catada aufhielten. Oestlich von Nhädiss, unweit des Meeres, liegt Iiammam el Lyf oder el Anf, mit dem Palast des Bey und den Mineralbädern, welche sich von Seite des Hofes einer großen Beliebtheit erfreuen. Da jedoch von diesem Qrte bei Schilderung meiner viel später unternommenen Landreise von Tunis nach Tripolis die Rede sein wird, so erwähne ich in Bezug auf ihn hier nur den zu Rhädiss gehörigen Umstand, daß tiammäm el Anf ebenfalls im Alterthum Maxula hieß. Es war das eigentliche Maxula, das andere hieß nur nebenbei so und sonst Prates. Ptolemäos unterscheidet das erstere durch die distinctive Bezeichnung M<^o5^a .^a^«m, das heißt das ältere Maxula, 305 das Intinerar durch den Zusatz „eivitas" und beide belehren uns so, daß hier wirklich zwei Maxula dicht nebeneinander lagen. Die nächste am Meere gelegene antike Stadt war Carpis, wie es Ptolemäos, und Carpi, wie es das Itmsr^rium mai-i-timuW nennt, welches letztere seine Gnfernung zur See von Karthago als Ilw Stadien betragend angiebt. Diese Entfernungsangabe von ungefähr 19 Milliarien (8 Stadien auf das Milliarium gerechnet) führt uns auf einen kleinen arabischen ^rt, limnlnain turbos (vul^o Gnrbos), bci dein man römische Neste sieht, und in dessen Namen, Qurbos (Carpis), sich der antike volltolnmen, nicht nur nahezu, erhalten hat, denn das b ist im Arabischen, welcher Sprache ein v gänzlich abgeht, stets das Aequivalent für p und das g am Anfang ist in Wirklichkeit ein ^ und wird als solches (also k) geschrieben, und fehlerhaft als g ausgesprochen,'während im Arabischen ein hartes g eigentlich gar nicht existirt. No es im Volksmund korkommt, ist es eine fehlerhafte Aussprache entweder des ^ (Dschim), wie in Aegyftten, oder das ^1- (Qef), wie bei fast allen Beduinen Nordafrita's nud selbst einigen Stäinnun ^er sonst so puristischen arabischen Halbinsel. In der ivirchengeschichte kommt Carvi gleichfalls unter unverändertem Namen als I^»i8(!Oi)uw8 (^rpitumls vor, dessen Bischöfe Secundinus (H55), Antonius(4ii), Pontadius (418), 3elix (484), Venerius (525,) den karthagischen Concilen bei-^vohnten. Basslis, Bischof von Carpi, wird noch im Jahre l'4<; als Nnterschreiber der Beschlüsse gegen die Monotholeten nwähnt. Nach dem heiligen Optatus (li>>. XV1I1, on^. U.) wüthete das Schisma der Douatisten auf grausame Weise in ^arpi. AIs Zur Zeit des Julian die Tempel der Heiden Wieder eröffnet wurden, erhielten auch die Donatisten volle Freiheit in ihren Verfolgungen gegen die Katholiken und fallen sie hier, nach dein Kirchenvater, zu einem allgemeinen Blutbad ihrer Feinde benutzt haben. U. 20 306 Wie der Zuname Ilammam ausdrückt, so befinden sich hier Bäder; das Mineralwasser enthält hauptsächlich schwefelsauren Kalk und Chlornatrium und wird besonders bei rheumatischen Krankheiten gebraucht, in welchem man ihm große Wirksamkeit zuschreibt. Folgendes ist die genaue Analyse nach der vom französischen Viceconsul Cubisol in Goletta veröffentlichten Statistik. Freie Kohlensäure........95,05 Phosfthorsäure........0,0235 Kohlensaurer Kalk.......0,3438 Kohlensaure Magnesia ...... 0,0155 Kohlensaures Eisenoxydul.....6,0091 Schwefelsaurer Kalk......1,31349 Schwefelsaures Natron.....0,22828 Schwefelsaures Kali......0,16592 Chlornatrium.........«,53243 Chlormagnesium........0,60624 Chlorcalcium .........0,74957 Brommagnesium........0,01508 Da die Bäder jedoch in Verfall gerathen sind, so wird es fast von Niemand mehr besucht, außer von Juden aus Tunis, denn die Israelite«, selbst die ärmeren, zeigen auch in diesem Lande ihre Vorliebe für Badekuren, ganz wie sie es in Europa thun, wo auch die größten Badeorte, wie Karlsbad, Marienbad, Helgoland, Kissingen von ihren Nationsgenossen wimmeln, während von Moslims nur die höchsten Würdenträger und reichsten Kaufleute sich diesen Luxus erlauben, dann aber lieber ein bequemes Bad und nicht eine halbe Ruine, wie Qurbos, besuchen; die ärmeren Moslims verlassen sich in Krankheiten lediglich auf Allah und seine jeden Fliegenstich vorausberechnende Vorsehung. Nach Ilammam Qurbos dehnt sich die Küste in direct nordöstlicher Richtung bis an das den karthagischen Golf ab- 3l)7 schließend begränzcnde Cap Von, das Vorgebirge des Mercur der Alten. Seltsam ist der Irrthum, welchen wir in Betreff der Richtung dieses Küstenstrichs bei Ptolcmäos finden. Nach ihm geht die Küste in direct nördlicher Linie, ohne auch nur um eine Gradminutc von ihr abzuschweifen, von Maxula (Rhädiss) bis zu der Hermaia Alra (Cap Aon). Die Entfernungen der auf dieser Strecke angegebenen Städte sind nun zwar im Allgemeinen richtig, doch erstaunen wir, unter diesen Städten auch eine angeführt zu sehen, welche gar nicht auf dieser Seite des Hermesvorgebirges liegt, nämlich Clypea, von dem übrigens an seiner Stelle ausführlicher die Rede sein wird. Der nächste Küstenort, welchen ich in dem von mir gemietheten Segelschiff erreichte, war Ssayydy Daüd, d. h. der heilige David, von der Grabkapclle eines inoslimischen Heiligen so benannt. Da die hier befindlichen Ruinen mir als ansehnlich geschildert worden waren, so beschloß ich, daselbst Halt zu machen, was durchaus nicht dem dicken Vaow, dem Kapitän des Cutters, gefiel. Nachdem dieser Biedermann alle möglichen Gegengründe erschöpft und dieselben nicht verfangen hatten, verfiel er zuletzt auf den Gedanken, mir durch kinen Bericht über vermeintliche Sccungeheuer, welche mich bei der Landung, die mit dem Durchwaten einer seichten Stelle verbunden war, packen konnten, Schrecken einjagen zu wollen. Des Scherzes halber und um zu sehen, welchen Grad abergläubischer Furcht mir der schwadronirende Malteser zutrauen "wchtc, ging ich scheinbar auf seine Ideen ein und fragte ihn "lien Ernstes, ob es vielleicht die berühmte Sccschlange sei, ^clchc in diesen Gewässern ihren Spuk treibe. Ich bereute jedoch diesen Scberz bald, denn nun bekam ich unter den üröftten Bctheucrungcn in gebrochenem Englisch, womit viele Flüche gemischt waren, eine barbarisch lange Geschichte über bie von mir so unvorsichtig heraufbeschworene Sceschlange zu 20* 308 hören, ein Gemisch der hyberbolischsten Fabeln, wie ich dergleichen noch nie, selbst nicht bei den sagenliebenden Arabern, vernommen hatte. Aber all' dieß war nicht etwa die Erfindung Baolo's, sondern, wie er betheuerte, ein höchst authentischer Bericht nach den Erzählungen eines seeerfahrenen englischen Matrosen, Namens tip«)? dwcck ^VM^ (der besoffene schwarze William), welcher die besagte Seeschlange einmal irgendwo, ich glaube in einem Eisberg, hatte sitzen und Eisbären vcrsfteisen sehen. Aber diese Seeschlange liebte, wie Baolo sagte, Ä s^mi^u «k «limntL (einen Klimawechsel) sehr, deßhalb sei es höchst wahrscheinlich, daß sie sich jetzt im Mittelmeer und zwar grade im Golfe von Karthago befinde, wo fie natürlich meine Landung benutzen dürfte, um mich beim Waten im Meevessande zu erHaschen und gleich den Eisbären zu verspeisen. Durch diese nie cndenwollende Geschichte war meine Landung verspätet worden. Baolo mochte hoffen, daß ich meinen Wunsch schon aufgegeben, oder vergessen habe, aber zu seinem unangenehmen Erstaunen bestand ich beharrlich darauf. Endlich erfolgte sie. Bomba, ein englisirter Neger und doch zugleich halber Moslim, nahm mich bei der seichten Stelle, wo die Landungsbarke nicht weiter konnte, auf den Rücken und trug mich glücklich an den Strand an das Grab des heiligen David. Diese Grablapelle ist mitten unter den Trümmerrcsten einer antiken Stadt erbaut, von welcher jedoch jetzt keine einzige Ruine sich mehr über den Boden erhebt. Auf dem« selben kann man allerdings noch die Fundamente einzelner Mauern traeiren, welche aus kolossalen Felsblöcken zusammen-gesetzt waren, was auf eine sehr frühe, vielleicht punische G^ bammgszeit hindeutet. Auch vom Hafendamm, dessen große Ausdehnung die hier befindliche antike Stadt als einen See' Hafen von Bedeutung zu erkennen giebt, kann man noch 309 deutlich den Umfangsraum durch die hie lind da crhaltenm Fundamente beurtheilen. Es ist nicht schwer, den antiken Namen der hier gelegenen libyfthömcischen, später römischen Stadt nach Ptolcmäos und dem Itin^rarmm m-nitiinmu nachzuweisen. Nach dein ersteren hieß dieselbe Nissua und lag zehn Gradminuten nördlich von Carpis, nach dem letzteren Mssua und war dreihundert Stadien von Carpi entfernt. Die Angabe des Ptolemäos trifft dieß-Wal zu, aber die des Itinor^inm m.n-itimilm übertrifft die wirkliche Entfernung, selbst wenn man einen ungeheuren Umweg im Meere, um die Nähe des Cap Safran zu vermeiden, annimmt, immer noch um ein Drittel, ein seltner Fall, daß wir diese, sonst vortreffliche Quelle auf einem so groben Schnitzer betreffen. Dennoch kann kein Zweifel über die Identität von Ssayydy Daüd mit Missua—Nissua obwalten. Das Itinerarium Antonini Augusti nennt zwar diesen Ort nicht und die Peutinger'sche Tafel, welche ihn unter der Form Misua (mit Einem s) aufführt, ist geeignet, die ganze Topographie dieser Gegend über den Haufen Zu werfen, denn sie giebt die Entfernung von hier nach Putput, welches beim heutigen I.lammämat lag und wenigstens 48 Milliarien von Ssayydy Daüd entfernt ist, auf 12 Milliarien und die von Neapolis (dem heutigen Näbel, 40 Milliarien von Ssayydy Daüd entfernt) auf gleichfalls 12 Milliarien au. Aber zum Glück kommt den aus Ptolcmäos und dein Itinerarium geschöpften Beweisen die Bekräftigung einer inschriftlichcn Verbürgung zu Hülfe, indem V. Gue'rin hier deutlich die Worte Ni»». l'iv. ) müssen wir hier den afrikanischen Landungsplatz des tollkühnen Abenteurers Älgathokles suchen; bei Aquilaria verbrannte er seine Schiffe, um seinem Heer alle Aus- 313 ficht auf eine gesicherte Flucht zu benehmen, und sie zum verzweifelten Todeskamftf desto muthiger zu machen. Die hier vorhandenen, im Alterthum berühmten Steinbrüche, bilden nun eine Neihe von Höhlen, welche wohl der Kunst ihren Ursprung verdanken, aber jetzt das ehrwürdige Aussehen natürlicher Höhlen angenommen haben. Die Maber nennen sie Huariya (vom Verbum ^ zerstört sein), welches folglich etwa „die Ruinen" bedeutet, wahrscheinlich weil sie diese Steinbrüche für Reste einer alten Stadt hielten. Man hat in diese Gegend den Schauplatz der fabelhaften Landung des Aeneas, wie dieselbe von Virgil geschildert wird, verlegen wollen. Fabelhaft ist nun freilich, wie Aeneas selbst, so auch sein Landungsplatz in Afrika, aber es ist nicht unmöglich, daß der kenntnisreiche Virgil sich von dieser Gegend eine oberflächliche Kunde verschafft hatte, denn seine Beschreibung ihrer Topographie stimmt in den Allgemeinheiten so ziemlich mit der Wirklichkeit überein. Tief ist die Bucht, sie schützt mit weitsichstreckenden Ufern Eine Insel, den Hafen bildend; es bricht sich die Woge An dem Eiland und theilt sich in lange gedehnten Krümmen. Diese meine freie Uebersetzung von ^6nLl81> 15^, läßt, wie ich hoffe, keine der topographischen Einzelheiten des Originals unberücksichtigt. Mag immer eine gewisse Achn-lichkeit zwischen der von Virgil beschriebenen und der bei Huariya gelegenen Bucht bestehen, vollkommen paßt die Beschreibung keineswegs, denn einmal ist die Bucht nicht üef, dann liegt die Insel zu weit davon entfernt, um ihr Schutz gegen Stürme zu gewähren. Unter der Insel kann keine andere als Aegimurus, das Dschamür der Araber oder Simbra (von den Franzosen Zimbra geschrieben) gemeint sein, welche Viel zu weit von Huariya abliegt, um Virgil's Beschreibung zu entsprechen. Eine andre Schilderung der hier befindlichen Höhle bei demselben Dichter scheint besser zu passen. 313 In der Höhle war fließendes Wasser und steinerne Sitze. (^.Ln. I, 186.) Allerdings ist in den großen Höhlen auch keine Spur von Nasser zu finden, aber in einer andern, ebenfalls geräumigen, in der Nähe gelegenen, fand der berühmte Reisende Barth, den ich hier citiren muß, da ich selbst nicht in Huäriya an's Land stieg, einen „mit reichlichem Wasser angefüllten Brunnen" (Barth, Wanderungen am Mittelmcer, S. 132). Was ich aber deutlich vom Schiff aus beobachten konnte, war, wie wenig Virgil's Schilderung auf die Landschaft im Allgemeinen paßt: Mächtige Felsen ragen empor und zwei drohende Klippen, Unter ihrem Schutz ruhn sicher und schweigend die Wogen. (^61!. I, 162.) Weder schweigen die Wogen hier, noch gewähren die Klippen ihnen Schutz, noch kann man die Zwillingsklippe (Femmi 8in8ion8 in tlio Ueäitei'nmsm») I^oiiäon 1840), welcher in neuerer Zeit wieder, ähnlich wie Shaw es im vorigen Jahrhundert gethan hatte, sich alle Mühe gab, den „afrikanischen Landungsplatz des Aeneas" mit allen seinen Einzelheiten nach Virgil's Beschreibung zu idcntisiciren. Da es hier die Umschiffung des seiner Winde und Stürme wegen berüchtigten Cap Von galt, so mußten wir uus jetzt mehr als bisher von der Küste entfernen. Dieses Vorgebirge wird von allen alten Autoren erwähnt; bei Ptole- 314 mäos ist es gar der nördlichste Punkt vom ganzen heutigen Tunisien, während doch die Küste bei Biserta viel weiter nach Norden vorspringt; das Cap Von ist nur der nördlichste Punkt der Halbinsel, welche heutzutage Dachila (d. h. die in's Meer „Hineinragende", vom Verbum ^.^.^, hineingehen) heißt. Im Alterthum führte dieses Vorgebirge den Namen Promontorium Hermaeum oder Mercurii, die Portulanen des Mittelalters nannten es Cap Bon, und so heißt es noch bei den europäischen Seefahrern, während die Araber es Nass Adar oder vielmehr Nass ad Där (d. h. das Vorgebirge der Rundungen oder der runden Grdhügel, nämlich ^, Plural von ii7<<5, eine Nundung) nennen. Daß es seinen Namen von ^s^» (ein Haus, ein bewohnter Ort) führe, glaube ich nicht. An den zwei kleinen Inseln Dschamur vorbei, einer größeren und einer ganz kleinen, in deren Namen sich der antike, welcher Aegimurus hieß, erhalten hat, ging es nun in's offene, hohe Meer hinaus. Nicht umsonst sage ich „hoch", denn der fast beständig um das Cap Bon sausende Westwind hatte die Wogen aufgerüttelt, so daß der kleine Cutter, welcher uns trug, gleich einer Nußschale umhergeworfen wurde und die Wogen auf und nieder tanzte. Die Seekrankheit, welche sich zur großen Belustigung Vaolo's und der Seeleute bei mir einstellte, war das geringere Uebel, das größere war, daß nach Nmsegelung des Vorgebirgs, als wir die östliche Richtung verlassen und uns nun südlich wenden wollten, wir beinahe Schiffbruch litten, da das Schiff plötzlich sich im Winde so schief legte, daß die Segel von den Wogen bestrichen wurden. Aber Vaolo war eine alte Thecrjacke, er kannte sein Meer und ließ jetzt die Segel fast ganz einziehen, so daß wir von nun an zwar sehr langsam, aber doch entschieden in südlicher Richtung vorwärts kamen. 315 Uebrigens verging doch der größte Theil der Nacht, ehe wir bei Qälibiya, wo ich durchaus landen wollte, anlegen konnten. Aber es war, als wir dort ankamen, erst 3 Nhr Morgens, eine Stunde, um welche es in Afrika selbst Ende Mai noch nicht tagt. Die Zeit bis Tagesanbruch mußte also vertrieben werden, dazu diente zuerst ein kleiner Morgen-Imbiß, der nie so gut schmeckt, als nach überstandener Seekrankheit, dann die Anhörung der Geschichte Bomba's, des Neger-Matrosen, eines halben Moslims und halben Engländers zugleich, welche dieser mir in gebrochenem Englisch vortrug, dessen kühne Wendungen leider in der deutschen Uebersetzung verloren gehen dürften. Dennoch will ich es versuchen, die wechselvollen Schicksale des komischen schwarzen Originals hier so viel als möglich mit seinen eignen Worten wiederzugeben. „Ich bin", so erzählte Bomba, „der Sohn eines Königs." (Ich habe noch nie einen Neger gekannt, der nicht der Sohn eines Königs war.) „Mein Vater lebte in der Gegend von Bornu und besaß ein mächtiges Reich. Er gebot auch über die Nyam Nyam, ein Volk mit zehn Zoll langen Schweifen, das zwischen Mensch und Affe steht. Als ich ein Kind war, empörten sich diese geschwänzten Unterthanen gegen meinen Vater. Sie glaubten, wenn sie mich in ihre Gewalt bekämen, von dem Fürsten Alles, was sie nur verlangen mochten, erzwingen zu können. Zu diesem Zweck lauerten sie mir auf, fingen mich auch wirtlich und hielten mich in einer tiefen Grube, wenigstens hundert Klafter unter der Erdoberfläche, gefangen. Was ich dort an körperlichen Qualen zu leiden hatte, war grauenvoll. Ich bekam nur Eidechsen zu essen, wurde jedoch von den vielen Schlangen, Scorftionen und andern Unthieren, welche die Höhle bewohnten, beinahe selbst aufgefressen. Aber noch viel größer waren die Qualen meines Gemüths, denn ich lebte in beständiger Angst, von den Nyam 316 Nyam, welche, wie die ganze Welt weiß, Menschenfresser sind, im Falle eines Mißlingens ihrer Verhandlungen mit meinem Vater, dem König, verspeist zu werden. Besonders lebhaft unterhalten wurde diese meine Furcht durch eine alte Negerin, meine Wächterin, welche mir stets die schauderhaftesten Geschichten von der Menschenfresserei der Nyam Nyam erzählte. „Eines Tages fiel mir ein, dieser alten Negerin meinerseits eine Geschichte aufzubinden. Ich erzählte ihr nämlich von dem Sklavenhandel, welchen die arabischen Kaufleute aus Tripolis betrieben und wie sie ganz besondern Werth auf die vornehme Abkunft eines Sklaven zu legen pflegten. Den Sohn eines Neger-Königs Zu kaufen, dafür würden diese Sklavenhändler selbst die höchsten Summen nicht scheuen, da sie sicher seien, einen solchen für einen ganz ungeheuren Preis abzusetzen. Die alte Negerin, wie sie dies vernahm, stierte mich mit großen Augen an, ihre Geldgierde wurde gereizt und ich hatte so meinen Zweck erreicht, welcher der war, meiner Wächterin und durch sie ihrem Volke die Ueberzeugung aufzudrängen, daß sie mit meinem Leben ein weit besseres Geschäft machen würden, als durch meinen Tod. „Leider hatte ich jedoch durch diese Mittheilung das Ziel überschössen, denn die Nyam Nyam wollten nun nichts mehr davon wissen, mich meinem Vater, der ihnen ohnehin nicht viel thun konnte, zurückzugeben, und waren nur auf den vermeintlich großen Gelderwerb erpicht, den ihnen der Verkauf meiner Person eintragen sollte. In diesem Lande der Menschenfresser gab es jedoch keine Sklavenhändler, und zwar aus guten Gründen, da man alle Gefangene zu verspeisen pflegte und s» Niemand, der verkauft werden konnte, übrig blieb. In meinem Fall mußte daher eine kleine Schaar zuverlässiger Männer nach dem nächsten Stlavenmarkt an der Gränze von Fesän abgeschickt werden und dieser wurde ich anvertraut. 31? „Am Markte, der schon außerhalb des Gebiets der Nyam Nyam lag und von gläubigen Moslims bewohnt wurde, sollte es jedoch meinen Hütern sehr schlecht gehen. Diese erregten sogleich ein lächerliches Aufsehen, als sie für mich einen Preis forderten, für den man hundert andere Sklaven kaufen konnte. Der Schaych des Orts wurde dadurch neugierig und ließ die Nyam Nyam vor sich kommen. Nun müßt Ihr wissen, daß die Nyam Nyam keine Gläubigen, sondern gottverdammte Heiden sind, welche ein Schwein anbeten und vor frommen Moslims eine Art Abscheu zu hegen vorgeben. Nls nun der Schaych sie mit dem nur unter Moslims üblichen Gruße „Ssalam alaykum" (Friede sei mit Euch) anredete, blieben die verstockten Heiden ihm den Gegcngruß schuldig. Daran merkte er, daß sie Ungläubige seien, und befahl, ihnen Stockschläge zu geben. AIs man sie zu diesem Zweck entkleidete, da erschrak jedoch das ganze Volk, denn die Schweife der Nyam Nyam traten nun deutlich hervor. Die Moslims, welche Zwar alle Heiden, die Nyam Nyam aber ganz besonders hassen, fielen sogleich über die Schändlichen her, rissen sie in Stücke, und so erhielten diese ihre verdiente Strafe. „Auf diese Weise blieb ich als herrenloses Gut zurück. Der Schaych erklärte jedoch, daß er Rechte auf meinen Besitz habe, und da Niemand ihm diese streitig machte, so wurde ich nun sein Sklave. Er behandelte mich übrigens gut, ließ mich arabisch schreiben und lesen lernen und gewann mit der Zeit ein solches Vertrauen zu mir, daß er nur mancherlei Geschäfte und unter Anderm auch einmal die Führung emer Karavane nach Mursuk anvertraute. Diese Gelegenheit be-nutzte ich zur Flucht, nahm alle Waaren meines Herrn an mich und richtete mich als Kaufmann in Mursuk ein. „Von Mursut aus unternahm ich eine Handelsreise, auf der ich von den räuberischen Tuaregg's gefangen und abermals zum Sklaven gemacht werden sollte. Mein neuer Herr 318 besaß eine sehr heißblütige Frau, die sich zu meinem Unglück in mich verliebte. Um jedoch nicht in Gefahr zu kommen, ihre Wünsche erhören zu müssen, was mir vielleicht das Leben gekostet hätte, verfiel ich auf den Gedanken, mich für einen Eunuchen auszugeben. Man glaubte mir aus's Wort und so wurde ich denn bald darauf an eine nach Tripolis gehende Karavane als Eunuche verkauft und galt wirklich für einen solchen, da man sich bekanntlich nie Mühe giebt, einen Eunuchen zu untersuchen, sondern annimmt, Niemand würde sich, ohne es zu sein, für ein so unmännliches Wesen ausgeben. „Einen Monat später kam ich als Haremswächter in das Serail des Pascha von Tripolis. Alle Frauen mußten mir gehorchen und ich war in ihrer beständigen Gesellschaft. Begreiflicherweise hatte dies die Folge, mein Blut zu erregen und ich blieb dießmal nicht so vernünftig, wie das erstemal, und fing mit einer Haremsschönheit eine Liebschaft an, die auch unter dem Deckmantel meiner Eunuchenschaft ganz gut noch lange hätte fortblühen können, wäre nicht die Frau niedergekommen und zwar mit einem Kinde, welches schwarzbraun war, und daß sie, selbst eine Weihe, unmöglich ihrem gleichfalls weißen Gemahl als seinen Sprößling andichten konnte. Der Pascha faßte Argwohn, ließ uns Eunuchen alle untersuchen und fand bald den falschen unter den wahren aus. In seinem Zorn befahl er, mich und die Frau, jeden in einen Sack zu nähen und in's Meer zu werfen. Dieß geschah und so wäre wahrscheinlich meine Geschichte beendet worden, hätte mich nicht ein englisches Schiff, das grade im Hafen von Tripolis lag, aufgefischt, befreit und nach Malta gebracht. „Seitdem bin ich ein Engländer geworden, habe als Matrose große Seereisen gemacht und mich zum Glauben an Ssayydna 'Ayssa (Christus) betehrt, an dem ich nur das auszusetzen habe, daß er uns nur eine Frau zu nehmen gestattet. Was ich aber an diesem Glauben trefflich finde, ist 319 der Umstand, daß cr Wein, Cognac und Whiskey zu trinken gestattet. Nur das Paradies, welches die Christen im Jenseits erwartet, will nur nicht recht gefallen. Da lobe ich mir doch das unsres gelobten Propheten (auf welchem der Friede sei) der uns Huri's, weiche Ruhekissen, ewige Jugend und volle Weinkrüge verspricht. Deßhalb halte ich es für das Vestc, mit der Religion abzuwechseln und diesem Grundsatz folge ich. Auf dem Schiffe, welches englisch ist, und in Malta bin ich Christ, in Tunis aber Moslim, denn als Chnst könnte ich ja die mohammedanischen Gaab (leichtfertige Frauenzimmer) nicht besuchen. Ihr seht übrigens, wie gut es ist, viel erlebt zu haben und zu was für trefflichen Grundsätzen uns die Lebenserfahrung führen kann." Nachdem diese so erbauliche Geschichte, die zu so be-neidenswerthen Grundsätzen den Vorwurf gegeben hatte, beendet war, brach endlich der Morgen an und unsrer Landung in der Stadt stand nun kein Hinderniß mehr im Wege. Diese Stadt war also Qalibiya, das Clyvca oder Cluftea der Römer, das Aspis der Griechen (beides Schild bedeutend, von dem schildförmigen Felsen, auf dem die Festung lag), am Cap Mustafa, dem Promontorium Tachitis der Alten, gelegen. Fast von allen alten Autoren, welche über Afrika schrieben, wird dieser Ort unter einer semer beiden Benennungen erwähnt, nur der einzige Ptolemäos kennt zwei verschiedene Städte, Aspis und Clypea, von denen er das erstere hieher, das letztere an eine höchst unwahrscheinliche Stelle, von der oben die Nede war, verlegt. Neber den Namensursprung scheint bei den Alten Meinungsverschiedenheit geherrscht zu haben, denn während die Meisten ihn von der Schildform des Felscnvlateau's herleiten, fchreibt ihn Silius Italicus den schildförmiaen Ttmrmmaucrn der Festung zu l k. 1'. m. 843) Tum quae Sicanio praecinxit litora muro In clipei speciem curvatis turribus Aspis. 320 Clyftea's Wichtigkeit scheint weniger in der Größe der Stadt oder der Bedeutung seines Handels, als vielmehr darin gelegen zu haben, daß es ein in strategischer Hinsicht vorzüglich geeigneter Punkt war, um einer fremden, Karthago angreifenden Macht als Operationsbasis zu dienen. Es war gewissermaßen die Achillesferse des karthagischen Gebiets und die Feinde wußten dieß wohl, denn von der ältesten Zeit bis auf den dritten punischen Krieg landeten fast alle gegen Karthago gerichteten Expeditionen bei der Stadt des Schildes. Selbst aus der Fabelzeit taucht diese Bedeutung von Clypea auf, denn der Auswanderer und Eroberer Kadmos, welcher nach Nonnus hundert Städte in Libyen gründete, scheint der Beschreibung nach hier gelandet und der Stadt den Namen gegeben zu haben, welche er an der Stelle gründete, wo sein Stier zuerst die afrikanische Erde betrat <^'m»m« Dion^iüo. IV. N6(i). Der andere fabelhafte, noch berühmtere Eroberer und Halbgott, dessen Sfturen wir in der ältesten Tradition Nord-afrita's überall antreffen, Hereules nämlich, wird gleichfalls mit Clypea in Berührung gebracht. Prokopios (äe delio Vlmä. II, lO) läßt ihn in Clypea, welches er Cliftea nennt, jenen mythologisch berühmten Kampf mit dem Niesen Antäus, dem Sohn der Erde, dem König der Eingeborenen, bestehen. Beiläufig gesagt, scheint Prokopios hier nicht den Meltarth, den fthönicischen Hercules, zu meinen, sondern den sogenannten libyschen, was übrigens wenig auf sich hat, da jedes Volk in Afrika seinen nationalen Hercules, wenn auch unter einem andern Namen, besaß, und der Name Hereules in diesen alten Mythen weiter nichts bezeichnen will, als einen Eroberer und Führer einer siegreichen Auswanderung. Selbst bei den Arabern hat sich die Hereulessage unter einer verworrenen Form erhalten, sie fabeln nämlich beständig von dem großen Isskander dsu'l Qarnayn, d. h. dem Zweifach gehörnten Alexander, welcher Niemand anders ist, als Alexander der Große, dem 321 sie alle dem Hercules nachgerühmten Heldenthaten zuschreiben und von dem sie nebenbei glauben, daß er ein gläubiger Muslim gewesen sei. Nicht nur die Thaten des römischen und griechischen Hercules werden diesem dovpclho'rnigcn Isskan-der (wer denkt nicht bei dem Namen auch an den gehörnten Siegfried?) beigelegt, sundern auch ein gut Theil der Kriege des indischen Vacchos oder Dionysos und nebenbei auch jenes Riesenwerk das Melkarth, des phönicischen Hercules, welcher nämlich die Meerenge von Gibraltar schuf, indem er die Felsen Calfte und Abyle auseinandcrriß, eine Fabel, die ja auch in die griechische Sage übergegangen ist. In historischer Zeit wird Mypea von Strabo' (834) als eine der ersten Städte Afrika's erwähnt, in welchen Agathotles eine Niederlassung zurücklieft, ja nach diesem Geographen sollte luan annehmen, daß Agathotles diese Stadt gegründet habe, was mir gar nicht unwahrscheinlich vorkommt, da dieselbe allein von allen afrikanischen Städten weder cinm phönicischen noch libyschen, sondern einen griechischen Namen trug und sonst alle lilmvhönicischen Städte ihren ursprünglichen Namen selbst nnter der griechischen und lateinischen Form beibehielten, während uns von Aspis—Clypea auch gar leine einheimische Namensform überliefert ist. Später spielt Clypea namentlich im ersten punischen ^rieg eine wichtige Rolle, in dem es die erste afrikanische Stadt war, welche die No'mer besetzten und die letzte, welche ihnen nach ihrer Niederlage blieb. Aber die Karthager scheinen boch nicht die Befestigung des wichtigen Schlüssels ihres Gebietes ganz vernachlässigt zu haben, denn die Nömer mußten zuerst ein befestigtes Lager vor der Stadt aufschlagen und sie nach allen Regeln belagern. Indeß ergab sich die Stadt bald und ward nun die Operationsbasis des Negulus und später die letzte Zufluchtsstätte seines geschlagenen Heeres. Seit dieser Zeit scheinen die Karthager Clypea durch vermehrte II 21 322 Vefestigungswerke geschützt und uneinnehmbar gemacht zu haben, denn im zweiten ftunischen Krieg wurde hier eine Landung versucht und im dritten wurde der Consul Calpurnius Piso, welcher die Stadt zu Wasser und zu Lande belagerte, unverrichteter Sache abzuziehen gezwungen (^i>pi.in. dell. ?un. 110). In Cäsars afrikanischem Krieg diente Clypea als Ausgangspunkt der Expedition gegen die der Pomftejanischen Partei zugethanen Vewohner von Hadrumetum (livll. ^,üic. 3). Zur christlichen Zeit wird (5lypea öfters als Bischofssitz erwähnt, zuerst 411, wo es einen katholischen Bischof Lao-dicius und einen donatistischen, Geminius, zu dem von Augustinus präsidirten karthagischen Concil schickte, dann 434, unter Hunerich, welcher seinen Bischof Aurelius, den 38sten in der Liste der von ihm verbannten, nach Corsika ins Exil schickte, später 525, als sein Bischof Crescens auf dem von Hilderich versammelten Concil erschien, und endlich 646 zur Zeit des Schisma der Monotheleten, gegen welches sich unter Andern auch Stephanus, Bischof von Clyftia (wie es damals hieß), aussftrach. Das einstige CIvftea, jetzt Qalibiya genannt, hat von seiner früheren Wichtigkeit nichts, von seinem einstigen Fcstungs-charalter jedoch ein elendes Fort bewahrt, welches mitten im Umkreis der alten römischen Befestigungen eine bescheidene Stelle einnimmt. Mein erster Gang um fünf Uhr Morgens galt denn auch dem Festungswerke, wo ein grell weis; angestrichenes arabisches Lastell meine Blicke blendete. Da ich aus den Berichten früherer Reisenden wußte, daß im Hof dieses Castells römische Ruinen befindlich seien, so machte ich dem Befehlshaber des Forts meine Aufwartung. Dieser war ein höchst klägliches Individuum, eine Art Unteroffizier, mit einem vom llaschyschrauchen vergilbten Gesicht und hatte durchaus nichts Militärisches. Im Augenblick meines Eintretens war er mit einem Strickstrumpf beschäftigt; an Stelle der Stricknadeln be- 323 diente er sich jedoch hölzerner Stäbchen von ziemlicher Dicke, was ungeheure Proportionen der Maschen zur Folge hatte. Ueberhaupt sah es aus, als sei der Strumpf mehr für den Fuß eines Elephanten, als eines Menschen bestimmt. In dieser Beschäftigung unterbrach er sich übrigens, als er meiner ansichtig wurde, machte einen wunderschönen Salamalek; ich mußte Platz nehmen und nun begann die Conversation, welche hauptsächlich aus Gähnen bestand. Der Festungscommandant schien ganz stumpfsinnig und aus ihm war gar nichts herauszubringen. Gesprächiger erwies sich ein andres Individuum, der Vicegouverneur, denn als solcher entpuppte er sich, obgleich ich ihn seines knabenhaften Aeußern wegen für einen Schuljungen gehalten hatte. Von diesem erfuhr ich nun zwar nichts über das, was mich interessirte, desto mehr jedoch über die Besatzung und Bewaffnung der großen Festung. Auf meine Frage nach der Stärke der Garnison und nach dem augenblicklichen Aufenthaltsort derselben (ich hatte nämlich im Fort noch gar keinen Soldaten gesehen), wurde mir geantwortet: die Garnison ist krank. Anfangs hielt ich dieß für eine bildliche orientalische Nedeform, aber bald erfuhr ich, daß dem wirtlich so sei. Die Garnison bestand nämlich außer den beiden Commandanten zur Zeit nur aus einem einzigen Soldaten und da dieser krank war, so war die Antwort buchstäblich gemeint gewesen. An Waffen befanden sich hier Zwölf Gewehre, meist zerbrochen, aber mit Bindfaden zusammengebunden, und vier fürchterliche Kanonen, mit denen man, glaube ich, Alles eher hätte thun können, als schießen. Auf meinen Nuusch begleitete mich der Vicegouverneur nach den Alterthümern. Es sind die Reste eines römischen Kastells, welches eine länglichrunde Baumasse mit Thürmen an den vier Ecken gewesen sein muß. Die sehr massiven steinernen, nach derjenigen Vauart, welche die Alten Isodo-"uim nannten, ohne Mörtel zusammengefügten Mauern sind 21* 324 zum großen Theil noch wohl erhalten. Im Innern des römischen Kastells, denn offenbar ist es ein solches und kein byzantinisches, sah ich ausgedehnte Cisternen, mit sehr festen Bogengewölben, ebenfalls unleugbar römischen Ursprungs, von der üblichen Cementstructur mit mittleren Steinen. Nach Besichtigung dieser Neberbleibsel einer militärisch so bedeutungsvollen Macht, kehrte ich zu den unkriegerischen jetzigen Vertheidigern der alten Schildfestc (Asftis) zurück. Da wurde noch ein wenig gegähnt und geplaudert und schließlich wurde ich gebeten, der kranken Besatzung einen Besuch abzustatten. Ich fand diese aus einem Mann bestehende Garnison in einem ungeheuren länglichen Saal (denn das Fort ist nicht klein), in welchem auf beiden Längenseiten große hölzerne Bänke von ziemlicher Breite angenagelt waren. Diese Bretter sind die Betten der Garnison und sollen für fünfhundert Mann berechnet sein, eine Stärke, welche die hiesige Besatzung auch in früheren Zeiten besaß. Der einzige gegenwärtige Occupant dieses ungeheuren Schlafsaals lag wie verloren in einem Winkel desselben, er war auf dem Hauvt mit einem fürchterlich großen Turban, am übrigen Körper aber fast gar nicht bekleidet, übrigens eine bei Moslims sehr gewöhnliche Verfahrungsweise, da sie immer den Kopf als warm, Füße und Brust aber als kühl zu haltende Körper-thcile ansehen. Natürlich wurde ich um ärztlichen Rath angegangen, denn welcher Europäer gälte in diesem Lande nicht für einen Tabyb (Arzt)? Ich fragte den Kranken, was ihm weh thue und bekam zur Uutwort „der Kopf". Als ich nun den Rath ertheilte, den erstickenden Turban mit einem leichteren zu vertauschen, schüttelte die Garnison das Haupt, als wolle sie sagen, dies sei kein guter Nath. Da ich das Leiden für einen gastrischen Zustand hielt, so gab ich der Garnison ein Brechmittel, welches sie augenblicklich nahm, und das noch in meiner Gegenwart, nach unglaublich kurzer Zeit, wirkte. 325 Jetzt wurde mir wie durch einen Blitzstrahl der wahre Zustand des vermeintlich Kranken klar, denn aus den Entleerungen entwickelte sich ein solcher Nranntweinsgeruch, daß es offenbar war, der Mensch sei eigentlich nur todtbetrunken gewesen. Als das Brechmittel vollständig ausgewirkt hatte, erklärte auch die Garnison, sie befände sich viel wohler, legte sich, ohne mich weiter zu beachten, aufs Ohr und schlief augenblicklich ein. Möge der süße Schlummer die Kur vollendet haben! Das Ausschlafen des Rausches der Garnison war ich nicht Willens abzuwarten, sondern sagte bald den beiden Commandanten Lebewohl und verließ die Festung. AIs ich von ihr gegen die Stadt hinabging, bemerkte ich einen großen Bogen, wahrscheinlich eines der früheren Stadtthore, ein Bauwerk von nur mittelmäßiger Architektur und wohl der byzantinischen Periode angehörig. Sonst sah ich in der Stadt und nächsten Umgebung überall Spuren, wenn auch unbedeutende Spuren des Alterthums, am Meere jedoch die Fundamente eines großartigen Hafendamms von höchst massiven Werksteinen gebildet und offenbar aus der Vlüthezeit der römischen Colonien stammend. Der moderne Ort Qalibiya ist ein höchst unwürdiger Nachfolger der alten Schildstadt, zählt etwa 150 elende kleine Häuser und besitzt ungefähr ein Dutzend höchst kläglicher Läden. Dennoch ist die Gegend fruchtbar, wohlbewässert: sie besitzt nämlich zwei Flüsse, welche südlich von Qalibiya in's Meer münden, den Ue'd Iiadschar und den Ue'd ei Äbna; Alles gedeiht hier mit der größten Leichtigkeit, und die Bevölkerung könnte wohlhabend, ja reich sein, wäre sie fleißig und intelligent, statt verkommen und fanatisch. Auch Repräsentanten europäischer Mächte, meist einheimische Juden "der Araber, giebt es hier. Ich war an eine zu letzterer Classe gehörende Persönlichkeit empfohlen, welche sich der 326 „schwedische Consul" nannte. Er war ein recht gutmüthiger Araber, welcher sogar, seit er „schwedischer Consul", d. h. Unteragent eines Viceconsuls, geworden war, plötzlich das Bedürfniß empfunden hatte, etwas zu lernen. Zu diesem lobens-werthen Zweck hatte er sich ein kleines arabisches Schulbuch, welches in Algier für die dortigen französisch-arabischen Regierungsschulen gedruckt war, angeschafft. Dieses kleine Schulbuch behandelte in zweihundert Seiten sämmtliche Wissenschaften von Geschichte bis zur Mineralogie. Man kann sich denken, welch' ein Chaos unverdauter und ihm unerklärlicher Begriffe der arme Mensch so in seinen Kopf aufgenommen hatte. Es war höchst possierlich, ihn seine Gelehrsamkeit von fich geben zu hören, sie lautete ganz wie die Hersagung des Inhaltsverzeichnisses eines tabellarischen oder statistischen Werkes. Von all den so in Bausch und Vogen gelernten Wissenschaften schien ihn jedoch nur eine einzige zu interessiren; das war die Geographie, welche er mit ganz besonderem Fleiße auswendig gelernt hatte. Diese Wissenschaft hätte man nach der Methode des kleinen Schulbuchs füglich die Lehre von den Millionen nennen können, denn dessen ganzer geographischer Inhalt beschränkte sich darauf, die Einwohnerzahl eines jeden Landes in runden Millionen anzugeben. So wußte denn auch der „schwedische Consul" von Europa nichts, als diese fürchterlichen Zahlen, von denen er nicht einmal einen Begriff hatte, denn, als ich ihn fragte, ob er wisse, wie viel eine Million sei, antwortete er: „Der Mensch kann nicht Alles wissen, Gott aber weiß Alles". Einerecht sonderbare Idee hatte er durch das kleine Schulbuch über Deutschlands Vcwohnerzahl bekommen; in demselben stand nämlich die Bewohnerzahl von Oesterreich auf vierzig Millionen, die von Preußen auf achtzehn Millionen und die des deutschen Bundes auf vierzig Millionen angegeben. Da er nun vernommen hatte, daß Oestreich und Preußen auch zu Deutschland ge- ' 32? hörten, so rechnete er alle drei Zahlen zusammen und bekam auf diese Art für Deutschland das überraschende Resultat einer Seelenzahl von beinah hundert Millionen heraus. Vom „schwedischen Consul" begleitet, kehrte ich dann an Bord des Cutters zurück, wo sich Baolo sehr ungeduldig zeigte. Aber trotz der Eile, die er hatte fortzukommen, so begrüßte er doch die Gelegenheit der Anwesenheit des Consuls dazu, um die Kenntnisse dieses wißbegierigen Mannes durch die Erzählung von der großen Seeschlange zu bereichern. Der „schwedische Consul" war hocherstaunt, von einer Sache zu hören, welche sich in dem kleinen Schulbuch, das er für den Inbegriff allen menschlichen Wissens hielt, auch mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt fand. Er äußerte mir mit trüber Miene sein Bedenken und schien schon an der Autorität des kleinen Schulbuchs, als einer Nniversalquelle, verzweifeln zu wollen: aber ich tröstete ihn, und gab ihm die Zuversicht wieder, indem ich ihm, freilich ohne daß Baolo es hören durfte, sagte, daß die Existenz der großen Seeschlange denn doch noch nicht klar erwiesen, und eine Kenntniß von ihr bis jetzt noch nicht zu dem Studium der Naturwisscnschaft als unumgängliche Nothwendigkeit gehöre. Durch diese Erllärung zufrieden gestellt, verließ uns der „schwedische Consul", und da Vaolo nun Niemand mehr hatte, welcher die Geschichte von der großen Secschlange anhören wollte, so traf er schnell Anstalten zur Abreise und wir gingen wieder unter Segel. Fast immer nahe an der Küste hinfahrend, kamen wir bei günstiger Fahrt schon nach drei Stunden in Sicht des kleinen Dorfes Gurba oder richtiger Qurba, dessen Name weiter nichts ist, als eine Abkürzung des antiken Namens Curubis, welche libyphönieische Stadt hier lag. Da ich aus zuverlässigen Berichten wußte, daß die hier vorhandenen antiken Neste höchst unbedeutend seien, so verzichtete ich auf die Landung, was Baolo großes Vergnügen 328 - gewährte. Curubis wird von fast allen alten Geographen erwähnt. Bei Ptolemäos, welcher den Namen Kurabis schreibt, findet sich feine Lage der Wirklichkeit entsprechend angegeben. Merkwürdig ist aber der Irrthum, auf welchem wir das sonst so gut unterrichtete Itinerarium Antonini Augusti hier betreffen. Diefes scheint nämlich die Lage von Curubis mit der von Neaftolis zu verwechseln, indem sie diefes nördlich von jenem und nur 20 Milliarien von Clyftea entfernt angiebt, was doch grade die Entfernung vun Curubis nach Clypea ist. Durch die Peutinger'sche Tafel, welche Curubis ganz richtig als in der Mitte zwischen Neaftolis und Clyftea gelegen anführt, wird jedoch jeder Zweifel, welchen die Namens-versetzung (denn etwas andres ist es nicht) des Itinerars in uns erregen könnte, beseitigt. Vollständiger würde dieß noch durch die von Maffei (Unikum Vcronm^o p. 46A, Nr. 3) citirte Inschrift Ool. I^ui. <ü>lrud'm ((^oloniu, ^ulminatrix Oirudig) geschehen, wenn der Fundort derselben eben deutlich nachgewiesen wäre. Das Einzige, was uns aus älterer Zeit über Curubis mitgetheilt wird, dient eben nicht dazu, uns von diesem Ort, als von einem angenehmen und wünschenswerthen Aufenthalte eine sehr günstige Meinung zu verschaffen. Hieher war es nämlich, daß in der Mitte des dritten Jahrhunderts, zur Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Valerian, der Proconsul Aspasius Paternus den heiligen Cypnanus, den berühmten Bischof von Karthago, in die Verbannung schickte. Uebrigens scheint der Ort, wenn auch unbedeutend, doch nicht ein schrecklicher Verbannungsort gewesen zu sein, da die ^otu, 8anow-rum (ecl. Nuinart <;. 12 p. 212) ausdrücklich sein „süßes Quellwasser", sowie „die Anmuth der grünenden Landschaft" nebst „der Nähe des Meeres" als Vorzüge von Curubis anführen. Paternus erscheint somit im Lichte eines sehr mildthätigen Machthabers. Anders verfuhr dessen Nachfolger, 329 der Proconsul Valerius Maximus, gegen den berühmten Kirchenvater. Er ließ ihn nämlich kommen, forderte ihn auf, den Göttern zu opfern, und auf die Weigerung des Heiligen, weihte er ihn dem Märtyrcrtod, welchen Cyprianus mit größter Standhaftigkeit und Seelenruhe in einem Felde bei Karthago erlitt, während seine ganze Gemeinde um ihn versammelt war und in den Nuf ausbrach: „Laßt uns mit unserm Bischof sterben." Auch vier der Bischöfe von Curubis, das in der Notitia als Evisc. Curbitanus, bei Augustmus jedoch richtig als Curubitanus erwähnt wild, sind uns namentlich bekannt, der Donatist Victor, welcher 411 ohne katholischen Gegenbischof auf dem karthagischen Concil erschien, Felix und Peregrinus, welche den Concilen von 484 und 523 beiwohnten, und Bene-natus, welcher 646 als Unterzeichner der Beschlüsse gegen die Monotheletm vorkommt. Nach einer weiteren Fahrt von etwa zwei Stunden langten wir vor Näbel, dem antiken Neavolis, an, dessen Name noch genau der alte ist, wenn man der im Arabischen unvermeidlichen Veränderung des p in b, und des Wegfalls der griechischen Endsylbe „is" Rechnung trägt. Die moderne Stadt liegt nicht dicht am Meere, wie ihre antike Vorgängerin, sondern etwas landeinwärts. Auf dem Weg von der Küste zu ihr traf ich auf die Ruinen des alten Neaftolis, welche ich gegen mein Erwarten unbedeutend fand. Vom alten Hafendamm und den daran gelegenen Baulichkeiten ist hier keine Spur der Fundamente mehr erhalten. Da die Araber nur selten systematisch zerstören und die Fundamente solch' solider Bauten, wie Hafcndämme im Alterthum waren, sonst fast überall erhalten worden sind, da ferner die Wichtigkeit dieses Hafens im Alterthum das Vorhandensein solcher Bauten hier höchst wahrscheinlich macht, so müssen wir folgern, daß die Zerstörung des Hafens des alten Neaftolis ein Werk der Natur war. Die in den Syrtcn oft so stürmische See hat offenbar 330 hier einen Theil des seichten Ufers weggeschwemmt. Auch von der Stadt sind fast alle Reste verschwunden; das Einzige, was übriggeblieben ist, sind einige Inschriftstafeln, welche in ein neueres Gebäude als einfache Bausteine aufgenommen erscheinen, Uebrigens ist auf dein Boden des alten Neapolis schon seit Jahrhunderten die Pflugschaar gezogen worden, welche bekanntlich keine Fundamente von Gebäuden, sie mühten denn außerordentlich tief liegen, übrig läßt. Mit Ncapolis haben wir cm zweites Beispiel einer libh-phönicischen Stadt, welche, wie Asftis — Clypea, nur unter ihrem fremden Namen den römischen und griechischen Geographen bekannt geworden ist, während der punische, welcher wahrscheinlich dem von Karthago sehr glich, da letzterer ja auch die „neue Stadt" bedeutete, und der folglich ebenfalls Karth Chadascha (II^'"!^-^-!^) gewesen sein muß, uns von keinem der alten Autoren überliefert worden ist. Von keiner einzigen unter all' den vielen libyfthönicischen Städten besitzen wir seltsamer Weise so alte, in eine so graue Vorzeit hinaufreichende Rachrichten, wie von dieser, welche die „neue Stadt" hieß. Sie wird nämlich schon zur Zeit des Peleponnesischen Krieges, also Zu einer Zeit, aus welcher die griechischen und lateinischen Autoren sonst kein Wort über die Geschichte Nord-afrika's melden, erwähnt. Diese Erwähnung finden wir bei Thucydides (VII. «. 50), einem Autor, welchen wir sonst nirgends Gelegenheit haben in der afrikanischen Geschichte zu citiren und von dessen Feld sie auch gänzlich fern liegt. Dieser führt nämlich den Hafen Neapolis bei Gelegenheit der Verirrung einer Hülfsflotte des Gylipftos an, welche auf der Fahrt nach Sicilien an's afrikanische Ufer verschlagen und von cyrenäischen Lootsen hieher geführt wurde, da sich von Neapolis die beste Ueberfahrt nach Sicilien darbot. Das nächste Mal taucht diese Stadt in der alten Geschichte zur Zeit des Agathotles auf, welcher sie nut Gewalt 331 eroberte, aber ihre Bewohner doch mit Milde behandelte (vioäm'. XX. o. 17). Zu Strabo's Zeit scheint der Ort sehr unbedeutend gewesen zu sein, da derselbe, nachdem er das nördlich von ihr gelegene Asftis und das südliche Adrymes erwähnt hat, sagt: zwischen diesen Städten liegen noch andere, welche der Erwähnung nicht werth sind (Strabo 834). In Cäsar's gallischem Krieg wird Neaftolis kurz vor dem Zuge gegen Hadrumetum angeführt. In der christlichen Zeit kommt es als Visthum vor und zwar zu den vier Coneilsepochön, 411, 483, 525 und 64U, mit seinen Bischöfen Fortunatianus, Clementinus, Joannes und Nedemptus. Bei dem ersten wird auch der donatistische Bischof von Neaftolis, Ampelius, genannt. Bei allen alten Geographen findet sich der Name dieser Stadt: im Itinerarium Antonini Augusti ist sie freilich mit falscher Lage angegeben und mit Curubis vertauscht, welches letztere an der Stelle aufgeführt wird, wo nach Ptolemäos und nach dem Itinerarium Maritimum Neaftolis gesucht werden muß. Die Pcutinger'sche Tafel begeht in Bezug auf diese Stadt einen noch unbegreiflicheren Irrthum, als das Itinerarium Antonini Augusti. Dieselbe verlegt nämlich Neaftolis mitten zwischcn Clyftca uud Missua, 16 Milliarien vom ersteren, 12 vom zweiten entfernt, und jenes Missua soll dann wieder nur 12 Milliarien von Putput abliegen, lauter räthselhafte und verwirrende Angaben, welche die ganze Topographie dieser legend über den Haufen werfen würden, wenn wir ihre Nichtigkeit annehmen müßten. Zum Glück ist jedoch dieses nicht der Fall und die Identität von Nabel el qadyma mit bem antiken Neapolis steht trotz der Fehler des Itinerars und der Tafel fest. Dieselbe ist übrigens auch inschriftlich verbürgt, dennV. Gucrin hat hier auf einem Piedestal die Inschrift 6"l. Iul. Neap, entdeckt, welche Worte sich zu Colonia Julia ^eapolis ergänzen und den Namen der hier gelegenen antiken Stadt außer Zweifel lassen. 333 Neavolis scheint von den Arabern zur Zeit ihrer Eroberung No rdafrika's zerstört worden zu sein: zur Zeit Edryssy's, im elften Jahrhundert, lag es noch in Trümmern. Sein Wiederaufbau, jedoch nicht ganz an derselben Stelle, scheint im späteren Mittelalter stattgefunden zu haben. Gegenwärtig ist es ein zwar freundliches, aber doch sehr unbedeutendes Städtchen, jedoch anmuthig in einer höchst fruchtbaren Gegend gelegen und von schönen Orangen und Litronengärten umgeben. Die heutigen Bewohner des antiken Neavolis sind ein sehr lebenslustiges Völkchen, welches namentlich seiner beweglichen Beine wegen in der ganzen Regentschaft Tunis in fröhlichem Ruf steht. Von hier stammen nämlich fast alle die tanzenden Knaben und Mädchen, welche in den Nächten des Ramadhan die vom Fasten angegriffenen Bewohner von Tunis und anderen Städten durch ihre Svrünge und ausdrucksvollen Pantomimen zu belustigen pflegen. Dieses junge Volk steht nicht immer im moralischsten Rufe, ob mit Necht oder Nnrccht, wollen wir nicht untersuchen; die Jünglinge sind unter dem Namen Rähassa bekannt, der nicht eben eine ehrenvolle Bedeutung hat. So viel scheint jedoch festzustehen, daß dieses luftige Völkchen sehr viel Geld verdient und daß es elf Monate im Jahre ruhig und reichlich in seiner Heimach von dem Ertrag des einen Monats Ramadhan, den es dem Herumziehen und Tanzen widmet, lebt. Ich lernte hier einen alten Algierer kennen, der ein zu guter Moslim war, um in seinem von einer ungläubigen Macht beherrschten Vaterlande bleiben zu wollen, und deßhalb Hieher übergesiedelt war. Sein Bericht von der Behandlung, welche ihm hier, in dem „gläubigen Lande", von Seiten der „orthodoxen Behörde" zu Theil ward, klang jedoch ganz wie ein indirectes Lob auf die französische Negierungsweise in Algier und namentlich die Iustizpflege, denn er hatte sich über so viele Ungerechtigkeiten zu beschweren, über so viele Gewalt- 333 thätigkeiten der tunisischen Beamten zu beklagen, daß jeder, der ihm zuhörte und der die ihm hier zu Theil gewordene Behandlung mit derjenigen verglich, welche den Arabern von Seiten der Franzosen in Algier widerfährt, sich sagen mußte, daß von den beiden Regierungen doch noch die „ungläubige" das geringere, die „gläubige" aber das größere Hebel sei. „Als die Franzosen", so erzählte der alte Algierer, „meine Vaterstadt einnahmen, war ich ein reicher Mann. Ich besaß ein schönes Haus in der Straße Väb Asün, eine hübsche Villa und ein einträgliches Landgut beim Dorfe bü Sariya, ich hatte ein junges, anmuthiges Weib, kurz ich führte ein so glückliches Leben, daß es wohl für einen Sterblichen zu glücklich sein mochte, denn Gott hatte beschlossen, mich demselben zu entreißen und mich einer Reihe von Prüfungen zu unterziehen, welche ohne Zweifel für mein Seelenheil ersprießlich wirken sollten. Die erste dieser Prüfungen war die, daß meine Gattin, meine geliebte Fatma, mich verließ, auf und davon ging und die Geliebte eines Franzosen wurde. Von diesem Augenblick an hielt ich es in Algier nicht mehr aus. Ich glaubte, jeder Pflasterstein müsse meine Geschichte wissen und nur das beleidigende Nort „Hahnreih" zurufen. Ich wanderte aus, und zwar zu Lande. Mein Geld, was nicht wenig war, denn ich hatte Haus und Hof gut verkauft, lud ich in einigen zwanzig Kisten auf Kameele und zog zu den Beduinen. Diese waren damals noch frei und fochten für Unsern Glauben. Aber ihr Glaubenseifcr verhinderte sie leider nicht, zu stehlen, und so stahlen sie mir denn einen Theil Meiner Baarschaft. Den andern Theil vermochte ich nur dadurch zu retten, daß ich ihn vergrub. Ich merkte mir aber die Stelle wohl, um bei der ersten besten Gelegenheit wieder in den Besitz meiner Reichthümer zu treten. „Da meine Kamcele nun unbeladen waren, so benutzte "h sie zu einem Karavanenhandel, den ich mit der tunisischen 334 Gränze betrieb. Ich wanderte jedes Jahr zweimal nach Tunis, setzte dort algierische Waaren ab und kehrte mit tunisischen zurück. Obgleich dieses Geschäft gut ging, so sehnte ich mich doch bald nach Ruhe, und da ich diese in Algerien, wo stets Krieg herrschte, nicht finden konnte, da ich inzwischen auch an der Stadt Tunis großen Gefallen gefunden hatte, so beschloß ich, dort meinen Wohnort aufzuschlagen. Meine Schätze brachte ich langsam und allmählig ins Sichere, indem ich mit jeder Karavane nur eine Kiste mit Geld, die andern aber voll Waaren, nach Tunis überführte, bis ich zuletzt alle Kisten geborgen hatte, bis auf eine einzige, welche große Summen enthielt, die ich aber, da inzwischen die Franzosen den Landstrich, in welchem sie vergraben lag, eingenommen hatten, zurücklassen mußte. „Nun richtete ich mich in Tunis als Kaufmann ein. Ich handelte mit Burnussen, mit Dschobba's, mit tlayk's, mit Tuch, Baumwolle und Seide, kurz mit Allem, was ein Maure sowohl, wie ein Beduine, zur .Weidung bedarf. Dies ging eine Zeit lang recht gut. Ich besaß eine treffliche Kundschaft unter den Bürgern sowohl, wie unter den Landarabern, aber mein Unglück wollte, daß ich ehrgeizig war. Ich wünschte nämlich durchaus Hoflieferant zu werden, da ich mir hievon nicht nur großen Gewinn, sondern auch Ehrenbezeugungen, ja einen Orden versprach, ein höchst thörichter Wunsch, der zu meinem Unglück in seinem letzteren Theil zwar in Erfüllung gehen sollte; was aber den ersten Theil, den Geldgewinn, betraf, so sollte ich in Bezug auf diesen gänzlich enttäuscht werden. Eines Tages lernte ich in einem Kaffeehaus einen Mann kennen, den man den Qaymaqäm (Obristlieutcnant) nannte. Ich hielt ihn natürlich für eine sehr hohe Person, denn in meiner Einfalt wußte ich noch nicht, daß es in Tunis mehr Offiziere als Soldaten gebe und daß erstere fast keinen Ge' 335 halt, wohl abcr die Erlaubniß besaßen, die friedlichen Bürger auszuplündern. Der Qaymaqam war ein dicker, alter Herr, der fürchterlich viel Schnupftabak zu sich nahm. Sonst habe ich keine besonders Eigenschaft an ihm entdecken können, außer derjenigen, daß cr auch fürchterlich viel Kleider gebrauchte. Er kam nämlich alle Tage in meinen Laden, wählte sich die schönsten Sachen aus, gleichviel ob sie zu seinem Costüm gehörten (denn er trug stets eine alte euroftäisirte Uniform) oder nicht, und nahm sie mit sich nach Hause, indem er mir zurief: „Demnächst die Rechnung." Diese Rechnung wagte ich natürlich lange nicht dein gestrengen Herrn Obristlieutcnant zuzusenden, abcr da die Zeit verging, ohne daß dieser auch nur eine Miene machte, als denke er daran, mich zu bezahlen, so nahm ich mir eines Tages ein Herz und bat den Qaymaqam, mir seine Schuld zu entrichten. „Das bekam mir aber schlecht, denn nun schnauzte mich der plötzlich wüthend gewordene Offizier mit den Worten an: „Weißt Du denn nicht, o Hund, Sohn eines Hundes, wer ich bin? Ich bin der Qaymaqam und man beleidigt mich nicht ungestraft. Du beleidigst mich aber tödtlich, wenn Du durch solche indirecten Anspielungen, wie Deine unbezahlte Rechmmg, andeutest, daß ich nicht recht bei Casse sei. Darum sollst Du auch die Bastonade kriegen, so war ich ein Mos-lim bin!" „Dieser fürchterliche Schwur wäre auch in Erfüllung gegangen, hätte nicht einer meiner Freunde mir noch zur rechten Zeit einen mächtigeren Beschützer zu verschaffen gewußt, der mich vor dem Oaymaqam und seiner Vastonade rettete. Dieser Beschützer war ein Myr'alay, d. h. ejn wirklicher Oberst, der folglich eine Stufe höher stand, als der Qaymaqam. Das Geld für die von letzterem bezogenen Waaren war nun freilich verloren. Aber ich war noch froh, daß ich wenigstens den Stockschlägm entging. Mein neuer Protector wandte mir 336 übrigens seine volle Gnade zu und es schien ein Zeit lang, als habe er beschlossen, mich auch in ftecuniärer Hinsicht zu entschädigen und zwar durch seine eignen großartigen Ankäufe, mit welchen er meinen Laden beehrte. Aber leider blieben auch die vom Oberst genommenen Artikel ohne Zahlung. Bald war mein ganzer Laden leer und ich sah mich genöthigt, mein Capital anzugreifen, um ihn wieder zu füllen. Aber ebenso schnell entleerte er sich wieder. Ich sah meinen völligen Ruin voraus und klagte deßhalb mein Elend einem Freunde, den ich um Rath bat, denn dein Oberst die Rechnung zu schicken, dazu konnte ich mich ohne Ermuthigung von Seiten Andrer unmöglich entschließen. „Mein Freund sagte mir auch, daß ich ganz Necht hätte zu zaudern, denn der Oberst werde mich doch nicht bezahlen und nur mein Feind werden. Er versprach mir jedoch, mir dießmal einen Beschützer ganz anderer Art zu verschaffen, niemand Geringeren nämlich, als einen Liwa (General), einen reichen Mann nebenbei, der mich gewiß für alle ausgestandenen Verluste schadlos halten würde. Mein Freund hielt auch Wort und stellte mich dem Liwa vor, einem sehr schmutzigen, stets betrunkenen jungen Mann, der seinen Generalstitel einem Gewerbe verdankte, das ich mit Stillschweigen übergehen will. Dieser große Mann schloß mich gleich von Anfang an in sein Herz, bestellte bei mir Artikel über Artikel, zahlte freilich nicht, versprach mir aber, da der Schlaukopf meine schwache Seite merkte, mir den Orden vom Nischan Iftichar, nach dem ich lüstern war, zu verschaffen. „Inzwischen war ich jedoch ganz an den Vettelstab gekommen. Was der Qaymaqäm und der Myr'alay übriggelassen, das hatte der Liwa aufgezehrt. Da ich jetzt nichts mehr zu verlieren hatte und ein armer Mann, wie ein arabisches Sprichwort sagt, die Stockschläge nicht fühlt, so machte ich mir Wenig daraus, den Zorn des Liwä herauszufordern, 337 wenn ich auf Zahlung der mir schuldigen Gelder dränge. Zu letztcrem fand ich bald eine Gelegenheit und war sogar so kühn, dem General zu drohen, ihn im Weigerungsfälle beim Bey, der bekanntlich allwöchentlich zweimal öffentlich zu Gericht sitzt, zu verklagen. Diese Kühnheit hatte auch wirklich eine Folge, nämlich die, daß der Liwä, um mich zu beschwichtigen, mir den Orden verschaffte. Ich war also nun oecorirt, aber ich besaß kaum mehr ein anständiges Kleid, auf dem ich meinen Orden tragen tonnte. Von Geld war jedoch keine Rede und das Schlimmste war, daß ich nun nicht mehr klagen konnte, denn Jedermann hätte die von mir an den Nwa gelieferten Artikel als Geschenke für das Verschaffen des Ordens aufgefaßt. „In meiner Noth ging ich zum größten Mann im Lande, das hrisit zu dein ersten Minister, von dem ich mir mit M'vsier Mühe eine Audienz verschafft hatte. Dieser feine schlaue Grieche empfängt selbst einen Bettler freundlich, und so wurde auch mir ein guter Empfang zu Theil. Der Minister hotte meine Geschichte mit großer Theilnahme und versprach, "nr mein Recht zu verschaffen. Jeder Heller, der mir zu-t"nmc, solle bezahlt werden. Ich müsse ihm zu dem Zwecke ^ur die Rechnungen geben und sowohl der Qaymaqam, wie der Oberst und der Liwä würden von ihm, dem Minister, zu zahlen gezwungen werden. Mit Freuden überlieferte ich die Rechnungen. Ich schwamm nun in einem Meer der süßesten Hoffnung. Meine Hoffnung wurde sogar bald darauf zur ^wlssm Zuversicht, als ich vernahm, daß der Minister die " Offiziere habe einsperren und erst dann wieder befreien ^ssen, als sie alle mir schuldigen Summen entrichtet hatten. „Ich erwartete nun, jeden Tag zum Minister gerufen und ^ den Besitz meiner so lange vermißten Gelder wieder ein-^setzt zu werden. Aber dieser Tag kam nicht. Der große Mann schien offenbar meine kleine Person gleich nach dem Emil. 22 338 streichen meiner Gelder vergessen zu haben. Er war jedoch das erste Mal so überaus freundlich gegen mich gewesenHdaß ich den Muth gewann, noch einmal zu ihm zu gehen jund ihn an meine Wenigkeit zu erinnern. Aber das bekam mir noch schlechter, als meine Nechnungsübergabe an den Qay-maqam, denn die Vastonade, welche mir damals nur angedroht war, wurde mir dießmal wirtlich zu Theil, und kaum von ihren Folgen geheilt, wurde ich nach der Insel Qarqenna deportirt, wo ich zehn Jahre lang gefangen blieb. „Seit meiner Befreiung ernähre ich mich hier kümmerlich, hege übrigens gar keine Sehnsucht mehr, je nach Tunis und in die Nähe des Hofes zurückzukehren. Auch versichere ich Dich, daß ich meinen Nischan, obgleich er mir gelassen wurde, niemals mehr trage." So erzählte der alte Algierer und wir konnten nicht umhin, ihm Necht zu geben, wenn er auf die Eitelkeiten der Welt im Allgemeinen und auf die des Hofes von Tunis im Besondern, den Nischan miteinbegriffen, mit Verachtung herab--blickte. Doch die Zeit mahnte, uns von dem interessanten Erzähler zu trennen, das freundliche Nabel zu verlassen und an Bord zurückzukehren. Nachdem wir den größten Theil der Nacht zur See zugebracht hatten, langten wir in der frühesten Morgenstunde bei einem sehr schlechten Hasen, aber freundlichen modernen Städtchen an. Dieß war l-lammamät, welches man, ich vermuthe der vermeintlichen Namensähnlichkeit wegen, seit Shaw's Zeiten für das Hadrumetum der Nömer, das Adrymus des Strabo, gehalten hat und das man, obgleich der berühmte Barth schon auf die Falschheit dieser Ansicht hingewiesen hat, doch noch auf den neuesten Karten (z. B. bei Davis) so benannt findet. Da ich unten über die Gründe, welche mich bestimmen, Hadrumetum in dem heutigen Ssussa zu erblicken, des Ausfühlicheren reden werde, so sei hier nur erwähnt, was 339 für eine Stadt des Alterthums wir wohl an dieser Stelle vermuthen dürfen. Wenn Sir Grenville Temple's Behauptung tichtig sein sollte, daß eine Inschrift, welche den Namen oivitas 8ia^itlir>k trägt, an dieser Stelle gefunden wurde, so würde dieß natürlich alle Zweifel heben und uns den Namen für die hier gelegene Stadt geben, welche Stadt dann mit dem Siagul des Ptolemäos identisch wäre. Letzteres ist um so wahrscheinlicher, da der Alexandriner sein Siagul als eine Küstenstadt in gleicher Entfernung von Hadrumetum (Ssussa) Und von Neapolis (Näbel) anführt. Von den beiden andern Zwischen Hadrumetum und Neaftolis im Itinerarium Antonini Nugusti, welches von Siagul keine Erwähnung thut, angegebenen Städten, Putput und Horrea, lag nur die letztere am Meere und sie hat man in dein heutigen llerqla wiedererkannt. Für den Fall also, daß wir durchaus eine antike Stadt an dieser Stelle annehmen müssen, hätten wir in Siagul eine gefunden. Diese Nothwendigkeit scheint mir jedoch keineswegs begründet, da ich hier mich ebenso vergeblich, wie andere weisende vor mir, nach antiken Nesten umsah und erkundigte. Auch scheint die Lage von Siagul oder Siagu, wie die Peu-tinger'sche Tafel diesen Ort nennt, nach den Entfernungsangaben der letzteren, nämlich 3 Milliarien von Putput oder Vndvut und 15 Milliarien von Vina vicus (beides Städte des Innern) nicht am Meere selbst, sondern gleichfalls im Innern gesucht werden zu müssen, was freilich mit Ptolemäos w! Widerspruch stehen würde. Die Angabe des Leo Afri-ccmus, daß diese Stadt eine rein arabische, mittelalterliche Schöpfung und erst im sechzehnten Jahrhundert entstanden ^i (I^Ln ^lriolmu8 V, p. 221, Antwerpen), scheint mir also Noch den meisten Glauben zu verdienen. Yammamat ist jetzt eine kleine, sehr regelmäßig gebaute Stadt mit steinernen, meist einstöckigen Häusern und ungefähr 3^00 Einwohnern. Handel und Schifffahrt scheinen sehr 22' 340 vernachlässigt, der Hafen, wenn man ihn Überhaupt einen Hafen nennen kann, ist auch nur schlecht und gewahrt den Schiffen nicht den geringsten Schutz. In der Umgegend wird viel Hanf gezogen und von den Frauen von Ilammämat zu grober, höchst dauerhafter Leinwand bearbeitet. Ueberhauvt zeigt sich die Umgebung reich an natürlichen Producten: namentlich die Oliven, welche ganzo Haine um die Stadt bilden, liefern einen namhaften Ertrag, so daß die Kleinbürger von Ilammamät nicht auf jene Stufe der äußersten Armuth gesunken sind, auf welcher wir die Bewohner der meisten Städte dieser Regentschaft sehen. 341 Mufundzivanzigstes Oapitel. Küstenfahrt von Ilammämat nach der tripolitanischen Gränze. Absnyli von Itammämäl. — 5suss«. — Vnsar »nd «w^liinijche Vanslenie, — l/nnWr Maqllü'a.— Alterthümer, — Das antike lindrünielum. — Mister oder MmPur. — Das antilie ^uspian, — Das nlillelalterliche '/ilnster, — Ausflug nach I.iaujchzjr <.'amdn, — Das axlüie ^'plis pnrva. — wahrschein-tiche l.'age dcsjewen. ^ Fruchtlos Aussuchen ankcrer Aller!hnmer. — Elan-samlmten der lunifischen I^eamlen m,d 6oldalen, — lUnljiidiijn. —Die mittet-nllerlichi.' iinihijche bladl, — Die Inseln Nnrqe»»!,. — Al!nsm!g5Mem. — Die hlmoeesser, — Aomisches Allcnlener einei Eng-landen»!. — Veuöllierun,;. — Allerthiimer. — Das anlilie «incape, ^ 5ee< saljrl nlier Djchcrlia nach CriM'iü. Waolo schien sehr sorgenvoll verstimmt, als ich erst 3egen Mittag wieder auf den kleinen Cutter zurückkehrte: er behauptete, das Wetter sehe nach Sturm aus und ein längeres Verweilen auf der bei stärkeren: Winde höchst unsichern "lhede von yammamat könne leicht gefährlich werden. Viel besser, so wiederholte er stets, das offene Meer, wenn wir "vch einmal Sturm haben sollten. Aber meine Ankunft be-Weunigtc unsre Abfahrt dennoch keineswegs, da die Matrosen Nch noch nicht eingefunden hatten, und obgleich der Malteser "en Neger Vomba zweimal nach ihnen abschickte, so erschienen sie doch erst nach drei Stunden, worauf eine neue Verzögerung durch das Zanken Baolo's und unverschämte Antworten der 342 Schuldigen eintrat, welches leicht zu ernstlichen Unannehmlichkeiten für uns Alle hätte führen können, denn Vaolo vergaß in seinem Eifer alle Vorsicht und in seinem Zorn alle Rücksicht, welche er in moslimischen Ländern gegen die Religion des Landes beobachten mußte. Er verfluchte nicht nur die Großväter der arabischen Matrosen, sondern leider auch, was der Moslim niemals verzeiht, deren Glauben, worauf diese sich nicht mehr damit begnügten, Baolo's Vorfahren dem ewigen Feuer zu weihen, sondern auch mit irdischen Schrecken drohten, nämlich mit einer Polizeiklage bei dem Chalyfa von IMnmämät, welche, obgleich der Malteser als englischer Unterthan nicht vom Chalyfa gerichtet werden konnte, dennoch neue störende Verzögerung in Aussicht stellte. Meine Dazwischmkunft war nöthig, um diesen Streit beizulegen, und nicht ohne Mühe gelang mir letzteres und zwar mit Hülfe einer kleinen Comödie, indem ich nämlich beiden Theilen zugleich Unrecht gab und mich sogar sehr heftig erzürnt gegen sie stellte, worauf sich plötzlich ihr Unmuth von einander ab und lediglich auf mich allein richtete, ein Umstand, der mich wenig kümmerte, da von einer Klage gegen mich nicht die Nede sein, ihr Zorn also unsre Abreise nicht weiter Verzögern konnte. Dieser Zorn verflog jedoch, einem Stroh« feuer gleich, sehr schnell, wie immer bei Wortwechseln der Araber. Als ich mich bald darauf in die Cajüte zurückzog, dachten sie nicht mehr an ihren Streit, sondern trafen in Wiederhergestellter Einträchtigkeit alle Anstalten zur Abreise. Nun ging es mit blähenden Segeln hinaus in den Golf von Näbel, denn nach diesem unbedeutenden Städtchen heißt merkwürdigerweise die weite Meeresbucht zwischen Näbel und Rass Dimäss, ganz wie sie im Alterthum Sinus Neapolitans hieß, obgleich sie auf unsern Karten und manchmal auch im Munde der Araber nach IMmmämät benannt wird. Auf dieser ganzen Küstenstreckc befindet sich zwischen IMmmämät 343 und Ssussll nur ein einziger bewohnter Ort, dessen Name klerqla die antike Form Horrea Coelia, wie ihn das Itine-rarium Antonini Augusti nennt, in einer Zusammenziehung bewahrt. Horrea Coelia war von Hadrumet nur 18 Milliarien entfernt, was genau der Entfernung zwischen Ilerqla und Ssussa entspricht. Nach Pwlemäos müssen wir an diese Stelle und zwar gleichfalls an die Küste eine sonst von keinem der alten Autoren genannte Stadt, Namens Aphro-dision, versetzen. Frühere Reisende, wie Shaw und Desfon-taines sprechen von bedeutenden römischen Ruinen bei einem ^lanschyr Fradyss, nördlich von iMqla, unweit von einem schönen antiken Grabdenkmal, Bordsch Menära genannt, jedoch m ansehnlicher Entfernung von der Küste gelegen, in dessen Namen sich derjenige des alten Afthrodision erhalten hätte. Desfontaines deutet sogar an, daß diese Ruinenstadt an einer Ssebcha (Salzsee) lag, welche durch einen Canal mit dem Meer in Verbindung stand. Aber zum Unglück für diese Theorie weiß heutzutage Niemand mehr etwas von dem Namen Uanschyr Fradyss, und Barth's Vermuthung, daß er eine bloße Chimäre, dürfte wohl richtig sein. Uebrigens werde ich später bei Beschreibung meiner Landreise von Tunis nach Tripolis noch auf diesen Punkt zurückkommen. Baolo hatte sich nicht geirrt, wenn er sich von dem Wetter für die folgende Nacht nichts Gutes versprach. Wir Mochten uns ungefähr auf der Höhe der Bay befinden, als ein beinahe plötzlicher Sturm losbrach und den kleinen Cutter mit solcher Gewalt packte, daß er ganz auf die Seite zu liegen kam. Aber gleich darauf wurde er von den Wogen auf die andere Seite geworfen und nun wechselte diese heftige Schwankung von einer Seite zur andern zu meiner nicht geringen ^lual die ganze Nacht hindurch ab. Nicht umsonst befanden wir uns in dem schon im Alterthum berüchtigten Meerestheil 344 der Syrien, deren eigenthümliche Bildung die Gefährlichkeit der Stürme, den kurzen, abgebrochnen Wellenschlag und da^ bei doch eine beträchtliche Höhe der Wogen zur Folge hat. Aber Baolo, was auch immer seine sonstigen Schattenselten sein mochten, war eine alte Theerjacke, ein mit den Untugenden dieser Gewässer wohlvertrauter Seemann und manöverirte den Cutter so vortrefflich, daß dieser nicht den geringsten Schaden litt. Zum Glück erwies sich der Sturm nicht als ein anhaltender, sondern als eine jener kurzen, oft nur mehrere Stunden dauernden atmosphärischen Störungen, wie sie namentlich hier in den Syrten häufig aufzutreten pflegen. Schon gegen Morgen ^machte der heftige Nordoststurm, Gregale, wie ihn die Malteser nennen (der italienische Greco, der bereits im Alterthum in diesen Meeren vielberüchtigte Aquilo der Römer und Kaikias der Griechen), plötzlich einer ganz andern Luftströmung Platz, nämlich dem Südostwind, dem Scirocco der romanischen Völker, dem von alten Dichtern besungenen Eurus, welchen die Araber zuweilen auch Schiluq, gewöhnlich aber Qably, (d. h. eigentlich directer Südwind) zu nennen pflegen. Dieser Scirocco zeigt in der Nähe der afrikanischen Küste, außer in der heißen Jahreszeit, einen keineswegs unangenehmen Charakter; gewöhnlich tritt er hier als ein mäßiger Landwind auf und läßt folglich das Meer beinahe ruhig; von seiner versengenden Gluth, welche dem Reisenden auf dem Festland so viel Qualen verursacht, spürt der Seefahrer fast nichts; im Gegentheil, so lange er sich auf dem Verdeck ihm aussetzt, fühlt er sogar fast dieselbe angenehme Kühlung, wie sie andere Winde mit sich bringen; erst im geschlossenen Raum der Cajüte empfindet er, daß die Temperatur unangenehm erhöht worden ist. Das Meer beruhigte sich freilich nicht so schnell, wie die Luft, aber es gestattete doch gegen Tagesanbruch unsre Landung in Ssussa, welches ich, da es keinen Hafen 345 besitzt, beim schlechten Wetter unberührt hätte zur Seite liegen lassen müssen. Wenn ich SsussaH einen hafenlosen Ort nenne, so ist dieses in sofern^zu verstehen, daß es keinen für Schiffe brauchbaren Hafen besitzt, und daß diese auf der offnen Rhcde, wo sie sich namentlich beim Nordostwind sehr schlecht befinden, zu halten gezwungen sind. Etwas, was einem Hafen ähnlich sicht und das wahrscheinlich im Alterthum, ja selbst noch M Mittelalter (aus welcher Zeit uns el Vakry den Landungsplatz von Ssussa als einen trefflich geschützten, auf drei Seiten von den Stadtmauern eingeschlossenen schildert) ein brauchbarer Hafen war, findet sich allerdings hier, nämlich ein viereckiges, weites, von zwei Steindämmen eingeschlossenes, nach dem Meere zu völlig offenes Wasserbassin, dessen versandeter Zustand jedoch nicht einmal Kähnen den Eingang gestattet Und dessen einer Theil jetzt sogar trocken liegt und als Exercierplatz für die traurig zerlumpte Garnison von Ssussa dient. Befände sich dieses Land nur ein Jahr im Besitz einer civili-sirten Macht, so würde dieselbe gewiß bald dieses Vassin vom Sande reinigen und wieder seinem früheren Zwecke dienstbar machen, ähnlich wie es Frankreich mit dem alten Hafen der Stadt Scherschell bei Algier gethan hat, welcher große Aehnlichkeit mit dem hiesigen besitzt, nur daß er ein restau-Nrter, der hiesige aber ein in jeder Hinsicht vernachlässigter Hafen ist. Ssussa bietet, vom Meere aus gesehen, einen höchst freundlichen Anblick. Auf einem Hügel dicht am Ufer, ragt biese mauerumgebene, zinnengekrönte Stadt mitten aus dem zarten Grün ihrer Olivenhaine hervor, deren Bäume hier Mitunter großartige, beinahe eichenartige Verhältnisse annehmen. Auch die Umgebung zeigt sich mit denselben nützlichen Pflanzungen bedeckt. Die Eintönigkeit des matten Farbentons dieser Haine wird jedoch von dem lebhafteren 346 Grün einzelner Orangen und Citronenftflanzungen, von dem dunkeln, beinahe schwarzen Laub des Iohannisbrodbaumes (Oorawma, siliyua) und hie und da selbst von der Erscheinung einer schlanken Dattelpalme, immer die schmuckvollste Zierde einer Gegend, gemildert. Da die Kuvvelform der Moscheen und die reizenden giraldaartigen Minarete des Maghrebs vorzugsweise geeignet erscheinen, aus der Ferne, namentlich wenn sie sich auf einem dunkeln Hintergrund abzeichnen, einen höchst günstigen Eindruck hervorzubringen, so erwies sich das Gesammtbild, welches Ssussa darbot, als ein reizendes und zugleich so ächt orientalisch, wie man es heutzutage, wo selbst der Araber von der einförmigen europäischen Civilisation angesteckt scheint, immer seltner sieht. Was verspricht sich der Neuling, welcher zum ersten Mal in seinem Leben ein solches morgenländisches Zauberbild erblickt, nicht Alles, welche Kunstgenüsse glaubt er nicht, daß seiner im Innern warten, wenn das Aeußere schon so viel verheißt? Von ähnlichen Täuschungen war auch ich einstmals gewiegt worden, aber, da sie längst den Weg aller Illusionen gegangen waren, so hatte ich mich daran gewöhnt, mich am lieblichen Anblick der Schale zu weiden und mir vom Kern nichts als Würmerfraß zu versprechen. Ganz so schlimm war es nun freilich hier nicht. Ssussa ist für eine moderne arabische Stadt noch nicht auf der Stufe des Verfalls angekommen, wie so viele andere, welche durch den Anblick ihres Innern nur Nehmuth und Ekel erregen können. Die Oelproduction heißt das Zauberwort, welches diese Stadt vor gänzlicher Verarmung bewahrt hat, und von ihr lebt die Mehrzahl ihrer achttausend Bewohner, deren einzelne sogar sich eines gewissen Wohlstandes erfreuen. Die Häuser sehen wohnlich, die Bürger leidlich anständig aus und der Gesammteindruck, selbst des Innern der Stadt, ist kein ungünstiger. 347 Unter den Bewohnern dieser moslimischen Stadt war ich erstaunt, auch einer für die geringe Seelenzahl unVerhältniß-mäßigen Menge von Europäern zu begegnen, meist sehr Problematischen Figuren, oft auch recht ärmlich aussehenden Menschen, welche das europäische Costüm auf eine Weise trugen, daß sich diese an sich schon häßliche Tracht womöglich noch häßlicher ausnahm. Lumpen und Schmutz am europäischen Costüm beleidigen das Auge stets, am orientalischen jedoch niemals; im Gegentheil dieses nimmt sich erst wenn zerlumpt, im höchsten Grade malerisch aus. Die Mehrzahl der hier lebenden Franken soll aus Malta stammen, welches man die moderne Va^in«, z;6ntlum des Mittelmeeres nennen kann. Ihre Zahl wurde mir auf nahezu fünfhundert angegeben, was auffallend viel erscheint, wenn man bedenkt, wie klein die Stadt doch eigentlich ist und wie wenige Ressourcen diese Menschen hier besitzen, da der Handel allein nicht genügt, um so viele ausreichend zu ernähren, der Grundbesitz ihnen fehlt und die Schifffahrt in Ssussa doch auch nicht von entsprechender Bedeutung ist, um einer solchen Menge hinreichende Beschäftigung zu verleihen. Deßhalb sollen auch die meisten dieser aus Malta Eingewanderten sehr ärmlich leben. Ich erhielt über die Moralität dieser Leute die allernachtheiligsten Mittheilungen, ein Umstand, über welchen ich mich jedoch nicht wunderte, da ich schon im Orient fast überall gesehen hatte, wie sehr tief in Bezug auf so manche moralische Eigenschaft, z. B. in Betreff der Ehrlichkeit, die Christen in der Levante unter den Moslims dieser Länder stehen. Zur Erbauung und religiösen Belehrung dieses Volkes sind ein Cavuziner und drei barmherzige Schwestern in Ssussa angesiedelt, da die Malteser, ähnlich wie die italienischen Briganten, fromme Spitzbuben find. In dem für eine Stadt dieser Größe nicht unbedeutenden Basar, dessen Haupttheil eine große von tuppclartigen Wölbungen überdeckte Straße, die sich den Hügel hinaufwindet, 348 bildet, findet man das Unentbehrliche, ebenso wie eine gewisse Anzahl von Luxusartikeln, Rosenöl aus Constantinopel, wollne Decken, feine weiße Burnusse aus Dscherba, Sattelzeug aus Qayruän, sowie die dort verfertigten niedlichen gelben Lederstiefeln und Pantoffeln. Die moslimischen Kaufleute zeigten durch ihre Zuvorkommenheit und Höflichkeit selbst mir, einem Andersgläubigen, gegenüber, daß sie nicht jene fanatischen Vorurtheile ihrer College« in der benachbarten, heiligen Stadt Qayruan theilten, sondern jene humaneren, mehr weltmännischen Lebensansichten angenommen hatten, welche fast allen Bewohnern von Seestädten der häusigere Verkehr mit Fremden einzuflößen pflegt. Einer derselben, ein Händler mit Burnussen und Teppichen, bei welchem ich mich einen Augenblick niederließ, zeichnete sich besonders durch ein feines, tactvolles Benehmen aus. Wie alle moslimischen Kaufleute, so zeigte auch er sich fern von jeder Zudringlichkeit und der Sucht, seine Waaren anzupreisen und dem Käufer aufzu-nöthigen, welche selbst den Händlern in Europa, den Christen und Juden im Orient aber in hervorragendem und höchst lästigem Grade eigen ist. Im Gegentheil, Anfangs schien es, als denke er an alles Andere eher, als daran, mit mir ein Geschäft abzuschließen. Er lud mich freundlich, mit einer so tactvollen Höflichkeit, wie dergleichen nie bei seinen Standesgenossen in Europa beobachtet zu werden pflegt, ein, neben ihm in seiner Bude, auf einem divanartigen Sitze Platz zu nehmen. Dieser Platz zeigte sich allerdings nicht geräumig, sondern vielmehr so schmal, daß wir beide, der Händler und ich, das Local völlig ausfüllten, welches, wie alle arabischen Läden, so eng und niedrig war, daß der Verkäufer, ohne sich zu erheben, ja ohne sich in seinem Sitzen mit untergeschlagenen Beinen zu stören, alle seine Waaren mit den Händen erreichen konnte, und befanden sie sich auch im äußersten Winkel der Bude. 349 Nachdem ich so in seinem Laden installirt war, ließ der Kaufmann durch seinen Lehrling, ein komisch aussehendes Vürschchen, das eine ungeheure Nase hatte und einen ungeheuren Turban trug, aus seiner eignen Wohnung Kaffee holen, eine ganz besondere Aufmerksamkeit, da das Getränk sonst gewöhnlich aus dem ersten besten benachbarten Kaffeehause, wo es natürlich nicht so gut bereitet wird, geholt zu werden Pflegt. Bis dieses kam, wurde die lange Neihe arabischer Höflichkeitsformeln absolvirt, welche damit beginnt, nach der Gesundheit des Fremden zu fragen, worauf man stets, selbst wenn man krank sein sollte, betheuern muß, daß man sich vortrefflich befinde. Ist dieses Conversationsthema erschöpft und es findet sich nicht gleich ein andres, so beginnen dieselben Höflichkeitsphrasen von Neuen,, da die Sitte eine öftere Niederholung derselben als den höchsten guten Ton stempelt; ia selbst noch später, sollte im Laufe des weiteren Beisammenseins die Conversation in's Stocken gerathen, beginnt der höfliche Mann abermals dieselben Redensarten und es kommt bor, daß man in einer und derselben Stunde von einer und derselben Person wohl zwanzigmal nach der Gesundheit gefragt wird. Dieß ist die Art der Bürger, der Kaufleute, überhaupt aller Menschen, welche einigermaßen bescheiden sind, welche keine officielle Stellung einnehmen und entweder von niedererem Range, als ihr Kunde, oder doch von gleichem sind. Bei dm Großen, den Qäyid's, Qahiya's, überhaupt bei officiellen Personagen, pflegt man jedoch mit diesen Höflichkeitsphrasen Viel weniger verschwenderisch zu sein, überhaupt pflegt man so imposanten Persönlichkeiten gegenüber nicht übertrieben viel zn reden, und wenn die Conversation, was oft geschieht, in's Stocken geräth, so sieht man dies nicht als etwas Unerwünschtes an, sondern verharrt im Stillschweigen, bis eine directe Frage der hohen Person dieses unterbricht. Vci Audienzen, übrigens nicht bloß beim Bey, den Prinzen und 350 Ministern, sondern selbst bei ganz bescheidenen Beamten, gilt der arabische Höflichkeitsgrundsatz, daß Schweigen in der Gesellschaft der höchste gute Ton ist, in seiner vollen Bedeutung. Je länger man sich gegenseitig anschweigt oder selbst angähnt, denn Gähnen gilt nicht für unanständig, desto mehr Lebensart legt man an den Tag. Nach geraumer Zeit, während welcher der Kaufmann und ich sehr viel in Höflichkeit geleistet hatten, erschien endlich der Kaffee, dieser hochwichtige Factor arabischer Geselligkeit. Er lohnte der Mühe des Wartens wohl, denn er war vortrefflich, wie überhaupt dieses Getränk, wenn es in arabischen Privathäusern zubereitet wurde, immer ist, während der Kaffee in den Kaffeehäusern, obgleich immer noch viel besser, als irgend etwas, was man in Europa bekommt, doch seines spottbilligen Verkaufspreises halber nicht viel anders se.in kann, als ein aromatisirtes Nassersüftftchen. Während wir uns dem Genuß des Mokka's hingaben, begann der Händler das Gespräch durch einen gewandten Uebergang von den Höflichkeitsfthrasen auf die Politik zu lenken, deren Kenntniß in diesem zeitungslosen Land lediglich durch mündliche Mittheilungen fortgepflanzt wird. Für eine so mangelhafte Quelle semer Kenntniß, war ich erstaunt, ihn doch auffallend gut unterrichtet zu finden. Er richtete nicht an mich jene, grobe Vorurtheile und Unwissenheit verrathenden Fragen, wie ich sie von den Arabern des Innern und selbst von den tunisischen Würdenträgern ja anzuhören gewohnt war, sondern, wenn er überhaupt fragte, so geschah dieß einfach nach irgend einem neueren Factum, welches er unmöglich bereits wissen konnte; kam es jedoch im Gespräche vor, daß er veranlaßt wurde, selbst über europäische Dinge irgend eine Ansicht zu äußern, so zeigte sich seine Auffassung jedesmal als eine richtige, Während er über das, was er nur mangelhaft wußte, entweder ganz zu reden vermied oder doch seine Worte so 351 geschickt einkleidete, daß er seine Unwissenheit dabei nicht auffallend an den Tag legte, sondern mehr durch indirecte Fragen und Anspielungen, welche Zu einer Antwort anregten, sick) zu belehren und Aufklärung über Europäisches zu verschaffen suchte. Dann erst kam der Handelsgegenstand selbst zum Gespräch und zwar lediglich durch eine dahingehende Frage von meiner Seite, indem ich, wohl wissend, daß ein directes Fragen gegen Me gute Sitte sei, erst im Allgemeinen über die hier feilge-botnen Waaren, ihren Fabriksort, ihre Gebrauchsweise und dergleichen sprach und dann allmählig zu dem unbedeutenden Gegenstand selbst kam, welchen ich käuflich zu erwerben wünschte. Da alle Europäer, namentlich diejenigen, welche nicht Geschäftsreisende sind, von den Arabern gewöhnlich für unermeßlich reich gehalten werden, so mochte dieser Händler wohl erwartet haben, daß ich möglicherweise seinen halben Laden auskaufen würde. Jedoch, wenn er dieß oder wenigstens einen recht namhaften Ankauf von meiner Seite voraussetzte, so besaß er doch so viel Lebensart, daß er seine Enttäuschung, als nun der wirkliche Gegenstand meiner bescheidenen Wünsche zur Rede kam, auch mit keiner Miene verrieth. Von einem Handeln ist bei den moslimischen Kaufleuten keine Rede. Was die Stadtaraber auch sonst für schlechte Eigenschaften haben mögen, betrügerisch im Handel sind sie nicht, ja sie halten es unter ihrer Würde, für eine Sache mehr zu fordern, als einen vernünftigen, gleich beim ersten Ausgebot annehmbaren Preis, von dem sie aber dann auch nicht im Geringsten abgehen. Sehr richtig sagt Sprenger in seinem berühmten Werke „Das Leben und die Lehre des Mohammad", daß die orientalischen Kaufleute den englischen an Zuverlässigkeit gleichkommen und die des Continents übertreffen. Wie es zur Zeit des Mohammed war, ganz so ist es in diesem einen Stück noch jetzt bei den Arabern. Man hüte sich jedoch bei 352 den eben citirten Worten unter „orientalischen Kaufleuton" alle Kaufleute des Orients zu verstehen. Zur Schande des Christenthums muß es gesagt werden, daß alle Christen im Orient mit wenigen Ausnahmen die abgefeimtesten Betrüger sind; die Juden sind natürlich auch nicht besser; die einzigen ehrlichen Leute findet man unter Moslims; sie allein von allen Orientalen betrügen nicht im Handel. Nachdem ich der modernen Stadt Ssussa mehrere Stunden gewidmet hatte, ging ich auf die Nachforschungen nach den Resten ihrer antiken Vorgängerin aus. Die Hauptruincn befinden sich nordwestlich von dem Thore Bäb el Rharby, etwa 259(1 Fuß von der Stadt an einer Stelle, welche den arabischen Namen Maqluba, d. h. das „Zusammengewürfelte", oder buchstäblich übersetzt das „Umgedrehte", führt. Hier stieß ich auf die Neste eines außerordentlich festen Gebäudes, dessen auf zwei Seiten noch erhaltene Mauern die ungeheure Dicke von nahezu dreißig Fuß besitzen. Ich möchte nicht anstehen, dieser Baute einen sehr alten, möglicherweise selbst einen pu-nischen Ursprung zuzuschreiben, da die späteren Römer sowie die Byzantiner hier selten so außerordentlich massiv ballten. Das Material besteht aus lauter kleineren Ouarzfragmenten, die mit einem trefflichen Mörtel von ewiger Dauerhaftigkeit verbunden werden. Wohl möglich, daß, wie Barth vermuthet, diese Mauern zum Fundament jenes kolossalen Tempels gehörten, welcher sich noch im elften Jahrhundert hier erhob und nach el Bakry's Bericht der erste Gegenstand auf dieser ganzen Küste war, welchen die Schifffahrer, von Sicilien kommend, schon von Weitem erblickten. Die Seeleute des Mittelalters nannten ihn el Fintas, d. h. den Täuschenden, wahr-scheinlich, weil er durch seine ungeheuren Proportionen das Auge betrog und dem, der ihn von fern sah, die Küste näher erscheinen ließ, als sie es in Wirklichkeit war. Ein solch' riesiges Gebäude muß in der That ein kolossales Fundament 353 besessen haben und nirgends wo anders als hier finden wir in Ssussa's Nahe Trümmer von ähnlicher Massivität, wie wir sie den Grundmauern jenes Tempels zuschreiben möchten. Unweit davon bemerkte ich die Ruinen eines ganzen Systems von Cisternen, von denen sich noch sieben leidlich erhalten zeigten. Darauf wandte ich mich nördlich, überschritt den arabischen Fricdhof und befand mich nach einer Wendung gegen Westen bei der Nekropole der alteu Stadt, wo ich einige in den Felsen ausgehauene Grabkammern bemerkte. In einer derselben konnte ich sogar noch die Neste einer Mosaik entdecken. Ueberhanpt hat hier Pelissier, der frühere Consul w Tunis und Verfasser des dieser Regentschaft gewidmeten Theils der „^x^1or:ltion 8M6nt!o mancher andre Ort, und besonders als Uammamat selbst, vle Stelle einer antiken Stadt einnimmt, einen andern Na-Men zu suchen. Doch Jeder, der nicht durch diese, meiner An->lcht nach falsche Meinung im Voraus bestochen ist, wird sich ^'n einfachen, fast auf der Hand liegenden Beweisen, daß ^er Hadrumetum lag, wohl schwerlich entziehen können. Am deutlichsten dürfte wohl dieser Vewcis aus dem Itinerarium Antonini Augusti geführt werden. Dasselbe nennt Hadrumetum viermal-, das erstemal auf einer Straße von Karthago Nach Sufetula, auf welcher es von ersterem Orte 86, von letzterem 104 Milliarien entfernt war: das zweitemal auf emer Straße von Sufetula nach Clyftea, auf welcher sein Abstand von letzterem Orte 100 Milliarien betrug, das dritte-^al wird seine Entfernung von Sufes oder Sufibus als ^^ Milliarien, und das viertemal diejenige von Thenae als ^6 Milliarien betragend angegeben. Wir haben also die Entfernungen Von Karthago «, von Sufibus 108, von Thenac 111 Milliarien. ^a nun die Lage dieser fünf Orte bekannt ist, so können wir ^Prüfung der Distanzen vornehmen und sicher sein, daß ^selbe zu richtigen Resultaten führen muß. Die geraden 356 Linien von Ssussa nach vieren dieser fünf Orte messen nun in Wirklichkeit nur wenige Milliarien mehr: am Größten zeigt sich der Mehrbetrag bei Clyvea; hier mißt die grade Entfernung statt 106 nur 82—84 Milliarien, aber die grade Linie geht durch's Meer, und der Landweg um den Golf von Neaftolis kann gewiß auf 22—24 Milliarien mehr angeschlagen werden. Es versteht sich von selbst, daß im Itinerar nicht grade Linienentfernungen gemeint sein können, daß folglich das Resultat desto besser stimmt, wenn einige Milliarien mehr, als die directe Entfernung beträgt, angegeben gefunden werden. Beim fünften der aus dem Itinerar soeben angeführten Orte, bei Sufetula, das man im heutigen Ssbaytla unfehlbar wiedererkennt, mißt allerdings die wirtliche Entfernung mehr, als die im Itinerar genannte, nämlich 110 Milliarien statt 105. Aber dieser Unterschied von 5 Milliarien ist zu unbedeutend, um die aus den vier anderen zutreffenden Entfernungsangaben erlangte Gewißheit umzustoßen, besonders da im Itinerar kleine Ungcnauigkeiten nicht fehlen, wie z. B. die Entfernung von Sufetula nach Hadrumetum einmal 104, ein andres Mal 105 Milliarien angegeben wird. Jedoch den siegreichsten Beweis von allen über die Identität von Ssussa mit Hadrumetum leiten wir aus dem Itinerarium maritimuw ab. Diese treffliche Tafel giebt die Entfernung zur See von der bei Traftani in Eicilien gelegenen Insel Maritima, dem heutigen Maretimo, nach Hadrumetum als 1540 Stadien an, welches nach einer Messung, die ich auf einer Zuverlässigen Karte anstellte, auf's Genaueste mit dem Abstand Ssussa's von Maretimo stimmt. In welche Verlegenheit müssen die Angaben dieser beiden Itinerare Diejenigen versetzen, welche auf der Identität von Hadrumetum mit llammäm^t bestehen: denn von diestw Küstcnorte nach Maretimo mißt die Entfernung keine 120» Stadien, die von Karthago beträgt keine 50 Milliaricn, alft 357 40 zu wenig, dagegen die von Sufetula 130 Milliarien, also 26 zu viel, während die von Thenä gar 50 Milliarien zu viel und die von Clyvea wenigstens ebensoviel zu wenig beträgt. Die Peutinger'sche Tafel kommt uns gleichfalls bei dieser Identificirung zu Hülfe, indem sie 25 Milliarien von Hadru-met, welches fie Hadritus nennt, nach dem in der Nähe des heutigen Mistyr gelegenen Rusftina angiebt, was vollkommen mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Auch die geographische Lage, welche Ptolemäos der von lhm Adrumetos colonia genannten Stadt an der Küste zwischen Ruspina und Afthrodision giebt, widerspricht durchaus nicht der Identität jener Colonie mit Ssussa. Der Umstand, daß der Stadiasmos (Ausgabe von Hoffwann, Leipzig, Fritsch 1841, S. 200) ausdrücklich von Hadru-metum bemerkt, die Stadt habe keinen geschlossenen Hafen, kann uns nicht stören, wenn wir trotzdem, daß hier deutliche Spuren eines solchen antiken Hafens vorhanden sind, auf der Identität Ssussa's mit Hadrumetum bestehen. Denn aus Cäsar's Afrikanischem Krieg wissen wir, daß die Stadt allerdings zu jener 9eit einen Cothon besaß, d. h. einen durch Steindämme beinahe umschlossenen innern Hafen 1intlu'!, Uni, XII.) noch im elften Iah^ hundert nicht nur als eine blühende arabische Stadt genannt, 359 sondern auch viele dort noch stehende Bauten aus der Römerzeit, ein Tempel, ein Fort, ein Theater und andere, beschrieben werden. Der im Süden nächste Hafen nach Ssussa ist die auf dem Vorgebirge Mistyr gelegene Seestadt gleichen Namens, welche von Europäern auch Monastir genannt wird. Wenn ich sage „Hafen", so ist dieser Ausdruck nicht buchstäblich zu verstehen, aber für den mangelnden künstlich geschützten Landungsplatz bietet die Natur hier reichlichen Ersatz, indem das vorspringende Cap die Schiffe vor dem hier am Meisten zu fürchtenden Winde, dem Nord, so gut schützt, daß sie sich auf offener Nhcde so sicher, wie in den meisten wirklichen Häfen, besinden. Da Vaolo und den Matrosen ein Ruhetag höchst willkommen war, so gab ich ihrem Wunsche mit Vergnügen nach, den nächsten Tag über in Mistyr zu bleiben. Wir langten noch vor Sonnenuntergang daselbst an und ich, mich nach etwas mehr Bewegungsraum sehnend, schlug für die zwei folgenden Nächte mein Lager auf dem Festland auf. Da lch mich im Besitz eines Empfehlungsschreibens an den Gouverneur des Orts, welcher den Titel Qäyid führt, befand, so wurde mir ein Absteigequartier im Dar el Bey, dem Re-ssierungshause, angeboten, wo ich zwar zwischen Sammt und Seide auf recht schönen Divans gebettet werden, aber mich doch höchst unbequem befinden sollte, denn in den Häusern Woslimischcr Großen pflegt es von dem von den Gläubigen so zärtlich gepflegten Ungeziefer zu wimmeln. Daß Mistyr bereits im Alterthume städtische Bedeutung besaß, geht aus den hier gefundenen antiken Resten hervor. Namhafte Ruinen stehen freilich nicht mehr, aber nicht nur sah ich in den Häusern der Stadt verschiedentlich antikes Baumaterial verwendet, sondern konnte außerdem noch Funda-wcnte römischen Ursprungs an mehreren, weit auseinanderliegenden Stellen unterscheiden, wonach der Umfang der alten 360 Stadt ein ansehnlicher gewesen sein dürfte. Das Itinerar giebt uns freilich an dieser Stelle keine Station an, was wohl daher kommt, weil Mistyr von der graden Linie von Hadrumet nach Lefttis parva, welche Straße das Itinerarmm ohne Zwischenstation angicbt, abgelegen ist, indem die Halbinsel, auf der es steht, gegen Nordost einen Küstcnvorsprung bildet. Ptolemäos, die Peutinger'sche Tafel, sowie der Ge-schichtsschrciber von Cäsar's afrikanischem Krieg kommen uns jedoch hier zu Hülfe, ersterer indem er eine Küstenstadt Namens Nusftina zwischen Hadrumet und dem kleinen Lefttis anführt, letzterer, indem er uns erzählt, daß Cäsar nach fruchtloser Belagerung der Stadt Hadrumet sein Lager nach eben diesem Nusftina verlegte, um von da aus gegen Lefttis vorzurücken. Sftä'ter kehrte jedoch Cäsar wieder nach Rusftina zurück, wie überhauftt der Ort in diesem Kriege eine wichtige Nolle spielt. Derselbe schien dem Feldherrn günstig, um in ihm ein Proviantdepot anzulegen, welches zugleich mit der Flotte in Verbindung gesetzt werden konnte. Im zehnten Caftitel des ^Lliuni atl'lLanum wird ausdrücklich gesagt, daß Nusftina nahe bei Lefttis liege, und da, wie wir bald sehen werden, dieser Ort unweit von Mistyr idmtificirt wurde, und keine andere Nuinenstadt an der Küste gefunden wird, da außerdem Rltsftina's Lage am Meer verbürgt ist, so scheint es mir völlig gerechtfertigt, dieIdentität von Mistyr mit Nusftina anzunehmen. Die einzige antike Straßenliste, welche diesen Namen anführt, ist die Peutinger'sche Tafel. Auf ihr finden wir den Küstenweg an dem nach Osten vorsftringenden Landcstheil mit folgenden Stationen angegeben: Nuspina, Lefttis minor (Leftte minus), Taftsum, Sullech, Acholla, Nusfte, Usilla. Die Entfernung von Hadrumetum (Hadritus) nach Rusftina giebt uns die Tafel als 25, Milliarien, was der Wirklichkeit so gut entspricht, daß auch von dieser Seite die Identität als gesichert betrachtet werden kann. Auch die Stelle bei Plinius, 361 welcher Ruspina cine freie Stadt nennt, verdient hier erwähnt zu werden, ebenso die bei Dio Cassius (lid. XI.II, 215), indem beide darin übereinstimmen, die Lage der Stadt als unweit von Hadrumetum anzugeben. Im Stadiasmos kommt gleichfalls der Name von Ruspina vor, wobei ein Vacchustemftel auf dem Vorgebirge erwähnt wird. Der römische Dichter Silius Italiens (111, 260) gedenkt gleichfalls der Stadt Nusftma und des unsichern Fahrwassers ihrer Küste in folgendem Verse: (HuaLWO Zliooili OUVlt UO'I ÄL<1UQ8 1iu8pin:i iiuotu». Höchst wahrscheinlich müssen wir hier auch jenes Bisthum suchen, welches die Notitia als Nusftitensis anführt und das scharf von Nusftcnsis (dem nicht fernen Nuspc) unterscheidbar ist. Doch ist nicht anzunehmen, dah der Ort wirklich jemals Nusvita geheißen habe, und ein Vuchstabenfehlcr leicht erklärbar. Von ihm wird uns nur ein einziger Vischof genannt, der 411 auf dem Concil zu Karthago ohne donatistischen Ge-genbischof erschienene Secundus. Was den Namen betrifft, so hat wohl Gesenius das Nichtige getroffen, wenn er ihn von 7-,^i5'^ (Mput ori») ableitet, eine Bezeichnung, welche wir natürlich auf das nahe gelegene Vorgebirge beziehen müsseck. Der Hafen von Ruspina lag nicht unmittelbar bei der Stadt, sondern zwei Milliarien von derselben entfernt (llx up-I^clo Ituspiu:!, <^r63»u», pi'ojlLi8<ütur aci poitum, l^ui :ido3t u>d oppiäo milli». p»»3uum äuo. I^bil. ^frie. 10). Dieser Umstand widerspricht jedoch nicht wesentlich der Lage von Ruspina an Stelle von Mistyr, welches allerdings am Meer liegt, in dessen unmittelbarer Nähe aber steile Felsen die Küste unwirthbar machen. Noch heute pflegen die Schiffe in der Nhede oft in großer Entfernung von der Stadt liegen zu bleiben und zwar an Stellen, wo ihr nächster Landungsplatz grade etwa zwei Milliarien von Mistyr entfernt sein würde. 362 Daß die directe Entfernung von Nnsftina bis zum Meere übrigens nicht so groß war, geht aus dem Umstand hervor, daß Cäsar einen Festungsgraben von der Stadt bis an'sUfer bewerkstelligen ließ (vaUumhus ad «ppiclo Iiu8Mu>, un«ino aä m.'n-o lleänoero, . . . I^II. ^irl^,. 20). In dieseni befestigten Lager bei Nusftina hielt sich der Feldherr, welcher bei seiner Ankunft in Afrika fast von Truppen entblößt gewesen war, so lange, bis er durch Ankunft neuer Kräfte aus Italien und die freiwillige Unterwerfung afrikanischer Städte und Völkerschaften verstärkt, seinem Gegner, Seiftio, die Spitze zu bieten vermochte, und sein Uebergewicht durch den Sieg von Thapsus geltend machen 'sollte. Sein erstes siegreiches Gefecht fiel bei Uzita vor, einem kleinen Ort, den auch Pto-lemäos genau so nennt und welchen man in dem heutigen Sayda, 15 Milliarien von Lebda und 20 Milliaricn von Mistyr-Nusftina landeinwärts gelegen, wiedererkannt hat. Der antile Name Rusftina ist in der heutigen Namens-form Mistyr vollständig verloren gegangen. Diese erscheint vielmehr als eine Zusammenziehung von Monastir, wie der Ort im Mittelalter (doch wahrscheinlich nicht bei den Moslims) hieß und auch noch heute von den Europäern benannt wird. Dieser Name, in welchem «wir eine Abkürzung von Monasterium (d. h. Kloster) erblicken können, deutet an, daß hier in der christlichen Periode Mönche angesiedelt sein mochten. Aus dieser Zeit ist uns nun freilich nichts über Mistyr überliefert. Dagegen sind wir überrascht, in noch viel späterer Zeit, nämlich im zehnten und zwölften Jahrhundert, hier ein Kloster erwähnt zu finden, und zwar bei Odryssy («6. ^mkoi-t p. 25>^) und bei el Bakry (Nanu^oritz do lli didliotix'^uo Iil!>n-um entsprechend, welches Hirtius, der Geschichtsschreiber von Cäsar's afrikanischem Krieg, bei Thapsus beschreibt. Allerdings möchte die schmale Landzunge zwischen dieser Ssebcha und dem Meer letzt nicht mehr anderthalb Milliarien breit sein, wie zur Zeit Cäsar's, aber dieser Umstand wird durch das Vordringen des Meeres hinreichend erklärt. Trotz der Wahrscheinlichkeit, welche 378 für die Lage des alten Thapsus am Rass Dimass spricht, hat der englische Archäologe Davis diese Stadt in dem heutigen Mahdiya, eine Meile südlicher am Strand gelegen, erblicken wollen. Aber Davis scheint mir an dieser ganzen Küste die Lage der alten Städte verrückt zu haben; sein Haufttirrthum, Hadrumet in Ilammamat zu erblicken und Ssussa für Nusftina zu halten, hat ihn auch dazu geführt, am Näss Dimäss Leptis zu suchen und da mußte Thaftsus natürlich nach Mahdiya verwiesen werden. Den Umstand, daß Thapsus in späterer Zeit wohl nicht mehr die Bedeutung wie zu derjenigen Cäsar's gehabt habe, scheint auch die Thatsache zu bekräftigen, daß, obgleich es in der christlichen Periode als Bisthum vorkommt, also noch existirte, es doch nur als ein unbedeutendes erscheint, da wahrend der 5, —«', Jahrhunderte des Bestehens des Christenthums in Afrika nur ein einziger Bischof von Thapsus auf den Coneilen erwähnt wird, nämlich Vigilius, welcher mit seinen Collegen 484 von Hunerich verbannt wurde, übrigens mehrere geistliche Werke hinterließ, die uns noch erhalten sind (Mar^ili ^Oic. 0!>i-i»t. I, ^07). Nach dieser letzteren Stadt wandte sich nun auch der von mir gemiethete kleine Cutter. Vaolo behauptete, daß, obgleich Mahdiya natürlich tbensowenig wie irgend eine andre Stadt der Regentschaft einen Hafen besitze, die offene Rhede doch bei dem herrschenden Winde Sicherheit genug biete, so daß meinem Plan, einen Tag in Mahdiya zu bleiben, nichts im Wege stand. Die Fahrt war eine sehr turze, nach welcher ich mich im kleinen Kahn an's Ufer rudern ließ und mein Absteigequartier im Regierungshause, dein sogenannten „Hause des Bey", nahm, wo mich der Chalyfa, an welchen ich ein officielles Empfehlungsschreiben aus Tunis besaß, höchst zuvorkommend empfing. Das von ihm mir angewiesene Zimmer besaß zwar alle möglichen Vortheile, nur leider nicht den schätzbarsten von allen, außer mir unbewohnt 37!) zu sein. Ich mußte es zu meinem Leidwesen mit einer Legion jener kleinen Thicrchen, welche wie die Moslims sagen, „am Meisten von Gott geliebt werden", theilen. Daß an der Stelle des heutigen Mahdiya im Alterthum schon eine Stadt gestanden habe, kann Niemand zweifelhaft bleiben, der das vielfach beim Bau der jetzigen Häuser benutzte antike Material betrachtet, oder seine Schritte zu dem noch vorhandenen antiken Hafen wendet, der ein beinahe ganz geschlossener vhönicisch-karthagischer Cothon war oder vielmehr noch ist, und nur durch den angeschwemmten Sand unbrauchbar gemacht wird; er könnte jedoch mit ebensoviel Leichtigkeit wiederhergestellt werden, wie von den Franzosen in Scherschell bei Algier der' alte Cothon von Julia Caesarea oder Iol rchaurirt wurde. Außerdem hat ein Riesenwerk, eine über hundert Fuß tiefe in den Fels gehauene antike Cisterne alle Bauten der einstigen Nömerstadt überdauert. Welchen Namen sollen wir der hier gelegenen antiken Stadt beilegen? Der Italiener Graf Castiglione hat in ihr oer Namensähnlichkeit mit einer dicht bei Mahdiya im Mittelalter gelegenen Stadt Suyla wegen, das vonStrabo (XVII, 834) l« diesen, Theile von Afrika erwähnten Zella erblicken wollen, kuie Stadt, über deren genauere Lage wir auch nicht das ^ningste wissen, nur daß man aus dem Umstand, daß Strabo es mit Acholla zusammennennt, schließen kann, daß es nicht lveit von jener Stadt lag, welche letztere man in dem einige Meilen südlicher gelegenen ei 'Aliya wiedererkannt hat. Ge-^ß war das Zella des Strabo mit jener in Cäsars afri-kanischem Krieg zweimal erwähnten Stadt Zeta (Mrtm» N«II. ^lri«. U8 u. 74) identisch. Der Umstand, daß Cäsar's Lager, Elches, nachdem er Lefttis, Rusftina und Acholla verlassen, "ach Ugar verlegt worden war, das wir wohl beim heutigen Dschemal suchen müssen (der große Fruchtreichthum dieser legend, wie bei Hirtius geschildert, paßt auch trefflich auf 38tt Dschemäl), 18,000 Schritte von Zeta ablag, während Sciftio, der damals noch Thapsus innehatte, nur 10,000 Schritte von ihm entfernt war, scheint diese Identität vollkommen zu bestätigen, da Thadsus von Mahdiya etwa 10, letztere Stadt aber von Dschemal etwa 13 Milliarien abliegt. Uebrigens finden wir Zeta in den Concilsberichtcn wieder unter der Namensform Zella, doch wird nur ein einziger Eftiscopus Zellensis erwähnt, Donatianus, der 411 auf dem Concil zu Karthago erschien. Seine bedeutungsvollste Zeit hat jedoch Mahdiya nicht im Alterthum, sondern im Mittclalter, in der Glanzperiode der maurisch-arabischen Civilisation, gesehen, als es die prachtvolle Hauptstadt des Lhalyfen Mahdy, 'Obayd Allah, des Beherrschers von ganz Nordafrita, war. Dieser Fürst, welcher die Aghla-bitische Dynastie gestürzt und seine eigne die ^Ob^yditische oder Fatimltische an deren Stelle gesetzt hatte, wollte auch eine neue Hauptstadt an Stelle der bisherigen, Qayruan und des nahen Ssabra, gründen und deßhalb läßt sich wohl annehmen, daß er hier, wie el Vakry behauptet, eine vollkommen neue Stadt erbaute, da wohl seit der Römerzeit der Ort nicht mehr bewohnt war. Der seltsame, Von Edryssy noch im I2ten Jahrhundert bezeugte Gebrauch der Bürger von el Mahdiya, ihre Todten nicht hier zu begraben, sondern sie zur See nach Mistyr zu führen, läßt vermuthen, daß el Mahdy wohl von letzterer Stadt zahlreiche Einwohner nach der von ihm gegründeten Residenz überzusiedeln bewog, welche dann fortfuhren, in ihrer ursprünglichen Heimath ihre Familiengrüfte zu besitzen. Acht Jahre, von !»12- 920 p. 45> unserer Zeitrechnung verlegte ei Mahdy's Enkel, Ifsmayl el Manc-ur ben ei Qaym den ^halyfensitz wieder nach der Aghlabytenstadt Ssabra, der Schwesterstadt von Qayruän. Aber el Mahdiya scheint Lebenskraft genug besessen zu haben, um doch nicht ganz zu sinken. El Vakry schildert die ^tadt, ebenso wie ihre Vorstadt Suyla, im 11. Jahrhundert nls höchst blühend, im Besitz eines schließbaren, ganz in den «els ausgehauenen Hafens, in welchem man den alten phöni-nschen, von den Arabern nutzbar gemachten Kothon wieder-"tennt. „Die Stadt el Mahdiya", so erzählt der Geograph ^on Cordoba, „hat eine durch sechzehn große Thürme verteidigte Ringmauer; zwei ihrer Thore sind von Eisen und ^iegen zusammen 2000 Centner: jeder einzelne Nagel daran 'st sechs Pfund schwer. Im Innern der Stadt sind 160 Üwße Cisterncn, außerdem noch Piseinen, welche durch eine ^on ei Mähdy Dbayd Allah gebaute Nasserleitung gespeist ^rden. Derselbe Chalyf gewann einen Theil des Bodens, ""f dem er feine Residenzstadt baute, dein Meere ab." In diesem der See abgerungenen Stadttheil stand zu kl Batry's Zeit die schöne große, siebenschiffige Hauptmoschee, sowie dn> Paläste ei Mahdy's und seines Sohnes el Qa'ym. Zu Edryssy's Zeit, im 12. Jahrhundert, wird die Stadt bon diesem Geographen schon als bedeutend gesunken ge- 383 schildert. Damals war diese Doppelstadt, welche aus el Mahdiya und Suyla bestand, bereits wieder durch den Verfall der sie verbindenden Stadttheile, auseinandergefallen und bildete nun zwei kleinere Städte. El Mahdiya besaß noch immer seine starke Citadelle, aber das berühmte sogenannte Goldgewölbe Dbayd Allah's (vermuthlich die Schatzkammer) war verschwunden. Dieses Goldgewölbe mochte wohl die Geldgier des normannischen Eroberers, Roger von Sicilicn, gereizt haben, welcher ei Mahdiya im Jahre 1145 einnahm, um es jedoch zehn Jahre später wieder zu verlieren. Schon früher, im Jahre 1068, waren beide Städte Suyla und ei Mahdiya, auf kurze Zeit in christliche Hände gefallen, nämlich in die der Pisaner und Genueser. Seitdem scheinen jedoch die Araber ihre ganze Sorgfalt auf die Befestigung verwendet zu haben, denn im Jahre 1390 mußte der französische Admiral Herzog von Beaufort, welcher die genuesische und französische Flotte zum Angriff auf Mahdiya geführt hatte, unverrichtetcr Sache Wieder abziehen. Ebenso wurde sie im Jahre 151!) von Pietro de Navarro, dem spanischen Admiral, vergeblich be« lagert. Ganz in Verfall gerathen scheint die einstige Chalyfen-stadt der Fatimyten erst nach der Expedition Karl des Fünften, denn zu Anfang des 16. Jahrhunderts wird sie von Leo Afri-canus noch als eine belebte Handels- und Seestadt geschildert. Endlich, im Jahre 1551, unter Kaiser Karl dem Fünften, sollte für Mahdiya die Stunde des Unterganges schlagen. Nie Oran, Melilla, Ceuta, und alle Städte Afrika's, welche in die Hände der Spanier sielen, so wurde auch Mahdiya nach der Einnahme aus einer blühenden Handelsstadt ausschließlich eine Festung und ein Gefängniß, eben sowohl für Spaniens Sträflinge, wie für die Besatzung haltenden Sob daten, denn diese konnten außerhalb der Stadt auch keinen Schritt thun. Aus jener Zeit stammen jene massenhaften, 383 spanischen Festungsruinen, welche man noch heute hier sieht und welche die Spanier selbst, als sie bald nach der Erbauung dieser Forts die unfruchtbare Besitzung wieder aufgeben muhten, zu Ruinen gemacht hatten. „Eine große Nuine", das ist auch der Eindruck, welchen der Reisende von dein modernen Mahdiya empfängt; denn wenn auch die Stadt noch von einigen dreitausend Menschen, worunter auch eine kleine Colonie Europäer, bewohnt wird, so zeigen sich ihre Gebäude und Straßen doch in einem kläglichen Zustande. Uebrigens scheint Mahdiya jetzt gänzlich jenen geheiligten und folglich für Christen unnahbaren Charakter Verloren zu haben, welchen sie noch im vorigen Jahrhundert besaß. Noch Desfontaines wagte im Jahre 1784 nicht, ihre heiligen Straßen zu betreten (^6 n':ü 08« ^ ontior paros M'vllo o^t i'OMtW 8nmt<; Pur 1^8 mu5mlm5mn). Heutzutage bildet die Heiligkeit selbst bei Qayruän kein Hinderniß mehr, es zu betreten, geschweige denn bei dem weniger heiligen Mahdiya. Die Stadtmauern sind ihrer Zinnen beraubt und zeigen zahlreiche Lücken, die Festungsthürme theilweise von oben bis unten gespalten; die Hälfte der Häuser sind Ruinen und die andere baufällig, auch mehrere Moscheen bilden nur noch Trümmerhaufen; die Hauptmoschee, das Negierungshaus und ^ie Qa^ba (Citadelle) sind die einzigen wohlerhaltencn Gebäude. Erstere, die ich natürlich nicht betreten durfte, soll sehr schöne antike Säulen enthalten. Der ganze Handel von Mahdiya beschränkt sich jetzt auf "c Oelaussuhr und diese ist fast ausschließlich in den Händen ^ etwa hundert Europäer, meist Malteser und Italiener, welche in dieser noch vor «0 Jahren für Christen unbetret-baren Stadt leben, aber ein langweiliges Leben der Verbannung führen. Eine kleine Kapelle und ein Kapuziner, ein gutmüthiger alter Pater, der sogar einen Anstrich von Archäo-vgle besitzt, dienen ihnen zur Erbauung. 384 Wenn auch die einstige Chalyfenstadt jetzt nur eine schwache Bevölkerung besitzt, so rühmte sich doch das Rcgierungshaus, in welchem ich auf einem prächtigen Divan eine Nacht zugebracht hatte, einer desto größeren Anzahl von Insassen, welche, obgleich nur liliftutanische, doch sich recht empfindlich fühlbar zu machen Wichten. Deßhalb zog ich es auch vor, die zweite Nacht auf dem Schiffe zu bleiben, nachdem ich meinen Körper sowie, meine Kleider vorher einer gründlichen Untersuchung und Reinigung unterworfen hatte, sonst, fürchtete ich, möchten svohl die Schloßbewohner sich auch auf dem kleinen Cutter heimisch gemacht haben. Da sich das Netter günstig zeigte, so ließ ich uoch am Abend unter Segel gehen. Unser Ziel bildete das etwa 15 Meilen von Mahdiya südlich an der Küste gelegene Städtchen Ssfaqess oder Ssfaqfs. Leider ließen wir durch diesen großen Sprung die Ruinen von Salleqta, dem römischen Syleetum, dem Sullecw des Prokop, wo Hannibals vermeintliches Landhaus gewesen sein soll, unbesucht, sowie die interessante Stelle von Achulla, wo die berühmte zweisprachige lateinisch-phöni-cische Inschrift gefunden wurde, das Achola des Ptolemäos, das Achollae der Pentinger'fchen Tafel und vielleicht auch das' Acilla des Hirtius, das heutige ei Miya. An dieser Küste lagen auch Nsilla, jetzt Inschilla genannt (im nächsten Capitel beschrieben) Iustinianopolis, dessen Trümmer von Gue'rin am Ras Capudia, dem lateinischen Caput-Vada, entdeckt wurden, und Ruspe, welches Einige in dem heutigen Schebba wieder erkennen wollen. Ich wußte, daß alle diese Orte Ruinen enthielten, daß diese Ruinen jedoch nichts von Wichtigkeit boten, daß sie nur allenfalls durch dort anzustellende Nachgrabungen noch interessant gemacht werden tonnten, und auf Nachgrabcnlassen war ich nicht eingerichtet. Nur etwas will ich bei dieser Gelegenheit bemerken, was nämlich das vermeintliche Landhaus des Hannibal betrifft. Dieses soll nach 385 Shaw, der sich auf Livius' offenbar irrthümlichen Bericht stützt, bei Scllcqta, dem alten Sylectum gelegen haben. Dafür, daß ich mich dieser Ansicht nicht anschließen kann, brauche ich keine andern Gründe, als die von Barth und Davis, welche Beide Shaw's Ansicht lächerlich finden. Davis sagt höchst treffend, daß die Erzählung des Livius eine Unmöglichkeit enthalte. Der Historiker läßt nämlich Hannibal am Abend Karthago verlassen und am andern Morgen früh an der Küste zwischen Achollae und Thavsus ankommen. Danach wäre Hannibal vor Erfindung der Eisenbahnen schneller gereist, als man heute mit ihrer Hülfe fortkommt. Gegen Mittag am folgenden Tage befanden wir uns in dem seichtesten Theil der kleinen Syrte, der von den Qar-aenna^inseln völlig geschützten Meeresbucht von Ssfaqess. Dieß ist ohne Zweifel jener Theil des Uferwassers der Vyzacena, dessen Ruhe, Sicherheit und Anmuth die alten Autoren bereits rühmen. Auf diese Vucht von Ssfäqcss scheinen mir denn auch folgende Verse des Corivvus bezogen werden zu müssen l^obannis I. 350—355): Litora ßyzacii paribus non aJluit undis Opposüa tellure salum. Pars lenior ae&tu Plana jacet, curvis statio concessa oarinis. El'üciinit portus nimium vada salsa quietos. His vi liulla JSoti plaeidoa extollere fluctus Mota potest; ventus liquidum non territat aequor. Da diese Rhede so sandig ist, daß die Schisse ohne Lootfen unmöglich tiefer in sie eindringen könnw, so beschlossen wir, den Cutter in der Nähe der Inseln halten zu lassen und dann auf dem kleinen Segelkahn diese sowohl als Ssfaaess selbst zu besuchen. Diese Inseln, eine größere, etwa drei Meilen lange und in der Mitte nicht eine Meile breite, und eine kleinere, an Ausdehnung etwa ein VieNel des Flächeninhalts der größeren betragend, führen noch heute in ihrem Namen II. 25 386 Qarqenna eme der antiken Benennung sehr ähnliche Nomen« clatur. Im Alterthum hieß nämlich die größere Cercmna und die kleinere Cercinnitis. Jetzt ist der Name Qarqenna auf beide anwendbar und, um sie zu unterscheiden, benennen sie die Araber nach der Himmelsgegend, die größere Dschasyrat esch Scharqy (d. h. die östliche Insel) und die kleinere Dschasyrat el Rharby sd. h. die westliche Insel), ächtere ist dem Festland bedeutend näher, als erstere. Beide werden von einander durch einen sehr schmalen Meeresarm von der Breite des Achtels einer Meile getrennt. An dieser Stelle wurden die Inseln im Alterthum durch eine Brücke verbunden. Da von letzterer noch Neste vorhanden sein sollen, so ließ ich mich zuerst nach der Meerenge führen. Die Inseln gewähren, vom Meere aus gesehen, einen für den von Norden Kommenden desto reizenderen Anblick, als ihre Vegetation nicht mehr die des tunisischen Tell, d. h. des nördlich von der Wüste gelegenen Landes, zum großen Theil Hochlandes, sondern bereits ganz die der Oasen der Sahara ist. Wir waren jetzt in dem Theile des mittelländischen Meeres angekommen, wo der PflanZencharakter des Küstenlandes nicht mehr der sogenannte mittelmcerische ist. Die ganze nach Norden bedeutend vorgeschobene große Halbinsel, Welche sich von der kleinen Syrte bis an den Oeean in Marokko ausdehnt, und deren Pflanzentypus im Ganzen demjenigen von Spanien, Italien, Südfrankreich, Griechenland auffallend gleicht, hatten wir nun hinter uns und befanden uns an jenem Küstenstrich von ächt afrikanischem Typus, der fich von der kleinen Syrte bis über Aegypten hinaus hinzieht. Hier wird die afrikanische Nüstensteftpe mit ihren Palmenoasen nicht mehr durch das die Küsten umgürtende Hochland vom Meere getrennt, wie im Nordwesten von Afrika. Hier tritt die Sahara (d. h. im Sinne von Vorwüste, wie die Franzosen den Ausdruck in 8«,kara nl^ärion, tum^iM, irmroecüiiu ge- 387 brauchen) dicht an's Ufer heran, ja, sie dringt sogar über dasselbe hinaus, denn die in diesem Mcerestheil gelegenen Inseln sind gleichsam nur vom Land abgerissene Stücke der Sahara, es sind Oasen mitten im Meere, statt mitten in der Wüste gelegen. Der vorherrschende Baum ist hier, wie in jeder Saharaoase die Dattelpalme, deren Wälder und Haine auch diese kleinen Inseln schmücken und ihnen einen so zauberhaften Anblick verleihen, doppelt reizend für den, der bisher die Oasen nur im tiefen Innern sah und jetzt zu seinen: Entzücken die schlanken Palmenstämme und zarten Federkronen, jene lieblichsten Gebilde des Pflanzenreiches, sich im Meere spiegelnd erblickt. Einen Palmenstrand am Meere, den findet man nur in diesem glücklichen Theil von Afrika; im eigentlichen Maghreb sucht man ihn umsonst. Allerdings ist der Pflanzencharakter dieser nördlichsten Ausläufer der Sahara, wenn man sie so nennen kann, noch auf einer Ucbergangsstufe begriffen! vom Süden hat er zwar das äußere Gewand entlehnt, aber dein Norden gehören seine Früchte an. So gedeiht auch hier die Olive, welche im Palmcnwald sich bescheiden versteckt und von der Küste aus kaum bemerkt wird, besser als die Dattel, deren Bäume doch die Inseln charatterisiren. Die hiesigen Datteln sind tlein und wenig schmackhaft, aber sie werden doch reif, während im ganzen sogenannten mittelmeerischen Pflanzengebict nie eine Dattel die Neife erlangt. Dieß letztere Pflanzengebiet ist der Dattelzucht entschieden ungünstig-, der einzige größere Versuch, der jemals damit gemacht worden ist, die großartige Palmenpflanzung von Elche bei Alicante in Spanien, welche den Arabern ihre Entstehung verdankt, liefert nur höchst traurige Resultate. Ich sah in Elche einen Palmenwald, so groß wie der mancher Oase, aber als ich seine Früchte zu sehen verlangte, wurden mir elende, gelbe, dem Holz an Härte vergleichbare Datteln gezeigt, die von dieser Frucht nichts hatten, 25* 388 als die Form, und mir wurde versichert, daß selbst ein zweijähriges Hängenlassen die Früchte doch nicht besser zu fördern im Stande sei; darum bleibt auch den Spaniern, wenn sie ihre Datteln in den Handel bringen wollen, kein andrer Ausweg, als das Vaterland dieser Producte zu verläugnen und sie mit den afrikanischen zu vermengen und so die gelben Stiefkinder der Natur mit den saftigen braunen, zur Reife gediehenen Früchten in unharmonischen: Verein an die zur Hälfte zu täuschenden Kunden abzusetzen. In diesem jedenfalls doch betrügerischen Handelszweig hat man es in Algerien, namentlich in dem halbsvanischen Oran, weit gebracht. Hier ist man in diesen Handelskniffen noch nicht zu derselben Vollendung gelangt. Die Bewohner von Qarqenna essen ihre Datteln entweder selbst oder, wenn sie dieselben ausführen, so geschieht es als Pferdefutter, ähnlich wie auch in den nördlicheren algierischen Oasen die Pferde mit den dortigen, den südlichen an Güte nachstehenden Datteln gefüttert werden. Sonst bietet der Boden diesen Insulanern, deren Zahl 3000 nicht übersteigt, noch Oliven, etwas Gerste und Waizen und namentlich das borstige Halfakraut (Na-ronnloa tomu'iknmm), aus deren Fibern Körbe und dergleichen verfertigt werden. Den reichlichsten Nahrungszweig bietet ihnen jedoch das Meer, dessen Fischreichthum sich wirklich hier als ein außerordentlicher bewährt. In der die Inseln trennenden Meerenge angekommen, konnte ich von der Brücke, deren Bogen längst eingestürzt sind, nur noch einzelne Pfeiler aus dem Meer hervorragen sehen. Diese Meerenge zeigt die Eigenthümlichkeit, das; sie in ihrer Mitte eine schmale, an fünfzehn Fuß tiefe Strömung besitzt, von den Arabern Fluß (Ued) genannt, während zu beiden Seiten höchst seichte Untiefen allen größeren Fahrzeugen die Landung wehren. Von dieser Seestraßc wandten wir uns Wieder nordöstlich, um den Cutter zu erreichen und 389 landeten unterwegs an einer Stelle, welche el Mirssa (der Hafen) heißt. In deren Nähe sah ich bei einem baufälligen arabischen Fort einige antike Trümmerreste, und warf einen Blick in's Innere der Insel. Das Hauptdorf Namla liegt ungefähr in ihrer Mitte, an den westlichen Strand gränzt ein ziemlich großer Salzsee, eine Esebcha, ein neues Bild der Aehnlichkeit mit der Sahara. Sonst ist die Insel nicht unfruchtbar und verdient gewiß nicht den ominösen Ruf, welchen sie bei den Tunisern genießt. Wäre nicht die Indolenz der Araber, sie könnte gewiß eine fünffach größere Bevölkerung ernähren, als sie jetzt besitzt. Jener schlechte Nuf wird übrigens dadurch erklärbar, daß Qarqenna ein Verbannungsort für Verbrecher ist. Auf den Cutter zurückgekehrt, ließ ich die bisherigen Ruderer (denn das Ruder mußte oft dem schwachen Winde nachhelfen) durch frische Kräfte ablösen und steuerte dann in dem Segelkahn dem Festland zu, welches ich noch vor dem Abend erreichte. Auch Ssfaqess macht, vom Meere aus gesehen, ganz den Eindruck einer Palmenoase, eines Stückes der Sahara, das sich bis an's Mittelmeer verirrt hat. Ssfaqess ist die bedeutendste südliche Stadt von ganz Tunisien und mag jetzt noch eine Einwohnerzahl von 12,000 Seelen besitzen. Das europäische und jüdische Viertel, von etwa 600 Christen und doppelt so viel einheimischen Juden bewohnt, in ungesunder, sumpfiger Gegend, zwischen dein Meer und der Araberstadt gelegen, war das erste, welches ich betrat. Dieses Viertel ist eine eigne geschlossene Stadt mit Mauern und drei Thoren; das sumpfigste und ungesundeste Quartier dieser an und für sich schon ungesunden Vorstadt ist das eigentlich jüdische, in welchem eine entsetzliche Unsaubcrt'eit herrscht. Die Christen, meist höchst verkommene Subjecte, sind zum größten Theil Malteser. Eine kleine Kapelle, ein Capuziner und drei barmherzige Schwestern dienen ihnen zur Erbauung. 390 Doch ist ihre Jugend ohne allen Unterricht und wächst in völliger Wildheit und Nnmoralität auf, eine würdige Pflanzschule jenes häßlichsten Bevölkerungstheils des Orients, der sogenannten Levantiner (d. h. im Orient gebornen und aufgewachsenen Europäer). Die Europäer, welche den Orient bewohnen, waren mir immer antipathisch, und wie ich glaube mit Necht. Deßhalb verließ ich auch hier in Ssfäaess ihr Viertel mit Freuden, um nach der höher gelegenen arabischen Stadt hinaufzusteigen. Diese besitzt zwar nur zwei Thore, ist aber ungleich größer, besser gebaut und reinlicher, als das Juden- und Christenviertel. Ihr Handel besteht hauptsächlich in der Ausfuhr der Producte der Saharaoasen, mit welchen sie durch Karavanen eine lebhafte Verbindung unterhält. Fünf Moscheen, drei Sauya's (Qoranschulen), ein arabisches baufälliges Fort und das Negierungshaus sind die Hauptgebäude. In den Basars herrscht ein lebhafter Verkehr. Die Stadt macht überhaupt nicht den Eindruck des Verfalls. Sie ist von reichen Palmen- und Olivenftflanzungen umgeben, in welchen man zuweilen auf Neste des Alterthums stößt. Auch in ihren Häusern, der Citadelle, sowie in dem Festungsthurm, auf einem Hügel über ihr gelegen, en Nadur genannt, findet man vielfach das Material antiker Bauten zu modernen Zwecken verwendet. Von den vielen Cisternen, welche diese brunnenlose Stadt besitzt, tragen einige deutlich die Spuren antiker Bauart. Diese Anzeichen haben natürlich zur Vermuthung geführt, daß hier im Alterthum schon eine Stadt gestanden habe. Die Lage entspricht durchaus dem Tarphura das Ptolemäus, dein Taparura der Peutinger'-schen Tafel. Als ich bei cingebrochner Dunkelheit Ssfaqess verließ, um auf den Cutter zurückzukehren, machte ich die merkwürdige Erfahrung, daß das Meer einen um 10 Fuß höheren Stand, 391 als am vorhergehenden Mittag hatte. In keinem Theil des Mittelmecres besitzen Ebbe und Fluch eine solche Intensität wie in den Syrien, eine Bemerkung, welche, glaube ich, der französische Reisende Dcsfontaines zuerst gemacht hat. Derselbe stellte verschiedene Messungen hier in Ssfäqess sowohl, wie in andern Theilender kleinen Syrte an und fand einmal den Stand der Muth fünf, das andre Mal acht Fuß - spricht jedoch die Vermuthung aus, daß derselbe noch größere Verhältnisse erreichen könne, eine Bemerkung, deren Richtigkeit meine oben mitgetheilte Beobachtung zeigt. Seltsam ist Desfontaines' Irrthum in Bezug auf das regelmäßige Eintreffen der Ebbe und Fluth. Er behauptet nämlich, daß ocr höchste Stand der Fluth in der kleinen Syrte stets um Mittag und Mitternacht stattfinde. Baolo, der Capitän des kleinen Cutters, machte ein schiefes Gesicht, als ich ihn: meinen Wunsch auseinandersetzte, statt direet durch die hohe See nach Tripolis zu segeln, den Schneckenweg der Küste entlang zu erwählen und bei verschiedenen „alten Steinhaufen" zu landen, wie dieser Malteser höchst respectlos die römischen Ruinen benannte. „Sehr seichtes Fahrwasser", so meinte er, außerdem auch noch die größte Gefahr vor der Seeschlange, die der treffliche aber etwas abergläubische Capuziner in Ssfäqess, wahrscheinlich auf Zureden von Seiten des Maltesers nach Anhörung seiner Geschichte und um ihm etwas Angenehmes zu sagen, gesehen haben wollte. Obgleich Bomba nut in den Chorus einstimmte und auch die arabischen Matrosen ein Geschrei nach den Fleischtöpfen vou Tripolis erhoben, so besaß doch die See-schlänge keine Schrecken für mich, und was die allerdings vorhandene Seichtigkeit des Meeres betraf, so war ja der Cutter eigens von mir in Tunis seines geringen Tiefganges wegen gewählt worden. Außerdem bestimmte eine Clause! meines mit Baolo abgeschlossenen Contracts ausdrücklich, daß er mich in Qabiss, auf der Dscherbainsel, an den Ruinen von 393 Sabratha und denen anderer antiker Städte an's Land setzen müsse. Da ihm so keinerlei Entschuldigung übrig blieb, so erfand er schnell eine neue Schwierigkeit. Er, sowie alle Matrosen hatten plötzlich nichts mehr zu essen. „Warum habt Ihr denn nichts in Ssfaqess gekauft?" so fragte ich. „In Ssfaqess giebt es nichts, als Datteln und Oliven, und das Zeug ißt nur ein arabisches Pferd, kein Malteser", lautete die Antwort des Caftitäns. Ich hatte aber gesehen, wie in Ssfaqess ein ganzer Sack voll Datteln auf's Schiff gebracht worden war, folglich mußten wenigstens die Matrosen Lebensmittel besitzen, da für sie, wenn auch nicht für die hochcivilisirten Leute, Bomba und Baolo, Datteln Lebensmittel waren. AIs ich ihnen diese meine Kenntniß ihrer Provisionen enthüllte, wurde mir zwar in's Gesicht hinein behauptet, der Dattelsack sei zum Verkaufen in Tripolis, und gehöre einem gewissen Ssayydy Mohammed in Ssfaqess. Aber, wie schlechte Spcculanten auch immer die Araber sein mögen, so dumm ist doch leiner, selbst der imaginäre Ssayydy Mohammed nicht, um Datteln aus Ssfaqess in Tripolis verlaufen zu wollen. Es wäre ganz dasselbe, wie wenn man Grüneberger Nein in Bordeaux an den Mann zu bringen hoffte. Ich erklärte ihnen deßhalb unter Lachen meinen Unglauben an die Existenz des großen Kaufmanns und sehr schlechten Sfteculanten, Ssayydy Mohammed, und sie wurden zuletzt von meiner guten Laune so fortgerissen, daß sie in's Lachen einstimmten und behaupteten, ich sei ein Fisch, der nur schwer anbeiße. Die Mannschaft war also geständig, den Sack voll Datteln, folglich etwas zu essen zu haben, aber da blieb noch Vaolo und Bomba, denn der anglisirte Neger behauptete nun gleichfalls plötzlich, keine Datteln essen zu können, obgleich ich ihn früher oft ganz enorme Quantitäten einnehmend gesehen hatte. Ich selbst 393 und mein Koch Moses besaßen zwar Ueberstuß an Lebensmitteln und leicht hätte ich die zwei civilisirten Dattelfeinde aus meinem eignen Vorrath ernähren können, aber, da ich das Ganze für eine Comödie hielt, so verfiel ich auf ein andres Mittel, den Beiden zu beweisen, wie wenig es an Nahrung fehlte. Ich kannte den ganz außerordentlichen Fisch-reichthmn dieses Mcerestheiles und wußte, daß ein Mensch, der nur eine einfache Angel besäße, hier nie Hunger leiden könne/ Mit dem Netz war mau vollends sicher, einen Fang zu thun, der allein schon eine Familie speisen konnte. So ließ ich denn die Matrosen, nachdem ich sie mir durch ein kleines Trinkgeld günstig gestimmt hatte, das Netz auswerfen, und bald Zogen sie es wie beim wunderbaren Fischzug reich-beladcn aus dem Meer hervor. Da wimmelte und zappelte es von gefangenen Meercsbewohnern auf dem Verdeck herum, so daß selbst Baolo sich dem thatsächlichen Beweise, daß es etwas zu essen gäbe, nicht entziehen tonnte. Doch diese Malteser sind störrig, als ob sie Eisenholz gefressen hätten. Jetzt meinte der Capltän auf einmal, diese Fische seien ungesund, und als ich ihm dieß siegreich bestritt, behauptete er, es wäre nicht alle Tage Fasttag, und ein Malteser esse Fisch nur an einem solchen, ja für einen guten Katholiken (alle Malteser thun sich etwas darauf zu gut, treffliche Katholiken zu sein) sei es gradezu Sünde, an einem Nichtfasttage Fisch zu essen. Ich hätte ihm dieß aus verschiedenen Kirchenvätern widerlegen können, wurde aber an jedem ernsten Gedanken verhindert und zwar durch den Lachkramftf, in den mich der Neger Bomba versetzte, indem er urplötzlich gleichfalls ein guter Katholik zu sein behauptete und ebenfalls zarte Scruftel wegen des Fischessens außerhalb der Fasten empfand. Endlich riß mir die Geduld und ich schritt zu dem Mittel, welches ich vielleicht gleich von Anfang an hätte versuchen sollen. Ich stellte mich ganz gelassen und sagte -. „Gut, Baolo, 394 wir fahren direct nach Tripolis und dort wirst Du mich beim englischen Consul verklagen können, wenn Du willst, daß ich Dir die Fahrt bezahle. Wenn Dein Consul meinen Consul dazu bringt, mich zum Zahlen zu zwingen, dann werde ich zahlen, sonst aber nicht." Dieses von Pontius zu Pilatus Geschicktwerden, welches ich ihm in Aussicht stellte, war gar nicht die Sache Baolo's. Er wußte, daß ich in meinem vollen Recht gewesen wäre, wenn ich ihm in Tripolis unter besagten Umständen nichts gezahlt hätte. Der Contra^ sagte ausdrücklich, er müsse mich an den Küstenstädten und wichtigsten Ruinen landen lassen, und ohne Erfüllung dieses Contracts hatte Baolo keinen Anspruch auf Bezahlung. So gab er denn endlich, knurrend und murrend, nach, ließ gen Qäbiss zu steuern und wir flogen unter dein günstigsten Winde in südlicher Richtung dem Ziel unsrer Reise zu. Seine Hungercomödie war übrigens bei Baolo so schnell vergessen, daß ich ihn in einigen Stunden später auf dem Verdeck bei einem dampfenden Fleisch- und Gemüsegericht und Wein dazu trinkend fand, lauter Genüsse, deren Existenz früher geleugnet wurde. Wenn man mit solch lügenhaftem Volk, wie diese Malteser, zu thun hat, ist es das Beste, sich alle Gewalt anzuthun, um nicht die Gemüchsruhe zu Verlieren. Behält man stets seinen guten Humor und lacht man den Lügnern und Betrügern unter die Nase, indem man sie gelind über ihr mißlungenes Trugwerk verspottet, so imponirt man ihnen viel mehr, als wenn man Zorn zeigt, welcher letztere bei diesen beuten stets mehr schadet, als nützt. Die kleine Syrte, in deren Mitte wir uns jetzt befanden, und ihre Ufer gehören unzweifelhaft einem der glücklichsten Winkel des Erdballs an. Wenigstens hat die Natur hier Alles gethan, um dem Menschen Wohlsein und Genuß zu verleihen. Ein überaus mildes, nur selten durch Regengüsse getrübtes Klima, ein meist ruhiges, für kleine Fahrzeuge höchst 395 angenehm zu befahrendes Meer, ein fast fabelhafter Fischreichthum, ein lieblicher Palmenstrand mit duftenden Oasen, in denen Orangen, Citronen und süße Bananen in Hülle und Fülle gedeihen, dieß Alles macht Meer und Strand der kleinen Syrte zu einein Juwel in dem Lockenschmuck der Mutter Erde. Nicht umsonst hat Homer in diese Gegend die Insel der Lotofthagen verlegt, in welcher der Einheimische das süßeste Dasein genoß und der Fremde sich so glücklich fühlte, daß er seiner Hcimath vergaß und nur begehrte, hier ewig weilen zu können. Kein Sturm trübte die sanften Fluthen, nur ein leichter Nordostwind trieb uns, in der günstigsten Richtung, grade auf die Palmenoase von Qäbiss zu. Obgleich Oabiss einen Hafen, das heißt eine Flussesmündnng, in welche kleinere Schiffe einlalifcn können, besitzt, so erwies sich doch dieser selbst für unsern kleinen Cutter zu seicht. Letzterer mußte vielmehr in einiger Entfernung von der Küste vor Anker gehen, während ich mich nach dem Oasenstrand hinrudern ließ. Es war ein entzückender Anblick, welcher sich mir auf dieser kurzen Ueberfahrt bot. Ich glaubte mich unwillkührlich n die Nähe einer der tropischen Inseln, im indischen Ocean, versetzt, so sehr glich der Pflanzenwuchs jener üppigen Vegetation, welche sonst dem sandigen und wasserarmen Nordafrika so ganz fremd ist. Der Wald hochstämmiger schlanker Palmen war hier in seiner näher am Erdboden haftenden Schicht mit einem Heer der üppigsten Sträuche und Bäume ausgefüllt, so daß die mastbanmartigen Stämme nur selten sichtbar wurden und die zierlichen Federkronen aus einem grünen Laubmcer hcrvorzuwachsen schienen. Orangen-, Mandel-und Lotospflanzungen füllten diese niedere Region, aber alle schienen zu einem Ganzen vereinigt durch die dichtbelaubten Weinranken, welche sich von einem Baume zum andern schlangen und sogar sich hinauf bis zu den achtzig Fuß hohen Palmen- 396 kronen wanden, ähnlich den Lianen eines Tropenwaldes. Noch in keinem Lande hatte ich Nebenguirlanden eine solche Ausdehnung, eine solche Höhe erreichen sehen. Es schien gleichsam eine andere Pflanze, irgend ein üppiges tropisches Gewächs und nicht mehr die uns gewohnte Weinrebe. Dazwischen wucherten auch andere Schlingpflanzen, z. B. die schöne Loi-tilea bituminös welche mit ihren himmelblauen Vlüthenknö'pfen die verschiedenen Schattirungen, das Grün des Orangenlaubes, der Lotosstaude, der Mandeln, das Schwarz der Iohannisbrodbäume lieblich unterbrach. Im Anblick dieser Naturschönheiten schwelgend, wurde ich an's Nfer getragen. Dort begann jedoch die prosaische Wirtlichkeit wieder ihre unverjährbaren Nechte geltend zu machen. Ein Obdach für die Nacht mußte, so unangenehm dieses auch sein mochte, gesucht werden und wurde im Hause eines großen Mannes, welcher den pomphaften Titel Chalyfa führte, gefunden. Nenn ich sage ein großer Mann, so war dieses buchstäblich gemeint, denn Uädsch bu "l'illyss, so hieß der Würdenträger, mochte an sechs Schuh Höhe messen. Sein Name Bu 'sillyss war eigentlich nur ein Beiname, eine Konya, wie die Araber es nennen. Bu l'illyss ist ein höchst seltsames Prädicat. Wörtlich übersetzt heißt es „der Vater des Alpdrückens oder der Nachtmahr". Da aber im Arabischen Vater sehr oft für Besitzer steht, so bedeutet es einfach „einen von bösen Träumen Heimgesuchten". Ob der Mosch wirtlich einen so gestörten Schlummer besaß, habe ich nicht ermittelt; war es jedoch der Fall, so hatte er ihn geerbt, denn bereits sein Vater und Großvater führten dieselbe Konha. Der „Vater der Nachtmahr" empfing mich ziemlich freundlich. Seine Freundlichkeit wuchs noch, als ich ihn bat, meinem Koch Moses, den ich mit an's Land genommen hatte, zum Einkauf von Lebensmitteltt behülflich zu sein. Das magische 39? Wort „Bezahlen" that auch hier, wie überall in diesem Lande der Erpressung, seine höchst günstige Wirkung. Während Moses mit dem (5halyfa auf Proviantkauf ging, wandelte ich in den herrlichen Pflanzungen von Qäbiss umher. Außer den Palmen, Orangen-, Citronen-, Iohannis-brod-, Maulbeer- und Mandelbäumen wächst hier auch jene historisch-mythologische Pflanze, deren botanischer Name lUiain. nu« 1l)wk Denjenigen Recht zu geben scheint, welche in ihren Früchten jene von Homer besungenen süßen Beeren erblicken wollen, die Jeden, der sie aß, seine Heimath vergessen machten. Dieser Strauch hat viel Aehnlichkeit mit dem Ai^lm« (was die Franzosen .lu^udwr nennen), sein Laub ist hellgrün und seine Blüthen, die sich im Frühjahr in ungeheurer Zahl über die Laubeskronen ausbreiten, winzig klein, zierlich und anmuthig gefärbt. Die Frucht ist rundlich, einer diminutiven Nundpflaume vergleichbar und kleiner als die gewöhnliche Zizivhusfrucht. Ich habe diese berühmten Beeren nicht gekostet, da sie erst im Herbste reifen. Ihr Geschmack soll aber sehr angenehm säuerlich-süß sein. Die Araber dieser Gegenden hegen eine so großc Vorliebe für diese Frucht, daß diese die Fabel von den Votovhagen wohl zu rechtfertigen scheint, obgleich jedenfalls viel Uebertreibung an ihr ist. Eine sehr ausführliche Beschreibung dieses Baumes, seiner Blüthen und Früchte hat übrigens schon der französische Botaniker Desfon-taines im vorigen Jahrhundert geliefert, welcher zuerst, glaube ich, auf die Identität dieses Gewächses mit dem von Homer, Strabo, Plinius erwähnten libyschen Lotos, den wir nicht mit dem ägyptischen verwechseln dürfen, aufmerksam gemacht hat. Der ägyptische Lotus war bekanntlich eine Nasserpflanze, I^mpn-»,^ Iowg, unsrer gewöhnlichen weißen ^mplmua verwandt und hat mit dem Lotosbaum nichts gemein, als den zufällig gleichlautenden Beinamen. (Siehe Peyssonel und Desfontaines: VoM^'68 ä:m» l«« Ki^on063 398 de Tunis et d'Alger, publics par Dureau tie la Malle, Paris 1838. Vol. II. p. 307 it. ff.) Außer dieser Strauchart sind es namentlich viele Färbekräuter, welche die niedere Schicht der Vegetation der Oase bilden, das Henna sl^liu8oni^ inLi-mi»), mit welchem sich die Araberinnen Hände und Füße orangegelb färben, der Dschedry (eine No?Pi1u8'Art), ein hochroth färbendes Kraut, und jenes andere Färbekraut, das die Franzosen Oiu-llnoo nennen und das die bekannte Beinkleiderfarbe der Truppen abgiebt, denn auch die tunisischen Soldaten tragen garaneerothe Unaussprechliche. Maulbeerbäume kommen auch in Qabiss vor, obgleich sie jetzt ohne allen Nutzen für die Bevölkerung sind, da die Seidenraupenzucht, welche zu el Bakry's Zeit hier blühte, seit Jahrhunderten bereits aufgehört hat. Die von demselben Geographen geschilderten Bananen- und Zuckerrohr-Pflanzungen sind leider auch eingegangen. Zur Blüthezeit der maurischen Civilisation waren die Araber nicht nur industrieller, sondern, wenn man sich so ausdrücken kann, auch kosmopolitischer in ihrer Weise, den Boden zu bepflanzen, sie versetzten leicht ein Gewächs des Ostens in den Westen und umgekehrt. Jetzt hat die einseitige Provinzialnationalität auch in dieser Beziehung ihre Rechte geltend gemacht. Nenn man den heutigen Arabern den Rath giebt, irgend ein Gewächs anzupflanzen, das gutes Gedeihen verspricht, aber nicht speciell zu den Kulturpflanzen des Landes gehört, so bekommt man ähnliche Antworten, wie wenn man einem deutschen Bauer von Dampfpflug und dergleichen reden wollte. Zu bewundern ist es wahrlich bei der Indolenz der Menschen, daß diese Oase überhaupt sich eines veihältnißmäftigen Blüthestandes erfreut. Diesen verdankt sie lediglich den Vewässerungsanstalten, welche den kleinen Fluß Ue"d Qäbiss nutzbar gemacht haben. Aber diese Anstalten sind höchst primitiver Natur und weit entfernt von jenen kunstvollen Nasserleitungen aus der Vluthezeit der Araber 399 in Spanien, wie ich sie in den Thälern der Sierra-Nevada bewunderte. Sie schienen mir eben so viele Ruinen ihres Fleißes und ihrer längst zur Sage gewordenen Industrie. Damals leitete man die Flüsse aus der größten Entfernung in Hunderten kleiner Abzugskanäle in die zu befruchtende Ebene. Jetzt versteht man es nicht einmal, aus dem vorüberfließenden Fluß den gehörigen Nutzen zu ziehen, eine Unfähigkeit, von welcher Qabiss einen schlagenden Beweis liefert. Statt den diese Oase bewässernden Fluß durch einen dauernden, aus Steinen erbauten Damm aufzustauen und für das zu heftig andringende Nasser eine Schleuse anzubringen, wird alljährlich ein einfacher Erdwall an der Flussesmündung aufgeworfen, der allerdings das Wasser eine Zeit lang aufhält und so in die Felder gelangen läßt, der aber auch regelmäßig, wenn sich recht viel Wasser gesammelt hat, wieder weggeschwemmt wird. Da übrigens dieses Flüßchen das ganze Jahr hindurch Wasser giebt, so leidet die Oase keinen absoluten Mangel, nur muß sehr vorsichtig mit der Eintheilung des jedem Felde zukommenden Wassers verfahren werden. Die Obhut dieser Vewässerungscintheilung haben aus jedem der Dörfer, welche die Oase bilden, drei odcr vier Männer, die täglich in bestimmten Zeiträumen kleine Grddämme errichten und später niederreißen, je nachdem ein Canal gestaut oder geöffnet werden soll. Hiebei kommen jedoch viele Streitigkeiten Vor, und fast immer geschieht es, daß ein Dorf sich beschwert, bei der Bewässerung übcrvorthcilt worden zu sein. Wasser entziehen heißt aber hier Alles entziehen, denn ohne die künstliche Bewässerung würde in der Oase auch gar nichts wachsen. Als ich Abends im Hause des Chalyfa ein Plauderstündchen feierte, erzählte mir dieser Würdenträger, wie schwer es sei, seine etwas widerborstigen Unterthanen in Ordnung zu halten. Die einstige Stadt Qäbiss ist jetzt in drei Dörfer, 40U Dschära, Mansil und Schmnwy aufgelöst, derm Bewohner nicht eben die freundschaftlichsten Gesinnungen gegen einander hegen. Namentlich die zwei ersteren, berichtete der „Vater des Alpdrückens", lägen sich beständig in den Haaren. Erst im jüngst verflossenen Frühjahr sei es wieder zu einer Erneuerung der Feindseligkeiten gekommen. Nicht selten führten diese Feindseligkeiten zu Verwickelungen ernsterer Natur, zu blutigen Anfällen, gewaltsamer Beraubung, Brandstiftung und dergleichen Schreckensthatm, alles Dinge, welche dem „Vater der Nachtmahr" schwere Sorgen bereiteten. Wenigstens behauptete er dieß und finstere Wolken lagerten sich auf seiner von Sorgen umnebelten administrativen Stirn, während er von den Gesetzwidrigkeiten seiner höchst strafbaren Untergebenen sprach. Später erfuhr ich aber, daß dieß Alles nur Comödie und daß dem guten Chalyfa in Wirklichkeit nichts erwünschter sei, als so recht strafbare Untergebene zu besitzen. Denn die Strafbarkeit dieser Untergebenen war ganz einfach für ihn eine Goldquelle. Sie wurden nämlich zum bei Weitem größten Theil mit Geldstrafe,: heimgesucht und wenn auch der gierige Fiscus oder vielmehr Seine Excellenz der erste Minister, einen Theil der verfallenen oder, wenn man sich streng ausdrücken will, erpreßten Strafgelder in Anspruch nahm, so blieb doch immer noch genug in Qäbiss zurück, um den Chalyfa für seine schweren administrativen Sorgen zu entschädigen. I^ü>.t ^iMitiU) per^ut immäli«, das war deßhalb sein offen ausgesprochener Grundsatz und nach diesen: wurde die Gerechtigkeit in Qäbiss gehandhabt und warf goldene Früchte, wenn auch zuweilen unter Anwendung des andern juristischen Spruches: ^ummum Hu», »uininu injiu'ü»,, denn bei den Geldstrafen wurden eben keine mildernden Gründe, welche das Jus des Qoran nicht kennt, geltend gemacht; aber, wenn auch manchmal der Unschuldige mit dem Schuldigen litt, so besaß das Opfer der Geldstrafe doch wenigstens den Trost, daß die 4ttl juristischen Formen dabei nicht vernachlässigt worden waren, denn auf diese hielt dcr Chalyfa strenge und jeder Zahlende konnte sich sagen, daß er in aller Form des Rechts beraubt werde. Trotz der schweren Sorgen, welche der „Vater des Alpdrückens" vorzugeben für nothig fand. ließ sich doch in seinem ganzen Wesen der Kern einer gewissen heitern Befriedigung nicht verkennen, ja selbst jenes traurige Thema, die strafbaren Untergebenen, mußte noch dazu dienen, seine innerliche Heiterkeit durch den Schleier der officictten Melancholie heroorblitzen zu lassen, indem es ihm Gelegenheit gab, allerhand Anecdoten zu erzählen, in denen diese strafbaren Untergebenen eine höchst lächerliche Nolle spielten. Eine Originalität namentlich, welche den Bewohnern von Qäbiß eigenthümlich ist. bcntctc der crzählnngslustigc Chalyfa mit höchst gelungenem komischem Cffcct ans und rif; dadurch seine sämmtliche Umgebung, die natürlich anch officieller Natur war und folglich entweder wirklich aus der Stadt Tunis stammte oder sich einen solchen Urspruug zuschrieb, zu schallendem Gelächter hin, in welches ich aus Höflichkeit mit einstimmen mußte. Diese Originalität besteht in der Vorliebe dieser Oafenbewohncr für eine Speise, welche vielleicht wohlschmeckend ist, deren Schmackhaftigkcit aber wenig Enropäer zn erproben den Muth haben. Mit dieser Speise sollte ich am nächsten Tage eine freilich nicht bis zum Genuß gehende, sondern sich auf die Angculllst beschrankende Bekanntschaft machell, denn das Thier, welches nur gebraten servirt wurde, siel nur gleich beim ersten Anblick als höchst verdächtig auf, indem es keinem nur bekannten Wildprct und noch weniger einem eßbaren Hausthicr glich. Es hatte lange Ohren nnd einen langen Schweif, einen Hascnkörfter. aber mit so heterogenen Beinen, wie ich sie noch nie an einem Hasen gesehen hatte; dabei erfrente es sich einer solchen II. 2tt 402 Wohlbeleibthcit, wie dergleichen nie bei einem im wilden Zustande lebenden Thier vorzukommen pflegt nnd doch auch sprachen seine eigenthümlichen Formen gegen die Annahme, daß ich es hier mit einem Schlachtvieh zn thun habe. Von natnrhistorischer Wißbegierde durchdrungen, wagte ich es meinen Gastgeber, einen der respektabelsten Bewohner von Qabiß, nach dem Genus nnd der Species dieses seltsamen Bratens zu fragen nnd bekam die überraschende Antwort, daß das Thier zur Gattung von Liwiä vu1Zai-i8 gehöre. Also einen gebratenen Hund hatte ich vor mir! Unglaublich, aber, wie so Vieles Unglaubliche dennoch wahr. Ich bin nun zwar kein Feinschmecker, habe schon manchen seltsamen Braten gekostet, Eidechsen mitinbegriffen, aber ich weiß nicht, welches Vorurtheil mir gegen einen Hundrbratcn einen Abscheu eniftWe. Kurz ich vermochte von dem interessanten Thier nicht das Geringste zn kosten, kann also dein Leser nicht aus Erfahrung bezeugen, wie sein Fleisch schmeckt. Daß dieses aber den Bewohnern dieser Oase trefflich munden mnßte, davon war ich Zeuge, denn in überraschend schneller Zeit wanderte der gebratene Jagdhund (es war ein solcher, nur durch Mästung etwas unkenntlich gemacht) in die Magen-sackc meiner Tisch genossen, und nm diesen interessanten Umstand drehte sich denn auch an dem erwähnten Abend das heiter erregte Gespräch des Chalyfa. Vielleicht war es eine Verlänmdnng seiner Untergebenen, was er erzählte, aber, wenn eine solche, so war es wenigstens eine Verlänmdnng, welche allgemein, selbst in Tunis geglaubt wird uud somit mindestens zeigt, was man von diesen Oasen« bewohncrn für möglich hält. Er behauptete nämlich, die Qabisfaner pflegten Hnnde eigens zu füttern und zn mästen und daher komme es auch, daß man dieses Thier, welches sonst in Afrika viel weniger häufig ist, als in Europa, hier. in dieser Oase, beinahe ebenso oft, wenn nicht noch öfter 403 antreffe, als in Ländern die nicht von Mohammedanern bc« wohnt werden, welche letztere sonst immcr cine Art von Abscheu und durch die Religion beeinflußtem Ekel vor dieser Gattung empfinden. Fast jeder Bewohner der Oase halte Hunde, aber er pflege sich wohl vorzusehen, daß sie ihm nicht von seinen Nachbarn für den Tafclgcbranch weggeschleppt würden. Die Qäbissaner, auf diesen Leckerbissen versessen, liebten es nämlich besonders die Hunde durch verführende Lockspeisen in einen Hinterhalt zu locken nnd zu stehlen, sie hätten es sogar im Fallenstcllcn dieser Thiere sehr wcit gebracht. Em besonderes Glück für sie bilde jedoch der allerdings nur ausnahmsweise sich ereignende Umstand, wenn einmal ein Reisender sich zu ihucu verlöre, der der Jagd oder der Liebhaberei halber, Exemplare dieser Gattung bei sich habe; nnd an diese Bemerkung knüpfte der Chalyfa cine Anecdote, die ich zwar mittheilen, für welche ich jedoch dem Würdenträger die volle Verantwortlichkeit überlassen möchte. Unter andern seltenen Vögeln, welche sich alle zehn oder zwanzig Jahre in unsere abgelegene Provinz zu verlieren Pflegen, befand sich, so erzählte der Chalyfa, anch einmal eine englische Lady, eine vornehme Dame, welche fürchterlich viel Geld hatte, schr jnng und sehr schön war, kurz die Alles nnr erdenkliche Angenehme uud Gute besaß, nnr Eines nicht, was wir Moslims für eine Hanpttugcnd bei Frauen halten, ein fü« männliche Licbc, und folglich für die Ehe geneigtes Herz. Die Lady war lcdig und fchien anch ewig ledig bleiben zu wollen. Iu ihrem Vaterland hatten sich schon viele Männer ihrethalben unglücklich gemacht und anch hier in Afrika entzündete sie überall verliebte Glnthcn, ohne sie jedoch jemals zn löschen. Diese grausame Schöne liebte nur ciu einziges Wesen, dieses aber anch, wie es schien, mit einer schwärmerischen Gluth, welche eines würdigeren Gegenstandes werth gewesen wäre. Dieser Gegenstand war '26* 404 (brauche ich es zu sagen?) der Schooßhund der Lady, ein allerliebstes kleines, sehr fettes Thier von einer Gattung, die sich der Vorliebe der Könige nnd Kaiser erfreut hatte, einer Gattung welche früher in Europa häufiger gewesen, jetzt aber sehr selten sein soll und welche die Rumy's, wie ich mir sagen ließ, „Möpse" nennen. Dieses Thier erregte, kaum als die Lady in Qäbiß angekommen war, in unbeschreiblichem Grade die Bewunderung der Oasenbewohner. Nie hatten sie noch ein so scho'ucs Thier, mit so lieblichen abgerundeten Formen, mit so strotzenden Fettballen und Fettbällchen am ganzen Leibe, kurz nie eiues gesehen, welches einen bessern Braten versprochen hätte, als der Mops der Lady. Diese Dame in ihrer Unschuld besaß keine Ahnung davon, auf welches gefährliche Terrain sie ihren Liebling geführt habe. Sie deutete deßhalb auch die offenausgesprocheue Bewunderung der Qäbissaner als durchaus nicht vcrhängnißvoll, sondern nahm dieselbe als eine Schmeichelei auf, welche iudirect ihr selbst gelten sollte. Sie erklärte sogar in einer gemüthlichen Stunde ihre Zufriedenheit mit den Sitten der Oasenbewohner, welche von den Vorurtheilen gegen Hunde, wie sie andere Moslims hegen, so gar nicht angesteckt schienen. Aus dieser Gemüthsruhe stand ihr jedoch ein entsetzliches Erwachen bevor. Die Lady wohnte bei meinem Vorgänger im Amte, dem früheren Chalyfa, der zufälliger Weise selbst ein Qabissancr war und die ganze schändliche Denkungsart seiner Landslcute in Äezug auf die Eßbarkeit der Hunde theilte. Der Chalyfa nahm die Eligländcrin, welche mit einem Amr-Bcy versehen ankam, höchst ehrenvoll auf, bewirthete fie aufs Köstlichste, so daß dicfe gewiß zufrieden gewesen wäre, nnd bei ihrer Zurücktun ft nach Tunis nur Treffliches über den Chalyfa ausgesagt haben würde, hätte dieser Unglücksvogel 403 ihr unter Anderen nicht auch cm Gericht vorgesetzt, welches allen Frieden stören und ihn selbst nm Amt und Würde bringen sollte. Eines Tages war die Dame bei den Gemahlinnen des Ehalyfa zum Essen eingeladen. Vorher aber wünschte sie ein Bad zu nehmen und da in ganz Oäbiß nur im Harem des Gouverneurs ein solches befindlich war. so begab sie sich dorthiu uud befand sich also schon iu dem Hause, wo sie spciseu sollte. Ihren Schooßhuud, vou welchem sie sich sonst nie trennte, sah sie sich dießmal jedoch genöthigt, vor der Thüre des Damftfsaales zu lassen, da die hciszc Luft den Nerven des etwas zarten Thieres schädlich erachtet wurde. Nach dem Bade war natürlich ihr Erstes, dcu Mops zu verlangen, sie beruhigte sich jedoch bei der Aussage einer Dienerin, derselbe sei nach dem von der Lady bewohnten Sriwchause gelaufen und glanbtc, er befände sich dort unter der Aufsicht ihrer Kammerfrau trefflich aufgehoben. Die Mahlzeit war trefflich zubereitet. Die Lady erweiterte an vielen schmackhaften, ihr noch nnbekanutm arabischen Gerichten ihre Kenntnisse über die Kochkunst des Landes und schien im höchsten Grade wohl aufgelegt. Diese gute Laune wurde auch nicht gestört, als gegen das Ende des Mahles ein seltsames, aber höchst schmackhaftes Gericht seine Erscheinung machte. Es war ein Nagout von ciuem sehr fetten und saftig schmeckenden Fleische mit spanischem Pfeffer und anderen würzcndcn Iugrcdicuzcn höchst gamnen-gerecht zubereitet. Nur begriff die Lady nicht, was es für ein Thier seiu könne uud verläugte dcu Kopf zu sehen. Man nahm anch gar keinen Anstand, ihr diesen zu zeigen, da die Qäbissancr kcine Idrc davon hatten, daß die Lady ihren Mops zu einem anderen Zwecke mit sich geführt habe, als um ihn bci Gelegenheit zu verspeisen. Diese Gelegenheit 406 hatten sie ihr verschaffen und zugleich dadurch ihr das culi-narische Vergnügen machen wollen, ihr vermeintliches Lieb-lingssieisch auf eine schmackhaftere Weise bereitet zu essen, als anf die gewöhnliche europäische. Denn es war wirklich jenes zärtlich geliebte Schooßhündchen, welches die Haremsbewohnerinnen der Dame vorgesetzt und von welchem die Unglückliche gegessen und noch dazu mit vielem Appetit gegessen hatte. Die Lady konnte keinen Augenblick über die Identität des von ihr gekosteten Bratens mit ihrem theuren Mops in Zweifel sein; denn das Haupt hatte noch Haut und Haare und in ganz Qabiß gab es keinen zweiten Mops. Man denke sich den Schrecken, die tiefe Trauer und den mächtigen Zorn der Dame über dieses Perbrechen, zugleich auch den Ekel, welchen ihr der Gedanke, selbst von dem Fleische ihres Lieblings gegessen zu haben, einflößte. Von diesen« Moment an schwur sie dem Würdenträger, der nur aus Unwissenheit gesündigt hatte, ewige Rache und sie ruhte auch bei ihrer Zurückkunft nach Tuuis nicht eher, als bis der englische Consul beim Bey die Absetzung des Chalyfa und die Bestrafung aller Betheiligten und Mitwisser an dem Verbrechen durchgesetzt hatte. Wegen dieses Hnndes sind in Qäbiß mehr Menschen geprügelt worden, als wegen zehn ermordeten Moslims. Freilich war er auch der Schooß« Hund einer Engländerin und noch dazu ein Mops, gegen dessen Person das Gastrccht auf die schändlichste Weise verletzt worden war. Seitdem hat man mich hierher geschickt und wehe dem, der jetzt den Huud eines Europäers auch nur scheel ansehen würde. Schreckliche Strafen erwarten ihn. So erzählte der Chalyfa und obgleich er von schrecklichen Strafen sprach, so nahm doch sein Gesicht bei dem Gedanken an dieselben einen keineswegs traurigen Ausdruck an, denn grausam war er nicht und seine Strafen waren 407 eben lauter Geldstrafen, welche für den, der sie anferste, einen keineswegs melancholisch stimmenden Sinn besaßen. Unter solchen Erzählungen verflossen die Abendstunden gemüthlich nnd dann nahm mich znr Nachtrnhe eine von Palmeustämmcn erbaute, in einem zierlichen Gärtchcn gelegene, recht amnuthigc Behansuug auf. in welcher ich ohne Zweifel eine treffliche Nacht zugebracht haben würde, ohne die neue Bekanntschaft, welche mir hier vorbehalten war, nämlich diejenige einer besonders großen und energischen Flohgattnng, die sich alle Mühe gab. den Zauber dieser Oase, wcuigstcns in seiner Wirkung ans meine Phantasie, zu zerstören. Dennoch gelaug ihr dieß nicht gänzlich, denn als ich mich am andern Morgen nach der uächtlicheu Heil-gymuasik smanche Leute schreiben den Flohstichcn eine ähnliche Wirkung zu, wie den Frictioncn bei der schwedischen Heilgymnastik) neugcstärkt erhob, waren die Qnnlen des allzulebhaften LagerS sogleich vergessen, sowie ich in dcu reizendem Palmcnwald trat, dessen Fächer meine Behausung uniwehten. Am hentigcn Tage war es mir auch vcrgöuut, eiue nähere Gekanntschaft mit den Bewohnern dieser Oase zu machen nnd einen tieferen Einblick in deren wahre Nationalität zu thun. Daß letztere wenigstens zum Theil dem bcrbe-rischcn uud nicht dem arabischen Element angehören müsse, schien mir ans verschiedenen Anzeichen unzweifelhaft erwiesen. So führt ciu Dorf der Oase (etwa ciuc Vicrtelmcile westlich vou Mauscl gelegen) noch hcnt' zu Tage den Namen Schenniny, welcher derjenige eines berbcrischen Stammes der Dschcbaliya (Bergbewohner) des Innern ist, der noch die bcrbcrischc Sprache bewahrt hat, uud zwar ist diese Namcusbezcichunug nicht etwa zufällig, sondern die Schen-niuy von Qabiß sind sich vollkommen ihrer Stammesgleichheit mit den Schenniuy des Gebirges bewußt. Ja, einige M ältere Bewohner dieses Dorfes versicherten mir sogar, daß in ihrer Jugend das berbcrischc Idiom noch in Qäbiß verstanden wurde. Wenn es seitdem ganz verdrängt nnd diese Bevölkerung wie so viele andere Nordafrika's vollkommen arabisirt, worden ist. so braucht uns dns nicht zu wundern. Im Gegentheil müssen wir eher staunen, daß bei der Leichtigkeit, womit sich die Berbervölker arabisiren (in Algerien geht diese Arabisirung noch heut' zu Tage in ausgedehntem Grade vor sich) überhaupt noch Stämme übrig geblieben sind, welche die Sprache der Authochtoucn reden. Natürlich konnte es im Laufe der Zeiten nicht fehlen, daß eine theilweise Vermischung dieser Stämme mit arabischem Blut stattfand, namentlich da die Bewohner von Qäbiß nicht, wie ihre der Nationalität treugebliebcnen Stammesgenossen, die Dschebaliya, durch die Abgelcgenheit ihrer Berge und die Dscheraba (Bewohner der Insel Dschcrba) durch die insularische Lage ihrer Heimath von den Arabern geographisch geschieden waren. Höchst wahrscheinlich erfolgte diese Vermischung mit arabischem Blnt in den drci Haufttdörfern von Qäbiß m'cht in gleichem Grade und dicscr Umstand mag die Stammesfcindschaft erklären, welche die Bewohner der verschiedenen Ortschaften gegeneinander beseelt und welche zu jenen Reibungen Anlaß zu geben Pflegt, aus denen mein Wirth, der schlaue Chalyfa, einen so klingenden Vortheil zu ziehen verstand. Feste Wohnsitze finden wir in dicscr Gegend Tunisieus nur bei der berberischeu odcr doch von Berbern zum größten Theile entstammten Bevölkerung, ein Satz, auf welchen ich später, bci Erwähnung der noch jltzt ihre Nationalität trcubewahrenden Bewohner der Insel Dscherba eingehend zurückzukommen Gelegenheit besitzen werde. Das arabische Element, sei dasselbe nun durch wirkliche Araber oder durch arabisirte Berber vertreten, findet in diesem Theil von Nord- 4«9 afrika seinen culturhistorischcn Ausdruck fast ausschließlich in dem Nomadenleben. Fast alle Bewohner dieser Landschaften, welche jenem Element angehören, sind Nomaden, das, was man gewöhnlich Beduinen nennt, obgleich letzterer Ausdruck hier nicht so geläufig, wie im eigentlichen Orient erscheint. Nicht immer scheint jedoch dieß sich also verhalten zn haben. Zur Glanzzeit der arabischen und der sogenanmtten maurischen Civilisation hatte der verhältnißmäßig nicht geringe Einfluß solcher Araber, welche in ihrer Heimath schon an das städtische Leben gewöhnt waren, auch in Nordafrika zur Folge gehabt, daß auf deu Fundamenten der alten Römerstädte sich moslimischc Gevölkerungsmittelpunktc erhoben, welche eine Zeitlang cinen städtischen Glanz entwickelten, der demjenigen der alten Römerstädte nicht um Vieles nachzustehen schien. So war es auch in Qabiß der Fnll gewesen. Noch zur Zeit des Abu Obayd Allah cl Bakry war dieses letztere „eine schöne Stadt, umgeben mit einer soliden Mauer von Werksteinen, welche eine feste Citadelle, Basars, Fonduqs. prachtvolle Moschcccu und Bäder einschloß." Seitdem ist diese moslimische Stadt des Mttelalters zerfallen, wie denn überhaupt das städtische arabische Element in ganz Nordafrika eine bedeutende Verminderung erlitten hat. Dagegen sind aus der früheren Stadt nun drei zerstreute Dörfer entstanden, indem das bcrberische Element, welches ohne Zweifel den Hauptkern dieser Bevölkerung ausmachte, uach Verfall der arabischen Civilisation seinen alten Instincten trcubleibend, zu derjenigen Lebensweise zurückkehrte, welche ihm die homogeuste schien. Denn wenn auch an bleibenden Wohnsitzen fest« haltend, so scheinen doch die Berber überall in Nordafrika das Wohnen in kleineren Volkscentren demjenigen in Städten vorzuziehen, wie wir denn auch keiue einzige Stadt finden, deren rein berberischcr Ursprnng nachweisbar wäre, obgleich in allen das bcrberischc Element sehr stark vertreten ist. 4lO Die moslimischc Stadt des Mittelalters, welche die jetzt nur für den District gebräuchliche Bezeichnung Qabiß führte, war übrigens nur die Nachfolgerin der alten römischen Colonic gewesen, deren Name unzweifelhaft Tacape lautete. Wenigstens treffen die im Itinerarium Antonini Augusti angegebenen Entfernungen zwischen Tacapc und Cellar vicus, sowie zwischen Taeape und Agma oder Fulgurita Villa, wenn anders wir, wie es wahrscheinlich ist, ersteres mit el Hawynat, letzteres mit Serat idcntificiren können, bis auf eiu Milliarium zu. Ebcuso genau zutref-feud erscheint die Angabe der Peutingerschcn Tafel, was die Entfernung zwischen Tacapc und Fulgurita betrifft, während diese Quelle uns auf der andern Seite die jetzt nicht mehr nachweisbaren Stationen ad Palmam, Lucene und Präsidium Silvani giebt. Schon Varth hat darauf anfmcrksam gemacht, daß die Etymologie des Namens, wie sie Bochart vorschlägt (8am. Looliart, t^Lo^'aiilng. L^ora. 1646 paF, 542), H!",I2 „der bewässerte Ort" unendlich derjenigen des Gesenius (von ü^' !^- d. h. clc>mu8 olivi) vorzuziehen sei, wie auch die Stelle bei Plinius, welche bei Taeape von „riZuo 30I0" spricht, beweist. Obgleich natnrgemäß zur Byzacena gehörig, so ward doch Tacnpe, als die Provinz Tripolitana gebildet wurde, zu dieser geschlagen nnd blieb auch bis zum Fall der byzantinischen Herrschaft in dieser Verbindung. In der christlichen Periode fiuden wir sie als Visthum erwähnt, von desfen Inhabern uns drei bekannt geworden sind, Dulcitius (403), Servilius (484) und Gayus (525), welche sich zu den Con« eilen nach Karthago begaben. Im sechsten Jahrhundert scheint Tacape schon einen dem heutigen sehr ähnlichen Namen geführt zu haben, wenn anders wir annehmen können, daß es sich in folgenden Versen des Corippus genannt findet (^cli. II, 116): 411 Macumiana maims calidis dcscendit ab agris Quae Tripolis deserta colit; Gadabisque maligna Mittit ab arce viros. Dcr Nmstaud, daß hier Glldabis gleich nach Macumiana, in dem man allgemein Macomades erkcnut, das zwischen Ssfaqeß nnd Qäbiß lag, genannt wird. macht es sehr wahrscheinlich, daß wir hier eine Ucbcrgangsform des Nanims Tacape zu dem hentigen Qöbiß besitzen, der ans Gadabis entstanden scheint. Die Existenz einer mittelalterlichen Stadt an dieser Stelle, welche das Material der alten römischen Gebände verbrauchte, erklärt die beinahe gänzliche Abwesenheit von Ruinen in Qabiß. Dennoch lassen sich noch auf mehreren Hügeln der Nachbarschaft von Mansel Trümmer unterscheiden nnd im Boden zeigen sich noch fünf bis sechs massiv gebaute Cisterncn von MürtePrnctur mit großen Stemm (lüaßinonticia sti'ucwra antiyua) vollkomincn erhalten. Auch findet man fast bei jedem Schritt eiuc außerordentliche Masse von Fragmenten thoncrner Gefäße, deren große Menge wohl durch die in dieser Gegend von Skylax bezeugten Purpurfärbereicn cincsthcils, andernthcils durch die Nähe der noch heute an thoncrucn Fabrikaten so reichen Infel Dfchcrba erklärt werden dürfte. Dieser außerordentliche Reichthum von Gefäßbrnch-stücken bestimmte mich dazu, hier eine kurze, leider uur oberflächliche Nachgrabung veranstalten zu lassen. Aber, so oberflächlich sie auch war, fo brachte sie doch den Fuud einiger recht artigen antiken Vasen znm Vorschein. Unter diesen befand sich ein sehr wohlerhalteucr Cadns, ein länglichrundes, unten spitzes Gcfäß mit zwei Henkeln nnd einem Deckel, eine Cagcna, ein rundlicher Krug, ebenfalls mit Henkeln und einem wagrcchten Fußstück, verschicdcue Dolicn, Amphoren, Seriae u. f. w. Der interessanteste Fund schien mir jedoch 4l2 derjenige eines an einem Wcingefäßc befestigten Lederstreifcns, welcher, obgleich seine Inschrift längst verschwunden war. doch offenbar cinst dazu gedient hatte, die Sorte und den Jahrgang des Weines aufgezeichnet zu bewahren, denn bekanntlich besaßen die Nömer solche Weinetiquetten, welche sie M-taeia nannten (I>str. 8at. 34 und 56). So interessant auch eine Fortsetzung dieser Nachgrabungen zu werden versprach, so war es doch mein Schicksal, ihnen sowie dem weiteren Aufenthalt in Qabiß entsagen zu müssen, denn wieder drang der ungestüme Baolo auf Abreise und zwar diesmal, wie ich selbst zugestehen mußte, mit Recht, da sich eine Luftströmung, wie wir sie gar nicht günstiger wünschen konnten, erhoben hatte und uus binnen kürzester Zeit an's Ziel unserer Reise zu tragen versprach. Da diese Neise und dieses Ziel jedoch genau dieselben sind, welche ich fünfzehn Jahre später wieder zurücklegen und erreichen sollte und die in den beiden nächsten Kapiteln ihrc Erwähnuug finden, so breche ich hier die Beschreibung meiner Seefahrt von Tnnis nach Tripolis ab. den Leser auf das Folgende verweisend. 4l3 Anhang I. Tabellarische Uebersicht^) über die Bevölkerung Tunisiens, die wichtigsten Städte, Regierungs-districte, Nomadenstämmr, ungefähre Einwohnerzahl nebst den Namen der Gouverneure im Jahre 1868. I. Bevölkerung mit theilweise festen Wohnsitzen. Offizieller Namei Tatale ! Nomadische ^ Hauptort des , n«!^ ! n> >> , «-.^^., des Qäyidats Bevolker- Bevölkerung im Qäyidats und ^^' ^""?f ^ s (Gouvernements). ung. Qäyidat. Volkszahl. Oltichastm. ,m ^zahre l868. Bensart (Bi- 31.400 14.000. rvorun- Bensart (Viserta) Rhar el Melk (Porto Der Brigadegmeral serta) ter 10.000 Trab- 5000 Einwohner Farina) 2000 Einw. Namyda ben 'Ayäd. lossiyä (aus Tripolis stammende Nomaden) Mochtär oder 21.800 9 Stämme im Mochtar od. Ma- keine Nicht ernannt. Mädir Mo'qodh 15.000 ^ 3500 Einw. Vedfchäwa 2000 Nomaden 17,000 ") Diese Tabelle ist auf Grund einer mir vom tunisischen Ministerium gegebenen Liste entworfen, welche freilich sehr mangelhaft war und vielfach nach anderweitigen Quellen ergänzt werden mußte. Da eine Volkszählung nie stattfand, fo sind alle Schätzungen nur von ungefähr und ich stehe keineswegs für ihre vollkommene Genauigkeit ein (Man sehe die Note am Schlüsse von Anhang I). 414 Officieller Name! Totale Nomad^che Haupton des ^^ q?am. d^ ^^i^ general Ssayydy Ssa-lym Dauletly (Dey). Mo^ammediya ^ 7000 2000 Mohammediya Mornaqiya 200 E Myy el Assn und 300 Einw. liammämelAnf 3000 1000 Nammäm el Anf keine von Bedeutung! Punäß el Asymy, 500 Einw. ! Ssolayluän 34,000 13,000 Ssolaymän (Sli- Näbel 4800 Einw. Der Brigadegeneral (sprich Sliman) man) 2000 E. yammamat 2000 Mahmud Asäys. UammämQorba3000 ! Qalibiya 2500 Ssäkil und 52,000 7000 Ssussa 7500 E. Qa'lat ec ^arhyra Der Kriegsminister, Ssussa 2800 Einw. Herqla General Säruq. ! 1500 Mißtyr (Mo-5 41,000 4.600 ohne die ^ Mißtyr (Monas- Tebolba? 2500 Ew. Der Brigadegeneral nastir) ,^ Methalit. die als tir) 8000 Einw. Roqalta? 2000 E. Ssayydy Dthmän. ! Beduinen eigene Verwaltung ' haben Ofsicieller Name Totale Nomadische Hauptoit des ^^ ! Name des Qayid's des Qäyidats Bevölkev- Bevölkerung un Qay^dals und Ortschaften ! im Jahre 1868. Mahdiya (auch 22,000 5000 ohne die Mahdiya (Africa) viele Dörfer Der Brigadegeneral qenanrtt Africa) compacten Noma- 9000 Einw. Yossayn. Qäyid der denstämme Melhalit. Ssfäaeß lSfar) 24,000 9000 Ssfäqeß (Sfax) viele Dörfer Der Qäymäqam Nas-10.000 E. san el Dscheluly. Inseln Qar- 10,000 keine Mirssä 200 E. viele kleine Dörfer Der Obige aä interim, qenna ^ayruän und 22 000 12.000 Qayruan 12.000 keine von Bedeutung MyY ben Chalyfa Drusch Sia- Einw. Qäyid der Dfcheläß nädfchaq Aydyr. Qafca 14,400 keine im eigent« Qafya 5000 E. keine von Bedeutung Ahmed ben Yussuf. lichen Regierungs-districte Dscharyd (Be- 53.000 keine im eigent- 3 Hauptstädte: Uomma 2000 Einw. 'AlyY eß Ssässy. led el Dscharyd lichenReqieruugs- Tusär 5600 E. Schorfä 1400. Sur-districte Nefta 8200, qän 1000 ^ UdyMN 3800 4l6 4N Insel Dscherba/ 60,000 keine Naumt eß Ssuq ^adryän 2000, 1868 der Minister des 3000 Einw. Uaumt 'Adfchym Innern SsayyoyRoß-^ 1800. Ssedwydschet tan, 1869 llamydaben " 2000 Einw. "Ayäd. zugleich Qayid von Vensart. Arad 51.000 10.000 Qäbiß sGäbß) viele zerstreute Oasen^ Der Divisionsgeneral 6000 Einw. dörfer Muttafa Agha. Taßtur 16,000 5000 Midschas el Vab kleine Dürfer yassuna ben Ssa'ad. 1800 Einw. ll. Nomlldenftämme außerhalb der städtischen Regierungsbezirke. Aulad Ssä'yd nördlich von 6000 ! ^ Der Vrigadegeneral bm Wa'är Ilerqla i Mawnud 'Asäys. Waderna östlich von Qä- 5000 Leben theils auch in! Seit 2 Jahren wegen 5» biß Dörfern ^ Rebellion kein Qayid. Aqara beiDschardschyß 3800 Leben theils auch in ^ DerQaYidvonDscher-Törfern l>a. der aber uon den Aqara nicht anerkannt wird. 418 Banü Jaqub zwischen Vcchr, 5000 Nicht zu verwechseln! Ssayydy Alimed ben Firaun und mit den Aulad ^aqub Mol.iammcd. Qabiß Aulad Ssayydy bei Feryana 6000 El Chadhir ben 'Ab-Akmed et i ^ baß et Tlyly. Tlyly Bayt esch bei Qafca? unbekannt El Ilädsch Mokammed Schrya' Thrud. Schylyn und bei Sarhuän? 4000 Der Amyr May Nas. Raßfäna - sän basch Memluk. 'Orusch Ssa- ? 2000 Dieser und die zwei Kebayr el Moliar» yydy Moliar« folgenden Stämme ste- ridschy. ridsch hen nur in der mir vom Minister gegebenen Liste; aber nicht einmal ihren Wohnort Scharan und ? 3000 konnte ich ermitteln Rarha l Sonst wußte Niemand 'Allala ben Fachut mir etwas über sie zu Ulid ^älal». l sagen 4l9 ^"'° ^ 8000 DerCavalleriegeneral Ssayydy Raschyd. Tuäba östlich von Bi- 4000 Mmed el Bädschy. ^"^ba ? ? Dieser Stamm steht 'Omar er RMy. nur m der aus dem Ministerium stammenden Liste; sonst konnte ich nichts über ihn erfahren Ruryb ^»«To. 2°«° TfaMß el Ar >ir, ^B?di^" Qo'nN^ "°°°"' ^ Die bedeutendste T„ BrigadegemM ^ Qon,^schobba Inbegriff der Stammesgruppe m ^^^^_.^,_ ^,, Kuka, im gan- vier Neben- nördlichen Tunisien. ^^M er Rmhy. zen Norden der st^me berberischen Ursprungs Regentschaft zerstreut " Dschwyn^ ^^ Unterabtheilung der ^älah ben Nassau. ^"!? bei Badfcha Unterabtheilung der Myy ben Maryssy. 43ft 3) Auläd bei Ssayydy Unterabtheilung der Mmed ben "Omar ben "Arfa > "Abd er Nabby Dryd - ' 'Abd Allah. 4) "Arab unweit Duqqa Einziger arabischer El Chadary. ein zehn-(Araber im Stamm in der ber- jähriger Sohn des Gegensatz zu . berischen Stammes- Qäiyd's aller Dryd den übrigen gruppe der Dryd führt den Titel Dryd. die Ber- „Qäyid el "Arab", ber sind) AuM Ssa- nördlich vom 5000 yydy "Abyd Medscherda Mmed bu Ssmyda. südlich von Bädscha Ußlatiya und im ganzen Nor- 6000 Die Ußlatiya. vom Der Bäsch yämba yanussiya den Tunisiens Dschebel Usialit stam- yadsch ef ^ädiq. zerstreut mend, wurden im vorigen Jahrhundert von dort vertrieben und zerstreut Aulad Aun ! am oberen Lauf nach Pelissier Qapm ben Tä^-Allah des Ssylyäna 10.000, alle für alle 3'Stämme. 3 Nebenstämme inbe-griffen 1) Aulad Gebirge am Unterabtheilung der Kein besonderer Qäyid. Ssfyn rechten Ufer des Auläd 'Ann Sfylyana 2) Sfylyäna Ebneamrechten Unterabtheilung der Kein besonderer Qäyid. Ufer des Ssn- Aulad 'Aun lyäna 3) Ssa^myd linkes Ufer des Unterabtheilung der Kein besonderer Qayid. Ssylyäna Aulad 'Aun Auläd Dllkya nördlich von 3000 Sehr zusammenge- El Bayry. Kißra nordöst- schmolzen lich von Qay-ruän Nefat Gegend um 8000 hälah ben Chalyfa. Nanschyr Ssä-'hda VtethÄyt Gegend um 20.000. alle 5 Die Methälyt werden Der Brigadegeneral el Dschem und Nebenstämme von ihren Nachbarnals Nossayn. Ssfäqeß j inbegriffen unkriegerisch verachtet 421 432 1) Auläd Me- bei Ssfäqeß Unterabtheilung der Keine besonderen rak Methalyt Qäyid's für die fünf 2) Auläd Me- bei Sffäqeß Unterabtheilung der Nebenstämme, raya Methalyt 3) Auläd bei el Dschem Unterabtheilung der Ssa'yd Methalyt 4) Auläd Ba- bei Myßtyr Unterabtheilung der läta Methalyt 5) Auläd bei Myßtyr Unterabtheilung der Nedfchem Methalyt Ssawasia (vul- nördlich von el 8000 Hat jetzt nur noch ein el Mdsch 'Alyy ben 80 Sfuässy) Dschem einziges Lager ' Issuckyl. Faräschysch von Tebessa bis z 12.000 mit Sehr zusammenge- el yadsch Maqyd. gegen Dschilma ! den drei Ne- schmolzen seit der Re-benstämmen bellion von 1664 1)AulädMyY Mich von Unterabtheilung der Die Nebenstämme ohne 2) Auläd Haydra Faräschysch besondere Qayid's. Wasas südöstlich von Unterabtheilung der Tebrssa Faräschysch 423 3) Auläd Gegend um Unterabtheilung der Nädschy Qaxräyn Faräschysch Mädschir Gegend um 8000. die 3 Myy ef ^Kfir. Ssbaytla und Nebenstämme Ssabyba inbegriffen 1) Auläd Gegend um Unterabtheilung der Keine besonderen Man a Dschilma Mädschir Qäyid's. 2) Scheqetma Ssabyba Unterabtheilung der Mädschir 3) Mädschir el Ssbaytla ^ Unterabtheilung der Fkad Mädschir Auläd Ayär Gegend um 5000 'Alyy ben Dmär ben Maghraua ! Moliammed yalak. yamäma südlich von den 30,000 mit Fast immer in Re< Haben keinen gemein« Mädschir und den drei Ne- bellion begriffen famen Qäyid, son» Faräschysch, benstämmen dern jeder Unterstamm nördlich von hat den semigen. Qafxa 1) Auläd Ma- nördlich von ! Unterabtheilung der Ahmed ben V)ussuf ben merma Qafta ! Namäma Alyy. 2) Auläd südlich von ^ Unterabtheilung der Ibn er Rhäyb el Redwän Dfchilma ! Namäma Ayary. 424 3) Auläd nordöstlich von Unterabtheilung der Akmed ben ^ussuf. Dscheläß ! im Centrum nach Pe'lissier Zerfallen in drei Un« Haben keinen gemein-von Tunisien etwa 28.000 terstamme schaftlichen Qäyid, Seelen sondern jeder Unter-stamm hat den seinen. 1) Auläd bei 'Ayn Bay« 14,000 Unterabtheilung der El Bedäwy. Ssandassy dha Dscheläß 2) Auläd bei Qayruan 6000 Unterabtheilung der Myy ben CHMa. Aydyr Dscheläß 3) Auläd beim Dfchebel 7000 Unterabtheilung der 'Mohammed ben el Chalyfa Tuyla Dscheläß Nä'dsch Ko 'ub. Nessäwa in der Wüste 15,000 Leben theils in festen Ibrähym en Nefsäwy, am Baiir Fi- Wohnsitzen raun Worhqamma südlich von der 25.000 Einer der kriegerisch- Seit zwei Jahren in (sprich Urgam- Insel Dscherba sten und mächtigsten Rebellion und ohne ma) bis zur trivo- Stämme Tunisiens. Behörde, litauischen Gränze 425 Mahedibba / bei Ayn el 6600 Ein Stamm von Mo- El Schaych Mussa Kell, südlich räbityn oder Abkömm- Chalyfa. von den Nefat lingen eines Heiligen; sehr friedfertig Aulad Yaqub südlichvonQoff 6000 ' Mussafa ben el Auläd bu an der algieri- 6000 Haben gute Pferde Der letzte Qäyid Rhärnm schen Gränze ,^irde vom Stamm südwestlich von verjagt Qoff Ryal) j im Centrum 3000 MolMnmedbenMuc-Tunisiens ' tafa. Wanan inSerraWar- 5000 Befleißigen sich des 'Abd cl Qädir ben tän bei Sanfur Ackerbaues Ssolayman. Banu Sayd nördlich von 6000 Nicht zu verwechseln Seit einem Jahre in oder Syd Qäbiß an der mit den Banu Rebellion und ohne Küste Ssä'yd. Behörde. Schlußnote. Man wird, wenn man die hier annähernd gegebenen Bevölkeiungsabschätzungen addiit, gewiß staunen, daß das Resultat die Gesammtbevölkcrung Tunisiens als eine so genngzählisse angicbt; cm Nesultat, welches dm Aussagen aller bekannten geographischen Werke widerspricht, die meist die Menschenzahl Tunisiens als gegen zwei Millionen betragend annehmen. So groß ist sie nun einmal gewiß nicht, das hat schon Pslissier bewiesen. Aber nach obiger Liste würde sie sich als nicht einmal eine Million stark herausstellen und das ist jedenfalls zu wenig. Ich habe allen Grund zu vermuthen, daß die Wahrheit in der Mitte zwischen diesen beiden Eltremen liegt und daß wir in Tunisien eine Seelenzahl von anderthalb Millionen annehmen könne«; vor dem Hungertyphus von 1867 und 1868 muß sie etwa ein Sechstel mehr betragen haben. Der Umstand, daß die Zahlen auf obiger Liste so klein sind, rührt daher, weil die Quelle meiner Angaben meistens die Aussagen der in Tunisien lebenden Europäer bildeten, die Einzigen, denen man einigermaßen ein Urtheil zutrauen kann, denn die Moslims schätzen Alles hyperbolisch ins Blaue hinein und sind im Stande von 30 Millionen Tunisiern zu reden. Die hier lebenden Europäer verfallen jedoch leicht in den entgegengesetzten Fehler, indem sie von allen Dingen und Menschen im Orient eine allzuunterschätzende Meinung liegen, Alles herunterziehen und verkleinern und somit auch die Ausgc-stmbenheit und Verödung des Landes noch größer schildern, als sie es wirklich ist. Dennoch, obgleich ich das Pessi' mistische dieser Abschähuugcn wohl einsah, durfte ich mich dock nicht von den Angaben meiner, sonst übrigens sehr respectable« Quellen entfernen, wenn ich nicht selbst in's Blaue hinein rathen wollte. Deßhalb gebe ich die obige Liste; jedoch «inu Fraiw salis und kann den Geographen nur den Trost bieten, daß nirgendswo bis jetzt eine bessere eristirt. denn PMssier's Angaben sind bekanntlich nicht in ein Ganzes zusammengestellt und behandeln auch nicht die gcsammte Regentschaft; zudem berücksichtigt er nicht die Nomadcusiämmc nach großen Gruppen und Familien, sondern jeden einzelnen Lagerplatz in seiner zufälligen örtlichen Beschränkung, ein bei Nomaden gewiß ganz falscher Standpunkt. Außer Pelifsier hat nie Jemand einigermaßen glaubwürdige Abschätzungen der Völker Tunisiens veröffentlicht. Im Manuscript verfaßt sind solche jedoch von mehreren Europäern in Tunis, wie dem deutschen Arzt Dr. Nachtigall, einem spanischen Ingenieur, Carmclo Santolo und Andern, mich selbst mitbegriffen, und da diese Manustripte mir fast alle zur Benutzung vorlagen, so schmeichle ich mir, den Geographen in dem Obigen wenigstens eine Annäherung an die Wahrheit zu bieten. Die Wahrheit selbst, fürchte ich. werden wil erst dann kennen lernen, wenn einmal ein europäischer Staat Tunisien erobern sollte. Anhang II. Consularischcs Actenstück über die unbestraft und «nunter-sucht gebliebene Ermordung von 17 Israelite« in der Stadt Tunis im Laufe des Jahres 1868 als Beweisstück zu Band I, Seite 69. Memorandum aller in Tunis reWrenden Consnln an Seine Hoheit den Sen. 1) Französisches Original aus den Acten des schwedischen fund provisorisch norddeutschen) General-Co nsulats. Tunis le 21 Janvier 1869. A Son Altesse le Bey de Tunis. Illustre et magnifique Seigneur! Les Representants des puissances amies soussignes, sans pretendre en aucune maniere intervenir dans les questions touchants ä l'administration de la justice, considerent ccpendant do leur devoir de soumettre respectueusement u l'appreciation de Votre Altesse une copie de l'adresse qui leur a etc presentee par le Comite Regional de l'Al-liance Israelite de Tunis au sujet du recent assassinat de Josue Fetoussi, tunisicn, dans l'un des quartiers les plus populeux de la cit6, sans autro motif apparent que d'avoir ete soupconne de Fintention de traverser la cour de la Grande Mosquee de Djeraaa Zeituna. Quelque profondčment que les soussignčs deplorent 428 tous assassinats, ils doivent appelcr d'unc maniere speciale l'attention de Votre Altesse sur la mort du malhereux Josue qui a ete frappe, non pour avoir commis une offense quelconque, mais uniquement par esprit de fanatisme. Ce qui rend encore cet esprit de fanatisme plus dangereux, e'est 1'efFct qu'il parait avoir sur la conduite des fonction-naires dont le devoir indubitablement etait, et est encore, de decouvrir et de punir l'assassin. Jusqu'a present ils se montreiit peu disposes ä remplir ce devoir, par ignorance reelle ou pretendue du fait, que dans les principaux pays musulmans l'entree des Mosquees n'est point defendue aux personncs d'un autre culte. II n'y a dans la Loi religieuse rien que le defend. Lorsqu'on rapproche ce deni de justice de ce fait d6-plorable que dans le courant de l'anne'e derniere (1868) dixsept (17) Israelites ont ete assassines, sans que jamais lours mcurtriers aient ete punis, encore que plusieurs d'entre eux soient connus de la police, — le soussignes craignent do ne pouvoir pas calmer Tinquietude de leurs administres appartenants ä la communaute Israelite, qui redoutent avec raison que l'im-punite dont ont joui jusqu'ä present les meurtriers de leurs correligionnaires ne les encourage par intolerance et fanatisme a, se porter sur eux a de nouveaux crimes. Pendant que lo defaut de securite et Tinquietude au-torisent suffisamment les soussignes a faire appel ä Votre Altesse pour la protection efficace de leurs administres de religion Israelite contre de pareils assassinats, ils sont diriges en autre par un sentiment d'humanite envers les sujets Israelites de V. A., sentiment d'humanite qu'ils ne peuvent mettre en oubli, sans s'exposer eux-memes a la censure severe des nations civilisees qu'ils ont l'honneur de represent«" dans ce pays. 429 Les soussignes ont d'ailleurs toute confiance que V, A, voudra bien apprecier lcs motifs qui los amenent ä s'adres-ser ä Elle sur cette penible question et comme ils portent le plus sincere interet a la prosperite du Gouvernement Tunisien, ils desirent, en informant leurs Gouvernements rcspectifs de ces faits si rcgrcttables, pouvoir leur faire con-nattre en m6me temps l'assurance qu'ils attendent de V. A. quo des mesures energiques ont ete prises pour punir et reprimer li l'avenir to us actes de violence qui pourraient etre commis sur la classe la plus soumise ct la plus inoffensive des sujets de Votre Altesso. Nous saisissons cette occassion Illustre et magnifiqae Seigneur de presenter a Votre Altesse l'assurance do notre tres haute et tres sinicere consideration. (Suivent les signatures en ordre alphabötique des pays representes.) 2) Deutsche Ueberfetzung. Tunis, dm 21. Januar 1869. An Seine Hoheit den Bey von Tunis. Durchlauchtiger. Großmächtigcr Herr! Die unterzeichneten Vertreter der befreundeten Mächte, ohne auf irgend eine Weise sich in FracM, welche die Hand-Habunss der Justiz berühren, einmischen zu wollen, Haltm es dennoch für ihre Pflicht, Eurer Hoheit ehrerbietigst die Abschrift einer Adresse vorzulegen, welche ihnen von Seiten des Negional-Comitc's der Israelitischen Allianz in Tunis zukam, und welche den vor Kurzem an dem Tuniser Iosna Fe-tnffy vollzogenen Mord zum Gegenstande Hat, ein Mord, 43ft der in einem der volkreichsten Viertel der Stadt stattfand, und zwar ohne irgend ein anderes in die Augen fallendes Motiv, als dasjenige, daß der besagte im Verdacht stand, durch den Hof der großen Moschee Dschämi" Saytnna gehen zu wollen. Wie tief auch die Unterzeichneten jede Mordthat beklagen, so glauben sie doch die Aufmerksamkeit Eurer Hoheit im Besonderen auf den Tod des unglücklichen Iosua lenken zu müssen, welcher nicht etwa, weil er irgend ein Vergehen begangen, ermordet wurde, sondern lediglich aus Fanatismus. Was diesen Fanatismus noch gefährlicher macht, ist die Wirkung, welche er auf das Verhalten der Beamten auszuüben scheint, deren Pflicht es ohne Zweifel war und noch ist, den Mörder ausfindig zu machen und zu bestrafen. Bis jetzt zeigen sie sich wenig geneigt, diese Pflicht zu erfüllen, in Folge wirklicher oder vorgegebner Unwissenheit in Bezug auf die Thatsache, daß in den meisten moslimischen Ländern der Eintritt in die Moscheen den Andersgläubigen nicht untersagt ist. Es existirt kein Artikel des religiösen Gesetzes, welcher ihn verbietet. Bringt man diese Iustizvcrweigerung mit der beklagens-werthen Thatsache in Verbindung, daß im Laufe des verflossenen Jahres (1868) nicht weniger als sicbenzehn (17) Israelite« in Tunis ermordet wurden, ohne daß man jemal.s ihre Mörder bestraft hätte, ungeachtet mehrere der letzteren der Polizei wohlbekannt waren, — so fürchten die Unterzeichneten, die Besorgniß derjenigen ihrer Schutzbefohlenen, welche der Israelitischen Gemeinde angehören, kaum mehr beruhigen zu können, indem letztere mit Recht besorgen, daß die Straf» losigkeit. deren sich die Mörder ihrer Glaubensgenossen bis jetzt erfreuten, dieselben in ihrer Unduldsamkeit und ihrem 43l Fanatismus zu neuen Verbrechen gegen deren Personen er-muthige. Während der Mangel an Sicherheit und die durch ihn hervorgerufene Vesorgniß die Unterzeichneten hinlänglich rechtfertigen, wenn sie sich an Eure Hoheit wegen der wirksamen Beschützung ihrer Schutzbefohlenen israelitischen Glaubens vor ähnlichen Mordthaten wenden, so leitet sie doch zugleich auch noch eine Pflicht der Menschlichkeit in Bezug auf diejenigen Israelite«, welche Unterthanen Eurer Hoheit sind, eine Pflicht der Menschlichkeit, welche sie nicht in Vergessenheit ruhen lassen können, ohne sich selbst dem strengsten Tadel von Seiten der civilisirtcn Nationen auszusetzen, welche sie die Ehre haben, zu vertreten. Uebrigens hegen die Unterzeichneten volles Vertrauen, daß Ew. Hoheit die Motive, welche sie veranlassen, sich an Hö'chstdicsclbc in dieser traurigen Frage zu wenden, genügend schätzen werde; und da sie das aufrichtigste Interesse an der Wohlfahrt der Tunisischcn Regierung nehmen, so hoffen sie, daß es ihnen ermöglicht werde, ihren respective» Regierungen, indem sie denselben über jene beklagcnSwcrthm Ereignisse Bericht erstatten, zu gleicher Zeit die Versicherung der Thatsache aussprechen zu können, daß Ew. Hoheit bereits energische Maßregeln ergrissen habe, damit in Zukunft alle gewaltsamen Handlungen, welche gegen jene unterwürfigste und friedlichste Classe der Unterthanen Eurer Hoheit begangen werden sollten, gestraft oder ganz verhindert werden. Wir ergreifen diese Gelegenheit Durchlauchtiger und Großmächtiger Herr Ew. Hoheit die Versicherung unserer vorzüglichsten und aufrichtigsten Hochachtung aufzusprechen. (Folgen die Unterschriften in alphabetischer Ordnung nach dcn Anfangsbuchstaben der respective« Länder.) 432 Schluß note. Obiges Actenstück war kaum in die Hände des Bey gelangt, als eine neue Mordthat, an einem jungen Israelite» in Tunis begangen, alle Menschenfreunde in Trauer versetzte. Der Hergang war ähnlich wie bei dem Mord an Iosua Fetussy. Der junge Mann war an einer Moschee vorbeigegangen, als plötzlich ein gemeiner Araber aus dieser hervorsprang, dem Juden seine Uhr mit Gewalt entriß und mit dem gestohlenen Gegenstand sich sogleich wieder in die Moschee flüchtete. Der Jude wollte dem Diebe nacheilen und drang in seinem Vcrfolgungseifcr wirklich in das Innere der Moschee vor. Ein Paar Minuten später wurde er, durch mehrere Dolchstiche verwundet, aus derselben herausgetragen und zwar in das Haus des Stadtgouverneurs, wo er sich noch wegen des Verbrechens, eine Moschee betreten zu haben, rechtfertigen sollte. Aber kaum vor den Nichter gestellt, so brach der Unglückliche zusammen und verschied bald darauf. Es zeigte sich, daß er eine klaffende Wunde im Unterleib hatte. Die Behörden verhielten sich hierbei ganz passiv. So lange der Jude noch lebte, wollte wan diesen für die vermeintliche EntHeiligung einer Moschee bestrafen, an die Bestrafung seiner Verwunder dachte aber Niemand, selbst dann nicht, als es sich herausstellte, daß sie ihn ermordet hatten. Der Stadtgouverneur schien es vielmehr ganz in der Ordnung zu finden, daß man einen Ungläubigen umbringe, weil er, wenn auch mit vollkommenem Recht als Verfolger eines Diebes, eine Moschee betreten hatte. Anhang III. Zu Colonia Scillituna (Seite 181). Das längere Gedicht in Hexametern: Sint liect exiguae fugientia tempora vitae Parvaque raptoiiim cito transeat hora dierum Mcrgat et elysiis mortalia corpora terris Adsidue rupto Lachesis male conscia penso Iam tarnen iuventa est blandac rationis imago Per quam prolatos homines' in tempora plura Longior excipiat memoratio multaque servet Sccum por titulos mansuris fortiua annis Eccc reecns pietas omni placitura favore Ingentem famac tiumorum cum Iaudc meretur Exemplo iam plena novo quam Flavius alto More secundus agens patrio signavit honore Quis non iam pronis animi virtutibus adsit Quis non hoc mirctur opus fusasque videndo Divitias stupeat tantos se cernere census Per quos aetherias surgunt monimeuta per auras Haec est fortunae meliua laudanda facultas Sie sibi perpetuas faciunt impendia sedes Sie immortales seit habere pecunia mores Aeterno quotiens stabilis bene iigitur usu Viderit ille furor nimio qui ducitur auro Quem trahit argenti venalis sanguine candor Viderit et fusae vanis in amoribus errans Gloria luxuriae peregrinas quaererc maguo Quae didicit vestes gemmasque nitore placontes Aut ab Aerythreo venientia rauncra fluctu Quam lacdunt gentes vario certamine rcrum Graecia cum pueris Hispania pallados usu Venatu Libyac tellus orientis amomo Aegyptos phariis levitatibus artibus actis Gallia semper ovans dives Campania vino Haec cito deficiunt et habent breve munus amoris II. 28 434 Momentia damnata suis set (sic) si qtiis ad omnes Respiciat vitae casus homincmquc laborct Metiri brovitate sua tune credere discit Nil aliut(s«c) mclius fieri nisi viribus aevi Quot possit durare diu sub honore deojum Nunc ego non dubitcm tacitis Acherontos in umbris Si post fata mancnt sensus gaudere parentom Saepe secundc tuum reliquas et spernerc turmas Quod sciat liic tantam faciem superesse scpulchri Perpetua novitato sui sic stare nitcntcs Consensus Iapidum sic de radicc levatos In melius crovisse gradus ut ct angulus omnis Sic quasi mollitae ductus sit stamine ccrae Mobilibus signis hilaris scalptura novatur Et licet aesiduc (sic) probet hos vaga turba... opes Lucentcs stapcat paritcr pendere coluranas Quit cum militiac titulos ipsumque parenteni Numinibus doderis bacc gaudia saepe nitentem Quae quondam dedit ipse loco dum...... Multa creat primasquc cupit componcre v . . ea Et nemus exornat rcvocatis saepius undis Permittant mihi fata loqui noctisquo timendae Regnator Stygius sic immortalis habcri lam debct pater cccc tuus ditisque rotegit Tristem deseruissc doraum dum torapore toto Mavolt haec monumenta sequi scriptisque per aevoin (sic1) .. vere nominibus solitis insistcre lucis Adsidue patrias liinc ccrnerc dulcitcr arces Quosque dedit natis prope semper haberc penates Forsitan liaec multi vano sermonc somites Venturae citius dicant praesagia mortis Si quia dum vivit ponat monimenta futuris Temporibus mihi non tales sunt pectorc sensus Set puto securos fieri quicumque pararc Actcrnam voluerc domum cortoquo rigoro Numquam lapsuros vitao defigcre muros Fatis certa via cst nequc se per stamina mutat Atropos ut primo caepit decurrerc rilo Credo secunde mihi pensatos ibis iu annos Set securus cris set toto pectore dives 435 Dum imlli gravis esse potcs nee plena labore Testamenta facis tuus hoc dum non timct heres Ut sic acdificot iam nunc quodcumquo relinques Totum perveniet tua quo volet ire voluutas Sed revocat me cura operis celsique decores Stat sublimis honor vicinaquc nubila pulsat Et solis mctitui' iter si jüngere montes Forte velint oculi vincuntur in online colics Si videas campos infra jacet abdita tellus Non sic romuloas cxire colossos in arces Dicitar aut circi medias obeliscus in auras Nee sic sistrigeri demonstrat pervia nili Dum sua porspicuis aperit pharos aequora flamis (sic) Quid non docta i'acit pietas lapis ecce foratus Luminibus multis liortatur currerc blandas Intus apes ct cerineos componere nidos Ut semper domus baec thymbreo ncctare dulcis Sudet florisapos dum dant nova mella liquores. Das kürzere Gedicht in Distichen: Hue iterum pietas venorandas crige mentes Et mea quo nosti carmina more fove Ecce Sccundus adest iterum qui pectorc sancto Non monimenta patri sed nova templa dedit Quo nunc Calliope gemino me limito cogis Quas jam transcgi rusus (sic) adire vias Ncmpe suit nobis operis descriptio magni Diximus ct junctis saxa potita locis Circuitus nemorum currentes dulciter undas Atquc reportantcs mella frequenter apes Hoc tamen hoc solum nostrac puto defuit arti Dum cadis ad multos ebria musa locos In summo tremulas galli non diximus alas Altior extrema qui puto nubo volat Cujus si membris voccm natura dedisset Cogcrct hie omncs surgero mane dcos Et jam nominibus signantur limina certis Ccrnitur et titulis credula vita suis Opto Secunde gcras multos solicitor annos Et quae fecisti tu monimenta legas. 2S* 436 Grabinschrift in terentianischen Versen aus Mochtar oder Mäder zu Seite 228, 1. C Julio Proculo fortunatiano pater Filio memoriae titulum sibi erepto reddidit In annis viginti duobus quos parcac praefinierant edito Innumeris vitae laudibus omncm aetatem reddidit Nam puer pubertatis exempla optuma bene vivendo dedit Pubertatis initia juvenili corde edidit luventutis yitam maxuma exornavit gloria Sic namque ut in exiguo tempore multis annis vixerit Puer ingenio validua pub es pudicus juvenis orator suit Et publicas aures togatus studiis delcctavit suis In parvo itaque tempore vita multis laudibus..... Inque isto patrio operc juven .... ius ut senex Perpetua quiescit requie conditori. . . orato spiritu. 2. PALLIAE SATVRNINAE IVLIVS MAXIMVS QVONDAM SVAE HANC OPERIS STBVEM DICAVIT SEMPER VT HABERET MVNERI SIMVLQVE MEMORIAM PIAE CONIVGIS INQVE EO SVO TEMPORE SEMET IN ANNIS TRICENIS SAT PROBE (sie) MVLIER NIHIL POTIVS CVPIE..........GAVDERET DOMVS NAM IN REBVS.....ET SVIS MATER COMMVNIS IVVENIS SIMPLICI ANIMO VIVENS VIX MVLIEBREM MVNDVM VIN- DICABAT SIBI IN VIRVM RELIGIOSA IN SE PVDICA IN FAMILIA MATER FVIT IRASCI NVMQVAM AVT INSILIRE QVEMQVAM NOVERAT CVLTV NEGLECTO CORPORE MORIBVS SE ORNABAT SVIS ET..........SVDORE SOLO COMITABATVR SVO. 3. M . , . ER . . ORE . . . . TVR QVO VIRGO BIS . EVES IIIC VIBVS EVM VSQVE SEQVTA SEMPER OPTAVIT SIBI DENIS MORATA ORBIBVS SEPVLTA SEMPER VIVIT SIBI. Druck »ou HUthel H Legle« in Leipzig. KARTE VOM KARTHAGISCHEN UND NUMIDISCHEN AFRICA. Erste Heine ______ /jueite Reise JJieeingeklammerten Ortsnamen siiiä die heiztigm. Krause, G., Herzogl. Anhalt, hosrath, der fruchtbringenden Gesellschaft ältester Erlzschrcin. Urkundlicher Beitrag zur Geschichte der deutschen Sprachgesellschaften im 17. Jahrhundert. Nach den Origmalien der Hrrzogl. Bibliothek zu Cöthen herausgegeben, gr. 8. geh. 3 Thlr. — Urkunden, Aklrn>Uicke und 5^icfe zur Geschichte der AnlMischen Lande und ihrer Fürsten unter dein Drucke des .'lOMrigcn Kriege» (162.^—52). Nach den Originalen und Abschriften des Herzogl. Archivs zu Cöthen. 5 Bände, ar. 8. ach. 25 Thlr. 1?'/, Nar. Krause, J. II., Plotina oder die Kostüme des Haupthaares bei den Völkern der alten Welt, mit Berücksichtigung einiger Kostüme neuerer Völker in kosmetischer, ästhetischer und artistischer Beziehung dargestellt und durch 200 Fig. (auf 5 lith. Tafeln in qu. 4.) veranschaulicht, gr. 8. geh. 2 Thlr. 18 Ngr. Krchl, Dr. L., de nutnis Muhammadanis in numophilacio regio Dresdensi asscrvatis commentatio. gr. 8. geh. 24 Ngr. Krieg, der, gegen Ghjna im Jahre 1860- Redigirt von dem „Depot de la guerre" des Kaiserlich Französischen Kriegs-Ministeriums. Aus dem Französischen von v. d. *n. Mit einer Uebersichtskarte und 4 Plänen, Autorisirte Ausgabe, gr. 8. geh. i'/a Thlr. Kruse, K. It. Staatsrath und Ritter Prof. Dr. Fr.. Necrolivonica oder Geschichte und Alterthümer Liv-, .Est- und Kurlands, Griechischen, Römischen, Byzantinischen, Normannischen oder Waräger -Russischen, Fränkischen, Angelsächsischen,' Anglodänisclien Ursprungs. Gefunden auf einer allerhöchst befohlenen archäologischen Untersuchungsreise und durch spätere Nachforschungen -wissenschaftlich erläutert. Mit 47 (aus einer grössern im Manuscript vorhandenen Menge) ausgewählten Ötein-drucktafeln, Alterthümer, Pläne und Ansichteu darstellend, und einer comparativen UÜbersichtskarte u. Nachtrag, Color, u. geb. 17 Thlr. Kruse, TL., Indiens alte Geschichte. Nach den ausländischen Quellen, im Vergleich mit den inländischen "dargestellt und besonders hinsichtlich des Handels und der Industrie mit Rücksicht auf die neuesten Zeiten zuerst bearbeitet, gr. 8. geh. 2 Thlr. 22V« Nffr. Lllchmann, Dr. K. H., Beschichte Griechenland» von dem Ende des pelopom. msischen Krieges bis zu dem Regierungsantritte Alexanders des Großen. 2 Me. gr. 8. geh. 3 Thlr. 15 Ngr L;ni<-, L. W., Sttten und Gebrauche der heutigen Egypter. Aus dem Eng-üschen übersetzt von Dr. .1. Th. Zenkcr. Zweite mit Zusätzen vermehrte Ausgabe. 3 Thle. in einem Bande. 16. geh. 2 Thlr. 15 Ngr. čtMtgtici!t,9t. $$r. @., fmtuittacheGfSichte. 2$Bbe. 8. geh. 14 Ngr.; geb. 16 Ngr. nach bisher unedirten Handschriften herausgegeben von Dr. L. W. Hasp er. 8. geh. 4 Ngr. L&yard, A. H., Niniveh und Babyion. Nebst Beschreibung seiner Reisen in Armenien, Kurdistan und der Wüste. Uebersetzt von Dr. J. Th. 7< nker. Mit dem Bildniss des Verfassers, vielen Illustrationen und xwei Karten, er. 8. geh. 8 Thlr. — Niniueh und seine ^ltbkrrrste. Nebst einem Berichte über einen Besuch bei de» chaldäischm Christen in Kurdistan und den Iezidi oder Teufelsanbetern, sowie ciner Untersuchung über die Sitten und Künste der alten Assyrier. Deutsch von Meißner. 2. wohlfeile Ausgabe. Mit 94 Illustrationen, tt Plänen, einer Karte und emem Nachtrage von Prof. Dr. G. SeYffarth, über die ägyptischen Alterthümer in Nimrud und das Jahr der Zerstörung Ninivchs. gr. 8. geh. 2 Thlr. 15 Ngr. — populärer Dcricht über die A»»gral,ungm zu Mnive!). Nebst der Beschreibung eines Vesuches bei den chaldäische» Christen in Kurdistan und den Iczidi oder Teufetsaubetern. Nach dem größeren Werle von ihm selbst ak gekürzt. Deutsch uon Meißner. Mit allen Kupfern des größeren Werte«, gr. 8? geh. ________ 1 Thlr. 15 Nar. Lroenz, NI. Chr. G., Chronik dcr St«dt Grimma. 1.—21. Heft. Mit vielen Kupfern und einem Grundriß der Stadt. gr. 3. geh. 9 Thlr. 24'^ Ngr. Lllkaszewicz, Joseph, Geschichte der rcsormirlen Kirche in Lithauen, il Vde. gr. 8. geh. 2 Thlr. 15 Ngr. Lynch, W. F., Bericht über die Expedition tier vereinigten Staaten nach dem Jordan und dem todten Meere. Nach der zweiten Auflage deutsch bearbeitet und mit dem officiellen botanischen berichte versehen von Meißner. Neue wohlfeile Ausgabe. Mit 2« Kupsertaseln u. 2 Karten., gr. 8. geh. 2 Thlr. Nnltiüun, II. ^roilisi-r vnu, lVleine Vfauianst nalin Kllskka. Itoiso iu cier Iiü8tcnss6F«ncl UI!<1 im Imi«lii vuil 11«<.I«ciiu8. 2 liäe. 8. ßoli. 2 l/^ 'I'lilr. — Reise auf dcr Insel Sardinien. Nebst einem Anhang über die phömcischen Inschriften Sardiniens. Mit vielen Illustrationen. 8. geh. 2^ Thlr. — Sittenbilder aus Lunis und Algerien. Nebst 1 Tafel Abbildungen. 8. geh. 1'/« Thlr. Mo!lmtl»aui8, ?kilii»i»i, l.ooi tnoologici. ^.ü üclom oüitiom» zirinLii'l» NOXX1 N0?i8 curi« e<1iti. 6. ße-k. 16 ^ßl. Menzel, K. A., Staatü- nnd Relimonsgeschichte der Königreiche Israel lind Sud<». gr. 8. geh. ik Ngr. Aerivlllo, <^tlHr1v8, Lozcnionts llss Nlimor unler «lsm Kaizestnumo. ^u« ü«,u ^n3U«oüen. IZä. 1. U. 1111. Nit li Ii«,rteu u. 2 1'Mi0u. gr. «. ^eU. 6 Nir. Hlioiiie^violl, ^.. (1. ^iur<1(löut8l)iiiÄ,u»1 init l^i!^<.!l!ut)Z lll!r Kl^inliuuic l)i8'I'rior, N^mn uml 1<>u,uilturt. II. l8üclll«ur^«^!«,ull.) 2. >vuk!!^ilo ^u8ifu.dü. 8. gc>1l. i'/^HiIr. Münchhausen, des ^reiyerrn von, Wunderbare Ueisen zn Wasser und zu Lande, , Fclvzuge und luftige Abenteuer, wie er dieselben bei der Flasche im Cirtel stmer Meunve selbst zu erzählen Pflegt. A. d. Engl. n. d. neuesten Ausg. übers., hler und oa erweite« !.von G. A. Vürger). Nach den ersten Drucken hergestellte uud berichtigte Ausgabe. Mit l5inl«tnng, den verschiedenen Lesarten und Anmerkungen. 8. geh. 2 '/2 Ngr. Mundt, Th., Macchiauelli und der Gang der europäischen Politik. Zweite vermehrte Ausgabe, gr. 8. geh. 1 Thlr. Munter, B., geistliche Lieder. Neue Auflage. 1«. geh. lo Ngr. Xei^kuui,', ,1. I'., llie lnzol Zaröinien. (iozonwntlioue I^nUviHoluliss äer ge^euwHlU^il ^iiLtilnäo c!er8Llli0u in inwr Vlirliiuäuilzf nlit, Italien, /.v^cidü vLruwnrto ^.uz^ab«. ^ebst, 12 Küfern uucl eiuor XaNo vau d>aräinieu. i-^. 6. 8«d. 2 I'lilr. Nork, F., Andeutungen tines System« der Mythologie, entwickelt aus der prirsterllchen Mystenosophic u.Hlrrologie des alten Orients, gr. 8. geh. 2 Thlr. Orelli, E. von, Spinoza's Leben und Lehre. Nebst einem Äbrifse der Schel-lm^fchen und Hegel'schen Philosophie, gr. 8. geh. 1-/, Thlr. I^liljfi'lzv«, >V. K., Neizs in ^sadien. ^Vii^ «lmn I^n^lisoliou. Nit äem ?c»l-tllüt (iiiti v«rlü,««0r!j, «inci- Kurw vun ^Vru,dl^n uucl vier I'iHuen. ßr. 8. l^Lii. ljl/, '1'lilr. Paul und Virginie. Ein Gemälde der Natur. Von Vernardin de St. Pierre. Äuü dem Französischen. 8. geh. 2'/, Ngr. Pauli Brief an die Epheser. Im Urtext zunächst für den Schulgebrauch crtlärt von Dr. ^. W. gasper. 8. geh. 8 Ngr. Pauli Brief an die Galater. Im Urtext zunächst für den Schulgebrauch erilärt von I>r. 55. ^>. gasper. 8. geh. 12V2 Ngr. Gesammelte Werke deß Grafen August von Platen. Sechster und sie-beiuer Band. A. u. d. T.: PocUsch^r und ltteraristyer Nachlaß des Grafen August von Platen. Gesammelt und herausgegeben von Johannes Mlnckwitz. 2 Bände. 1