Elisabeth Katschnig-Fasch Feldforschung in Blatten Die exponierte Situation unseres Forschungsfeldes1 im südöstlichen Grenzgebiet Österreichs, die sowohl wirtschaftliche als auch soziale Deprivation bedeutet, hat das Selbstverständnis, das Selbstbild und die Selbstbewertung der Bevölkerung entscheidend geprägt. Zu dem kommt noch die Wirkung der bewußten und unbewußten Verschleierung und Verdrängung ethnischer und sprachlicher Zugehörigkeit, wenn, wie bei der Mehrzahl der Blattener, ein Elternteil oder ein Großelternteil »von drüben« stammt oder wenn in der Kindheit zu Hause noch Slowenisch gesprochen wurde, was aber nicht mehr offen bekannt werden will. Dieser Umgang mit der Geschichte der eigenen Herkunft ist verinnerlicht. Was dabei von einem kollektiven Selbstbewußtsein oder Kulturbewußtsein übrigblieb, ist nicht viel. Oft nur noch Resignation und Ohnmacht, die sich sogar ins Bewußtsein der Kinder eingeschlichen hat, wie es in der Äußerung eines 13jährigen Buben anklingt, als er meinte, daß ein Hund besser als der Mensch dran sei, denn »der kann wenigstens beißen«. Auch die existentielle Hoffnungs- und Zukunftslosigkeit, die so manche Bewohner von Blatten schon in ein bis zwei Generationen keine Spur ihres Dorfes mehr sehen läßt - dies vor allem bei den nunmehr aktuellen Perspektiven für die Kleinlandwirtschaften abgelegener Gebiete nach einem EG-Beitritt -, ist nur vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse, der wirtschaftlichen Marginalisierung, die sich einerseits aus der Grenzlage, andererseits aus der bäuerlichen Kleinstruktur ergibt, und des ethnischen Identitätskonfliktes durch ständigen Anpassungsdruck zur »deutschen Kultur« zu verstehen. In dieser außergewöhnlichen und in jeder Weise exponierten Situation mußten sich ganz spezifische Lebensweisen und Verhaltensreaktionen formen. Sie sind in erster Linie als »Reaktionen« auf äußere Umstände, auf politische und sozioökono- 1 Razprava je nastala v okviru projekta Življenje na meji Instituta für Volkskunde v Gradcu in Inštituta za slovensko narodopisje v Ljubljani. Doslej sta bili objavljeni dve razpravi (Johannes Moser, Ernst Töscher, »Imajo nas že za jugoslovane«, Premisleki o identiteti v obmejnem naselju, Traditiones 18,1989,89-106; Jurij Fikfak, Zgodbe o meji, Traditiones 19,1990,211-226), op. J.F. mische Faktoren und Ereignisse zu verstehen, trotzdem jedoch als spezifisch kulturelle Formationen zu werten.2 Warum gerade Blatten? Als wir uns diese Region, die Lebensweise der dort lebenden Menschen zum Forschungsziel wählten, geschah dies zwar aus der Tatsache eines Lehrprogrammes, das ein »Feldforschungsprojekt« vorsieht, aber darüber hinaus für jede/ n von unserer Gruppe wohl auch aus Faszination an einer »Königsübung«, in der man seiner -wissenschaftlich legitimierten - Neugierde nachgehen kann, die den Volkskundler / die Volkskundlerin in wirtschaftlich oder sozial marginale Gegenden treibt, in die Exotik des Großstadtdschungels, in den sozialen Untergrund oder wer weiß wohin. Dementsprechend sympathisierten wir jedenfalls von vornherein, sozusagen vorauseilend, mit den Bewohnern Blattens, was freilich irgendwie an die »klassische« Sympathie der Ethnologen zu den kolonialisierten Völkern, deren Lebensweise sie studierten, erinnern mag. Der anstehende Verdacht, wir hätten damit auch ein ganz bestimmtes Erklärungsmuster hin auf eine besondere Gewichtung der ethnischen Komponente evoziert, soll schon hier ausgeräumt werden, da wir von vorneherein nicht ahnen konnten, daß die Bevölkerung fast durchgehend slowenischer Abstammung ist. In besonderer Weise waren wir aber an der Auswirkung der Grenze interessiert, die hin zu Slowenien eine ganz spezifische Situation für die dort lebenden Menschen bedeutet. Schließlich handelt es sich nicht um irgendeine Grenze. Ganz abgesehen davon, daß sie den sozialen und wirtschaftlichen Kontakt nach »drüben« abgeschnitten hat, provoziert dieser Grenzbereich, wenn auch in anderer Weise als im benachbarten Kärnten, ein ganz bestimmtes politisches und soziales Verhalten, bestimmte Reaktionen und Emotionen der benachbarten »Binnen-Steirer«, eine ganz bestimmte Stimmung diesen Grenzbewohnern gegenüber. Zwar wird von offizieller Seite gerne behauptet, die Steiermark hätte keine Minderheitenprobleme, »weil sie keine Minderheiten hat«3, doch führen Reaktionen und Abwehrhaltungen auch hierzulande in den Bereich der nationalen Vorurteile gegenüber Minderheiten. Erst jüngst gaben sie wieder einmal - wohl angeheizt von aktueller Fremdenhysterie - Anlaß zu politischen Anfragen, öffentlichen Diskussionen, Debatten und Verdächtigungen. Was das geschichtlich gewordene Vorurteil der Öffentlichkeit gegenüber anderssprachigen Menschen für die Betroffenen, ihre Identität, ihre Lebensweise und ihre Alltagskultur bedeutet, wurde danach sehr schnell zu unserem eigentlichen Inhalt. Spätestens bei der Konfrontation mit der Staatspolizei hatten wir uns mit der wissenschaftlichen Verantwortung unseres Auftretens in diesem »Feld« zu beschäftigen. Es war die Frage der Auswirkung unserer Präsenz, die Frage nach dem - um im Bild der Feldforschung zu bleiben - »Flurschaden«, der sich jetzt und unmittelbar abzeichnete. Die Minderheitenpolitik Österreichs rückte nach und nach in unser Thema und damit auch die Frage, wie eine Volkskunde damit umzugehen habe bzw. wie sie damit hierzulande umgegangen ist. Unsere eigene wissenschaftliche Identität galt es quasi parallel aufzuarbeiten, sich abzugrenzen vom Kulturverständnis jener Volkskundler von ehedem, denen die deutsche Kultur ein missionarisches Anliegen 2 Gerhard Kutzschenbach, Feldforschung als subjektiver Prozeß. Ein handlungstheoretischer Beitrag zu seiner Analyse und Systematisierung, Berlin 1982, S.73. Der Autor verweist auf die Untersuchungen von Lewis, der Verhaltensmuster als Anpassungsreaktion auf äußere politische und sozioökonomische Faktoren interpretiert. 3 Dazu auch: Volker Knieriem, Fünf vor zwölf für die steirischen Slowenen. Die Minderheit der Slowenen in der Steiermark droht zu erlöschen, in: Courage, 15. Dez. 1989. war und die dazu beitrugen, den slowenischen Grenzbewohnern ihre angestammte kulturelle Identität zu nehmen und sie auf eine bestimmte »Kulturschiene« zu zwingen.4 Schwierig war es, den Bewohnern das Motiv unseres Interesses und unserer Arbeit, den »Sinn« unserer Beschäftigung mit ihrem Leben und ihrer Existenz zu erklären. Hier ist »Arbeit« körperlicher Einsatz. Erklärungen, wie: »Das brauchen wir für den Abschluß unseres Studiums«, waren da noch diejenigen, die am ehesten die Chance auf Akzeptanz hatten. Im Grunde war den Blattenern aber unser Interesse für sie unverständlich. Erfahrungen und Erinnerungen wurden von den Dorfbewohnern als Erklärungen und Assoziationen eingesetzt. Da wiesen einige auf den Journalisten hin, der die Menschen hier als Alkoholiker und Verarmte im »Dorf ohne Hoffnung« in einer auflagenhohen Zeitschrift beschrieb, da waren die Händler und Agenten, die es immer noch verstanden, das Vertrauen auszunützen, und da waren die Assoziationen zu benachbarten Grenzgebieten (im Bezirk Radkersburg und im Bundesland Kärnten), wo studentische Umfragen in den Minderheitengebieten »nur Unruhe schafften«. Diese letztgenannte Argumentation war eine sehr zentrale, wie uns bald klar werden sollte. Zwar konnte man der zunächst scheinbar individuellen Argumentation noch nicht ablesen, daß dahinter eine kollektive Meinung stand, aber im Kontext der Ereignisse, die bei unserem Auftauchen im Dorf passierten, wurde deren Bedeutung nach und nach klar und dechiffrierbar.5 »Eine heiße Gegend: Wer nicht hergehört, wird rausgeschmissen.« Für unsere erste Kontaktaufnahme mit den Bewohnern unseres Forschungsfeldes wählten wir ein, wie uns zunächst schien, besonders wirkungsvolles »Indianerkonzept«: eine schriftliche Ankündigung unseres Vorhabens, eine kurze Darlegung unserer Beweggründe und die Bitte um Mitarbeit. So könnte, wie wir annahmen, kein Argwohn entstehen. Alles wäre klar und verständlich, und für uns wären damit alle Hindernisse beseitigt. Daß wir darauf keine Antwort erhielten, ließ zunächst nichts Außergewöhnliches vermuten. Als ich mit einem Kollegen zu einer ersten örtlichen Orientierung nach Blatten fuhr, um unsere Unterkunftsmöglichkeiten zu organisieren, erschien selbst das Gespräch mit dem Wirt trotz der Reserviertheit und der spürbar abwartenden Stimmung noch nicht auffallend. So ist es eben, wenn man in entlegene Gebiete kommt und noch dazu etwas will. Aber an dem Tag unserer ersten gemeinsamen Begehung des Dorfes - auch ein Kollege »von drüben«, aus Laibach, stieß zu uns - lag nicht nur die Kälte des anbrechenden Winters in der Luft. Die ersten vorerst noch nicht zu deutenden Irritationen tauchten auf, als jeweils zwei von uns einen Haushalt aufsuchten, um unser Vorhaben auch mündlich vorzutragen und um Eindrücke zu sammeln. Wir spürten die Fremde dieser Gegend und vor allem aber unsere eigene Fremdheit an den lächerlichen Symbolen unseres städtischen »Bildungsalltags«. Was sollten 4 Eine Veröffentlichung des Senats der Universität Graz spricht vom »deutschen Menschen als dem Bringer der höheren Kultur« und plädiert vehement dafür, daß das Gebiet der Untersteiermark nach der Grenzziehung Österreich zugesprochen werden soll. Viktor v.Geramb, der später Ordinarius am neugegründeten Institut für Volkskunde an der Universität Graz werden sollte, zeichnet als Mitglied der Redaktion dieser Schrift verantwortlich. Die Südgrenze der deutschen Steiermark. Denkschrift des akademischen Senats der Universität Graz, Graz 1919, S.33. 5 Utz Jeggle spricht in diesem Zusammenhang von einem »Arrangement des Vermeidens«. Utz Jeggle, Geheimnisse der Feldforschung, in: Fleide Nixdorf und Thomas Hauschild (Hg.), Europäische Ethnologie. Theorie und Methodendiskussion aus ethnologischer und volkskundlicher Sicht, Berlin 1982, S.187-205. wir mit der Aktentasche, die hier doch nur den Steuerfahnder symbolisierte, mit dem Schreibblock, was sollte der Student mit seinen langen Haaren oder wir mit unserem unpassenden Schuhwerk, wie und was sollten wir mit den geschlossenen Türen, den bellenden Hunden? Ich fuhr mit meinem slowenischen Kollegen mit meinem Fahrzeug. Ein von mir ausgesuchter Informant im benachbarten Ort war unser erstes Ziel: ein »Hobbyhistoriker« mit offensichtlich großem Einblick in die Ortsgeschichte und in die gegenwärtige Situation und ihre Probleme, ein politisch und ökologisch bewußter Bauer. Er sollte uns als Außenstehender mit dem distanzierten Blick für das Wesentliche den Einstieg in das innere Dorfgeschehen Blattens ermöglichen. Bei unserem Auftauchen winkte er uns aus der Ferne vom Traktor zu. Der Bann schien gebrochen, ein gutes Gespräch gesichert. Vom Traktor abgestiegen, schien Herr Freitag jedoch zu erstarren. Sein plötzliches Mißtrauen und seine Distanziertheit konnten wir uns zunächst nicht erklären, die hochdeutsche Aussprache, das wiederholte, fast aggressive Nachfragen, was denn »der Jugoslawe« da überhaupt wolle, das war in der Anspannung des Gespräches zunächst nicht klar zu deuten. Nun holte mein slowenischer Kollege ein Tonband aus der Tasche, was das aufkeimende Feindbild endgültig zu bestätigen schien. Spätestens als mein Kollege die Rolle des distanzierten Zuhörers und Forschers nicht mehr halten konnte, weil er die immer deutlicher werdenden deutschnationalen Ideen und Aussagen unseres Gegenübers nicht mehr länger »hinnehmen« konnte und in eine Debatte um die Zweisprachigkeit verfiel, war es für unseren Informanten klar: Wir waren Agitatoren und nicht Volkskundler, wie er es sich vorgestellt hatte. Dieses erste Gespräch hat uns beide getroffen. Wir wußten, da waren wir an eine ganz wesentliche Sache gestoßen, die uns zwar im Moment nur diffuses Unbehagen bereitete, die uns sogar aus unserer Rolle stieß, die uns aber auch in Bann schlug. Wieder im Auto machten wir sofort ein Protokoll. Inzwischen überschlugen sich auch in unserem Gasthaus die Ereignisse. Die Gendarmeriebeamten wurden auf ihrer Patrouille bei einem Grenzbewohner über Funk von der Grenzbehörde verständigt, die im Fahrzeug unseres slowenischen Kollegen einen Fotoapparat entdeckt hatte und darauf ihre Verdächtigung der örtlichen Behörde meldete. Der Funkspruch setzte natürlich seinerseits einiges an Mut-maßungenbei den zukünftigen Gewährspersonen in Bewegung. Trotzdem schien uns der Wirbel zu diesem Zeitpunkt noch ein Mißverständnis, das, ausgelöst durch das Erscheinen unseres slowenischen Kollegen, aufzuklären und doch noch zu glätten sei. Wir einigten uns, daß unserer slowenische Kollege von nun an jenseits der Grenze - im anderen Teil der ehemaligen Dorfsiedlung, jenseits der Staatsgrenze - Feldforschung betreiben sollte, damit die Bewohner auf österreichischer Seite nicht länger durch den »gefährlichen Spion« und sein jugoslawisches Dienstfahrzeug verunsichert wären. Als die ersten beiden Studenten einige Zeit später für eine Woche ihr Quartier im Dorf aufschlugen, waren die Türen der Blattener für sie zunächst zu. Einige Blattener drohten bei unserem Anklopfen sogar mit der Gendarmerie und verlangten Ausweisleistung, denn »einen Jugoslawen lassen wir nicht bei der Tür herein«. Sie gaben zu verstehen, daß unsere gesamte Gruppe sofort den Ort verlassen solle. Die Situation spitzte sich zu. Die Studenten blieben aber zunächst und riefen uns als ihre Betreuer zu Hilfe. Von Graz aus recherchierten wir, was nun tatsächlich hinter der massiven Ablehnung, die immer wieder mit den gleichen Verdächtigungen gekoppelt war, steckte. Bezirkshatiptmannschaft und Staatspolizei waren ganz offensichtlich von den Bewohnern informiert und um Unterstützung gebeten worden. Daß wir schon einige Zeit observiert wurden6, überraschte uns dennoch. Die staatspolizeiliche und dörfliche Argumentation stimmten überein. Unsere Absichten wären verdächtig, wohin das führe, sehe man in Kärnten. Gerüchte im Dorf, wonach unsere »Ergebnisse« schon in einem slowenischen Tagesblatt erschienen wären, waren kaum argumentativ zu entkräften. Erst als die Staatspolizei - nach Beschwerden unsererseits bzw. nach Erkundigungen und Besuchen auf der Universität(l) ihrerseits - die Annahmen und Verdächtigungen öffentlich zurücknahm und dem Bürgermeister versicherte, daß gegen uns »nichts Stichhältiges« vorläge, trat langsam wieder Ruhe ein. Das uns entgegengebrachte Mißtrauen blieb aber ein ständiger Begleiter. Die Ereignisse Die Ereignisse waren nicht zufällig und schon gar nicht als »Mißverständnis« bedeutungslos. Vielmehr waren sie der Schlüssel zum kulturellen System schlechthin, dessen Dechiffrierung uns jetzt erst allmählich möglich wurde. Der »Hobbyhistoriker« löste die Ereignisse zum Verstehen des »inneren« Wirkungsmechanismus aus. Die einzelnen Situationen wurden durch ihre thematische Orientierung transparent und interpretierbar und so das Mittel zur Deutung der soziokulturellen Erfahrung der Bewohner.7 Nicht irgendeiner individuellen Orientierung entsprach die Haltung, sondern einem kollektiven Bewußtsein. Die Einstellung des einzelnen Bewohners war nur vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Lage dieses kleinen Kollektivs zu verstehen. Unser Auf tauchen im Dorf provozierte ein Verhalten, das auf situationsunabhängig kulturell determinierte Strukturen und Bedingungen verwies: die Verständigung funktionierte augenblicklich. Man war sich einig im Dorf. Die Bewohner reagierten einheitlich. Genau dies begründete die Legitimität der »thematischen Orientierung« der Bevölkerung. H. Berger verweist darauf, daß die Frage nach dem Ergebnis der Verarbeitung einer gleichen Lage sich erweitert um die Frage des Ergebnisses einer kollektiven Verständigung. Dieser letztgenannte Aspekt schien für unser Untersuchungsfeld sehr wesentlich, handelt es sich doch um eine kleine Gruppe, die in ihrer räumlichen und sozialen Situation nach außen abgegrenzt wird und deren Struktur eine persönliche Deutung im Sinne einer persönlichen »Einstellung« kaum zuläßt. Hier geht es um ein thematisches Bewußtsein, um eine kollektiv akzeptierte Auffassung und Überzeugung, um eine soziokulturell bedingte Reaktion. Da die Art der Mitteilung von größerer Bedeutung als ihr Inhalt werden kann8, bedeutet dies, daß sie nur eingebunden in eine extraverbale Symbolik, wie Körperbewegung, Gestik deutbar und lesbar wird. Diese Verständigung ist gerade in Blatten von großer Bedeutung und wichtiger als der Inhalt des Gesprochenen, da die verba-lisierte Kommunikation in der besonderen Situation der Verleugnung der Muttersprache9 nicht sehr differenziert ist. Umso deutlicher und lesbarer ist die Sprache der 6 Diese staatspolizeiliche Observierung ist unter der Aktennummer 13789 registriert und bleibt zur Zeit - trotz der eingeleiteten Aktenvemichtungsaktion - archiviert. Eine Einsichtnahme wurde in unserem Fall wegen »Gefährdung Dritter« ebenfalls verweigert. 7 Zur thematischen Orientierung als soziale Erfahrung siehe vor allem: Hartwig Berger, Untersuchungsmethode und soziale Wirklichkeit, Frankfurt 1974, S.176ff. 8 Vgl. auch Arnold Niederer, Zur Ethnographie und Soziographie nichtverbaler Dimension der Kommunikation, in: Zeitschrift für Volkskunde 71/1975, S.l-20. Ders., Nonverbale Kommunikation, in: Direkte Kommunikation und Massenkommunikation ^Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Institutes, 41. Band), Tübingen 1976, S.207-214. 9 Siehe den Beitrag von Johannes Moser und Emst Töscher, »Imajo nas že za Jugoslovane«, in Anm.l. Gestik, des körperlichen Ausdrucks, denn im Kontext des gesamten Sprachverhal-tens, kann eine scheinbar verarmte Sprache insgesamt nicht als defizitär bezeichnet werden.10 Gerade weil diese Sprache der Gestik uns mitunter äußerst affektgeladen schien, war es für uns sehr schwierig, distanziert zu bleiben. »Sie versuchte räumliche Distanz zu gewinnen, indem sie den Sessel zwei Meter vom Tisch wegrückte und sich erst dann hinsetzte. Außerdem drückte sie ihre Abwehrhaltung durch verschränkte Arme und durch ihren zusammengezogenen Körper aus. Zunächst sprach sie sehr leise. Das Gespräch ging so zäh, daß ich immer wieder nachfragen mußte, um etwas zu erfahren. Manchmal erschien es mir sinnlos. Ich ertappe mich immer öfter dabei, daß ich durch diese Haltung Suggestivfragen zu stellen beginne.«11 Trotz des Wissens um die Grenzen des Rechtes auf wissenschaftliche Untersuchung durch das Recht, von solchen Interessen verschont zu bleiben12, fiel es jeder/ m einzelnen von uns sehr schwer, mit den heftigen Reaktionen der Dorfbewohner auf unser »Eindringen«, mit ihrer Sprache der Verweigerung und der Abwehr, ihren Strategien, uns zu hindern, fertig zu werden und darin den eigentlichen Informationswert zu erkennen. Wenn die Männer des Dorfes »außer Kontrolle« gerieten, ihre kollektive Strategie beispielsweise durch Alkohol nicht mehr standhielt, so waren die Frauen diejenigen, die »thematisches Bewußtsein«, die Orientierung nach außen, die Dorfintegrität und damit die Barriere zwischen uns und ihrer Lebenswelt sicherten. Bei Dorfinteressen waren sife solidarisch, da hielten sie deren Verteidigung und Sanktionierung aufrecht. Als Herr K. uns eines Tages doch aus der Dorfgeschichte erzählte, war er nicht mehr nüchtern. Da konnte er seinem individuellen Drang, sich durch sein Wissen Geltung zu verschaffen, nicht mehr widerstehen. Allerdings: seine Bestrafung folgte auf dem Fuß. Am nächsten Tag hatte er Redeverbot. Ängstlich schaute er sich nach seiner Frau um, die im Hintergrund lauerte und darüber wachte, daß er nur kein Wort verriet, das nicht für unsere Ohren bestimmt war. »Du redest zu viel« war ihr immer wieder wiederholter Kommentar,13 Einmal mehr gilt hier U. Jeggles Satz: »Solange es Dinge in K-Dorf gibt, die man einem Außenstehenden nicht erzählen darf, solange gibt es das Dorf, und solange muß es auch die Angst vor einer Wissenschaft geben, die Dinge ans Tageslicht zerren will, die nur ein K-Dörfler richtig verstehen kann.«14 Der Weg Die erste Phase unseres Forschungsprozesses war zweifellos die schwierigste. Denn es galt, die Forschungsprobleme sofort mit den ersten Wahrnehmungen neu zu definieren. Nach und nach lieferten die Beobachtungen weitere Indikatoren für die schwer zugänglichen Konstrukte und neue Hypothesen, die den gewonnenen Beobachtungen stets neu angepaßt werden mußten. Wir konnten also nie mit einem fertigen Konzept der Problemstellungen und Aufgaben, die wir erforschen und erfahren wollten, arbeiten. Die sich überstürzenden Ereignisse in der Phase der Begegnung zwangen uns von vornherein sofort in unserer Fragestellung, in unserem Interesse, in unserer Aufmerksamkeit zu reagieren. In gewisser Weise ergab sich so ein Prozeß, den H.S. Becker 10 Basil Bernstein, Studium zur sprachlichen Sozialisation, Düsseldorf 1972. 11 Gesprächsprotokoll Johannes Moser. 12 Albert Ilien & Utz Jeggle, Zum Recht der kleinen Leute auf wissenschaftliches Verstandenwerden am Beispiel Hausens, einer Gemeinde im Urbanisierungsprozeß, in: K. Köstlin & K.D. Sievers (Hg.), Das Recht der kleinen Leute. Festschrift für K.S. Kramer, Berlin 1976, S.89-97. 13 Feldtagebuch Johannes Moser. 14 Jeggle (Anm.4), S.200. »running analysis«15 bezeičhnete. Die Eindrücke und Ergebnisse unserer Beobachtungen und Befragungen mußten möglichst schnell verarbeitet und analysiert werden, da der nächste Schritt auf der Basis der vorangegangenen provisorischen Analyse geschehen mußte. Freilich, wir konnten nicht behaupten, daß diese Methode durch und durch systematisiert gewesen sei. Das System der Untersuchung war mit allen Mängeln zum guten Teil eben Ergebnis der Situation. Wir wählten das offene Interview, bei dem wir den befragten Personen weitgehende Selbstdarstellung einräumen konnten und wo auch wir auf ein eventuelles Anliegen, uns etwas mitzuteilen, am effektivsten eingehen konnten. Begrenzt wurde diese nicht direktive Vorgangsweise nur durch die leitenden Fragestellungen der einzelnen Detailstudien, die allerdings erst in der Nachfragephase zentral wurden. Das anfängliche Mißtrauen gegen das Tonband konnte durch die Kontrollmöglichkeit des Gesagten meist sehr schnell ausgeräumt werden. Die Tonbandaufzeichnungen ergänzten die Beobachtungsstudien, die als »Handlungsprotokolle« während des Aufenthaltes gemacht wurden. Dazu kamen noch Tagebuch-aufzeichnungen, die die persönlichen Irritationen, die Gefühle und nachträglichen Verarbeitungen festhalten sollten, und schließlich Akten- und Dokumentenanalysen. Die Tagebuchaufzeichnungen waren uns gleichermaßen wesentlicher Bestandteil der Information wie die Tonbandtranskriptionen. Diese »Texte darüber« waren sozusagen der Versuch, sich selbst als Bestandteil der Interaktion wahrzunehmen. Für uns nahmen sie daher ebenso »Handlungscharakter« an, standen sie doch in einem dichten Aktions- und Reaktionsgefüge. Durch die nachträgliche Interpretation erhielten sie zusätzliche Bedeutung. Der erste Schritt der Analyse war damit also gleichzeitig die Erhebung und Beschreibung der Gesprächssituation und -handlung, der Aussage des Gesprächspartners und der eigenen Interpretation im Protokoll und im Tagebuch. Schon das Interview selbst wurde im Bemühen, die Sprechhemmungen, die Lautstärke, die Betonungen mitzuerfassen, als Handlungszusammenhang gesehen, in dem Äußerungen immer über den verbalen Inhalt hinausweisen und im Rahmen eines »Ganzen« stehen16. Das hieß aber, im Zusammenwirken von Aktion und Reaktion immer auch die historische Bedingung und die mögliche Zukunfts-perspek-tive mitzudenken. Antworten und Einwürfe, ja selbst Andeutungen und unvollständige Sätze, Gestik, Mimik, Mißtrauen, Solidarität - alle Äußerungen waren nur im Rahmen der kollektiven und individuellen Geschichte der Bewohner zu deuten. Wir suchten damit den spezifischen Kontext in den einzelnen Sequenzen, »in der Linie des Geschehens«17, der von der Vergangenheitserfahrung bis hin zur Zukunftserwartung als Rahmen gefaßt ist. Was im Alltag zum Gegenstand von Deutung und Bedeutung gemacht wird, ist vom jeweiligen kulturspezifischen Maßstab der alltäglichen Selbstverständlichkeit abhängig - eine Tatsache, die uns bei jenen Dorfbewohnern, die besonders exponiert leben, zum methodischen Leitsatz werden mußte. Ihre Kommunikationsstruktur, ihre Art mit uns zu sprechen, uns zu antworten, erschien uns oft fremd. Sehr deutlich führte uns das Waltraud Braunegg vor Augen, die als alleinstehende Frau am äußersten Rand der Streusiedlung wohnt. Unsere Fragen griffen immer wieder ins Leere. Als Frau Braunegg schließlich aufstand und »irgend etwas« tat, wobei sie etwa 15 Howard S. Becker, Problems of Inference and Proof in Participant Observation (1958), zit. nach Kutzschenbach (Anm.l), S.97. 16 Hans-Georg Soeffner, Auslegung des Alltags - Der Alltag der Auslegung. Zur wissenssoziologischen Konzeption einer sozialwissenschaftlichen Hermeneutik, Frankfurt 1989, S.66ff. 17 Wilhelm Dilthey, Entwürfe zur Kritik der histor. Vernunft (1985), zit. nach ebd., S.69. stundenlang versuchte, auf ihrem Sparherd einen Tee zu produzieren, daneben ihre Wäsche in den am Fußboden bereitgestellten Schaffein zu waschen, bis sie schließlich damit hinaus auf die verschneite Wiese stapfte, um sie in einer fast zugefrorenen Quelle zu schwemmen, da verkamen unsere Fragen nach und nach. Wir waren gefangen von den »unglaublichen« Aktionen ihrer Alltagsbewältigung, bis sich im Beobachten dieser demonstrativen Beantwortung unserer Neugierde und Fragen auch ein Sinn entschlüsselte. Waren wir objektiv? Fragen und Irritationen Da uns einigermaßen klar war, daß Bewußtsein, daß Objektivität nur Mythos sein kann, daß wir nie als Feldforscher objektiv sein können, da jede Haltung qua Haltung psychischer Natur ist und damit immer subjektiv18, daß unsere Wahrnehmungen immer von unserer jeweils individuellen Perspektive und dem Standort abhängig sind, wir auch nicht einmal neutral sein konnten, war uns zum »cultural approach« die Subjektivität der Forschersituation, die Person der Befrager/in ein wesentlicher Faktor. Unsere Differenzen und Inkonsistenzen, die sich durch unsere subjektive Interpretation und die jeweils subjektive Verarbeitung der Gesprächssituation ergaben, versuchten wir in unseren Besprechungen auf der Universität zu bearbeiten. So konnte das Verstehen der Interaktion als unsere eigentliche Problemlösung nach und nach erarbeitet werden. Widersprüche mußten dabei aufgefunden werden, Irritationen angesprochen und im Rahmen des »Ganzen« interpretiert werden. Daran schloß sich für jeweils zwei Autoren/innen die Deskription und Hermeneutik der einzelnen Bereiche. Tagebuchaufzeichnungen, die jede/r der Befrager/innen zu den Eindrücken und persönlichen Irritationen während seines/ihres Aufenthaltes in Blatten führte, sollten mithelfen, persönliche Schwierigkeiten, die eigene Perspektive und den subjektiven Standpunkt, die persönlichen Empfindungen zu erkennen und nachträglich in der schriftlichen Arbeit als »relative« Information zu berücksichtigen und zu verarbeiten. Die Offenlegung als Versuch, immer transparent und überprüfbar zu bleiben, war uns von vornherein eine methodische Bedingung, um uns so, ein bißchen wenigstens, dem »Ideal einer relationalen Objektivität«(Kutzschenbach) zu nähern. So gelang es auch, Distanz zum Geschehen einerseits, aber auch zu den uns be wegenden Gefühlen, zu den Eindrücken und Wahrnehmungen zu gewinnen, um im »Oszillieren zwischen Distanz und Nähe« einen entscheidenden Prozeß des Verstehens zu erreichen.19 Obwohl uns nach der Rückkehr in die Stadt und auf die Universität der eigene Lebensraum nicht fremd geworden ist, sondern höchstens punktuell Empfindungsschwankungen mit sich brachte, hatten wir mit unseren offenen Gefühlen im »akademischen Diskurs« unsere Probleme. Klare Kategorien und Interpretationen zu fassen, war zunächst noch nicht möglich, immer wieder verschwammen die schon gesichert geglaubten Zusammenhänge in emotionaler Ungeordnetheit. Der universitäre Diskurs und die hochbesetzten emotionalen Erfahrungen gingen zunächst nicht zusammen. Auch wir mußten erst lernen, ungewöhnliche Fragen zuzulassen, und einige von uns hatten ihre großen Probleme, mit ihrer Subjektivität im wissenschaftlichen Gespräch umzugehen, um sie dann sogar als eigentliche Quelle der Interpretation 18 Georges Devereux, Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften, München-Wien 1973, S.179. 19 Maya Nadig, Ethnopsychoanalyse und Feminismus. Grenzen und Möglichkeiten, in: Feministische Studien 4/1985, Nr.2, S.105-118. erkennen und nützen zu können. Zuviel Energie hat jeder zunächst darin verwendet, seine Emotionen aus dem Prozeß herauszuhalten. Ich war davon überzeugt, daß der Weg der Feldforschung, im Bemühen »dahinterzukommen«, nur durch die subjektive Empfindung, durch die Person jedes/r Interviewers/in gehen konnte. Damit war der Kampf freilich auch innerhalb der Gruppe aufzunehmen. Georg Devereux20 zeichnet einen Weg, der innerhalb der Ethnologie vertrauter ist, der aber auch innerhalb der Volkskunde zu gehen versucht wird. Auch wenn wir in der uns vorgegebenen Zeit unserer Felderhebung noch keine differenzierte Forschungsmethode erreichen konnten, so blieb uns noch eine Menge von der Lebenswelt als enorme Herausforderung für die »wissenschaftliche Veror-tung«. Makro- und Mikrobereich galt es in Bezug zu bringen. Motive, Utopien, Handlungen, Denken und Empfinden der einzelnen Blattener in die Ebene des größeren kulturellen Zusammenhanges zu stellen, um die Resultate der Erkenntnis mit der Theorie zu prüfen.21 Freilich, die Ergebnisse sind vielleicht nicht ohne weiteres überprüfbar oder nachvollziehbar, es sind Ergebnisse, die über den Versuch des Verstehens und des Akzeptierens gewonnen sind, die keinen Anspruch auf eine stets überprüfbare strukturelle Analyse durchhalten wollen. Die Blattener und wir Unsere Begegnung und damit unsere Beziehung zu den Befragten stand von vornherein unter dem Eindruck der spezifischen Bedingungen, die uns schon im ersten Augenblick unseres Besuches auf eine ganz bestimmte Rollenzuweisung aufmerksam machte. Bestätigung fand sie durch das jugoslawische Autokennzeichen unseres slowenischen Kollegen. Zunächst hatten wir sehr wenig Möglichkeiten, die uns zugedachten Rollen zu korrigieren oder ihnen zu entkommen. Vereinzelt konnte zwar nach und nach das tiefe Mißtrauen abgebaut werden. Aber erst bei einem abschließenden Treffen in einem der beiden Dorfgasthäuser, zu dem wir die Bewohner des Ortes luden, um ihnen unsere »Ergebnisse« vorzustellen, um ihnen Antwort zu geben auf ihre häufig gestellte Frage, was wir mit unseren Informationen weiter zu tun beabsichtigen, und um ihnen auch die Gelegenheit zu geben, uns Rede und Antwort stehen zu lassen, lösten sich die starren Rollenbilder. Als wir sozusagen die Gewichtsverteilung zwischen uns und den Dorfbewohnern, zwischen Befragenden und Befragten störten, den Spieß umzudrehen versuchten, indem wir die Bewohner aufforderten, doch Fragen an uns zu stellen, da löste sich die Angst, die Aggression, die Verdächtigung und, wie wir meinten, auch das Mißtrauen. Freilich die Angst löste sich allein auch durch das sichtbare Ende unseres Aufenthaltes. Nun gab es keinen Grund, die Verteidigung aufrechtzuerhalten. Wir verließen ja das Dorf. Zudem schien uns diese Gelegenheit deshalb wichtig, weil wir sehen konnten, wie die Bewohner unter sich agieren, welche Positionen sie zueinander einnehmen, welche Kontakte in einer Gruppe sichtbar werden. Wenn wir auch keine objektive Realitätsdistanz zu unseren Gewährspersonen zu überwinden hatten - die Blattener sind schließlich keine »Fremden« -, ein zumindest oberflächliches Verstehen also keine Problematik darstellte, weil ihre Lebensweise uns, wenn auch nicht vertraut, so auch nicht gänzlich fremd war, so birgt doch gerade 20 Georges Devereux, Ethnopsychoanalyse. Die komplementaristische Methode in den Wissenschaften vom Menschen, Frankfurt 1978 (Paris 1972). 21 Hier galt uns die Arbeit Maya Nadigs, Die verborgene Kultur der Frau, Frankfurt 1987 als wichtige Anregung. dieser Umstand jene Schwierigkeit, die die notwendige Distanz zum Forschungsfeld und damit auch das Erkennen der Strukturen erschwert. Zu schnell glaubten wir, etwas ohnehin zu kennen. Gleichzeitig war vieles am Verhalten der Bewohner fremd, für uns nicht selbstverständlich, sodaß unser Blick doch darauf konzentriert blieb . Ein Umstand, der nicht unbedingt schon die objektive Sicht der Dinge garantiert. Das Objektivitätsideal eines wissenschaftlichen Kolonialismus, das stets eine distanzierte Beobachtung und Haltung zu den Beobachteten fordert, war uns allerdings auch nicht Ziel.22 Daß sich die besondere Lebenssituation einiger Bewohner, jenseits der staatlich definierten Armutsgrenze, auch jenseits unserer unmittelbaren Erfahrung einer solchen Lebensweise, unbewußt auf unsere Bewertungskriterien niederschlug, wußten wir. Deshalb versuchten wir, diese subjektiven Kriterien der Beurteilung in Gruppengesprächen zu diskutieren. So konnten sie, wenn auch nicht verhindert, so doch zumindest reflektiert werden. Aber anzunehmen, daß die Frage »Was ist Armut?« in aller Konsequenz stets nur eine relative ist, anzunehmen, daß Deprivation sozialer, psychischer und ökonomischer Art überdies noch eine eigenständige Kultur-»Leistung« ermöglicht, entspricht zwar dem Bemühen eines kulturrelativistischen Ansatzes, ist aber vielleicht doch selbst wieder ein Ergebnis aufgesetzter Ideologie, die vieles verschleiert.23 Eine andere Konsequenz lag in der Tatsache, daß wir in unserer Untersuchung zutiefst in das Geschehen des dörflichen Lebens, in die Empfindungen jedes einzelnen Bewohners und jeder Bewohnerin eingriffen. Damit waren wir aber selbst quasi automatisch Teilnehmende am Geschehen und ständig neuen Einflüssen, Erfahrungen, Beziehungen ausgesetzt, die sich mit der Aufenthaltsdauer auch veränderten. So ergab sich mit dem zeitlichen Verlauf eine ganz bestimmte Veränderung des Bildes von Blatten und seinen Bewohnern. Was zunächst erst aus dem Bild des großstädtisch geprägten Wissenschaftsvorurteils herausgelöst werden mußte, eben z.B. die Beurteilung der Armut oder ihrer Lebensweise, um einer Verarbeitung des »Fremden«, einer fremden Lebenskultur, Platz zu machen, die auch in ihren Zusammenhang gestellt werden konnte, verlor in zunehmendem Maße in einer Art immer stärker werdender Selbstverständlichkeit wieder an Bedeutungsstrukturen. Selbst Frau Brauneggs zunächst »unglaubliche« Beschäftigungen wurden uns nach und nach vertraut. Die Zeit blieb uns jedoch nicht, um uns im Bemühen um Verstehen restlos mit unseren befragten Blattenern zu identifizieren - und um uns schließlich unserer eigenen kulturellen Erscheinung als Forschende im Dorf an der Grenze zuzuwenden. »Unter uns« Zur geschlechtsspezifischen Wahrnehmung in der Felderhebung Daß die Rollenzuschreibung, vor allem in der Frage der Geschlechtszugehörigkeit, für die Felderhebung wesentlich ist, war durch die Ergebnisse der Frauenforschung bekannt, so daß wir von vornherein Fragen zum Frauenleben den Studentinnen zuschrieben - was auch keinen Widerstand im Kompetenzempfinden auslöste. Schon nach den ersten Begegnungen im Dorf, in denen uns mehr oder weniger differenzierte Geschichten zur Partisanentätigkeit in dieser Gegend immer wieder erzählt wurden, fragten wir uns, ob sie uns deshalb immer aufgesetzt wurden, weil 22 Lewis sieht die »kolonialistische Vorgehensweise« vor allem im wissenschaftlichen Objektivitätsideal verkörpert, die eine möglichst distanzierte Beobachtung fordert und aufrechterhält: D. Lewis, Anthropology and Colonialism (=Current Anthropology 14/1973), zit. nach Kutzschen-bach (Anm.l), S. 77. 23 Claude Levi-Strauss, Die moderne Krise der Anthropologie, in: Unesco Kurier 11/1961. als Vertreter einer öffentlichen Institution/Universität doch (vorwiegend) der männliche Student/Befrager wahrgenommen wird. Diese Sicht entspricht überdies der spezifischen Erwartungshaltung: man erwartete hier den Journalisten bzw. den Historiker, der sich eben nur für die »letzte Sensation in diesem Gebiet« interessierte. Und das war Geschichte über Männer für Männer, die auch Frauen in eben dieser Erwartungshaltung »produzierten«. Wie Susanne Sackstetter machten wir die Erfahrung, daß Frauen als Forscherinnen, als Vertreterinnen öffentlicher Institutionen neben Männern nicht wahrgenommen werden.24 Kamen sie ohne männliche Kollegen, dann erzählten die Dorfbewohnerinnen anderes. Da entwickelte sich eine Kommunikationsstruktur, die der jeweils traditionellen frauenspezifischen Wahrnehmung entsprach. Die ältere der beiden Studentinnen wurde der spezifischen Erfahrung entsprechend als Lehrerin angesehen, die jüngere Studentin wurde mit der Rolle der »Tochter« bedacht, die von den Frauen an den Haaren neugierig und zärtlich berührt und immer wieder belehrt wurde. Diese geschlechtsspezifischen Bedingungen im Gespräch mit Frauen von Blatten als Angebot voll anzunehmen und als Möglichkeit zu nutzen, war sicherlich eine schwer zu bewältigende Herausforderung, die eine besonders sensibilisierte, geschlechtsspezifische Wahrnehmung und Fertigkeit des methodischen Instrumentariums verlangt. Wie sehr aber unser Forscherinnenselbstverständnis selbst noch in der männlichen Haut der Wissenschaft steckt, sollte uns während des Projektes noch überaus deutlich werden. Die internalisierten Strukturen weiblicher Verständigungs- und Identifikationsmöglichkeiten werden vor allem Umgang mit dem anderen Geschlecht wirksam. Zwei Studentinnen wurden so ganz unverhofft in einer Situation der generellen Ablehnung zu Verbündeten gemacht, als der Ehemann einer Befragten offensichtlich betrunken nach Hause kam. Frau Reiferer wird ganz aufgeregt, rennt hin und her, und bittet uns, noch nicht zu gehen. Sie hat Tränen in den Augen und versucht das vor ihrem Mann zu verbergen. Er wirkt anfangs aggressiv, kommt herein und sagt, er kenne uns nicht. Die zwei Töchter verabschieden sich. Frau Reiferer schenkt uns Wein nach und bringt eine Jause. Dann richtet sie ihrem Mann ein Essen. Er holt sich Bier und setzt sich zum Tisch. Da wird sie enorm stark und weist ihn zurecht, er solle nicht so schreien und soviel Blödsinn reden. Hinter seinem Rücken zeigt sie ihm sogar die Zunge. Auf uns wirkt das alles sehr demonstrativ - so wie: wir Frauen halten zusammen. Bevor der Mann nach Hause kam, vermittelte uns Frau Reiferer, daß ihre Ehe gar nicht so schlecht sei. Jetzt bricht alles aus ihr heraus. Da forderte sie uns zum Bleiben auf. Uns schien, als habe sie sehr Angst vor ihm. Wir wären lieber gegangen, denn die Situation war uns sehr unangenehm. Aber Frau Reiferer war so verzweifelt, daß wir ihr helfen wollten, nur wußten wir nicht wie. Langsam beruhigte sich die Situation. Bis wir endlich gehen konnten, war es dunkel.25 Das Gerücht Ein besonders großes Problem sollte eine uns zu getragene Geschichte werden, die uns in der Frage unserer Verantwortung einiges abverlangte. Es handelte sich um eine schwere körperliche Mißhandlung, die sich Vorjahren im Dorf zugetragen haben soll. 24 Eine Ausnahme schien die indifferentere und »geschlechtsneutralere« Reaktion auf meine Person als Organisatorin gewesen zu sein. 25 Feldtagebuch Monika Pieringer. Konnten wir mit unserer Information zur Behörde, um zukünftige Übergriffe dieser Art aufzuhalten und auch zu verhindern, oder tritt der Schaden erst dadurch ein, daß die Behörde dann in das feste Sozialgefüge eingreift und durch einen Machteingriff von außen, eine eventuelle Selbstheilung verhindert, etwas veranlaßt, was niemand will. Also was ist zu tun, wenn das, was uns unter vorgehaltener Hand erzählt wurde, auch wahr ist? Und ist es wahr? Wer garantiert, daß der Beschuldigte, ein krasser Außenseiter im Dorf, nicht das Opfer seiner sozialen Position ist? Was bedeuten in unserer Forschungsarbeit Devianzen, Delikte oder Gerüchte um Delikte? Müssen wir darum wissen? Welche Verantwortung übernehmen wir damit? Und wenn wir aufgrund der Information etwas unternehmen, dann sind wir doch im Agieren auch Verursacher möglicher weiterer Katastrophen für einzelne Bewohner. Zunächst beschlossen wir, »die Sache« aus der Situation der großen Betroffenheit über die Schwere dieses angeblichen Vergehens, von dem jede/r im Dorf wußte, aber nichts davon nach außen, an die Behörde meldete, vorsichtig und genauer zu recherchieren, wohl wissend, daß diese Absicht bereits die erste Wirkung war, dieses methodische und menschliche Problem zu verdrängen. Was uns geblieben ist, außer einem schalen Gefühl einer unbewältigten Situation, ist die Bestätigung einer methodischen Erwartung: die »Verräter«, diejenigen, die die Vermutung äußerten, und diejenigen, die sie vorsichtig bestätigten, kamen nicht aus dem Kern der Bewohnerschaft, sondern waren selbst in gewisser Weise Außenseiter. ** 26 »Äußere und innere Umstände« Zum interessantesten äußeren Umstand, auch dem ersten, der uns in eine Spirale von Störungen und Konflikten bringen sollte, gehörte der »taktische Fehler« des jugoslawischen Autokennzeichens, das für die Bewohner Blattens eine Signalwirkung hatte. Damit wurde die ganze Gruppe in eine bestimmte Wahrnehmung, unter einen bestimmten Verdacht gestellt, uns und unser Unternehmen einer ganz bestimmten Absicht zugeordnet, die den Ablauf, die Reaktionen und den Gang der Felderhebung weiter bestimmen sollte. Was für die einen Bewohner das fremde Autokennzeichen, war den anderen die fremde Diktion der Aussprache unseres slowenischen Teilnehmers, der ihn eben als einen bestimmten und nicht als irgendeinen Ausländer deklarierte und sofort die gesamte Gruppe als verdächtig »entlarvte«. Zwei äußere Erkennungszeichen also: die Sprache und die Autonummerntafel, die Assoziationen bei den Bewohnern hervorriefen, deren Reaktionskette nicht mehr aufzuhalten war, weder durch Erklärungen, Einwände noch Diskussionen. Eine Konfliktkette, die ablaufen mußte. Innere Umstände Das unerwartet heftige Mißtrauen der Bevölkerung auf unser Erscheinen verunsicherte uns tief. Es traf uns zu einem Zeitpunkt, der eine zusätzliche Belastung durch die ersten intensiven längeren Aufenthalte im Feld darstellte. Der Schutz der Gruppe war für das jeweilige Paar, das sich im Feld befand, nicht mehr wie bei den ersten Besuchen vorhanden. Jede/r war »für sich« allein und dem Feld »ausgeliefert«. Die ersten intensiven persönlichen Kontaktaufnahmen stellten manchmal scheinbar unüberwindliche Hürden dar. »Die Luft war voll Mißtrauen, die gesamte Umwelt schien sich zu verschwören«: »... als wir beim Kästner vorbeikamen, tauchte der Hund auf und bellte uns an und hörte nicht auf. Da reichte es mir und ich springe ihm entgegen und schreie etwas, 26 Nach Kutzschenbach (Anm.l), S.53-74. weil ich glaube, daß er ohnehin feige ist und dann davonläuft. Aber jetzt flippt er erst richtig aus, die Haare stellen sich auf und er fängt zu schnappen an. Da hilft uns nur noch der geordnete Rückzug.«27 Obwohl unsere Feldsituation nur schwer mit den üblichen ethnologischen Feldern zu vergleichen ist, immerhin waren wir doch nur eineinhalb Autostunden von unserem Universitätsort entfernt und nicht irgendwo im Busch, erlebten auch wir in gewisser Weise einen »Kulturschock«. In dem einwöchigen Aufenthalt in dieser einsamen und entlegenen Gegend, unter oft als abweisend empfundenen Einwohnern, verspürten doch die meisten von uns Isolation und Abgeschnittensein von der Außenwelt, wo sogar die Tageszeitung, die täglich der Postbote vorbeibrachte, so etwas wie eine Verbindung zu seiner Welt, nach »draußen« wurde. Der in der Literatur zur Feldforschungsmethodik oft beschriebene, uns also durchaus von daher schon geläufige Effekt der Vereinsamung, tat schnell seine Wirkung. Auch uns erschien, obwohl wir uns ja nicht am Ende der Welt befanden, sondern uns in heimischen Gegenden und Landschaften bewegten, plötzlich alles fremd, alles, was eigentlich bekannt sein sollte, machte nun hilflos, alles verkehrte sich zum Unvertrauten, zum Rätselhaften, zum Unberechenbaren und Unheimlichen. Die Irritationen konnten in der Kürze unseres Aufenthaltes kaum aufgelöst werden, lockerten sich erst nach und nach in den Nachbearbeitungsgesprächen an der Universität. Daß dabei jedoch auch dann noch unsere Angst- und Abwehrmechanismen die Interpretationen beeinflußten, konnten wir nicht restlos verhindern. Gerade aus unseren Abwehrstrategien wäre noch viel an Erkenntnis zu schöpfen gewesen. Hier sollte uns zumindest bewußt werden, wie recht G. Devereux hatte, wenn er die Bedeutung der psychoanalytischen Vorgehensweise für die Ethnographie moniert. Die Angst des Befragten gibt sich nur in der Angst des Beobachters zu erkennen. Daß der Befrager, der Beobachter selbst, so zum eigentlichen Instrument des Fremdverstehens wird, wurde uns in dem zunächst verwirrenden Ablauf der Konfrontation zur Schlüsselerfahrung. Nicht der Gang der Dinge allein, der Ablauf der Ereignisse für sich, sondern unsere Irritationen darauf machten Zusammenhänge sichtbar und ermöglichten Interpretationen. Die Störung, die unser Auftauchen auslöste, und die schließlich zu unserer Verstörung führte, war nicht Störung, sondern Durchgangsstadium, das wieder zu unserem »Forschungsgegenstand«, der Bevölkerung von Blatten führte. Daß dabei freilich unser Erkennen in vieler Hinsicht an der äußeren Schicht des Verstehens tieferer Zusammenhänge hängen bleiben mußte, liegt daran, daß wir als Teilnehmer/innen der Projektgruppe eine vertiefte Selbsterfahrung, die den für die Analyse so wesentlichen Prozeß der Gegenübertragung intensiver beachten und kalkulieren kann, nicht hatten. Über eine ausgereifte ethnopsychoanalytische Methode wäre ein Mehr an Erkenntnisgewinn möglich gewesen. Uns blieb so nur die Wahrnehmung der inneren und äußeren Störungen als wichtigste Erkenntnisquelle. Eines war uns sehr bald klar. Das, was wir als Störungen wahrnahmen und was Irritationen auslöste, sollte unsere eigentliche Informationsquelle sein. Es waren die uns fremden oder zumindest nicht vertrauten Mechanismen dieser Dorfbevölkerung, sich in ihrer spezifischen Geschichte, in ihrer Umgebung an der Grenze anzupassen. Die Art, wie diese Mechanismen verteidigt wurden, ließ uns erkennen, daß wir die Eingreifer darstellten, die dieses System gefährden und die Organisation dieser Menschen in Frage stellen konnten. Ihr Verhalten war als »überempfindliche Abwehrorganisation«28 zu verstehen, die durch kulturspezifische Variablen bedingt wurde. Die Art der rigiden Verteidigung, das Festhalten daran, ein Festhalten, das 27 Feldtagebuch Johannes Moser. 28 Paul Parin, Der Widerspruch im Subjekt. Ethnopsychoanalytische Studien, Frankfurt 1978, S.78. kaum durch Gespräche der Aufklärung zu lockern war, hatte in ihrer Unabhängigkeit echte Entlastungsfunktion. Darin fanden die Blattener eine Sicherheit, die sie nicht gefährden wollten. Was wundert es also, daß sie sogar im Augenblick unseres Auftauchens solidarisch in ihrer Abwehrreaktion uns gegenüber waren und als Verstärkung ihrer Abwehr die Behörde zu Hilfe riefen, was schließlich dazu führte, daß wir sogar von der österreichischen Staatspolizei observiert wurden. Damit bekamen die Strategien, wie die Bewohner von Blatten mit uns Eindringlingen umgingen, ihren eigentlichen Bedeutungsgehalt. Wie sehr innere und äußere Faktoren die Wahrnehmung der Ergebnisse in einer nicht zu trennenden Weisebeeinflussen, wurde uns überdies bewußt, als sich herausstellte, daß ein und dieselbe Befragungs- oder Beobachtungsszene in denTagebüchern von den jeweiligen Befrager/innen ganz unterschiedlich beschrieben und kommentiert wurde - nur äußere Angaben, Zeit, Ort und Personen erinnern daran, daß es sich hier um ein und dasselbe Geschehen handelt. Alles ist in Ordnung »Alles ist in Ordnung, einer Ordnung und einer Stille, die keiner mehr stören sollte, keiner sollte fragen, jetzt, wo längst Gras über alles gewachsen ist.« Wann immer der Vorwurf an unser wissenschaftliches Fach formuliert wird, den Auftrag einer verantwortungsbewußten Kulturforschung nicht wahrgenommen zu haben, einer Kulturforschung, die »um die Verteidigung der demokratischen Grundrechte für alle und um die Wahrung der kulturellen Vielfalt«29 bemüht sein muß (im Falle einer interdisziplinären Minderheitenforschung geht es nicht allein um das soziale Engagement zugunsten des Schwächeren30), dann müssen wir nach unseren Erfahrungen einbekennen, der Vorwurf ist berechtigt. Nur, die Forderung wird hier auch nie mehr eingelöst werden können. Weil es zu spät ist. Weil die sprachliche und ethnische Assimilierung einer unterlegenen Gruppe durchgesetzt wurde, weil politische Interessen und ethnozentristische Tradition längst - im Zusammenwirken mit der wirtschaftlichen Marginalisierung - ihre Wirkung getan haben. Sichtbare Formen der Selbst- und Fremdzerstörung, vom übermäßigen Alkoholkonsum bis hin zu der Hoffnungs- und Perspektivelosigkeit, sind Ergebnis einer zerstörten kulturellen Identität, die sich tief in das Selbstbewußtsein eingegraben hat und so ein überindividuelles Ventil gefunden zu haben scheint.31 Daß damals sogar Volkskundler mit internationalem Ruf, sogar solche, die nicht einmal dem nationalsozialistischen Wahn anhingen, ihren Beitrag leisteten und im »Dienste einer höheren Sache« zu Handlangern bei einer stillen ethnopsychischen Katastrophe einer kleinen Gruppe wurden, bleibt als Erbe auch unser Auftrag für zukünftiges wissenschaftliches Bewußtsein. Nicht Sitten und Bräuche einer abgeschiedenen, vielleicht auch archaischen Landschaft waren unser vorrangiges Ziel - diese Bräuche, die auch als Zeichen des Widerstandes gegen die vorherrschende Kultur, als Bestandteil einer eigenen soziokul-turellen Ordnung zu werten wären, gibt es hier nicht mehr -, sondern die Frage nach den Ursachen des Verschwindens dieser kulturellen Lebensäußerungen an der Grenze. Wo die, die hier wohnen, meinen, die Welt befinde sich woanders, und von 29 Definition laut Uno Deklaration. 30 Nach Maria Aldouri-Laufer, Bilanz einer Aktion, in: Leben in zwei Kulturen. Beiträge zum internationalen Volksgruppensymposium in Schlaining, Salzburg 1987, S.7-16. 31 Mario Erdheim, Ethnizität und Staat, in: Zwischen Selbstfindung und Identitätsverlust: Ethnische Minderheiten in Europa, hgg. v. Arbeitsgemeinschaft Volksgruppenfrage, Wien 1984, S.40-48. denen die Menschen in den benachbarten Dörfern sagen, sie seien Fremde. Assimiliert und dennoch fremd. Povzetek Terensko raziskovanje v Blatnem Izpostavljenost našega raziskovalnega polja v jugovzhodnem mejnem področju Štajerskega - ki pomeni tako gospodarsko kot tudi socialno deprivacijo - je odločilno vplivala na samorazu-mevanje, samopodobo in samovrednotenje ljudi. K temu lahko dodamo še učinek zavestnega ali nezavednega zakrivanja in potlačitve etnične in jezikovne pripadnosti. Večina Blačanov je v otroštvu govorila slovensko, del staršev ali starih staršev izvira »od zunaj«; vse to pa ne sme biti več javno znano. V tej nenavadni in na vsak način izpostavljeni situaciji so se morale oblikovati povsem specifične oblike načina življenja in vedenjske reakcije. Mogoče jih je razumeti kot »reakcije« na zunanje okoliščine, na politične in družbenoekonomske dejavnike in dogodke, vsekakor pa tudi kot specifično kulturne formacije. Zakaj Blatno? Če odmislimo »klasično« simpatijo etnologov za gospodarsko ah socialno marginalna področja, potem je na nek poseben način šlo za raziskavo učinkov avstrijsko-jugo-slovanske meje (danes avstrijsko-slovenske); za raziskovanje, kako vplivajo predsodki javnosti nasproti drugače govorečim na prizadete (Blačane), na njihovo identiteto, na njihov način življenja in vsakdanjo kulturo. Zakaj prav Blatno, je bilo težko razložiti. Najbolj sprejemljiva argumentacija je bila, da potrebujemo raziskovanje za zaključek našega študija. A vseskozi je bil zadaj strah, povezan z asociacijami na Koroško in Radgonski kot, kjer naj bi s študentskimi vprašalnicami samo povzročili nemire. Prvi stik z Blatnim smo navezali s pismom, ki naj bi nam odprlo pot do prebivalcev. Da nanj nismo dobili odgovora, se nam ni zdelo nič posebnega. Prvi pravi stik s terenom in nelagodja smo občutili v soboto popoldan v gostilni, ko smo se srečali s kolegom iz Ljubljane. Nelagodje se je najbolj izrazilo pri obisku lokalnega zgodovinarja, ki je v pogovoru izražal nemško nacionalne ideje in definiral to področje kot izrazito nemško. Kolega iz Ljubljane ni mogel ohraniti vloge neprizadetega poslušalca in prvi konflikt je bil tu. Drugemu konfliktu je bil povod ljubljanski službeni avtomobil (z ljubljansko registracijo in imenom ustanove), saj so v njem videli fotografsko opremo in vse prijavili žandarmeriji. Kmalu zatem seje slišalo, da so rezultati naše raziskave že objavljeni v slovenskem dnevniku. Tako je bilo skupno delo na avstrijski strani onemogočeno; s kolegom smo se dogovorili, da zbere in analizira gradivo na oni strani meje. Analiza konfliktov je pokazala na zelo občutljive točke Blačanov. Dogodki niso bili naključni, saj ni šlo za nesporazume; postali so ključ za dešifriranje kulturnega sistema. Domačini so reagirali enotno. Ker je jezikovno znanje zaradi utaje maternega jezika malo diferencirano in obubožano, smo bili pozorni predvsem na pojave neverbalne komunikacije (orientacija v prostoru, pri pogovoru idr.). Razmeroma enotna obrambna strategija je doživela svoj občasni polom le pri moških popivanjih v gostilni, kar je bilo s strani žensk kasneje sankcionirano. Prvi koraki na poti v vas so bili tako najtežji. Vendar so omogočili spraševanje in novo definiranje naših vnaprej pripravljenih konceptov (running analysis). Izbrali smo odprti intervju, ki je informatorjem omogočil dovolj prostora za samopredstavitev. Pogovore smo snemali s kasetofonom in jih potem prepisali. Vsak udeleženec je tudi vodil dnevnik svojih doživljanj terena. Marsikdaj smo bili zmedeni, saj so naša vprašanja merila v prazno in nismo mogli takoj dešifrirati pomenov. Ali smo bili objektivni? Jasno nam je bilo, da je naša »objektivnost« odvisna od vsakokratne individualne perspektive, od pozicije; upoštevali smo subjektiviteto raziskovalne situacije. V diskusijah na univerzi smo pretresali dnevniške zapise, prepisane pogovore; z izpostavljanjem osebnih zadreg občutkov nelagodja, osebnih pozicij smo si metodično skušali zagotoviti transparentnost in preverljivost, torej neke vrste »relativno objektivnost«. Naše srečanje z Blačani je bilo pod vtisom specifičnih okoliščin prvega srečanja. Vendar se je sčasoma strah vsaj deloma razblinil. Naše raziskovanje je prodrlo globoko v pore življenja v Blatnem in naši pogledi so se spreminjali. Kar smo na začetku videli s pozicije velemestnega raziskovalca, npr. revščino, njihov način življenja, je zadobilo drugačne pomenske strukture. Področje raziskovanja je bilo tudi žensko vprašanje. Splošno so v Blatnem pričakovali novinarje, zgodovinarje; in to so bile zgodbe moških za moške, ki sojih pravile tudi ženske. Tako kot S. Sackstetter smo izkusile, da poleg moških kolegov ženske kot raziskovalke niso sprejete. Ko smo bile same, so vaščanke govorile o drugih stvareh. Marsikdaj smo bile nehote tudi zaveznice ženam v konfliktih z možem. Najbolj zanimiva zunanja okoliščina, ki nas je privedla v vrtinec motenj in konfliktov, je bila »taktična napaka« z avtomobilom jugoslovanske registracije in tujo izgovorjavo slovenskega kolega. Zaradi nezaupanja prebivalstva smo postali negotovi. Doživeli smo »kulturni šok«. Strah vpraševanca je bilo mogoče videti v strahu spraševalca. Eno nam je postalo jasno. To kar mi razumemo kot motnje in kar vzbuja vznemirjenje med prebivalstvom, mora postati vir informacij. To so bili nam tuji, ne zadosti znani mehanizmi prilagajanja meji. Upravičene zahteve, braniti osnovne demokratične pravice za vse in ohraniti kulturno različnost, žal ne moremo več uveljavljati: ker je prepozno, ker je jezikovna in etnična asimilacija izpeljana in ker so politični interesi in etnocentrična tradicija učinkovali. Daje k temu v imenu »višjih interesov« prispeval svoj delež tudi etnolog mednarodnega slovesa, ki ni pripadal nacionalsocialistični zablodi, ostaja kot dediščina tudi naša naloga za prihodnjo znanstveno zavest. Naš cilj niso bile šege in navade neke, od vsega odrezane, verjetno tudi arhaične pokrajine -šeg, ki bi jih tu veljalo vrednotiti kot znamenje upora proti prevladujoči kulturi tu ni več - temveč razlogi izginjanja teh kulturnih izrazov življenja na meji: Kjer ljudje, ki tu živijo, mislijo, da se svet nahaja nekje drugje; in o katerih v sosednjih vaseh rečejo, da so tujci. Asimilirani in vendar tujci.