Von Spitzbergen zur Sahara. Zweiter Band. Von TMMll zur Tahara. Stationen eines Naturforschers lN LMlieraen, lappland, Schottland, der 5'ckwch, Frankreich, Italien, dem Grient, ^egypteu und ^lacrien. Bon Charles Martins, Processor dcv Nal»la,csckich;iinlch»,!! ssal»ll>il zu Mo>l!ptNi>,'r, ?ircl!or des Boianillbc» (Y.iNl'ilS daiclbst, ll'rrcspl'nriieiirlM ^)iil»,l!l!de dco Hnsti»»!«' vou .vianlrnll' und tcr lycologijchcn GcscUschail zu Vonlon. Autorifirte und unter Mitwirlunn des Verfassers übertragene Ausgabe fiir Deulschlalld. ^------ Mit B o r w o r t vl'N Carl Vogt. Aus dem Französischen von A. Sarle!« Zweiter Band. Jena, H e r in a n ii (5 o st c n o l) l e. 1 5 0 5. Sachregister. Seite Die Schnccmans........: ......... 1 Ursachen dcr Kalte auf den Hocha,rbira,en......... 7 Ursachen dcr physiologischen Kälte beim Menschen...... 21 Allgemeine subjektive Bedingungen, welche die Empfindung dcr Kälte modifi^irm.............- - ^ Spc;icllc physiologische Kältenrsachen aus den Hochgebirgen , , . 34 Versammlunss der schweizerischen naturfmschcndcn Gesellschaft im Alissust 1863 zu Samadcn im Ober-Engadin, Kanton Grauliündcn................ 44 Sitzung von Samaden............... 53 Arbeiten dcr schweizerischen ucitnrforschcndcn Gesellschaft .... ?tt Der Mont i^eiltoux in der Provence........... U4 Physische Beschreibung des Berges........... 94 Stufenfolge der Klimate.............. ls)3 Physische, dem Studium der Pflauzentopogiaphie günstige Bedingungen 10<> Besteigungen des Mout Pcutoux........... IU) Wälder und Kulturen............... 115 Pflanzeugürtel................. 1^5 Dic Crllli oder die frailzösifchr Sahara.......... 135 Geologischer Uclierblick über das Vcructthal und lllitrrschcitünlss drr achten von den unä'chtcn Moränen in den östlichen Purenäcn >5N Geologische Beschaffenheit des Vcructthalcs, nnächtc Moraneil . . >-^ Glctschcrbildungcn des Vcrnctthalcö........... 155 Endmoränen dou Mont-LouiS............ l59 Unächtc Moräne der Escaldas.......... , . 1W Rundhöckcr und Moränenblöctc des Carolthaleö....... l62 Die Glllileittiviinc iu Florenz............. 164 VI Sachregister. Scitc Potlinischcr Spnzirrssanss längs dcr Klistru von jticinasicn, Syrien und '.'lcMtcn................ l?ü Malta .................... IM Syra .................... 181 Sniyrna................... 1^2 Dcr Bosphovns ................. l^5> Die Platane von Pnjukderc............. 1>!i) Rhodus................... 1N<» Polnpcjopolil<.................. 19ii Alerandrctta.................. l!»i> LataNeh.................... lW Tripoli...................- W7 Veywt.................... 200 Jaffa.................... ^'"! Alc^andncn.................. '^7 Kaivo und die Pyramiden , ............ '^l^ Rüllkchv................... 2,!) Dcr Altlilimtislttimiö.lMten von Hamma bei Mssirr..... '^i T>cr AMimaiiiation^artcn iin Iahvc 1,^52........ ^!22 Der AMiinatifationsgartcn iin Jahre l<^4........ ^.^ Der Wala lion EdoM lici Bonn............ ^^ Physisäies (<'emlildc dcr ostlichr» Znhara in dcr Provinz ztunstantinc ^4« Die Illittelincerrcluon............... ^49 Die Region dcr nntercn Hochebenen.......... 261 Die Wüstenr^ion................ ^4 Die Formen dcr Allste.............. ^7!) Die Oasen.................. ^0 Bertheilung der Bevölkerungen............ Ml Das 5.'cl)M in dcr Wüste............. 318 Schluß.................... 331 Die Schneemaus. Zwischen dcm Brienzer See und den Berner Hochalpen erhebt sich cine Berggruppe, von der das Faulhorn beinahe den Mittelpunkt einnimmt. Der Gipfel desselben liegt 2683 Meter über dem Meere. Von der Höhe dieser Fernsicht umspannt das Auge die Ketten der Alpen, des Jura und der Vogescn, man entdeckt die Seen uon Brienz, uon Thun, der Pierwald-stüdte, uon Morat, uon NeufäMcl und die ganze zwischen diesen Seen liegende Schweizer Ebene. Im Jahre 1832 hatte ein Einwohner von Grindelwald die glückliche Idee, auf diesem Gipfel ein kleines Gasthaus zu bauen. Er wohnt daselbst vom !5. Juli bis zum 15. Oktober, und sein Haus ist eins der höchsten in Europa, da es sich 2W Meter über dem Hospiz des Großen St. Bernhard, aber L70 Meter unter dem kleinen Hause befindet, das seit 1850 auf dem Gipfel des Eol Saiut-Theodnle im Wallis, 3350 Meter über dem Meere, gebaut ist.*) Begierig, die Klimate, welche ich in Spitzbergen und Lappland studirt hatte, mit einem nicht sowohl seiner Breite als seiner Erhebung über dem Meere halber gleich strengen Klima zu vergleichen, hatte ich mich mit meinem Freunde A. Bravais *) Siehe Vd. I. Seitc 111. Martins, Spitzbergen:c. II. 1 <) Tie Schneemaus. während der Monate Inli und August 1841 auf dicscm luftigen Observatorium eingerichtet. Während wir uns unseren Erpcrimentcn überließen, bemerkten wir häufig ein kleines Thier schnell an uns vorübercilen und verstohlen in seine Grube schlüpfen. Wir bemerkten, daß es sich auch in dem Gasthause fand uud von Alpenpflanzen nährte. Bei dem ersten Zusammentreffen ließ uns seine Aehnlichkcit mit der gemeinen Maus glauben, daß dieser lästige Gast dem Menfchcn in seine _ Wohnung anf dem Faulhorn gefolgt sei, wie er früher schon an Bord der Schiffe über die Meere gegangen ist. Eine aufmerksamere Untersuchung bewies mir jedoch, daß es, weit entfernt, eine Maus zu sein, eine Art aus dem Geschlechte Zeldmans sei, welche bisher den Nachsuchuugcn der Naturforscher entgangen war. Ich werde sie mit dem Namen Schncemaus (^rviooln, mvnli5) bezeichnen. Doch war es nicht das erste Mal, daß dieses Thierchcn von Reisenden bemerkt worden war. Im Jahre 1811 sagte der Major Weiß, welcher auf dem Faulhorn ein Feldmeßsignal errichtet hatte, daß er daselbst eine Art von Mans gesehen habe, die er niemals anderwärts bemerkt hätte. Dieser Umstand beweist, daß diese Fcldmans den Gipfel des Faulhorns bewohnte, bevor man das Gasthaus, welches aus dem Jahre 1^32 stammt, gebaut hatte, doch hat man sie auch anderwärts in den Hochalpen beobachtet. Die Führer des Herrn Pictet versicherten ihm, anf den Felsen der Grands Mulets, 3050 Meter über dem Meere, Mäuse gefunden zu haben. Diese Mäuse sind Individuen derselben Art, welche der Hausmaus zum verwechselt! gleicht. Nuu find die Grands Mnlets Felsen, auf denen man beim Besteigen des Montblanc die Nacht zubringt, uachdcm mau mehre Stnnden anf Schnee und Eis marschirt ist. Anf dieser von einem Ozean von Schnee umgebenen Insel, auf der kaum einige Alpenpflanzen gedeihen, haben sich zahlreiche Generationen dieser Thiere fortgepflanzt. Die Schneemaus. 3 Endlich ist cm unerschrockener Erforscher der Hochalpcn, Herr Hugi, eben diesem Nager auf dein Finsteraarhorn in einer Höhe von 3900 Meter über dem Meere begegnet."') In den Alpen läht sich die Grenze des ewigen Schnees auf 2700 Meter festsetzen. In dieser Höhe also oder über dieser Grenze hat diese Feldmaus ihre Wohnung aufgeschlagen, eine um so sonderbarere Eigenthümlichkeit, als alle anderen Arten derselben Gattung in unseren Meiereien und in den Ackerfeldern der Ebenen Enropas wohnen. Löie verschieden sind die Daseinsbedingungen für die Alpenart! Sie lebt unter einem atmosphärischen Drucke, der um ein Drittel geringer ist als in den Ebenen. Der Sommer, während dessen der Schnee fast allwöchentlich fällt, dauert nur drei Monate. Auf dem Faulhorn beträgt die mittlere Jahrestemperatur—2,3", die des Sommers -s- 3,3"""). Im Winter belasten ungeheure Schnee-masscn den Boden, und doch macht nnser Thierchcn die rauhe Jahreszeit durch, ohne in den Winterschlaf zu verfallen, da es gegen die Kälte gerade durch den Schnee geschützt wird, welcher diese Höhen für andere Thiere unnahbar macht. Man hat sich davon auf folgende Weise überzeugt: Am 8. Januar 1832 wollte Herr Hngi von Solothnrn den Grindelwaldgletscher besuchen, um die Beschaffenheit desselben im Winter zu studircn. Das Empor- ») Seitdem ist dieses Thier in der ganzen Alpentctte gefunden worden. Vlasws;cigt c8 in seiner Fauna von Deutschland auf dem St. Gott. hard, auf dem Col St, Theodule, auf dem Bcrnina, dein Pi; vanguard, dem ö^ros; Glöckner und im Ochthal in Tyrol, auf dcu Hochalpcn der Provence u. s. w, an. desgleichen Herr de S'-lyS-i!ongchamps aus dem Pic du Midi in den Pyrcuäcn. Wie es aber in dcr Natnrgcschicktc leider immer der Fall ist, ist die Schucemauö mit mehren ^tamcn bezeichnet worden: ll)piläill-!i5 »IpiiwL Warner Nc»,lßd. 1842, II. nivi^nla 8cl,mx 1844, ä,rvieo!» Ieuc''ir,<8 6«id« 1852, ä.. Ivsbrunii Cresp. 1844 „nä ll^xu^llouz petrnpliiluz ^V»ßn. 1853. ^) In Paris beträgt die mittlere Jahrestemperatur WF", die dcö Sommers 18,2", 1' H Die Schm'!,'minl>s. klimmen an den Seiten des Metteubcrges war mühsam; die Reisenden stießen auf Massen von Eis, in welche sic mit der Axt Tritte oder Löcher einhanen mußten, und da andererseits der Schnee Alles schlicht gemacht hatte, so konnte man aus den Terrainvorsprüngen keinen Nutzen ziehen, Die Wasserfalle, in lange hängende Stalaktiten verwandelt, waren regungslos und schienen mit ihrem Falle die verwegenen Wanderer zn bedrohen, welche die Todesstille dieser hohen Einöden zn stören kamen. Endlich gegen Abend langten sie auf der Stieregg an. ?ort wohnt Sommers ein Ziegeuhirt; man inacht sich an die Auf-suchuug seiner Hütte, aber uichts auf dieser schlichten Fläche dentet die Gegenwart derselben an. Endlich bemerkt man eine leichte Erhebung anf dein Schnee. Mau begiebt sich ans (traben, und gegen Abend entdeckt man das Dach einer Hütte, man führt fort den Schnee wegzuschaufeln, um die Tlmr frei zu macheu. Mau öffnet: an zwanzig Mäuse ergreife» die Flucht, sieben werden getödtet, uud iu der Beschreibung des Verfassers ist es unmöglich, die ^rvioolli. ni'v:vli8 zu verkennen. So wisseu wir denn, Dauk Hcrru Hugi, daß die Schneemaus währeud des Winters nicht erstarrt nnd seine Farbe nicht ändert; — beides gleich interessante Thatsachen für die Naturgeschichte. Wir würdeu unsere Leser uicht mit diesem kleinen Vierfüßer unterhalten haben, wenn er uicht eiuige merkwürdige Eigenthümlichkeiten hinsichtlich seiner Lebensweise uud seiues Aufenthaltes darböte. Die Naturtypcn spielen in zahllosen Formen, und die Knnde von einer ncueu Form hat nur Interesse für deu Naturforscher. Allein interessant für Jedermann ist es zu wifsen, daß es ein Säugethicr iu Höhen' giebt, wo kein anderes aushalten könnte. Es ist keineswegs willkürlich, daß sich die Gemse anf die Schneegivfcl der Alpen geflüchtet hat, der Mensch ist es, der sie von den Wiesen und subalpinen Wäldern, die sie bewohnte uud wohiu sie uoch wäh- Die Schnccmaus. 5 rend des Winters wieder hinabsteigt, vertrieben hat. Unsere Schneemaus ist also unter allen bekannten Säilgethieren dasjenige, welches freiwillig am höchsten in den Alpen wohnt. Auch ist damit eine Art mehr dem so spärlichen Verzeichnisse der vicrfüßigeu ^andthicrc Enropav hinzuzufügen, deren Anzahl sich nach der Mlung von Herrn Sölys-Vongchamps nur auf 121 beläuft. Auch finde ich eine ni'chliche Lehre in der Geschichte der Entdeckung dieses Thierchcns; sie zeigt, dan in der Zoologie der Schein oft trügt und daß die Behauptungen der Laudes-eiuwohner sehr wenig klauben verdienen. Vange Zeit lebte die Schneemaus unbekannt auf diesen Hochgipfeln, welche noch vor fünfzig Iahreu deu Thalbcwohncrn eine abergläubische »vnrcht einflößten. Ein Maler, Namens König, steigt auf das Mulhorn, um daselbst Ansichten aufzunehmen, und wird durch die Menge der Erdlöcher überrascht, von dcucu der Gipfel durchbohrt ist. Später errichtet ein Kartograph, Herr Weiß, auf den, Gipfel ein Feldmeßsignal; er zuerst vermuthet, daß dac> Thier eine unbekannte Art sei. Dann sprechen mehre Führer davon mit einem Physiker Marc Auguste Pictet, der diesen Umstand in seiner Nciscbcschreibung verzeichnet. Ein Geologe, Herr Hugi, trifft auf seineu Sommcrausflügen auf den Gipfelu der Hochalpen ein kleines Nagethier an und findet es mitten im Winter in einer unter Schnee vergrabenen Hütte wieder. Endlich bemerken es zwei Meteorologen, welche auf dem ^aulhorngipfel verweilen, um fich insbesondere mit deu atmosphärischen Erscheinungen und ihrem Einflüsse auf die Ve-getatiou zu beschäftigen, und bemächtigen sich desselben. Es fehlt nicht viel, daß sie es vernachlässigen, meinend, der Berg sei, einem Witzworte Arago's zufolge, von einer Maus cnlbuu-den worden. Eiue aufmerksamere Untersuchung bringt sie von einer allzu leichtfertig gefaßten Meinung zurück, und es stellt H Die Schncemnus. sich heraus, daß dieses von so vielen Beobachtern gesehene nnd verachtete Thier eine neue Art ist, welche einer kleinen Gruppe vou Feldratten, aber von mäuseartigem Aussehen angehört, von der Frankreich, England, Belgien und Schweden nur nncn eiuzigeu Vertreter, die Ufcrrattc ^rvioolil, ripinia ^ari-oii)^) besitzen, welche in England von Herrn 2)arrell, bei Abbeville von Herrn Vaillon, im Departement Maine-et-Loire von Herrn Millet, in der Umgegend von Metz von Herrn Hollandre, um Lüttich herum von Herrn de Sslns und in Schweden von Herrn Sundevall angezeigt worden ist. Nebst zwei andern, von Pallas in Sibirien entdeckten bilden diese beiden Arten durch ihre äußeren formen den Uebergang von den Feldmäusen zu den Mäusen, während ihr anatomischer Bau und ihre Lebensweise sie nicht von den andern Arten des Geschlechts Fcldmans unterscheiden. *) Arvicola fiilvus Mill., A. pratensis Raill., A. plareolus HI., A. ni-fescens Selys. Ursachen der Kälte aus den Hochgebirgen. Zu Anfang August 185)9 genossen gegen Mitte des Tages mehre Freunde, vereint unter dem gastlichen Dache von Combe Varin/-) entzückt die Kühle im Schatten der großen Fichten des benachbarten Forstes. In diesem Hochthale des Ponts entgingen sie der Hundstagshitze der Schweiger, Pariser nnd Montpellier-Ebene. Jeder schilderte die beiden, welche er erduldet hatte nnd deren Andenken den Nei^ dieser selbst in vollem Mittag gemilderten Temperatur erhöhte. Eine junge Mutter betrachtete liebevoll ihr Tochtercheu, dercu von der Hitze des ^aiiguedoe gebleichte Wangen ihre schönen Farben wieder angenommen hatten. Ein amerikanischer Philosophy) fand in dieser belebenden ^nft die Kräfte der Jugend wieder, und seine Axt fällte, wie früher in dem jungfräulichen Walde, die todten Aeste der jurassischen Bänme. Eine Dame, geboren unter dem blanrn, beständig von ihr gepriesenen Himmel Andalusiens, gab zu, daft die Sierras des Jura in diesem Augenblicke den gelbbraunen Ebenen Spaniens vorzuziehen seien. Ein Professor, in den Ferien, genoß voll Behagen das Glück des Nichtsthuns. Ein *) Sennhütte von Herrn Edward Dcsor im Ncueudurgcr Jura. **) Theodor Parter. tz Ursachen der Kälto auf den H"ckMl'irgl>n, berühmter Physiology ließ seine von den Arbeiten des Mi-kroskops ermüdeten Augen auf den grünen Matten ausruhen. Ein Chemiker'^) vom Ncnenbnrgcr Gymnasium sog mit Entzücken die Düfte des Waldes ein, ganz verschieden von denen, nielche man in dem Laboratorium einathmct. Jedermann schwieg, nls es einem der Anniesenden einfiel zu fragen, warum die Lnft, je mehr man sich in dem Gebirge erhebe, nm so tälter sei, er sähe keinen Grund dafür ein, das; die Temperatur ans einem Berggipfel niedriger als in der Ebene sei. Niemand widersprach ihm, und Jeder gab zu, das; er, hierüber nachdeutend, sich niemals Rechenschaft von dieser seltsamen Erscheinung zu geben vermocht habe, welche man als Thalsache hingenommen, ohne die Erklärnng derselben weder zn kennen, noch zu suchen. Der Herr des Hanfes hätte das Wort ergreifen und cine ,vrage be. handeln können, welche ihn oftmals anf dem Aarglecscher lind bei seinen zahlreichen Besteigungen beschäftigt hatte. Doch bestand er darauf, fic einem Professor abzutreten, welcher über diesen Gegenstand soeben eine ganz mit Ziffern gespickte Arbeit, gut für Gelehrte von Fach, doch nnlesbar für Litteraten und das große Publikum, beendet hatte. Der Gastgeber lno seinen Freund ein, diese Ziffern in allgemein verständliche Worte zu übersetzen. Die wohlwollende Aufmcrtsamteit der Zuhörerschaft crmnthigte ihn, uud vom Interesse des Gegenstandes und der frischen Erinnernng an seine Untersuchungen getragen, drückte er sich etwa folgendermaßen ans: „Ein von der Soune ausgehender Wärmestrahl durchläuft eine Entfernung von ^4 Millionen Stunden, bevor er in die mit Gas nnd Wasserdampf vermischte Erdatmosphäre gelangt. Diese Atmosphäre besiyt eine Dicke von 120,000 Mc- ") Iatob Molcschott. ") Ch. Kopp. Ursachen w,- Wlto auf den .Hochgebirgen. 9 tern, der Stmhl durchseht und erwärmt sic, indem er von seiner eigenen Wärme einbüßt, und zwar nui so mehr, je tiefer er in niedrigere und folglich dichtere und feuchtere schichten eindringt. Dieser Wärmestrahl muß also wärmer sein, wenn er auf einen 2009 Mctcr über dem Meere erhabenen Berggipfel trifft, als wenn er die Atmosphäre ihrer ganzen Dicke nach durchschnitte, weil er nnr einen um 2000 Meter weniger dicken Theil und nicht die ganze Atmosphäre durchsetzt hat. Was die Theorie lehrt, beweist der Versuch. Laussure fand, daß ein Thermometer, welches in einer auf der einen Seite durch drei Glasplatten geschlossenen Schachtel aus geschwärztem Holz verwahrt war, auf dem Gipfel des Cramont, 2?l)5 Nieter über dem Meere, um eineu Grad höher stieg, als zu Courmnycur bei 1495 Meter Höhe, obgleich die Luft auf dem Cramont bei weitem kälter als zn Co.urmayeur war. Mit Hülfe eines vcrvollkommneteren Instrumentes stellten der Redner und sein Frennd Auguste Bravais fest, daß die Wärme auf dem Grand Plateau des Montblane, wu die Temperatur der Luft im Schatten unter Null war, starter war, als im selben Augenblicke zu (shaniouiii, ^ d^Z Thermometer 19 Grad im Schatten zeigte; das kommt daher, daß das große Plateau 2890 Meter über Chamonni liegt." „Dann muß es ja aber," rief die ganze Versammlung wie mit Einein Munde ans, „auf dem Gebirge wärmer sein, und die Erscheinung wird noch unerklärlicher als vorher; die Plnisik selber liefert Argumente für unsere Unwissenheit uud macht das Dunkel nur dichter, statt es zu erhellen." „Geduld," uahm der improvisirte Professor von ncneni das Wort, „ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse. Alle meteorologischen Phänomene sind tomplizirt, uud nie erklärt sich ciue Wirkung durch eiue eiuzige Ursache. Der Physiker iu seinem Kabi- ly Urs'ichrn dl>r Kälte auf drn voch^cbirssen. net stellt die Apparate der Art auf, daß die Wirkungen sich isoliren, so daß sie klar. einfach und der Berechnung fähig werden. Der Meteorologe ist weniger glücklich; sein Laboratorium ist die unermeßliche Atmosphäre; ohne Einwirkung auf die Phänomene, welche er beobachtet, hat er unaufhörlich die aus tausend verschiedenen gleichzeitig thätigen Ursachen hervorgehenden Wirkungen vor Augen. Er studirt Wirkungen und Rückwirkungen zwischen der Erde und dem Himmel, welche sich sämmtlich unter einander modifizirm oder vernichten. Großartiges, aber verzweifeltes Schauspiel, welches den Geist au weise Vorsicht gewöhnt und ihn lehrt, nicht voreilig zu schließen. Wollen Sie also, liebe Znhürer, es dem Meteorologen nach-rhun und mir noch einige Augenblicke Aufmerksamkeit schenken. Ich fahre fort. Auf eiuem Berge also ist die Sonne heißer als in der Ebene; sie. muß deu Bodeu dcmunch mehr als in der Ebene erwärmen. Hnbeu Sie das nicht schon selbst bemerkt ? Ist Ihnen, indem Sie sich auf den blumigen Matten der Hochalpen niederließen, nicht die Wärme des NasciiV aufgefallen, während der Reisende in der Ebene jene frische des Bodens fürchtet, die eine häufige Ursache schmerzhafter Rheumatismen ist? ^u den Alpeu streckt er oliue Scheu seiucn er-, müdeteu Korper, wenn er auf einem hohen Gipfel anlangt, nnf der Erde aus; deuu wenn die Sonne scheint, ist der Boden heiß wie die Ziegel eines Ofens, in dem das Feuer uicht mehr brennt, der aber die Wärme, welche ihm mitgetheilt worden, noch bewahrt. I^as Thermometer bestätigt, was die Empfin-duug uns lehrt. Das Instrument, anf dem ^aulhorugiufcl, 2^0 Meter über dem Meere, eingesenkt und Wochen lang hintereinander regelmäßig von Bravais, Peltier und mir beobachtet, hat folgeudes Gesetz zu formnliren gestattet: die relative Erwärmung des Bodens im Verhältniß zu der Ursachen der Kalte aus den yoch^ebivgen. 11 der Luft ist weit b e t r ä ch t l i ch e r i in G e b i r g e als i n der Ebenes) Diese bezüglich so bedeutende Erwärmung der Boden -obcrfläche übt eiueu mächtigen Einfluß auf die physische Geographie der Hochalpen aus; sie ist es, welche die Grenze des ewigen Schnees höher steckt, dessen Schmelzen hauptsächlich uon der Erwärmung des Bodens herrührt. Alle Reisenden, welche diese Hochregioucn betreten haben, wissen, daß der Schnee in den Alpen hauptsächlich unterhalb durch die Wirkung der Erdwärme schmilzt. Oft, wenn mau den Fuß auf den Rand eines Schneefeldes scht, bricht unter dem Gewicht des Körper eine oberflächliche Kruste ein, die nicht auf dem Boden ruht, indem die Wärme desselben die mit ihm in Berührung stehende Schneeschicht geschmolzen hat. Zuweilen bemerkt der Reisende voll Verwunderung unter diesen Eisgewölben Soldanellen, (^s>I-clanLila ivlpina ^. uud K. (M«ii '1'w>m.) in Blüthe und die Blattrosetten des gemeinen Löwenzahn ('I'm'üxncum clcn«-luoni«). Nicht so ist es auf Spitzbergen, wo der Nand des Schneefeldcs stets auf dem Boden ruht. Wieder ist es das Schmelzen des mit dem Boden in Berührung stehenden Schnees, welches das Rutschen dieser Schneefelder und die Entstehung der Frühliugslauiuen bedingt; endlich ist es diese Erwärmung, welche uus die Mannichfaltigkeit der Pflanzenarten und die Menge der Indiuioucu erklärt, womit der Boden bis dicht an die Grenze des ewigen- Schnees bedcckl ist. Da es sämmtlich ,^räuter-pflanzen sind, so treiben sie ihre Wurzeln nur in die oberflächliche Bodenschicht, eben die, welche, wie wir gesehen haben, sich so start au der Sonne erwärmt. Die schwarze Farbe der Dammerde begünstigt noch außerdem die Berschlucknng der Wärme; auch hat man auf dem Eudkegel des Faulhorn, dessen *) Sichc Bd. I. Lcitc 41. ^I Nrmchen dcr Kalk' anf dcil ^^cki^Hii^oil. Höhe 80 Meter mid dessen Oberfläche 4'/, Hektaren beträgt, 132 phancrognmische Arten beobachtet. Tie ganze Spitzbera-insel, 490 Lieucs lang nild d0 Kienes breit, umfaßt nur 93. Äuf den Grands Mulets, Felsen aus schiefrigcm Protogin welche inmiitcn des Montblanc-Gletschers, 3050 Meter über dem Meere und folglich 340 Nieter über der Grenze des ewigen Schnees auftauchen, kaun man 24Phanerogamen sammeln.*) Den 28. Juli 1846 erhob sich aber auch die Temperatur des schiefrigeu Kieses, in welchem diese Pflanzen wuchsen, auf 29,0", während die der ^uft im Schatten nur 9,4", iu der Sonne 11,4" betrug. ,,Iu deu Alpen werden die Pflanzen mehr durch den ^odeu, welcher sie trägt, als durch die ^uft, welche sie badet, erwärmt, und ein lebhaftes Vicht begünstigt ihre Athmnngsfnnktionen, namentlich die Zersetzung der Kohlensäure der ^nft nuter dem Einflüsse des Sonnenlichtes. Sobald sich Tags über die Temperatnr Null nähert, bewahrt eiue Schicht von frischgefallenem Schnee sie vor den gelegentlichen Frösten, welche selbst im heißesten Sommer stets das schlechte Wetter auf deu Hochgebirgen begleiten. Gleich sehr gegen Kälte wie gegen Wärme empfindlich, tonnen sie keine großen Temperatiirsprüiige vertragen; unaufhörlich von den Wolken befeuchtet oder von den Gewässern benetzt, welche dem schmelzenden Schnee entfließen, erfordern sie, um iu den Ebenen zu gedeihen, die sorgsamste Pflege; der Kunstgärtner muß fie vor der Kälte des Winters uud vor der Hitze des Sommers schützen und darüber wachen, daß ^uft uud Boden weder zu feucht noch zn trocken sind, ohue sie jedoch dem Eiuflusse des Lichts zu entziehen, welches ihre Blüthen mit so schönen und mannichfachen Tinten färbt. Anf Spitzbergen dagegen ist trotz des beständigen Sommcrtages die ') Das Ver;eichmß dersclbcn siudct sich aus. Bd. I. Scitc 3l9. Ursache!! der .Witt' aus dl'n hoch^lnrsicn. 1.^» Vegetation arm und dünn gesäet, weil dir schrägen und zum Theil durch die mächtige Dicke der Atmosphäre verschluckten Sonnenstrahlen nicht die Macht besitzen, diese eisige Erde sei es zu erhellen oder zu erwärmen. „Man findet in bedeutenden Erhebungen in den Alpen, auf dem Faulhorn bei ^6,^0 Meter, auf dem Nolhlwru bei 2M» Meter, im Ursercnthalc zwischen N>M bi5 ^400 Meter, auf den Grands Mulcts bei W50 Meter uud auf dem Finsteraarhorn bei 3M) Meter, eine Feldmaus, von der bereits die Rede gewesen ist*), die Schneemans (^rviciolll nivilli»). Dieses Thier verfällt nicht in Winterschlaf und steigt eben so wenig Winters in die Ebene hinab, sondern verbringt die schlechte Jahreszeit in Gruben, die nicht über ^ Dezimeter tief in den Boden gehen. Wie könnte es dort leben, wenn die Bodcntemperatur sich bedeutend unter Null erniedrigte? Die Erde aber bewahrt unter dem Schnee die Wärme, welche sie während des Sommers erlangt hat; am 2. Oktober 1844, am Tage vor dem ersten Schneefall, betrug sie auf dem Faulhorn 4,67". Jetzt wissen Sie unzweifelhaft, daß der Boden sich mehr als die Luft auf deu Hochgebirgen erwärmt, denn wir haben soeben die Folgen dieser Erwärmung untersucht." „Die Frage ist uoch um keinen Schritt weiter gerückt!" rief ein ungeduldiger Zuhörer aus. „Wir wolleu die Ursachen der Kälte im Gebirge erfahren, und man fängt an, uns lang und breit von den Ursachen der Wärme zu reden." „Es sind dieselben," begann der Nedncr wieder. „Anscheinend paradox, ist diese Behauptung doch wahr. Geht man zur Winterszeit bei Nacht aus und der Himmel ist heiter, so hat man's kalt. Ist der Himmel mit Wolken bedeckt, so ist die ') Sichc S. l und wcgcn wcitcrcr Eiuzelhcikn zwei Notizen ilber die äi-vicola uivalis (^im-.Iez 6«z i-ciencpz iü,ti,i-«No5, 2« l-rriv 1843, t. XIX ?. 87, Uttd 3s 5erio 1847, t. VIII p. 1U3). 44 Ursachen der Kälte auf den Hochgebirgen. Kälte weit weniger empfindlich. Warnm? Neil wir im erstern Falle Wärme nach dem Himmel ausstrahlen, d. h.weil wir mit den planctnrischen oder Himmelsräumen Wärme austauschen. Nun haben wir bei diesem Tausche uichts zu gewinnen, denn die mäßigsten Schätzungen der Physiker erniedrigen die Temperatur dieser Räume bis auf 60 Grad unter Null- wenn aber die Wolken ein Schirm sind, der sich dem Temperaturaustausch, von dem soeben die Rede gewesen, widersetzt, so ist die Luft selbst es nicht minder, wenn auch weniger wirksam. Die untern Schichten der Atmosphäre, dichter als die obern, lassen noch weniger Wärme durch als diese. Folglich wird der Austausch mit den planctarischen Räumen oder, wie die Physiker sagen, die Strahlung der Wärme im Gebirge thätiger als in der Ebene sein. Das Experiment beweist nnd die Berechnung schätzt numerisch, worauf das Nachdenken hinweist. Gewisse Körper besitzen die Eigenschaft, sehr thätig die Wärme zu entsenden, zn strahlen, es sind der Kienruß, der Schwanenflaum, der Sand, die Wolle, das Glas, das Holz u. s. w. Um die Wärmestrahlung in freier Luft zu mesfeu, hat Herr Pouillet ein Instrument ersonnen, das er den Aktinometer nennt. Ein ans Schwanenflanm ruhendes Thermometer zeigt die durch die Strahlung dieser Substanz hervorgerufene Kälte. Zwei dieser Instrumcute befanden sich, das eine auf dem Faulhorn, das andere zn Vrienz; der Niveau-Unterschied beider Stationen beträgt 2110 Meter. Im Thal hielt sich das Schwanenflanm-thermomctcr nur auf 4",6 unter einem andern frei in der Luft aufgehängten Thermometer. Anf dem Gipfel des Berges hielt es sich anf »V^> nnter dem der Luft. Anf dem Grand Plateau des Montblanc bei M>0 Meter siel das Thermometer des Aktinometers zweimal tiefer nntcr das der Lnft, als zn Chamouni, das nur 1040 Meter über dem Meere liegt; alle Körper auf dem Grand Plateau erkälten sich also zweimal Ursachen d»,>r Kälte nus don Hochgebirgen, 15 mehr als zu Ehamouni. Der Boden strahlt auch Wärme aus, und wenn er sich während des Tages mehr a>5 die ^nft unter dem Einflüsse der Sonnenstrahlen erwärmt, so erkältet er sich auch mehr als sie, sobald die Sonnenstrahlen ilm nichl mehr unmittelbar treffen, d. h. im Schatten und während der Nacht. Alle anf der Boden-obcrstäche befindlichen (Gegenstände: Menschen, Thiere. Pflanzen, erkälten sich ebenfalls, jedes seinem Strahlungsuermögcn gemäß. Werden sie der Strahlung entzogen, so hört die Erkältung auf. Eiu einfaches Leinwandzelt hat mir gestattet, mit den Herren Bravais niid Lepilenr sechs Nächte auf dem Grand Plateau zuzubringen, ohne von der Kälte zu leiden; dünne Holzdielen trennten nns vom Schnee, nnd in warme Kleider gehüllt, haben wir die Kälte von 6 bis 12 Graden nntcr Null, welche draußen herrschte, nicht empfunden. „Der staubige Schifte, welcher auf deu Hochgebirgen fällt, ist vielleicht der strahlendste Körper in der ganzen Natur; ein auf die Oberfläche dcfselben gelegtes Thermometer sank tiefer als dasjenige, welches anf dem Echwanenflaum ruhte. Am 30. Juli um zehn Uhr Abends haben wir bei ruhigem uud wunderbar klarein Wetter das anf der Oberstäche des Schnees liegende Thermometer auf —20,8" fallen sehen, während dasjenige, welches in der Luft aufgehängt war, nur — 5,!;« zeigte. „Begreifen Sie jetzt, liebe nnd geduldige Zuhörer, das; dieser Bodeu, diese Men, dieser Schnee währeud der Nacht oder im Schatten alle Wärme, welche sie während des Tages uud iu der Sounc gewonnen habe», verlieren nnd Alles, was sie berührt oder ihnen naht' Luft, Menschen, Thiere uud Pflanzen, erkälten? Begreifen Sie, wie diese beträchtliche Erwärmung am Tage durch einen ungeheuern Wärmeverlust während der Nacht anfgewogen wird? Begreifen Sie anch, daß diese geringere Dichtigkeit der Atmosphäre, welche die Erwärmnng des Bodens anf einem Gipfel begünstigt, noch mehr die Erkältung dcsselbeu 1 s) U'-s', chl'N l»,'l' ,N(i?tl' >ochq>.>l'!rssl'„. durch Strahlung im Schlitten mid während der Nacht begünstigt? Ich hatte also Recht, ,;n sagen: die Ursachen der stär-teru Bodeneriuärmuug und der stärkern ^uftcrkältuug auf einem hohen Berggipfel sind dieselben. „Doch mehr, noch bin ich nicht fertig mit den ltrsachen der Kälte im Gebirge. Es ist wohl Niemand nnter Ihnen, der nicht, dem Bade entsteigend, peinlich berührt worden wäre, wenn ein leichter Windhauch die Haut trocknete, indem derselbe die Ver-dnnstung der auf dem Körper gebliebenen Wasscrtropfen begünstigte. ^ Auf Kosten unserer eigene» Wärme gehen diese Vassertropfchen in den gasigen Anstand über, indem sie der Haut die zu ihrer Verwandlung iu ^ampf erforderliche Wärme entziehen. „Der Berg erleidet, was Sie erleiden; sein uom Regen, vom Nebel oder vom schmelzenden Schnee erweichter Boden dunstet thätiger als der der Ebenen aus, weil der Druck der Atmosphäre auf dem Gebirge geringer ist. Saussure hat sich dauon auf dem Eol du Göant durch Experimenle überzeugt, und das Nachdenken beweist, dasi es nicht anders sein kann. Siehe da eine zweite Kältenrsache, welche zur ersten hinzukommt. Diese Verdnnstuug ist im Gebirge nm so thätiger, als die Luft daselbst selten ruhig ist. ^ast stets wird es vom Winde gefegt, welcher die Verdunstung des Schnees, des Eises und des Wassers begünstigt." „Wir sind befriedigt!" rief die Versammlung etwas ermüdet von der Trockenheit dieser physikalischen nnd meteorologischen Auseinandersetzung aus. „Die ^uft ist auf den Gebirgen kälter, weil die Erde sie erkältet, indem sie mehr ausstrahlt und verdunstet." ,,^-ügen wir," fuhr der Rcduer fort, „hiu^u, dch die Luft selber sich auf einem Gipfel mehr als in einem Thale durch Strahlung erkältet. Doch bin ich noch keineswegs zu Ende, Ursachen der Kälte auf den Hochgebirgen. 1? und nach so vielen vortrefflichen (Gründen für die Erklärung der Kälte im Gebirge bin ich verbunden, noch einen letzten anzugeben, der auch seinen Antheil hat und anf den ich viel gebe, weil ich ihn der Vergessenheit entrissen habe, in welche die Physiker ihn ungerechter Weise haben gerathen lassen. Doch schlage ich vor, vorab Erdbeeren zu pflücken, damit das Audi-torimn sich ausruhe, und damit ich Zeit gewinne, über die Mittel nachzudenken, verständlich zu sein, denn wenn ein so aus-gesuchtes Auditorium nicht versteht, so kommt es daher, weil der Professor nicht deutlich ist." Man zerstreute sich im Gehölz; Einige verirrten sich gern in die Tiefen desselben und kamen nicht wieder zum Vorschein, Andere aber, herzhafter, kamen wieder nnd ließen sich im Moose nieder, begierig, diese dritte Kälteursache zu vernehmen, für welche der Antor eine wahrhaft väterliche Zuneigung hegte. Nachdem der Kreis von neuem gebildet war, fuhr der Redner folgendermaßen fort: ,,Haben Sie wohl bisweilen einen ganzen Tag anf dem Gipfel des Nigi, des Nothhorn, des Faulhorn oder sonst eines Berges, mit einem Wirthshansc anf der Spitze, zugebracht, wo man von Aufgang bis Niedergang der Sonne verweilen kann? War das Wetter schön, die Lnft rnhig, der Himmel klar, so haben Sie Folgendes bemerkt. Morgens bedeckten leichte Nebel die Thäler. Regungslos wie ein Wasserspiegel singen diese Nebel, von den ersten Strahleil der Sonne getroffen, an, der Sitz innerer Bewegungen zu werden, indem sie sich blaheten, regren, rückten, lheilweise aus einem Thale in das andere fließend; alsbald aber scheint die ganze Masse eine Anstrengung zn machen; sie erhebt sich langsam, zertheilt sich dann in Wolken, welche an den Verghängen hinauf zu klettern scheinen, dabei die mannichfaltig-stm Formen annehmend: bald sind es wolkige Kugeln, welche Martins, Spivbergcn:c. II. 2 >,^ Ursachen der Kälte auf den Hochgebirgen. gleich Luftballons majestätisch in die Lüfte steigen, oder auch leichte Bänder, welche in die Schneerunsen gleiten nnd an dm Fels-spitzen hängen bleiben, oder es ist ein Dampf ohne bestimmte ^orm, welcher gewisse Theile des Massivs einhüllt, zuweilen horizontale Schichten, welche das Gebirge in der Mitte zn schneiden scheinen. Der enlMte Reisende erblickt dnrch die Blinke Theile des Thales, den silberglänzenden Gießbach, welcher dasselbe durchfurcht, die Dörfer und die Ackerfelder. Einige dieser Wolken zerstreuen sich, je höher sie steigen, nnd löfen sich sozn-sagen in der Atmosphäre auf, andere gelangen bis znr Spitze, wo der Beobachter sie betrachtet, lind hüllen denselben in einen dichten 'Nebel ein; dieser verschwindet seinerseits, indem er sich über dem Hanpte des Beschallers erhebt, und bildet weiße Wölkchen, welche znm blauen Himmel aufsteigen. Der Nebel im Thal, der dichtere im Gebirge sind Wolken mit runden formen geworden, welche nur zu oft in ihrem Schoße den Blitz nnd den Donner bergen. ,,Welche Kraft ist es, die sie ans dem Thale, worin sie für immer gefangen zn sein schienen, ablöste, um sie über die höchsten Spitzen der Alpen zu erheben? Es sind die aufsteigenden Ströme der Atmosphäre. In einem Kamin bestimmt das Herdfcucr einen Strom, der, vom Gemache ansgehcnd, sich im Nanchfangc erhebt und den vom Holze erzeugteu Nanch mit sich fortreißt. Desgleichen bestimmen die erwärmten Hänge eines Berges einen aufsteigenden Luftstrom, der die Nebelwolken mit sich fortreißt. In der Ebene war diese Lnft dem Drucke der ganzen atmosphärischen Masse unterworfen, welche nber ihr lag und welche dnrch die Quecksilbersäule des Barometers gemessen wird. Aber je mehr diese Luftmasfc sich erhebt, desto mehr vermindert sich der Drnck, denn die Lnftsänle, welche auf ihr lastet, verkürzt sich nnanfhörlich. Diese Lnft dehnt sich, indem sie weniger zusammengepreßt wird, aus, nimmt an Umfang zu und erkältet sich demzufolge..." Ursachen der Kälte auf den Hochc^l'n^n, >!» „Die Folge ist nicht klar," warf ein mehr mit der Litteratnr als mit der Wissenschaft vertrauter Zuhörer ein. „Kennen Sie das Komprcssionsfeuerzeug ?" fuhr der Professor fort. En ist dies eine Rühre von dickem Glase, welche an einem Ende vor der Lampe verschlossen ist, ein voller Stempel bewegt sich in dieser Röhre. Am untern Ende versieht man ihn mit einem Stückchen Zunder, nun stößt man den Stempel plötzlich los, die Lnft wird zusammengepreßt. Die Bewegung, plötzlich gehemmt, verwandelt sich in Wärme, es entsteht eine Flamme, und der Zunder fängt Feiler. Indem mau deu Umfang der Luft verminderte, hat man die Wärme, welche sie gebunden hatte und wodurch sie sich ausdehnen und den Raum, welchen sie vor dem Stempelstoße einnahm, ausfüllen konnte, sozusagen herans-gepreßt; folglich, wenn die Luft sich ausdehut, wenn sie au Umfang zunimmt, erkältet sie sich, deuu sie kann sich nicht ausdchucn, ohne daß die Wärme sich in Bewegung verwandelt und latent wird, wie die Physiker früher sagten. Sie ist es in der That, denn weder das Thermometer, noch nnsere Empfindungen künden nns ihre Gegenwart an. Die Ausdehnung der Luft in deu aufsteigenden Strömungen ist also eine Ursache der Kälte für die Hochregioncn. Ein Beispiel, dessen.Angaben der Wirklichkeit entnommen sind, wird diesen Gegenstand aufklären. Am 26. September 1844 um sieben Uhr Morgens fingen die Wolken an von Brienz zum Faulhorn aufzusteigen; die Temperatur der Luft, welche sie mit sich fortzog, betrug 11,8". Gegeu zwei Uhr Nachmittags hatten diese Wolken den Gipfel des Berges erreicht, wo die Temperatur der Luft 7,4" betrug; da der Unterschied des Druckes zwischen Brienz und dem Fanlhorn aber 160 Millimeter des Quecksilbers betrug, so hatte sich die Temperatur der aufsteigenden Luft vermöge ihrer Ausdehnung um 5,9« erniedrigt. Diese aufsteigende Luft hatte also nnr noch eine Temperatur von 11,8" —5,9°-5,9°; 2" Is) Ursachen der Kälte auf den Hochgebirgen. da nun die des Faulhorn 7,4" betrug, so wirkte die aufsteigende Luft erkältend, indeni sie um 1,5)" kälter als die deu Gipfel umgebende Luft war. Mau sieht also, daß je uach ihrer anfänglichen Temperatur uud der der obern Regionen der Atmosphäre die aufsteigeude Luft sehr häufig erkältend wirkt iu einer Höhe, die dem Gesetze der Temperaturabuahmeu gemäß sich äudert. „Kurz, die erwärmende Einwirkung der Sonne, stärker auf den Bergen alZ in der Ebene, wird dnrch drei Ursachen uer-nichtet, dereil Gesammtwirkung überwiegt. Diese drei Ursachen sind die stärkere Strahlnng anf den Berggipfeln, die von der Verdunstung herrührende Kälte uud diejenige, welche sich ans der Ausdehnung der Luft in den aufsteigenden Strömen ergiebt." Das Auditorium schien befriedigt und überzeugt ;u sciu; allem die Porlesuug war laug geweseu, und die Anwesenden entfernten sich Einer nach dem Audern, nachdem sie an den Professor die in dergleichen fällen üblichen Artigkeiten nnd Danksagungen gerichtet hatten. Ein einziger Zuhörer blicb, es war der amerikanische Philosoph, einer von jenen Leuten, die einer Sache auf dcu Gruud gehen uud einen Gegenstand erst verlassen, nachdem sie ihn vollständig erschöpft haben. „Alle diese ^älteursachen," sagte er zum Professor, „erklären, warum ein Thermometer auf einem Berge eine geringere Wärme anzeigt, als in der Ebene; der Mensch ist aber kein Thermometer, sondern ein Wärme erzeugendes lebendes Wesen, für welches andere Kälteursachen da sind, als die, welche auf Quecksilber wirken, das in ciucr Glaskugel enthalten ist. Es mnß physiologische Kältenrsachen geben, welche zu den physikalischen hinzukommen oder sie aufheben." Der Redner war über diese Bemerkung hocherfreut, denn sie gab ihm Gelegenheit, dem amerikanischen Gelehrten ein Exemplar von einer Arbeit anzubieten, welche er soeben über Ursachen der physiologischen Kälte. 24 diesen Gegenstand beendet hatte.*) „Um diese Frage methodisch zu behandeln," sagte er zn ihm, ,,müßte man zunächst die von Menschen in der Ebene empfundene physiologische Kälte i?i Betracht ziehen und sodann besonders die von einer großen Erhebung über dem Meere herrührenden Ursachen anführen." Dies nun habe ich zu thun versncht, nnd da der berühmte Amerikaner von diesen beiden Kapiteln befriedigt zu seiu schien. so setzen wir sie als Fortsetzung der improvisirteu Vorlesung, deren obligate Ergänzung sie sind, hierher. Ursachen der physiologischen Kälte lieim Menschen. Physiologische Kälte nenne ich nicht die Temperatur-Erniedrigungen, welche man bei mehren anormalen Zustäudeu, Entkräftn ng z. B., konstatiren kann; der Temperatur-Erniedrigung, welche das Thermometer in diesen Znständcu zeigt, kommt der Name anormaler oder pathologischer Kälte zu. Ich verstehe unter physiologischer Kälte einen zu uuserem Bewußtsein gelangenden Eindruck von Kälte, welchen unsere Haut empfängt, und der aus der Wechselbeziehung unserer Organe lind der uns umgebenden physikalischen Kräfte der Außenwelt zusammengesetzt ist. Der Mensch ist ein Wärme erzeugender Organismus, zugleich uimmt ihm aber die Luugcn- uud Haut-Ausdünstung einen Theil der erzeugten Wärme. Verschieden in den verschiedenen Theilen des Körpers und leicht veränderlich se nach taufcnderlei Umständen giebt sich diese innere Wärme, vermindert um die von der doppelten Ausdünstnng der Lungen nnd der Haut herrührende Kälte, nach außen durch eine Temperatur zu erkennen, welche unter *) Du froid thcrmomi'trique et de ses relations aver, le froid physio-logique (Mi'-moires de l'Ae;ul<:mie de Montpellier, 18f>9, t. IV- p. 251). 35er JhJCtte SEljcil: Des causes du froid sur les hautes montagnes ist ilt bcu Annalos de che'niie et, de physique für 18ßO UHCbcr at\(jctvuctt- II Ursachen der physiologischen Kälte. der Achselhöhle im Durchschnitt etwa 37 Grade beträgt.*) Das ist der thermomctrischr Wärmegrad, womit wir gegen den Eindruck der Kälte anzukämpfen haben. In den vom Himmel begünstigten Gegenden, wo der Mensch seine Nahrung auf den Bäumen des Waldes findet, ist die Hitze am Tage stark genug, um jede Veklcidnng überflüssig zu machen, Nachts aber nöthigt die Kälte den Wilden, sich eiu Obdach ^u suchen. Er baut sich eine Hütte; das ist sein erster Schutz gegen die Kälte, der erste Versuch der aufkeimenden Industrie. Alsbald lernt er Pflanzenfasern weben oder sich den Pelz der Thiere erobern, um sich damit zu kleideu, denn fast auf der grsammten Oberfläche des Erdballs ist die Kleidung zu allen Jahreszeiten, wcuu nicht am Tage, so doch Nachts eine Nothwendigkeit. Die physikalische Wirkung der Kleidung ist eine dreifache i 1) hält sie die von der Haut erwärmte Luftschicht zurück, 2) widersetzt sie sich ciuer zu starken Ausdünstung, 3) verlangsamt und mildert sie den Einfluß der umgebenden Luft und der Strahlung der umgebenden Gegenstände auf die Haut. Diese erwärmte Luftschicht um deu Körper zu bewahren, ohne das durch die Transpiration verdunstete Wasser znrückzuhalteu, darin besteht das Problem der Kleidung. Damit die Haut des Körpers keine Kälte-Empfindung erleide, ist es nicht nöthig, daß die Temperatur dieser Luftschicht 37 Grade betrage, fällt fie aber unter 30 Grade, so erleiden die meisten Personen die Empfindnng der Kalte. Steigt anderseits die Temperatur über 37 Grade, so entspringt darano eine nnangenelnne Wärmeempfindung, eine je nach den Iudividnen uu'hr oder minder reichliche Transpiration; auch ist man, durch Erfahrung belehrt, von den wasserdichten Vekleidungen, alü Wachsleinwand, Kautschuk u. s. w., zum Schutz wider die Kalte abgegangen. Der mährische Brn- *) Gavarret. De la ehalenr prodnite par 1p? ctres vivants, p. üöfi. Ursachen dor physiologischen Kälte. 23 der Miertsching, welcher den Kapitän Maclure auf seiner Expedition zur Aufsuchung franklin's während der Jahre 185)0 bis 1855 begleitete, sagt ausdrücklich, daß diese Kleidung selbst bei der größten Kälte lästig und gefährlich sei, weil der Schweiß, den sie hervorrufe, vom Augenblick an, wo die Nuhc der Thätigkeit folge, auf der Haut gefriere. Die dnrchdringbaren Wollenkleider sind die einzigen, deren man sich bedienen kann, wenn man in Bewegung ist. Nehmen wir also ciueu angemessen gekleideten Menschen, versetzen wir ihn in verschiedene meteorologische Umstände und versuchen wir, die Ursachen der Kälteempfindung, welche, er erleiden wird, zu zergliedern. Wir geben zu, was in Wirklichkeit stattfindet, daß er nämlich, indem er sich mehr oder weniger warm kleidete, nicht alle Erkültungsnrsachen, denn er ausgesetzt sein wird, hat voraussehen können. Prüfen wir zuvörderst den ersten Fall. Der Himmel ist bedeckt nnd die Lnft rnhig; diese Umstände sind am günstigsten dafür, daß die Temperatur der warmeu Luftschicht, welche den Körper nmgiebt, sich uicht erniedrige, dcnu da die Luft ruhig ist, dringt sie nicht durch die Lücken der Kleider durch uud erneuert nicht die vom Körper erwärmte Luftschicht. Fängt das Individuum an zu laufen, so erzeugt es einen künstlichen Wind; die reichlichere Erzeugung physiologischer Wärme aber, welche ans dem Laufen hervorgeht, wiegt diese Ertältungsursache auf, nnd es stellt sich ein Mittel her zwischen der von dem Laufell erzeugten Wärme, der Erneuerung der unter den Kleidern festgehaltenen Luftschicht und der von der Verdunstung des Schweißes herrührenden Kälte. Nach den Empfindungen, welche das Individuum auf der Hautoberflüche erleidet, urtheilt es, ob es seinen Lanf beschleunigen, hemmen oder ganz einstellen soll. Instinktmäßig handelt Jeder von nns so nnd kleidet sich verschieden, je nachdem er sich M verhalten oder gehen muß, Je- 24 Ursachen der physiologischen Kälte. der ersetzt die Unzulänglichkeit der Kleider durch die Schnellia-kcit des Ganges. Ist das Individuum zur Regungslosigkeit verurtheilt, so kann die Kälte-Empfindung trotz dieser günstigen Umstände selbst bei Tcmpcraturcu über Null sehr peinlich werden. Ich habe es mehrmals erfahren, als ich mit dem Sent-blei die Temperaturen des Meeres in bedcuteudcu Tiefen vor den Gletschern der Magdalencnbai anf Spitzbergen unter '<1)",34 n. Vr. aufnahm. Es war im Monat August 1889, die Temperatur schwankte zwischen 1 und 6 Graden über Null. Ich trug einen doppelten wollenen Anzug und dicke Stiefel, wie die Jäger sie in den Sümpfen gebrauchen. Doch faßte ich beständig Thermometer an, welche in das Meerwasser getaucht wurden, dessen Temperatur nur einige Zehntel über Null betrugt), und ich war genöthigt, eine Stunde zu warten, bis die Deverse-mentsthermomctcr des Herrn Walfcrdin, auf den Grund des Meeres getaucht, die Temperatur desselben angenommen hatten. Trotz der Arm- und Beinbewcgnngen, welche ich auf der Vank des Bootes machte, erkältete ich mich dermaßen, namentlich an den Füßen, daß sie mich schmerzten und daß ich gezwnngcn war, mich ans Land setzen zn lassen uud am Strande hin und herzulaufen, um mich zu erwärmen. Die Kälte, die mich er-, faßte, war nm so peinlicher, als es eine feuchte Kälte war, indem ich mich auf dem Meere befand uud die Luft in den nor-discheu Gcgeudeu fast beständig mit Nebel beladen ist. Wenn man die Bedingungen der Kälte-Empfindung untersuchen will, muß man nämlich dem hvgrometrischen Zustaude der Luft Rechnung tragen. Jedermann weiß, daß die Empfindung der feuchten Kälte sehr verschieden von der der trocknen Kälte ist, und daß ihre Wirkungen auf den menschlichen Körper es gleich- *) Voyages eil Scandinavie de la corvette la Recherche, Geographie physique t, II, p. 27!), \o\v\i. Annales de physique et de chimie, 3e serie. 184!). t. XXV, p. 172, Ursachen der physiologischen Kälte. 25 falls sind. Unter dcn bekannten Ursachen sind zwci zunächst rein physikalische, Die mit Feuchtigkeit gesättigte Luft widersetzt sich der Verdunstung des Schweißes, und da diese Luft zugleich ein besserer Wärmeleiter ist, so erkältet sie diesen Schweiß schnell. Wir haben demnach auf der Haut die Empfindung der Berührung mit kaltem Wasser, aber nicht jene entschiedene uud packende, von einem Nnckschlaa/ begleilcte Empfindung, welche das Anflcgen nasser Tücher, der Gebranch eines Regen- oder eines Sturzbades hervorruft, sondern die einer feuchten und kalten Luft. Das Hinderniß, welches die kalte und feuchte Luft der Ansdünstung entgegensetzt, ist die häufigste Ursache der katan'halischcn Affektionen der Schleimhaut in dcr Nase und Luftröhre. Eine trockene, selbst viel strengere Kälte ruft diese Wirkungen seltener hervor, denn sie erkältet einfach die Haut, begünstigt aber die Verdunstung des Schweißes, statt sich derselben ,^n widersetzen. Versetzen wir uns jetzt in andere meteorologische Umstände. Es ist Nacht, die Lnft ruhig und der Himmel heiter. Nehmen wir einen im Freien sich still verhaltenden Menschen; seine Kleider strahlen nach dem Nanme aus, die von der äußersten .s»ülle eingebüßte Wärme wird durch die dcr inneren Hüllen, dann durch die der Luftschicht, welche mit dcr Haut in Berührung steht, ersetzt. Daraus geht eine langsame, erst unmertliche, doch stetige Erkältung hervor; so erkälten sich die Soldaten im Bivouak, die Schildwachen, welche einschlafen u. s. w. Es ist eine Erkältung durch Strahlung. Ich kani! nicht umhin, hier auf einen fcheinbareu Widerspruch hinzuweisen, der zwischen der Natur der Kleider und ihren Wirkungen als die Körperwärme bewahrenden Hüllen besteht. Wolle, Flaumfedern, Pelze sind sehr strahlende und doch, wie man gemeinhin sagt, sehr warme Korper. Das kommt daher, weil diese Körper mit zwei fehr entgegengesetzten Eigcuschaften begabt sind, nämlich U) Ursachen der physiologische,, Kälte. durch ihre Oberfläche die Wärme zu entsenden, gleich aber in ihren Lücken eine beträchtliche Menge Luft festzuhalten. Nun ist unter allen Naturtörpern die Lnft der schlechteste Wärmeleiter; folglich bewahrt die in den Maschen eines Flanell- oder Wollengewcbes, in den Zwischenränmcn einer Flaumfeder wie des Schwans oder der Eidergans gefangene Lnft, da sie die Wärme der durch die Haut erwärmten Luftschicht nicht leitet, diese Wärme mit größter Wirksamkeit. Man prüfe einmal die Schwimmvögel, namentlich die Eidergans, welche die Eiderdunen liefert. Dieser Flaum steht in Berührung mit dem Körper derselben und enthält zwischen seinen Ritzen die erwärmte Luftschicht, diese Eiderduue selbst aber ist mit federn bedeckt, welche diese warme Luft festhalten und sie zu strahlen hindern; anch habe ich festgestellt, daß die Kälte ohne Einfluß auf die Temperatur dieser Thiere ist.*) Nach Davi)^) scheint die Temperatur des Menschen von den Klimaverändcrungen beeinflußt zu werden. Der Mensch trägt aber nicht wie die meisten Thiere ein warmes Kleid, und wollte man den Einfluß der Tempera-turueränderuugen anf die innere Wärme der Thiere ftudiren, so müßte mau diejenigen aussuchen, deren kurzes Haar kein Kleid ist, das sie wirksam gegen die Temperatnrucrändernngen schützt. Wir haben noch einen dritten ^all zu untersuchen, den nämlich eines Menschen, welcher kaltem Winde ausgesetzt ist. Mag der Himmel bedeckt oder heiter sein, die Empfindung wird bei gleicher Temperatur dieselbe sein- dagegen wird die Gewalt oder mit andern Worten die Geschwindigkeit des Windes einen ungemein großen Einfluß besitzen. Die Wirkung desselben ist *) Mtfmoire sur hi temperature des oiseaux palmipedes (Memoires de l'Acaden.ie des sciences de Montpellier, 1856, t. III. p. 189 uub Journal de physiologie, 1858, t. I. p. 23). **) Amiales de physique et de chimie, 2e seric. t. XXXIII. p. 181. Ursachen der physiologischen Kälte. !>? vein mechanisch. Durch die Vcaschen der Gewebe dringend, ivelche uns zur Kleidung dienen, mischt sich die kalte Luft unaufhörlich mit der zwischen deu Kleideru und der Haut befindlichen wannen Luftschicht; sie ersetzt und erneuert dieselbe, und ruft auf der Oberhaut die Empfindung der Kälte hervor. Die wasserdichten Gewebe find eine gute Schutzwehr gegen diese Art von Erkaltung, da fie die äußere Lnft hemmen nnd die vom Körper erwärmte Luftschicht bewahren; fie find von ausgezeichnetem Nutzen, wcun man gezwungen ift, fich rnhig zu verhalten, oder wenn man nnr wenig Bewegungen macht. Auch werden sie von den Marineoffizieren uud den Zügern auf dem Anftande benutzt, welche mit dieser Art von Erkältung zu kämpfen haben. Wachslcinwand, Kautschukgewebe, ölgetränkte Leinwand, Felle von Thieren, wie die Ziege, der Bär, das Schaf, sowie Leder besitzen Vorzüge und Nachtheile, welche die Kavalleristen uud Seeleute recht gut kennen. Die Frage ist, ein (Gewebe oder ein Fell zu finden, welches luftig uud wasserdicht zugleich ist. Das Vique genannte Ziegenfell, welches von den bretonischen Jägern und Seeleuten getragen wird, vereint, wie mich dünkt, große Vorzüge: es ift undurchdringlich für die kalte Luft, und der Regen länft tropfenweis an den fettigen Haaren defselben herunter, ohne das ^eder zu erreichen. Die in Bewegung befindliche Luft rnfc die Empfindung der Kälte hervor, fobald die Temperatur niedriger als 15 Grad ist, weil von diesem Grade ab die Temperatur der äußern Lufl, uerglicheu mit der der warmen Luft unserer Kleidung, niedrig geuug ist, um fie in peinlicher-Weife zu verändern. Auch tragt, wer auf seine Gesundheit bedacht ist, Sorge, fowohl die Wetterfahne nnd die Bewegung der leichten vom Winde entführten Gegenstände, wie sein Thermometer zu beobachten, um zu wissen, wie er sich zu kleiden hat. Ich berufe mich in Be- 38 Ursachen der physiologischen Kälte. treff dieses Punktes auf dir individuelle Erfahrung des Lesers kann aber nicht umhin, einige persönliche Fälle anzuführen, wo der Gegensatz zwischeu der Temperatur derselben bezüglich stiller oder bewegter Äift so groß war, daß mir die Erinnerung daran geblieben ist. Als wir auf unserer Ueberfahrt von Hcwrc nach Drontheim in Norwegen auf der Nordsee schifften, machten wir, Bravais und ich, einige Experimente, um den Unterschied der Lufttemperatur auf dem Verdecke und auf dem großen Mastkorbe des Schiffes zu bestimmen. Al5 ich bei starkem Winde im Takelwcrk emporstieg, kam es mir vor, als ob mir die Kleider eins nach dem auderu weggenommen wü-r-den, und im Mastkorbe angelangt, hatte ich fast darauf schwören mögeu, daß ich nackt sei, fo kalt hatte ich; als ich aber heruntersteigend auf das Verdeck sprang und mich durch die Schanzvrrklcidnngen der Korvette vor dem Winde geschützt fand, empfand ich ein Gefühl des Wohlbehagens, als ob ich in ein tüchtig geheiztes Zimmer getreten iväre, nnd doch betrug die Temperatur der Luft auf Deck nur ein oder zwei Zehntel Grade mehr als die des Windes, welcher in dem Mastkorbe wehte; wir befanden uns im Juni, nnd das Thermometer hielt sich in der Nähe von w Graden über Null. Nur die heftige Anstrengung, welche nöthig ist, um die Segel aufzuhissen, cinzuzieheu oder zu reffeu, wenu e5 heftig weht, bewahrt die Matrosen vor den Affektioncn, welche die plötzlichen Temperaturwechscl nach fich ziehen, und für fie ist das Verdeck in den Zwischenpausm der Manöver ein Gemach, das ihnen geheizt zu fein scheint. Alle Erforscher der arktischen Regionen haben dieselben Beobachtungen gemacht wie ich. Alerandre Fisher»), Zweiter Chirurg auf einer der Expeditionen Parrv's iu die nördlichen *) Gavarret, De la rhalour rtc. p. B7O. Ursachen dl'r pl,ysio!^gisch(!N Kälte. 29 Gegenden Amerikas, berichtet, daß die Matrosen bei ruhiger Luft mit - 17",^ die Kälte erträglicher fanden, als bei einer leichten Brise mit — 0«,'?. Wisher hat an sich selbst beobachtet, daß er in einer ruhigen Atmosphäre bei — 46,1" keine peinlichere Kälteempfindnng verspürte, als da er einer Brise von — 17,8" ausgesetzt war. Sibirien würde im Winter ein nnbewohnbareQ ^and sein, wenn die Lnft daselbst bei den strengen Frösten nicht völlig ruhig wäre. Alle Reisenden sage» einstimmig ans, daß die Reisen nichts Unbequemes bei Temperaturen von — 20 bis — AI Graden haben, wenn der Körper in tüchtiges Pelzwert gehüllt ist. Er kann sich nur dnrch Strahlung erkälten, und die Bewegung des Schlittens erzeugt einen künstlichen Wind, welcher diese Wirkung zum Theil aufhebt. Wenn das Thermometer unter — 40 Grade, den Gefrierpunkt des Quecksilbers, herabsinkt, so verursacht das Einathmen dieser eisigen Lnft eine peinliche Empfindung in der Brust, wie Wrangel es in Sibirien erfahren hat; es wird dann nöthig, sie durchzuseihen, indem man Mund nnd Nasenlöcher mit Pelz oder einem Wollenstoff nmgiebt; während die äußere Luft eine Schicht erwärmter Lnft durchschneidet, bevor sie in die Luftröhreuäste dringt, erhöht sich ihre Temperatur um einige Grade. Trotzdem ist die merkwürdige physiologische Erscheinnng zu konstatiren, wie wenig empfindlich Meuscheu uud Thiere gegen die Einathmnng der kalten Lnft sind; die Schleimhaut der Luftröhre wird iveniger davon berührt als die Haut. Sollte dies daher rühren, daß der Eüiathmung, welche die kalte Luft einführt, eine Ansathmuug von Wafser und Kohlensänre folgt? Die Verdunstung des Wassers uud die Ausdehnung des Gases siud eine neue erkältende Ursache für den Luftröhrenstamm; doch wirken fie dahin, die Temperatur der ansgeathme-ten Luft mit derjenigen der cingeathmeten auszugleichen und 30 ModMnx'nde VedingmuM der Klilteempsindung, folglicl, die Vuugeuschleimhaut plötzlichen Temperaturwechselu, welche sie peinlich berühren könnten, zn entliehen. Es ist dies nur eine Vorstellung, Sache des direkten Experiments ist es, zu entscheiden, in wie weit dieselbe begründet ist. Allgemeine juWtine Bedingungen, welche die ^inpfindnng der Kälte modifiziren. Ans obigen Seiten haben wir die meteorologischen Vedin-gnngen mitersncht, welche die Empfindnng der».^älte ans der Haut bestimmen, oder mit andern Worten, die objektiven Bedingungen dieser Empfindnng. Es bleibt nns noch übrig, die uon den physiologischen Bedingungen des Indimdnums, seiner Nace, seiner Konstitution, dem Znstande seiner Verdnuungs-und Athmungsfunktionen abhängigen Bedingungen, mit einem Worte, die subjektiven Ursachen der Kälteempfindnng zu analyst ren. Es giebt Völkerschaften, die weniger empfindlich gegen Kälte sind als andere, nnd eigenthümlich, es sind dies gerade die südlichen Völkerschaften. Im Norden wird man überrascht, wenn man die dichten Pelzwerte sieht, womit sich die, Nüssen, Schweden, Norweger bei Temperaturen bedcckeu, bei denen man sich in Frankreich mit einem einfachen Ucber^ichcr begnügt. Nie werde ich die erstickende Hitze vergessen, welche in den Stnbcn der finnischen Bauern am Muonioflnssc*) im September 1.839 herrschte, sie stieg gewöhnlich ans 20 bis 25 tirade, und nicht Alfrieden mit dieser Temperatur, schliefen die Bauern um den Ofen herum; was Auguste Brauais und micl, betraf, so zogeil wir es vor, in der Scheune zu schlafen, wo das Thermometer während der Nacht um den Gefrierpnnkt herum schwankte. *) Sichc Vd, I. Scitc 206 u. f. Modifizircndc P^dmsimigen der,Nältt'l>!npf!ttdllng. .^1 Wenn sir ansangen, luaren eben dich' Leule mit sehr nmrmel, Kleidern angethan. Seit ich in Montpellier wohne, bin ich überrascht, zn sehen, wie gleichgültig die Leute ans dein Volke gegen die Kälte sind. Thüren und Fenster bleiben bei Temperaturen in der Nähe von Null offen sieben - die Einwohner sind leicht gekleidet, und ihre Häufer scheinen zn dein alleinigen Ende gebaut zu sein, sie vor der Hitze ;u schützeu. Nun siud im Wiuter die Nächte klar nud kalt, das Thermometer sinkt öfter als zu Paris unter Null herab, und doch ist nichts zum Schutz gegen den Frost eingerichtet. Auch klagen die Nnsseu, die Schweden uud die Polen, welche den Winter in Montpellier zubringen, darüber, daß sie im Zimmer vor Kälte zittern, während sie sieh im freien bei schönem Sonnenschein im Frühling, ja bisweilen selbst im Sommer wähnen können; die Häuser aber, in der Nacht durch Strahlung erkältet, erwärmen sich während des Tages nicht genügend, wenn sie nicht im vollen Mittag liegen. Ich habe dieselben Bemerkungen in Konstantinopel gemacht; es schneit daselbst jeden Winter, lind doch scheinen die Morgenländer, welche Sommers mit so großer Empfindlichkeit die Kühle anfsuchcu, gegeu die Streuge des Winters unempfindlich zn sein. Die Araber Algeriens bivouakiren, von ihren Burnnssen bedeckt, nnter freiem Himmel, nnd die Turkos waren es, welche die beiden strengen Wiuter der Belagerung von Sevastopol am besten aushielten. Man mnß bis ;nm nördlichen Frankreich vordringen, um zweckmäßige Vorkehrungen gegen die Kälte anzutreffen. Paris liegt fast auf der Grenze der beiden Regionen und nimnu an der einen wie an der andern Theil. Einige Thatsachen werden bestätigen, was ich über die geringere Empfindlichkeit der Bewohner des mittägigen Europa behaupte. Auf dem verhäng-nißvollen rnssischen Feldzuge hat man voll Verwunderung konstatirt, daß die aus Leuten des Südens formincn Regimenter AI Mc>difuir«ide Acdingung^n der Kalt^'mpfiiidlmc^. besser als die deutschen Widerstand leisteten, uud mail weiß jetzt, das; die Kälte in der russischen Armee nngeheure Verheerungen angerichtet hat. Mein ehemaliger Kollege an den Spitälern uon Paris, Doktor Rufz, welcher fünfundzwanzig Jahre anf Martinique praktizirt hat, versicherte mich, daß er, wieder nach Paris übergesiedelt, den ersten Winter wenig empfindlich gegen die Kälte gewesen sei, mehr den zweiten nnd uoch mehr den dritten; andere Kolonisten haben mir diesen Umstand bestätigt. 5) Es möchte scheinen, als ob der Wärmcuorrath, welcher während langer Jahre aufgehäuft wurde, sich mir langsam erschöpfte, gerade wie ein ^udividnnm, das aus einem geheimen Gemache tritt, weit weniger die austere Kälte empfindet, als dasjenige, welches in einem Zimmer geblieben ist, dessen Temperatur wenig von der draußeu herrschenden unterschieden ist. Ebenso weicht der Widerstand gegen die Kalte bei den Einzelnen ab, olme daß die äußere Erscheinung, das Tempera-meut, die Konstitution von diesem Rückschläge immer Necheu-schaft ablegen. Der berühmte Seefahrer der Polarmeere, Sir John Roß, erzählte mir iu Stockholm, daß er, bevor er zu seineu Expeditionen aufgebrochen sei, den Widerstand der Matrosen gegen die Kälte dadurch erprobt hätte, daß er sie deu nackten Fuß habe anf das Eis setzen lassen; solche, die weder zitterten uoch erblaßten, wurden vou ihm gewählt, die andern zurückgewiesen. Es bleibt mir noch übrig, einige physiologische Bedingungen dec, Widerstandes gegen die Kälte zn untersuchen. Jeder weiß, daß körperliche Bewegung eins der mächtigsten Erwärmnugs-mittel ist. Die Temperatur erhöbt sich während des Marsches in allen Theilen des Körpers der Att, daß sie für den Thermometer empfindlich wird. Man lanu in dem Werte über die *) @ief)e Fonssagrives, TraHt: iVliygii-ne navale. Paris, 18M>, art, Resistance au froid, p. 43(5, Modifizin'ndl,' Bedingungen dt,>r ^lUtl'cnivsind,>»!-,. 'iZ thierische Wärme von Horrn ^iavarret/^) die über diesen Gegenstand angestellten Experimente.von Davy, Beequerel, Spallan-zaui nnd Prout finden. Diese Erwärmung rührt von der Beschleunigung dcs Athmeus und der thätigern Verbrennung des Kohlenstoffs her. Der Eiufluß des Alters erkennt dieselbe Ursache an. Wenn der Greis sich schneller erkältet als der Jüngling, so rührt dies daher, daß sein Athmen weniger häufig und seine ^ungeuverbrennuug geringer ist, wie die Herren Gauarret nnd Andral dies vollständig nachgewiesen haben. ^) Auch begreift mau sehr gut, daß die Wärme geringer während des Schlafes als i» wachem Zustande ist. Herr Ehossat hat dies durch Experimente an Tauben bewicseu.'^') Desgleichen ist der Einfluß der Ernährung nachgewiesen für die Menge des Nahrungsstoffes von Hunter, Herrn Ehossat und mir selbst 7), für die Natur der Ncchruugsstoffe von den Herren V. Ncgnault, Boussiu-gault und Marchaud. 1'1') Herr Gavarret hat diefe Arbeiten in seinem Werke fo vortrefflich aualyfirt, daß ich es für unuöthig halte, bei diesem Gegenstaude zu verweilen. Ich werde mich auf eiuige Beobachtuugcn befchrünken, welche ich Gelegenheit gehabt habe an mir selbst und an andern Personeu in Betreff des Einflusses der Eruährungsweise iu den kalten Läudcru zu machen. Ungenügende Ernährung ist eine der übelsten Be-diuguugcu, um der Kälte zn trotzen, und diejeuigcu, welche derselben unterliegen, sind gewöhnlich nüchtern oder schlecht genährt. Jeden Winter hört mau von Vettlern nnd Vagabunden, welche vor Kälte umgekommen sind. Ich bin überzeugt, daß *) Gavarret, De la chaleur etc. p, 370. **) (§6t>. p. Sftl. :i::i::i:j Reclierdius sur rinnitioii (Mi-nioires des savants c'trangers de l'In-stitut, annee 1843.) f) Memoire sur la temperature des palmip&des, p. 15. ff) (S&b. P- 385. 3Jiovtinö, «piybcvgc». II. 3 A4 Spezielle physiologische Kälteursachen. unter denselben Umständen ein gut genährter Mensch nicht unterlegen wäre. Namentlich ist es der Mangel au kohlenstoffhaltigen Nahrungsmitteln, wie Oel, ,^-ett und Wein, der für Kälte-Eindrücke empfänglich macht. Wein und ssett siud wesentlich Wärme erzeugende Nahrungsmittel. Man erfährt dies an sich selbst in deu nordischen Gegenden. Die Esqnimos schlingen ungeheure Masseu von Oel und Fett hinunter, und nichts rüstet besser als eine ^leischmahlzeit, mit einem feurigen Wein Iiinunterge-spült, zum Widerstände gegen die Kälte. Ich hege die grölte Hochachtung vor den edlen Absichten, welche die strengen und gebieterischen Vorschriften der englischen uud amerikauischen Mäßig-keitsvercine diktirt haben, uud schließe mich ihnen an, um den Gebrauch starker Getränke ;u verwerfen; allein Menschen, die der fcnchten Kälte ausgesetzt sind, des Weins beraubeu zu wollen, ist ein hygienischer Unsinn. Herr Eduard Desor hat an sich selbst erfahren, wie spannend und reizend die trockene Kälte der Vereinigten Staaten nnd Kanadas ist. Man kann sie ertragen, ohne daß der Magen durch Wein erwärmt wird; der Thee genügt. Nicht so verhält eo sich mit der feuchten Kalte Norwegens, Lapplands, Islands und Spitzbergens, der man nicht lange ohne Hülfe von feurigen Weinen würde trotzen können. ?ie Leidenschaft der Lappen für alkoliolische Getränke ist weiter nichts, als der überlriebene Ausdruck eiueo wirklichen Bedürfnisses. Spezielle psMolossisäje MNeurlacljen auf den HoäjssebillM. Der ans ein Hochgebirge versetzte Mensch ist allen den Ursachen thermomelrischer Kälte unterworfen, welche wir angegeben haben- l) der schwachen Erwärmung der verdünnten Luft, sei es direkt durch die Sonne oder indirekt durch den Boden; 2) einer nächtlichen sehr starken Strahlung, welche die Spezielle physiologische Kälteursachen. .^l) Temperatur der einen ivie des andern bedeutend erniedrigt; .'',) der Ausdehuung der Luft, n'elche sich von der Ebene, an den Seiten der Gebirge erhebt; 4) der thätigen Ausdünstung des Bodens, .^n diesen Ursachen thermometrischer Kälte tritt die stärkste von allen denen, welche die physiologische Empfindung der Kälte bestimmeil, hinzn, nämlich die Bewegung der Luft. Wenn die Luft in der Ebene selten ruhig ist, so kann man wohl sagen, daß sie es fast me auf den isolirten Gebirgsgipfeln ist. Währeud der ruhigsten Tage i» der Ebene herrseht auf den Zipfeln eiu heftiger Wind. So sieht mau zu Ehamouni an den schönen Sommertagen, wenn sich im Thale kein Blätt-chen rührt, auf dem l^ipf^l des Moutblauc den Schnee vom Nordvstwinde luegtreiben; man sagt dauu, er raucht seine Pfeife, und das ist eiu Zeicheu schöuen Wetters. Möge es mir gestattet sein, bei diesem Gegenstande eiue Erinnerung zurückzurufen, an welche sieh die von zwei Freunden, den Herren Brauais und Lepilenr, knüpft. Am 29. August 1844 stiegeu wir vom Großen Plateau zum Mpfel des Montblanc^') empor in einer Schneerunse, worin wir vollständig vor dem Nordostwinde, der stoßweise blies, geschützt waren. Wir verspürten nicht die mindeste Kälteempfindnug, sondern nur die von der Verdüuuung der Luft herrührende Nthemlosigkeit und Laschheit, deuu wir befanden uus iu eiuer zwischen 4000 uud 4800 Meter liegeuden Regiou. Ueber den Nochers Nouges bei etwa über 4600 Meter augekommen, wurden wir plötzlich einem Wiudstoße aus Nordwest ausgesetzt. Die Karmvaue spürte eine so lebhafte und plötzliche Kälteempfindung, daß es Jedem von uns schien, als ob der Wind ihn seiner Kleider beraubt habe, nnd doch hatte er nur einige Hüte weggerissen. Glück- s) Sichc dic EvMun^ dicsor Besteigung Bd I,, Scitc 3N. 3« Z6 Spezielle physiologische Kälteursachen. licher Weise legte dieser Wind sich, als wir den Gipfel des Monl-blanc erreichten, da wir ohnedies Mühe gehabt haben würden, unsere Experimente zu machen, denn die Temperatur der Luft betrug im Schatten —8", in der Sonne — 6,3", und der Schnee, auf welchem wir hinschritten, zeigte auf seiner Oberfläche —8,0" und bei 2 Dezimeter Tiefe —14,0". Diese niedrigen Temperaturen des flockigen Schnees, worin man bei Hohen über AM Meter marschirt, sind eine mächtige Ursache der Erkältung, Auf dem Firn, worauf man wie auf festem Erdreich vorrückt, ist die Kälteempfindnng erträglich. Nicht so verhält es sich, wenn man in einen feinen und staubartigen Schnee einsinkt. So betrug anf dem Grand Plateau des Montblanc bei 3980 Meter über dem Meere die Temperatnr dieses Schnees bei 2 Dezimeter Tiefe nie über —8,2", und in der Nacht sank sie unter —10". Man begreift, wie sehr sich die Füße erkälten müssen, wenn man langsam emporsteigt und bei jedem Schritt in einen Schnee einsinkt, dessen Temperatur so niedrig ist. Die Zehen werden von dem gefrorenen ^eder der Stiefel zusammengepreßt, und man spürt eine Kälteempfindnng, die ein wahres Leiden ist. Zuweilen tritt das Erfrieren der Zehen ein, es ist dies die ernstliche Gefahr der Besteigungen von Hochgebirgen. Herrn de Tilly erfroren mehre Zehen bei seiner Besteigung des Mont-blane am !). Oktober !834. Oft bedarf es keiner langen Zeit, um das Eintreten der ersten Symptome herbeizuführen- so stieg ich den 30. August 1844 Abends mit Auguste Bravais auf den Düme du Goinö- wir befanden uns 120 Mcler über dem großen Schneeplatean, wo unser Zelt errichtet war, oder 4050 Nieter über dem Meeresspiegel. Wir blieben daselbst von fnnf und einhalb Uhr bis sieben und dreiviertel Uhr. Vravais uuter^ suchte mit Hülfe des Theodolit die Dammeruugsphäuomene; ich schrieb nach, was er diktirte, trug aber Sorge mit den Fußen ;u trippeln, damit sie nicht völlig erkalten möchten. Die Spezielle physiologische Kttlteursachen. .^7 Temperatur der Luft wechselte von — 4,8° bis — 6,3", die des Schuces betrug —9,0". Vravais fühlte seine Zehen nicht mehr, sie waren kalt und weiß wie Wachs. Wir riefen die Eirkulation und die Wärme in dieselben zurück, indem wir sie mit Schnee, darauf mit Wolle rieben. Bekanntlich sind zahlreiche Fälle von Erfrieren der Extremitäten vor Sevastopol während der beiden Winter vorgekommen, welche die verbündeten Heere vor diesem neuen Troja lagen. In Afrika sind sie nicht selten, wenn Truppcnköruer Hochebenen oder Vergpässc, die mit Schnee bedeckt sind, überschreiten. ,Iu solchen Fällen ist der schmelzende Schnee noch gefährlicher als der staubige Schnee. Indem der Schnee nämlich ans dem festen in den flüssigen Zustand übergeht, verschluckt derselbe bekanntlich die Wärme aller mit ihm in Berührung kommenden Gegenstände; diese Schmelzwärme wird latent, und es ergiebt sich damns ein fortwährendes Erkalten der Füße des Infanteristen. Der schmelzende Schnee hat alle Unannehmlichkeiten der fenchten Kälte an sich; er ist ein gntcr Wärmeleiter, während der staubige dies nicht ist; er dnrchdringt das wasserdichteste Schuhwerk und rnft alle die traurigen Wirkungen der Anwendung feuchter Kälte auf die unteren Ertremiläten hervor. Der Koth großer Städte im Norden reprodnzirt diese Wirkungen im Kleinen, außer daß er nnr durch seine eigene Tcmperatnr, Leitfähigkeit und Feuchtigkeit wirkt, während der im Schmelzen begriffene Schnee eine unaufhörliche und unvermeidliche Entziehung von Wärmestoff anf die mit ihm in Berührung kommenden Körper ausübt. Der Wechsel von Trockenheit nnd Feuchtigkeit ist weit bedeutender in Gebirgen als in der Ebene. Die Empfindungen welche man spürt, wenn man eine Wolke durchschreitet, sind die der feuchten Kälte, welche aus dem Eindrncke einer von Wasser-dampf gesättigten Luft auf die Haut und aus der bessern Leit- Ig Spezielle physiologische Kälteursachen. fähigkeit dieser Luft für die Wärme hervorgeht, daher eine sehr bedeutende physiologische Kälte. In den ziemlich gewöhnlichen Fällen großer Trockenheit verdunstet der Schweiß schnell, daher Wahrnehmungen von Kälte. Ist die Trockenheit übermäßig, so wird die Haut rissig, die kippen springen nuf, nnd es erzeugen sich leichte Noscn auf dem Gesichte, welches der Sitz einer wiederholten Abschnppnng wird. Die Thätigkeit des Auf- oder Absteigens, viel ermüdender als das Gehen auf einer horizontalen Ebene, führt schneller Athemlosigkeit, und in Folge dessen die Nothwendigkeit stillzustehen, herbei. Einem Menschen, der sich dnrch Bewegung erwärmen will, wird es nicht einfallen, anf einen Berg ;n klettern; er wird einen ganz schlichten Weg in der Ebene vorziehen, nm schnell nnd lange zn gehen. Diese schon in Untergebirgen häufigeren Stillstände werden es noch weit mehr, wenn man sich zu bedeutenden Höhen erhebt. Fürwahr, Jeder weiß, daß man bei Erhebungen, die je nach den Individnen von 2000 bis 4000 Meter wechseln, peinliche Empfindnngen zu spüren anfängt, als übermäßiges Kenchen begleitet von Kopfweh, Schlafsucht, Ucbelkeit und großer Mattigkeit.'°') Dies ist die mit dem Namen Bergkrankheit belegte Erscheinung, ein komplizirtes Resultat der Ermüdung, der plötzlichen Verminderung des Drucks, uor Allem aber der Verdünnung der Luft. Die Physiologen räumen nämlich ein, daß der Mensch bei gewöhnlicher Einathmung durchschuittlich ein halbes Liter Luft in seine Lungen einführt. Der Sauerstoff dieses halben Liters Luft verbiu-det sich mit dem Blute. Am Meercsnfer, unter dem Drucke von 760 Mm. Quecksilber, wiegt ein halbes Liter Luft 0,65 Gr. *) Siehe über diesen Gegenstand I^Noni-, 3i der Ebene, sondern körnig, trocken, ähnlich wie Hagel, zn fallen; vom Winde gejagt, dring! er bis auf.die Haut durch die dichtgeschlosscnften Kleider durch; nnanfhürlich das Gesicht peitschend, rnft er eine fortwährende V'etäubnng hervor, welche alsbald in Schwindel ansartet. Nun wird der arme Reisende, erstarrt, verirrt, abgemattet, keine zwei Schritte mehr vor sich sehend, von einein unwiderstehlichen Bedürfniß uach Schlaf ergriffen; er weiß, daß dieser Schlaf der Tod ist, allein verloren, verzweifelt sucht er tastend irgend einen Felsen auf, und sich sozusagen sich selbst überlassend, legt er sich nieder, nm nicht wieder aufzustehen. Sein Puls schlägt allmälig langsamer, wie in der Lethargie, und er stirbt vor Kälte, wie man vor Entkräftung stirbt. Moralische Energie ist iu solchen Augenblicken das einzige Rettungsmittel; man muß um jeden Preis dem Schlafe widerstehen, gehen, trippeln, die Arme wider die Brnst pressen, mit einem Worte durch Mnskelan-strengnng gegen die Kälte ankämpfen. Jacques Balmat, der znerst im Jahre 1786 die Besteigung des Montblanc unternahm, wußte dies wohl. Er war allein anf dem Grand Plateau bei 3930 Vieler angelangt. Dort ward er von der Nacht 4>) Spezielle physiologische Kältcursnchen. überrascht, ^m Dunkel deu Gipfel hinanfteigen, war unmöglich, hinabsteigen desgleichen. Herhast entschloß er sich nnd ging die Länge nnd die Breite auf dein Schnee spazieren, bis die Morgendämmerung anbrach. Bei unser» beiden ersten'Versuchen, auf den Gipfel des Montblanc zu gelangen, den 4. und den ^>. Angnst 1844. kamen wir bis zum Grand Plateau und schlngen unser Zelt auf dem Schnee anf. Den 1. August ^wang nils ein reichlicher Schnee-fall, wieder herunterzusteigen. Das zweite Mal bestanden wir während der Nacht einen wahren Sturm, der Wind wehte stoßweise nud drohte das Zelt zu cutführeu, das sich wie ein ^cgel blähte; jeden Augenblick meinten nur, es werde fortgerissen werden. Zum Glück hatte Bravais die Idee, Nasser anf die Pflöcke zu gießen, welche wir in den Schnee gerammt hatten; dieses Wasser war gefroren und hielt sie mächtig fest. Eine eiserne Stange, in einiger Entfernung in den Schnee gepflanzt, diente uns als Blitzableiter, denn wir wnrdcn von Blitzen umzuckt, denen unmittelbar ein Dounerschlag, ein Klappstoß ohne Nollen, folgte, offenbarer Beweis, daß wir uns inmitten der elektrischen Wolke befanden. Der Schnee, um das Fell wirbelnd, würde nicht gestattet haben, sich zu orientiren; wir berathschlagten mit nnsern Führern über das einzuhaltende Verfahren, wenn das Zelt fortgerissen würde. Beim Betreten des Grand Plateau hatten wir eine breite, etwa ^» Meter tiefe Qnerspalte überschritten. Vermöge der Bonssole wußten wir, in welcher Nichtnng sie sich befand, dorthin hätten wir lins flüchten nnd, uns an einander drückend, die Nacht znbriugeu müssen, indem wir bis Tagesanbruch auf den ssüßcu getrippelt wären. Zum Glück hielt das Zelt, und wir hatten nicht nöthig, zu dieser äußersten Alissicht anf Rettung nnsere Zuflucht zu uehmeu. So stimmt, um gegen die Kälte unter den ungün- Hp^il'lk' physwlogische Klilt^ursachon. 4!i stigsten Umständen, worin der Vtensch sich befinden kann, anzukämpfen, die Erfahrung mit der Physiologic in dl'm Be-w^'is^ übcrcin, daß Ingend, gut^ Ernährung, Muste.lübnng und moralische Thatkraft die Mittel sind, wodurch er einen der schrecklichsten Feinde, mit dem er auf Erden zu ringen hat, bekriegen und besiegen kann. Versammlung der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft im ^ugnft 1W3 )n Samaden im (Dlier-Eugadnt) Kanton Graudündcn. Am östlichen Ende der Schweiz, anf den Grenzen Tyrols nnd Oberitaliens, zieht sich ein langes Thal hin, welches der In» seiner ganzen Länge nach durchläuft. VnIIi« in cuMo O^ni hieben es die 'Alten, daher I„lM,Il,m, ^nMa, endlich Engadin, une inaii heute sagt. Der obere Theil des Thales, breit nnd weit, ist durchschnittlich 1650 Meter über dem Meere erhaben; er nimmt den 'Namen Obcrcngadin an nnd endci gegen ^üdcn im Maloggiapasse, dessen Höhe 1835 Meter beträgt. Dieser PW führt über Chiauenna nnd die Ufer des Comersees direkt nach Italien hinein. Im Norden setzt sich das Obercngadin im Unterengadin fort, dieses länft in den Schluchten von Finstermünz in Tyrol ans, wo der Inn unter der Brücke uon Santt Martin noch 1020 Meter über dem Meere fließt. Das Gngadin ist das höchste nnter den großen das ganze Jahr hindurch bewohnten Schweizer Thälern. Dem mächtigen Massiv der Alpen entsprungen, welches den beiden großen Flüssen Mitteleuropas, der Nhone nnd dem Versammlung der schwnz. nattirforscheildlm Gesellschaft. 4'> Nhcin, das Dasei» giebt, sollte der Inn eigentlich den Namen der Donau tragen, denn diese ist anfangs lveiter nichts als ein schwaches Flüstchen, im Schloßhofe einer fürstlichen Burg ans den bescheidenen Hügeln am Südabhange des Schwarzwaldes entsprungen- in den Ebenen Baierns aber vereinigt sich die Donau mit dein mächtigen Sohne der Alpen, fortan tragt der Inn den Namen derjenigen, deren tröste er ausmacht, niid ihre vermischten Gewässer bilden den breiten Strom, dessen drei Mündungen die Gewässer von sechzig Nebenflüssen ins Schwarze Meer ergießen. Bei seiner Quelle stürzt sich der Inn, der Abfluß eines kleinen Sees, des Scptimer, die Maloggia-Abhänge entlang; durch die von den benachbarten Gletschern kommenden Gewässer gespeist, dnrchschneidet er die hübschen Seen von Silz, Silva-Plana uud Sanct Morih, eingerahmt von einem unvergleichlich grünen, turnen und feinen Rasen. Die Seen sind durch die Endmoränen der ehemaligen Gletscher, welche früher bis ins Thal hinabstiegen, von einander getrennt. Ans ungeheuern, von den benachbarten Bergen herbeigeführten und übcr-einandergehäuften Blöcken gebildet, haben diese Moränen die Seen geschaffen, indem sie den ^aiif des jnngen /vl>>sse5 versperrten. Mit der Zeit haben sich diese, vom Eise errichteten Dämme mit Lärchen uud Arven (I'iimä cpnidro) bedeckl, den einzigen Bäumen, welche noch unter diesem für die Kieferu nnd pichten des Nordens zu rauhen Klima fortkommen können; unter ihrem Schatten wachsen die Heidelbeeren, Preiselbeeren, sowie einige alpine Weiden oder Geisblattpflanzcn. Die schöne Vegetation, welche die ungeheuern, von den Gipfeln des Ber-nina Herabgekommellen Blöcke nmgiebt, überzieht fie endlich selbst. Die Flechten und Moofe beginnen den Angriff, sie setzen sich auf dem Steine fest, den sie zersetzen, indcm sie denselben mit einer Ninde überziehen, Gräfcr keimen auf der Dammerde, welche aus den zerfallenen Bestandtheilen des Felsens, ver- 46 Versmumlmiss der schweiz. natlirforschenden Gesellschaft. inischt »nt dein Humus, hervorgegangen ails der Zersetzung der von den ersten Ansiedlern zurückgelassenen Neste, besteht. Znnächst sprießen kleine jährige Kräuter auf diesem neuen Boden, dann ansdanernde Pflanzen, hicranf standen, endlich Bälime. Oft sieht man eine (Gruppe von Arven oder Lärchen einen nngehencrn Granitmonolithcn krönen. Es ist das Werk der Zeit, sie hat die dürren Moränen in einen malerischen Wald verwandelt. Wie vieler Jahrhunderte hat es zn dieser Umwandlung bedurft! Der Sommer ist so kurz, das Wachsthum der Bäume so langsam im Engadiu, wo der Winter acht Monate danert! Der Schnee, ganze Tage lang in den lüften wirbelnd, hänft sich bis znr Höhe von 2 bis 3 Metern auf. Das Thermometer sinkt auf 20, selbst 30 Gradc unter Null; das ganze Thal bleibt die Hälfte des Jahres hindurch unter einer dichten Decke vergraben, welche sich über die beeisten Seen ausbreitet, die Unebenheiten des Bodens schlichtet und die Thiere, ja oft die Menschen selbst zu völliger Abgeschlossenheit vcrnr-theilt. Im Mai fängt der Schnee an zu schmelzen, trotzdem verschwindet er erst Ende Junis aus dem Thalgrunde, während er sämmtliche benachbarte Höhen noch bedeckt; dann aber lachen die Matten, befreit von jenem Schnee, welcher sie vor der Kälte im Winter geschützt nnd im Frühjahr bewässert hat, der Sonne entgegen und schmücken sich mit den ersten Alpenblumen. Die Lärchen treiben Blattbüschel vom zartesten Grün, die Arve richtet ihre vom Gewicht des Reifes zn Boden gedrückten Zweige auf und streckt ihre violetten Zapfen gen Himmel. Die Kühe wandern langsam den Alpcnweiden zu, die großen Heerden bcrga-mastischer Schafe steigen zum Gebirge empor. Der Sommer ist endlich gekommen. Leider ist die Dauer desselben sehr kurz. Nie werden weder die Luft noch der Boden völlig warm; die Sonnenstrahlen, heißer nnd leuchtender als in der Ebene, bc-schleuuigen das Wachsthum während des Tages, Nachts aber Versammlung dor schweiz. nawrforschenden Gesellschaft. 47 sinkt das Thermometer wieder bis in die Nähe von Null herab, und das Wachsthum steht still. Während dieser drei Sommermonate wird die Wiese nur ein einziges Mal gemäht, und Gersten und Roggen, welche man auf den nach Enden liegenden Terrassen anbaut, bringen kaum ihre magern Aehrcn znr Reife. Sechs Monate Schuee und Eis, drei Mouate Regen oder Kälte, und drei Monate Sommer ohne Hitze: das ist das Klima des Oberengadins. Ein Heuschlag, etwas Gerste und Noggeu, Holz, mit dem man äußerst sparsam zu Rathe geheu muß, so langsam wächst es i das sind die eiuheimischen Hülfsquelleu. Der Reisende, welcher von den Spitzen des,In lier herabsteigt, erwartet eines jener Alpenhochthäler zu finden, wo man unr zerstreute Scuuhüttcn uud Dörfer fiudcl, deren Holzhäuser, uon der Zeit gebräuut, wider einander gedrückt und am Gebirge angelehnt, sich gegenseitig erwärmen zu wollen scheinen. Bei Silva-Plana fängt das Erstaunen an: ein schö-ues Dorf liegt zwischen zwei Seen, große Hauser ans weißen Steinen, von Gärten umgeben uud jedes uon einer einzigen Familie bewohnt, säumen deu Weg. Ausuchmcude Reinlichkeit und eiu behagliches Ausseheu kündigen den Wohlstand der Bewohner an. Der Reisende steigt das Thal anf einer prächtigen Straße hinab, an den Ufern des zweiten Sees bemerkt er eiu großes Bade-Etablissement, laugt in Sauet Moritz, zum Theil aus Hotels zum Gebrauche der Badegäste bestehend, an, durchschreitet das hübsche Dorf Eelerina und erreicht endlich deu Flecken Samaden, den beträchtlichsten des ganzen Thales. Hier verdoppelt sich sein Erstaunen. In der protestantischen Schweiz, wo die Dörfer doch so schön und so reinlich sind, giebt es kcins, das sich mit Samaden, noch mit denen, welche ihm folge»: Be-uers, Sntz, Skanfz uud Poute, messen könnte. Welches ist der Ursprung dieses nncrhörten Gedeihens in einem Alpenthalc, das fast nichts hervorbringt? Der Gcwerbflciß, Das Engadin 4!-, VorslUnmlling der schivriz. natnrforscln'ndl,'!! (^iVllschnft. zählt wenig seßhafte Be>vohner, die meisten umndern aus und gehen ill die Fremde, um das bewerbe von Conditoren, Kuchenbäckern, Kaffee- n nd Speisen,iril,en zn betreiben ^ haben sie ihr Glück gemacht, so lehren sie in ihr Thal, Jeder in das Dorf, wo er das Licht der Welt erblickte, zurück, bauen sich ein schönes Hans nnd statten es dein Geschmacke des Bandes gemäß ans, wo si? ihren Reichthum gewonnen haben. Betritt man diese bequem eingerichteten Wohnungen, so trifft man die bitten nnd Gewohnheiten der Stadt an, wo der Eigenthümer die Arbeitsjahre seines Lebens zugebracht hat. Der Wohlstand ist in diesem glücklichen Thale allgemein. Ein Genfer Gelehrter, welcher dem Gottesdienste im Tempel von Bevers beiwohnt, wundert sich, gar leine Fürbitte für die Armeil, womit die protestantische Liturgie schließt, zn uernehmen, der Gottesdienst geht zu Ende, leine Kollekte wird veranstaltet; er crlnndigt sich und vernimmt, daß es gar keine Nrmen im Engadin giebt. Es ist also nnnöthig, für sie zu bctcu nnd zu sammeln. Alle Sprachen Europas redend, sind die Bewohner des Engadin keineswegs der wissenschaftlichen Bewegnng des Jahrhunderts fremdgebliebeu, nnd diese Industriellen, diefe >tanf-leute, fnrder von den Gefchäften znrückgezogen, haben nm die Ehre nachgefncht, im Jahre 1863 die f ch wei; eri s ch e n a tnr -forschende Gesellschaft bei sich zn empfangen. Sie haben begriffen, daß Litteratur, Wissenschaft nnd Ksnfte den wahren Nnhm der Menschheit ansmachen, den einigen, zn dessen Erbschaft die Ankunft sich bekennen wird; sie haben sich selbst ehren wollen, indem sie gastliche Anfuahme bescheidenen Gelehrten boten, welche aus der Schweiz, Italieu nnd Deutschland herbeieilten, um sich gegenseitig das Ergebniß ihrer Arbeiten anf dem Gebiete der physikalischen uud Naturwissenschaften mitzutheilen. Der Ursprung der schweizerischen Gesellschaft geht bis auf . Vm'mmulima der schwci-,. naturforschendcn Gesellschaft. 49 das Jahr ^l815 zurück. Genf, der Freiheit zurückgegeben, war soeben in den Blind eingelrelen. Lokale Gesellschaften waren bereis in den Kantonen vorhanden, ein Genfer Arzt, Namens Gosse, torresponoirendeü Mitglied der Akademie der Wissenschaften ;n Parik, faßte den Gedanken eines Vereins, welcher sämmtliche Schweizer Naturforscher verbinden sollte. Er richtet an sie die Einladung, sich den 4. Oktober in Genf einzn-finden- nnd fünfunddreißig Personen entsprechen seinem Aufruf. Er läßt den Muth nicht sinken. Die ersten Zusammenkünfte fanden im Saale der Gesellschaft für Physik und Naturgeschichte statt, wo die Grnndlagen der Bercinsstatutcn endgültig festgestellt wurden- den 6. October aber beruft Gosse die Naturforscher nach seinem Landbanse, anf sauoyischem Gebiet hinter dem kleinen Saliiue bei dem Dorfe Morncr gelegen. Anf der Höhe eines kleinen Hügels, der mit vom Montblanc herabgekommencn erratischen Blöcken besäet ist, jenem Ko-losse der Alpcnkette gegenüber nnd Angesichts des Genfer Sees, liegen die Ruinen eines allen ^endalschlosses. Auf dieseu Nuinen erliebt sich ciu Pavillon, dessen Dach von acht Säulen getragen wird. In der Mitte der Rotunde ist die Büste Linn6's aufgestellt, um sie her reihen sich die der großen Schweizer Naturforscher! Hallcr, Bonnet, Rousseau und Caussurc. Gosse, ein Mann uoll Thatkraft und Begeisterung, richtet au seine Mitbürger die folgende Rede, welche ich als em merkwürdiges Beispiel des Styls und der Zdecn der damaligen Zeit hierher sehe: „Erhabene Vernunft, die Du gewesen bist, die Du bist imd die Dn sein wirst! erste Ursache alles dessen, was da ist, Du, dir Du Dich beständig mit dem Glücke aller Deiner Kreaturen beschäftigest, würdige mich, meine Huldigungen nnd nieinen tiefen Dank dafür zu empfangen, daß Du mir bis ;u diesem Tage des Glücks mein gebrechliches Dasein gefristet baft. Ge- M ^ rl inö, Spihdcrgcn :c. II. 4 fit) Versammlung der schnei;, nnturforschenden Gesellschaft. währe diesein Verein gebildeter Männer Deiilen köstlichen Segen und mache, daß jedem dieser Gelehrten in seinen Arbeiten der Erfolg zn Theil nierde, nach deui er jtrebt. Und Dll, erhabener nnd unsterblicher Linnö, desseu Seele ohne Zweifel über dieser interessanten Vcrsainmluug schwebt, möchte das ^cuer Deines nmfasseuden Genies sich über Jeden von nns im Besondern ergießen. O daß wir, indem ich Deine Büste nebst denen dl'r uirr nns umgebenden großen Männer in diesem Tempel, welchen ich der gütigen Natnr errichtet, aufstellte, daß wir da Alle von den Lichtstrahlen, welche Dn verbreitet hast, clektrisirt würden! Möchten wir, uersnnken in die Bewunderung der unnachahmlichen Werke dieses großen Schöpfers, durchdrungen von Eifer nud Ausdauer bei nnscrn Arbeiten, dieselben nutzbringend für das gemeinsame Vaterland machen!" Die Bewegung des Redners theilt sich den Anwesenden mit; Angesichts dieses großartigen Schauspiels der Alpen nnd des Genfer Sees verwischt sich die Erinnerung an die in der Stadt gehaltenen Sitzungen, das Bild des poetischen Pavillons von Mornex bleibt dem Gedächtnisse Aller tief eingeprägt und wird für sie die wahre Wiege der aufkeimenden Gesellschaft. Dort wird sie geboren, so will es die Ueberlieferung, nnd dort wird sie bald den fünfzigsten Jahrestag ihrer Gründung feiern. Mornex gehört jetzt zum Departement von Obersavoycn, nnd dieses friedliche Zahrcsfcst wird (ich frenc mich dessen nm meines Vaterlandes willen) im Jahre 1865 anf fortan französischer Erde gefeiert werden. Es giebt keinen Gelehrten, der meine Genugthuung nicht theilte, wenn er am Ende dieses Anfsatzcs die Analyse der von der schweizerischen Gesellschaft anf dem Gebiete der physikalischen nnd Natnrwissenschaften vollbrachten Arbeiten gelesen haben wird; sie ist die erste, welche, ihren Sitz alljährlich verlegeud, auf diese Weise znr Verbreitung der positiven Wissenschaften beiträgt, indem sie frnchtbare Keime über das Versammlung d^'r schn'^i-,. »alurjovsch^ldl'u Ges^llschnst, 5» 1 ^and verstreut llnd die Ergebnifsc ihrer ^orschuugen in den öffentlichen Sitzungen znin Gcnn'ingnt inacht. Seitdem sind andere (Gesellschaften diesenl Beispiele gefolgt: ill Frankreich die (Geologische Gesellschaft, die Botanische Gesellschaft nnd dcr Kongreß der Gelehrten Gesellschaften; in England die Vrittischc Gesellschaft; in DentschlMid die jährliche Versammlung der Deutschen Aerzte nnd Naturforscher; in Italien die Gesellschaft der Köioiiüwti iwlwui; in Skandinavien die der Gelehrten Dänemarks, Schwedens, nnd Norwegens. In der Schweiz, die in zweiunozwanzig kleine Kantone eingetheilt ist, nnd in der man vier Sprachen: das französische, Deutsche, Italienische und Romanische spricht, ist die schweizerische Gesellschaft ein Mittel der Centralisation; sie sollte Menschen, die sich mit denselben Studien befassen und ein nnd demselben Ziele, dem geistigen, sittlichen uud materiellen fortschritte des Landes, znstrebcn, verbinden, in nähere nnd unmittelbare Beziehung zu einander setzen. Iu der Schweiz, in Italien und in Skandinavien ist es also das Vcdürfuiß uach Einheit, welches diese Wandcrge-sellschaftcu geschaffen hat, deren Versammlungsort jedes Jahr wechselt, deren Geist aber immer derselbe bleibt. In Frankreich uud England hat sie ein entgegengesetztes Bedürfniß entstehen lassen: die Provinz sucht gegen das allzu große Uebergewicht jeuer ungeheuern Hauptstädte anzukämpfen, welche allmälig sämmtliche Lebenskräfte eines Kolkes aufzusaugeu drohen. Die Verfassung der schweizerischen Gesellschaft ist sehr einfach. Um gewählt zn werden, muffen die ordentlichen Mitglieder in der Schweiz geboren sein oder daselbst öffentliche Armier bekleiden; sie belaufen sich Mt anf achthundcrlnndueuu. ^ie Fremden haben den Titel von außerordentlichen oder Ehrenmitgliedern. Die Sitznngen find öffentlich. Seit dem Jahre I8.I5 hat sich die schweizerische Gesellschaft sicbennnduierzig Male versammelt. Bis zum Jahre 1828 besuchte sie nach einander 4" !)2 Versammlung dcr schweiz. naturforschenden Gesellschaft. die Hanptorte der Kantone, im Jahre 1829 aber fand die Versammlung auf dem Hospiz des großen St. Bernhard, 2472 Meter über dem Meere, statt. Einnndsicbenzig Personen ge-nossen die Gastfreiheit des Klosters und eröffneten die meteorologischen Beobachtungen, welche die Mönche seit M><» mit einer Ausdauer fortsetzen, deren Früchte die Wissenschaft bereits gepflückt hat. Städte zweiten Ranges, wie Winterlhnr, Pruntrnt, La Chanr- de-Fonds, Trogen, hatten sich die Ehre ansgebeten, die Gesellschaft in ihren Mauern zu empfangen, noch nie aber hatte ein Dorf dieses Verlangen, womit die sehr reellen Lasten dieser Versammlnngen übernommen werden, zu erkennen gegeben. Samaden ist das erste; es hat sich ein Aurecht hierauf aus seiner Lage am Ende der Schweiz und in einem der höchsten Thäler ihrer Gebirge gemacht. Sein Aufruf hat Gehör gefuudcn. Sämmtliche Dörfer des Oberengn-dius hatten sich Samaden angeschlossen, um den Mitgliedern der Gesellschaft gastliche Aufnahme zu gewähren, und wie gro^ auch die Zahl der Ankömmlinge sein mochte, das Thal war bereit, sie zn empfangen. Es fanden sich nnr hnndertsechs-undzwanzig ein, uämlich fünfimdneiüi^ig Schweizer, sechzehn Deutsche, vierzehn Italiener und ein Franzose, der, welcher diese Zeilen schreibt. Die Mitte des Juli war regnerisch gewesen. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, daß dieser Regen im En-gadin, unter der Form von Schnee fallend, den ^oden mit einer zwei Fnß dicken Schicht bedeckt habe. Die Nachricht war richtig; allein dieser frischgefalleue Schnee sollte dieser Alpcu-landschaft noch einen Reiz mehr verleihen. Als ich den 2^i. August mit niciuen Freuudeu Vogt und Desor von der Höhe des IulierZ herabstieg, war der Schnee im Thal geschmolzen. Das jüngst befcnchtete Gras hatte seine Friihjahrsfrischc wieder angenommen. Die hohen Gebirgsmassive waren nicht mehr befleckt durch jcuc Gletscher- uud Firnfetzen, beschmutzt uon deu Versmuuilimg der schwciz. naturforschenden Gesellschaft. 5>3 Trümmern, welche von den benachbarten Höhen anf sir herabfallen, ein charakteristischer Herbstanblick in den Hochregiouen. (^ine Schicht iveißen, fleckenlosen Schnees, der in der Sonne erglänzte, hüllle >nit ihren Falten alle über der Waldgrenze lir-sscnd^i Spincn »,'in. Die Gruppe deü Vrrnina funkelte wie ei» Diamant über den smarassdssvüngcfärbten Seen. Dieses Schauspiel ;o^ nilsere ^an^e Aufmerksaniteil auf sich, als wir beim (5'in^mM von Smnaoen aulanqten, Schon waren wir nnier den Vanbbögen durchgeschritten, welche an den Thoren von Sancl Moritz und ^'elerina errichtet waren; das von Saniade» trug die Dahlie der a,rancn Bünde i (MU, blau uud weis^, soiuie die Bnudesfahne! roth mil dem weißen Kreuz in der Mitte. Das Dorf hatte ein festliches Aussehen; Laubgewinde schmückten die Fahnden der Häuser, die französische, italienische, deutsche flagge wehten ans den Fenstern, dicht bestellt mit prachtvollen Blumen, die wie in einem Treibhause zwischen den Doppelfenstern, welche das ganze Jahr über an ihrem Platze bleiben, gezogen werden. Bei der Ankunft wurde uns von Koinil^mitgliedern unser ^ogis angewiesen, ein zuvorkommender Wirth empfing den ihm ;ugell)eilten Naturforscher, und die Herzlichkeil des Willkommens war der Art, daß Jeder ein neues, von der «"nstfrenndschaft geschaffenes Daheim zn betreten glaubte. Am Abend versammelten sich ulle Angekommenen im Hotel Bernina. Alte ,vreniidc fanden sich glückselig wieder, nnd Männer, welche sich wohl durch ihre Arbeiten kannten, aber weiter keinen Verührnngspnnkt mit einander gemein hallen als die ^iebe znr Wissenschaft, schlössen sich binnen wenigen Stunden eng an einander. bitzmia, von Samadm. Die Eröffnnugssitznug fand folgenden Tags, den 24. Au-gnst, in der Kirche von Samaden statt. Der Schaft der Sau- ',4 Persammluna dcr scbwri^. natuiforsäienden Gesellschaft. ten war mit Guirlanden umwunden, mineralogische Proben bedeckten den Fnß derselben; vor der i» einen BInmentorb verwandelten Kanzel leuchtete das Bnndestreuz: der Tempel Voltes war ein Tempel der Wissenschaft geworden. Herr Nndolph von Planta, Vertreter einer der ältesten Familien des EngadinQ nnd Mitglied des schweizerischen Bnndesrathes, war zum Vorsitzenden ernannt; das Reglement schreibt weise uor, das^ der Präsident der Sitznng immer ans dem Ort gewählt werden soll, wo die (Gesellschaft sich versammelt. Seine Eröffnnngsrede bestand in der turnen, aber treuen beschichte der Völkerschaften, in deren Mitte wir mehre Tage zubringen sollten. Zwei Na-cen sind in die Thäler, welche die rhätischen Alpen durchschneiden, eingedrungen; der Nordabhang wird uon den Kelten eingenommen, welcht bis nach Oberilalien vordrangen, als Vello-uesns, uon sieben gallischen Klans gefolgt, das ^and eroberte und Mailand gründete. Auch trifft man im Engadin Familiennamen keltischen Ursprunges an, und die Namen mchrer Berge: des Inlier, des Adnla, des ^nr-magnns oder Vnt lnanicrs, deuten Päsfc al,, ivo der tellische Wanderer Znl, dein (>wttc der Sonne, opferte. Die Einwanderung der <5lrwMv von der Südseite ist noch wMscheinlicher. Dnrch die allmäli-gen Einfälle der nordischen Barbaren verlrieben, flüchteten sie sich in diese Hochthäler nnter Anführnng eines Häuptlings ^la-mens Nhätns, daher der Name Rhätia, welchen im Mitlel-alter der jetzige Kanton Graubünden trng. ^hnfi') im ^om-leschgcthale (vnI1i8 60M63tk-ll), die drei Forts von Reams (Mlt'c-tia umi)N!), Nealta (Illullltia lUtn) uud ^l'häzuiis (1il,:u>tii, im.i) sind ans dem lateinischen abgeleitete ^enennnngen. Die meisten Städte nnd Dörfer längs des Inn, der Ädigc (Etsch) nnd der Adda tragen noch Namen, welche rins sind mil denen der Städte Umbriens, Vatiums nnd Kampaniens; so greifen in unsern 5ageu allmälig sämmtliche Namen europäischer Städte Versammlung der schnieiz. naturforschenden Gesellschaft. ^) auf der Karte der Vereinigten Staaten vou Zcordamerika Platz. Gin Satz von Plinins ist es, welcher den unwidcrleglichsten Anspruch dieser Urbevölkerungen auf lateinischen Adel bildet. Plinius, geboren zu Como uud während des Sommers an den Uferu des Sees die Villa bewohnend, welche seinen Nameu trägt, folglich dem ,^ande benachbart, von dem er redet, sagt: „Vettones, Cernetani, Laviiüi. Oenotrii, Sentinates, Suillates simt populi de regioiiü Unibria quos Tusci debellarunt." Wie sollte man in diesen Beueunuitgcu nicht die Namen enga-dinischer Dörfer! Fetta», ^crnetz, ^avin, Nandcrs, Sent und Scnol erkennend Welche Civilisationselemente die Etruster diesen (Gebirgen ^igefiihrt haben, möchte schwer zu ermitteln sein, die Kultur der Terrassenfeldcr jedoch kann als ein Rest der Ackerbaugewohnhciten Toskanas betrachtet werden. Vierhundert Jahre lang gehöttcn diese Völkerschaften znm römischen Reiche. Die lateinische Sprache mnßle nothwendig das Uebergewicht unter Mensche» erlange», die sich bereits im Besitze eines demselben Stamme entsprossenen Idioms befanden, doch war es das Voltslatein (Im^ua i-omana, i-uktw-»), welches, den Sieg davontrug. /n8 Harncsnu-rum, und der der Familie Saraz, einer der vornehmsten in Pontresiua, zeigt uicht weuiger deutlich den Ursprung derselben an. Die deutschen Kaiser aus dem Geschlecht der Hoheustaufcu gründeten anf dem Septimer und dem Lnkinanicr Hospize zur Aufnahme der Reisenden. Diese beiden Pässe sind in der That - der leichteste und direkteste Uebergang aus Westdeutschland nach Italien. Wenn die Hospize des ! l. Jahrhunderts dnrch den Schienenweg, der die Alpen durchschneiden soll, ersetzt sein werden, so ist es einer von diesen beiden Bergen, der von einem geraderen, weniger langen und weniger kostspieligen Tnnnel durchstochen sein wird als derjenige ist, welcher das ungeheure Massiv des St. Gotthards anschneiden würde. Möchte er nie als Durchgang für die Armeen dienen, welche so oft in den rhätischen Alpen anf einander gestoßen sind. Ucberall erinnern zerstörte Forts und Spuren ehemaliger Schanzen au die Kriege Frankreichs, Oestreichs und Spaniens. Den 1.8. Inli 1020 wurden sämmtliche Protestanten des Vcltlins ohne Unterschied des Alters oder Geschlechtes von den Katholiken niedergemetzelt. Die Spanier besetzten das Land, allein der Herzog von Nohan, Vm'a'mnlunn d^'r schnitz, natilrforsch^nden Gesellschaft. 57 an der Spitze »inn- französischen Armee znm Engadin hereinbrechend, vertrieb sie im ^ahre 1628, und man kann noch über dem Bormio ans der !>c!iw apo d'Iftria, Peter Paul Vcrgerio, vou Italien abgeschickt, um Luther zum taiholischcu Glaubeu zurückzuführen, bekehrt sich selbst zum Protestantismus. Er flüchtet uach dem Engadiu und übersetzt dort Luther's, Erasmus' und Zwiugli's Werke ins Italienische. Seit 1550 war eine Druckerei zu Poschiavo am südlichen Fuße des Vernina von einem andern Italiener Delfino Landolfi gegründet worden. Die Werke des Reformators werden anf dem Wege des Drucks vervielfältigt nnd masfeuwcis in Italien verbreitet. Vcrgcrio, nach Deutschland berufru, stirbt als Kauzler der Universität Tübingen. Im Jahre 1755 koustruirt ein Martin Planta von Süß im Nnter-cngadin eine elektrische mit einer Glasscheibe versehene Maschine, 5)8 Versammlung der schweiz. naturforschenden Gesellschaft. und im Jahre 1765, vier Jahre ehe Watt sein Patent nahm, unterbreitet er König Ludwig XV. den Plan einer Dampfmaschine, fähig, Böte und Wagen fortzubewegen. Die zur Prüfung seines Projekts ernannten Kommissare erklärten es für unausführbar. Diese Verurthcilung raubte Martin Planta den Nuhm, die Ideen Papin's angewandt nnd das größte Problem der heutigen Mechanik gelöst zn haben. Ich übergehe auswärts unbekannte, in ihrem Vatcrlanoe aber hochgeehrte Namen, bescheidene Berühmtheiten, welche fern von der Welt gleich den Blumen der Alpcngipfel blühen; doch mich ich es Herrn von Planta danten, den Mann genannt zn haben, der mein Lehrer war, Laurent Viett von Scanfs, Arzt am Hospital Saint-Lonis, wo er bedeutend zur Kenntniß und Behandlung der Hautkrankheiten beitrug. Jung schon im Jahre 1840 zn Paris gestorben, hat dieser Arzt nntcr seinen Zöglingen, Freunden nnd Patienten Erinnerungen hinterlassen, welche ihn noch lange überleben werden. Diese Ncdc des Präsidenten eröffnete die Sitzung. Nach ihm stattete Professor Sluder von Bern einen Bericht über die Arbeiten der mit der geologische» Karte der Schweiz belranten Kommission ab. Schon verdankt das wissenschaftliche Publikum eiue ausgezeichnete Karte dieses Landes den Herren Stnder und Escher vou der Linth, allein die Kleinheit des Maßstabes, in dem sie ausgeführt ist, gestattete nicht, die Unterabtheilungen der hauptsächlichsten Gebirge darauf anzudeuten. Die Bundesregierung hat demnach die Mittel zn einer geologischen Auf-uahme im Maßstabe von 1 : 100,000 bewilligt; es sind dies die bewuuderungswürdigcu Blätter, welche unter Leitung des Generals Dufonr erscheinen. Dank der Unterstützung der Cen-tralregierung und dem Eifer zahlreicher über die Schweiz verstreuter Geologen wird dieses Land mit geringen Kosten mit einer ausgezeichneten Karte beschenkt werden, die gleich nützlich Versammlung dcr ichwoiz. naturforscbend!?n bi^Vllschaft. ',!» für die belehrten wie für die gebildeten Reisenden ist, welche dieses schöne Land alljährlich besnchen. Nnn legte Herr Niousson, Professor der Physit' an der Universität Zürich, Rechenschaft uon den Resultaten ab, welche durch die meteorologische Kommission gewonnen waren, die ein gesetzt ist, die Schweif mit einem Netz uon Observatorien zu bedecken, anf denen man täglich die Temperatur und ^euchlig-leit der Luft, den atmosphärischen Druck, die Richtung deo Win des und die Menge dev gefallenen Regens oder Schnees notirt. Kein Vnnd bietet fich beffcr als die Schweiz zn Beobachtungen dieser Art dar. Das gauze Centralmassiv der Alpen umfafsend, nimmt die Schweiz im Kanton Tefsin au deu sanftesten Kliinaten des nördlichen Italien uud durch seine nördlichen Kantone an dem von Süddcutschland Theil; im Westen grenzt sie an die ^rauche-Comtü, im Osten an das Tvrolergebirge, und das Klima des an der Nhone gelegenen (^enfs hat gciucinsame Züge mit dem des Südens uon '^rantreich. Ein noch größerer Vortheil, worin tcin anderes ^aud mit ihr wetteifern kann, ist, daß die Schweif die höchsten (Gebirge Europas in sich schließt und, Dank dem Eifer seiner Einwohner, die höchsten meteorologischen Stationen unsers Kontinents besitzt. Die l^'esaminlzahl der Stationen beträgt achlundachlzig, unlev deueu mau vier zwischeu !^<»<> uud 2<>l>l» Vieler, vier zwischen 2M0 und 2200, zwei zwischen 2200 nnd 2400 und eine in 2474 Meter Höhe über dem Meere MM, nämlich die des Hospiz auf dem St. Beruhard. Einige von diesen Stationen sind solche erster Klasse; es sind die Observatorien vou Bel u, Genf, NcufclMel uud Zürich; die übrigcu werden freiwillig von Männern bedient, welche keine andere Belohnung dafür ernten als das befühl, der Wissenschaft und ihrem Vande nützlich zu sein. Es ist mertu'ürdig zn sehe», welches Kontingent die verschiedenen Klassen der Gesellschaft dieser kleinen Phalanx Freiwilliger gestellt haben, die sich vcr- 60 Versammlung der sckweii. naturforschenden Gesellschaft. biudlich machen, dreimal des Tages die ihnen anvcrtranken Iustrnmcnte zu beobachten. Es befinden sich unter diesen freiwilligen Meteorologen zuvorderst sechzehn Pfarrer (katholische nnd protestantische), dreizehn Professoren, dreizehn Rettoren, sechs Nervte, fünf Pharmazeuten, zehn Gastwirthe nnd sechzehn Personen ans verschiedenen Berufszweigen - fünf Klöster nnd vier Observatorien leihen ihnen wirksame Unterstützung. Fügen wir znr Belehrung der Länder, welche kein meteorologisches Netz besitzen, hinzn, daß 20,200 Francs sämmtliche Kosten für die Einrichtung der achtundachtzig Stationen gedeckt haben. Hierauf nahm Profefsor Vogt das Wort, nm die Ergebnisse seiner Forschungen über den Menschen, seine» Nnng in der Schöpfung und seine Nolle in der (beschichte der Erde darzulegen. In Höhlen sind menschliche Schädel vermischt mit Knochen verschiedener Arten von Elephanten (kiepn«» i„-imi. 86MU8), von Nhinozcrossen « til-noi-Iiinu«) nnd von Bären !? Versmniiilu»^ dl'v schilN'i;, inüuvfovsch^iid^ii Grscllschlift. das Thal uud das hübsche DorfPontresina, dessen Fenster von prächtigen «Geranien, Pelargonien und Petunien strotzten. Darauf an einer alten mit Lärchen bedeckten Moräne hinziehend, langten wir beim Fuße der Eudböschung des «Gletschers an. Von den Spitzen des Bernina herabgetommen, verführt dieser Metscher nngehenre vom (Gebirge losgelöste Felsblöcke; einige, am äußerste» Ende angelangt, rollen von der Höhe dieses Eiswalles herab und fallen in das Bett des vom Schmelzen des Gletschers gespeisten Baches. Mehre französische und italienische Gelehrte haben neuerdings die Meinung geäußert, daß die Seen des südlichen Alpcnrückens, der Maggiore-, Lugano-, Eomo-, Iseo- und Oarda-See, durch die ungeheuern Gletscher ausgc-tieft worden wären, welche in einer bezüglich neuern geologischen Epoche in die Ebenen Italiens herabgestiegen sind. Die Wirkung dieser riesigen Gletscher, von denen die, welche wir sehen, noch Neste sind, ist eins mit der der gegenwärtigen Gletscher, nur der Maßstab der hervorgerufenen Wirkungen ist im Verhältniß zur Größe der Kräfte verringert. Wenn diese alteu Gletscher also Seen ausgctieft haben, so müssen die jetzigen Gletscher solche anch anstiefen. Nun ruht der Mortcrasch-glctscher au feinem äußersten Ende auf einer ebeueu Flüche von Kieseln, welche durch deu Bach, der, aufangs nnter dem Eise fließend, uuterhalb der Endböschnng zn Tage tritt, gerollt wnrden. Mehre Mitglieder bemerkten mit Herrn Desor, daß der Gletscher die Diluuialfläche nicht auslieft, die er doch fo leicht einschueideu tonnte. Er hält sich vielmehr über dieser Fläche, immer ist ein Zniischenraum zivischeu dem Eise uud den Kieseln vorhanden. Ja mehr, der (Gletscher geht selbst über die von der Höhe seiner Böschung in das Bett des Baches herabgefallenen Blöcke weg. Ein Gletscher dringt also nicht nach Art einer Pflugschar, welche deu Bodeu aufreißt und aufwühlt, in ein lockeres Gebirge, sondern er wirkt wie ein großer Polir- Versammlung d« schweiz. liatuisors6)enden Gesellschaft. ti^ stein, der es abflächt. Alle Beobachter sind von der Hori^ou-talität der Geröllmasseu betroffen worden, auf denen die Gletscher eine Zeit laug fortgerutscht sind; es sind, nm lins der Sprache der Ingenieure ^u bedienen, rcgnlirt e ^ l ä ch e n. Die Bergbeu'ohncr der deutscheu Schweif bezeichnen diese ehema-ligeu Glctschcrbetten mit einem besondern ^canicn, sie nennen sie Boden, (bleich den meisten Gletschern der Schweiz ift der von Vtortcratsch vorgerückt, die Bewohner von Pontresina schätzen sein Vorrücken seit etwa dreißig Jahren auf ein Kilometer. Im Jahre 18^4 sah mau zur Zeit, als der Gletscherbach stirg, aus der Wölbnug des Gletschers Bretter, Ueberrestc eiuer seit langem vom Eise verschlungenen nnd nunmehr wieder aufgedeckten Sennhütte, zum Vorschein kommen. Dokumente aus dem 15. und 16. Iahrhuudert zeigeu die Lage und die Grenzen der verschwuudcuen Alp oder Trift an. Während die Geologen die Grundlagen des Gletschers untersuchten, durchstreiften die Botaniker die Gehölze, mehre Zeichner hatten mit ihren Albums auf deu Knieen Posto gefaßt. Die jungcu Leute hatteu die helfen des linteu Ufers erklettert und waren auf dem Eise inmitteu des Labyrinths vou Blöcken, womit die Oberfläche bedeckt ist, vorgedrungen. Das Herannahen der Nacht rief sie auf das feste Land zurück, uud allmä-lig führten sämmtliche Wagen, abermals Poutresina durchschneidend, die Gelehrten und ihre Wirthe nach Samaden zurück, beide Theile gleich entzückt vou diesem schönen Anüflnge, auf dem der Verstand nud die Phautasie reichliche Befriedigung gefunden hattcu. Folgeudeu Tags theilte sich die Gesellschaft in Scllionen, welche sich besonders versammelten. Der Sektion für Zoologie präsidirtc Professor Siebold von München, desfen schöne Arbeiten über die Eingeweidewürmer und die Parthenogeuesis der gelehrten Welt bekannt sind. Die erste Mittheilung des Vor- s>4 Versammlung dcr schwci> naturforschcnden Gesollschaft. sitzenden knnpfte ail letztere Theorie an, dergemnst ilicht befruchtete Eier dennoch auskriechen lind lebende Mchtommen liefern können. Herr von Siebold hat einen vier ,^ahre alten Bienenstock beobachtet, welcher beständig eine bedentende Menge von Hermaphroditen lieferte. Diese unglücklichen Geschöpfe wnrdcu sofort von den Arbeiterinnen gelüdlet lind hinausgcworfcu. Keins gleicht dein andern. Bald sind sie halb männlich, halb weiblich, der vordere Theil des Körpers ist der einer Drohne, der hintere der einer Arbeiterin. Zuweilen verhält es sich umgekehrt, das Vordertheil ist weiblich, das Hintertbeil männlich. In andern Fällen ist der rechte Theil männlich, der linke weiblich; man bemerkt in dieser Beziehung alle nnr deutlichen Ver-tanschnngen, an einigen Bienen sind selbst die Ringe abwechselnd männlich und weiblich. Dieselbe Mannichfaltigtcit findet bei den ^ortpstanzungsorganm statt; diese Hermaphroditen haben bald den Stachel von Arbeiterinnen, bald die Geschlechtsorgane der Drohnen, bald alle beide zugleich. Oft bietet der Hermaphrodit, während er außen rechts männlich und lints weiblich ist, innen eine nmgetehrte Anordnung dar. Mit einem Wort, man mag sich alle nnr möglichen Verbindungen äußerer oder innerer Geschlechtlicht'eit vorstellen, mau findet sie alle in diesen abnormen Bienen verwirklicht. Nnr Eins ist beständig , daß diese Hermaphroditen nämlich keine Eier wie die gewöhnlichen Arbeiterinnen enthalten. Hier die Erklärung dieser Anomalien. Bekanntlich er;engt eine vollständige Befruchtung Arbeiterinnen, die weiter nichts als uufruchtbare Weibchen find, die Abwesenheit der Befruchtung bringt Männchen hervor. Die Hermaphroditen kommen ans Eiern, welche von Arbeiterinnen in die Zellen gelegt wnrden; wenn die Befruchtung aber au5 ^rnndcn, die man nicht tennt, unvollständig oder zn langsam vor sich geht, so entspringen Hermaphroditen daraus, wie die, von denen wir gesprochen haben. Es fand ^rsammllmg dl'v sclin'ci-, Nlüuvforsch^ndcil ^»^scllschast. sis) ^rsammllmg der sclin'ci-, Nlüuvforsch^ndcil ^»^scllschast. sis) eine Erörterung über diesen interessanten Gegenstand statt. Herr de ,nlippi führte Beispiele von Seidenwürmern an, welche auogetwchen sind, ohne befruchtet gewesen zu sein. Diese Beobachtungen stellte niail mit den iüngst über die Kühe von Herrn Thury von (^enf angeftelllen Beobachtungen zusamincn, welche ans den Beweis abfielen, das; diese Thiere, je nach dem tirade der Neife des Eies, Männchen und Weibchen erzeugen. Eo iväre also möglich, sie willkürlich Kühe oder Stiere zeugen zn lassen. Man begreift die ganze Bedeutung eines derartigen Resultates für die ,^andwirthschaft und hofft, das; die Experimente des Herrn Thun, in großem Maßstabe auf die Probe gestellt wcrdeu mögen. Herr Professor Fules Pmet, der allgemein geachtete Verfasser des besten und vollständigsten Lehrbuches über Paläontologie, das wir besitzen, redete darauf über die unter dem Namen ^Vmm«nit<^, ^oxncoi'li« und ^ueviocer^ bekannten eingerollten fossilen Muscheln. Cehr vollständige Handstücke haben ihn gelehrt, daß die Gattung ^oxocergL ans dem Verzeichnisse der topffüstigen Wcichthiere zu streichen ist. Die Gattung Oloi-c,'!>5 verdient trotz ihrer engen Verwandtschaft mit den Ammonohörnern beibehalten zn werden. Wir selbst hatten die Lektion für Zoologie mil einer wichtigen im ^ahre 1^2 von Herrn Eharles Nougct, Professor der Physiologie an der Universität Montpellier, gemachten Entdeckung ;u unterhalten. Man wnßte nicht, wie die Nerven endigen, welche in unsere Muskeln führen und ihnen die Befehle des Willens überbringen. Man sieht den Neru in den Muskel treten, ins Innere dringen und sich dort in immer feinere Zweige zertheilen; allein das Auge hatte, wiewohl mit dem Mikroskop bewaffnet, das Ende des Nervs selbst noch nicht bemerkt; man wußte also nicht, wie das bewegende Organ sich mit demjenigen, welches in Bewegung gesetzt wird, verbindet. Marlins, Hpitzbcvgcii:c N. 5 W Versammlung der schweif naturforschenden Gesellschaft. DaZ Sczirinesser ist bei dieser Art von Untersuchungen ein gefährliches Instrument, es zerstückelt, zerreißt und zerstört diese so feinen und garten Organismen. Vermöge scharfsinnig geleiteter Untersuchungen ist Herr Nongcl dahin gelangt, deutlich die Enden der Nerven in ganz dünnen nnd durchscheinenden Muskeln von Reptilien, darauf bei Sängcthieren, endlich beim Menschen zu gewahren. Die bewegenden Nerven dnrchbohren znerst die Hülle der Muskelfaser nnd breiten sich dann zu einer Art von Scheibe ans, welche sich über die Faser selbst ausdehnt. Diese Einrichtung erinnert au die scheibenartigeu Knöpfe, die man am Eude der Metalldrähte anbringt, womit man die Elektrizität auf die Haut leitet. Der ganze Mechanismus der Muskelzusammenziehung schließt also eng an die elektrischen Phänomene an, welche wir kennen. Eine Anzahl deutscher Anatomen hat seitdem die Richtigkeit der Beobachtnnge» des Herrn Rouget bestätigt, allem statt dem Urheber dieser Entdeckung die ihm schuldige Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, haben mehre derselben sie unter einer Form dargestellt, daft der irre geleitete Leser nicht zu unterscheiden weiß, ob ihnen oder dem französischen Gelehrten die Ehre dieser wissenschaftlichen Eroberung gebührt. Wir trugeu darauf cigcue Forschungen über die Luftwurzeln einiger Arten der Gattung .Iu88i:l0n, vor. Diese Pflanzen, ans Amerika und Asien stammend, sind Wasserpflanzen und ermuern au die Nachtterzen; sie haben gewöhnliche Wurzeln, die sich in den Schlamm senken, andere aber werden schwammig, füllen sich mit Lnft, halten sich senkrecht im Wasser und lassen anf der Oberfläche die Zweige schwimmen, an denen sie hängen, sonnt die Rolle der Schwimmblasen vertretend, welche sich furchtsame Schwimmer, die ihren Kräften nicht trauen, unter die Achselhöhlen binden. Bei andern Pflanzen, wie der Wasserkastanie (I'i'l^n nnt:m8), der ? der ^.läovi-lmcw v9 dcr Alpen die Gebirge sich i» einem unrnhigcn korallen- und muschelreichen Meere ablagerten, u'ährend im Süden schlammige Absätze auf den Grund der ruhigen (Gewässer eines stnrm-geschütztcn (Golfes sanken. Es entspann sich ein Streit über die Stellung einer Bildnng, die den Schweizer Geologen schon lange verzweifelt zu schaffen macht nnd der sie den Namen flusch gegeben haben. Die Versteinernngen fehlen oder find nicht zu erkennen. Herr Heer erklärt den Flysch nach Proben von Seealgen für tertiär, und Herr Stnder, der gewiegteste von Allen, wo es sich um die Alpen handelt, gclangt durch das Stndinm der Schichtungen zn demselben Ergebnisse. Bei Varese ist dieser Flysch von Kalkfelsen bedeckt, welche Ammoniten einschließen, die an gewisse Stufen der obern Kreide erinnern. Den italienischen Geologen ist die Ehre vorbehalten, diesen anscheinenden Widerspruch verschwinden zn lassen. Die Orographie hat ihre Sprache so gut wie jede andere Wissenschaft. Sie nennt mit den jurassischen Bauern El use eiue Schlucht, welche das Glied einer Bergkette perpendiknlür znr Nichtnng desselben schneidet und zwei parallele Thäler mit einander verbindet. Die Elnse ist die Wirknng eines Bruches, und nn ihren ^leilwänden sieht man den Rand der gebrochenen, übereinmider ^ui'ückM'tendcn Schichten, wobei die obern immer jünger» Gcbirgyarlen angehören als die untern. Diese Steilwände, znm Anbau nicht geeignet, sind im Allgemeinen mit Wald und Unterholz bedeckt. Wenn ein Bergbach die Eluse durchschneidet, so tieft das Wasser den engen Kanal ans, in den es sich meist in Kaskaden ans einem Thalein das andere stürzt. Unter dcr aus vorspringenden und gebrochenen Schichten gebildeten Wand bemerk! man alsdann eine zweite glatte, senkrechte nnd nur hie und da von breiten Furchen oder großen gerundeten Anshuhluna.cn onrchgrabene Wand. Diese unlere Wand ist das Werk des Wassers. Herr Desor hat das roma- 70 Versammlung der schweiz. naturforschenden Gesellschaft, nische Wort Rofla vorgeschlagen, um diejenigen Eluse» ^u be-zeichnen, deren Grund uon den l^rn'ässern tief ansgehüblt ist; es ist dies der Name, drn in Graubünden mehre Schluchten tragen, durch welche die ungestümen Bäche, deren Vereinignng den Rhein oberhalb der Stadt Ehnr bildet, sich quer hindnrch-stnrzen. Der Verfasser dieses Buches unterbreitete der Sektion zwei schöne Karten von dem Ufer des Mittelmeercs, welche uon nnsern Ingenienr-Hydrogravhen herrühren und den zwischen der Mündung des H(!rault und der Rhone liegenden Raum umfassen, Eine Reihe von Salzteichen rändert die Knste. Diese Brat-wasserseen werdeil vom Meere durch einen schmalen Ufer-wall getrennt, welcher aus Dünen besteht, deren Hohe 8 bis 10 Meter nicht überschreitet. Die gauze Küste ist kalkig, der Sand der Dünen aber kieselartig. Woher kann diese Kieselerde stammen? Wo sind die Felsen, welche sie hervorgebracht haben? Ihr Ursprung ist in den Alpen zu suchen. Als die ehemaligen Gletscher in die Thäler bis an die Ufer der Rhone zwischen ^uon und Vienne, weiiiger tief aber in die südlichen Thäler hinabstiegen, haben sie sämmtliche Trümmer, Blöcke, Kiesel und den Sand, den sie ans ihrem Rücken sorttrngen oder in ihrem Schoße mit sich führten, daselbst gelassen. Als diese Metscher schmolzen und zuriicknnchen, wurden alle diese angehäuften Trümmer von den ans dieser nngeheueru Schmelze hervorgehenden Gewässern nach dem Meere fortgerissen. Die bröckligen Gesteine, die weichen Kalke, die Sandsteine wurden, bevor sie an den Ausgang der Thäler gelangten, dnrch die Reibung in Staub verwandelt. Die harten Felsen aber nnd namentlich die Kieselfelscn, die Onarzite gelangten unter der 5vorm gerundeter Kiesel in die Rhone-Ebene; dort bildeten sie > große Mchen, deren ausgedehnteste nnd berühmteste die (5ran ist. Diese Kiesel blieben nicht am Mceresufer liegen, sie über- Versammlung der sHweiz. naturforschenden Gesellschaft. ? 1 schritte,i das Gestade. Seit dieser Zeit siild lausende von Jahren verflösse», diese Diesel, von der ^lul geschaukelt, schliffen sich gegenseitig ab und nahinen die (Gestalt abgeplatteter Strand-stcine an. Der ans dieser Abschleifnng hervorgehende Sand aber hat die Dünen gebildet, welche wir vor nns sehen. Die den Sand erzeugende» Kiesel sind nichl gan; vom Strande ver-schwnnden. An der ganzen Küste von Montpellier findet man sie mil den Muscheln vermischt, anch besteht der Dünensand an5 eliva '75 Prozent Kieselerde nnd ans 2i> Prozent Kaltstein, welcher größtenteils von den Muscheln herrührt, die die Mut am «"estade zerreibt. So knüpft sich ans der Oberfläche des Erdballs Alles eins an das andere an, nnd die Dünen der Ufer von Langnedoc. verdanken ihren Ursprung den znvor von den ehemaligen Gletscher» der proveiMlischen Alpen in den Thälern aufgehäuften Trümmern. Die schweizerische Gesellschaft Hal während der Sitzung vom Jahre 18K3 noch viele andere belangreiche Mittheilungen erhalten, unter denen ich die der Herren Omboni von Mailand, Strobe! von Pavia und Mosch von Aaran erwähnen muß. Herr Professor Theobald oon Ohur, ein eben so unerschrockener Bergbesteiger als guter Geologe, hat fich namentlich dem Studium der mächtigeu Massive des Kantons Grnnbünden gewidmet, Oiener des Evangeliums, hat er gleich dem Abte Stop-ua»i die Rheologie mit der Geologie venauschl, und wenn Beiden bei diesem neuen Studium gleich wie beim ersten Zweifel aufstoßen, so haben sie wenigstens den Trost, dieselben durch unmittelbare Beobachtung der Natur prüfen zn können. Ihre Arbeiten tragen zum fortschritt einer Nissenschaft bei, welche noch vor dreißig Jahren denselben Irrnngen folgte, wie diejenige, welche sie aufgabeu, denn die Geologie ist kaum aus jener An-fangsperiode herausgetreten, in der voreilige Gemeinbehauptun-geu das aufrichtige und geduldige Studium der Thatsachen er- 72 Versammlung dcr sclin'^. natlivforschcn^'ii l^sellschiift, setzen, einer dürren aber unvermeidlichen Periods den» es giebt keine menschliche Wissenschaft, die sie nicht durchgemacht hätte. Die heutige (Geologie besteht in der methodischen Uiitersnchnng der Schichten des Erdballs nnd der Wesen, deren Ueberreste sie einschliefen, in der Analyse der Erscheinungen, welche gegen^ nmrtig ans der Erdoberfläche vor sich gehen, nnd in der Ver-ssleichung der Wirkungen, welche sie hervorrufen, mit denjenigen, deren Spuren wir in den verschiedenen Formationen erblicken, Früher hatte jeder Geologe sein eigenes System, welches ans den gesammten Erdball angewandt wnrde, ja sich ^iiweilen selbst ans den Mond erstreckte; heutzutage hat Niemand ein System, sondern Jeder stndirt sein i^and oder eine bestimmte Gegend. Die allgemeinen Thatsachen ergeben sich gan^ natür-lich aus diesen Sonderarbeiten, nnd wenn die Welt gnt gekannt, die jetzigen Phänomene gnt gewürdigt sein werden, dann wird auch die Geologie fertig sein. Die Sitzungen der Sektion für Physik nnd Ehemic waren nicht minder interessant als die der andern. Herr Dnfonr von Lansanne sprach über einen zu ElarenZ an den Ufern des Genfer Sees gefallenen Blitzschlag, stocke getroffen hat. Mehre Mitglieder erinnerten an ähnliche Thatsachen. Herr Professor Elausiuo erläuterte den zweiten Grundsatz der mechanischen Theorie der Wärme, nnd Herr Adolph von Planta handelte über die chemische Mischnng mehrer Mineralwasser des Kantons Graubnnden. Denselben Abend be^ suchte die Gesellschaft eine der merkwürdigsten dieser Quellen. Die Verwaltung der Ctahlbäder von Sankt Moritz halle sie eingeladen, sich mit der medizinischen Sektion zn vereinigen, nm die Anstalt in a-llen ihren Einzelheiten zn prüfen. Eine Ia»ge Reihe von Wagen rollte sich wie eine Schlange anf dem Wege ab, welcher sich am Fnsze der Verge zwischen Snmaden nnd Celerina hinzieht; alsbald erreichte sie Sankt Moritz, darauf Versammlung der schmelz, naturforschenden Gesellschaft. 7.» das Bad, welches mitten im Thalc zwischen den Seen von Silz und Sankt Äloritz liegt. Dort erheben sich weitläufige Gebäude, die schon nicht mehr hinreichen, die große Zahl der Gäste, welche diesem (^ejuudbrunnen zuströmeu, zu fassen. Neue Gebäude schließen sich den alten an, nud in dem Dorfe Sankt Moritz vermehren sich die l^astlwfe jedes Jahr. Diese Wasser sind kalt, klar, gerlichlos und haben einen prickelnden und adstringireuden (Geschmack; sie einhalten kohlensaure und alkalisch schwefelsaure Salze, überdies noch kohlensaures Eisen, sind also wesentlich tonisch uud sagen schwachen oder entkräfteten Konstitutionen ganz besonders zu. Die Eiu^ wirkuug der ^uft kommt zu der de5 Wassers hiuzu, und lein Arzt wird sich darüber wundern, wenn wir sagen, daß man die glückliche Wirkung dieses doppelten Einflusses festgestellt hat. Das stahlhaltige Wasser giebt dem Blute jeueu Eisengehalt wieder, ohne den es die Organe nicht zn beleben vermag, und die Luft so gut wie das Wasser trageu, iudem sie die Verdau-nugskmftc stärkcu, zur allgemeinen Wiederherstellung einer;ar ten oder zerrütteten Konstnulion bei. Das Mahl, welches uus in dem großen Badesaale vereinte, war ein Taufmahl. Der große Chemiker und Arzt Paracelsus, geboreu zu Ei»siedcln im Kanton Schwyz im Jahre 149!,, ist der Erste, welcher die Bäder von Sanlt Moritz erkannt nud gepriesen hat. 'Ans die Einladnng des Herrn von Planla war die schweizerische Gesellschaft bereit, Pathenstelle bei einer dcr drei Quellen zu vertreten. Indem sie ihr den Namen Para-celsns gab, brachte die Gesellschaft einem der bedeutendsten Männer, einer der größten Gestalten des alten Helvetien, ihre Huldigung dar. Paracelsus, der Reformator der chemische» und medizinischen Wissenschaften, der Erste, welcher sich wider den Schichopf erhob, nm die Aerzte znm Slndiren und zur Beobachtung der Natur ^urnck^nführen, war einer derartigen Hul ?4 Versammllmss dl?r schivciz. initilrforschenden Gesellschaft. digung würdig. Die wohlthätige Quelle, welche er der leidenden Menschheit enthüllt hat, wird seinen Namen für immer bei allen denen in gesegnetem Andenken erhalten, welche derselben ihre Gesundheit verdanken, Ein solches Denkmal ist dauerhafter als die Marmor- nnd Bronzestatnen, welche so vielen berühmten Unbekannten errichtet werden, deren Andenken das menschliche Geschlecht genüßlich nicht bewahren wird. Nach dem Festmahle begab man sich, den Ufern des Sees von Sankt Moritz folgend, nach einem Bauerhofe, welcher sich auf einer von Gehölz nmgebenen Wiese erhebt, ('höre von jungen beuten nils dem Thale begrüßten die Gesellschaft mit ihren harmonischen Gesängen, und Abends langte man in Gruppen, die der Zufall oder die Wahlverwandtschaften ihrer gemeinsamen Studien gebildet hatten, durch den Wald wieder bei den gastlichen Behausungen Samadens und Celerinas an. Der folgende Tag war der letzte dieser Sitzung, zu kurz nach Wunsch nnd Sinn der Gelehrten, welche gern noch ihre Kollegen gehört oder ihnen das Nesultat ihrer begonnenen Arbeiten mitgetheilt hätten, welche die Diskussion oft mit so unerwarteten Schlaglichtern beleuchtet; die Einwohner Samadens aber, besorgt, den kästen alle Schönheiten ihres Thales zu zeigen, hatten die Pferde angeschirrt. Die Wagen setzten sich wie am Tage vorher in Bewegung, um den Inn entlang nach den Grenzen des Unterengadins hinabzuziehen. Die Dörfer waren alle mit sahnen nnd Laubwerk verziert, Inschriften zeng-ten von der Freude der zur Begrüßung bescheidener Naturforscher herbcigeeilten Bevölkerung. Ueber dem Triumphbogeu von Sutz war als Schildwacht ein in der Nähe erlegter brauner Bär angebracht. Zu Capella, dein letzten Weiler im Ober-engadin, hatte ein bedeutender Landwirth, an diesem Tage unser Wirth, folgenden Spruch über sei» Hans gesetzt, dem die Gesellschaft nicht.anders als beipflichten tonnte: „Die Natur Versammlung der schweiz. naturforschenden Gesellschaft. 7s, ist das Buch der Weisheit." Dir gesamiiue Bevüllcrnng der Umgegend war versammelt, vom Ober- und Untereugadiu umr sie herbeigeeilt, um diesem Feste der Wissenschaft beizuwohnen; um die auf der Wiese aufgestellten Tische bewegten sich die Damen, und eine Menge improvisirter Reden feierte abwechselnd das Stndinm der Natur, die Freiheit, die Schweiz, Italien und die Verbrüderung der Wissenschaft und der Arbeit. Die Sitzung war geschlossen, und folgenden Tags überschritten die Einen den Iulier oder den Albnla, um uach der Schweiz zurückzukehren, Anoerc überstiegen die Pässe des Bcr-mna uud des Maloya uud wanderten zum Comer See hinab. Der Kontrast zwischen den ernsten Dürfern des kallen Engadin und den zierlichen italienischen Villas, umgeben von immer grü nen Eichen, Oliven, Orangen, Oleandern lind mexikanischen Aloes, ist einer der ergreifendsten, die es in der Welt giebt. An den Ufern der italienischen Seen rufen die Alpen die Nirkuug eines ungeheuren Spaliers hervor, welches die frostigen Gewächse vor den Nordwinden schützt; überdies mildern die tiefen Keivüfser des Maggiorc, des Lngano-, Eomo-, Iseo- und Garda-Secs, wahre Wärmeresevoirs, noch die Strenge des Winters. Daher ein Ausnahmeklima für diese Vrcile, wie das von Hyiircs und der ganzen ligurischen Küste von Nizza bis Pisa. Ein Ncisender, der, vom nördlichen Norwegen ausgehend, zu Fondi im Königreich Neapel anlangte, wo man die ersten Orangen in der Ebene und ohne Schutz wachfen sieht, würde weniger überrascht sein, weil der Uebergaug, ohue stärker zn sein, langsamer uud maßiger ist. Die berühmten Chemiker Liebig von München und Wähler von (Mtiilgcii bcfaudeu sich ;u ^ngano, eine große Zahl von ^elehrreu kam, sie zu begrüßen, und ein nachträglicher kleiner Kongreß beschloß und vervollständigte den Kon grcß von Samaden. 7l) Arbeiten der schweiz. naturforschenden Gesellschaft. Arbeiten der schweizerischen natnrforschenden Gesellschaft. Meine Aufgabe ist noch nicht beendigt. Sollte ich auch von dein ermüdete!! ^rscr verlassen werden, so muß ich doch die von den Mitgliedern der schweizerischen natnrforschcnden Gesellschaft veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten bekannt machen. Ich kann an keine detaillirte Analyse denken, sondern werde mich anf einen allgemeinen Ueberblick beschränken. Die Publk kationeu der Gesellschaft begannen im Jahre 1817. Professor Meißner von Bern ließ einen Jahresbericht erscheinen, welcher sninmarische Rechenschaft von den während der Sitzungen gemachten Mittheilungen ablegte. Dieser Jahresbericht stockte im Jahre 1843. Die „Denkschriften der schweizerischen naturforschendcn Gesellschaft" datiren von 182!); sie bilden jetzt zwanzig Bände in Quart mit zahlreichen Tafclu lind einer Anzahl Karten. In dieser Sammlung herrscht die Geologie und namentlich die Geologie der Schweiz vor. Das Massiv des St. Gotthard bildet den Gegenstand der in den ersten bänden enthaltenen Untersuchungen; dieselben rühren von den Herren Vnsser nnd Lardy her. Alle Veide haben sich befleißigt, diese Gebirgsgruvpe, welche den Mittelpunkt oder Knoten der helvetischen Alpen zu bildeu scheint, zu untersuchen. Diese Arbeiten haben einen wichtigen Umstand, der sich seitdem verallgemeinert hat, anßer Zweifel gesetzt! den fächerförmigen Bau der großen Alvenmasscn nämlich. Ich will mich deutlicher erklären. Der Neiseudc, welcher vou Italien zurückkehrt, um den St. Gotthard zn überschreiten, bemerkt von Airolo ab am südlicheu Fuße des Passes, daß die Gueiß- und Schiefcrschichten, welche denselben bilden, sich sozusagen iu die Seiten des Berges einkeilen nnd folglich nach Norden senken; je höher er steigt, desto höher scheinen die Schichten sich anfzn-richten nnd wenn er den Gipfel erreicht, sind sie vertikal und Arbeiten der schweif natursorschenden Gesellschaft. 77 seilten sich nicht mehr, weder nach Norden noch nach Süden. Indem er am Nordalihang wieder hinabsteigt, tonstatirt derselbe Reisende, daß die Schichten sich mehr nnd mehr neigen, die Neigung findet aber gerade in entgegengesetzter Nichtnng als am Südabhange statt- sie senken sich nach Süden nnd richten sich nach Norden anf. Der Berg bietet also den Van eines Fächers dar. Die riesige Kraft, welche ihn seitlich zusammengepreßt, hat Wirknngcn hervorgerufen, die anch für das unachtsamste Auge ersichtlich sind. Welchem Reisenden wäre nicht die Windung der Schichten des Arenbcrgs Flüclen gegenüber aufgefallen? Nur wenige Reisende auf dem Verdeck des Dampfbootes, welches zwischen Flüelen und ^n^ern fährt, mögen die gekrümmten Schichten unbemerkt gelassen haben, welche Bcrol-dingen beherrschen, oder am Seclisbcrg über der berühmten Grütli-wiese, der Wiege der helvetischen Freiheit, hervortreten. Die nördlichen Platten des St. Gotthard haben beim Umkippen diese Kalk-schichten zurückgedrängt. Unter diesem ungeheuern Drucke haben sie sich wie weicher Thon gewunden und gefaltet. Achnliche Windungen sieht man oft in der Nähe der (^entralalpen, denn der St. Gotthard ist nicht das einzige Massiv, welches den fächerförmigen Van darbietet. Die Grimscl, wo die Aar entspringt, der Galenstock über dem Rhouegletscher, das zwischen beiden gelegene Gclmerhorn, der Montblanc selbst sind mehr oder minder deutliche Belege dafür, uud dieser Bau ist wahrscheinlich alleu gemein, welche mit dem St. Gotthard in Verbindung stehen. Die Beschreibung der Gebirgsgruppc des Davos von Herrn Studer nnd die Untersuchungen der Herren Eschcr von der ^iulh uud Theobald über Graubündcn uud Vorarlberg knüpfen an die des St. Gotthard an; diese beschreibenden Arbeiteil aber lassen sich nicht analysiren und haben nur für die Gelehrten von Fach Interesse. 78 Arbeiten der schweiz. naturforschenden Gesellschaft. I»i einem Aufsahe des Herrn Rntimeyer über die Geologie der nördlichen Ufer des Thiincr Sees findet man ein schönes Modell jener geologischen Landschaften, wozu uns die Engländer zuerst das Beispiel gegeben haben. Wenn es sich um eine beschränkte (legend handelt statt um eine Karte oder um Durchschnitte, so führt mau dem Leser eine Landschaft, eine geologisch kolorirte Ansicht des Landes, d. h. eine solche vor, wo die verschiedenen Gebirge mit gewissen konventionellen Tiuten bezeichnet sind. Mit dieser geologischen Landschaft iu der Hand taun sich Jedermann der Natur gegenüber zurechtfinden und die Grenzen der Formationen wiedererkennen. In dieser Weise bietet uns Herr Nütimeyer die Ansicht der Ufer des Thuucr Sees nnd der Gebirge dar, welche ihn zwischen Nalligen und Mcrliugen beherrschen. Durch geeignete Mrben zeigt er nns, daß die Hügel unmittelbar über dein Thurm vou Ralligeu ans Molasse nnd Nagclfluh bestehen; Sandsteine nehmen dcu mittlern Theil des Gebirges ein, nnd die Spitzen gehören dem Nümmnlitischen Gestein an. Die Thäler sind in das Kreide-gebirge gegraben. Ein mit Necht berühmter Geologe, Leopold von Vnch, hatte im Jahre !l827 die rothen Porphyre in der Umgegend von Lugano beschrieben. Die schwarzen Porphyre derselben Gegend nannte er Mclaphyre. Die Porphyre sind in den Angen aller Geologen vulkanische, allein durch das Fener hervorgebrachte Gesteine, gleich den vulkanischen Gesteinen des Vesuv oder des Aetna. Diese Ernptivgesteinc finden sich an den Ufern des Luganer Sees am Fuße eines mit einer Kapelle gekrönten Berges; es ist der Salvadore. Derselbe besteht aus Dolomit oder Kalk, welcher Magnesia enthält. Jenem über-lricbencu Generalisiruugsgeiste nachgebend, welcher ein charakteristisches Merkmal der Geologie der dreißig ersten Jahre unsers Jahrhunderts bildet, schloß Leopold von Buch daraus, daß Arbeiten der schwei-,. nawrsorsäienden Gesellschaft. Ill sämmtlich»,' Dolomite von der chemischen Einwirknng eines weißglühenden vnltanischen Gesteins anf gewöhnlichen Kalkstein oder kohlensauren Kalk herrührten. Diese Dolomitentheorie ward fozusagen anf Treu nnd Glauben hingenommen. Herr Brnnner, welcher die Untersuchung der Gegend wieder aufnahm, hat eine ;u leichtfertig gefaßte Ueberzeugung erschüttert; er hat nachgewiesen, daß sie sich selbst gegen die gewissenhafteste Prüfung der von Leopold von ^>uch betrachteten Oertlichkeit, als derjenigen, welche den nnwiderlcglichen Beweis für die Wahrheit einer unlängst noch in Gunst stehenden Theorie liefern sollte, nicht zu halten uermag. Von der Promenade von Bern au5 sieht man vor sich die Gruppe des Stockhorn, die Vorhnt der Alpen des Oberlandes uild der Gemmi. Auch von dieser hat Herr Brnnner eine Beschreibung geliefert, und er betrachtet den Berg als das Ergebniß eines langsamen seitlichen Druckes vom selbcu Ursprung wie derjenige, dessen Eindruck das Ccntralmassiu noch an sich trägt. In einem Aufsatze über die Tertiärmolasse der schweizer Ebene gelangt Herr Kaufmann von Lnzern zu denselben Schlüssen. Die Alpen bieten dem Geologen lrotz der bedeutenden Arbeiten, deren Gegenstand sie gewesen sind, noch eine Menge zn lösender Räthsel nnd ;u zerstreuender Unklarheiten dar. Nicht so verhält es sich mit dem Jura. Er ist die bestbclannlc Kette Europas. Dank der großen Zahl von Fossilien, welche er enthält, sind die Stnfen desselben leicht zu kennzeichnen, und der Name Jura wird in der ganzen Welt angewandt, nm gleichzeitige Formationen mit denen des Inra zn bezeichnen. Diese Kette ist ein Typus geworden. Die Formen des Reliefs, von Thnrmann, Greßlv, Dcsor nnd ihren Nach' folgern stndirt, bilden die Grundlage der heutigen Orographie. Der Jura ist das einzige Gcbirgssystcm, welches der Geologe .^0 Arl'^itcn d^'r schwri). imturforschcnden Gesellschaft. wie ein Taschentuch auseinanderfalten mid auf cine ebene fläche zurückführen kann. Ursprünglich sind alle diese (Gebirge horizontal in den Meeren abgelagert worden, n.w die zahlreichen Thiere lebten, deren Ucberrcste jetzt aufgerichtete, gewundene und verworfene schichten erfüllen. Welches ist die Ursache dieser Aufrichtungen? Hier treffen wir wieder die offenbare Einwirkung jenes seitlichen Druckes an, die wir in der Nähe des Sl. C'wtthnrd erkannt haben. Die Paralleltetten des Jura, deren Höhe sich in der Nichtnng von Osten nach Westen, oder der Schweiz nach Frankreich, vermindert, sind eine unmittelbare Wirknng des Erscheinens der Alpen. Die Alpen sind die große Woge, die Ketten des Inra die gekränsclten Wellen, welche auf eiucm ruhigen Gewässer enlftehen nnd fallen, je mehr sie sich von der Hauplwelle, deren abgeschwächtes Bild sie darbieten, entfernen. Die Paläontologie oder die Kunde von den fossilen organischen Körpern verdankt einen grossen Theil ihrer fortschritte dem sorgfälligen Studium der schichten des Jura. Dort hat Greßley, indem er ein nnd dieselbe Schicht ihrer ganzen Ans-dehnung nach verfolgte und die organische» Wesen, welche sie einschließt, Stück für Stück untersuchte, die verschiedenen Facies der erloschenen Faunen erkannt. Er hat gesehen, daß in derselben Schicht die Bevölkernngen je nach der Natur der im Schoße des geologischen Meeres gebildeten Ablagernngen wechselten. So bildete der von den Wafserlänfen dieser Epochen fortgeführte oder ails der zerstörenden Einwirkung der Wogen auf die Uferfelseu hervorgehende Schlamm Modergründe oder llferanschweinmnngen. In diesem Schlamme wohnten die freien Arten mit dünnen nnd gebrechlichen Schalen' die Scheide-, Klaff., Micß- nnd Tellmnscheln, die Ammontten nnd Seereptilien. Der sogenannte Oxfordthon ist der Typns dieser Art von Formation. Versnmmluug der schwei;. nnttirforschenden Gesellschaft. H^l Das Stille Meer bietet uns zahlreiche Belege einer von ersterer ganz verschiedenen Facies. Alle.Inseln der Sndsce und die Küsten Floridas sind von Niffcn umgeben, die ans an-gehänflen Thieren! Korallen oder Polypen, gebildet sind. dasselbe war in den geologischen Meeren der Fall; man erkennt diese ehemaligen Gestade an der großen Zahl von Polypen, Austern nnd Bohrmnscheln, womit sie eingefaßt sind. Andere Thiere von zarterem Ban! Serigel und Seelilicn, lebten mit den zweifchaligen inmitten dieses Haufens von Polypenstämmen, welche sie vor der Flm schützten; die Gesammtheit der Fauna bildet die korallinische Facies, welche eine Stufe der inrassischcu Gebirge charaktcrisirt. Der Korallenkalt' der Umgegend uon Neuchatel sowie der von St. Michel in der Vorraine sind Typen dieser Gebirge. Heute wie ehedem ist das hohe Meer die Wüste des Ozeans. Die Fischer und Zoologen wissen dies wohl, denn die Thiere sind dort selten nnd von geringer Mannichfaltigkeit. In den dort abgelagerten Schichten findet man nnr Neste von Korallen nnd schwammigen Polypen, Bclcmniten mid Ammonitcn; es ist die pclagische Faei es. So erkennt man, schloß Grcßlcy, in derselben znr selben Zeit abgelagerten geologischen Schicht die Ueberreste uon verschiedenen Bevölkerungen, je nachdem man die schlammigen, ko-rallinischen oder pelagischen Nfcrbczirke dieser Schicht durchgeht. Oft weichen diese verschiedenen Faunen mehr nntcr sich ab, als Faunen, welche unterschiedlichen Epochen entsprechen. Diese fruchtbare Idee ist auf die stratigraphischen Nittersuchuugcn in der ganzen Welt angewandt worden und hat die Vorstellungen der Geologen bedentcnd verändert. Man beschränkt sich nicht mehr darauf, die Gebirge vermittelst einiger Arten zu erkennen und ;u charaktensiren; mau bemüht sich, die Gesammtheit der Marlins, Spitzbergen :c. II. 6 83 Versmimilmlg dcr schw^iz. naturforschendeil Gcscllschnfl. gleichzeitigen Faunen jeder ^nst oder Salzwasserbildnng ^n umfassen. Die Geologie des Ziiva verdankt ferner viel den Arbeiten der Herren Merian, Agassi;, Desor, Pictct, Nenevier, Monsson, Greppin, deren Aufsätze ^von der schweizerischen Gesellschaft gesammelt nnd berausgegebcn sind. Herr 'Itenevier hnt die ?orw id vermischen sich in der llmgegend des ^ac du Bourget nild bei der groben .^arlhanse v»n Grenoble. Es giebt für die Orographie nichts Inleressanteres, als zu studireu, wie sie »lit einander verwachsen und wie die Formen der einen in die der andern übergehen. Die Arbeilen von Herrn Alphonse ^avre nber den Snlöve, seine geologische Karte des zwischen dem Genfer See nnd dem Montblanc liegenden Landes die Studien von Herrn Monsfon über die Umgegend von Aix in Savoycn werden zur Lösung dieser ^rage beitragen. Die französischen Geologen bleiben nicht unthätig. Herr Lory iu der Dauvhinü, die Herren Chamonfset, Vallet nnd Pillet in Savoycu erforschen niit nnermndlichem Gifer diese interessante Zone, uud Dank ihnen werden wir eineo Tages eine eben so klare uud einfache Orographie der Alpen N'ie die des Jura besitzcu. Das wird ein großer Schritt vorwärts, eine . bedcutcudc Anbahnung znm Verständnis; der Vildnngsweise der Bergketten sein, von der die alte Theorie der Hebungen nach der Vertikale beim gegenwärtigen Stande nnsercs Wissenü keine Rechenschaft zu gcbcu vermag. Die Physik des Erdballs ist die Einleitung zur (Geologie, lind dao Studium der jetzigen Phänomene enthüllt uns diejenigen, deren Spuren wir anf der Erdoberfläche bemerken. Ein Aufsatz von Venetz, im Jahre >.^>.> in den ersten Band der Sammlung eingerückt, handelt von den Temperaturuerändernn-gcu in den Schweizer Alpen. Der Verfasser, Brücken- und Wegebau^ Iugenienr des Wallis, erkannte zuerst, daß die Gletscher der Schweiz ehedem ausgedehnter wareu als heutzutage. Er überzeugte sich, daß sie früher bis in die wallisischen Thäler hinabgingen, von denen sie gegenwärtig uur den obern Theil einnehmen. Dieses Phänomen, anscheinend örtlich, ursprünglich anf das Nallis beschränkt, ist bald in der ganzen Schweiz, den Vogesen, Pyrenäen, deu Gebirgen Schottlands uud Skandinaviens, dem Kaukasus, dem Himalaya, im Norden und Süden Amerikas festgestellt worden. Die Erde hat also vor oder seit dem Erscheinen des Menschen eine Kälteperiodc durchgemacht, deren Ursachen noch aufzusuchen sind, deren Wirklichkeit aber nicht mehr bestritten nurd.''') Die Thier- und Pflauzcu-Paläontologie uimmt in den Abhandlungen der schweizerischen Gesellschaft einen bedeutenden Platz ein. Professor Heer von Zürich hat dariu die zahlreichen fossilen Insekten kennen gelehrt, deren zarte Eindrücke die Oeniuger Schichten an den Ufern des Koustanzcr Sees bewahrt haben. Bevor noch Herr Heer die ehemaligen helvetischen "Wälder, welche ein wärmeres Klima als das des Südeus von Europa offenbaren, wieder erstehen ließ, hatte er uus die Formen der Insekten enthüllt, welche zur Tertiärepochc in der Schweiz in den Wipfeln der Zimmet -, Feigcu -, Dattclbäumc ») Sichc dcn Artitcl iibcr die Schwchcr Glctscher, Bd I. ^cite 257. 6« 84 Vci'smumluns, der schwriz. naturforsch^nden Gesellschaft. und den exotischen Scholcngewächsen schwirrten; dir verwandten Arten dieser Bäume bewohnen gegenwärtig die intertrouischrn Zonen. Die Herren Gandin und Carlo Strozzi entdecke», die Schichten des Arnothalcs bei Florenz untersuchend, in demselben eine Flora, nielche der Teneriffas und der gemäßigten Zonen Nordamerikas analog ist. Das sind Beweise eines wärmeren, durch zahlreiche Lorbeerarteu charattcrisirten Klimas. Die Gletschercpoche der Alpen, die Temperatur Toskauas erniedrigend, hat sämmtliche für die Kälte empfindlichen Arten getödtrt, die kräftigern aber, welche die jetzige Vegetation des Landes bilden, verschont. Diese Arbeiten verknüpfen die lebende Flora eng mit den erloschenen Floren, welche ihr auf dem Erdball vorangegangen siud. Hinfort kanu man nicht über Pflanzengeographie sprechen, ohne sich mit den Gewächsen zu beschäftigen, welche in den Erdschichten vergraben sind. Herr Alvhonse de Cau-dolle schlägt deu Namen Epiontologie vor, nm eine neue Wissenschaft zu bezeichnen, welche die Paläontologie und die Geographie der organischen Wesen umfassen würde; sie würde die Geschichte ihres allmäligen Erscheinens zu den verschiedenen Epochen im Leben des Erdballs und die gegenwärtige Vertheilung derselben auf der Erdoberfläche bedeuten. Diese beiden Studien berühren sich nahe, da die Fauna und Flora, welche uns umgeben, sich eng an die verlorenen Faunen nnd Floren anschließen. Durch ihre Formen, durch ihren Bau sind viele Thiere und eine große Anzahl von Pflanzen wirklich fossile Thiere und Pflanzen. Diese Wesen haben die letzten Temperatur- nnd Fcuchtigkeitsverändcrungen, welche anf der Oberfläche des Erdballs Platz gegriffen, überlebt; ihr ganzer Organismus aber ist der der Gewächse und Thiere, welche vor der Mehrzahl derer, welche heutzutage leben, dagewesen sind. Das ist die sehr summarische Analyse des geologischen Theils der Memoiren der schweizerischen Gesellschaft; trotzdem genügt Versammlung dev schmeiß naNirforschcndl'n Gesellschaft. Hl", sir, um eine Vorstellung von der Menge lind Vedeulung der Arbeiten zu geben, n>elche sie enthalten. Der botanische Theil ist minder groß. Indeß ist die Schn>eiz eben. so reieh an Botanikern n>ie an (Geologen' allein die ^catur dieser Wissenschaft selbst eignet sich iveniger zu Ar-beilen, die anf eine engere ^erilichteil beschväntl sind. Eine ^otalflora ist nnr ein Stein, dev dein (^ebände der Oesamml-flora einer natiirlichen Ne^wn zussetragen nnrd, nnd ein ^and n,'ie die Schweif niöchte lroh der n!a>tiuchfallisien ^e^etation, ivelche es auszeichnet, doch nicht die Muße aller seiner Botaniker beschäftigen. Sie haben das ^eld ihrer Arbeiten über ihr Vaterland hinaus ansdelnien müssen. Nichtsdestoweniger fin-del man in den Menwiren der schweizerischen Gesellschaft eine Aufzählung der Schweizer Arlen des Geschlechts OiiÄum von Herrn Nägeli und ein Verzeichniß der (ükarll von Herru Alex-ailder Braun. Der erste dieser beiden Gelehrten hat eine große Arbeit über die Klassifikation der Algen und Herr Johann Müller eine Monographie der Nesedaceen gegeben. Im zoologischen Theile bemerkt man die Aufzählung dev Sängethiere, Vögel, Reptilien nnd fische der Schweiz von Herru Schin; nnd die der Land ^ nnd Flnßweichthiere uon Herrn de ^'barpeinier, Der unermüdliche Professor Heer von Zürich hat die lebenden >toleopteren der Schivei^ die Herren Mever, Dürr und de ln Harpe haben die Vepidopteren oder Schmetterlinge kennen gelehrt. Eine große, zugleich in die Zoologie nnd die Paläontologie einschlagende Arbeit kann ich nicht mit Stillschweigen übergehen, sie gehört einer Unterabtheiluug des menschlichen Wissens au, die ich mich versucht fühlen möchte die archä o logische Zoologie zu nennen. Es handelt sich um die Pfahlbauten der Schweiz. In dem so trockenen Winter von 1858 anf 1854 bemerkte man erst bei Meilen, an den Usern des Züricher Sees, 86 Versammlung dcr schweif naturforschendl,',, G^VIlsclMt. Pfähle, welche die Ebbe trocken gelegt hatte. Zwischen diesen Pfählen bemerkte man bald Ueberreste von Töpfergeschirr und alle Spuren sehr alter Wohnungen. Nachdem die Aufmerksamkeit einmal rege geworden war, fand es sich, daß überall die Anwohner der Cceufer und namentlich die Schiffer die Erinnerung an ähnliche Anzeichen bewahrt hatten. Pfahlbauten wurden angezeigt auf deu Seeu von Ncuchätcl, Viel, Murten, Sempach, Genf, Konstanz u. s. w. Später erkannte man, daß auf gewissen dieser Stationen die Pfähle weiter nichts als kaum bchnueue Baumstämme waren, die zwischen aufgehäuften dicken Steinen eingerammt find, welche auf dein (Grunde des Wassers kleine Hügel bildeten, denen die Fischer im Schweizer Patois den Namen wuovimc^, im deutschen Steinberge gaben. Zwischen diesen Pfähleil findet man grobes Geschirr und Aexte aus hartem Stein: Quarzit, Diorit, Serpentin u. s, w., oder aus Kieselsteinen angefertigte Pfeilspitzen. Auf andern Stationen find die Pfähle besser bearbeitet und unmittelbar in deu Schlamm getrieben. Dort holt man aus dem Grunde des Wassers sorgfältiger gearbeitete Geschirre, Aexte aus Bronze sowie Nadeln, Spangen nnd Hefte aus demselbeu Metall herauf. Endlich hat man im Neuenburgcr See bei Marin eine Station entdeckt, wo sämmilichc Waffen und Geräthe aus Eisen sind, einem in den Trümmern der dem Stein- oder Bronzezeit-alter angehörenden Pfahldörfer unbekauuteu Metall. Die Alterthumsforscher haben demnach drei Zeitalter unterschieden! die Steinzeit, welche einer rohen Gesittnug wie der der Wil-deu Neuseelands entspricht, die Bronzezeit, welche einen weit vorgerückteren gesellschaftlichen Znstand auküudet, und endlich die Eisenzeit, welche lchterc gleichzeitig mit der gallischen Epoche auftritt. Dicfe drei Zeitalter siud sicherlich älter als die römische Eroberung. Jüngst in den Torfscen der Kantone Zürich und Bern angestellte Nachgrabungen haben neues Vicht auf die VlN'sammlung der schwch. naturforschcnd^n Gliscllschast. 8? Lebensweise dieser ersten Vciuohner des alten Helvctien geworfen. Früchte, (^etreidekörner, Stücken von Strickereien mid (Geweben, welche bis ;nm Stcinzeitalter hinanfreichen, haben sich illl Torf erhalten. Man hat Samen uon Ackerbanpflanzen, wie Weizen, berste, flachs, eßbares nnd gezogenes Obst, als Birnen, Aepfel, Erdbeeren, erkannt. Tiefe Völker besaßen alfo eine Agriknltnr. Herr Nlilimener belehrt nns, daß sie ebenfalls Hansthiere besaßen. Die Untcrsnchnng der Skelette, deren Ueberrestc man in den Pfahlbauten der nördlichen Schweiz findet, war von nnge-hemem .Interesse. Alle nnserc Hansthicre näinlich find die dnrch den Menschen n»d dnrch die Zeit uon Grnnd ans ver-änd^ien Ablöninilinqe wilder Typen, deren Mehrzahl nnbc-tannt ist. Das Schaf, der Ochs, das Pferd, der Hund nnd das Schwein waren schon von den Bewohnern der Pfahlbanten gezähmt. Der Ochs glich den kleinen (^cbirgsracen des Kantons <^ranlmnden nnd Appcnzell fowie des Schwarzwaldes, nnd man darf annehmen, daß das große Vieh der Ebene, das ,vl'eibnrqü nnd das des Simmcnthals, mir eine Ver-vollsommnmlg dieser (^ebirgsraeen ist. Alle beide lassen sich nicht von dein Auerochs, Urns oder Vison herleiten, welche vormals in den Wäldern der Schweiz wie in denen uon Nord-enropa lebten. Ter Stammvater des europäischen Hansstieres ist wahrscheinlich eine Art, welche von Herrn Owen du« wn^i-l'i'on^ qenannl worden ist. Die Knochen desselben findet man in den Torfmooren Englands, Hal sie aber in denen der Schweiz noch nicht angetroffen. Die Pfahlbauern jagten den Vison nnd Ancroch), dessen gebrochene Knochen man zwischen den Pfählen erkennt. Das Schwein befand fich wahrscheinlich nicht im zahmen Zustande, das (Miß diefcs wilden Torfschweines (8u8 paln^li'^) aber ist das eines mehr fruchtfressenden und folglich minder grimmigen Thieres als unser Eber. Diese 88 Versammlung dcr schuiei,. naturfc>rsch^ndcn Gch'IIscknft. Schweineart ist allmälig verschwunden, und unser Hansschwein ist ein Nachkomme des Ebers, desscu reißende Triebe ofl in ihm wach werden. Die in den Torfstationen angestellten Nachgra-buugen weisen auch nach, daß das Elen, der Hirsch und die Hindin ehedem die waldigen Einöden der Schweiz belebten. Der Biber führte seine Dämme in den schmalen Nasserläufen und am Ufer der Seen auf, und die Fischotter hauste dort wie noch jetzt. Der Bär, heutzutage so selten, war damals in den Ge-birgswaldungen gemein, wie auch der Wolf, der Fuchs und die wilde Katze. Der Huud der Seewohnungen gehörte einer Nace von mittler Größe mü länglichem Kopfe an. Er befand sich in gezähmtem Zustande, wie das Schaf, die Ziege und die Kuh und vielleicht das Schwein. Das Pferd ist später eingeführt worden, und die Vermehrung der übrigen Haus-thierracen fällt mit dem Erscheinen desselben zusammen. Einige dieser Thiere waren schon gleichzeitig mit den Nashörnern und Elephanten zu der Zeit vorhanden, als sich die Schweiz eines weit gemäßigtern Klimas erfreute, als das ist, welches heutzutage dort herrscht. Eine Kälteperiodc führte die ehemalige Ausdehnung der Gletscher herbei, welche, längs der Thäler hinabsteigend, die Schweizer Ebene mit einem Eismantcl bedeckten. Die Elephanten und Nashörner verschwanden, der Hirsch aber, das Renthier, der Damhirsch, das Schwein, der Wolf, der Fuchs, der Biber, der Hafe, deren Knochen in den Höhlen mit denen der großen Dickhäuter vermischt sind, überlebten diese Periode, sie bevölkerten die ueucn Wälder wieder, welche allmälig das vom Eise verlassene Gebiet überzogen, uud mehre unter ihnen haben sich bis auf unsere Tage erhalten. Diese flüchtige Darlegung giebt ohne Zweifel teine vollständige Vorstellung der seit dem Jahre 182? von dcr schweizerischen Gesellschaft herausgegebenen Arbeiteu, doch haben wir genug darüber gesagt, um zu zeigen, welche Dienste derartige Versammlung der schweiz. nnturforschenden Gesellschaft. 8l) Gesellschaften der Naturgeschichte leisten können. In Frankreich haben wir als Beweis die Gesellschaften für Geologie, Botanik nnd Meteorologie. Durch die Gewalt der Dinge, durch die unwiderstehliche Macht der Freiheit sind sie der Mittelpunkt für die Thätigkeit der Männer geworden, welche sich der einen oder andern dieser Wissenschaften gewidmet haben; in ihrem Schoße werden Fragen erünert nnd Probleme gelöst; sie sind die Vorhut der Akademien und offiziellen Körperschaften, jener geistigen Aristokratien, welche damit bctrant sind, den Ungestüm des wissenschaftlichen Volkes zu mäßigen, aber der Jugend und Thatkraft ermangeln, welche neue Bahnen eröffnen. Beide Arten von Genossenschaften sind gleich nützlich nnd nothwendig; sie üben einen Einfluß auf einander aus, welcher sich durch die ungeheuern Fortschritte, deren Zeugen wir sind, zu erkennen giebt. In der Schweiz ist die schweizerische natnrforschende Gesellschaft das Band der in den verschiedenen Kantonen zerstreuten Gelehrten gewesen; sie hat die Kräfte nnd den Eifer derselben verdoppelt, indem sie sie unmittelbar mit einander in Berührung brachte. Die jährlichen Versammlungen haben nach einander in den meisten Vundesstädten stattgefunden. Jedesmal hat die wissenschaftliche Vcwegnng erst die Nengierde, dann die Mitwirkung der Einzelnen oder der Gesammtheit hervorgerufen. Das Talent, durch die schwere Atmosphäre der kleinen Städte erstarrt, ist durch den belebenden Odem der Wissenschaft erwach!. Man kannte die malerische Schweiz; die Gesellschaft, das Werk Schcnchzer'Z, Saussure's und Haller's wieder aufnehmend, vollendet das Gemälde der geographischen, geologischen, botanischen und meteorologischen Schweiz. Und sich nicht blos auf rein wissenschaftliche Forschungen beschränkend, hat sie die Verbesserung in Münze, Maß und Gewicht hervorgerufen und achtundachtzig meteorologische Stationen gegründet, ans denen man zu den- 90 Versammlung der schwciz. natmforsch^nden Gesellschaft. selben Stunden mit denselben Instrumenten beobachtet.. Eine hydrographische Konimission beschäftigt sich mit der Lcitnna der Flüsse, dem Anwachsen der Seen, den Ursachen der Ucbcr-schwemmnngen sowie uiit den Mitteln, dieselben zu verhüten. Die im Jahre 1^4<^ vollendete und hcransgegebene Triangulation der Schweiz ist theilweise umgearbeitet nud mit den im Oroschcrzogthnm Baden und in Italien ausgeführten geodätischen Arbeiten in Verbindung gesetzt worden. Dicvrachwollen Bundes-karten, unter Veilung des Generals Dufour herausgegeben, bilden einen Atlas, welcher als ein dauerndes Denkmal der Kartographie unsres Jahrhunderts dasteht. Nieder ist dieses Werk in Folge der Initiative undDank der Untcrstühuug der schweizcrischeuGcsellschaft bei der Bundes-^tegiernng geplant, unternommen und beendet worden. Die Abtheilung für Medizin hat zwei große Fragen auf die Tagesordnung geseht: die Mineralwasser und dcu Kretinismus. Es giebt wenig Qnellen, die nicht aualusirt und deren heilkräftige Eigenschaften nicht nach ihrem wahren Werthe geschäht wären. Wenn die Ursachen des Kretinismus noch dunkel sind, so sind es die Millel, denselben zu uerhnten und zu Heileu, nicht mehr. Die auf dem Abendberge bei Interlaken, IM) Meter über dem Meere, gelegene Anstalt hat den Beweis dafür geliefert. Die Konstitution ciucr großen Anzahl von Kindern ist umgewandelt oder merklich verbessert worden. Mit Einem Worte, die schweizerische nanirforschende Gesellschaft ist der Mittelpunkt uud Ursprung der großen wissenschaftlichen Bewegung gewesen, deren Schauvlah heutzutage die Schweiz ist. Im vorigen Jahrhundert waren einige hervorragende Gelehrte: Vcrnouilli, Haller, Saussure, Bonnet, Deluc, Pictet und Sencbier, die ruhmreichen Vertreter ihres Vaterlandes in der Mathematik, Physik und Naturgeschichte, allein die Wissenschaft wnrde noch nicht allgemein getrieben; es gab Generäle, aber noch keine Armee. Die schweizerische Ge- Versammlung der schweiz. nnturforschendcn Gesellschaft, 91 sellschllft hat sie geschaffen. Gegenwärtig giebt es kein Dorf, das nicht seinen Natnrfrennd besäße. Ist es nicht der Arzt, so ist es der Apotheker, der Pfarrer, der Schnllehrer, nnd in Ermangelung derselben ein Bürger, dein seine Geschäfte einige Mnße lassen. Man kann ohne Metapher sagen, daß die Schweiz ebensoviel Naturforscher als Kirchthürmc zählt. Allein dieses Volk vou Arbeitern ist nngleich über die Oberfläche des Bundesgebietes verbreitet. Wenn man änf einer Karte die Städte, Dorfer nnd Weiler bezeichnete, wo die aktiuen Mitglieder der schweizerischen Gesellschaft wohnen, so würde man diese Punkte sich lichten, ja verschwinden sehen in den katholischen Distrikten, sich vermehren nnd zusammendrängen in den protestantischen Theilen: das katholische Appcnzcll, Schwyz, Obwalden nnd Vaselland (protestantisch) zählen kein einziges Mitglied in der Gesellschaft. Die vier Kantone Genf, Ncuchütel, Baselstadt uud Zürich sind durch 299 Mitglieder vertreten, während sechs ganz katholische Kantone mit bei weitem größerer Oberfläche llnd gleicher Bevölkerung: Luzcrn, Zug, Uri, Tcssiu, Freiburg und Wallis, nnr 106 zählen. Ich habe nicht den Ursachen dieses Unterschiedes nachzuforschen, ich beschränke mich daranf, denselben zu koustatireu; er bestätigt sich überall. Die Akademie der Wissenschaften von Paris zählt nur acht auswärtige Mitglieder, es siud die größten Namen der gelehrten Welt. Herr Alphonsc de Candolle hat, die Memoiren seines Vaters herausgebend, in einer Anmerkung die Stalistik dieser auswärtigen Mitglieder nach ihrem Vaterlande gcgebeu; er findet, daß Holland, Schweden nnd die Schweiz vcrhältnißmäßig die größte Anzahl von Mitgliedern zur Akademie der Wissenschaften des Instituts von Frankreich gestellt haben, nnd der Sah, womit er schließt, verdient hierher gesetzt zu werden»): *) Memoires et souvenirs d'Augustiu Pyramus do Cantlollc, jiuWtfs par son ills, (leiu-ve 1802. 92 Versammlung der schweiz. nnturforschenden Gesellschaft. „Znr Entwickelung der Männer, welche das Gebiet des menschliche!! Geistes erweitern und unbestritten über den Mit--telschlag der Gelehrten hervorragen, bedarf es der Verbindung von zwei Bedingungen.' 1) einer vorgängigen Entfesselung der Geister durch einen freisinnigen religiösen Einfluß, wie die Reformation des 16. Jahrhunderts, oder durch einen philosophischen Einfluß, wie Frankreich und Italien im 18., 2) eines Staates, der weder dem Absolutismus eines Einzigen, noch dem Druck nnd der Beweguug einer Menge unterworfen ist, Die großen geistigen Arbeiten werden weder hinter Schloß und Riegel, noch auf der Straße ausgeführt. Mit auderu Worten nnd um die bildliche Redeweise zu verlassen, der Despotismus liebt nicht die abstrakten fragen noch die geistige Unabhängigkeit der Gelehrten. Der Demokratie liegt weniger daran, die Wissenschaften zu fördern, als sie zu verbreiten; sie macht ans demselben Menschen einen Milnair und einen Civilisten, einen Redner und einen Professor, einen Magistrat und - einen Geschäftsmann. Alle Welt nöthigend und treibend, fich mit Allem zu beschäftigen, hemmt sie die Entwickelung der Fachleute. GZ ist also natürlich, daß die großen wissenschaftlichen Berühmtheiten vor-uämlich in den Uebergangsepochen zwischen diesen beiden Ne-giernngsweisen, dem Absolutismus uuo der Demokratie auftauchen." Dieser Schluß ist auch der meinige, mit einigen Modifikationen erleidet er seine Anwendung so gut auf große Staaten wie auf kleine Kantone. Ich habe die Physiognomie einer Sitzung der schweizerischen Gesellschaft in einem Hochthale der Schweiz zn schildern versucht. Im Jahre 1864 zu Zürich, 1865 zu Genf, wird diese Physiognomie nicht mehr dieselbe sein; sie wechselt je nach Ort nnd Zeit. Wenn ich im Geiste einiger Leser das Verlangen geweckt Versammlung der schweiz. natursorschenden Gesellschaft. 9^ habc^ einer dieser Versaunnlnngen beizuwohnen, wenn andere sich uon dein Nutzen dieser Zedem offenstehenden nnd wie der Naturforscher selbst wandernden freien (Gesellschaften überzeugt habe, so ist mein Zweck erreicht, ich werde fnr die Znknnft gearbeitet haben. Ver Mont Vontonr in dcr Provence. Der Reisende, welcher das Nhünethal hinab- oder hinauf-geht, bemerkt zwischen Orange nnd Avignon einen großen Berg, welcher sich majestätisch über dcr fruchtbaren, von dcr Quelle von Vaueluse bewässerten Ebene erhebt. Es ist dcr Mont Ven-tonx ^loli« venw!?u8). Seine Pyramidenform, seine breite Basis, sein dreieckiger, Winters vom Schnee gebleichter Gipfel entzücken das gleichgültigste Angc nnd fesseln das des Naturforschers. Die Einen werden sich uersncht fühlen, seine geologische Beschaffenheit zn ftudirei^. Der Botaniker wird die auf seinen beiden Abhängen sich abstnfenden Pflanzcngürtcl von dem der Olive bis znr alpinen Ncgion vergleichen wollen. Der Landwirth endlich wird voll Antheil die Wicderbcholzungsver-snche verfolgen, welche man auf dem Südabhange fortsetzt. MiMche Wesäjreibnna. des Werges. Der Mont Vcntonx ist dcr lehte Porsprung derSccalpcn-kette. Bevor dirsclbc an dcn llfcrn dcr Nhüne anslänft, scheint die Kraft, welche die Erdrinde faltete, eine höchste Kraftanstrcn-gilng gemacht zn haben, nm dcn Mont Vcntoux über die pa- Dcr Mom Vciitmu. 95) rallelen, il>n nmgebenden >iämme zu erheben. Die lleinen bellen, welche ihn von den Alpen trennen, sind nämlich weniger hoch als er, nnd die letzte nach Westen zn, die des Veberon, ist gleichfalls niedriger. Obgleich er den hervorspringenden.Hug des Thales der Dnrauce zwischen Vcano^qne nnd Eavaillon bildet, ist der Lebcron doch nnr noch die abgeschwächte .^undgebnng der hebenden Knisl, denn sein l^ipfelpunkt nberstei^l nichi !!^>Mclev, während der ("ipfel des ^enlonx sich zu 1l!11 Metern über dein Mittelländische» Meere erhebt. 5?iese Höhe ist eine der bestbestimmten ^mnl'reichs. Der <^'ipfel de>) ^entonr, ein geodätischer Pnnlt erster Ordnung, gehört ^n dem Entwürfe oder dem m'sprünglichen Nehe der (^eneralstabstarle, Von dem mittlern Niveau des Mittelländischen Meeres beim Pharns von Planier bei Marseille ausgehend, bestimmte ein gelehrter Ingenienr-Geograph, Joseph Deleros, diese Hohe im Jahre ^2.> durch vier sehr übereinstimmende Operationen nnd berichtigte die alten Höhen, welche alle bedeutend übertrieben waren. Gegen Osten setzt sich der Ventonx im Lnregcbirge fort, das sich bis Sisteron in den Niedcralpen verlängert. Im Westen füllt er plötzlich zur Ebene ab und endet bei dem Städtchen Malaneime. Kein Berg zeigt.besser als der Venlonr diese in den KaMetten der gesammten Welt so allgemeine Anordnung. Einer der Nbhäuge, der, welcher nach der Ebene zu liegt, ist laug nnd sehr zum Horizont geneigt, der andere, derjenige, welcher den Alpen zugewendet, ist l'nrz und steil. Der Verg hat, wie die englischen Geologen sagen, ein langes und , ein kurzes Bein (1aniraft, deren Natur noch ein Geheimnis; ist, deren Richtung aber tangeuticll zur Oberfläche des Erdballs war, den Brnch !,si Der Mont Ventom, dieser Schichten, uielche sich anfrichteten, indem sic eine Schan-telbeiuegnng von Norden nach Suden machten. Der Sndab-hang ist denn anch sanft geneigt, weil man ans der Fläche der aufgerichteten Schichten geht. Der Nordabhang ist abschüssig, es ist eine tingehenre Treppe, deren Stufen die Köpfe der abgebrochenen nnd gesprengten Schichten bilden- die Brnchflä'chc derselben ist durch Aufrichtung des Berges bloßgclegt, nnd man erklimmt mülmm diese unebene und steile Wand, welche gegen die schwache Abdachung des Sndabhanges absticht. Man wählt daher für Besteigungen des Ventour vorzugsweise den Snd-abyang desselben, während man schneller, wenn nicht leichter, auf der Nordseite heruutcr steigt. Der Mont Ventoux gehört durchaus ein nnd derselben geologischen Formation, dem neokomischen Gebirge an, so genannt, weil es zum ersten Male in der Stadt Nenchätel in der Schweiz augezeigt worden ist. Dieses Gebirge gehört dem untern Theile der Kreide,' einer in Frankreich sowohl im Norden wie im Suden sehr entwickelten Stufe an. Im Norden bildet es einen fast nnnnterbrochcncn Kreis nm Paris her, der Aleu-hon, Angers, (5lMcllcrault, Auxerre, Saint-Dizier uud Rcthel durchzieht. Zwischen Nuxerre und Saint-Dizier bemerkt man ein znm neotomischcn Gebirge gehöriges Band, welches die eigentliche Kreide der Ebenen der Champagne von den jnrassischcn Gebirgen Vurguuds trenut. Iu dieser Gegend siud die ueoko-mischcn Schichten nicht wie beim Venwnx aufgerichtet; sie haben ihre horizontale Lage bewahrt oder nur leichte Beugnngen erlitten. Zwischen den in der Nähe des Vcntonx befindlichen und von Herrn Scipion Gras, Herausgeber einer geologischen Karte des Departements Vauclusc, als neokomisch dargestellten Mcrgelschichtcn hat Herr Gugöue Naspail im Jahre 1842 bei Gigoudas ein riesiges fossiles Reptil gefnnden, welchem er den Namen ^6U5to8imru8 oder Schwimmechse gegeben hat. Dieses Der Mont Vcntour. 97 Thier war l),l)5 Metcr lang. Durch seinen organischen Van steht es vermittelnd zwischen den lebenden Krokodilen und den großen, Ichthyosauren oder Fischechsen genannten, fossilen Reptilien. Diese bewohnten ältere geologische Meere, in deren Schoße sich allmälig die triassischen nnd jurassischen Gebirge ablagerten, während das untere ueotomische spätern Ursprungs als die ganze Reihe dieser Gebirge ist. Auch nähert sich der Van des ^(MFtokuuru» niehr dem Plan der jetzigen Reptilien als dein der Ichthyosauren oder Meercchsen. Als der Vcntoux auftauchte, hat er die jüngeren Schichten aufgerichtet, welche nach ihm in den anf den ueokomischen Ozean folgenden geologischen Meeren gebildet wurden; man sieht dies vortrefflich längs des südlichen Fußes des Verges, sämmtliche Abstürze siud gegen ihn hin gelehrt. So ist namentlich die Mauer von rothen nnd gelben Sandsteinen mit pittoresken Formen zwischen Vedouiu und La Madeleine, so siud die mit Oliven bedeckten Hügel beschaffen, welche sich nach Flassan und Methamis zu erstrecken. Diese Hügel gehören der Ganltformation an, welche in der chronologischen Reihenfolge der Gebirge unmittelbar auf das ncokomischc Gebirge folgt. Am Fnße des Nordabhanges des Ventour trifft man dieselben Schichten in dein engen Thale von Slliut-Logcr und Savoillans an. So hat sich also zu eiuer geologischen Epoche, dercu Dauer uud Eutfernuug in der Zeit die Ginbildungstraft nicht zu fassen vermag, der Ventour erhoben, die neuern, nm ihn her abgelagerten Gebirge cutfcrueud uud (Ulfrichtend. Gegenwärtig bilden sie eine Art uon elliptischen, Schlitze, welcher von Osten uach Westen gerichtet etwa 25 Kilometer lang ist. Das physische Ansschen des Mout Ventoux ist ciuc Folge seines Banes. Sein Südabhang scheint ein erhöhter Theil der Nhüne-Ebene zu sein und bietet einen regelmäßig von der Basis Mavlins, Spitzbergen;c. n. 7 gg Der Mont Pentoux. zum Gipfel zunehmenden Abhang dar, eine ungeheure geneigte Fläche, die völlig eben sein würde, wenn nicht die Abholzung des Berges seit langem die Auswaschung seiner Abhänge begünstigt hätte. Die Regcnschlnchten, welche rings vom Gipfel znr Basis auslaufen, verbreitern sich je tiefer sie kommen und bilden zuweilen wahre Thaler; nirgends erkennt man besser die gewaltige Einwirkung der Negenwasser auf entblößtes Land. Dnrch die starken Platzregen, welche den Süden von Frankreich kennzeichnen, werden diese Schluchten zeitweilige Ströme, welche znr Basis des Vcntour niederstürzen und oft die zwischen den Hügeln und dem Berge liegenden Gefilde überschwemmen. Diese Schluchten werden durch mehr oder minder breite Kämme geschieden. Der Nordabhang bietet dagegen fast senkrechte, durch Vorsprünge unterbrochene Wände dar; dahin gehört der nnter dem Namen der Matte des Mont Serein bekannte, bei ^450 Meter über dem Meere, der von Saiut-Sidoinc bei 7d»() Meter; allein die Abhänge sind immer sehr steil und machen die Besteigung äußerst ermüdend. Man wird sich hierüber nicht wundern, wenn man erfährt, daß die allgemeine Steigung des Süd-abhangcs 10°, die des Nordabhanges 49«30' beträgt. Von Avignon aus gesehen, hat der Ventonr eine braune Farbe, welche die Landschaft nicht vcrnnziert, in der Nähe aber ist der Anblick seiner entblößten Seiten trostlos. Seit den unüberlegten Entholzungen zu Ende des vorigen Jahrhunderts ist die Pftanzcncrde durch die Gewässer fortgerissen oder dnrch die Winde weggefegt worden. Der Kaltfelsen hat sich in Bruchstücke von mäßiger Dicke zerkleinert, welche den ganzeil Berg bedecken. Von Bcdonin aus gesehen, gleicht der Ventour einem riesigen Hänfen von Chausscesteinen; es scheint, als ob dieser kahle Berg von aller Vegetation entblößt sei; an der Basis aber hat sie sich in die Vertiefungen geflüchtet, wo das Vorbei-siießen der Wasser im Herbst und Frühjahr stets eine gewisse Der Mont Ventoux. 99 Kühle im Boden unterhält. Von etwa 1000 Meter an finden die Eichen nnd Buchen ein minder warmes Klima vor, welches ihr Wachsthum begünstigt; allein die nngcmcinc Heftigkeit der Winde, welche den Namen des Berges so sehr rechtfertigt, gestattet diesen Bäumen außer in den Negcnschluchten nicht, eine bedeutende Hohe zu erreichen. Diese Winde, namentlich der Nordwestwind oder Mistral, besitzen eine Heftigkeit, von der es schwer hält sich eine Vorstellung zu machen, wenn man sie nicht erlebt hat; Meuschcn, ja selbst Pferde werden zu Boden geworfen, wem, dieser Wind sciuc ganze Kraft entwickelt. Die Gewalt des in der Rhünc-Ebcne wehenden Mistrals ist allgemein bekannt, man kann daraus abnehmen, wie groß seine Heftigkeit anf dem Berge sein muß, wenn er ihn unmittelbar trifft, ohne daß irgend etwas seinen Lauf gehemmt oder seine Wncht gebrochen hätte. Die Alten kannten ihn. „Die Cran," sagt Strabo*), „wird von einem im Griechischen U'arpeittras hat ihn gethan. Auf eiucm aus Kieselkalk bestehenden Bodenstück von 2 Hektaren säete er Eicheln von weißen und grünen Trüf-felcichcu, d. h. solchen, an deren Fuße mau bereits Trüffeln ge-fuudcn hatte. Die Aussaat schlug ciu; nach Verlauf uon acht Jahren, im Jahre 185l>, wicä ein berühmter Agronom, dessen frühen Verlust die Wissenschaft beklagt, dc Gasparin, eine Ernte von 8 Kilogrammen Trüffeln anf einer Hektare nach, was bei dem damaligen Preise der Trüffel, (> Franks das Kilogramm, einen Ertrag uon 45 Franks anf die Hektare darstellte; seit dieser Zeit aber hat die Ausbeute der Trüffelu sich vermehrt und der Preis der Trüffel ist gestiegen. Hcutigeu Tags erhält Herr August Roufscau ciuc durchschuittliche Ernte uou 2W Kilos im Jahre auf eine Fläche uou 5 Hektaren, was den Ertrag auf 52 Kilos die Hektare erhöht, und da der Durchschnittspreis der Trüffel in den letzten Jahren !< 5 Franks das Kilo auf dem Markte uon Earpentras betragen hat, so crgicbt sich daraus, daß eine Hektare schlechten Bodens, mit einem Schlage fünfzehnjähriger Eichen bepflanzt, jährlich 780 Franks einbringt. Zieht mau von dieser Summe 10 Franks für die Arbeit und W Franks für die Erutctage und den Zins des Grundstückes ab, so bleibt ein Netto Ertrag uon 740 Franks anf die Hektare. 122 Der Mont Vcntcmr. Wenige Kulturen ergeben ähnliche Resultate bei gleich wenig Mühe. Zwei interessante Bemerkungen hat man in den Trüf-feleien des Hcrrn Nonsseau gemacht. Die erste besteht darin, daß die Trüffeln sich voller, gleichförmiger und duftiger am Fuße der immergrünen als am Fuße der gemeinen Eichen fanden, die zweite darin, daß die Knollenschwämme immer am Fuße derjenigen Baume angetroffen wurden, welche in dem vorhergehenden Jahre solche gegeben hatten. Diese Bänmc wurden mit einem weißen Kreuze bezeichnet, und die zur Entdeckung der Trüffel genommene Sau wandte sich sofort diesen zu, indem sie mit ihrem Rüssel eine breite Furche im Boden öffnete. Ist der Knollenschwamm entdeckt, so giebt man ihr einen Schlag auf die Nafe und wirft ihr zum Lohne für ihre Mühe ein paar Eicheln oder eine Kartoffel vor. Die Schweine, so wenig wählerisch, was Geruch und Geschmack anbetrifft, riechen den Duft der Trüffel dnrch den Boden dnrch, ihr Gernchsfinn, feiner als der unsrige, empfindet dicfe feinen Ausdünstungen. Gewisse Hunde, namentlich die Pudel, tonnen gleichfalls zu dieser Ia^d abgerichtet werden, doch beschränken sie sich darauf, den Platz zu bezeichnen, wo die Trüffel sich befindet, die Sau dagegen thut die gauze Arbeit, sie entdeckt und gräbt die Trüffel aus. Die Undankbarteit des Menschen, welcher dem Nahrungsmittel, das sie erobert hat, ein gröberes unterschiebt, entmuthigt sie nicht; doch muß der Wärter aufpafscn, sonst ist der kostbare Knollenschwnmm sofort zwischen ihren starken .Kiefern zermalmt, die man sich oft vergebens mit ei nein Stocke auseinander zu sperren bemüht, nm ihr die Bentc zu entreißen. Diese Abschweifung hat uns nicht so weit vom Ventoux entfernt, als man glanben könnte; sie war nicht nnnntz, um die ganze Bedeutung der Vermehrung der Eiche am Fuße des Berges zu zeigen. Man verkauft jährlich auf dem Markte von Carventras von, 1. Dezember bis zn Ende Februars für 2 Mil- Der Mont Ventoux. 423 lioncn Franks Trüffeln, welche nach ganz Europa verschickt werden. Gegenwärtig verpachten die Koimnnncn von Bedouin, Villes, Blnuvac, Monienr und Methamis einen Umfang von 2700 Hektaren zum Preise von 13,250 Franks. Von diesen 2700 Hektaren besitzt die Kommnne von Bcdonin nnr 100, welche znm Preise von 1800 Franks verpachtet sind. Demnach werden die 1000 mit Eichen besäeten Hektaren, welche sehr gnt treiben, in einigen Jahren nin 18,000 Franks im Jahre für Ausbeutung der Trüffel verpachtet werden. Die Fruchtbarkeit dieser Schläge dauert zwanzig bis dreißig Jahre; nach Verlauf dieser .^eit ist der Boden, zu beschattet und zu sehr vor Negen geschützt, dem Wachsthum des unterirdischen Pilzes nicht mehr günstig, dann aber kann der Schlag als Brennholz ausgenutzt, M völlig erneuert wcrdeu. Mit lebhafter Genngthnnng habe unter der Grenze der Buchen Eichenschläge vom schönsten Gedeihen dort gesehen, wo ich im Jahre 18.'w nur nackte Abhänge oder elende Roggenfelder beobachtet hatte, dercu dürre uud schwache Halme zwischen den Steinen hervorsproßten. Die Wiederbepflanznng dcs.Ventonr, die sich der erleuchtete Eifer der Departementsverwaltung mit vollem Rechte angelegen sein läßt, wird den Berg selbst uud die ihn mngebeude Gegend uinwaudeln. Nenn seine Abhänge beholzt sein wcrdeu, so werden sie sich nicht mehr, wie dies jetzt vorkommt, während der Sommerhitze erwärmen, die aufsteigenden Luftstrüme werdeu nicht mehr die Wolken der Höhe des Verges zuführen, wo sie sich nnter dem Einflüsse der Kalte in Negenfnlle oder vielmehr in strömende Platzregen anflösen. Die Gewässer, welchen kein Hinderniß Einhalt thut, werdeu uicht mehr unmittelbar in die Schluchten und von da iu die Ebeue uiederstürzeu. Die Wolken, an den Vergabhängcu hinziehend oder sich allmälig zum Gipfel erhebend, werden sich gemach iu mäßige» Ncge» anflösen. ^ 24 Der Mont Ventoux. Dieser Negen, erst auf die Blätter der Bäume fallend, wird langsam den Boden erreichen; durch die Stämme und Wurzeln aufgehalten, wird er sacht herabfließen und sich in die oberflächliche Schicht desselben einsaugen. Diese Gewässer, sich in mehr oder minder beträchtliche Fäden vereinigend, werden endlich zur Ebene niederstießen, indem sie dauernde Bäche und nicht mehr ephemere Ströme bilden; sie werden die Gegend bewässern, und sie nicht verwüsten. Die aus den Resten der Blätter und der Krüutcruegctation hervorgehende Dammcrde wird nicht mehr in die Tiefen hinabgcrifsen werden, sondern anf den Abhängen liegen bleiben. Dank ihr werden die Gräser, welche die Schafe aufsuchen, sich vermehren, nnd statt 2000 Stück Schasuieh zu ernähren, welche jetzt kaum ihren Unterhalt finden, indem sie die Pflanzen ansreißcn, welche zwischen den Steinen fortkommen, werden 20,000 Stück Vieh im Verhältniß von vier Stück anf die Hektare in Hülle und Fülle dort leben. Eine Menge Schatten und Frische liebende Pflanzen, welche die alten Botaniker anf dem Vcntour angezeigt hatten, werden in der Folge wieder zum Vorschein kommen. Die Kulturen werden sich, dnrch die Wälder gegen jenen schrecklichen Mistral geschützt, der jede zarte Pflanze knickt, zu Boden drückt nnd austrocknet, an seinen Seiten abstufen können. Das Brennholz, dessen Preis unaufhörlich steigt, wird gewöhnlicher werden; gewisse gegenwärtig nnmögliche Industriezweige werden wieder auftauchen köunen, nnd endlich wird sich das Auge nicht mehr betrüben über den Anblick dieses steinigen Berges, den man nicht ohne gewisse Berechtignng einen Maeadam-Berg genannt hat. Das sind in wenig Worten die unmittelbaren Wirknngen der Wie-derbeholzung der Kette des Veutoux; die entfernteren Folgen liegen außerhalb der Berechnung. Der Mont Ventoux. 125 NksslMMssiirtel. Der gelehrte Naturforscher von Avignon, Reqnien, hatte ganz richtig die verschiedenen Pflanzengürtel des Ventoux erkannt und die Oute, mich für meine erste Erforschung desselben im Jahre 1836 mit seinem Nathe zu unterstützen. Von weitem unterscheidet das Auge diese Zonen nicht, es erlemit »ur ein braunes Band, das den Berg in der Mitte zu schneiden scheint, es ist der Buchenwald, welcher die mittlere Region einnimmt. Doch sind diese Pflanzenregionen dnrch das Vorhandensein gewisser Gewächse, welche in den andern fehlen, gut charatlerisirt. Mau zahlt sechs Regionen auf dem Südabhange, fünf ans dem Nordabhange.5) Wir wollen mit dem Südabhnnge, demjenigen, der sich an seiner Basis mit der Nhöne-Ebcne uerinischt, beginnen. Alle Pflanzen der Ebene gehören der niedrigsten Region an; dieselbe kennzeichnet sich sehr gnt dnrch zwei Bäume, die Aleppo-föhre und den Oelbmnu. Alle beide sind dem Millelmeer-becken eigenthümlich, um das herum sie eiucn nur durch das Delta von Aegypteu unterbrochcuen Gürtel bilden. Die Aleppo-föhrc fiudct sich auf allen Hügeln, welche den südlichen ,nis; des Veutour entlang ziehen,- sie übersteigt nicht 4,W Meter über dem Meere. Der Oclbaum steigt hoher hinanf, wird aber über 500 Meter nicht mehr knltivirt. Unter diesen Bäumen trifft man sämmtliche südliche Arten au, welche den provcnzalischen Vegetationsstock bilden, die Kermeseiche, den Rosmarin, den spanischen Ginster, das Voi-Mn'nm «listi-utieo8um. —Dieser folgt eine schmale Zone, charakterisirt dnrch die immer grüne Eiche, eben dieselbe, welche der Erzeuguug der Trüffel so günstig ist. Dieser Baum übersteigt 550 Meter nicht, allein die seit fünfzehn .Jahren ") Siche die vollständige AufMimq sänmttlichcr Attcn dieser Pflanzen-' zoiieit iil dcnl in Band VI. dcr ^i. Scriü dcr ^»»al«» äe« 8i)it0lc!itouj,- bool'achltt hadc. Im !)lordcn zwischcu l7^0 und NNl Mctcr sind cs: Uamiiiriilus (Joldinnae, AU.; Alyssum montanuiii, L.; Iberis nana, AU.; Ari!ii;iria striata, Vill.; A. uuicrouata, DC; A. tetraqnetra, ß. aggre-gata, Gay.; Oxytropis cyanea, Gaud.; Astragalus aristtitus, Lher.; Ouonis renisia, L.; Alchemilla alpina, L.; Saxifraga oppositifolia. L.; S. muscoides, Wulf.; S. cespitosa, Scop.; S. aizoou, Jacq.; Atliamanta creteusis, L.; Galium Villarsii, Req.; Valeriana saliunca, AU.; Arnica scorpioides, L.; aijaviiiiö, Spifct'crijeii :c. II. v 1ZY Der Mont Ventour. Wir haben gesehen, wie glücklich gelegen nnd günstig oricntirt der Ventour ist, mn den Einflns^ der Abhänge cmf die Vegetation klar darzuthun; nirgends ist dieser Einstuft auffallender, als in der alpinen Region. Nm Südabhange erstreckt sie sich von den letzten krnppelhasten Kiefern liis zum Gipfel, eine Höhe von ^11 Metern, nämlich von 1800 bis 19^1 Metern hinan, Anf dem Nordabhangc dagegen liegt die alpine Region zwischen 1700 nnd 1^)11 Äirtcrn; ihre Höhe betragt also 211 Meter. Demnach zeigen sich die alpinen Pflanzen tiefer im Norden als im Süden, weil sie anf einer geringern Höhe, bei 1700 statt bei 1800 Metern, die tlimatolo-gischen Bedingungen antreffen, welche ihnen zusagen. Eine andere Erscheinung der Pflanzenwelt verräth den Einfluß der Abhänge. Die Tanne, welche auf dem Südabhange nicht vorhanden ist, erhebt sich nnf den nordlichen Böschungen mit der Vergführe vermifcht bis znr Höhe von 1720 Metern; sie bildet eine Region, welche der .^one entspricht, dic anf dem südabhange allein die Föhre charatterisirt, diese Region ist aber im Norden ausgedehnter, die Koniferen sind dort schon in der Höhe von 1380 Metern vorherrschend. Auf deu fast sent-rechten Abstürzen, welche znm Dorfe Brantcs abfallen, gehen die mit den Buchen gemischten Tannen bis zu etwa 1000 Metern herunter. Die Bergföhre gehorcht denselben Einflüssen; anf dem Südabhange fängt fie an sich in der Höhe von 1480 Metern zn zeigen, um bei 1810 Metern aufzuhören. Auf dem Carduus carlinael'ulius, Lam.; Campanula Allionii, Vill.: Pliyteiimii orbicu-lare, var. nainim: Thymus angustifolius, Pers.; (tlobularia cordifolia, L., Urtira dioica, L.; Allinni nnrcissiflonnn, Vill.; Avcna .sntar.oa, Vill.; Fest«ca duriuscula, L.; Carex rupestris, All. 3u tcv alpinen Qtecjioit am @üfc abfange itvifc^cn 1S1O mib lull 9)ictcr tcmcttt man: Papaver aurautiacum, Lod.; Viola cenisia, All.; Riscutt'lla coroTiopifolia, All.; Tliymus scrpyllum L.; Euphorbia saxatilis, Lois.; Poa alpina var.; brevifolia. Gaud, mtb Avetta s«<» Metern, uud sic steigt minder hoch als im Enden, denn sic überschreitet 1625 Meter nicht. Die Region der buchen ist im Norden wie im Süden des Ventoux vorhanden, im Süden aber nehmen sie die zwischen N 30 nnd 1670 Meter Igeude Region ein. Im Norden findet sich die ganze Zone erniedrigt, denn dieser Banm zeigt sich iil 9W Meter Höhe nnd hört bei 1580 Meter ans. Unter 900 Meter sind die Sommer selbst im Norden zn heiß, als daß die Bnchc, welche den Holzarten Mitteleuropas allgehört, gedeihen könnte. In der Rhöne-Ebene fängt sie erst in der Umgegend von Lyon an sich zn zeigen, und man mich bis in den Norden Frankreichs vordringe», nm sie iu ihrer ganzen Schönheit zn finden, welche sie in Belgien, Deutschland nnd Dänemark bewahrt, wo sie ;u allen Zeiten die Bewunderung der Maler erregt und die Dichter begeistert hat. Die nördliche Grenze dieses Baumes, mit großer Sorgfalt vou Herrn Al-phonse de Caudolle bestimmt, bildet eine Kurve, die, ein wenig nördlich von (5'dinbnrg beginnend, ihren Knlmi'nationZpuM zu Nlvchind (0,1" ^l' n. Br.) bei Bergen iu Norwegen erreicht, darauf wieder nach Schweden südlich vom Wetter- und Wener-sec heruntergeht und die pommersche Küste bei Königsberg schneidet, um sich südöstlich durch Volhyuicu bis zur Krim (45° n. Vr.) zu wenden, wo sie ihre südliche Grenze erreicht. Man sieht, das; die Buche iu der Ebcue wie auf dem Gebirge große Hitze schent, doch fürchtet sie ebenso die zu rauheu Wiu-ter, da sie diesseits des Polarkreises stcheu bleibt. Ihre uörd-liche Greuze erniedrigt sich im Osten, wo die Winter bekanntlich um so strenger sind, je mehr man sich vom Ozean entfernt. Dagegen gestattet ihr die Milde der Winter und Sommer, im westlichen Frankreich bis zum Fuß der Pyrenäen vorzudringen. Pon der Region der Buchen steigt man zu der des Vuchs- 9« 1I2 Der Mont Ventour. baums, des Thymians und des Lauendeis hinab, die auf dein Nordabhange des Ventonr lingemein schiilal ist, denn sie liegt zwischen 800 nnd 910 Metern. Die iliiinittelbar nnter dieser befindliche Pflanzenzone wird dnrch einen Banm charakterisirt, den nur vergebens auf dein Südabhangc suchen winden. Der wälschc Nußbaum wird auf den nördlichen Hängen des Ven-tour kultiuirt. Der letzte, an dem ich mein Barometer angehängt habe, um seine Hohe zu messen, befand sich bei der Chapelle de Saint-Sidoine 797 Nieter über dem Mittelländischen Meere. Der Nußbaum stammt aus Persien und wächst in den Gegenden südlich vom Kaukasus wild. Im westlichen Europa geht er nicht über den 5li. Grad der Breite, die Breite uon Edinburg nnd Kopenhagen hinaus; man darf sich daher nicht wundern, wenn er sich au der uördlichen Flanke des Ventour nicht höher erhebt. Höher hinauf würde seine Kultur übrigens illusorisch sciu, denn da er nicht mehr dnrch die Joche der gegenüberliegenden Gebirge geschützt wird, so würde der Wind seine Früchte vor ihrer Reife abschlagen. Die niedrigste Region des Nordabhanges des Ventour wird dnrch die Gegenwart der immergrüneil Eiche charaktcrisirt. Sie überschreitet die Höhe von l)W Metern nicht. Höher hinanf würde das Klima zu rauh für sie seiu. An den ozeanischen Küsten Frankreichs, wo die Winter so milde sind, befindet sich das letzte Gehölz von immergrünen Eichen auf der Insel Noirmontiers neben der Mündung der Loire nnter dem 47. Grade der Breite. Die Ncgiou der Oliven fehlt auf dein Nordabhange des Ventoux, was die Zahl der Pflanzenregionen anf dieser Seite auf sechs verringert, während sie anf der Mittagsscite sieben beträgt. Dieser Unterschied ist bald erklärt; im Norden ist der Fuß des Berges weniger niedrig als im Süden, indem die Stadt Malaucöue 400 Meter über dein Meere liegt, wahrend das Dorf Bedouin uur 190, Auch könnte der Oelbaum seine Der Mont Ventour. ^Z<; ?Vrüchte auf deu »ach Norden gelehrten Abhalia.cn nicht i„ Hohen über 400 Meter zur Neifc bringen. Das ist so sicher wahr, das; cr auf den pochen der dein Venlour gegenüberliegenden Ilntergcbirge in den geschlitzten Thälern, welche die beiden Ketten scheiden, über lVO Meter hinansteigt. In Kleinasien und Griechenland einheimisch, ist die Olive ein zarter, siegen die Frühlingsfröste sehr empfindlicher Baum, der sich ans den Gebirgen nicht zu bedeutender Höhe erhebt. Im Nhüncthale be-fiilden sich die letzten Oliven am Fusie der vulkanischen Felsen von Nochemaure, etwas nördlich von Monl6limart. Ehemals waren die Oliven bis Valenee gemein, die Ausdehnung der Manlbcerbaiimtnllur am E»de des 1l>. Jahrhunderts aber hat sie nach Süden zurückgedrängt. Der Leser kennt jetzt die Pflanzentopographie des Mout Ventoux- er hat gesehen, wie die Pflanzcngürlel sich au seinen Flanken abstufen und im Kleinen die Neihenfolge der Gewächse von den Ebene» der Provence bis zu den äussersten Enden der staudi'iiavische» Halbinsel darstellen. Anf alle» groben Gebirgen findet man ähnliche Stufe», nirgends nber findet man cincn geographisch besser gelegenen, mehr von der Hauptgruppe getrennte» und besser orieutirteu Berg, um den Einstuft der Er-positioncn auf die Vegetation deutlich zu machen. Hoffen wir, daß die so gut begonnenen Wiederbeholznngsarbcitcn von Erfolg gekrönt werden und daß eines Tages ei» breiter Waldgürtel mit einem grünen Bande die annoch nackten Seiten des Veu-tonx nmzichcu möge. Dies so wünschenswerthe, auf einem iso-lirteu Berge erzielte Resultat wird die Wiederanpftanzungs-Versuche, welche an wider den Wind geschützten Abhänge» immer leichter ansznführcu siud, ermuntern. Uebrigeus ist dieser Berg nicht der cinzigc, welcher den Gegenstand einer botanischen Monographie gebildet l,al, und ohne Enropa zn verlassen, will ich mich begnügen, die Arbeüeu Philippi's über de» Aetna, 1I4 Der Mont Ventoux. Boissier's über die Sierra Nevada, Ramond's und Charles Desinoulius' über die Pyrenäen, Lecoq's über die Auverque, Thurmaun's über den Zura, Wahleuberg's und Hccr'Z über die Alpm mid die (Gebirge Skandiuauiens anzuführen. Die ftsoßrapliio dot:». ni<^!.l(! rai^oiiilü« uon Alphonse de ssandolle faßt in beimmderungswürdisser Weise alle diese Angaben zusammen; sie stellt ein treues Bild uom Znstande dieser Wissenschaft zu uuserer Zeit dar und wird der Ausgangspunkt weilerer Arbeiten und ueuer Forschungeu sein, welche uns schließlich die geographische uud topographische Vcrtheiluug der Gewächse auf der Oberfläche des Erdballs kennen lehren werden. Vic Crau oder die franMsche Sahara. V'ei Fourques, einel» mehre Kilometer oberhalb der alten Stadt ArleZ gelegenen Dorfe theilt sich die Rhone in zwei Arme. Der eine, westliche, die kleine Nhüne genannt, wendet sich den fruchtbaren Ebenen zu, welche sich südlich von der Stadt Nimes ausdehnen, und mündet bei dein kleinen Hafen von Saintes-Marics ins Meer. Der andere Arm oder die große Rhone erreicht, die ursprüngliche Richtung des Flusses weiter verfolgend, die Spitze des großen Delta, welches die Ca-margue und ihre zahlreichen Teiche umfaßt. Ein aus Sand und Schlamm bestehender Schwemmboden, enthält die Camar-gue nicht Einen Kieselstein; die letzten, welche der Fluß auf seinem Laufe mit sich führt, bleiben oberhalb der Stadt Arles liegen. Zwischen der großen Rhünc aber und den Poralpen im Norden, den Hügeln von Salon und Saint-Ehamas im Süden breitet sich eine dreieckige Ebene von 989 Quadratkilometern Oberfläche aus, dereu Basis der Fluß oder vielmehr der Kanal von Arlcs nach Aonc bildet, während die Spitze in» Loch von Lamanou ausläuft. Es ist die Crau*), der Ninnpu.3 *) Von dem lettischen Wottc ci-»'i', welches Stein bedeutet IZst Die Crau oder die französische Snhara. Ildpuwu« oder ll0i-0u1(!U8 der Alten. Die Bodcnfläche ist vollständig mit dicken, ovalen, auf einer röthlichcn, sehr fein zertheilten Erde ruhenden Kieseln bedeckt. Während der Sommerhitze erscheint dieser Boden völlig kahl nnd jeglicher Vegetation berankt; indem die Sonne mit ihre» Glitten die angehäuften Kiesel erhitzt, dehnt sich die Lnft bei der Bcrührnug mit denselben ans, nnd das Phänomen der Luftspiegelung ist in der Cran ebenso gewöhnlich wie in den Wüsten Afrikas. Der Neisendc, den der Dampf dnrch diese dürre Ebene dahinträgt, erblickt iu der ^erue Bäume und Hänser, deren Fnß vom Wasser bespült wird, und der Spielball einer Täuschung, glaubt er das Meer zu gewahren, von dem er noch weit entfernt ist. Wenn aber die in Strömen aus den vom Südwinde aufgethnrmten Wolken herabfallenden Hcrbstregen diesen steinigen Boden erfrischt und befeuchtet habeu, so sprießen feine Gräser zwischen den Kieseln hervor; der Thymian, von der Sonne verbrannt, erwacht wieder zum Leben, nnd die von den Alpentriftcn, welche die Entholznng der provenza-tischen Alpen verschont hat, hcrabkommendl,'!! Schafe finden in diesen kurz vorher noch entblößten Ebenen eine reichliche Weide. Im Frühling lassen ebenso starke, ebenso anhaltende Regengüsse, nne die im Herbst, noch einmal diese Kräuter zwischen diesen Kieseln hervorsprießen, welche der Schnee nnr ein paar Stunden lang im Winter bedeckt. Von der Eisenbahn ans bemerkt man hier und da lange nnd niedrige Schafställe, wo die Mntter-schafc während der kalten Nächte der ranhcn Jahreszeit Schuy nnd Obdach finden. Anfangs Inni aber setzt sich das Heer der Hirten in Bewegung, um das Gebirge zu gewinne», von dem es Ende Oktober znrückkehrt. Herr Mistral hat in der alten Languc d'Oc, welche »tan schimpflicher Weise das,,Patois der Provence" nennt, den Aufbrnch der Heerden nnd ihrer Führer beschrieben, deren Haupt den Titel Paile einnimmt. Dir Schilderungen des Dichters erinnern an die der Bibel nnd des Homer. Alljährlich kommen Die l5r,ni nder die smnziistsche Sahara. 1I7 ähnliche Szenen in Afrika nnf den (^rcn^cn der Sahara und des Atlas uov. Gleich dem proven^alischcn Schäfer lreibl dcr Nomaden-Araber das Vieh ans der Wüste anf die Verge. Diese Aehn-lichkcit zwischen der Eran n»d der Sahara ist nicht die einzige, nnd wir werden nach nnd nach noch einige andere hervorheben. Die Erau war de» Allen belannt. Da sie sich von dieser Anhäufung von Kieseln leine Rechenschaft geben tonnten, so hatte ihre glänzende Phantasie eine Sage entstehen lassen. Aeschnlns zufolge*) sind die Kiesel der (>ran die uuwidcr-leglichen Zeugen einer in Erfüllung gegangenen Wcissagnng des Prometheus. Herkules, indent er sich vom Kaukasus zum Zarten der Hesveridcu begiebt, will die Rhone übcr-schreiteu; von den wilden figuriern anfgelmlten, durchbohrt er sie mit seinen Pfeilen. Troydem stand der Heros im Begriff der Ucber;ahl ;u erliege», alü Znpiter, seinem Sohne zu Hülfe eilend, einen Regen von Slcincn herabfallen läßt, welche ihm Waffen liefern, um seine feinde zn vernichten. T^aher der Name lüanipu.^ Illiiill^u^ «ive N<'i-cu1nisi!l,il 138 Die Emu oder die französische Sahara. er dcm Helden einen Wind ails N»rdcn nnkündet, dessen Wirbel ihn fortreißen tonnten, wenn er nicht anf seiner Hm sei. Aulns Gellins nennt diesen Wind CitÄnz.*) „Die Einwohner/' sagt Sencka''"'), „priesen seine Salubritüt, obgleich er ihre Häuser nmriß, nnd Augustns errichtete ihm während seines Aufenthaltes in Gallien einen Tempel." Eine Hnldignng ;n doppeltem Zweck: nm ihm für seine Wohlthaten zn danken nnd seinen Zorn zn beschwören. Plinins^"'^) führt gleichfalls den Namen Cii'M« an nnd lehrt nns, daß es leinen nngestümern Wind gebe nnd daß er die Schiffe in gerader Linie bis zum Hafen von Ostia über das Lignrische Meer weg treibe. Er fügt hinzn, daß er nicht über Viennc hinansgche. Dies ist noch heute das Gebiet des Mistral, der sich oft nur bis 4 Kilometer oberhalb Montülimart fülübar macht nnd nicht immer bis Valence hinaufgeht. Die Hänfigkeit nnd Heftigkeit des Mistral hat sich seit den Zeiten der Alten nicht vermindert. Als Herr Vnrcl ihm den 30. Oktober 4782 eine Fläche von einem Qnadratfnß ent-'gegengesctzt hatte, hob der Wind ein Gewicht von 5 Kilogrammen in die Höhe. Als Sanssnrc anf das Dach eines sehr hohen Hanses gestiegen war, nm besser die Arenen von Arles ;n sehen, die damals durch Hanser versperrt waren, ward er nn-versehens von einem Mistralstoßc erfaßt, der ihn in die Straße hinabgeschlendert haben wnrde, wenn sich nicht anf dcm Abfall des Daches ein Schornstein befunden hätte, der ihn im Falle anfhielt. Menschen find in die Gewäsfer des Hafens von Marseille geschleudert, Eiseubahuwageu umgeworfen worden. Wenn der Mistral mit Macht bläst, fo wird der Lanf der Eisenbahn-znge dadnrch merklich gehemmt. *) Noetiuai Atti<\mim, lib. II. c:ip. XXII. :;!:i:) Qaaestiones naturales, lib. V. cap. VII. ***) flistoria uatnralis, lib. II. cap. XLVII. Die Crnu oder die französische Sahara. 139 Das Klima der Eran ist nusschreilend. I,n Eonlmcr ist die Hitze zuweilcil wenig geringer als die der Sahara, und im Winter herrscht dort oft ei» eisiger Nordwind, welcher die Hirten nnd ihre Heerden durchkältet. Veide suchen dnn» hinler Mauern aus dicken Kieselsteinen Schulz, die man auf jedem Schritt in der Ebene antrifft. Man hat ssesehen, wie die Temperatur der Vnft sich während einer Neihc von Nächteil nnter Null hielt, So fror iin Jahre 17I<> der Teich von Verre der-lnaszen zu, das; er Menschen und Thiere zu tragen vermochte.*) Die Regengüsse sind überschwemmend, in einem Augenblicke verwandeln sich die ungeheuern flächen in zeitweilige Seen. Ende Mai 17^4 bedeckten die Gewässer einen Gürtel von einer Meile Breite nnd sechs Meilen iHige, ersäuften eine bedeutende Anzahl uou Thieren nnd rissen beim Verlaufen Bienenstöcke, Bretter, Steine, Hürde», Schutt, ja selbst Häuser mit sich fort; nichts widerstand ihrer Heftigkeit."-'-) Bei dergleichen Elementen scheint die Erau einer ewigen Unfruchtbarkeit geweiht und auf die Nolle beschränkt zu sein, welche sie im Hirlenhauohalt des Südens von Frankreich spielt. Allein gleich dem der Sahara ist das Erdreich der Erau weit davon entfernt, suröde gegen den Anbau zu sein. Trotz der Kiesel, trotz des Mistrals bietet der Boden sich überall, wo das Wasser zugeführt werden kann, allen Kulturen dar. Da der Abhang vo» Osten nach Westen läuft, so konnte man das Wasser der Nl/ine nicht verwerthen. Der vom Heere des Marius Mi Jahre v. Chr. gegrabene nnd I, dic smnMsche Taliaw. mil dem fruchlbaren, von den l^ennissern abgelligerlen Erd. reich bedeckten Boden. Mau könnte also den Zeitpunkt vor. nllssagen, wo die Killtur die Erau erobert haben wird. Ein derartiges Resultat ist aber gar nicht.zu wünschen, denn der Mensch lebt nicht ausschließlich von Pflanzen, nnd die Fortpflanzung der Schafe, die uns nähren und kleiden, ist nicht minder wichtig als die Ausdehnung der Eerealien und des Wcinstocks. Die einander gegenüberstehenden Interessen werden sich einander die Wage halten, und die Ackerbau-Eroberung wird still stehen, wenn die Schafzucht gewinnbringender für die Eigenthümer ist, als die Uniwandlung des Bodens in Ackerland. Welcher Art ist die Natur der Eran kieset? Die meisten sind eiförmig und besitzen eine l^röße, die von der Dicke einer Faust bis zu der eines dickeu Kürbiß oder ciues Pferdckopfes, um mich des Saussurc'schcu Vergleiches zu bedieuen,*) wechselt, '^on außen sind diese Kiesel brann, grau, gelblichweiß oder von mehr oder miuder dnntler Nostfarbe, inwendig aber sind sie weiß. Die Mafse ist hart, tompatt, feintöruig, ^mveileu in Folge einer eigenthümlichen Zersetzung schwammig, locker nnd in Platten sich zertheilend; es ist ein unter dein Namen O.narzit bekannter kicseliger Sandstein. Die dicken Kiesel sind mit grünen oder gelben flechten gefleckt uud bietcu jenes den Geologen so wohlbekannte Aufsehen von Alter dar, welches von dem glatten und schimmernden Anssehen der Nolltiesel jüngerer An^ schwemmuugen so verschieden ist. Die O.uarzite bilden nenn Zehntel der Steine der Erau. Hierauf folgen grüne Serpentine, Hornblenden derselben Farbe, Kiesel von glasigem Quarz, fcrucr quarzhnltige Porphyre, ro-scnrothe Fcldspathgrauitc, rothe Saudstcine und endlich ganz kleine schwarze Kalksteine. Die ^lattersteine der Dorance, vom *) Voyages dans les Alpes. §. 15U5T Die Crmi oder die französische Sahara. 143 Mont Gensvrc stammend, sind sehr selten, doch giebt es keinen Beobachter, der nicht einige Proben davon gefunden hätte. Zwei Folgerungen ergeben sich ans dieser Aufzählung: erstens daß man den Ursprung dieser Kiesel in Gebirgen, die ans krystallinischen Felsen bestehen, d. l>. in den Alpen, wo all diese Felsen sich anstehend finden, zu suchen hat, zweitens daß die Kiesel um so gemeiner und dicker, als die Fels-artcn, aus denen sie bestehen, härter sind. Genau so verhält es sich mit der Stufenreihe der Felsen, welche wir aufgeführt haben vom Quarzit bis ^u deu schwarten Kalksteinen. Diese Kiesel haben also eine lange Strecke durchlaufeu, die minder harten haben sich unterwegs in kleine Bruchstücke verwandelt oder sind selbst ganz verschwunden, während allein die härteren, einen gewissen Umsang bewahrend, in die Nhünc-Ebene gelaugt sind. Dieses Diluvium ruht auf einem Puddiug, der zum größten Theil alls Nollkieseln und Strandsteinen vou schwarzen, Kalkstein nnd mäßigem Umfange besteht, durch ein sehr hartes Kalkcämcnt verbunden nnd mit Kieseln von glasigem Quarz, Serpentinen und Qnarzilen vermischt ist. Lehterc erreichen zuweilen die Dicke solcher des Diluviums. Dieser Pudding oder Nagelflnh streicht unter die Tertiärmolasse, welche die Hügel von Saint-Chamas bildet, ^ii der Grundfläche dieser Molasse stecken noch dicke Qnarzittiesel. Die Ucbereiuanderlage-rung dieser drei Gesteine kann man sehr gut auf dcr Straße uon Zstres nach Miramas einige Kilometer von letzterem Dorfe erkennen. Die ("»'ran ist keinesweg5 die einzige kieselbedcckte Fläche der Provenee. Ablagerungen minder dicker, aber fast ausschließlich aus O.narziten bestehender Kiesel bekleiden sämmtliche Terrainuorsprnngc von Veaucaire bis in die Umgegend vyn Nimcs und Montpellier. Sie sind auch noch auf dem 1^4 Die Crau oder die frmiMsche Slihar«. Ufersaume sichtbar und dehnen sich luahrscheinlich biö iuü Meer hineilt ans. Aehnliche flächen beobachtet man, wenn man anf den Hügeln, luelchc Avignon vou der Quelle von Vauclufe trennen, die Rhone hinaufgeht. Zwei große Wasserläufr haben die Kiesel in die Ebenen der Crau führen können: die Nhune oder die Dnrance; doch habe ich mit meinem Freunde Desor, und später hat Herr Emi-lien Dumas festgestellt, daß die jetzige Nhöne von ihrer Zweitheilung in die große und kleine Rhüne oberhalb Arles ab leine Kiesel mehr mit sich führt; und die Serpentine, die '^ariolitcn, selten in der Cran, aber gemeiner in den im Norden dieser Ebene liegenden Ablagerungen, führen uns gewaltsam darauf hin, das Thal der Dnrauee als das Aufnahmebeckeu zu betrachten, wo sich die Kiesel aufhäuften, welche später die Crau überschütteten. Da die Quarzitticscl der Rhöne-Anschwemmnngcn überall kleiner, als die der Cran sind, so müsscu diese von dem nächst liegenden Theile der Alpen, denen der Dauphins, kommen. Lamanon, ein ausgezeichneter Naturforscher von Salon, mit Delangle, dem Steucrmauuc ?a Peyrousc's auf dessen Weltumseglung von den Wilden Manna's, einer der Inseln des Schiffer-Archipels, getodtet, hat znerst diese Meinuug ge-änßert.5) Vor ihm ward sie von Pcuresc, d?asseudi uud So-lern behauptet. Um die Nichtigkeit derselben nachzuweisen, sammelte Lamanou sorgfältig die Kiesel der Crau und erkannte darunter neuuzehu Spielarten^), daun diesen Fluß bis zu seiner Qncllc entlangziehend, beobachtete er, daß über jedem Zuflüsse der Durance die Zahl dieser Kieselvarietäteu sich ver- *) .lourual de physique, t. XX11. p. 477, uut Siiussiir«-., Voyages dang les Alpes, §. 1595. **) Ponce, ^loge de Lamauoii (SlagaiLu eucyclopedique, t. IV. p. 47, 1797). Die Crml od^ di^ ftainosische Taham. 145 mindert. Nun geht er den bails' jedes dieser Flüßcheu hinanf n»d findet an ihren Ufern die Felsen anstehend, welche die Kiesel der Crau geliefert haben. So gelangt er zu der Gewißheit, daß die Durance vordem durch den Engpaß von Lamanon strömte, nm sich in der Ebene auszubreiten, welche sich zwischen den Voralpen nnd den Hügeln von Saint-Chamas ausdehnt. Der Conlon, der sich jetzt unterhalb Eavaillon in die Durance ergießt, ergoß sich damals nicht in diesen Fluß, denn er hat bei seiner Mi'iuduug^) eine kleine Erau zwischen Eavaillon und Saint-Nenn) gebildet. Herr Elie de Veanmont^^ hat die Nichtigkeit der Ansichten ^amanon's dargethan; gleich ihm hat er in der Eran auf der Strecke der Durance oder ihrer Zuflüsse Proben mehrer in den provenzalischen Alpen anstehender Fclsarten gefunden' er hat den Lauf dieses Stromes aufwärts verfolgt und die laugen und breiten aus Diluvialnblagrrungen bestehenden Terrassen beschrieben, welche seine Ufer beherrschen. Im Frühjahr 185!) habe ich dieselbe Neise mit meinem Freunde Herrn Desor gemacht. Nachdem wir auf dein Plateau zwischen Beaucaire und Nismes bei Aignes-Mortes, dann in der Crau selbst, die Natur der Nollkiesel auf der Oberfläche festgestellt hatten, fuhren wir durch den Engpaß von Vamanon, um das Thal der Durance zu betreten, ^e mehr wir den Lauf des Flusses hinaufzogen, desto mehr uahmeu die Kiesel, welche cr iu seiuem Bette mit sich führt, schnell an Umfang ;u, und zwar genau im umgekehrten Verhältniß zu ihrer relativen Härte, nämlich: die Kalksteine, Sandsteine, Porphyre, Quarzkiesel, ■=•) Notice snr la pl;iine (k- la Crau par feu Lauianoii (Aimales des voyages 1809, t. III. p. 289). **) Recherches sur quelques-uues des n-volutions du globe (Annales des sciences naturelles 1830, t. XIX. p. ßö), imb I.c^ous de gc'ologie pra-ttqne 1S45, t. I. p. 3(17. Wavtiiiä, SvüjiKrnm je. II. ^ ^46 Die Crau oder die französische Sahara. Serpentine und Varioliten. Nur die Qnarzite, die härtesten von allen, botcil einen geringern Umfang als in der Erau dar. Wir begriffen, das; die Diluvialströme, welche sie bis in die Ebene getragen hatten, reißender, mächtiger waren, als die gegenwärtigen Gewässer der Durauec selbst bei Hochfluten; allein die Härte dieser Kiesel ist derarlig, daß die Reibung sie weit weniger abschleift als diejenigen, welche wir vor ihnen erwähnt haben. Ebenso begriffen wir, warum die Kalk-, Oranitkicsel und Sandsteine so selten und tlein in der Eran waren, während ihre Dicke zunahm, je mehr wir aufwärlo dem Pnnkte ihres Ursprungs zngingen. Die Terrassen boten die Stufen, Staffeln, die nivellirlen Oberflächen aller derer dar, welche man in den Hochgebirgen längs der großen Wasscrläufe, wie des Rheins in den Thälern des Kantons l^raubünden^, der ,M>re, des Drac, der Nhöne u. s. w. antrifft. Die Schichten, ans denselben Kieseln wie in der Erau und in dem Flußbette selbst bestehend, bildeten völlig horizontale Lager und boten nur au gewissen Punkten unregelmäßige und örtliche Neigungen dar, welche von der Einwirkung der Diluuialwasser herrühren, die Materialien verschiedener Dicke mit sich führen. Nichts deutete auf eine allgemeine nnd regelmäßige Anfrichtung. Diese Diluvial-ablagerungen waren übereinander geschichtet, oder lehnteil sich oft an einen mehr oder minder kompakten, der Nagel-fluh der Schweiz durchaus aualogeu Pnddiug au; gleich ihr wechselte dieser Puddiug mit Sandsteinschichten ab, welche Eindrücke von Mnscheln nnd sämmtliche Merkmale der Muschelmolnsse darboten. Namentlich oberhalb der nnter dein Namen des Passes von Mirabeau bekannten Eluse war die ^) Siehe über diesen Gegenstand >ll>mo,i-c,' ^»i«^, 1i?4^, t. XIII. l', '!'-'-)- Tie (5rnu oder die fvni^osische Sahara. 1^ Identität des Pnddingö und der ^^olasse ebeil so auffallend, mir die der Molafsc von Zürich mit'der Nagclfluh des Ilelli^ berges. ^) Weiler oberhalb bei der Stadt M<»es bildet der tertiäre Pudding ungeheure Abstürze. Die Schichten sind augen^ scheinlich aufgerichtet, doch bestehen sie durchweg au5 Kalk-kieseln mit Eindrücke», d. h. solche», nn'lche alle einen mehr oder minder liefen hohlen Eindruck auf der Oberflüche derer zurücklassen, mit denen sie ^isammeugeleimt find. Ties ist wiederum ein Merkmal der Kalknagelfluh, und dieses Merkmal genügt, nm selbst verwitterte Puddinge von dem ächten Diluvium zu unterscheiden, da5 nie >tiesel mit Eindrücken zeigt. Bis Chatcau-Arnour folgle eine Terrasfe der andern, sie bieten alle Mertmale eine^ rein ivafserigen ^ciederschlagea dar, aber schon unterhalb dieses Dorfeo befindet man sich einer deutlich charakterisirten Vcoränc gegenüber' eckige und gestreifte Kiesel r>ou verschiedener ?icke, u'irr aufgehäuft und mit (^lei-schcrschlamm vermischt, darüber ächte erratische Blöcke. Dasselbe ist der Fall biü Sisteron. i^hneZweifel erkennt man zuweileu Spllren von Einwirkung dec, Wasfers,' mehr oder minder geschichtete Sand- oder >iiesellager, wie man eo an den gegenwärtigen Moränen in der Nähe der au die Gletscher stoßenden Seen oder der denselben entströmenden Bäche wahrnimmt. Innerhalb der 16 Kilometer aber, welche Ehateau-Arnonx voll Sisteron trennen, ;ieht die Straße die rechte Seitenmoränc de5 alten Duranceglctschers entlang. Die linke Seitenmoräne liegt auf der andern Seite de5 Stromes und endet oben in einem jener geradlinigen O'rale, welche für diese Art von Ablagerung so charakteristisch sind. lim den Nachweis vollständig ;n machen, *) Desor, Bulletin ile la .Societii des srieuccs uatureJles de Neufchätel t. V. p. ()4, seauce du IJ uiai 1850. 10* 148 Die Crau odor die französische Sahara. bemerkt man an der Straße anstehende geglättete lind gestreifte Felsen, welche die Straßcnarbeiten bloßgelegt haben. Die Stadt Sistcron selbst ist von Moränen umgeben; die bedeutendste darunter durch die Zahl nnd den Umfang der Blocke, welche sie krönen, liegt im Norden der Stadt auf der Straße von Gap, bevor man den Vnechfluß überschreitet, der selbst in einem Thalc hinfließt, das von einer großen, zwischen den Dörfern Veyues und Montmaur liegenden Endmoräne durchschnitten wird.-'") Nachdem wir diese Einzelheiten kennen gelernt, liegt in der Zahl nnd dem Umfange der Erautiescl ferner nichts, was uns überraschen müßte. Ein ungeheurer Gletscher nahm ehemals das Thal der Durance und ihrer sämmtlichen Zuflüsse bis Ehateau-Arnoux ein. Während tansender von Jahren hat er in seinen Moränen Trümmer aufgehäuft, welche vou dem Centralmassiv der briam-onischen Alpen herrühren. Znr Zeit der Oletschcrschmelze sind alle diese Materialien vereint mit denen der ehemaligen Anschwemmung durch Ströme von großer Heftigkeit fortgeriffen worden, welche sich durch den Paß vou H/amanon ergossen haben, nm in die Eranebene zn münden. Bei dieser Verführung, welche sich während der langen Schwan-kungs- uud Nückzugspcriode des Gletschers furtgefetzt hat, siud alle bröckligen Felsen zerstört, in Schlamm oder in Kiesel von geringer Größe verwandelt worden. Die Quarzite, die Serpentine, die Porphyre haben allein diesen verlängerten Reibnngen widerstanden nnd sind topfgroß oder noch dicker bis in die Ebene gelangt. Die Crau ist also keineswegs eine Moräne, sondern sie ist gleich den Dünen des Ufersanms auf Kosten der Moräuen des ehemaligen Durancegletschers und der ungeheuern Haufen alter Anschwemmungen, welche dieses Thal erfüllten, gebildet worden. Die Erau ist ein ungeheurer *) Ch. I.ory, description grologicjue du l>;uiphine, p. t)94, Die Crau oder die fran;ösische Sahara. 149 Schuttkegel, eiu gropes geneigtes Delta, wie ich vorgeschlagen habe diese Bildungen zu nennen, nnd das ganze Thal der Durance uon den tüpfeln der dauphinischen Alpen bis zum Engpaß uon ^amanon war das Aufnahmebecken derselben. Die weite Ausdehnung des zweiteu erklärt die des crstern. Geologischer lleberlilick über das Vernetthnl und Unterscheidung der ächten von den nnächten Moränen in den östlichen Pyrenäen. Wenn der Geologe Perpignan verlassen und Pradcs durchwandert hat, dringt er, das Thal der Tet hinanfgehend, durch die enge Schlucht von Vilk'franche in das Seitenthal des Vernrt ein. Er bemerkt die aufgerichteten Schichten rochen, von zahlreichen Höhlen ansgcticften Marmors, welche sich senkrecht zu beiden Seiten des Engpasses erheben, passirt dann den Berg-bach, gelangt zum Dorfe Eorueilla nnd hält vor einer ans Blöcken von allen Größen, Sand und bnnt durcheinander gemischten Kieseln aufgehäuften Böschuug. Wenn dieser (Geologe ausschließlich Dilum'alist ist"'), so wird er die Mächtigkeit dieser Anschwemmung bewundern und die Gewalt nnd Tiefe der Ströme berechnen, welche diese zahllosen Bruchstücke mit sich geführt nnd augehänfl haben. Ist er ein entschiedener Anhänger der Gletschertheorie, so wird er in Entzücken iiber die Dicke der Blöcke, ihre scharfen Ecken und Kanten gerathen, und die Mächtigkeit dieser Moräne des ehe- *) Collegiio, sur les terrains diluviens des Pyrenees (Aniwles des sciences gcoJogiques, 1843, <£. 27 bc>$ Scpavatabbvuctxj. Geologischer U^boMict über das Vernetthal :c. 151 mallgeii b'anigongletschers feststellen. Beide täuschen sich; dicsc Böschung ist ans verwitterten, nicht aber aus verführten Materialien gebildet, es ist weder eine Anschwemmnng noch eine Moräne, wie es auf den erste» Anblick scheint, sondern es ist ein anstehend zersetzter Fels. Uni sich hiervon aber zu überzeugen, »inß man mit einiger Anfmerksanlkeit die Neihcnfolge der Gebirge studiren, welche die Sohle und die Joche des Thales bilden, von dem wir reden. Von der Höhe des ^anigou, eines gramtischeu Massivs, das sich 2765 Meter über dem Meere erhebt, entdeckt man gegen Norden einen Halbkreis von kleinen Thälern, welche sämmtlich von, Fuße des Gebirges ausgehen und nach der Ebene auseinander lnnfen. Nnler ihnen befindet sich das Vernetthal; seine Gesammtlänge beträgt 8 Kilometer von Villefranchc bis Ca-steil, einem unterhalb der alten Abtei von Eaint-Martiu du ssanigou gelegenen Dorfe. Dieses Thal ist nicht einfach; auf der Ostseite besteht es aus vier Aesten von uugleicher Länge. Das erste und hauptsächlichste ist das Thal vou Filhol, welches sich iu das des Vernet in der Höhe des Dorfes Corueilla öffnet; seine Gesammtlänge beträgt 5600 Meter von Corncilla bis zum Joche des Canigou. In der Höhe des Dorfes Vernct erweitert sich das Thal gleiches Namens beträchtlich nnd bietel im Osten nochzwei Schluchten oder Seitenthäler von einigen Kilometern Länge dar, welche alle beide am Fuße des Canigou selbst aus-laufen; das eine ist die Schlucht von Samt-Jean, das andere die von Samt-Vincent. Nach Westen bietet das Vernetthal keine Verzweigungen dar, es wird seiner ganzen Ausdehnung nach von dem von Sahorrr oder Fenillat begleitet, welches vo» der Montagne dc Noja herabsteigt. Kurz das Veruetthal bietet nach Osten drei Verzweigungen dar, welche sämmtlich am Uanigou auslanfen, nach Westen bietet es keine dar. 152 Zoologischer Uoberbliä übcr das Vernetthal :t. Diese topographischeil Fingerzeige waren nöthig, um dir geologischen Einzelheiten gut zn verstehen, ans die ich jetzt eingehen null. Geologische Geschliffenheit des ^clnettljal'es, nnä'chle Wo räuen. Der graue Granit des Eanigou bildet das ^och des obern Endes des Hauptthales nnd seiner drei Verzweigtingen; er ist die Basis, auf die alle übrigen Formationen sich stützen. An diesen Granit lehnen sich mehr oder minder glimmerige Thonschiefer, Dolomite, krystallinische Kalte, mit einem Wort, meia-morphische, durch tausend Uebcrgänge sich ineinander verlierende Felsarten an. Dann kommt ein breites Band von eisenschüssigen Kalken und Schiefern, welches den Nundhügel in sich schliesst, ans -welchem das 5orf kernet erbaut ist. Dieses Band erstreckt sich, einen Halbkreis bildend, in die benachbarten Thäler von Sahorre nnd ,vilhol, wo da') Erz sehr ergiebig wird; es wird in den katalonischen Eisenhämmern von Sahorre, Ria und Ginela im Ande verarbeitet.") ^n den Thonglimmerschiefern, aber auf der Grenze des eisenschüssigen Kalksteines, entspringen die zahlreichen heißen Schwefelquellen, welche die Schöpfung des schönen Bades von Pernet veranlaßt haben. Nach den eisenhaltigen Fels-arteu fangen die Schiefer wieder an, doch haben sie ihre Natur verändert, enthalten lein Erz mehr nnd bilden zwei lange Hügel von 1W bis lM Nieter Erhebung. Einer dieser Hügel, nach Westen gelegen, schließt sich vermittelst der eisenschüssigen Felsen nnmiltelbar an die Montague de Pöne an, welche den Gesund brunnen beherrscht; er trennt das Thal des Vernet von dein von Feuillat nnd endet bei dem rothen Marmorberge der *) Stcbc üfcev btejeu ©cijcuftatlb: Dufresnoy, M<;moii<' sur la position g^ologiqiie iles priiu-ipales mines tie IVr de la partie orienlale des Pyrenees. (Auualtih des uiiues, I&ii4j Gl.'oll>wiäM lk't^Miä ül^r da? V^!N'tt!,aI :c, 17)8 Schluchten uou '^illesranchc. Der andere bildet eine Art von ^porn, der uon der gegenüberliegenden Seite des T bales, vom ^nße des Canigou selbst, au5gehl!»d, sich ansdchiu, zwischen den beiden Thalern des Vernet nild von ^ilhol sich erniedrigt und bei dem Dorfe Corneilla ansläuft. Das Ende dieses Hügels ist es, dessen Böschung der Reisende beim Ankommen bemerkt, und ivelches ans so wunderbare Weise einer alten Moräne ähnelt. Herr de ssollegno Hai diese beiden Hügel als aus lockcrin, zum Diluvialgcbirge gehörigem Gestein bestehend angesehen und setzt sie mit den Erdfällen des Canigou in Verbindung. Doch würde schou eine aufmerksame Prüfuug der Böschung ueben der Straße genügen, im Geiste deö aufmerksamen Geologen Zweifel ^n erwecken. Jedes Dnftgcbirge besteht nämlich gewöhnlich aus Bruchstücken oon Gesteinen verschiedener Natur, die durch das C'is oder die Gewässer fortge^ifseu wurden ; mm sind in der Böschung, von der wir reden, sämmtliche Bruchstücke vou derselben Natur- ec> ist ein brauues schiefriges (Gestein mit gauz düuneu Platten, welche Glimmer einschließen und mit großen ^cldspathkrystalleu gefleckt sind, deren ^änge oft 3 bis 4 sscniimeter beträgt. Wenn man ferner am dem Wege oou Veruet nach ^ilho! die Hügel überschreitet, oder vielmehr, wenn man den ganzen Kamm von dem Fuße des Eanigon bis zu der in der Nähe des Dorfes Corneilla liegenden Böschung verfolgt, so begreift mau fehr gut die Entstehungswcise dieser falschen Moräne. Anfangs fieht man die schiefer sich in aufgevichteteu Schichten über den Grat erheben oder an den beiden Abhängen zu Tage gehen. Je mehr man sich aber von dem Canigon entfernt, desto feldspathigcr und verwitterbarcr wird das Gestein. An mehren Puuttcn ist der Feldspath selbst der Art vorherrschend, daß er, in den Negenschluchlen sich zersetzend, große ^lccken uon granlichem Kaolin bildet. Alsbald zersetzen sich dn> Schichlenköpfe in Blöcke in Form von Paralleüpipeden. 454 Geologischer Ucburl'lick übcr das Vc'rm'tthal :c. Weiterhin ist das feste Gestein unter den Trümmern und dein aus seiner eigenen Verwitterung hervorgehenden Sande vergraben, der Art, das; der gan^c dem Anblick zugängliche Theil des Hügels weiter nichw niehr ist, als eine wirre Aufhäufung von Trümmer» jeglicher Dicke und verschiedenartiger Form. Die dicken Blöcke haben oft scharfe Kanten nnd spike Winkel, weil der Schiefer von Natnr eine Neigung besitzt, sich in sechsseitige Polycdrcn zu zertheilen- man sieht das sehr gut in den zahlreichen, von den Negenwassern ausgehöhlten Schluchten und namentlich bei den Erdfällen, welche jeden Frühling in Folge der Wntterfröste n»d des Anfll,aueus stattfinden. An diesen Punkten erkennt mau oil den schiefrigeu Ban des Gebirges, wofern er dem Beobachter nicht durch den Sand, die Trümmer oder den Tbon, der aus der Zerschung de5 Feldspaths hervorgeht, verhüllt wird. Ein vorspringender, Eamarolas genannter und über dem Dorfe Eorneilla liegender Felsen hat der Verwitterung Widerstand geleistet nnd ^eugt durch seine (Gegenwart von dem schiefrigcu Bau der moränenförmigen Böschnng, der er angehört. Der gegenüberliegende Hügel, welcher das Vernetlhal uou dem uou Fcnillat scheidet, hat ein noch verfänglicheres Aussehen -parallel znr Thnlnre, in einem scharfen ^rate endigend, mit riesigen eckigen Blöcken übersäet, ;cigt er nirgends den Nand der Schichten, welche sein inneres Gerippe bilden. Die Zersetzung des Felsens ist derartig, das? die Hauptmasse des Berges ans Sand besteht. Härtere Kerne, welche der Einwirkung der atmosphärischen Kräfte Widerstand geleistet haben, ähneln erratischen Blöcken; nur oberhalb des Thales, bei der Berührung mit dem eisenschüssigen Kalkstein haben die weniger veränderlichen Schiefer der vereinten Thätigkeit der Lnft und des Wassers widerstaudeu, ^mmerlnn geigen sie wie ihre Verwandten anf der andern ^eite des 5ha!e5 tiefe Spuren von Geologiscker Ueberbliä üwr d,nettbal :c. 155 Verwitterung, ganz geeignet, den Zustand des übrigen Hügels zn erklären. (?iu letzter Beiveis endlich, daß die Materialien dieser Anhöhe, nnd die der gcgeuüberliegendr» Seile keineswegs verführi sind, besteln darin, daft diese braunen Glimmerschiefer init großen Fcldspachtrnstallen in den, ganzen Massiv des b'a-nigon gar nicht vorkommen, von dem sie doch hätten herkommen müssen, wenn sie nicht das Resultat der Verwitterung eines anstehenden Gesteins wären. Herr Znnqnct, Ar;i in Pernet und ausgezeichneter Beobachter, welcher deu l^nnigou uach allen Richtungen dnrchslreift, hat dieses bestem dort nie beinerkl. Wenn wir fortfahren, den Viingsdurchschnilt des Vernet-thalcs ;n untersuchen, so sinden ivir ein kleines Massin, welches aus einein Pudding von O.nar^geschieben besteht, die dnrch ein Bindeniittel uereini. werden, dessen Nalnr der der Thonschiefer, welche ihm folgeil, analog ist. ^ic flachen, enormigen, in dieser C^rnndmassc steckenden Geschiebe sind uuter allen Winkeln auf-gerichtet, so daft ihre grosse Are fast senkrecht wird. Sie erin. »er» in auffallender Weise an die P»dd,»ge von Pallorsine in Savoyen. Dies sind die Geschiebe, nn'Ichc den Strand des Meeres bedeckten, in welches sich die ungeheuren Kalksteinmasscn abgelagert haben, von denen sie nnr dlirch ein dünnes Band von Thonschiefern getrennt werden; ein Bach hat sich sein Bett zwischen diesen Schiefer» nnd den, schönen rothen Marmor mit anfgerichlelen Schichten gegraben, dessen Bruch das Vernetthal geöffnet hat, nnd der das mächtige Massiv des Berges bildet, an deu die Festung Billcfranche angeleimt ist. OlctscheM's'ilge des Mrnetthales. Man wnrde sich irren, wenn mau glaubte, daft die grofteu Dillnnalströme und die Gletscher, welche sich im Vaufe derweilen gefolgt sind, leine Spur iu^dcm Beruetihale zurückgelasjeu l>äl> 156 Geologische Überblick nb»r das Vemrttlial ic. ten ; diese Spuren sind, wiewohl weniger vollständig als nil vielen andern Stellen der Alpen nnd Pyrenäen, doch vorhanden. Der Thalgrund ist ans einer Anfschwemmung von Kieseln nnd Rollblöcken gebildet, welche sich mehre Meter über dem Nivean des gegenwärtigen Strome?, erhebt' über dieser Aufschwemmung aber findet man une in den Alpen eckige Blöcke, welche dnrch das Eis verführt sind. Das kleine Seitenthal von Saint-Vincent, eine Abzweigung des Vernetthals, mündet in eine tiefe Schlucht des (5anigou, ivelchc sich in einen von der Spitze des Berges selbst beherrschten Cirkus öffnet. Durch diese Schlncht stieg der mächtigste der drei Zuflüsse herab, welche den ehemaligen Gletscher des Vcrnetthales bildeten; anch hat er nach seiner Vereinigung anf dem Boden eine mächtige Mittelmoräne zurückgelassen, deren angehäufte Materialien ein kleines längliches Plateau bilden, welches sich M bis 15 Meter über den l^ewäfscrn des Stromes erhebt. Die Blöcke bieten sämmtliche Merkmale derjenigen dar, welche durch das Eis verführt wnrden, verglichen mit denen, welche die Wasser gerollt haben. Ich werde mich mit einer kleinen Anzahl von Beispielen begnügen, liegen die Höbe der Schlncht ist eine Hütte an einen Block von grauem (Granit in Form eines Pa-vallelipipcds mit spitzen Ecken nnd scharfen Kanten angelehnt; derselbe hat 8 Meter Länge, 4 Meter Höhe nnd 5 Meter Breite, ;wei andere in der Nähe befindliche Blöcke haben nicht geringere Verhältnisse. (Nn (vrdfall des diese Blöcke beherrschenden Hügels ist nicht aufnehmen, denn er besteht ans glimmcrigen Schiefern nnd trnstallinischen Kalten. Dnrch diese Schlncht von Saint-Vinecnt stieg dcr Hanptgletschrr herab, die Zuflüsse kamen vom Thalc von Oastcil, einer Verlängernng desjenigen des Vernet, von der kleinen Schlncht von Saint-Iean und vom Thale von »M»ol. Ueberall haben diese Znflüfse nngehenre Granitblöcke vom (^anigon, Haufen von Sand-nnd eckige Bruchstücke hin- Geologischer Uel'eMiä über das Verneilhal :c. 1.5? terlassen, welche auf dein Diluvium von Noll fiese!,, ruhen, welches deil Grund des Thaler bildet. Namentlich unterhalb des Dorfes Vernet haben diese in eine einzige vereinten Moränen eine solche Anhäufung uon Blöcken zurückgelassen, daß der jedes Anbaues n„fähige Boden init Kastanien, diesen charakteristischen Bäumen der Kicsclmoränen, bedeckt ist; dort auf einem Raume uon elwa ^ Quadrat-Ki-lometern sind die eckigen Blöcke von jeder Dicke aufeinander ge-thürmt, und man kann sich, wrnu man sie mit denen, welche der Strom gerollt hat, vergleicht, vou ihren Verschiedenheiten überzeugen. Eine kleine Anzahl dieser Blöcke findet sich in der Schlucht wieder, welche bei der Festung Villefranche mündet; unterhalb dieses Burgfleckens aber, in dem Thale von Prades, bemerkt man noch einen Haufen derselben auf den, rotheu Marmor oder auf dem Diluvium ruhend. Wenn noch Zweifel in Bezug auf den Gletscherurspruug dieser Massen übrigbleiben könnten, so würde», sie, glaube ich, durch die Prüfung einiger anderer im Thale zerstreuter erratischer Blöcke gehoben werden; es sind weithin sichtbare uud uon zwei Gängen des ssanigou stammende Blöcke uon weißem Quarz. Einer dieser Gänge liegt bei den Graten, welche sich über der Schlucht oon Saint-^ean erhebe», der andere befindet sich mehr als 200l» Meter über dem Meere nach dem innern Theile des von der Spitze des <^anigou beherrschten Cirkus zu, der sich in die Schlucht von Saint-Vincent öffnet; auf Kata-lonisch heißt dieser Ort las C u u q u a s. Der ehemalige Gletscher des Bernet hat diese auffallenden erratischen Blöcke an mehren Puukteu ucrstrcut. Zunächst sind ans dem schicferigen Hügel, welcher das Seitenthal uon Samt-Vincent uom Filhol-lhale scheidet, an zwanzig weilhiu sichtbar, die auf dem Grat des Hügels etwa 150 Meter über dem entsprechenden Thal-gruude ruhen; mehre finden ftch in den Weingärten des West. abhanges desselben Hügels, eiuer darlinter hat nicht lueniger als 5 Nteter Länge bei I mid 4 Meter Breite und Höhe. Ail-dere Blöcke sind alls den Ostabhang dieser Anhöhe geworfen morden und über Filhol liegen geblieben. Einige finden sich anf dcr andern Seite dieses Thales bei den Minen in der Mhe einer verfallenen, dem heiligen Petrus geweihten .Kapelle, die sich auf einem Fehen grauitischer Moräne'erhebt -einige andere liegen auf dein Grunde der Seitenthäler von Saint-Jean und Saint-Pinmu. Endlich sind »lehre diefer charakteristischen Blöcke auf den Hügeln östlich von Praocs ;u sehen; einer derselben, lM Bieter oberhalb dcr Stadt nnd zur Viukeu der Straße, schwebt über der geneigten ss-lächc eine5 schiefrigen Hügels in einer ^age, n>orin ein Vnsserstroiu ilin nufehlbar fortgerissen haben n'ürde; anch er hat i'i Meter Lange bei 8 und 4 Meter in den übrigen ^erliältnifsen. Tie Zeit fehlte mir, um mit Sorgfall die Glelschergesteinc der Umgegend uon Prades zu untersuchen, allein die Gegenwart dieser weißen Quarzblöckc ist ein Anzeichen, daß der Gletscher deo d'anigoll sich bis 15 Kilometer elwa uom Orte seines Ursprlinges er-streckte. Jenseit Prades findet mau nnr noch das pyrenäische Diluuillin, dessen mächtige Ablageruugen so sichtbar unterhalb des Dorfes Vin<^a sind. Iu der Abweseuhett gestreifter Diesel in den Moränen von Saint-Viuccut und des Veruet liegt nichts, nwrüber man sich unlildern müßte, weil sie eiuzig und allein aus sehr harteu lie-seligen Gesteinen bestehen, Diese gestreiften Diesel sind stets Kalksteine oder Schiefer, und die Streife» sind »nr i» den Fällen deutlich sichtbar, wo Kaltbruchftücke vo» tieseligem Sande 'gestreift sind. Die Kiesel der Moränen den setzigen Grindel-waldglctschers bieten einen Beleg hierfür dar. Nicht glücklicher bin ich beim Aufsuchen von anstehend geschliffenen und ge-strcifteu Felsen gewesen, sei es bci meiner Besteigung des Ca- Geologische U^'ll'lick übcr d>,c- V^,nett!wl :c. 159 nigou, sei es bei der Prüfling der Kalkgestcinc der Schlucht von Villefranchc, n'clche die Spuren dcr dnrch deil Gletscher hervorgebrachten Abschleifnng hätten bewahren lönncn. -Hudmorcineu uon Mont-^ouis. Wenn man den ober» Theil dc5 Thales der Hel uo» Vil-lefranche nach Moni-^ouis hinaufgeht, so erkennt man nirgendä sichere Spnren vom -! >t!lomeiern biü ;n dcr imposante» Gebirgs-gruppe des d'arlil, n>o die Tel und die Ande entspringen, nnd deren höchster Gipfel, der Puig de ^arlit, sich bis ;u W20 Nle-ter über dein Meere erhebt, ^n dieser l^vuppe muß mau den Ursprung deo ehemaligen Gletschern suche», dcsse» Endmoräne wir beschreibe» wolle». Die Arbeite», welche da5 militairischc t^enic um den Monl.^onis hat a»sf»hrc» lassen, und die Schlucht der Tct, welche diese Moränen durchschneidet, enthüllen ganz deutlich ihre Struktur. Die Hauptmoräue erhebt sich 111 bis >>0 Meter nbcr dein Plalcan, sie erstreckt sich, einen Kreisbogen bildend, dessen Hohlseile dem Carlil zugewandt ist, in einer Länge von etwa 5» Kilometer, ^hr Kaunn ist wellen förmig nnd wird von riesigen erratischen Blocken überragt: viele andere, von der oberflächlichen Mittelmoräne kommend, sind hinter den Endmoränen über das Plateau verstreut. Die beiden Moränenrcihcn, welche sie umschreiben, sind weniger dcnllicli, weil sie sich aus dem Abhänge abstufen, welcher die Citadelle von Mont-Louis trägt und bei dem Dorfe Cabanas endigt; doch erü'nnt man sehr gul ihr Vorhandensein nnd tanu sich überzeugen, daß die lchtcu erratischen Blöcke die Niveaulinie, auf welcher sich die ersten Bastioneil der Citadelle befinden, uicht überschritten haben. Diese Blöcke sind zwiefacher Natur, die gewöhnlichern von weißem Granit mit schwarzem Glimmer, die andern von einem schwartn in «Granit übergehenden Lep-tinit; die Moräne selbst besteht aus Kieseln vou grünem Schiefer, die offenbar gerieben, geschliffen und gestreift sind. Die Gegenwart dieser drei GesteinZarten in der Moräne beweist uu5 ihren erratischen Ursprung; eine Prüfung der Beschaffenheit de5 Plateaus bestätigt diesen Schluß; die Moräne ruht nämlich auf einem sehr zersenlicheu grauen Grault, der am Abhaugc des Plateaus und ringo nm dar, Dorf Cabanas über den Boden hervorragt. Dieser Granit sticht dnrch sei» erdiges Aussehen und seine Bröcklichkeit eigenthümlich gegen den weißen, harten nnd durch die Atmosphärilien unangreifbaren Granit ab, wel^ cher die erratischen Blöcke der Moräne bildet. Man t'ann also diese Anhäufung von Bruchstücken nicht als ein Resultat der natürlichen Zersetzung eines anstehenden, oem der moränenför-migcn Hügel des Pernet ähnlichen Gesteine betrachten. Mächte Moräne der ^scaldas. Alle Autoren, welche von der Zersetzung des Granits in Blöcke handeln, führen die des Morvau in der Umgegend von Geologischer Ncbcll'Iid iib^r ^''> Veriictthal -c. 1ss1 (^lermonl und voil d'ornwallw in England an. Trotzdem bc zweifle ich, ob inan i» diesen Ländern eben so erstaunliche Er scheiuungen beobachtet hat wie die, welche man nicht writ von Mont-Louis in dem kleinen französischen Thale der Escaldas bemerkt, das sich Pnncerda gegenüber in die spanische Ccrdagne öffnet. Hier ist die Aehnlicht'eit init einer ächten Moräne iuie-dernm derartig, daß ich die unterscheidenden Merkmale uon zwei sehr ähnlichen, aus völlig verschiedenen Ursachen entspringenden Wirkungen hervorheben zu müssen glanbe; denn wenn »d für die beschichte der geologischen C'poche, welche derjenigen, worin wir leben, vorangegangen, wichtig ist, überall die Spnren der ehemaligen Gletscher anzuzeigen, so wäre nichts verdrießlicher, als mit Moränen oder Diluvialflächen Verwitternngen von Oe-steillen zu verwechseln, welche den Driftgebirgeu ähneln. Das kleine Thal der Escaldas ist durchaus granitisch. Hinter dem Gesundbrunnen erhebt fich ein Querhügel, welcher das Thal zu versperren scheint; derselbe besteht aus einer Anhäufung von Blöcken jeglicher ("rüße und der mannichfaltigsteu Formen. Zuweilen fieht man vier bis fünf Blöcke auf die sonderbarste Weise übereinander gethürmt. Der Granit, woraus sie bestehen, ist hart und kompakt, seine Oberfläche bietet keine augenfälligen Spuren von Verwitterung dar, uud ich zweifle nicht, daß auf den ersten Anblick jeder Geologe glauben würde sich einer prächtigen Moräne gegenüber zu befinden. Dieser Wahn wird dnrch eine aufmerksamere Prüfung erst erschüttert, daun völlig zerstört. Ersteus ist diese scheinbare Moräne oberhalb konkav, unterhalb konvex, gerade die umgekehrte Form derjenigen der wnl'N'n Moränen. Sie besteht unr ans dicken Blöcken, nirgends sieht man kleine Bruchstücke. Sieht man näher zn, so bemerkt man, daß der Granit bei der Berührung mit dem Boden Spnren von Verwitterung zeigt, die Blöcke sind nach Grnp-pcn geordnet, welche offenbar das Resultat der Absondernng 163 Geologischer Ueberblick über dao Vernetthal :c. ein und desselben granitischcn Gesteins sind, endlich ist der Boden, ails dein sie rnhen, ein Granit, der eins ist mit dein, worans die Blöcke bestehen, »nd steigt man anf diese scheinbare Moräne hinauf, so sieht man alle umliegenden Berge gleichfalls mit Blöcken von der Basis bis zum Gipfel bedeckt. Nichts erinnert an jene Züge, welche anf den Thaljochcn in einer gewissen Höhe und anf ein nnd derselben Niveaulinie liegen, welche mit der Oberfläche des ehemaligen Gletschers, der sie absetzte, zusammenfällt. Jundsiiiclier und Moränen blocke des Zarol'lsiales. Bei einem Besuche des gramlischen (,'arolthales tann der l^'eo-loge sofort die wahren Moränen mit den falschen vergleichen. Das Dorf der Tour de Oarol liegt anf dem Puntte, wo das Thal sich Pnycerda gegenüber über dem Plateau der spanischen (5erdagne öffnet. Oberhalb des Dorfes ist das Thal dnrch eine- halbkreisförmige Moräne versperrt, deren konvexe Seite thalwärts gewendet ist; es ist ein Damm von 4 bis 5 Meter Höhe, der die Form eines dreieckigen Prismas hat, das ans Sand, nn-regclmäftigcn Bruchstücken gebildet, nnd von eckigen Blöcken überragt wird. Vergwärts hat der nnverwitterte Granit dieses Thales überall die Spuren der Leibung des Eises bewahrt. Sämmtliche Felsen sind geglättet, geschliffen, gerundet, gestreift. Die Streifen sind parallel zur Are des Thales, die Nundhöcker sind namentlich bergwärts geschliffen und geglättet, während sie thalwärts oft Böschungen darbieten, welche der nivellirenden Thätigkeit des Gletschers entgangen sind. Diese Erscheinungen sind namentlich anf den zahlreichen Anhöhen fichtbar, welche ans dem Thalgrnnde auftauchen. Man verfolgt sie bis znm obern Ende desselben am Fuße des Col dc Puymauriu, welcher zumVade von Ar imArriöge-Departemcnt führt. Die berühmten, Geologisch« Ncl'^'l'lick über das Venn'tthal :c. 1ßZ so oft angeführten Nnndhöcker der Handeck in der Schweiz sind nicht besser charatlerisirt als die des ^arolthalcs, lind das Phänomen zeigt sich in großartigerem Maßstabe in dem Pyre-näenlhalc als in dem der 'Alpen; der ehemalige Gletscher des (5arollhales stieg ebenfalls von der (Gruppe des Carlit herab, und seine Endmoräne befand sich noch etwa 139l) Meter über dein Meere. Da der Gletscher von Mont-^ouis bei M">0 Meter innehält, so treffen wir in den Pyrenäen dasselbe Phänomen wie in den Alpen an, daß nämlich die ehemaligen Gletscher gleich den jetzigen tiefer anf dem Süd- als anf dem Nordabhangc Iiernnterfteigen. ^n den beiden Ketten rührt dieser Unterschied oon der Anordnnng der Anfnahmebccken her, die beträchtlicher im Süden als im Norden sind. Da sich dort größere Schnccmassen anhänfen tonnten, so erstreckten sich anch die Gletscher, welche sie entsandten, weiter nnd stiegen tiefer hinab trotz der höhern Temperalnr des Südabhangcs. N* Die Glllilcitnlmuc in Florcm. Zn Anfang des 17. Jahrhunderts hatte sich die Macht des menschlichen Geistes in den großen Künstlern geoffenbart, welche Floren; mn diese Zeit verherrlichten. Architekten, Maler nnd Bildhaner hatten ihre Bcstrcbnngeu vereint nnd eine Stadt ge-schasscu, in der die harmonische Gesammtheit der Meisterwerke anf die Phantasie cinen eben so tiefen, feierlichen Eindruck hervorbringt als der Anblick großartiger Naturschanspiclc. Allein während die Kunst sich zn einer Höhe erhob, welche sie mel--leicht nie übertreffen wird, schien die Wissenschaft ;u schlummern. Die Künstler rcproducirteu die äußere Welt, indem sie dieselbe vergeistigten, die Gelehrten dagegen schlössen sich in düstere Bibliotheken ein nnd befragten die Werte des Aristoteles nm die Ursachen uud die Erkläruug der Phänomene, welche sie vor Angcn hatten. Endlich kam Galilei, nnd mit ihm beginnt eine ncne Aera für die physikalischen Wissenschaften ; das Studium der Natur erseht das der Bücher, und die Analyse der Erscheinungen stößt die poetischen Hypothesen um, welche die Alten ersonnen hatten, ohne zur Beobachtnng zn greifen. Owlilei ist also zugleich der Gründer der erperimcinaleu Physik und der Schöpfer der mathematischen Physik. Er znerst hat durch seine Arbeiten gezeigt, daß Beobachtung, Experiment nnd Analyse die Die Galileitribüne in Florenz. 165 Mittel sind, wodurch der Mensch zur Kenntniß der unwandelbaren Gesetze gelangen könne, welche die physische Welt regieren. Allein die Entdeckung des Pendels, der Gesetze über den Fall der Körper, des Teleskops, der Phasen der Venus, der Satelliten des Inpiier, der Mondgcbirge, des Thermometers und der Bcwaffnnng der Magnete sind in den Angen des Philosophen die geringsten Ansprüche Galilei's auf die Verehrung der Nachwelt. Der Apostel einer edlen Sache, ward er der Märtyrer derselben, und der von gransamen Priestern im Alter von achtn ndsechzig Inhren eingekerkerte, verhörte, gefolterte, der blinde Galilei, der die letzten Jahre seines Bebens unter dem stets offenen Auge und der stets drohenden Hand der Inquisition hinschleppt, wird in meinen Angeu der Christus der von der Unwissenheit und dem Fanatismus gekreuzigten Wissenschaft. In seinen Werken hat sich Galilei ein unvergängliches, der Bewunderung der Gelehrten dargebotenes Denkmal gesetzt, aber nichts bezeichnete ihn der Achtung der Menge und der Dankbarkeit der Volker. Ein schönes Portrait von Sustermans in der Gallerte der Uffizien, ein bescheidenes Grabmal in der Kirche von Santa Croce das ist Alles, was seinen Landsleuten das Dasein dieses erstaunlichen Genies zurückrief-Würdig war es des Fürsten, welcher im Jahre 1840 über Tos-kana herrschte, Galilei ein Dentmal zn weihen, um seinen Ruhm volksthümlich zu machen, edle Triebe ;u wecken und Florenz daran zn erinnern, daß es einen Mann, eben so groß als Dante in der Poesie nnd Michel Nngclo in den Künsten, hervorgebracht hat. Die Galileitrib ü n e ist ein länglicher, mit einem Halbkreise abschließender Saal, i» dessen Hinlergrunde sich das Standbild des berühmten Astronomen erhebt. Frestogemälde erinnern an die hauptsächlichste!! Abschnitte seines wissenschaftlichen Vebens. 166 Dir Galilcitribünc in Florenz. Auf dem ersten ficht man ihn noch jung, aber tief w die Betrachtung der Schwingungen einer ^ampe versuilkeu, welche an einer laugen Kette vom Gewölbe dos Doms von Pisa herabhängt. Er zuerst entdeckt in diesem gan^ gewöhnlichen, seit Jahrhunderten unbeachteten Umstände ein wichtiges Gesetz, das des Isochronismus der Schwingnngen, denn er erkennt, daß die Schwingungen des in Bewegung gesetzten Pendels merklich dieselbe Daner besitzen, obgleich ihr Ausschlag sich unaufhörlich verringert. Durch diese einfache Bemerkung liefert Galilei das Mittel, die Zeit mit Hülfe von Uhren, die mit einem unveränderlichen Pendel verschen sind, genau zn messen; allein es war den Einen znfolgc seinem Sohne, den Andern zufolge Huyghens vorbehalten, diese wichtige Anwcndnng des von ihm entdeckten Grundsatzes zu machen. Eine andere Freske stellt Galilei dar, wie er vor der Universität in Pisa das Gesetz vom Falle der Körper und der Zerlegung der Kräfte nachweist, in dem er eine Kugel auf einer geneigten Fläche rollen läßt. Um ihn her sind seine aufmerksamen Zöglinge gruppirt, während zwei Scholastiker vergebens eine Erklärung dieser neuen Thatsachen im Aristoteles suchen. Im Hintergründe des Gemäldes bemerkt man den hängenden Thurm, auf dem Galilei die direkten Erperimeutc machte, welche das dnrch die Malerei dargestellte bestätigten. Auf eiuer dritten Freske befindet sich Galilei zu Venedig. Der Doge und die Senatoren kommen, nm Zeugen der wunderbaren Macht des Teleskops zu seiu. Schiffe, kaum sichtbar am Horizont, siud durch das magische Instrument näher gerückt worden, und der große Maun legt die unermeßlichen Folgen seiner Entdeckung für die Schifffahrt uud Astronomie dar. Endlich sehen wir Galilei alt, blind, von der Iuquisitiou gebrochen, in seinem Hanse zu Areetri gefaugeu und seinen würdigen Zöglingen Evangelism Torrieelli und ^ineenlio Die Galileitribüne in Florenz. 16? Viviani den geometrischen Beweis der Gesetze vom Fall der Körper diktirend, welche er znuor durch das direkte Experiment gefunden hatte. Unter diesen Fresken, welche uns die Hauptabschnitte aus dem wissenschaftlichen Leben Galilei's vorführen, hat man mehre von ihm selbst erfundene nnd konstrnirte Instrumente aufgestellt. Es sind zwei Fernröhre und ein Objektivglas, welche er mit eigener Hand gearbeitet hatte. Mit diesem Objektiv entdeckte er die Satelliten des Jupiter, m0(,ÜL(n Liäsi'^ von ihm genannt, die Phasen der Venus und die Gebirge des Mondes. Er zuerst erkannte, daß die Nebelflecke Haufen ganz kleiner Sterne sind, und gab die Abbildung der in den Sternbildern des Orion und der Plejaden gelegenen. Er zeigte, daß die Milchstraße ans einer endlosen Zahl dicht genäherter Gestirne bestände. Diese großen Entdeckungen lunrden von ihm in einem kleinen zu Aufang des Jahres U)1l) in Venedig gedrncktcn und 8iä6i'6u8 nunciu» betitelten Werke niedergelegt. Weiterhin bemerkt man einen von Galilei selbst bewaffneten Magnet, denn er hatte beobachtet, daß man dnrch Anbringung dünner Platten von weichem Eisen an den vorher polirten natürlichen Magnet die magnetische Kraft seiner Pole vermehrt. Neben diesem Instrument befindet sich ein Finger Galilei's, der von seinem Leichnam abgelöst wurde, als man ihn nach der Kirche von Santa Croce überführte, wo er jetzt ruht. Galilei hatte vier Schüler, Eastclli, Cavalieri, Torricelli und Viviani, hinterlassen. Die drei erstern überlebten ihn nicht lange; letzterer, ein berühmter Mathematiker, bewohnte zu Florenz ein Haus, das er der Freigebigkeit Ludwig's XIV. verdankte, wie es eine Inschrift vermeldet, die zn lang ist, nm nicht die ^ednld des Vorübergehenden zn ermüden. Vim'ani gehörte allein unter den vier Schülern Galilei's der berühmten ^a-lwmw ^ 0im»nw an, welche die großen Traditionen des Meisters bewahrte. Sie ward 1l!'>7, fünfzehn Jahre nach dem ^.68 Die Galileitribüne in Florenz. Tode Galilei's, vom Herzog Leopold gegründet. Ihr Titel und Wahlspruch, I^-ovaudo e i'Mmand^ zeigen hinlänglich den Geist, der sie beseelte. Sich Experimenten widmen, sie nnablässig wiederholen und variiren, den anfänglich überzeugendsten Resultaten und den anscheinend berechtigtsten Schlüssen mißtrauen, das war die Methode dieser berühmten Gesellschaft. Von dem Geiste Galilei's beseelt, sehte sie den Kampf under die scholastischen Doktrinen fort, welche die Zukunft der Wissenschaften auf's neue bedrohten. Viviani, Vorelli, Dati, Paolo del Bnono, Marsili, Eanoido del Vnoiio, Magalotti, Ninaldini und Nedi waren die einzigen Mitglieder dieser Genossenschaft. Ihr Gründer, Prinz Leopold, präsidirte ihr, nnd' sein Brnder, der Groß-herzog Ferdinand II., wohnte oft ihren Sitzungen bei. Ein glücklicher Gedanke war es, neben den Instrumenten Galilei's diejenigen der ^o^äomm M pimento anfzustellen, n'elche erhalten sind. Sie sind zahlreich genug, um sich eine richtige Vorstellung von den um diese Zeit angestellten Operationen zn machen; nnd die meisten darnnter sind in der Geschichte der Physik berühmt. Zuvörderst zieht eine Menge vou Thermometern den Blick ans sich; die einen, sehr laug und vou kunstvoll gearbeiteten Glasfüßen getragen, erinnern daran, daß zur Zeit, wo die Wisseuschaftcu kaum ans dem Stillstände, zn welchem der Katholizismus sie verdammt hatte, hervorgingen, die schönen Künste bereits in vollem Glänze gestrahlt hatten. Unter diesen Thermometern giebt es solche von kleinem Verhältniß, die den Meteorologen in hohem Grade iutcressiren. Es sind dies Instrumente von völlig gleichem Gange, sämmtlich unter sich verglichen, welche die Akademie unter eine bedeutende Anzahl von Beobachtern in Toskana vertheilt hatte, um zu einer Kenntnis vom Klima dieser tagend zn gelangen. Die Mönche verschiedener Klöster beobachteten sie regelmäßig, während Naineri fünfmal Dili Galikitrilmne in Florenz. 169 täglich das Thermometer des Kloflero dei Angelt zn Florenz ablas. Diese Beobachtungen wurden mehre Jahre lang fortge-fei.U. Leider machte Rom, als Prinz Leopold nin den Kardi-nalshnt nachgesucht hatte, ;ur Bedingling seiner Erncnnnng, daß die Akademie, welche er gegründet hatte, aufgehoben und die unter ihrer Leitung angestellten meteorologischen Beobachtungen eingestellt würden. Der Pri»^ opferte seine Mitarbeiter, die Akademie ward nnfgclöst, ihre Mitglieder verfolgt, die Schriften Galilei's und seiner Schüler zerrissen und verbrannt. Vorclli, der Gründer der Thierphysik, war gezwungen, in den Straßen von Florenz betteln zu gehen, und Oliva suchte, nachdem er einmal der Strenge der Inquisition zum Opfer gefallen war, im Selbstmord eine Zuflucht vor neuen Foltern. Trotzdem gingen die Arbeiten dieser Märtyrer der Wissenschaft nicht gänzlich für die Nachwelt verloren. Durch einen glücklichen Zufall fand man vor einigen Jahren die thermomclrischcn Beobachtungen wieder, die Naincri angestellt hatte, doch tonnte man gar keinen Gebranch davon machen, weil man den Werth der Gradeintheilnng der Thermometer der ^0Ä^>'N' Libri nntcrnabm es, ihre Gradeintheilnng mit dcr der heutigen Thcrmomctcr vergleichbar zu machen. Er sah, daß diese Instrumente, in das schmelzende Eis getaucht, sämmtlich zwischen dem dreizehnten und vierzehnten Theilpunkt stillstanden, daß der Ausgangs- oder Nullpunkt dcr Gradciutheilung dcr Akadcmi- *) Diese Thermomttcr habcn ctwa 12 ^ittimttcr ^a>,gc, ihn K»,^> l>.it 1<: Millimctcr Dürchiiicssci - di^ Or>idc. :'»<> au dcr ^bl, sind dlirck schw.n^ EniaittN'pichcii l,'^cich„ct, .nl.^ciiouniicli dic Gradc U», 20, .'j>>, 4»! lind l'^),wclchc durch weißeTröpsch.'!, untcrschicdc!! siüd, Dic Fliissiglcit ist sarbl^se^ Wcittg^ist. Kie Galileitribime in Florenz. 171 kcr uoil Florenz 18",7i) unter Null dev huuderttheiligen Thermometers entsprach. Auch erkannte er, daß der 44. Grad des Thermometers cwl (^'ini^illo (!2",l> der hnndertlheiligen Skala entsprach. Mit Hülfe dieser Elemente war es leicht, das Verhältniß der beiden Skalen zn finden und annähernd zu erfahren, welches das Klima uon Florenz gegeu Ende des 17. Jahrhunderts war. Indem er sich auf diese Angabe, verbunden mit denen stützte, welche ihm durch die Astronomie, die meteorologischen Jahrbücher und die Pflanzengeographic geliefert wurden, hat Herr Arago in d?m ^umuürb uon 1834 die beiden Fragen gelöst, welche wir in diesem Absätze aussprachen. Er hat bewiesen, daß die Erde sich seit den historischen Zeiten nicht merklich abgekühlt hat und daß die mittlere Temperatur vou Tos-kana dieselbe geblieben ist, außer daß die Winter heutzutage weniger kalt und die Sommer weniger heiß sind, eine allgemeine Folge der EntHolzung in allen Ländern, wo sich die Urbarmachung nicht in weisen Grenzen gehalten hat. Nächst der Messung der Wärme ist die des Fenchtigkeits-verhältuisses iu der Luft du' wichtigste iu der Klimatologie. Eine heiße nnd trockene Luft waudelt alsbald das fruchtbarste Land in eine dürre Wüste um, bei einer laueu uud feuchten Atmosphäre verschwindet der Boden unter micr üppigen Vegetation. Der Großhcrzog Ferdinand II. erfand ein Instrument, das dazu bestimmt ist, die Feuchtigkeit der Luft zu schützen. Dieser Apparat, auf das Prinzip der Verdichtuug der Dämpfe gegründet, ist in der Tribüne unter den Thermometern, von denen die Nede gewesen, aufgestellt. Jedermann weiß, daß, wenn man Sommers eine Flasche Wasser aus dem Keller heraufholt, dieselbe sich sofort mit einem leichten Thau bedeckt. Dieser Thau war im Zuswnd unsichtbaren Wasserdampfes in der warmcn Vufl vorhanden; derselbe geht wieder in den flüssigen Zustand üw- bei der Berührung mit wn lallen Glasc, welches 173 Die Galileitribüne in Florenz. die Temperatur der ^uft erniedrigt und ihr das Vermögen benimmt, das Wasser im Zustande des Dampfes zu erhalten. Ferdinand II. ließ ein Gefäß ans Kork anfertigen, welches von außen mit einer dünnen Ziunplattc bedeckt war; dieses Gefäß hatte die Form eines stumpfen Kegels und paßte inwendig genau in einen hohlen Kegel von Glas, dessen Spitze dem Boden zugekehrt war. Man füllte es mit Schnee au, worauf der Dampf sich auf der änßern Fläche des Glases «erdichtete uud uuter der Form flüssiger Tropfen nach der Spitze abfloß, welche in ein Gefäß getaucht war, das in Theile von gleicher Kapazität getheilt war. Wenn mau das Gefäß also in eine feuchte Vuft stellte, so folg' ten sich die Wasscrtropfcu schnell am Ende des Kegels, im entgegengesetzten Falle waren sie selten nnd sehr klein. Mit diesem Instrument hatten die Akademiker bereits erkannt, daß die Südwinde feuchter als die Nordwinde sind. Denn bei einem heftigen Südwinde fielen bei einem Experiment achtzig Wasscr-tropfen in einer Minute; als dem Südwinde Nordwind gefolgt war, hörte das Abfließen anf und nach Vcrlanf einer halben Stunde war die Oberfläche des Glaskcgels vollkommen trocken, obgleich er immerfort mit Schnee angefüllt war. Dieses Hygrometer, bedeutend für die Zeit, in der es erfunden ward, ließe sich heute nicht mehr anwenden, denn es trägt weder der Temperatur, noch dem Volumen der Lnftmassen Rechnung, anf die man operirt. Ich werde uicht ausführlich von den Erperimcnteu reden, welchen sich die Akademiker von Florenz hingaben, nm die schöne von Torricelli im Jahr 164.^> gemachte Entdeckung des atmosphärischen Drnckes zn bestätigen und auszudehnen; gelren ihrem Wahlspruchc haben sie die ersten Versuche Noberoal's, Pccquet's uud Pascal's mit Abwechslungen wiederholt. Doch ist eins darunter, welches der gelehrte Direktor des Museums, vou dem die Rede ist, Herr Antinori, mil vollem Recht auf Die Glüilcitribüne in Flon'M. 173 den Fresken, ivelche die Tribüne schmücken, hat darstellen lasseil, denn es beweist zugleich den Scharfsinn dieser berühmten Phu-filer und die weise Vorsicht, r>on der sie beseelt waren. Kühner in ihren Schlüssen, halten sie vielleicht einen Zrrthum verbreitet oder eine große Wahrheit verkündet, sie zogen es uor, sich zu bescheiden nnd ihren Nachfolgern die Sorge zu überlassen, eine Frage, die sie aufgeworfen hatten, zu lösen. Da sie wuß-ten, daß das Licht nnd die Hitze anf den geschliffenen nnd glänzenden Flächen reflcktiren, so fragten fie sich, ob die Kälte dieselben Eigenschaften besitze, Fünfhundert Pfund Eis wurden einem Hohlspiegel gegenüber, in dessen Brennpunkt sich ein empfindliches Thermometer befand, auf einen Dreifuß gelegt. Sofort begann der Weingeist in der Röhre des Instruments zu fallen. „Allerdings," fügen fic hinzu, „war es der Nahe des Eises wegen zweifelhaft, ob die erkältende Wirknng der direkten oder der reflcktirtrn Kälte größer war. Um diesen Zweifel zu heben, bedeckte man den Spiegel, und was auch die Ursache dieser Wirkung gewesen sein mag, sicher ist, daß der Weingeist sofort wieder zu steigen begann. Trotzdem möchten wir nicht positiv zu behaupten wagen, daß diese Wirkung nicht von einer andern Ursache als der Zwischenschiebung des Schirmes herrühren könnte, denn wir haben nicht Alles gethan, was erforderlich sein würde, uns dessen zu versichern." Pictet war es vorbehalten, diese Experimente vor jedem Einwände sicherzustellen. Er wandte zwei einander gegenübergestellte Hohlspiegel der Art an, das; die Strahlen einer im Brennpunkt des ersten Spiegels befindlichen und von diesem parallel rcflektirten Flamme den zweiten Reflektor trafen nnd im Brennpunkte defselben zusammenliefen. Dort stellte er sein Thermometer ans. Die Spiegel waren weit genug von einander entfernt, nm die direkte Wirknng null sein zu lassen, er bewies es, indem er sich versicherte, daß das Thermometer 174 Tie Galilcitlibünc in Flmcn, erst in dem Augenblicke stieg, wo die Kngel desselben genau in dcn Brennpunkt des zweiten Neflct'tors gerückt nun-. Demnach war cs also die zweimal von dcn Spiegel»« zurückgeworfene Wärme, welche anf das Instrument ciuivirkte. Als er der Flamme ein Stück Eis unterschob, fiel das Thermometer reißend schnell. Pictet war versucht zu schließen, daß die Kälte wie die Wärme reflektire, allein er begriff bald, daß das Wort Kälte keinen absoluten Sinn hat und daß das Eis kalt ist im Verhältniß znr flamme, heiß aber, wenn man es mit dem gefroruen Quecksilber vergleicht. Er sah, daß er die Nolle der dein Experiment unterworfenen Körper einfach umgekehrt hatte. Wenn das Thermometer sich im einen Brennpunkte, das Eis im andern befindet, so ist das Thermometer der heiße Körper und fpielt die Rolle der flamme, es giebt fortwährend von seiner eigenen Wärme an das Eis ab und empfängt dafiir fast gar keine wieder, folglich erkältet sich die Kugel des Thermometers und das Quecksilber fällt iu der Nöhrc. Inmitten der historischeu ^nstrumeute, von deucu der Zuschauer umringt ist, befindet sich eins, welches die Nufmcrksam-kcit der Physiker auf sich zieht, denen es ein berühmtes Experiment zurückruft. Es ist eine hohle Kugel vou Kupfer mit dicken Wäuden, welche au einem Puuktc gebrochen ist. Da Galilei behauptet hatte, daß das Eis ausgedehntes Wasser fei, indem es über dem flüssigen Wasser schwimmt, so beschlossen die Akademiker, sich direkt davou zu überzeugen. Sie füllten eine Kugel mit reinem Wasser, schlössen sie dann genau mit einer Schraube uud sctzteu sie iu eiue Mischuug vou Schnee und Salz; die im Inncru der Kugel euthalteue Flüssigkeit brachte, indem sie in dcn Zustand des Eises übergehend sich ausdehnte, die Kngel zum Platzeu. Dieses Erpcrimeut, mit Kugelu vou verschiedeneu Metallen wiederholt, deren Wände von wechselnder Dicke waren, ergab immer dasselbe Resultat. Die Galileittll'ünl! in ^lm'cnz. 175 Nur weun die Wän,de düiiit warm, gaben sic nach, nnd die Kugel nahm an Umfang zu, ohne zu zerbrechen. Also dehnt das Wasser gefrierend sich aus. Es war natürlich, sich zu fragcu, ob cs zusammcndrückbar sei. Das Problem ivard dnrch eine glückliche Verbindung der Physik und der Geometrie gelöst. Unter alleil festen Körpern ist die Kngel derjenige, welcher bei gleicher Größe der Oberfläche den größten Rauminhalt besitzt. Nachdem sie eine große Hohlkngel ans Silber, aber mit nicht eben dünnen Wänden hatten gießen lassen, füllten die Akademiker sie vollständig mit kaltem Wasser, schlössen sie dann mit einer festen Schraube und schlugen mit wuchtigen Hämmern darauf los. Indem die Kngel ans der Form kam, verminderte sich ihr Nanmiuhalt nnd die Flüssigkeit schwitzte unter der Form vou Thau durch die Wände des Metalls durch. Wäre das Wasser wie wenig auch immer zusammendrückbar gewesen, so würde sein Volumen sich mit der Kapazität der Kugel entsprechend vermindert haben; weit davon entfernt, überwaud es den ungeheuern Widerstand der Mctallwände lind drang dnrch die unsichtbaren Poren des Silbers durch. Wollte ich eine, noch größere Anzahl von Beweisen des Eifers und des Scharfsinns der berühmten Florentiner anführen, so müßte ich fürchten, die Geduld der Leser, welche sich nicht speziell mit den physikalischen Wissenschaften beschäftigt haben, zn mißbrauchen. Was die Physiker betrifft, so sind ihnen diese Thatsachen bekannt. Ich werde also nicht von den Experiment! über die Fortpflanzung des Schalles, die Dichte der Flüssigkeiten und die spezifische Schwere der Körper reden. Die Beschreibung derselben fiildet sich im ersten Bande der Collection aca-äsmM«, in das Französische übersetzt nnd mit einem ausgezeichneten Kommentar begleitet von Musschcubrock. Vou den Priestern der Inqnisition nach neun Jahre langem Bestehen vernichtet, gab die ^ecacwnm c^I ('imonw dreizehn Jahre, 176 Dir Gnlileitiibünc in Florenz. später ein letztes Lebenszeichen von sich- von diesem Augei^-blicke an aber mnß mau in den Gegenden, >vo ein weniger blinder Neligionseifer herrschte, in Holland, England und Frankreich, die Fortsetzer und 'Nacheiferer derselben snchcn. Huyghens, Boyle, Newton, Hallen, Musschcnbroek, Z'Gravesandc, Mariotte und Papin bewahrten die großen Traditionen, denen man alle Entdeckungen der Experimentalphysik und die Wunder der heutigen Industrie verdankt. Es sei mir gestattet, von jenem letzten Experiment zu berichten, welches von Averani nnd Targioni, Zöglingen der Akademiker Vioiani nnd Nedi, lange nach der Auflösung der Gesellschaft angestellt ward. Der Diamant ist die härteste aller bekannten Substanzen. Alles an ihm kündet uns einen jener .durch Stahl, Feuer und die schärfsten Säuren unangreifbareil Körper an. Newton halte vermuthet, daß er uerbreimbar sein könnte. Lavoisier bewies später, daß sich bei dieser Verbrennung Kohlensäure bilde, und mehre Ehemikcr, u. A. Guyton Morveau nnd Humphrey Davy, gelangten zu dem Schlüsse, daß der funkelndste Körper in der ganzen Natur weiter nichts als völlig reine Kohle ist. Humphrey Davy wollte dieses Experiment zn Florenz mit dem Instrumente, welches Targioni gedient hatte, wiederholen und erlangte dasselbe Resultat. Bevor man die Tribüne Galilei's verläßt, ziehen zwei über den Eingangsthüren angebrachte grau in grau gemalte Bilder die Blicke durch das Interesse des Gegenstandes und das Verdienst der Ausführung auf sich. Das eine stellt Leonardo da Vinci vor Leopold Sforza, Herzog von Mailand dar, wie er ihm seine Entdeckungen in der Physik und Astronomie erklärt. Dieser große Maler konstrnirte bekanntlich gegen Ende des 15. Jahrhunderts ein Hygrometer. Er erfand Maschinen jeder Art, lehrte die genanen Verhältnisse des menschlichen Körpers kennen nnd bewies, daß das graue Halblicht des Mondes von einem Die Galileitribüne in Florenz. 177 Theile des von der Erde reflektirten Sonnenlichtes herrührt."') ^r war der Vorläufer von Galilei; Acaler und Astronom, bildet cr den Uebergaug zwischen der Knnst und Wissenschaft. Das Gemälde, welches diesem als Pendant dient, führt uns Volta vor, welcher Me Neihe grosser Plnisiker, die Italien der Welt gegeben hat, fortsetzte. Er steht vor dem Iüstinn von Frankreich und weist die Eigenschaften seines elektrischen Kondensators nach. Im Vordergründe neben ihm befinden sich der crsle Konsul Vonapartc nnd der große Geometer Lagrauge. Nicht ohne gerechten Stolz machte der Direktor des Mnsenms mich darauf aufmerksam, daß diese großen Männer alle drei unter dem Himmel Italiens geboren seien. Ich hätte Bonaparte als Franzosen seines Geburtslandes wegen in Ansprnch nehmen und an die Abkunft des in Turin geborenen Lagrange von einer aus Frankreich stammenden Familie erinnern können; *) Bald nach dem Neumonde, wenn das Gestirn sich unter der Form einer Sichel zeigt, bemerkt man mit guten Ängen und noch besser mit einem Teleskop die Mondscheibe völlig; der wenig erleuchtete Theil zeigt eine grauliche Tinte, der man den Namen graues oder Halb licht giebt. Je mehr der Moud sich seinem crsieu Viertel nähert, desto weniger ist das Halblicht sichtbar. Hier die Erklärung dieses Phänomens: Zur Zeit des Neumondes, wenn die der Erde zngekehrtc Hemisphäre in Duntcl getaucht und folglich unsichtbar für un? ist, ist der dem Monde zugewandte Theil unsers Erdballs von der Sonne stark belencktet; jener empfängt eine ansehnliche Menge des von der Erde zurückgestrahlten dichtes, und cs ergiebt sich darans für die Bewohner des Mondes ein sehr glänzender Erdschcin. Ta ferner die Oberfläche der Erde etwa dreizehnmal größer als die des Mendes ist, so können, wenn es auf diefem Himmclolörper Forscher von Endursachen giebt, welche das N^l'um der Dinge im Weltall wissen wollen, dieselben sagen, daß die Erde gemach: sei, um den Moud zu erleuchten. Sie lönueu es selbst mit dreizehnmal mehr Necht, als die Bewohner der Erde, welche den Mond als e>nc zu ihrem Gebrauche geschaffene Fackel betrachten, da die Erde den Mond drcizehnmal besser erleuchtet, als der Mond die Erde, Die meisten Historiker schreibe» Leonardo da Viuci die Erklärung des Halblichtes zu; doch nehmen sie einige zu Gunsten Möstlin's. Kepler's Lehrer, in Allspruch, Sei dem wie ihm »volle, da? wissenschafiliche Verdienst dieses großen Malers wird dadurch nicht verengert. 1"8 Die Galikitribüilc in Zloronz. allein in dem der italienischen Wissenschaft errichteten Tempel vor dein Standbilds Galilei's, ein paar Schritte von dem Vabo-ratorium Nobili's, in der Stadt, nio Lncca della Nobia, Fra Angclico, Michel Angelo, (^iotto, Andrea del Sarto nnd Na-phael den Marmor nnd die Leinwand beseelten, bleibt nnr noch das Gefühl einer tiefen Sympathie für dieses schöne Italien, dessen Kinder einen so bedeutenden Platz in der Geschichte der geistigen Fortschritte des Menschengeschlechts einnehmen. Botanischer Spa^iergang längs der Küsten von Kleinasien, Syrien und Aegyptcn. Worüber ich erst mit meinem Leben aufhören werde zu stannen, das ist, daß so viele Vcnlc mit Mnße und Vermögen sich nicht die zahllosen Erleichterungen zu Nutze machen, welche ihnen die Dampfschifffahrt bietet. Den Orient binnen sechzig Tagen bereisen—phantastischer Traum im Jahre 1830, Wirklichkeit im Jahre 1850! Kann man es fassen, daft es trotzdem gebildete, reiche, unabhängige, sich langweilende nnd von der Seekrankheit freie Mcnfchcn giebt, welche dieser Versuchung widerstehen? Gewiß ist die Neise pfeilgeschwind, doch kann man seine Aufenthalte je nach Belieben verlängern, wenn man die französischen Dampfböte benutzt, welche sich in knrzen Zwischenräumen folgen; es ist dann leicht, Athen und Konstantinopel mit Muße iu Augenschein zn nehmen, Damaskns, die Rninen von Bnalbeck und Kairo zn besuchen, mit Einem Worte die schönsten P,erlen im Schrein des Orients ausznwählen. Neber diese wunderbaren Gegenden ist Alles gesagt, nnd man kommt nach Chateaubriand, Volney, Lamartine, Thcophile Gantier, Decamps und Marilhat zn spät, um sie mit der,^edcr oder dein Pinsel zn schildern. Meine Nolle wird bescheidener l^) Botanischer Splizk-Mng längs dcr Küsten sciu; ich iverde inich darauf beschränken, den Nei^ einer Neise zu zeigen, ausgeführt an Bord desselben Dampfers von einem Naturforscher nnd Liebhaber lebender Pflanzen und Gärten. Die Jahreszeit, über welche ich verfügen konnte, war ungünstig; im Frühling ist der Orient ein mit Blumen prangender Garten, im Herbst sind dieselben fast alle verschwunden, trotzdem werden der Botaniker, der Zoologe und der Gartenfreund noch lebhafte Gcnüfse kosten und mehr als eine interessante Beobachtung machen. Kaltll. Malta ist der erste Rastplatz. Welcher Gegensatz zu Marseille, von wo wir erst vor zwei Tagen abgereist waren. Ill der anscheinend dürren und nackten Landschaft noch blühende Banmwollenfelder, Wassermelonen, indische Feigenbäume mit Früchten beladen, amerikanische Aloes, Iohannisbrotbänme, hier und da Dattelpalmen. Hinter den Mauern Orangen, Citronen nnd Akazien i>c:wia 1''arn0Mi,l,). Auf den weißen Böschungen der Festnngswerke Eisgewächsc nud Kappcrnsträucher in Blüthe. Ferner sämmtliche Bäume des südlichen Frankreichs, der Oel-baum, Feigenbaum, Mandelbanm, Granatbanm und die Alcpuo-föhre. Die englische Regiernng, so sorgsam auf Alles bedacht, was die Stadt La Palette verschönern kaun, hat einen Garten oder vielmehr einen von zwei hohen Mauern geschützten Banmgang angelegt, welcher die Floriana heißt. Ich bemerkte daselbst im Lande Bünme, die selbst zn Hymes die Winterfröste nicht zu ertragen vermögeu, es waren 8cl,imi8 mniio, ^usticia adhatoda, ein prächtiger Sapindus saponaria, Lantana, Poly-gala speciosa, Bignonia stans, B. capensis, Scnccio scan-dens, Hibiscus mutabilis, Sida mollis, Mclilotus arborea, Duranta Plumieri, Cactus triangninris, Volknmcvia j.nponica, Poiusettia pulchemina, Laurus iudica uiib riunibago cacru- von Klcimisien, Syrien und 3ll!gypten. 18 l lea. Diese Gewächse beweisen uns, daß das Klima von Malta zu den mildesten gehört und daß das Thermometer dort nie unter Null sinkt. Die Trockenheit des Sommers und die heftigen Winterstürmc sind die Hindernisse, die sich wie auf allen kleinen von Gebirgen entblößten Inseln der Einführung gewisser Kulturen und der Festsetzung einer mannichfalügcren Vegetation widersetzen. Die Thiere sind dieselben wicin Frankreich, aber alle Nciscnden haben in den Straßen von La Va-lette jene Heerden zierlicher Ziegen mit feinen und seidenartigen goldgelben Haaren bemerkt. Jeden Morgen kommen sie von draußen herein, um ihre Milch vor die Häuser zu tragen. Oiüige Zoologen machen eine besondere Art daraus unter dein Namen Oapi-u inolitousis. ö 11 r a. Von Malta gingen wir nach dem griechischen Archipel unter Segel. Alles, was man über die Nacktheit der Küsten des Pe-loponnes und seiner Inseln geschrieben hat, ist nur zu wahr. Die Ursachen des Uebels sind wahrscheinlich sehr verwickelt. Unbcdacht-sameEntholznngen, Fenersbrünstc, von den Schäfern augezündet, welche im Herbst das trockne Kraut verbrennen, der Zahn der Ziegen und Schafe, die heftigen Seewinde haben alle Antheil an der Zerstörung der Vanmgewachse. Die Haine von Cuthera sind wie ihr Name verschwunden, und Ccrigo ist nur noch ein Bergsattel ohuc Grün und ohne Schatten. Syra, wo wir landeten, erinnert an Algier; es ist eine Stadt mit gedrückten Hänsern, amphitheatralisch anf der flanke eines Felsens ausgebreitet. Der untere Stadtthcil wird von den schismatischeu ("riechen, der obere vou deu Katholiken bewohnt. Anf dein Ottoplatze sah ich znm ersten Male die 'QmilU'ix, einen großen Va»,» bildend, in de» l^ärlm einige Akazien und klcine Dattel- 182 Botanischer SpuzierlMg längs der Küsten bäume. Um die Stadt streckte die Meerzwiebel aus der Mitte einer vertrockneten Vlattrose ihren blumigen Stengel hervor, und die Goldwurz mit kleinen Fruchten war mit Kapseln beladen, welche ihre Körner um sich her streuten. Die Insel Sura besteht ans Schiefcrfelsen, untermischt mit einigen Kalkkernen. Ihre Hauptgebäude siud aus Marmor von der Insel Paros, ihrer Nachbarin, crbant, welcher Phidias und Leukippos den Stein lieferte, ans dem sie su viele Meisterwerke habeil hervorgehen lassen. Smyrna. Wir verließen Sura, um nns dem Golf von Smyrna zuzuwenden. Nichts sticht mehr gegen die Nacktheit der Inseln Griechenlands ab, als die waldigen Berge, welche diesen schönen Meerbusen umgeben; die, welche sich hinter der Stadt erheben, sind leider der Vegetation beraubt, die Nähe des Menschen ist verhängnisvoll fi,r die Wälder. Zu Smyrna im Nosenviertel, das namentlich vou dcu reichen griechischen Geschäftsleuten bewohnt wird, hat jedes Haus einen iuuern von einer Gallerie umgebenen Garten, anf den die Thüren und Fenster der Gemächer hinausgehen. Im Mittelpunkte schießt ein Wasserstrahl, umgeben von Orangen, Granaten, japanischen Mispelbänmen, Jasminen nnd Rosen empor. Wenn die Thür nach der Strafe offen steht, so glanbt man das Atrium eines antiken Hauses zu erblicken, es ist eine Erinnerung an Pompeji, im alten Ln-dirn Wirklichkeit geworden. Mein erster Besuch galt der Kara-wauenbrückc, welche über dem Melcs liegt, an dessen llfern, wie es heißt, der blinde Homer seine göttlichen Gesänge ertönen ließ. Ort und Umgebung gehören zu den poetischsten, die es giebt. Von der Stndtseite ist der Vergbach mit Weiden, Platanen, Maulbeer- nnd andern Bäumen mit rundlichen Formen und beweglichem nnd mannichfaltigcm Laube gesäumt, auf dem von Kleinasien, Syrien und Negypten. 185» gegenüberliegenden Ufer erhebt sich ein Wald von hnndcrt-jährigen Cuprcsscn, schwarz, regungslos, gegeneinander gedrückt, hie nnd da ihr inneres Ekelet blicken lassend, das ans dem Stamme nnd dicken nackten Resten besteht. An ihrem Fnße befinden sich zahltose türkische Gräber, oben mit Fez nnd Tnr-ban geziert, die einen aufrecht, die andern nnten entblößt nnd übergeneigt, die meisten anf dem Boden liegend. Die Anpressen sind das Bild der Negnngslosigkeit, die Gräber das Bild der mnselmauischen Sorglosigkeit. Nnf der Brücke zogen lange Karawanen von Kamelen vorüber, mit einem Seile aneinander gebunden nnd an der Koppel geführt von einem kleinen Esel, der türkischen, arabischen, anatolischen, karamanischen oder schwarzen Führern als Neitthier diente. Dieselben waren alle mit mauuichfachcu Kostümen, die einen noch malerischer als die andern, bekleidet, bis an die Zähne bewaffnet nnd brachen anf, nm in die entlegensten Gegenden Kleinasiens zn dringen. Begierig, eine Vorstellung von der Vegetation des Landes zn gewinnen, wandte ich mich mit zwei Offizieren des Hn-daspis dem Dorfe Bnrnaba zn, 6 Kilometer vo» der Stadt gelegen. Wir marschirten in Hohlwegen, indem jedes Feld von einem mit Neben bedeckteil Erdwall nmgeben war. Die Myrte, der Kenschbanm (Vit?x 9<;nn8 ca«tu8), prachtvolle Terpcutin-pistazicn, der Fenchel säumten die Straße. Auf allen Seiten war man iu der Weinlese begriffen. Wein und Weizen waren die vorherrschenden Knltnren. Die Mehrzahl der Olivenbänme, alt nud knorrig, schienen sich selbst überlassen zn sein, andere waren anf die einsichtsloseste Weise abgeästet worden. Gern hätte ich ein Feld jener Smvruaer Melonen, oval, außen grün, mit weißem, saftigein zuckersüßen Fleische, sicher die besten der ganzen Welt, gesehen, allein es wachsen keine bei der Stadt. Uebrigcns knltivirt man sie ;n Cavaillon bei Avignon, nnd in gnten Iahreu köuueu sie mii denen Kleinasiens wetteifern. 184 Votanisch« SpazicrMiig längs dcr Küsten folgenden 3ages besuchte ich das Dorf Bndja, hinter dem Hügel liegend, welcher die '>tuincu eines genuefischeu ^orts trägt und die Stadt beherrscht. Die Landhäuser sind minder schün als die von Vurnaba- allein das l^rün, welches das Dorf umgiebt, verleiht ihm von weitem ein cnropäisches Aussehen, welches das Auge erfreut. Auf dem Rückwege von Budja tam ich über Heide, bedeckt mit kowrmm spiiwsum und 'I'Iiymii8 cnpitatu«. In einer Hecke fand ich ('vcmm<>„ ^tli'<»i>!,0Uln in Blüthe, lind auf einer 5en»e, n>o inan Korn gedroschen halte, Nu8(,'liri z,ln'vitu»i'l,m>, I><.^<'. zn ^ ^entiiiieler Höhe ^isaminen-gcschrnmpft. Ich überschritt anf einem römischen Aqnädntt ein kleines Thal, in dem der Mcles Wiesen bewässert, deren Grün seltsam gegen die Dürre der umgebenden Höhen absticht. Auf ihrem östlichen Nucken diejenige erklimmend, welche die gennesische Burg trägt, fand ich noch einige blühende Stöcke von Ximtro- phylluni rubruni, Link.. Atractylis ^uiimiiferii, Less., sonst schmückte teine Pflanze die schwarzen Trachlitselsen, anf denen die Citadelle erbaut isl. Vom ,vnße dieser noch wohlechaltenen Äiauern geuiestt man eine Herrliche Aussicht über die Stadt Smyrna, durchschnitten von Bärten und umgeben von l^emüsc-kulttiren; sein schöner Meerbusen und die Hohen Berge, welche cs von dem allen Magnesia »rennen, vervollständigen die Landschaft. Veim Einlaufen in den (>'olf von Sm»r»a sind die Schiffe gezwungen, fich dicht an der südlichen Küfte desselben zn Halten, um nicht a»f den Anschwemmn »gen des Hermns z» stranden, welche bereits drei viertel des (Golfes versperren. Begierig, die Vegetation dieser Anschwemmungen tcnnen zn lernen, ließ ich mich den folgenden Tag auf der Halbinsel ssordelio ans ^and setzen. Ich fand ein mit Weinstöckcn nnd Getreide bestelltes nnd mit zahlreichen Wohnungen bedecktes Stück Land, jedes Feld war von Hohen Böschungen »mgebrn, anf denen der lion Kleinasion, Eyril'n und Acssypten. 18l> gemeine Löwenzahn in Fülle blühte. Die Terpentinpistazien bildeten große Vänme, und ich sah einige schöne vereinzelte Stämme der Eiche, welche die Gallnuß liefert (Hm>i-cu5 mlco wi-iu, 011.) Die Ackerfelder waren mit KentrnpnMnm ili-!>rnm, I.mk. bedeckt, die fich unter dem Gewicht ihrer schweren Rispen krümmten, nnd in den Hecken trng die ('ci,!>«!nriii iop-l>0n«i«, ^uuit. noch einige verspätete Blüthen. Nach Verlauf von anderthalb Slnnden langte ich am Fnße der Porphyrhügcl mi, welche die ersten Clufen des Yamanlar bilden. Ich fand daselbst die 3t6rndn'zM wtc.^, K«vn., deren Blüthen ans der Erde tamen; das Gebirge selbst war mit Aleppoföhren nnd Kermeseichen bedeckt, zwischen denen ich eine» sehr stacheligen Stock von I^ii-u« «lael^nifolin, !^>I>, mit Früchten belade», entdeckte. Wieder beim Meere anlangend, sah ich eine Schildkröte (Li8tul1o ßui'opnea. Ziw.) in einem mit Wasser angefüllten Graben und entdeckte bald, daß sie daselbst eben so zahlreich waren wie die Frösche in Enropa; in einer halben Slnnde hatte ich ihrer zwölf gefangen, welche von U» bis W Zentimeter Länge hatten. Nachmittags gelangle ich wieder an Bord, nnd Abends reisten wir weiter. Dcr Vospsiorus von K cmlianlnwpss. Folgenden Tages liefen wir in die Dardanellen ein. Nachdem wir das Dorf gleiches Namens berührt hatten, machten wir einen knrzcn Halt bei Gallipoli, wo unsere Trnvvcn so lange lagen. Die Stadt war zur Hälfte leer. Der Türle, der rastlosen Thätigkeit und indiskreten Nengierde der Europäer feind, zieht sich von den Orten, wo diese zn zahlreich werden, znrück. Trüge und beschaulich, verabscheut er den Lärm nnd das Gewühl, und sucht im Gegentheil die Stille und Einsamteil auf. Mochte der Strom von Auswanderern, welcher sich 186 Votanischcr Epl,;n'lW!ig längö der Küsten auf den Westen stürzt, sich dcm Orient zun'cudeu und allmälig ohne Kampf, ohne (Gewalt eine europäische Bevölkerung an Stelle der mnselmanischcn treten. Der Türke wird freiwillig das Land verlassen und vor den friedlichen Eroberungen einer Gesittung zurückweichen, mit der er nun und nimmer sumpathisirt. Zu Gnllipoli bietet die Vegetation nichts von Belang, der (Geologe aber beobachtet dort eins der schönsten Beispiele von gehobenen Gestaden, das man nur sehcu kann. Das ganze Steilufer, auf dem sich der ^euchtthnrin und die hoheu Stadttheile befinden, besteht aus einem in den Zustand von Tuff und Pudding übergehenden Muschettonglomerate. Die Muscheln, die Kiesel, welche es bilden, sind dieselben, welche das Meer auf den daruutcrliegeudcn Strand rollt. Durch eine nnmcrk-lichc Bcwegnng oder in ^olgc der plötzlichen Stoße, welche die Erdbeben begleiten, hat dieser Boden sich ;n einer Höhe erhoben, welche an mehren Pnntten nicht unter 25 Meter beträgt. Die Hebung ist uichl gleichförmig gewesen nnd hat sich nicht horizontal, sondern nngleich gemacht. Da der Pudding ziemlich locker ist, so sonderten sich dicke, eckige Blöcke ab, natürlich übereinander zusammenbrechend und dem Gestade vom Meere a,i5 gesehen ein äußerst malerisches Aussehcu ver-lciheud. Am folgenden Morgen lagen wir vor der Spitze des Serails von Konstantinopel vor Anker. Wir mußten sechs Tage hier bleiben. Alle die, welche diese seltsame Stadt kennen, werden sich nicht wnndern, wenn ich ihnen sage, daß ich während dieses kurzeu Zeitraumes nicht einen den Großen des Bandes gehörigen Garten besuchen konnte. In Europa überläßt es ein liberaler Eigenthümer fast immer seinem Verwalter, wem er gestatten zn tonne» glaubt, seinen Park oder seine Blumenaulagen zn durchstreifen. Ganz anders im Orient; vcm Kleinasien, Syrian und Aegyptcn. 18? die Frage wegen der Fraucn verwickelt Alles und verbannt ohne Gnade den Besucher von ungefähr. Ich werde mich also darauf beschränken, meine Meinnng über den Bosphorus zu sageu, den so viele Franzosen und Engländer gesehen nnd bewundert haben. Sein Anblick verursachte mir weniger Uebcr-raschung, als ich erwartet hatte, weil der Bosphorus keine ganz ursprüngliche Physioguomie besitzt; der Bosphorus gleicht einem See am südlichen Abhänge der Alpen; er gleicht dem Comer Sec. Indeut ich so spreche, glaube ich ihn uicht herabzusetzen, sondern sein Lob zn singen, denn nichts ist schöner als jene Seen, deren eines Ende sich in die Alpen vertieft, während das andere sich in die Ebenen Italiens verlängert. Der große Reiz des Vospho-nls besteht darin, daß der Blick mit Einem Male seine beiden mit Palästen gesäumten Ufer und seine mil Kiosken und Landhäusern besäeteu Hügel umfaßt. In den Krümmungen der Hügel eutdeckt das Auge die gerundeten Dickichte der zierlichen morgcnländischcn Platane, welche so glücklich gegen die pyramidalen Eypressen abstechen; die mit ausgebreiteten Zweigen selien Fichten zum Verwechseln ähnlich; überall, wo sich ein Kirchhof befindet, bilde» sie eiuen wahrcu Wald. Inmitten dieser Landschaft stelle mau sich türkische Häuser vor, die Grundmauer ans Stein und der erste Stock ans Holz bestehend, überhängend gebaut und mit einem spitzen Dache bedeckt, wahre Schweizer Sennhütten, nnd man wird gestehen, daß die Täuschung vollkommen sein mnß. Soll damit gesagt sein, daß der Ruf des. Bosphorus ein angemaßter sei? Keineswegs, er ist eben so berechtigt, wie der des Eomer Sees. Dieser Nuf stammt nicht erst von gestern, schon nn der Wiege wurde uns sein ^ob gesungen. Aprts Constantinople il n'est rien phore et Constantinople. In-8°. 1 «64. uon Kleinasien, Syn^n und Acgypten. 189 byzanünischen Alterthunl verknüpfend. Kostbar für den Gelehrten, bietet das Werk anch ein allgemeines Interesse dar, und der Leser, welcher Verlangen trägt, die berühmte Straße näher kennen zn lernen, wird es mir Dank wisseil, ihn anf diese Monographie aufmerksam gemacht zu haben. M Matllüe von Aujulidere. Ein Botaniker kann füglich nicht mit Stillschweigen die berühmte Platane von Bujnkdcrc übergehen, einem seiner schönen Lage halber berühmten Dorfe des Bosphorns. Dieser Baum ist bekannt nnter dem Namen der Platane Gottfried's von Bouillon; es ist das riesigste Gewächs, das ich je gesehen, oder vielmehr eine Vereinigung von neun znsammcngcwachsencn Platanen, welche drei ganz nahe Grnppen bilden. Von Osten her sieht man zunächst zwei vereinte Stämme, welche einen Meter über dem Boden einen Umfang von 10,80 M. haben; das Feller hat eine Vertiefung von 5 Meter Ocffnnng darin ansgchöhlt. Sodann kommt ein isolirter Stamm, dessen Umfang 5,40 Meter beträgt. Die letzte Grnppe besteht aus sechs vereinten Stämmen, welche eine elliptische Kurve bilden, deren Umfang 23 Meter beträgt, nämlich 18 Meter für den äußern, 10 Meter für den innern Bogen, der sich konzentrisch znm ersten verhält. Dieser nngehcnrc Stamm war ebenfalls vom Feuer ansgchöhlt; mein Pferd fand in der Veniefnng, die ihm als Stall diente, bequem Platz. Ich schätze die höchste Höhe der Lanbkrone etwa anf 60 Meter. Die Projektion des Wipfels auf dem Boden bedeckt eine unregelmäßige Fläche von 112 Meter Umkreis. Einige todte Aeste ragen über das Lanb-dach empor, aber auf allen Seiten ucigen sich lange lebende Acste, mit zcrschnittcucrn Blättern als die der abendländischen Platane, belastet herab. Sie ist eben so wohl ein botanisches Wnnder 1^0 Votanischc'r Spazi^rgang längs der Küsten wie ein ^anm, ;um Entzücken der Landschafter geschaffen. Theophile Gautier nennt sie nicht einen Banin, sondern einen Wald. Sein poetischer Instinkt hat ihn nicht getäuscht, dieses Wort Wald schildert den dnrch diesen Riesen hervorgerufenen Ein-drnck. Eö ist ein Dickicht, dessen Stamm, wiewohl in Wirklichkeit ein vielfältiger, ein einziger zu sein erscheint. Von den Zelten, welche die Platane schützt, entdeckte ich die Rbede von Vu-jukdere, wo der Noyal-Albert, ein Schiff von 1'^ Kanonen, welches die Flagge des Admirals Lyons führte, genau demSom-inerpalais der russischen Gesandtschaft gegenüber wie eine Dro-hling oder wenigstens wie eine Warnung vor Anker lag. A hod us. Koustantinopel verlassend, durchschnitt der Hydnspis von ncnem das Marmaramcer nnd die Dardanellen, um daranf die' Westküste Kleinasiens entlang ^n fahren. Zch begrüßte mit ihren klangvolle!, nnd ermnerungsrcichen Minen Troja, die Inseln Tencdos, Lesbos, ^hios, Sainos, Ikaria, Patmos, Leros, Amorgos und Kos. Den 9. September Morgens lag Nhodns vor nns- es ist die poetischste Stadt des ganzen Archipels. Lamartine hat sie beschrieben, ich sollte also schweigen, wie aber könnte ich umhin, nicht wenigstens jenes schönen viereckigen, mit Thürmchcn flaukirten nnd noch das Malteser Kreuz auf seinen vier Seiten zeigenden Thnrmes zu gedeukeu? Durch ein Erdbeben hatte er ans zwei von seinen Seiten Risse bekommen. Seit meiner Dnrchreise ist er dnrch ein anderes eingestürzt, so daß er künftigen Geschlechtern nicht mehr die heldenmüthige Vertheidigung des Großmeisters uomIohanniterorden, Villicrs de l'Isle-Adam, zurückrnfcn wird, denn dieser Thnrm wird nie wieder anfgc-bant werden, die Türken lassen Alles verfallen und stellen nichts wieder her. In der Ritterstraße, welche sich in einem Krcnz- von Kleinasien, Syrk'N und Ilegypten. 191 gange öffnet, schmückt das Lilienwappen die, Mehrzahl der Häuser. Auf dem vornehmsten liest man alif der einen Seite: ?ou,i- I^'Orntuir^, ailf der auderu ?uur 1,^ N:ül>l)!l mit der Jahreszahl 1511, und iu der Mitte unter einem Wappen mit drei Lilien und einem Kardinalshnt: l>6 N'anc« 1.6 «llnit ?i'iul' I^i-. ^,nc>i'7 60 ^.md0i8(?. 1492. Im Jahre 1522 verließen die Ritter die Insel, nachdem sie vier Monate lang den Heeren Soliman's des Prächtigen Widerstand geleistet hatten^) Längst schon hatten die Türken 40,000 Zentner Pnlvcr vergessen, welche in den Kcttergcwölbcn der Kirche von Sankt Johannes, am äußersten Ende der Straße neben dem dieselbe abschließenden Bogengänge, anfgehänft lagen. Dieses Pulvermagazin mit einem Blitzableiter zn versehen, hätte so viel gehießen, als die Pläne der Vorsehung zu kreuzen und das Dogma vom Fatalismus anzuzweifeln. Im Herbst 1856 flog es denn mich, da der Blitz in die Kirche geschlagen hatte, mit dem umliegenden Viertel in die Luft, zum Glück blieb die Nittcrstraße verschont. Nun bewundere man aber die orientalische Logik! Diese einer fortwährenden nnd wirklichen Gefahr gegenüber so sorglosen Türken dulden nicht, daß ein Christ die Nacht in den Mauern von Rhodus zubringt, uud schließen mit Sonnenuntergang die Thore, weil es eine Prophc;einng giebt, daß Nhodns während der Nacht wieder von den Christen genommen werden wird. Rings nm die Stadt ist die Fruchtbarkeit erstaunlich, knorrige Olivenbänme, Feigenbäume, deren Acstc am Boden schleifen, schlanke Palmen, Orangen, Iohanmsbrotbänme und ^) Siehe über Rhodns einen Artikel von Hcrrn Charles ^ottn (Ituvxe aus äuux mnn6?3, 1r m-li-s 1844). cinc angezeichnete, ,m Jahre I^"'6 an der I?a«,!lt« au» Iettl«5 von Paris von Herrn V. Guerin, weiland Mitgliedc der französischen Echnle ;il Athen, behauptete These, sowie das große mit Tafeln versehene Wert des Oberst Noiticrö, betitelt: Nmnnnonts clo Illn«!^, l830 zu Brüssel erschienen. 192 Botanischer Spaziergang längs der Küsten indische Feigenbäume am Saume der Getreidefelder und Weingärten, Snßeichen (^U0rcu!> iiLM,^) lind Platanen am Fnße der Hügel, Oleander in dem ausgetrockneten Bette der Bäche, Alles verkündet ein heißes und trockncs Klima. Die fernen Berge sind mit Föhren bedeckt, die flachen Theile bebant; es ist das Bild der Fruchtbarkeit, ein wahres irdisches Paradies. Einige Krä'uterpflanzcn, niie ^Vnitkania 8mnnil'6i-^I). nnd ?0i^-8'mmm 6tM3itit'ui-in6, 8iI)t,Ii. neben der O:»tma 8ti'mnmm>.m im Cande wachsend; allein die Pflanzen reizten meine Neugierde nicht mehr, es verlangte mich die Nuinen der römischen Stadt zu sehen; am Meere entlanggehcnd, kamen wir daselbst an. Einige Felder mit Sesam- nnd Vanmwollenstauden, mitten zwischen dem Gestrüpp wachsend und von Unkraut überwuchert, waren die einzigen Spurcu menschlicher Thätigkeit in dieser vormals so fruchtbaren Ebene. Nachdem wir einen kleinen Fluß überschritten hatten, der unter einem Laubgewölbe uon verschlungenen Platanen, Weinreben und Maulbeerbäumen hinfließt, von Oleandern eingefaßt und von Schildkröten und Süßwasserkrabben belebt wird, entdeckten wir einen langen Säulengang. Die Füße der Säulen sind dnrch ein Netz stacheliger Stauden versteckt, welche die Annäherung derselben verbieten; ihr Schaft aber hebt majestätisch herrlich beblätterte korinthische Kapitale in die Lnft. Einige tragen noch Bruchstücke von Attiken. Ein Adler, regnngslos wie der Stein, der ihn trug, saß auf der höchsten von allen; schwerfällig erhob er sich bei meiner Annäherung, während ein Volk von Schopfhühncrn oder asiatischen Rebhühnern sich zwischen den Nuiucn zerstreute. Das ganze umliegende Gebiet ist mit Schutthaufen bedeckt. — Am einen Ende der Stadt zeigen sich Arkaden, es sind die Ueber- 194 Botanischer Spaziergang längs der Küsten reste mies Theaters, hie und da liegen leere Sarkophage, dnrch die Zeit gestürzt, anf dem Boden. Von der Seescite erhob sich vor mir ein Hügel, ich nahm ihn für eine Düne; es war ein halb eingestürztes Amphitheater. Gin syrischer Schäfer stand hoch oben anf seine Flinte gestützt nnd in einen wollenen Mantel mit großen schwarz nnd gelben Streifen gehüllt, unbeweglich überwachte er seine Schafe, welche zerstreut anf den Stnfen weideten. Zur Seite des Cirkus dehnte sich der blanc Spiegel jenes Mittelmecrs ans, in dem sich ehemals so viel Großes und jetzt so viel Elend spiegelt. Welch ein Gemälde für den Dichter, den Maler .nnd den Geschichtschreiber ! Die Hand der Zeit arbeitet mit einer unendlichen Langsamkeit an der Zerstörung dieser Ruiucn, denn im Jahre ^856 fand ich noch die vierundvierzig Säulen stehen, welche der englische Hydrograph Beaufort im Jahre 1812 gezählt hatte. ^) Mcrsina ist wahrscheinlich das alte Zcphyrium, anch ist das Ufer des Meeres zwischen den beiden Städten mit Trümmern besäet, welche ihre Bedeutung beweisen. Die Ebene, von einer erstaunlichen Fruchtbarkeit, ist von jenem Gestrüpp überzogen, welches namentlich am ganzen mittelländischen Küstcnlande die verlassenen Erdstriche bedeckt; es sind die ?Iiill)'ic^ die Te-rcbinthen, Mastixbänme, die Myrte, der Apollo's Lorbeer die Kermesciche, der Iudasbaum, der Rosmarin, die Oaplme Aniclium, die 6«ustn ^coi^in^, der I'aliniu^ aculeate, der Sandbeerbaum, der offizincllc Storax, der wilde Wein stock, der Keuschbaum (Vitex a^uus cn^tu«) nnd der Oleander. Die Hügelabhänge waren mit Aleppoföhren bekleidet, allein hie nnd da erhoben sich knorrige Stämme von wilden Oliven, wahre Pftanzenruinen, Ueberrestc der Olivenfcldcr, welche von *) Karamaniii Cli.irt V. Plan of Metzelu the anriint Solior Ponipeiopolis. von Kleinasien, Syrk'ü und Aegypten. 195 den Römern zur Zeit, als Pompejopolis eine dcr blühenden Städte des Ackerbau treibenden Eilicicns (Nilicia oampeätriZ der Alten) war, bebant wurden. MeHlludretta. Von Alexandrctta, wo wir den folgenden Tag landeten, habe ich nur wenig zu sagen; es ist dcr Hafen von Aleppo, wie Merfina der von Tarsus ist. In Zukunft nimmt dieser unbedeutende Handelsplatz vielleicht eine große Vedentuug an, wenn er dcr Ausgangspnnkt der Euphrateisenbahn wird, durch welche die Engländer das Mittelländische Meer mit dem persischen Mcerbnsen, d. h. Malta und die ionischen Inseln mit ihren indischen Besitzungen zn verbinden beabsichtigen. Gegenwärtig nmgiebt Alexandrctta eine sumpfige Ebene, hohe Gebirge beherrschen es im Osten. Die Räuber lauern dem Reisenden auf, der sich vou den letzten Häusern entfernt, nnd ein tiirtischer Posten wacht über die Sicherheit der Einwohner, welche kommen, um aus einer zwei Kilometer uon der Stadt gelegenen Quelle Wasser zu schöpfen. Alerandretta besitzt eine traurige Berühmtheit Im Mor-gculaudc bctrachtet mau cs als einen Herd dcr hartnäckigsten und gcfährlichstcn Wechsclfieber. Sie rühren von dem angrenzenden Sumpfe her. Dieser Eumvf wird durch eine schöne Quelle unterhalten, welche drei Kilonieter vom Ufer entspringt; die Türken haben es nicht verstanden, sie anfznfangen nnd ihr ein Bett zn graben, nm sie bis ius Meer zu leiten. Während dcr Regenzeit ist denn auch dcr ganze Boden überschwemmt, dann trocknet er theilweise und bedeckt sich mit einem dichten Nasen, aus der Ichipill iwäitimn, liicl,. bestehend. Ein Theil des Sumpfes aber bewahrt das ganze Jahr hindurch Wasser. Die hcrr- schcndcn Pflanzen sind: I'^nn, m^'m-, I^iwdium nirlmwm, 18* Typlia major, Epilobiuin liirsutum, 13* 4Hß Botanischer SpazirnMig längZ der Ki'isK'n .luncli« acutu^, 8lic^>lirinn Unvcini.i^. Zwischen diesen grmei-nen Gewächsen versteckte sich eine Seltenheit, die .7u.^il,cll, M-fu«a, 1"<»i',>k., welche in Fülle neben der Qnclle wnchs. Säinmt-liche Verwandte dieser Art sind in Amerika oder in Indien, drei bewohnen den Senegal; diese ist die einzige Vertreterin des Geschlechts in der Mttelmecrgegend. Gebüsche von Myrten, Storar, ?almtn5 aculellwk nnd liudu« discolor ningaben den Sumpf. Die Mancrn eines alten zerstörten Forts, von dem nur noch die viereckigen Nnßenwerke übrig sind, werden von einer großen Anzahl jener großen Stacheleidechsen l^lx'IIiu vul^ri.^, I..) heimgesucht, welche ich in allen heißen Theilen des Mittclmccrnmkrcises von Smyrna bis Malta gesehen habe. ^atakielj. Wir waren noch nicht an den Küsten des eigentlichen Syriens, denen, welche der Libanon beherrscht, gelandet. Lata-kieh ist die erste Stadt, wo nur anlegten; es ist das alte ,^ao-dicea. Die Forts, welche den Hafen vertheidigen, sind von den Kreuzfahrern ans antiken, horizontal gelegten Sanlen cr-bant. Das Meer hat einen Theil dieser beklagcnswcrthcn Bantcn zerstört, nnd die Flut rollt auf dem Sandufcr jene Säulen, welche vordem die Giebel der Tempel und die Gesimse der Paläste trngen. ?ir Umgebung von i/atatirh hat mich an die von Nizza erinnert; Olive und Feige sind die vorherrschenden Bänme; ein gekrümmtes Vorgebirge streckt sich, gleich dem von Samt-Hospize, ins Meer hinaus, nnd das Ufer ist eben so tief zerschnitten' wie das von Villcfranchc nnd Bcaulieu. Ich bemerkte bei der Stadt prächtige Iohannisbrotbänme, deren knorriger Stamm offenbar durch das Zusammenwachsen partieller Stämme gebildet ist, deren jeder einem Aste des Bau- uon KlmuM'n, Syrian und Aessypten. 197 mes entspricht. Alles n'ar abgeblüht, außer Oiwni« lnenaiia, ^>(^. und Dlttm-a u>(.'tl.>1, die noch mit ein paar verspäteten Blüthen geschmückt waren, während (^»Iciülmm swvoni und Nu8-lnri i)^!'vitloi-um, 1)0«f. anfingen, ihre kleinen BInmenkronen über dein Sande zn erheben. Achnlich einein riesigen Schachtelhalm war die kpn«>i,.vl<>i>01. nnd die I^i^in ^rn.» cili'8 L0188 anfmerksam. Wir durchschritten die engen nnd gewölbken Straßen von Tripoli, nm eine hinter der Eitadclle liegende .tiefe Schlncht zu gewinnen. Es ist der kühlste nnd romantischste Ort, den ich im Orient bewundert habe. Der Pfad läuft in halber Höhe des Abhanges hin; die Wipfel der Orangen, Feigen, Platanen, Patcrnosterbänme erhoben sich bis zn uns, während ihre Stämme sich im Abgrunde versteckten. Dnrch die Laubblinke bemerkten ^98 Botanischlü,- ^pazi^rgcnig längs d« Küsten wir dir Gewässer eines Bcrgbachcs, der kleine schäumende Kaskaden bildete, indem er über die Dämme setzte, welche seinen Lauf aufhielten. Ueberall unter den Bäumen saßen Türken, auf Matten hockend, rauchend, Schach spielend und Kaffee trinkend, deu die dienstfertigen Cadfidschis an einem aus zusammengetragenen Stciucu gebildeten ländlichen Herde kochten. Ueber dem Fußpfade war der Abhaug nackt oder mit indischer Opuntia-Feige besetzt, deren bizarre Formen gegen die der Bäume in der Schlucht abstachen. Auf der Spitze des Hügels erhoben sich dic gelben, schlichten und massiveil Mauern eiucr großen vicreckigeu Festung, welche von Naymund IV., Grafen von Toulouse, erbaut wurde, der dort im Jahre 1405 begraben ward. Oben auf der mit Zinnen versehenen Mauer blickte eine türtische Schildwache reguugslos wie eine Statue in die Leere. Alsbald erreichten wir das Haus eines Eiusicdlcr-Derwischs. In diesen Klausen findet man Kaffee und Erfrischungen, wie früher bei den Klausnern in den Gebirgen der Schweiz. Der Derwisch konnte uns uicht zulassen, weil der aus sieben Frauen bestehende Harem eines Kaimakans von Tripoli sich bei ihm befand. Wir speisten also auf der Terrasse eines unter dem seiuigeu liegenden Hauses zu Mittag. Durch die hölzernen Gitter der Klause sahen wir die Augäpfel dieser Fraueu funkeln, welche verstohlen unserm improvisirten Mahle zusahen. Nie mußte nicht das Leben, die Heiterkeit, das Lachen, die Geschwätzigkeit dieser Giaurs diese stillen Töchter Asiens, welche an die schweigsame Gemessenheit ihres Einen Mannes gewöhnt waren, verwundern! Als der Abend herangekommen war, brachen die Fraucu auf; eiue hinter der andern zogen sie, weißen Gespenstern gleich, auf dem Thalsticg an uns vorüber und verloren sich endlich unter dem Laubdache der ^puutia und iu dein düstern Grün der Orangen. Während desfeu war der Mond hinter dem Libanon aufgegangen; sein von Kleinasien, Syrien und AelMten. 199 Schimmer, vermischt mit dem der letzten Strahlen der untergehenden Sonne, hatte über die ganze Landschaft eine rothe Kupfcrtintc ergossen, ähnlich dem Widerschein einer Feners-brunst. Je mehr die Dunkelheit zunahm, desto mehr erglänzte der Libanon von tausend zerstreuten feuern; sie waren von den Maroniten angezündet, welche mit Anbrnch des Nbcnds das morgige Fest der Krcnzcrhöhnng feierten. Nachdem die grauen sich entfernt hatten, liest der Derwisch uns in sein Haus eiu-trcten und führte lins auf eine mit einer Weinlaube überdeckte Terrasse. In der Mitte plätscherte ein Wasserstrahl, uud der Schatten der vom Moude beleuchteten Wcinblättcr zeichnete sich scharf anf den Marmorfliesen ab. Man brachte Kaffee und Narghilehs herbei. Auf den Malten hockend, überließen wir uns cincu Augenblick der Wonne des orientalischen Kiefs. Der Reiz danerte nicht lange; der Europäer, stets eilig, hat nicht die Zeit zu genießen, wir mußten aufbrechen. Anf unserm Rückwege passirtcn wir die Festung, die weißen Häuser von Tripoli schlummerten, erhellt vom Monden- und Sternenschcin, zu uusern /süßen. Wir durchschritte» die stillen Straßen der Stadt, wo nur ein paar Barbierläden offen waren. Beim Verlassen der Maueru faudcu wir die Kamele eiuer Karawane auf dem Sande hockend und eingeschlafen, oder in der Nähe weidend. Der rasige und mit riesigem Röhricht eingefaßte Weg, den wir verfolgt hatten, führte uns znm Hafen zurück, wo das Boot des Hydaspis uns erwartete. Nie wird dieser Abend meinem Gedächtnisse eutschwiudeu, ich werde ihn in der Erinnerung stets als einen der poetischsten meines Lebens genießen. Die Botaniker würden nicht weniger Vergnügen als die Dichter daran finden, das Thal der Derwische zu besuchen; sie werden dort die VoNiluuoria .jnpomca sehen, in den wilden Zustand übergegangen, 8a1ix liwuuüca, Zoi«L., lluplwrbia Salix libaiiotica, Boiss., Euphorbia Is)s) Botanischer SpnzicrcMg längs dcr Küsten lwmo8ll, Lol8L., ^.n^ili^ll, «trisso^i^, I.MI1, >Vitllluiin 80MN1- twa, Dun. In der Stadt Tripoli selbst verschönern prächtige Büschel von ll)'08<.'7lii»u8 aui'l,'U5, I^. und I^lipiitoiinm ^i'ill-cuw) .Ilic<^. die alten von den Kreuzfahrern erbanten Mauern, wie die Levkoje die Ruinen der Fendalschlösscr erheitert, welche sie verlassen hatten, nm Königreiche iin Lande der Ungläubigen zu erobern. Am folgenden Morgen ankerte der Hyd asp is uor dem anniuthigen Hx'yrnt, eincr ächt europäischen, znnschen dein Liba-non nnd dein Meere an die Küste Syriens geworfenen Kolonie; dort niohnen die Generalkonsulc aller großen Nationen Europas und Amerikas für Syrien nnd Palästina. Diese Konsule bilden den Kern eincr ausgewählten Gesellschaft, bei der man plan-dert wie zn Paris. Die Landhäuser der Europäer sind auf .einem mit dem schimmernden Grün der Paternostcrbäume bedeckten Amphitheater zerstreut. Die Stadt ist gesund, dastand noch mehr, und an den Abhängen des Libanon, der von christlichen Maroniten bevölkert ist, findet man sämmtliche Klimate Europas über denen Asiens abgcstnft. Wenn ich mich über die Reize Vcyruts verbreiten wollte, so würde ich unerschöpflich sein. Der französische Konsul, Herr dc Lesseps, seine Schwester, welche sich zn Vntakieh anf dem Hydnspis eingeschifft hatte, und mein alter Kollege, der Doktor Suquet, französischer Sanitätsarzt, bereiteten mir den herzlichsten Willkommen. Ich besuchte das Atelier von Herrn Nogicr, dessen Kartons voll von Erinnerungen an den Orient sind. Es ist hart, nnr ein paar Tage vor sich zu haben, wenn man in solcher Gesellschaft die benachbarten Ruinen von Baalbcck und Damaskus', der heiligen Stadt, be-wnndcrn nnd nn den Abhängen des Libanon die mannichfaltig-sien Pflanzenzone» uon der Dattel, der Orange, der Vanm- uon Kleinasien, Syrien und Aessypten. 201 wolle und dem Zuckerrohr, welche am Meeresstrande lcbeu, bis zu deu Gipfeln der Kette verfolgen könnte, wo man wahrscheinlich die Mauzen Lapplands wiederfinden würde, denn Wischen Latakieh nnd Beyrnt bemerkten nur anf den höchsten Spitzen des Libanon noch Schneestelleu. Die Vegetation der Umgebung der Stadt gleicht der uon Tripoli, doch sah ich dort zum ersten Male die Manlbeerfeige, einen majestätischen Banm, der in den Schilderungen biblischer oder morgenlündischer Anftritte fignrirt, es ist der Sykomoros des Dioskorides, und sein unzerstörbares Holz ward von den alten Ägyptern zur Anfertigung der Särge für ihre Mnmien benutzt. Die Früchte sind kleine süßliche Feigen, welche anf tnrzen, uon Blättern entblößten Ncisern sitzen, womit die dicken Aeste des Baumes bedeckt sind. Der afrikanische Ricinus ist sehr gemein zu Veyrut, und Dank den Fingerzeigen des Herrn Blanche konnte ich das 1'imci'lUium p3> vikiorun^ v(.^f. sammclu, das uicht wie seine Verwandten im Meeressande, sondern anf einer trocknen Steinmauer wuchs. Beyrut wird uon Flugsanddünen bedroht, die nach der Stadt uorrücken. Um ihnen Einhalt zu thmi, ließ der Emir Fakknrdin ein uon Baumgüngen durchschnittenes Gehölz anpflanzen, welches die Pinienpro me-nade heißt. Es sind nämlich Pinicnfichten, welche fo dicht gc-säct sind, daß sie ein ganz eigenthümliches Aussehen angenommen haben. Indem sie sich alle zur selben Höhe erheben, gleichen sie einer ungeheuren Hagebucheuhecke oder jenen Gebüschen, welche die Bauwnth unserer Vorfahren in Form von Mauern verschnitt. In den sandigen Alleen dieses Spazicrganges bemerkte ich die Purgirgurke in wildem Zustande. Obgleich die Jahreszeit sehr vorgerückt und mein Aufenthalt sehr beschränkt war, so nahm ich doch eifrig eine Gelegenheit wahr, die sich mir bot, mit zwei Offizieren des Hyd asp is einen Abstecher in den Libanon zu machen und die erste Seiden- 202 Potanisckcr Epazu'rgang längs dcr Msk'n spinnerei zu besuchen, welche die Franzosen dort angelegt haben. Nachdem wir die Pinienpromenade entlang gezogen waren, stiegen wir uon der Düne, ans die sie gepflanzt ist, herab, nm ein kleines Thal ;n betreten, das von einem mit.Unu8 orientals von« eingefaßten Wasscrlauf bewässert wird; dasselbe ist mit Dattelbänmen bepflanzt, die mit Früchten beladen waren, welche sich ihrer Reife näherten. Unsere europäischen Gemüse wnchscn am Fuße dieser tropischen Bäume, die Hecken bestanden ans Vitsx ll^nu8 ea^w» nnd Akazien ^Vcaciii ^arn^^iann). N^ach-dcm wir dieses Thal durchschritten hatten, begannen wir die ersten Abhänge des Libanon zn erklimmen. Dörfer zeigten sich in verschiedenen Höhen; sie waren von Oclbänmen umgeben, die bei weitem besser gepflegt waren als in Kleinasien, wo der Baum sich selbst überlassen bleibt, wenn er nicht von roher und unverständiger Art verstümmelt wird. Die Maulbccrbäume hatten wieder nenc Zweige getrieben, denn in diesem Vandc begnügt man sich nicht damit, sie im Frühjahr zu entblättern, sondern man schneidet den mit Blättern beladcncn Zweig ab, nm ihn den Scidenwürmern zu geben; hieraus folgt, daß man sich der Mühe überheben kann, sie von ihrem ^ager zu nehmen, da die Zweige ein natürliches Geflecht bilden, welches das Thier von dem drnnlerlicgenden Miste entfernt. Zn meinem großen Bedauern waren die Kräutcrpftanzen vertrocknet und verdorrt, nur die beiden kleinen Zwiebelgewächse, welche sich schon in La-tatich gcflinden hatte, das Uu^:»n iiln-viüm-um nnd das Ouicln-cnin 8t«v<^!!l schmückten mit ihren anfbrechenden Blüthen selbst die dürrsten Sandflächcn; das einzige Grün war das der Pinienfichten mit gerundetem Wipfel, welche auf dem Gebirge zerstreut waren. Bei etwa 400 Meter über dem Meere durchschritten wir ein kleines Gehölz uon nnächten Kermcseichcn (Huercus psLuäococcilLrn, v68f., H. calliprinos, V^Ldii.); ihre Stämme gingen nicht über 3 bis 4 Meter Höhe hinaus. Nach (Quercus pseudococcifern, Desf., Q. calliprinos, Webb.); il;vc Ltümmi! gingen nicht übcr I bis 4 Metcr Höhe hinaus. Nach von Kleinasien, Syl'N'n und A^M'K'N. 20.-> diesen Eichen wird der Wcg sehr schmal und veriuickelt sich zwischen großen Böschungen von eisenschüssigen Sandsteinfelsen. Ich bemerkte daselbst die Inuw vi^o.^ deren gelbe Blüthen sich im Herbst in der ganzen Mittelmcerregion entfalten, ferner Ni-icn cilini-j« und das hübsche (^,wn6n 0uioi,aLUM, welche den Felsspalten entschlüpften. Zu unserer Linken wand sich das Thal von Hamana, schon im Hohenliede gefeiert und seitdem uon Lamartine gepriesen, hin. Der Blick dehnte sich über die Küste von Syrien aus, deren Windungen ein azurenes Meer wnnderherrlich einrahmten. Iu der Höhe, wo wir uns befanden, wird der Wciubau vorherrscheud, die Stöcke werden sehr niedrig gehalten, und die langen Neben, welche sie jedcsIahr treiben, kriechen am Boden. Die Traube reift in gleicher Linie mit dem Boden und briugt ciuen Wein hervor, der unter dem Namen des Goldwcius oder des Libauouweius bekannt und von dem mehr die Farbe als der Geschmack bemcrkenswerth ist. Wir passirten alsbald einen Paß, stiegen wieder hinab, um das Thal von Hamana zu betreten. Der Boden ward immer steiniger, und die Pinienfichte war stets der einzige Hochwaldbaum. Endlich langten wir bei der Spinnerei des Kraue, 1000 Meter etwa über dem Meere erhaben, an. Das Wohnhaus, iu europäischem Geschmack erbaut, und die beiden Fabrikgebäude liegen anf einer schroffen Abdachung; oberhalb läuft sie iu einen senkrechten Felsen aus, unterhalb steigt sie bis auf die Sohle des Thales hinab, dessen Gießbach allein den Thalweg einnimmt. Ueber dem Hanse ist die Böschung felsig und uackt, daruuter siuo die Abhänge mit einer, trotz der vorgerückten Jahreszeit noch grünenden Vegetation bedeckt. Iu dcu Felsen fcmb ich Kryngiuin glonicratiun, Lnni., Poterium spino-sum, L., Kentropliyllum rubrmn, Link, Ecliinops sphaeroce- pklüu8, alles stachelige, stechende Pflanzen, welche sich gegctt die Begehrlichkeit des Botanikers wehren zu wollen scheinen 204 Vowmscher Spazici'Mig liulg'? der Küsten und sich sperren, wenn er sic gewaltsam in seine Blechbüchse preßt. Unter der Fabrik war der Pflaiizeitteppich ganz anderer Natur. Im Echntze kleiner Pinienfichten wuchsen Pflanzen, die sich schon im Süden Frankreichs finden. Es waren Feigen-, Olwen-, Maulbccrbäumc und abgeblühte Felsenrosen, I^iao agtius aiiffiistifolius, Kubus discolor, Wcrh., Juniperus oxy-cedrus, sehr h-üppelljctft, iimla viscosa, Osyris alba, Lavatera oibia. Zwischen diesen Gewächsen, ineinen Landsmänninnen, erblickte ich mit einem Vergnügen und einer Ueberraschung, welche jeder Botaniker begreifen wird, einen fremden Gast, das prächtige Illimlodonäroll ponticum, I.., den schönsten Strauch der blühenden Haine im Sommer, der immergrünen Gehölze im Winter, den Schmnck der zierlichsten Blumentische unserer Salons. Die Pflanze stand in Frucht, ihre Büsche! von schimmerndem Grün aber, am Gebirge sozusagen angeheftet, stachen gegen die gelblichen Töne der Böschuug ab. Sie Hielten sich in den Bodenkrümmnngeii anf und wuchsen anf einem schwarzen, feuchten, aus einer Mischung non eisenschüssigem Sandstein und Pflanzenresten crzengten Boden. Exposition, Bodennatur, Feuchtigkeit, Erhebung über dem Meere, alle Dascinsbedingnngcu sind denen des Knododsndi-on ferruAMßum und K. nii^ntum in den Alpen oder Pyrenäen und der andern uoch schönern Arten ähnlich, welche sich anf den Gehängen des Himalaya abstufen. Man möchte sagen, daß die Natur diese Pflanzenform der Ausschmückung der mittlern Negion der schattigen und feuchten Abhänge aller großen Ketten der alten Welt und der nördlichen Hälfte des neuen Kontinents Habe widmen wollen, wie di/NympHcaceen der Schmuck der süßen und stillen Gewässer der ganzen Welt sind. Die geographische Vertheilung des Kkododsnäron pouticum selbst ist auffallend und Hat die Aufmerksamkeit aller derjenigen von Kleinasien, Syrien llnd Aegypten. 305 gefesselt, welche sich für derlei Fragen interessircn. *) In Kleinasien bewohnt es die Gebirgskette, welche die Küste vom Kaukasus bis in die Unigegend von Smyrna einfaßt. Im Kaukasus hat man es noch nicht angezeigt, doch finden wir es im Libanon bis Veyrut wieder. In Syrien erlischt es mit dieser Kette, den» in der Mittelmecrrcgion kennt man es weder in den Gebirgen Griechenlands, noch in denen Mazedoniens, Thessaliens, der Inseln Kreta, Sizilien, Sardiniens oder Algeriens; gleich den Phöniziern, deren Mutterland wie das seinige am ^liße des Libanon liegt, hat es eine ferne Kolonie in den Süden der iberischen Halbinsel geworfen, nämlich in die Gebirge über der Meerenge von Gibraltar in Spanien nnd in die Sierra von Monchique in den Algarven Portugals. Diese Umstände waren mir bekannt, nnd man wird begreifen, daß sie das Vergnügen erhöhten, welches mir der Anblick dieses schönen, im Thale von Hamana wildwachsenden Strauches verursachte; er erinnerte mich an seinen Vetter in den Alpen, an dessen Grenzen ich so oft mein Barometer aufgehängt hatte, und an seinen andern Vetter in Lappland, den ich auf die Gebirge, welche Kaafjord unter dem 70. Grade der Breite umgcbcu, verbannt gefunden hatte. Ein niedriger Vertreter dieses glänzenden Geschlechts, verschönte das liliullo-clemiwn lappmiicum, jetzt bis an die Eisflächen des Pols der Bevorrechtete seines Typns, mit seinen bescheidenen Blumen und seinen schmalen Blättern Felsen, welche der Schnee acht Monate lang im Jahre bedeckt. Nir kehrten anf demselben Wege vom Krayü zurück, und noch am Abend verließen wir Beyrnt; es war genug, es zu vermissen, nicht genng, um seine Schönheiten völlig zu genießen. *) ©iefye Alpfi. de Cnndolle, G<;ogrnplii<' bofaiiiqne, pp. U)2 intb l!»9. I06 Botanischer Spaziergang längs der Küsten Zassli. Indem wir die Küsten von Palästina bcstrichen, sahen wir von weitem das Vorgebirge des Kännel, von wo die Aszetik sich rings über die katholische Welt verbreitet, nnd alsbald befanden wir uns vor Jaffa, dein Hafen von Jerusalem, dem alten Joppe, niedergebrannt von Judas Makkabäns, verwüstet von Vespasian, erobert von den .streuzfahreru, belagert von Bonaparte und nach einem erbitterten Kampfe trotz der Pest, welche seine Armer dezimirte, genommen. Diese Stadt hat, wie man sieht, mehr als einmal die Wrchselfälle des Krieges erfahren. Lie ist gleich Algier und Svra amphithcatralisch gebant. Dort setzen die Pilger nach Jerusalem ans ^and. Die ungeheure Mehrheit besteht ans schismatischen Griechen, dann kommen die Armenier, endlich die europäischen Katholiken. Auch zählt man eine gewisse Anzahl von Juden, es sind Greise, die nach Jerusalem gehen, um dort zu sterben und unter den Steinen im Thale Josaphat in der Erde Abraham's, Ifaak's und Jakob's zu ruhen. Es giebt nichts ächt Morgenländischeres als das Thor, durch welches man Jaffa verläßt, um nach Jerusalem zu gehen. Es öffnet sich unter einem von den Kreuzfahrern gcbantcn Thurme, draußen befindet sich ein Springbrunnen mit einer arabischen Inschrift darüber, der fortwährend von Kamelen umringt ist, welche die einen hockend, die andern stehend, den Hals vorgestreckt, in dem Baffin ihren Durst löschen. Weiterhin sind die zahlreichen Kaffeehäuser, welche in der engen Ringmauer der Stadt keinen Platz hatten finden können; sie haben nur ein Erdgeschoß, nnd die Terassen werden von einer bunten Bevölkerung eingenommen: Nüubcraraber von Palästina, träge Türken, reisende Armenier, Griechen, Juden, Neger, ein Sammelplatz der Völker des Orients, geködert durch Gewinn nnd angezo- von Kleinasien, Syrien und Ucgypten. 207 gen durch inbrünstige Frömmigkeit. Das benachbarte Gefilde ist ein Garten von Orangen, welche durch Nadbrunnen bewässert werden, von Banaucu mit köstlichen Früchten, Granaten, stämmigen Vaumwollstauden und Opuntien, deren Stöcke, mit dem Alter cylindrisch geworden, wahre Bäume bilden. In den Hecken sah ich den Ä^pnliä wtu«, dessen sehr mittelmäßige Frncht nicht diejenige ist, welche Homer bei seiner Enge von den Lo-tosesscrn vorschwebte, sowie die ^i»I,(>n befinden und nicht hingehen zu tönneu, ich tröstete mich mit der Gewißheit, Aegnpten zu sehen; am folgenden Mora/n liefen wir denn auch, zehn Meilen vom Lande entfernt, iu die grünen Gewässer des Nils ein, welche sich nicht mit den azurnen Fluteu des Mittelländischen Meeres mischen. Der Fluß war in vollem Wachsen begriffen, und die Mnudnna, von Damielte war es, welche sich so ins offene Meer hincinstrcckte. Wir konnten die niedrigen Landstrcifen des Delta nicht gewahren, unterschieden aber vortrefflich die Palmen, womit sie bepflanzt sind, sowie die vor der Damicttemündung ankernden nnd durch die Luftspiegelung vergrößerten Barken. Eine Flucht von Flamingos, die eine gcschlängelte Linie bildeten, zog am Schiffe vorüber. Die Sonne ging glänzender nnter denn je. Folgenden Tags liefen wir in die Fahrgcwässcr von Alexandricn ein nnd warfen am Eingänge des Hafens neben zwei Dreideckcrn der ägyptischen Flotte Anker. Alerandrien ist eine europäische Stadt, selbst das orientalische Viertel hat keinen Charakter; aber die Umgebung hat ein ungewöhnliches Aussehen, überall Sand, lange Gestade, Linien 2s)8 Botanischer Spa;krgang längs der Küsten von Dünen oder Hügelu, gleich dem monw Ic^^^io von Rom, durch die Trümmer des Alexandrians der Ptolemäcr gebildet. Nenn man gegen Mitte des Tages auf die Terrasse eines Hauses steigt, von wo der Blick sich weit ins Land erstreckt, so entstellt die Luftspiegelung die ganze Landschaft; man weiß nicht, wo die Erde anfhürt und das Wasser anfängt, die Umrisse des Sees Mnrcotis zn zeichnen, würde eine Unmöglichkeit sein. Palmengrnppen scheinen in einen Cnmpf gepflanzt, obgleich sie nur auf dem Sande wachsen. Alle fernen Bilder sind unbestimmt, verschwommen und verändert. Fetzen von Land lösen sich vom Ufer ab und stellen Inseln dar, die nicht vorhanden sind, andere schweben wie Ballons in der Lnft. Die Nilbarken werden zu Dreideckern, von phantastischem Segelwerk überragt. Alles ist getrübt, verschwommen, nnbestnnmt, wie auf einem verloschenen Gemälde. So stellt sich wohl die Phantasie das geheimnisvolle Aegypten, das Land der Sphinxe, der Pyramiden nnd der Hieroglyphen vor. Seine Königsgeschlechter reichen so weit in die Reihe der Iahrhnndertc hinauf, daß die sieben von Joseph dein Pharao verkündeten Plagen für dasselbe ein bezüglich neues Ereignis;, eine schmerzliche Episode seiner heutigen Geschichte sind. ,In Ermangelnng der Tcmperatnr genügt die Vegetation, um den Reisenden zu belehren, daß er sich nnr noch 31" vom Aeqnator befindet. Die Dattelpalme ist der genuinste Baum in der Stadt nnd in der Unigegend; überall sieht man ihren cylindrischcn Stamm ein ans zahlreichen Kolben von Datteln gebildetes nnd von einem zierlichen Vnsch großer, fein zerschnittener Blätter überragtes Kapital in den Lüftcu wiegen. Die männlichen Individuen sind selten, man bant nur die erforderliche Anzahl, um die wciblicheu Stöcke zu befruchten, welche allem Früchte tragen. In Namle, einem znr Seite der Bucht von Abukir gelegenen Dorfe, wohin die Einwohner Alexandriens VMI Kll'innju'n, Syrian und Argypten. 209 gehen, um die Seehtft eiuzuathmen, sieht man, wie manuichfal-tiges Aussehen der Palmbaum annehmen kann, und man begreift die Begeisterung der Propheten der Bibel und der Dich-ln- des Morgenlandes, welche ihn in ihren poetischen besängen gefeiert haben. Bald schießt er einer einsamen Säule vergleichbar smkrecht in die Höhe, oder er lagert und krümmt sich am Boden wie eine Schlange. Anderwärts runden sich mehre Bäume vereint wie ein Laubdach, weiterhin ist ein vom Winde gebrochener Stamm durch die zahllosen Schößlinge des Wurzelstockes ersetzt worden, welche ihn in einen Dornenbusch verwandelt haben! So ist sein Aussehen im wilden Znstande nie dasselbe, eine gerade Allee dieser schonen aufrechten Bäume aber besitzt die ganze Regelmäßigkeit, das ganze Ebenmaß und die Erhabenheit der antiken Säulenhalle, deren Vorbild sie ist. Dank dem Kanal Mahmndyeh, welcher den Nil mit Alerandricn in Verbindung setzt und das Land, welches er durchschneidet, bewässert, kann man längs seiner Ufer eine prachtvolle Baumvegetation bewundern. Die ^caoia Icddec, die zweihäusigc Phytolaeca (Pin'WIacea aioiea), die Maulbeere feige, die I)^up^'ru8, die 1'amaiix erreichen die Höhe unserer größten Bäume. Die Bananen, Orangen, Citronen beladen sich mit Früchten, die ^.cncia I^ai'ii^iana erhebt sich zu einer uugewöhnlichen Höhe. Man baut mit größtem Erfolg das Zuckerrohr, die Baumwolle und den eßbaren Eibisch (liid^cu» 68culc;utu«), Ich besuchte zwei an den Ufern des Kanals gelegene Gärten, den von Said Pascha nnd von Herrn Pastr6. Außer den Zierbäumen unserer Orangerien, wie die I,antana, fett1 holzigen Datura, Die Spannannia, bie Nicotiona glauca, bemerkte ich folgende Arien: Ficus clastica. Croton sebiferum, Jatroplia curcas. Poinsettia pulcheniina, Parkinsonia. aculcata, Poinciana Gilliesii vmd P. pulcherrima. ©iefe erotischen Bäume werden weit zahlreicher sein, wenn die Liebhaber von Martins, Zpitzdclgm :c II. 14 I10 Botanischer Spaziergang längs der Küsten Alexandria sich erst mit den Gärten Indiens, z. B. dem von Kalkutta oder von Vuitcnzorg anf Java, in Verbindung setzen, statt ihre Zierpflanzen ans den Treibhäusern Europas zu beziehen. Wenn die Wünsche der Frennde des Fortschritts und der Gesittung erhört, wenn die Schranke, welche uns von Indien trennt, vernichtet, d. h. wenn der Durchschnitt des Isthmus von Suez völlig beendet sein wird, dann wird auch die bescheidene Wissenschaft des Gartenbaues ihren Theil an dieser allgemeinen Wohlthat haben. Der leichtere und schnellere Transport der lebenden Gewächse wird Aegypten und Europa mit einer Menge Pflanzen beschenken, die wir bisher nur dnrch Abbilduugen oder getrocknete Proben kennen. Die Fruchtbarkeit Ncgyptens ist ein Ansdruck, den man nicht eher begreift, als bis man das Delta von Alexandria bis Kairo durchschnitten hat. Die Eisenbahn zieht sich erst die dürren Ufer des Sees Mareotis entlang, aber ein geschlängeltes Band von Grün begleitet den Kanal von Mahmndych, dessen süße s^ewässer denselben Saud befruchten, welchen die brackigen Gewässer des Sees mit Unfruchtbarkeit schlagen. Bald zeigen sich Dörfer Inseln gleich auf der Spitze kleiner künstlicher Hügel. Die tcrrassen- oder kuppelformigeu Häuser, alle aus an der Sonne getrockneten Ziegeln gebant, haben ein einförmiges Schiefergrau au sich, welches das Auge nicht erfreut. Um diese Inselchen dehnt sich eine weite Ebene ans, glatt wie das Meer bei windstilleni Wetter, von zahlreichen Kanälen durchschnitten nnd mit Reis, Mais, Baumwolle, Zuckerrohr und gemeiner Aronswurzel (Arum lk, groß wie nnsere schönsten Ul,nen, fassen die Straßen ein. Eine Promenade in europäischem Geschmack führt ;nr Stadt. Das Innere aber ist vollständig orientalisch- enge nnd gewnndene Gäßchen, Verandas ans geschnitztem Holz, dnrch vorstehende nnd überhängende Gitter geschlossen, Teppiche, von Qnerstangen gehalten nnd die Straßen beschattend, zahlreiche Moscheen, Obstbuden im Freien, Vazars, mie buntscheckige Bevölkerung, wenig oder gar keine Hüte, aber viele Tnrbane nnd Feze. Von der Citadelle ans, wo Mehcmet Ali die Mamelntcn niedermetzeln ließ, genießt man eine der außerordeutlichsten Aussichten, die es auf der Welt giebt. Auf der einen Seite streckt sich die Stadt bis in die Wüste von Suez hinein, wo die Gräber der Kalifen sich mitten im Sande erheben, nnd nnf der andern dehnt sie sich an den Ufern des Nils inmitten der Bäume und des Grüns aus. Nirgends habe ich einen ähnlichen Kontrast erblickt. Zur Rechten die Wüste, nackt, grau, dürr, zur Liukcu der Nil, majestätisch mitten zwischen Palmen, Akazien, Maulbecrfcigcu und den üppigsteu Kulturen dahiu-fließend, und jenseits die großen Pyramiden von Gizeh, gleich riesigen Grenzsteinen zwischen das Nilthal und die Wüste von Faham gestellt, die sich mit dem Horizont vermischt. Weiter von Kairo nilanfwärts entdeckt man die Grnppc der kleinen Pyramiden von Sakkarnh, über welche hinaus die Phantasie sich Oberägypteu, die Nnineu vou Theben nnd die Wüsten Nubiens ausmalt. Ich hatte beschlossen, die Pyramiden bei Mondschein zu 214 Botanischer Spazieren« länqs der Küsten sehen. Da das Gestirn gerade voll ivar, so brach ich um acht Uhr Abends mit einem Führer Namens Achmct von Kairo auf. Wir ritten auf Eseln, denen ihre Treiber, zwei Kinder von fünfzehn Jahren, folgten. Erst durchzogen wir eine Menge stiller Straßen, dann eine solche, mit Menschen angefüllt und mit farbigen Papicrlatcrnen erleuchtet. Männer, aus Matten hockend, rauchten, plauderten, aßen nnd tranken; es war eine Hochzeit, welche die Verwandten im Freien feierten, während die Frauen sich im Harem ergötzten. Unsere Esel hatten Mühe, sich einen Weg dnrch die Gäste zu bahnen, welche die Straße versperrten. Aus der Stadt herans, befanden wir nns auf der Straße, welche nach dem alten Kairo führt. Wir zogen durch die alte Hauptstadt Aegnptens, welche nur noch ein Vergnügungsdorf ist, und langten an den Ufern des Nils an. Eine kleine Flotte von Böten war dem Nilmcsser gegenüber am Gestade angebunden, und die Schiffer schliefen »eben den Haufeu von Wassermelonen, Kürbissen und Neis, welche sie ausgeladen hatten. Wir nahmen ein Boot, um über den Strom zn setzen nnd bei dem Dorfe Gizeh anzulegen, das wir am andern Ufer zwischen den Palmen bemerkten. Die Nacht war von bcwundernugswnrdiger Klarheit, die Gegenstände waren deutlich zu sehen, nur waren ihre Verhältnisse vergrößert. Nachdem wir den Lauf des Flusses, anfwärts das Ufer entlang verfolgt hatten, durchschnitt ihn die Barte in schräger Richtung; seine Breite betrng 2 Kilometer. In sein weites, für ihn zu enges Bett gelagert, rechtfertigt der Nil seinen Namen des Vaters der Gewässer, den die Aegyptcr ihm gegeben haben. Das Dorf Gizeh war still wie das alte Kairo; ich bewunderte die hohen Palmbäume, welche es beschatten. Wir verließen sie, um erst einen Kanal, dann Maisfeldcr zu durchschneiden ; hierauf zogeu wir des Weges weiter auf eiuem Damme; zu unserer Linken dehnte sich ein See ans, von den Wassern uon Kleinasien, Syrien und Ägypten. 215 des Nils gebildet, der noch nicht in sein Bett zurückgetreten war. Hie und da fanden wir Gruppen eingcschlummerter Menschen, Kopf und Leib mit ihren Burnnssen bedeckt, es waren Deichwächter oder Fischer, welche fische anf dem Felde fingen, wo sie ein pnar Monate späler Getreide mähen oder Vanmwollc bancn werden. Ein andermal war es eine kleine Karawane; Menschen, Kamele nnd Hunde, Alles schlief; nnr zuweilen richtete sich ein Burnus einen Augenblick in die Höhe oder ein Hund schlug harmlos an. Der Damm, dem wir gezwungen waren zu folgen, nöthigte uns zu endlosen Umwegen, bald näherten, bald entfernten wir uns von den Pyramiden, langsam stiegen sie höher und höher gen Himmel. Wir beschleunigten den Schritt unserer Esel, deren schueller Gang fast dem der Pferde gleichkommt. Die Treiber folgten uns, immer laufend und mit Achmet sprechend. Ich verwünschte dies beständige Schwatzen, das die Stille der Nacht störte, welche so gut zu dem großartigen Schauspiele stimmte, das ich vor Augen hatte, doch konnte ich nicht umhin, den Athem dieser Lungen und die Kniekehlen dieser unermüdlichen Glieder zu bewundern, denn diese Kinder, welche hinter mir herliefen, waren schon den ganzen Tag gelaufen und sollten am folgenden Tage wieder laufen, als ob sie die ganze Nacht geruht Hütten. Indeß näherten wir uns. Eine Wasserlache trennte uns von den Pyramiden, ein kräfuger Araber nahm mich auf die Schultern, um mich hinüberzubringen, auf der andern Seite befand ich mich auf dem Sande der Wüste. Mit großen Schrillen marschirtc ich auf die Niesenbauten zu, die nur eine halbe Lieuc entfernt waren; beim Näherkommen sah ich den Sand gegen den nordlichen Fuß der große» Pyramide aufgehäuft. Nir erklommen die Böschung, welche uns ueben den Eingang des Denkmals führte, von diesem Pnnkte ans erkletterte ich mit dem Araber die mächtigen Steinschichten, woraus es besteht. Diese Iiß Botanischer Spd^rMiss läna^ der Küsten Schichten haben mehr als einen Meter Dicke, und ,nit Muhe zieht man sich von einer zm- andern hinauf. In der Mitte machten wir Halt, um Athem zu schöpfen, dann fuhren wir fort nnd gelangten auf die Spitze. Wir befanden mi5 146 Meter über dem Boden, 4 Meter höher als die Thurmspitze des Straßburger Münsters, des höchsten Europas. Der Gipfel der Pyramide besteht in einer kleinen Plattform, anf der ein paar vereinzelte dicke Steine liegen geblieben sind. Wie soll ich den phantastischen Anblick schildern, den ich allein genoß nnd den das stille Licht des Mondes hinlänglich erhellte, nin die Gegen, stände sichtbar werden zu lassen, ohne daß sie vollkommen deutlich gewesen wären. Im Norden die Wüste, deren Wellenlinien sich im Dunkel verloren, im Südwestcu die drei andern Pyramiden, die zweite, die von Belzoui, sehr nahe, zwischen beiden Gräber in Form uou Dreiecken, eins neben dem andern in gerader Linie wie auf eiuem Kirchhofe, im Süden das uu-geheure vom Oberst Campbell aufgedeckte Grab, im Osten die Hügel, welche Kairo beherrschen, der Nil ausgetreten und die Palmen aus dem Schoße dieser regungslosen Wasserflächen emporragend. Auf der einen Seite die wunderbarste Fruchtbarkeit, auf der auderu die vollkommenste Dürre, und die Pyramiden auf die Grenze beider Regionen gestellt. Das aber, was meine Blicke sozusagen anzog nnd fesselte, war jene riesige Sphinx, majestätisch am Fuße der Pyramide im Sande gelagert, nur .Kruppe und Haupt wareu sichtbar. Ich erinnerte mich, daß sie die Spitze eines Tempels schmückte, den Nachgrabungen eines Tages vor vierzig Jahren bloßlegten uud der folgenden Tags abermals von der Sandftuth der Wüste überschwemmt war. Ich gedachte, daß diese Pyramiden das Werk ganzer Geschlechter und Völker sind, welche der Erbannng dieser wunderbaren Massen, deren Bestimmnng noch ein Näthsel ist, geopfert wurdeu. Siud es Gräber, Dämme wider die Wüste, astronomische Denkmäler? von Kleinasien, Syrien und Acczypten. 217 Die Wissenschaft schwankt, nnd dort im Sande gebettet liegt die Sphinx, ein ewiger Hüter des geschichtlichen Räthsels, das sie seit lausendeu von fahren den (Geschlechtern, welche an ihr vorüberziehen, zu löse» giebt. Eine Stnnde lang blieb ich anf der Höhe des MonnmenlZ, zermalmt sozusagen von der phantastischen Großartigkeil des Schauspiels nnd von den (bedanken, welche es hervorruf!; dan» stieg ich, von Stnfe zu Stnfe schnellend, herab, nm Achmel wie. der anfznsuchcn, der nnt den Eseltreibern am Fuße der Pyra^ midc schlief. Doch wollte ich die Sphinr in der Nähe beschauen, ich lief mit meinem Araber dahin, al5 plötzlich zwei weiße Bnrnnfsc ans einem Grabe hervorkommen und anf mich losstürzen. Welche Inszenesetzung für einen Beduinenangriff! Die Oper hat keine schönere aufzuweisen. Doch beschränkte sich Alles auf drohende Forderungen. Ich wies diese angeblichen Pyramidenhäuptlingc, welche stets auf der Vaucr liegen, nm von europäischen Besuchern den Tribnt der Furcht oder der Freigebigkeit vorab zn erheben, an Achmet, den ich mit sämmtlichen Ausgaben beauftragt hatte. Ich wußte, daß diese Araber unersättlich sind, ein Vakschisch reizt nur ihren Durst, statt ihn zn stillen. Indeß verließen sie, uns nicht nnd hofften nur durch Zudringlichkeit das Geld zn entreißen, das sie durch Neber-raschnng nicht hatten erlangen können. Ich setzte ihrer Vcr-folgnng ein Ziel, indem ich sie mit dem Zorn des Generalkonsuls von Frankreich, Herrn Sabatier, bedrohte, dessen Energie und Wachsamkeit die Schntzwehr der Franzosen sind, welche in Aegyptcn reisen. Zurückkehrend verfolgten wir denselben Weg. Ich ward nicht müde, diese zierlichen Palmen zn beiunndern, deren eylin-drische Stämme aus dem Wasser emporschießen. Anch sah ich in seinem ganzen Glänze ein Phänomen wieder, das mich schon auf den Meeren des Orients überrascht hatte; besser als alle I^ft Botanischer Spaziergang längs der Küsten Beschreibungen giebt es eine Vorstellung von der unglaublichen Durchsichtigkeit der Luft während jener schönen Nächte, die die arabischen Dichter gefeiert haben. Der Vollmond spiegelte sich in den Wasserflächen wieder, welche die Felder überschwemmten. Ein leuchtender Lichtstreif, funkelnd wie Silber, ging sich verbreiternd vom Znschaner nach dem Horizont ^n; nnn war der zwischen dem Streifen nnd dem Gestirn befindliche Theil des Himmels statt der hellste der dnnkclste. Es schien, als ob ein dichter Nanch uon der Erde zum Himmel aufstiege, ein Dreieck bildend, dessen Basis die Breite des leuchtenden Streifens am Horizont, dessen Spitze der Mond selbst war; es war die Wirknng eines Farbenkontraftcs. Der zwischen dem Streifen und dem Monde liegende Theil des Himmels schien dunkler zn sein wegen des außerordentlichen Glanzes des Mondes uud seines leuchtenden Widerscheins in einem stillen Gewässer; so schien in Folge dieses Kontrastes der hellste Theil des Himmels der dunkelste zu sein. Allein sobald die Vodenerhöhnngcn mir den Anblick des leuchtenden Streifens verbargen, ward dieser Theil des Himmels wieder, was er wirklich war, der am hellsten erlcnch-tete. Ein anderer Beweis, daß der Beobachter der Spielball einer optischen Tänschnng ist, wenn der Kontrast ihn diesen Theil des Himmels düsterer als dcu übrigen erscheinen läßt, ist der, daß die Sterne dieser Gegend deshalb uicht sichtbar siud, sondern im Gegentheil dnrch das lebhaftere Licht des Mondes ausgelöscht werdeu. In dcu schönen Nächten des südlichen Frankreich kann dies Phänomen noch beobachtet werden, muß aber sehr selten sein in denen des nördlichen Europa, wo die Klarheit des Himmels stets dnrch zerstreute Dünste getrübt wird, welche die Atmosphäre erfüllen. Von neuem zog ich den Damm entlang, doch mit weniger Ungednld als beim Kommen; ich setzte über den Nil, an dem der erste Morgenschünmcr die schwimmende Bevölkerung geweckt von Kleinasien, Syrien und Aegypten. 219 hatte, welche ich am Abend zuvor schlafend gesunde». Vei Kairo anlangend, war die Sonne noch nicht aufgegangen, aber eine opalfarbige Morgenröthe zog am Himmel herauf. Die Luft war von unerhörter Durchsichtigkeit und Klarheit, die Wipfel der Palmen schienen von einem hellen Strahlenkränze eingehüllt zu sein. Ich begriff, was die Reisenden über die Gaukeleien des Lichts in Westindicn geschrieben haben; nichts vermag in der That die Zauberkünste dieser Fee zu ersehen, 'welche der Wüste Neize verleiht und deren Abwesenheit die schönsten Landschaften entfärbt und verödet, Als ich wieder in Kairo ein-ritt, war die Stadt erwacht, ich genoß einige Stuuden der Nuhe lind kehrte Nachmittags uach Alexandrien zurück. K ü cli k e lj r. Am folgenden Tage lief der Hydaspis aus deu Fahr-O gewäfseru aus und richtete den Schnabel ans Malta zu; es war eine Fahrt von vier Tagen, die durch keinen Vorfall unterbrochen wurde. Nur Zugvögel kamen und lichen sich im Mastwerk nieder; ich bemerkte, daß sie weder vereinzelt noch in zahlreichen Scharen, sondern in Gesellschaft von zwei bis fünf reisen. Fünfundzwanzig Meilen südlich von Malta hatten nur Schwalben, Nachtigallen, Weißschwänze und Wachteln au Bord. Plötzlich bemerkte ich auf der Spitze des großen Mastes einen kleinen Raubvogel vom Geschlecht der Thurmfalk'en. Welcher wunderbare Instinkt hatte diesen befiederten Korsaren gelehrt, daß auf diesem Schiffe nnßer Sicht von jeglichem Lande von einer langen Ncise ermüdete Vögelchcn sich ausruhten? Nachdem er eins derselben, das er überrascht, zerrissen hatte, machte er sich an die Verfolgung der übrigen, allem zu uusrer großen Genugthuung entgingen sie ihm immer, indem sie zwischen das Tauwerk des Schiffes schlüpften. Abends befahl der Kapitän 220 Botanischer Spazieraang :c. einen: Schiffsjungen, auf die Spitze des Mastes zu steigen und dcn eingcschlafenen Räuber dort zu überfallen. Er wurde auch richtig gefangen nnd nebst einem Fischadler, den wir bei Latakieh eingenommen hatten, in einen Käsig gesetzt. Das war die letzte Episode einer Fahrt, die nur augeuehme Stunden bot. Wie könnte es auch anders sein, wenn man den Orient in vierzig Tagen bereist, an Bord einer vortrefflich eingerichteten uud von fähigen niid zuvorkommenden Offizieren befehligten Dampffregatte, inmitten einer gewählten Gesellschaft, die sich bei jedem Landungsplätze erneut und aus allen Völkern des Orients nnd des Occidents besteht? Freiwillige Ciceroni, vervollständigen diese Passagiere Deine Kenntnisse, und was Dein Auge nicht bemerkt und Dein Verstand nicht gefaßt hat, das lehrt Dich die Unterhaltung. Die Uebcrfahrten, unfruchtbare Lücken auf so vielen Reisen, werden gleich belehrend wie die Aufenthalte, uud Gdicse Rundreise, in sechs Wochen vollbracht, trägt schließlich mehr " Früchte als andere, denen man mehre Monate widmet. Ver ÄlcklimaMtionsgartcu von Hamma dei Algier. Wenn man die Stadt Algier durch das Thor von Bab-Azun verläßt, so kommt man erst über den Exerzierplatz, den Schauplatz der Truppeurevueu, der Pferderennen und arabischen Fantasias. Das Meer liegt zur linken, reizende Hügel mit Landhäusern, bald maurischen, bald europäischen, bedeckt, dehnen sich zur Rechten aus. Franzosen, Maureu, Beduinen, Kabulen, zu Pferde, zu Esel, zu Kamel oder von Omnibussen gefahren, beleben die Straße. Eiu paar Minuten darauf kommt man über einen mahomedauischen Kirchhof. Ist es eiu Freitag, so sieht man verschleierte Maurinncn, von denen man weiter uichls als die Augeu und die durch einen, schwarzen Strich verbünde-um Augenbrauen wahrnimmt, malerisch auf diesen Gräbern gruvpirt; sie plauderu vertraulich unter sich oder erzählen auch dem Todten die in der Familie vorgefallenen Ereignisse, denn ihrem naiven Glauben zufolge ist der Todte eiu augenblicklich abwesender Verwandter, deu sie bald wicderseheu werdeu. Sie reden zu ihm mit jenem vergnüglichen, mit Bedauern gemischten Gefühl, das mau empfindet, wenn man einem Freunde schreibt, vo» dem man für lange getrennt ist. Hinter dein mauri- 2I2 Der Akklimatisationsgarten uon hmnma bei Algier. schen Kirchhofe wird die Straße schattig und zieht sich am Fuße der mit Baumricinus und andern Europa fremden Gewächsen bedeckten Hügel entlang. Aber welcher berauschende Duft verbreitet sich in der Luft! Der süße Wohlgeruch der Orangen, verbunden mit unbekannten Düften, trifft den Geruchssinn. Der Wagen hält zwischen einem Gitterthor in enropäischcm Geschmack nno einem an einen Felsen gehefteten und von riesigen Platanen beschatteten maurischen Kaffeehause. Zwei in uusern Kli-matcn unbekannte Bäume*) erheben sich vor dem Gitterthore, eine in Indien heimische Schlingstaude bedeckt es mit ihren prächtigen gelben Blüthcntranben. '^) Es ist die Giufahrt des Akklimatisationsgartens oder der Centralpflanzschule von Algerien, die vollkommenste Verwirklichung des einsichtsvollsten und fruchtbarsten Gedankens, den die Negierung gefaßt hat, um die Ankunft der Kolonie zu sichern. Zer MklimalisatiouslMten im Iichre 1852. Vor dreiundzwanzig Iahreu, als das französische Heer bei Cidi-Ferrnch landete, trug der Boden Afrikas nur einheimische (Gewächse oder solche, welche sich seit den Zeiten der Nömer trotz der Sorglosigkeit der Türken nnd des zerstörenden Geistes der wandernden Araber erhalten hatten. Nun vermag das vom Himmel bcgüustigtstc Vand, wenn es allein anf die Pflanzen, welche es natürlich erzeugt und welche die Kultur nicht verbessert hat, beschränkt bleibt, seine Bewohner kaum zu ernähren. Die Ein-fl'chrnng der Nichgewachse, wenn sie den Einzelbemühungen der Kolonisten überlassen bleibt, ist eine Arbeit von Jahrhunderten, welche Zufall und Unwissenheit endlos verlängern können; man n) Die zwcihäusige Phytolacca (I^vtow''',» «üui,:», l..) ans ^ildamcrila. Der Akklimatisationsgarten »on Hamma bei Algier. 223 mußte sie abkürzen. Mali gründete also einen Garten, der dazu bestimmt ist, die Gewächse aller Länder der Welt aufzunehmen, welche Nkklimatisationsausstchten in Algerien darbieten. Zunächst stellt man darin fest, ob ihneu auch das Klima und der Boden zusagen, daun untersucht man, welches die zuträglichste Kulturmethode, Bodenart und Exposition sind, endlich versichert man sich, ob diese Kultur für einen ans seine eigene Einsicht nud seine alleinigen Hülfsmittel angewiesenen Anbauer möglich und einträglich ist. Doch bleibt die Fürsorge der Regierung hierbei nicht stehen. Um zu einer neuen Kultur zu cr-mnntcrn, werden dem Kolonisten Samen und Pflanzen zn einem Preise geliefert und die Produkte zu einem Preise abgekauft, der ihn für seine Mühen entschädigt; man giebt ihm also die Mittel der Produktion, und er hat die Sicherheit, seine Ernten mit Vortheil zn uerkanfeu. Das der Zweck. Um ihn zu erreichen, bedürfte es eines der Kolonie ergebenen Garten- und Landbauers, eben so wohl in der Theorie wie in der Praxis bewandert, ausdauernd in seinen Nachforschungen nnd gleich unzugänglich einem vorschnellen Enthusiasmus wie einer nnbc-dachtsnmen Entmuthigung. Alle diese Eigenschaften hat die Regierung in dem Direktor des Versuchsgartens, Herrn Hardy, vereint gefunden. Die Zuneigung und Achtung aller Einwohner Algeriens sind dem Urtheil der Nachwelt über ihn vorausgeeilt, die ihm den ersten Nang unter den friedlichen Eroberern des französischen Afrikas anweisen wird. Der jetzige Präfckt, Herr Lautonr-M6zeray, ein leidenschaftlicher Gartenfreund und gebildeter Landwirth, hat als praktischer Mann uud als kompetenter Administrator, die Bedeutung des Versuchsgarteus, zu dessen Gründung Herr de Sonbenran mächtig beigetragen hatte, erfaßt. Durch seine Gegenwart, durch seine Nachschlage, durch seine Anfmnuleruug begünstigt Herr Lnntour-M6zeray den ackermirthschaftlichen Fortschritt der Ko- 234 Der Mlimatisationsgarten von Hamma bei Algier. lonie nnd ergreift so das wirksamste Mittel, die Eroberung zu sichern; denn der Soldat kampirt für den Augenblick, der Ansiedler bleibt, der Soldat hat den afrikanischen Boden Frankreich erobert, der Ansiedler aber erhält ihn demselben. Diese zwiefache Eroberung mit dem Degen und mit dem Pfluge, eingeweiht durch den Marschall Vugcand, war anch das System des Generals Daumas, welcher zn Paris die Angelegenheiten Algeriens leitete. Ein langer Aufenthalt in der Kolonie hatte ihn gelehrt, mit Sicherheit die geeignetsten Mittel zu beurtheilen, das Gedeihen derselben zu vermehren. Werfen wir zuvörderst einen Blick in das Innere des Gartens, nachher wollen wir von seinen agronomischen Resultaten sprechen. Schutzwände, aus einer doppelten Neihe von Cyvressen gebildet, theilen ihn in Vierecke ein und schützen die zarten Pflanzen vor den Seewinden, welche der Salztheilchen wegen, die sie mitführen, der Vegetation so feindlich find, und vor den Landwinden, unter denen der sengende Sirotto der Wüste ein nicht minder furchtbarer Feind ist. Der Theil, welcher an das Hans des Direktors stößt, ist speziell den exotischen Bänmen, Standen und Pflanzen gewidmet, welche man zn na-tnralifiren und zu vermehren trachtet. Für einen Botaniker, der die heißen Vänder noch gar nicht besucht hat, ist Alles ncn, oder er bewundert vielmehr im Freien in der ganzen Ueppigkeit eines kräftigen Pflanzcnwuchses die Bäume, von denen er bisher nur eutstcllte, sieche und abgezehrte Individuen in den Treibhäusern der kalten Länder sah. Für einen Gartenlicbhaber ist es ein erfrcnliches Schauspiel, diese Gewächse aus den vier Welttheilen versammelt und wie unter ihrem HeimatZhimmel sich entwickeln zn sehen. Es ist ein Pflanzcnkongreß, der sich nur in einem ^ande verwirklicheil kann, wo die Temperatnr nie unter den Gefrierpunkt sinkt und fich vier Monate laug zwischen 20 uud 35 Gradeu hält. So sieht man dort Arten von indischen Ter Mlimatisnticmsgark'n von Hlnnnm bei Algier. IIl) Feigenbäumen vereint, von denen einige bis H) Meter Höhl.' habe». Der elastische Feigcnbanm pni<»I<>z>i8 in voller Blüthe neben einer gleichfalls blühenden Iusticie (.lul>t,ici:l lulnntmw) desselbeu Landes, der Onceulu« liuii-itdiiu« mit schimmernden Blättern erhebt sich als Baum, nnd der Nosenapfel (.Ismido^ vulMi'i») bringt seine Früchte zur Neifc. Eine Gruppe benachbarter Bäume verseht uns in eine andere Hemisphäre, nach Australien, eine Ausnahmcnatur, welche sich von der der übrige» Erde eben so sehr unterscheidet, wie die anlediluvianischen Schöpfungen von der jetzigen Schöpfung. Man bewundert in dem ^ersuchsgarten eine Neihe vou ('^uli-i-iim ^iui^lit'<»1j> deren fadenförmige Blätter denen der Schachtelhalme nnserer Sümpfe gleichen. Wenn der Wind ihre feine Wolle bewegt, so glanbt man das abgeschwächte (Geräusch eines fernen Meeres zn vernehmen. Neben ihnen stehen die ^cnciü mit einfachen Blättern, die I.(?i)t0^m-mum und vor Allem die Kiefer der Insel Norfolk (^i'3,u('ln'ia ^xeol^), deren grüne Pyramide sich über den umgebenden Bänmen erhebt; ihre obern Acste, gen Himmel gestreckt, während die nntern sich anf dem Boden ausbreiten, verleihen ihr ein seltsames Aussehen, welches den gleichgültigsten Augen auffällt. Die ttrsvilwa, die llucn.-iMu«, der ^an!do«a au^ti-.iii^ erreichen 8 bis 10 Meter Höhe. 22l> Der Nkklinmtisationsgartcn von Hamma bci Algier. Neben Nenseeland ist Brasilien dnrch seine prachlvollsten Gewächse vertreten; die Korallenbäume mit langen dnntelrolhcn Blüthentraubeu erheben sich zu 6 Meter vom Boden, die N»,»u-^ainviii^a, deren nnbcdcntende Blüthe von röthlich gefärbten Blättern von schönster Wirkung umgeben ist, bekleidet eine ungeheure Mauer oder bildet vollkommen roscnrothe Büsche, die Cytharexylon, ote Cordia, bte Poinciana, bie Jacaraiwla eut= wickeln sich wie in ihrem Heimatlande, und im SväljaHr krüm-mcil sich die Kujavabäume (k^iäium pyrif^rum) unter der Last ihrer Früchte. Ich will nicht weiter von den Pflanzen Teneriffas oder den Gewachsen des Orients sprechen, welche in Nlgier das Klima ihres Vaterlandes wiederfinden, desgleichen werde ich die Chinas mit Stillschweigen übergehen, doch darf ich nicht jene riesigen Bambuseu vergessen, welche sich in Einem Sommer zn 10 Meter Höhe erheben uuö rasch mächtige Schntzwände wider den Wind improvisiren, noch die schöne kanarische Kiefer, deu geeignetsten Banm für die WiederbeHolznng der Gebirge Algeriens, noch die laugblättrige Kiefer, welche alle beide 10 bis 12 Meter Höhe erreicht Hatten. Einige Schritte von der Baumschule uimmt ein wahrer Wald von Vauanen den Besucher unter seinem Schatten anf nnd giebt seiner Zeit vortreffliche Früchte. Der Theil des Gartens aber, der in naher Zuknnft die größte Wirkung Hervor-rufeu wird, ist eine abwechselnd mit Dattel- und Lataueupalmen bepflanzte Allee, die sich von der Freitreppe der Direktorial-wohnuug bis ans Meer erstreckt. Diese Bäume siud erst acht Jahre alt. Ihre Stämme sind bereits mit langen Vlätter-schöpfen gekrönt, und alle Jahre bedecken sie sich, die eiueu mit männlichen Blüthen, die andern mit Fruchtkolben, die jedoch nur unvollkommen reifen. Es bedarf der Sommer der Sahara, nm die Datteln, welche wir in Enropa essen, vollständig zur Reife zu bringen. Der AMimlitisalwi^glN'k'n uoil Yainma bei Algirr, I^7 Nings un> diese Anpflanzung» erotischer Gewächse, lebendige Proben der Frnchlbarfeil des algerischen Bodens und der Milde des algerischen Klimas, dehnen sich weite Baumschulen aus, welche eine Mche von mehr als W Hektaren bedecken^ es sind Maulbeeren, Orangen, europäische Obstbäume, japanische Mispelu, Kujavabäume, amerikanische feigen für die Cochenille uud Zuckerrohr. Diese Gegenstände werden deu Kolonisten nebst Anweisungen über die Art ihres Anbaues gelie-sM. Und nicht blos theilt man ihnen schriftliche Anweisnngen mil, sondern Herr Hardy begiebt sich häufig selbst nach den abgelassenen Bindereien, nni Fingerzeige über die einträglichste Art der Bewirthschaftnng zn ertheilen. Die Kulturen bei Seite lassend, welche im ganzen Umfange von Frankreich ebenfalls möglich sind, wie die Futterkräuler, die Gelreidearlen, die Kartoffel, die Gemüse und die Obstbänme, werde ich nnr bei denen verweilen, welche der Mittelmeerregion besonders angehören oder Afrika eigenthümlich sind. Der Oelbaum gedeiht in Algerien vortrefflich, er erfriert nie und erlangt infolge dessen ungeheure Dimenfioneu. Uuter den Mmern lieferte Algerien sämnttlichen Provinzen des Reiches Oel. Die Berge in der Umgegend von «^uelnia sind mit Olivenwäldern bedeckt, welche wieder in den wilden Zustand znrückgetreten sind, nnd überall findet man die Mühlsteine, welche znm Pressen dienten, sowie die Rninen der Mühlen der ehemaligen Landesbewohner. Wenn man sich daranf legt, auf diese Wildlinge gnte Abarten ans dem südliehen Frankreich, aus Spanien nnd Italien ^n pfropfen, so wird man vorzügliche Prodnkte erzielen. Ja mehr, gewisse Varietäten Andalusiens, welche selbst im Var uud in den östlichen Pyrenäen, wo der Sommer zu knrz ist, nicht gedeihen, wie z. B. die Olive ^"r»In-168 ^6 la i'l^ü^ deren Umfang dem einer dicken Pflaume gleich kommt, würden in Algerien dieselben Dimensionen erreichen. 15* 22ft Der Akklimatisationsgarten von Hamma bei Algier. Der Gewinn des Olivenöls könnte sich anf Tausende von Fässern belaufen, wenn es in den Konsum der Bewohner des nördlichen Europas einträte. Da die nordischen Völker es nicht kennen, so halten sie sich an ihre Nuß-, Mohn- und Nübsamcnölc. So sendet ein Einwohner von Montpellier zum Dank für die Gastfreundschaft, welche er in einem Hamburger Hause genossen, der Herrin desselben ein Fäßchen vom besten Provenccröl; beim Anblick dieser dicken und grünlichen Flüssigkeit entsetzt sich die dentsche Hansfrau uud überliefert es der Magd, um die ^ampe damit zu versehen, während das Nußöl fortfährt auf der Tafel zu figuriren. Die Unzulänglichkeit unserer Handelsmarine, die Aengst-lichkeit unserer Kanflenle ist es, welche den Ackerbauer zwingt, sich zu beschränken. Wir verstehen es nicht wie die Engländer, bei andern Völkern Geschmack an Dingen zu wecken, welche für Frankreich ergiebige Neichthnmsqnellen sein würden. Es ist ein wahres Glück, dast sie von selbst die Bekanntschaft unserer Bourgoguer-, Bordeaux- und Champagner-Weine gemacht haben, sonst würde es nns nicht eingefallen sein, sie ihnen anzubieten; sie kannten ihr Dasein so wenig wie das der Mehrzahl der guten Gewächse des Languedoc, welche sie sich dorther holen, während nnserc Seelente sie ihnen bringen sollten. Doch da bin ich weit abgekommen von Algerien; ich kehre dahin zurück, um von dem Maulbecrbaume zu sprechen. Da die Seidcnprodnktion in Frankreich für die Industrie nicht ausreicht, so müssen wir sie ausdehnen. In Algerien wird man an den Abhängen des Atlas alle jene dein Manlbeerbaum günstigen Klimate antreffen, welche fich uon den Ebenen des ^angnedoc znr Höhe der Eevennen und der Ardeche-Gebirge abstufen. Man wird also Blätter der verschiedensten Qualitäten ernten. Das stetige Steigen der Temperatur vom Monat April ab, die Seltenheit der Stürme machen die Zucht leicht; Der AMimatisntimvMl'tcn ucm Hannna b^i Al^r. )!?l» !>e glück! vollständig, und wird immer besser glücken, je mehr dn' Erfahrung der Kolonisten sich durch die Praris bildet. Im Jahre 1.853 hat die Provinz Algerien 23,887 Kilogramme Seide produzirt, welck)e auf dem Lyoner Markte vollständig verfällst sind. Wenn die Seidenzüchter Algeriens sich das Beispiel ihrer Landslente im südlichen Frankreich zu '^utze »mcln'n, so werden sie sehen, dafi die kleinen Seidenzüchtereien irdmögliche Aussicht auf Erfolg haben. Die Vereinigung einer W'osmi Anzahl von Würmeril in ein und demselben Lokal ist »nd ivird stels eine Ursache der Sterblichkeit sein, welche die beslen <"esnndheitsmas;regeln wohl vermindern können, ohne sie verschwinden zn lassen. Ich werde mich nicht über 'die Kultur der Orange, des Tabaks, der wohlriechenden, ^n Parfnmerim verwandten Pflanzen sowie des Frühobstes uerbreilen, welche die besten Resnltate ergeben haben. Zwei Worte werden genügen. Der Tabak Ab gcrieus ist besser als die Tabake des Lot. Ein einziges Hand-lnngshans hat nach Frankreich 3 Millionen Orangen und 600,0(10 Zitronen erpedirt nnd vor den Thoren Algiers, selbst auf der Straße von Hnssein-Dey, kommt man mehre Kilometer entlang an Artischockenfeldern vorbei, welche den Winter über den Markt von Paris versehen. Die Kultur der Baumwolle iu Algerien ist der Hanpt-uuntt, der mit Necht dic Agronomen nnd Etaatsökonomm beschäftigt. Die wirthschaftliche ^rage scheint mir gelöst. Die Kräinerbanmwolle, namentlich die Georgiens, ist eine Pflanze, die, um zu keimen, eine ziemlich höhe Temperatur und eine gewisse Menge von Feuchtigkeit uöthig hat. Alle diese Vedingnn-gen treffen in Algerien im Monat April zusammen. Dann kommt die Hitze nnd die Dürre; wenn die Baumwolle aber erst einmal eine gewisse Entwickelung erreicht hat, so bedarf sie kein Wasser mehr zum Gedeihen. Die Sorge beschränkt sich 23() Der AkkliümtisationsMtt'n von Hnmnm b^>i Algier. also auf ein Umpflügen im Frühjahr, dann etwas Gäten, wenn das Unkraut sich zeigt und auf das Abkneipcn der Spitzen, um dm Saft in die Scitenzweige zurückzutreiben. Die Ernte geht schnell nnd leicht von Statten, Frauen und Kinder genügen dazu. Das Einschlagen der Baumwolle in Algerien ist keine Wahrscheinlichkeit, es ist Thatsache. Den ersten April W53 betrug die Ernte ^1509 Kilogramme, und nm der ganzen Kolonie zu beweisen, daß diese Knltnr selbst auf dem schlechtesten Boden gedeihen könne, hat Herr Hardy Sandflachen am Meeres-strande und den znvor gehörig umgegrabenen Boden einer ehemaligen Straße besäet uud 4M Kilogramme georgischer Baumwolle gewonnen, deren Länge, Feinheit und Elastizität nichts zn wünschen übrig lassen. Bleibt die Handelsseitc der Frage zu erörtern. Werden die Kolonisten Algeriens, wo Handarbeit hoch im Preise steht, gegen die geringer bezahlte Arbeit Aegyptens und Indiens ankämpfen können? Das ist die große Frage, welche die Rcgiernug, aufgeklärt durch die Staatsökonomen, zn entscheiden berufen ist. Ich will sie nicht erörtern, sondern nnr bemerken, daß dann, wenn die Kolonie von den Proletariern, welche in Frankreich verkommen, bevölkert wird, wenn es nicht mehr Arbeiter ohne Arbeit, sondern Bauern sein werden, die nach Algerien auswandern, nicht mit der thörichten Vorstellung, schnell ein großes Glück zu machen, sondern mit dem Gedanken, kleine Landeigenthümer zu werden, daß dann die Frage vielleicht gelöst werden wird. Spinnereien werden sich inmitten der Baumwolleufelder erheben, uud sehr wahrscheinlich wird der niedrige Preis der Lebensmittel sowie die Befreiung von den Kosten der Einfnhr der ausländischen Banm-wolle nach Frankreich die Vortheile der minder hohen Löhne Indiens und Aegyptens anfwiegen. Man mnß daher rück-haltslos das Staatsoberhanpt loben, durch einen Preis von ^)0,090 Franks diese wichtige Knltnr ermuntert zu haben. Der Akklnnatisatwn^nrtlM rwn Vamiua dci Algier. I.)1 Es ist klar, daß ein Hutmachergesell oder sonstiger Arbeiter, in ein ^orf Algeriens verschlagen imd dort das unordentliche Leben fortsetzend, das ihn zur Auswanderung gezwungen, es selbst in der allerleichtcsten Kultur nie zu etwas bringen und nach Frankreich zurückkehren wird, um das lange Klagelied der algerischen Täuschungen anzustimmen. Aber man lasse rinen nichtigen Fcldarbeiter sich nach einer Lehrzeit von ein paar Monaten in der Centralpflanzschnle niederlassen und dann erst eine kleine Wirthschaft anfangen, die er von Jahr zu Jahr erweitert, solchem Aubaner wird es sicherlich glücken, wie es den Mahonesen glückt, welche Kolonisten in Algerien werdeil, nicht in der chimärischen Hoffnung, binnen ein paar Jahren ihr Glück zu machen, sondern nm Besitzer des Bodens zu sein, dcu sie bebauen, statt mit ihrem Schweiße das Feld eines nnbetann-ten Eigenlhümers zn benetzen. Das Dorf Fort de l'Eau, eins der schönsten, das man sehen taun, kann die Wahrheit dessen, was ich behaupte, beweisen. In der bei der Vertheilung der Medaillen auf der landwirtschaftlichen Ansstelluug von 1852 gehaltenen Ncdc hat der Präfekt von Algerien, Herr Lautour-Mözeray, zahlreiche Beispiele vom Gedeihen des bescheidenen, umsichtigen >lnd arbeitsamen Kolonisten neben dem Mend desjenigen angeführt, der keine dieser Eigenschaften besitzt. Algerien hat es nöthig, iir Frankreich gut gekannt zu sein; es ist keineswegs genügend von den (Mehrten, Landwirthen nnd Staatsükonomeu erforscht worden. Man hat es bald wie ein Eldorado, bald wie eine Hölle geschildert, es ist weder das eine noch das andere, es ist ein jungfräuliches uud fruchtbares Land, ausgestattet mit jenem Klima, welches den an die Tropen grenzenden Regionen eigen und folglich fähig ist, Erzengnisse zu liefern, welche wir den Fremden verkanfen können, statt sie von ihnen zu kaufen. Diese Aussicht ist schön genug, auf daß die Feldarbeiter endlich jenen Stumpfsinn nnd jenen Geist der Scholle ab- 232 IX'r MNimalisiUwnvMN'k'n von ^a,,,»in bci ^llizi^r. schütteln, dcr fie das Elend und die Hörigkeit auf dem heimatlichen Boden der Wohlfahrt und Unabhängigkeit in einem Neufrankreich vorziehen IM, dao von dem alten durch ein Salz-wasserbecken geschicdeil wird, welches der Dampf in eill paar Stunden zurücklegt. Der Zkklimatilationsgarten im Jahre MN. Ich sah den Persuchsgarten im Zähre 1864 nach eiuem Zwischcnraume uon zwölf Zähren wieder, Dank dem einsich-tigen Schutze der Regierungen, welche sich in Algerien gefolgt sind, war die Oberfläche desselben vermehrt worden, in der Ebene um 8 Hektaren, welche dnrch ein vollständiges Drainagesystem gesünder gemacht waren, auf dem Hügel um 21 Hektaren. Die Gesammtoberfläche des Gartens war also nnf 58 Hektaren gebracht. Diese neuen Bezirke sind in folgender Weise mchbar gemacht. Im steilsten Theile am ,vns>' des Hügels ist ein großes Wasserbecken gegraben worden; in der Mitte liegt eine Insel, mit Bambuscn und Bananen bepflanzt, die von Pflanzen umgeben sind, welche feuchtes Erdreich licbeu und den Familien der Aroideen, der Scitamineen uud der ^'yperaceen wie die Oolooasia,) die (^liliäiuM) die Hecl^uuiuni, die 6Iodii nutans und der 0/P0NI8 pli,Mi'u« angehören. Im Wasser selbst breiten sich die ^mjilme^ nidli, c>:l und die (^iüln, Äßtdiopicll, ans. Bei diesem Anblick möchte man sich nach Indien versetzt wähnen, man hat ein abgelöstes Stück des berühmten botanischen Gartens von Kalkutta vor Augen. Der Nest des Grundstücks ist in der malerischsten nnd belehrendsten Weise zugleich angeordnet worden. Breite Alleen, in denen sich Wagen bewegen können, winden sich um Dickichte Colocasia, bte Caladium, bie Hedyehiuni, bie Globa nutans unb bev Cyperns papyrus cmgcljöveit. $m 2-^ösÜ'v selbst öveiten [id; bie Nymphaea alba, cacrulea, eyanea, nibra, Ortgeziana, tliermalis, dentata unb .scutiiblia, bie Neluinbium speciosuni mtb caspicuni, baä Aponogeton distachyuni unb bie Calla aethiopica ans. Bei diesem Anblick möchte man sich nach Indian versetzt wähnen, man hat ein abgelöstes ^tück des berühmten botanischen Gartens von Kalkutta vor Augen. Der Nest des Grundstücks ist in der malerischsten und belehrendsten Weise zugleich angeordnet worden. Breite Alleen, in denen sich Wagen bewegen können, winden sich um Dickichte Der Aktlimatisationsgnrtm lwn Hanimu bei Algu'r. I."»^ von verschiedener Form und Größe, deren jedes ans einen Ganzen exotischer Gen'ächse besteht, welche alle derselben natürlichen Familie angehören. Es ist dies ein glücklicher bedanke. Das große Publikum wird von, Anblicke dieser mannichfalngen formen überrascht, die dennoch so glücklich untereinander Harmoniren. Der Botaniker bewundert in ihrer freien Enlwickelnng Gewächse, die er nnr durch getrocknete Proben oder die rachitische» Individuen der europäischen Treibhäliser kannte^ et wird von jenen, verwickelten Bilde durchdrungen, das man die Phy' sioguomie einer natürlichen Familie nenn!, ein Bild, "nf die kreuze der Wissenschaft und der sinnst gestellt, nnd ost Ml sichererer Führer als die, feinsten Analysen. Wer dieses Bild dentlich erfaßt und die Erinnerung daran bewahrt, ist mit dem botanischen Gefühl, ähnlich dem medizinischen Gefühl, begabt, einer Fähigkeit, welche das Studium entwickelt, deren Keim aber in uns liegt. Die erste Gruppe ist die der Feigen. Welche erstaunliche Mannichfaltigkeit in Tracht, Form, Lanb bei diesen Arlen, von denen die einen Indien, die andern Südamerika angehören nnd doch ließen sich keine von dem natürlichen Geschlecht I^ii^ dem sie sämmtlich angehören, trennen; ihre geheime Verwandtschaft enthüllt sich, wenn mail sie so vereiin sieht. Die Palmbäume füllen eine lange Ellipse ans; vierzig bereits akklnnatisirte Arten habeil drei Winter ohne Schutz durchgemacht. Achtzig sind ;nm Versuch im Lande oder in Kübeln. Aberschon bietet dieGrnppc die hauptsächlichsten Formen der Familie dar, und man sieht, dnß diese zierlichen, alls allen heißen oder gemäßigten Theilen des Erdballs stammenden Bänme das Wort biinw's rechtfertigen, der sie die Fürsten im Pflanzenreiche nannte. Ich setze iil der Anmerkung das Vcrzeichniß dieser Palmen her,") *) *Chamaerops toiuentosa, Fulcli.; *C. birrho; 0. hysdix, Fräs.; C Martiana, Wall.; C. excelsa, Thiinb.; C. liuuiilis, L.; G. palmetto, Mich.; 234 Der Aktlimatisaticmsgarten von Yammn bei 'Algier. durch ein Sternchen diejenigen nnterschcidend, welche bereits reife Früchte nnd fruchtbare Samen geliefert haben. Die Gruppe der Cykadeen steht in der Nähe. Die Aormenverwandtschaft der beiden Familien enthüllt sich dem Auge, allein der seltsame Anblick der ^amm, der Oei-lttonamii^ der DwcM) der O^c.^ der Nncpplilülu-ts»» erinnert uns daran, daß diese Gewächse sämmtlich am Kap der guten Hoffnnng oder in Australien wachsen, deren seltsame Vegetation einer von der unsrigen verschiedenen geologischen Epoche anzugehören scheint. In der Gruppe der Bromeliaceen bemerkt man dichte 33uftf)c üon Bromelia sceptrum, btc Tillandsia farinosa, amoena nub zobrina, bic Acchmea ftilgens unb distichantha, bte Pitcair-nia angustifolia, intermedia, purpurea, bte Bilbergia pyrami- äaii« und pm-pm-en,) und nm das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden, die Ananas von Martinique, welche unter dem Himmel Algiers im freien süße und dnftige Früchte giebt. IMe 53nnane (Musa paradisiaca, L. nub M. sapien- tiuM) 1^.) ist eine der kostbaren Errungenschaften des algerischen Küstenlandes. Die Bauanen reifen daselbst vollkommen, und der Bauancubaum macht einen Theil der Gemüseknltnr in der Umgegend von Algier und Oran aus. Das Beispiel des Herrn Hardy, der ihn lange Zeit allein in großem Maßstabe kultivirte, *Sabal Adansonii, Giier.: S. havanense; *Latania borboiiir.a, Wilid.; Ha-pliis fliibelliformis, L ; R. kundun; Thrinax parviflora, Sw.; ']'. argentea, l.odd.; T. graminifolia; T. manritiaeforniis; Corypha ceriphera, Arnid.; ('. gerbanga, Bl.; Rrahea dulcis, Mart.; B. conrtuplicata; *Phoe»ix leonen-sis; P. dactylifera. L.; P. sylvestris, Roxb. ; P. farinifera, Roxb.; * P. pu-mila, Anb.; P. reclinata, Jacq.; Oreodoxa regia, R. Br.; Coros spec, Datil, 'Bonpl.; C. peruviana; 0. plumnsa. l.odd.; C. botryophora, Mart.; 0. coro-uata, Mart,; C. schizophylla, Mart.; *C. slexuosa Mart.; C. lapidea. (iaertn.; *C. anstralis. Bonpl.: Fulrhironia senpp-alensis, I.estib.; Are<%a sapiHa. Forst.; Diplostpmuin maritimum. Mart; Caryota urens, L.; C. propinqua, Blum.; C. Cnmingii, l.odd.; Arenga saccharifera, Lab.; Jubaea spectabilis, II. B.; Ceroxylon andicola, Spr. Der AMimatisationsqar^n von ymunia bei Algier. 235 hat der Kolonie also Nutzen gebracht; auch hat er eine Gruppe dieses Geschlechts gebildet, in der man bemerkt! Nn^a ^drina, äi^eoloi-, 8p6oic)8a, vittllta, ^i-o^inä^taium und vor Allem die mißgestalteten Nu«a cn^ote von Vrnce, ans Abyssinieu stammend. Sie scheint sich wieder heimisch zu fühlen; aus ihrem ungeheuern, zwiebelsörmigen, kurzen und dicken Stamme schießt ein Strauß elliptischer, 3 bis 4 Meter langer Blätter hervor, deren jedes durch eine mtten vorspringende starke Nippe vom schönsten Noth gestützt wird. Die Pflanze ruft einen Eiudrnck hervor, ähnlich dem, welchen man beim Anblick der massiven Formen des Nashorns oder des sslnßpferdes, der plumpsten der Vierfüßer, empfindet. Die übrigen Geschlechter der Mnsaeeen, wie die Ztrßlitxia, die kavonala nnd die >Ic1i(>miiK, sind gleichfalls durch mehre Arteu vertreten. Die Gruppe der Myrlaceeu ist gleichfalls in die Nähe der Nu8a 6N86t6 gerückt, um den Gegensatz auffälliger zu machen; diese schlanken Bänme mit feinem Lanbe stellen die Zierlichkeit gegenüber der Massenhaftigkeit dar. Die verschiedenen Arten von Kujavabüumcn, namentlich das ?8iclinm ^rit>rnm, g^ben Früchte in Ueberfluß, mährend die Nosenäpfel s.iumdc^ vni-ß-lu-i«) ma1ao6N8i8, on.u1iti0r:i n„d torniüora) das Auge durch die Staubfädcnbüschel erfreuen, welche aus ihren Blüthen her-vorschießcn. Das schimmernde ,^allb der Myrten (MMu8 oominuni^ inmouta^ oiU')'c)pIiMl,,1)^w«. Ich werde nicht bei der Gruppe der Vombneecn veriueilen, Bäumeu des tropischen Asiens, Afritas und Ameri!a5, ivelche in ihrem Vaterlandc ungeheure Verhältnisse erreichen, nnd deren Stämme dicke Stacheln tragen, welche Nägeln ähneln. Der Lomdax cnida, die (ülwi-i^iir 8poei8ll6-l'olia von nnuer^leichlichcr Schönheit. Die Vcrbcnaecen, welche im Geiste deö europäischen Botanikers nnr Erinnerungen an Pflanzen mit unscheinbaren Blüthen wecken, bilden einen prachtvollen Blumenkorb, umgeben von einem Kranz von ?6trg,6a voludiN». Die Gebüsche bestehen aus ('lMic:,r>)!l ^eevLkn, arborea nttb tomentosa, Citharexylon csnulatuni unb villo-sum, Clcvodendron augustifolium itub devonianum, Duranta brachyopoda ltitb ellisia; Yitex arborea, Aegiphylla martini- C6N818 und der lootonH ^i-anäi^ deren Holz in Indien niner dem Namen Tck so sehr geschäht ist. Die Apocyneen bieten nns dnftcnde Arten des amerikanischen Geschlechts linniiei-ii dar, vertreten durch die klumiera nid«,, vubra, macrophylla, bicolor unb acutifolia, bic Ccrbera manghas unb bie Deaiimontia grandiflora Inbieuä, bie Ca-rissa, bit Allamanda, bic Tabcrnaemontana bei' Svopcti so= wie die lin^liinia vou6uit'6i'9, Madagaskars. Ich halte innc in dieser Aufzählnng, die nnr fnr diejenigen interessant ist, denen jeder dieser lateinischen Namen ein Bild oder eine Erinnernng zurückruft. Es genüge, hinzuzufügen, das; ähnliche Gruppen von den Malvaceen, den Araliacecn, den Tiliaceen, den Sapindaceen, den Dombei)acecn, den Papiliona-ceen nnd den Geschlechtern vmenon^ kanclanu^ ^uoca n, s. w. gebildet werden. Der Zwischenraum von zwölf Jahren, welcher zwischen meinen beiden Besuchen im Garten von Hamma verflossen war, gestattete mir, die Rührigkeit des afrikanischen Pflanzenwuchses Der Akklimatisatwnsgarten von Hamma bei Algier. 237 zu schätzen. Die Dattelallee bildet gegenwärtig eine Kolonnade, die zu 10 Meter über den Boden den Spitzbogen erhebt, welcher durch die gekreuzten Blätter der einander gegenüberstehenden Bäume gezeichnet wird, während die Fruchtkolbeu, kreisförmig uuter dem Blätterbusch vertheilt, an das Kapital der Sänle erinnerten. Die Pyramide der ^iaucai-ia 6xeol8^ erhebt sich zu 20 Meter Höhe, die 6revi11c>il >uar 6 Meter hoch gewachsen; die ^aoarauäa inimntNLi'nii^ die ?r««0^i8 Mintioi-a,, die (üitliai-ßx^Imi waren große Vänmc, und der sich verbreiternde Stamm der zwcihäusigen Phytolacca ^Ii^wluLca äioioa) bildete am Boden einen Fuß von 5 Meter Durchmesser. Verlassen wir die niedrigen Theile des Gartens und erheben wir uns auf den Hügel. Man steigt denselben anf einer fahrbaren Straße hinan, die anfangs von (ÄLvilloa i-0du8w, dann von einer Orangenhecke, höher hinauf von llucalMu» Flobu1u8 eingefaßt wird, welche jährlich Z bis 4 Meter wachsen. Dieser Baum, aus Tasmanien stammend und von den englischen Kolonisten sium-ti-6L genannt, ist der König der Wälder in diesen Gegenden; er erhebt sich, wie man sagt, zn 80 Metern, und sein Stamm ist von einer dieser Höhe angemessenen Dicke. Auf den Abhängen, welche die Alleen trennen, hat Herr Hardy die zahlreichen Arten der australischeu Uiiuo^, bev Grevillea, bev Banksia, bev Protea mtb bcv .ftonifeven biefeei Sanbeö, bte Araucaria, bit1 Dainmara, bte Podocarpus, btc Dacrydium, bte Phyllocladus, bte Frencla; bte Casuarina angepflanzt, welche vortrefflich gedeihen, während die europäischen Holzarten anf dein algerischen Küstenlande nichl einschlagen, aber in den Hochregionen des Atlas, wo die veder des Libanon nnd der Pignerolenbanm der Gebirge'Andalusiens wächst, Aussichten anf Erfolg bieten. Der Hügel wird von einem Gehölz kanarischer Fichten vom schönsten Wuchs gekrönt. Darunter befindet sich ein reizendes maurisches Häuschen, dessen innerer IZ8 Der AMimatisalicmscMtm ron yamma bei Algier. Hof durch ein Bassin erfrischt wird, welches von Pfeilern umgebeil ist, auf welche sich die Aefte eines hundertjährigen Weinstocks stnven' unter dein Hause befinden sich oraugcnbrpflanzte Terrassen, und die Aussicht, welche inan von derselben genießt, ist eine der entzückendsten der Welt. Im Westen Algier, an den Verg Bu-Zarea gelehnt, näher herzn die Hügel von Ober-mustapha, mit manrischcn und europäischen Villen besäet. Im Osten das Kap Matifn, das Fort de l'Eau und die Gefilde, welche an das Viereckige Haus stoßen, unterhalb das fruchtbare Gestade vou Hamma, mit Geluüsekulturen bedeckt, welche sich das gauze Jahr hindurch crnenern. In diesen schönen Nahmen eingefaßt, rnndet der azurne Gulf seine Umrisse am Fuße der Hügel des Sahel, jene unnachahmlich aumuthig geschläugelten Vinien beschreibend, welche der Maler Tischbein vor den Angcn des entzückten Goethe von der Höhe der Ge birge zeichnete, welche deu Golf vou Palermo beherrschen. Welcher Aufenthalt für einen Botaniker oder für einen Dichter! Eine unuergleichliche Aussicht, der Himmel und die Vegetation der Tropen, ein ewiges Grün, nnd im Winter die schneeigen Spiven des Atlas am Horizont sich verlierend. Welcher Mühe, welcher Sorgfalt, welcher Ausdauer aber hat es bedurft, um auf Gincm Punkte alle jene aus den fernsten Gegenden stammenden Gewächse zn vereinigen! Nur derjenige vermag es zu beurtheilen, der sich eine ähnliche Aufgabe gestellt hat. Und was man noch mehr rühmen muß, ist die hohe Ginsicht der Gouverneure vou Algerien, welche Herrn Hardy in seinen Bemühungen umerstülzt haben, die Mnnisizenz der Minister, welche sich im Departement des Krieges gefolgt sind. Dank ihnen besitzt Frankreich den schönsten botanischen Garten der gemäßig-teu 'Zonen, den einzigen, welchen es den Gärten von Kalkntta und Vatauia gegenüberstellen kann. Während eine ungenügende Dotirung deu Gürten von Paris uud von Montpellier nicht Der Nkklimatisatwnsgarten von Hmuma bei Algier. Z.^9 ssestaltet hat, sich auf gleicher Stuft mil deueu von >t'e>v, Edinburgh», Wien, Berlin uud Petersburg zn hallen, IM allein der Akklimatisatiousgarten vou Haiimia die nalionale Ehre aufrecht, welche bei dieser Frage so gul nne bei alle» andern rugagirt ist. Frankreich davf iu keiner Beziehung hiulaustehen, deun es vermag jedem Ruhme zu genügen, es ist seine Unterstützung also alleu denjenigen seiuerKiuder schuldig, welche sich bemühen, dem Kranze uon Lorbercn, jenem Sinnbilde der ualioualeu Siege, womit seine Stirn geschmückt ist, ein Platt hin^nfügen. Das Blatt, in den friedlichen Kämpfen der >tnnst oder der Wissenschaft gepflückt, ist willkommen wie das, welches der Soldat mit seiuem Vlute bespritzt hat; uun aber ist das ("eld eine unerläßliche Bedingung für den Erfolg in der Wissenschaft wie im Kriege, uud der glühendste Eiftv kann das Fehlen materieller Hülfsmittel nicht ersetzen. Ich würde glauben, der Einsicht des Lesers zu ual,e ;n treten, wollte ich mich bemühen, ihm den Nutzen einer derartigen Austalt, wie ich sie ebeu beschrieben habe, zu beweisen; in dieser Hinsicht ist die Erziehung des Publikums fertig, nud die Mehrzahl der Gebildeten weiß, daß die ^ortschriUr der Agrikultur und der Industrie immer langerhand durch das ge dnldige und uneigennützige Studium der l^csetze und Erzeug »isse der Natur vorbereitet worden sind. Nützliche Entdeckungen sind Früchte vom Baume, deu die Wissenschaft gepflaumt lind gezogen hat. *) Tie jäl'rliche Dotation dcS Iardin des Plaittcs von Palis l'cti'äqt 4<>M!> Frauts, die dcs Gartens von jlew 3>D,(i0<», Der Garten vonMont Peltier verfügt jährlich über 7«M Frants, der von Edinburg über .'j5i,ü<»>. Diese Zahlen bedürfen tcincö Kommentars, sie reden Wingsam; sie sind der Ausdruck eines stationären Zustandes, den nichts ertlärt und nichts rechtfertigt. ycr Wald von Edough bci öona. Iiu Westen von Bona erhebt sich ein grostes Gebirge, das Ende der Kette, welche sich uom Eap de ^er das Meer entlang erstreckt und die Vorgebirge Naz-Tnkusch, Naz-Arrin und des Cap de Garde bildet. Dieses Gebirge ist der Berg Edongh, M0N8 ?:lppua der Alten. Sein Gipfelpunkt, der Vnzizi, erhebt sich 1000 Meter über dein Meere, und das ganze Massiv hält sich auf einer Höhe von etwa 900 Meter. Wenn man von Bona aufbricht, so führt die Strnste unter dein Aquädukt durch, welcher die Stadt speist, steigt sodann, Schleifen bildend, mitten zwischen Oliven-, Wein- nnd Obstpflanzungen hinauf, welche von jenen Hecken indischer feigen iOpmilia ii<>u« iixlic^) eingefaßt werden, die zugleich eine Wehr dnrch ihre dornen und ein Ertrag dnrch ihre Früchte sind. Nicht lange, so fängt der Wald an- anfangs besteht er einzig ans zerstreuten immergrünen Eichen von magerem Wuchs. Allem der Wald wird dichter; die Korkeiche und die '»tocheichc*) mischen sich mit ihren Perwandten. Die Höhe und ,Hahl der ^äume nimmt zu, ihre dichten Wipfel werfen jene schwartn uud grellen Schatten auf den Boden, welche in Afrika so ftarl gegen den Glau; eiuer *) Quercus Mirberkii. Dur. Der Wald von Edough bei Vona. 241 von der Sonne beleuchteten Straße abstechen. Bevor der Nei-scndc aber unter das düstere Laubdach tritt, wendet er sich, und ein großartiges Schauspiel entfaltet sich zu seinen Füßen. Bewaldete Böschungen tauchen in die azurblauen Gewässer des Mittelmeers. Weiterhin auf der Landseite erhebt sich amphi-theatralisch die Stadt Vona. Neben ihr unterscheidet man die Mündung der Seybnse, und an den Ufern des Flusses den Hügel, welcher die Nuinen von Hippon, der Stadt des heiligen Augustin, trägt. Jenseits der Golf von Bona, eben so weit, oben so blau wie der von Algier, noch weiter im Südosten die Ebene von Tarf und das Gebirge Zuk-Arras, welche die Provinz Konstantine von Tuuesieu scheiden, und endlich im Süden' einige Stücke des Sees Fezzara in der Sonne glitzernd. Das ist das Panorama, welches den Beschauer umringt, über seinem Hanpte rundet sich die blaue Kuppel des afrikanischen Himmels. In der durchsichtigen und Naren Luft heben sich alle Profile deutlich ab; die entfernten Gegenstände nähern sich, man unterscheidet die Silhouette der Bäume, welche den Kamm der fernen Gebirge krönen, die wenig entfernten Gegenstände vergrößern sich, ein Mensch, ein Pferd, am Horizont hervortretend, erscheinen riesengroß. Mit einem Worte, Alles ist klar, hell, dcntlich, wie Alles am Horizont im Norden Europas undeutlich, düster und verworren ist. Nachdem man einen Theil des Waldes durchschritten hat, langt man bei einem auf einem offenen Plateau gelegenen Dorfe an; dasselbe trägt den Namen des Marschalls Vugeaud, der in Algerien in lebhaftem Andenken steht. General, Administrator, Landwirth, war er der auserlesene Mann, der seinem erkorenen Sinnspruchc- llil^o et arlttro gemäß mit dem Pfluge das mit dem Schwerte begonnene Werk vollführt haben würde. 980 Meter über dem Meere liegend, genießt das Dorf Bugeaud eiu gemäßigtes Klima wie das MittelfraM-eichZ, die Kulturen gleichen Ät artinö , Spitzbergen :c. II. 1" 242 Der Wald von Edough bl?i Vona. den Kulturen unserer Ebenen, allein ihre Ausdehnung ist beschränkt. Der Wald engt sie von allen Seiten ein, und die Einwohner finden in demselben Nahrung für ihre Thätigkeit. Sie sind Holzhauer oder bei der Korkgcwinnnng beschäftigt. Wenn man aus dem Dorfe kommt, so steigt man zn den Gebäuden hinab, deren Bestimmung man an den nngeheueru Stößen anf einander gehäufter Korkscheiben erkennt, welche den Hof anfüllen. Nachdem man diese Fabrik passirt hat, durchschneidet die Straße eine der schönsten Partien des Gebirges. Man möchte sich nach Frankreich in einen Hochwald der alten königlichen Forsten versetzt wähnen. Die vorherrschenden Bäume sind die Eichenarten, zuvörderst eine Abart unserer Nothcichc, von den Arabern Zen genannt, deren Blätter größer und deren Tracht verschieden von der des Drnidenbanmes ist, es ist die Husrcu« Nirbeckü der Botaniker, sodann die immergrüne Eiche mit schwarzem und runzeligem Stamme, gcwnndencn Aesten nnd hartem, ausdauerndem Laube von minder dnnklem Grün als das der beiden vorigen, welches sich alljährlich erneuert, endlich die Korkeiche, die kostbarste unter den dreien. Bald läßt ihre weiße, rauhe und tiefrissige Ninde sie von weitem mitten unter den Bänmen des Waldes erkennen, bald ist ihr Stamm cvlinderisch, glatt nnd schwärzlichbrann, das ist der entmannte, d. h. seiner Ninde beranbtc Stamm. Diese Holzarten waren nicht die einzigen. Hie und da zeigte sich eine prächtige Kastanie unter den übrigen Bäumen und zeichnete sich durch ihre halb entblätterten Zweige aus, denn wir waren am Ende des Oktober. Man hatte soeben die Kastanien abgeerntet, sie sind vortrefflich. Ein elsässischer Kolonist, der sich neben der Prinzenquelle niedergelassen hatte, gab uns Gelegenheit sie zu würdigen. Gleich unsern europäischen Bächen von Erlen beschattet, wird diese Quelle von den Gewässern gespeist, welche dem Buzizi entrinnen. Dicht dabei erinnerten uns von den Kolonisten gc- Der Wald um, (5'dough bei Vmm. 243 pflanzte Kirsch- und Nußbäume an Europa, der brcitblättrige afrikanische Epheu umhüllte ihre Stämme. An dm feuchten Abhängen des Baches wuchsen die Pflanzen, welche man in den analogen Oertlichkeiten des nördlichen Frankreich findet, das Konradskrant (vVildro^nmm oMLiimIe), das Wnndlraut (8m>i(^ll «ui-opliea), das Alptrant (Nupatoi-ium (nnnMnuin), das Pariser Hexenkraut (l^ileaLa lutstialia), mit denen sich die immergrüne Nose des südlichen Frankreichs mischte, die sich an den Bäumen emporrankte, welche sie in ihrem Bereiche fand. Unsere europäischen Farnkräuter, das gemeine Farnkraut (?t6i'i8 l^uiliun), das männliche Farnkraut (Xepwmlmm ülix ma^), der gemeine Tüpfelfarn (^o^podium vul^ui-«)^ die Hirschzunge (scolo^iillrium oNcinglL) nnd der blühende Farn oder königliche Traubenfarn (Oklnuüäa rl^Ii«), welche selbst die Sonne Europas fürchten, trotzten der Afrikas im Schatten der Bäume und Kräuter, welche sie vor den Strahlen derselben schützten. Ueber unsern Häuptern »ersetzten uns Gruppen uon Sccföhren, welche wir in den Hohen unterschieden, im Geiste in die Bandes an den Gestaden des Ozeans; die Wcißpappel erinnerte uns an die der Rhone, nnd die gemeine Ulme, die Stechpalme, die Esche, der Mehlbeerbaum (Vidurnum UMw^) au die gemeinsten Bäume und Standen aller Wälder Mitteleuropas. Wir befanden uns in der That noch 700 Meter über dem Mittelländischen Meere, die schattigen Ncgcnschluchten, in denen wir hinabstiegen, empfingen, nach Norden gekehrt, ungehindert die frische Seeluft, das Wasser einer benachbarten Quelle zeigte nur 13 Grad über Null, und überall war der Schieferboden feucht oder von kleinen Rinnseln durchfurcht. Wir folgten dem römischen Aquädukt, welcher die Gewässer des Buzizi uach dem alleu Hippou leitete, wo sie in weiten Cister-neu aufgefaugeil wurden, welche noch vorhanden sind. Der Kanal selbst besteht aus zwei verkitteten Maueru, mit eiuem aus zwei 16» 244 Der Wald von Edmigh bei Bonn, gegen einander gestützten Steinplatten gebildeten Dache gedeckt. Die Gesammthöhe des Aquädukts im Innern beträgt 2 Meter, ein Mensch kann sich also gemächlich darin rühren. Der Pflauzen-wuchs hat das Dach des Aquädukts überzogen, welches abwechselnd zum Vorschein kommt nnd verschwindet. Bei einer tiefern Schlncht angelangt, in der ein Bach fließt, durchschneidet sie der Aquädukt, er wird von vier Pfeilern gestützt, welche drei kleine Bögen von ungleicher Größe tragen, indem der mittlere breiter als dir andern ist. Drei große Bäume, eine Zcneiche, eine Korkeiche nnd ein Lorbeerbaum wuchsen auf dem Aquädukt selbst, dessen Pfeiler mit kleinen Farnkräutern (?u^pgl> b(!i Nona. 245 zwiebel l8c:iNil ^i'i^tin kennzeichnen, das nicht das ihrige ist; ich meine die mexikanische Aloe") nnd die indische ^eige/"') Selbst die Dattelpalme sollte nie auf den Landschaften des algerischen Küstenlandes figu-riren, il,r lvalues Vaterland ist die Wüste, wo ihre Früchte reifen, nicht das Tell, wo sie nur ein unergiebiger Zicrbaum ist. Die Gleichförmigkeit der Vegetation oder die botanische Einheit der Mittelmeerregion kann also nicht in Zweifel gezogen werden. Durch die Atlaskctte vor dem sengenden Hanche der Wüstenwinde geschütz«, treffen die ("ewächse am afrikanischen Gestade das Klima der Provence wieder an, bald aber stoßen sie auf den Wall des Atlas, wo sie der Strenge der Winter nicht widerstehen. Jedoch überschreiten einige die Kette, halten aber am Nande der Wüste inue, wo die Hitze nnd Trockenheit der Luft, verbunden mit der Salzigkeit des Bodens, mit ihrem Dasein unverträgliche Bedingungen schaffen. Eine kleine Anzahl dringt mehr oder minder weiter in die Sahara vor; cs sind dies namentlich Salzpflanzen, welche empfänglicher für die Gegenwart einer gewissen Menge Seesalz in der Mischung des Bodens, als für die meteorologischen Einflüsse sind, welche so mächtig auf die Mehrzahl der (Gewächse einwirken. Befragen wir die Zoologie, so wird sie uns ebenso wie die Botanik antworten. Eine Masse von Vögeln wandert von Frankreich nach Algerien, eine große Anzahl von Thieren und Insekten findet sich in beiden Bändern wieder. Aber, wird mall *) Agave americaua. **) Opuntia flcus indica. Martins, Spiybcrgcn :c. II. 17 258 Physisches Gemälde der östlichen Sahnra sagen, der Löwe, der Panther, die Tigcrkntzc, ^) die Hyäne, der Schakal, der Goldfuchs,"*) die berberische, Oenettc^^ haben nie im Süden von Frankreich cxistirt. Vor einigen Jahren noch ließ sich diese Mcinnng hören, jetzt nicht mehr. Man findet in den zahlreichen Höhlen unserer mittägigen Gegenden Gebeine dieser großen Fleischfresser. Daß die Arten völlig eins mit denen Algeriens wären, möchte schwer zu behaupten sein, denn wie cin Thier vollständig wieder zusammensetzen, dessen weiche Theile und dessen Haarfarbe verschwunden sind? Doch laßt sich versichern, daß die fossile und lebende Art sich sehr ähnlich sind und in derselben Geschlechts-grnppe einander sehr nahe stehen. Uebrigens haben alle diese Artenunterscheidungen viel von ihrer Bedeutung verloren, seit die Naturforscher so ziemlich darüber eins find, mit Herrn Darwin zuzugeben, daß es gar feine Arten giebt, sondern nur Thier- und Pflanzenformen, welche durch Zeit und äußere Einflüsse veränderlich sind. Daß die Gebeine der in den Höhleil des südlichen Frankreichs gefundenen Fleischfresser sich ein wenig von denen der lebenden Fleischfresser Algeriens unterscheiden, wer könnte sich darüber wundern? Man kann nicht behanvtcn, daß dies nicht dieselben durch die langsame Einwirkung der Zeit in einem ähnlichen, aber von dem der nördlichen Ufer des Mittelländischen Meeres verschiedenen Mittel veränderten Thiere sind. So begegnet man Knochen von Löwen, Hyänen, Panthern, Hirschen und Damhirschen in den Höhlen des südlichen Frankreich, doch begegnet man daselbst auch Knochen von Bären, Nenthiercn und Bisamochsen, Thieren, welche in Afrika uubekaunt siud. Letztere Knochen erklären nns das Verschwinden der Affen, Löwen, Panther und Hyänen; diese sind während der Külteueriode, einer Folge der Ausdehnung der Gletscher, *) Felis serval, **) Vulpcs nilotictis. *:'!-') (ienetta ufr;i. in der Provinz Konstantine. 259 umgekommen, welche den Bären, Renthieren und dem Bisamochsen, Thieren, welche ansschließlich den nördlichen Ländern angehören, gestattet hat, in den Ebenen des mittäglichen Frank-"'ichs zu leben nnd sich fortzupflanzen. Wir wisseu jetzt Dank den >»>l diesen Knochen zusammengefundenen Steinäxten nnd Stein-messern, Dank den sehr gnt zu erkennenden Zeichnungen, womit die Renthier- und Hirschgeweihe geziert sind, daß der Mensch gleichzeitig mit diesen erloscheneu Thicrcu dagewesen ist. Hätten sie der Kälte widerstanden, so würden sie vor der Civilisation geflohen sein. Löwe, Hyäne nnd Panther könnten in den sse-vennen so gnt wie im Atlas leben; das Klima ist in verschiedenen Höhen in beiden Gebirgsketten nahezn dasselbe, allein der gesittete Mensch duldet uicht die Gegenwart dieser unbequemen Gäste. Man kann also sagen, daß die großen Fleischfresser gleichzeitig mit dem Menschen im südlichen Frankreich vorhanden gewesen sind; sie sind zur Gletschcrepoche verschwunden. Die Fortschritte der europäischen Gesittung würden genügt haben, sie zn vernichten, während die muselmanische Barbarei ihre Vermehrung in einer wenig bewohnten, aber von großen, schlecht bewachten uud schlecht vertheidigten Schafhcerden durchzogenen Gegend begünstigte. In Algerien siud die großen Vernichter der Löwen die Franzosen. Kurz, die zoologische Einheit der Mittclmecrrcgion ist eben so offenbar, wie die botanische Einheit, und indem ich diesen Satz behaupte, bin ich glücklich, mich auf die Autorität eines allzu bescheidenm Gelehrten, des Doktor Lartct, zu ftützcu, des berechtigteu Fortsetzers jener zugleich streugen, scharffinnigen nnd kühucu Studien, deren Vorbild uns Cuvier, Richard Owen uud de Vlainville hinterlassen haben. Die Gesundheit des Menschen ist das Spiegelbild des Mittels, in dem er lebt, und seine Krankheiten wechseln je nach den Ursachen, welche sie hervorrufen. Da die Mittclmcerregion sich 17« 260 Physisches Gemälde der östlichen Sahara von Mitteleuropa durch das Klima, die physische Bodeube-schaffcnheit, die Flora und Fauna unterscheidet, so müssen anch die Krankheiten, mit denen die mittelländischen Völker behaftet sind, sich von denen der ozeanischen Regionen unterscheiden, und thun es in der That. Der Einfluß der Nace tritt zu den änßern Einflüssen hinzu; die lateinische Nace ist es, welche au den Ufern des Mittelmceres herrscht, und selbst der Araber leitet seinen Ursprung aus der Afrika zunächstliegenden asiatischen Gegend her. Ein Kind der Wüste, ist er vom Morgen- nach dem Abendlande in jene weiten, unbewohnten Gegenden eingedrungen, wo sein Hang zum Wandern anf keine Hemmnisse stößt und wo die Erde dem gehört, der sie einnimmt. Hippo-krates, der Vater der Heilkunde, hat das Bild der Krankheiten der Mittelmeerregion entworfen. Die Krankheiten des alten Griechenland sind noch die dieser ganzen Region. In den von unsern Militairärzten in Afrika aufgenommenen Beobachtungen hat der gelehrte Kommentator des Hippokrates, Herr Littro, ein ganz ähnliches Portrait der hippokratischen Krankheiten gefunden. Hierin liegt auch die Berechtigung der medizinischen Schule von Montpellier; in den Mittelpunkt einer medizinischen Region, verschieden von denen der Schulen von Paris und Straßburg, versetzt, studirt sie im Norden seltene oder unbekannte Krankheitsformen. Anch treffen nnsere Armeeärzte zu Lande und zu Wasser, welche die Anforderungen des Dienstes fast immer ill wärmere Gegenden als das nördliche Frankreich rufen, in diesen Ländern und besonders in Algerien all' jene intermit-tirenden, Gallen- und Nnhr-Fieber wieder an, welche den herrschenden Zug der mittelländischen Krankheitslehre bilden. Andere Krankheiten beobachtend, wie der Meteorolog ein anderes Klima, der Botaniker andere Pflanzen und der Zoologe andere Thiere beobachtet, hängt der Arzt von Montpellier einer medizinischen Doktrin an, welche verschieden von der von Paris und von den Schulen in der Provinz Konstantine. Issi nn Norden Eliropas ist. Tagtügliä) den nngeheuren Einfluß oer ^nst, des Wassers und der Oertlichkeitcn tonstntirend, bewundert er Hippokrates und setzt unter seine Büste das etwas hochtrabende Epigraph : Olim l^'on«, inii^ IVl0U8p6ii«n8i« ^li^-pcx'i-lUo«. *) Der Arzt des Nordens gesteht, da er i» den Beschreibungen des Hippokrates das Bild der Symptome, welche er alle Tage beobachtet, nicht erkennt, dem Greise von Kos nnr einen Tribnt traditioneller Achtnng oder gesänftigter Beivnnde-ning zu. Daher verschiedene medizinische Doktrinen, die einen wie die anderen zum Theil luahr. In der Medizin ändern sich die Theorie», voreilige und flüchtig? Generalisationen, je nach dem Ort nnd wechseln mil der Zeit. Geung; das Gesagte zu> sammenfassend, ziehe ich den Schluß der Einheit des Mittelmeerbeckens als des bestfestgestellten von allen denen, welche man bisher anf der Oberfläche des Erdballs erkannt Hal, denn sie leitet sich her aus dem Klima, den physischen Bodenverhältnissen nud der vergleichenden ,vanna, Flora und Krankheitslehren. M' untere Kegion der Kcchelienen. In Algerien steht die Mitlelmeerregion uichl in unmittelbarer Berührung mit der Sahara- oder Wüsten region; eine Gebirgskette, der Atlas, trennt sie davon. Allein der Atlas erhebt sich nicht schroff aus der Ebeue, eine Reihe allmäliger Stufen rollt sich auf beiden Abhaugen der Kette ab, und wir wollen diese Zone mit Herrn Cosson die nntere Region der Hochebenen nennen. In der Provinz Konstantine setzt sie sich mit der bergigen Negion Kabyliens nnd dem Massiv der Uled-Sullan fort. Weite nackte Mchen, mit Schotts oder Salzseen besäet, von Baumuegelation eutbliM, Sommers *) „Hippokvatcs, vorinals zn Äc><<, nun zn Ä)lontpcllicr." IßI Physisches Gemälde der östlichen Sahara von ungeheuern Hecrden durchlogen, dcrcu Zahn die Pflanzen bis znr Wnrzcl benagt, kahle Berge, schroff ans diesen horizontalen Flächen sich erhebend: das ist der allgemeine Anblick. Die mannichfaltigen Knltnren der Mittclmeerregion sind uer-schwunden, die Gerste ist die einzige Getreideart, welche ihre Körner sicher zur Reife bringt. Der Weinstock und der Oel-baum gerathen an vielen Punkten und sind dazu bestimmt, eines Tages die Blöße jener Plateaus zu decken, welche das freie Weiderecht der Hcerden und die, arabische Sorglosigkeit ihres Laubes beraubt haben. Doch trifft man auf diesen wie auf ein Piedestal gesetzten Bergen noch einige von den Eingeborenen vergessene Cedernwäl-der an. Die schönsten schmucken die Kämme und steigen in die Schluchten des Chellalah bei Bathna hinab, desgleichen sieht man solche im Djurdjura und um Teniet-el-Had südlich von Miliannh. Welcher Gegensatz zwischen diesen prachwollen Wäldern und den dürren Hochebenen, welche dahin führen! Jung haben die Cedcrn des Atlas eine pyramidale Form, wenn fie sich aber über ihre Nachbarn oder den sie schützenden Felsen erheben, so beraubt ein Windstoß, ein Blitzstrahl, ein Insekt, welches die Endsprossc durchsticht, sie ihrer Spitze, der Baum ist seiner Krone beranbt. Alsdann breiten die Acste sich horizontal aus und bilden übereinander gelagerte Handflächen, den Augen des Wanderers, welcher nnler diesen für die Strahlen der Sonne undurchdringlicheil Gewölben im Dunkel dahin-schreitet, den Himmel verbergend. Von der Höhe eines erhabenen Gebirgsgipfels ist das Schauspiel noch großartiger. Diese horizontalen Flächen gleichen dann Nasenplätzen vom dunkelsten Grün oder von einer meergrünen Farbe wie der des. Wassers, besäet mit aufgesetzten, eiförmigen uud violetten Kegeln ; das Auge taucht in einen Abgrnnd von Grün, in dessen Tiefe ein unsichtbarer Bergstrom braust. Oft zieht eine iso- in der Provinz Konstantine. Z63 lirte (Klippe die Blicke alls sich. Man nähert sich, und statt mehrer Bäumen befinde man sich einem einzigen, früher von ocn Römern oder deil ersten arabischen Eroberern gefällten Stamme gegenüber; der Stamm hat am Fuße wieder ausgeschlagen, ungeheure Aeste sind ans dein alleil Stumpfe hcruor-gesprossen, jeder dieser Aeste ist selbst ein hochstämmiger Banm, und die ungeheuren, rings nm die verstümmelten Stämme ausgebreiteten Vaubsächer beschatten weithin die Erde. Einige dieser Eedern sind stehend abgestorben, ihre Rinde ist abgefallen, nnd Pflauzenskelctlc, strecken sie nach allen Seilen ihre weisen nnd hagern Arme aus. Die Eedern Afrikas erwarlen noch ihren Maler. Marilhat allein hat uns die des Libanon bewundern lassen, seine Nachfolger aber kneipen sich in Varbison ein und sind anf die Rinde oon zwei, drei Eichen im Walde von Fontaine-bleau versessen, die der Kunstliebhaber auf jeder unserer Ausstellungen immer wieder wie alte Bekannte begrüßt. Hervorragende Künstler vergeuden eine beträchtliche Snmme von Talent damit, dieselben formen wieder darzustellen, wahrend hundertjährige Eedern ungekannt in den Schluchten des Atlas leben und sterben, wo ihre Schönheit nur von den seltenen Reisenden bewnndert wird, welche sich in diese Gebirge wagen. Der Eharakterbanm der Hochebenen ist der Betum oder Pistazienbanm des Atlas.*) Statt wie die Ecdcr in Wäldern zu leben, ist er Einsiedler; hie und da bemertt man seinen geruudelen Wipfel, von dem die Araber die Früchte pflücken. Eine besondere Esche 5"), zwei Wachholdcr^), Tamarisken au den Ufern der Salzseen, sind ebenfalls in dieser Zone verbreitet , wo man die meisten Waldhölzer der Mittclmcerregion *) Pistacia atlantica. **) Fraxinus dimorpha. ***) Jmiiperus oxycedrus, J. phoenicea. 264 Physisches Gemälde der östlicln'n Sab.na wiedertrifft. Zwei Krauls-, das Alfa''') mid ein n'eis^licher Beifuß^'), bedecken oft ungeheure flächen inil eine»! einför-migeu Teppich. Zie Müstcnregion. Es ist Zeit, die Sahara zu betrachten. Versetzen wir uns nach Bathna, 129 Kilometer südlich uon Konstantine, Wir haben die Region der Hochebenen zurückgelegt, die Stadt Bathua liegt am Ende der letzten dieser allmäligrn flächen 1060 Meter über dem Meere. Im Nordwesten erheben sich die Kämme des Atlas, mit Ccderu gekrönt, welche sich am Himmel abheben. Die Pyramide des Dschebel Tugur, ähnlich den Pits der Pyrenäen und uon den algerischen Kolonisten mit dem Namen des Zederpiks bezeichnet, beherrscht das gan^c Massiv. Gegen Südosten erstrecken sich die Auresgebirge mit gerundeten formen uud mit Gehölzen von immergrünen Eichen uudAleppo-föhren bekleidet. Das alte Lambesfa liegt in einer /,-alte derselben versteckt. Die Wälle des römischen Lagers sind vollkommen sichtbar, die würfelförmige Mafse des alten Prätoriums nimmt den Mittelpunkt desselben ein. Vier noch stehende Triumphbogen, Tempel, ein Aquädukt, Mosaiken, zahllose Grabsteine, Vorposten, mehr als siebenhundert von Herrn L<^on Renier wiederhergestellte Inschriften: das sind die llcberreste einer Stadt, welche eine ungeheure fläche bedeckt und deren Bevölkerung nicht unter 40000 Seelen betragen haben kann. Tritt man gegen Nordwefteu aus dem Lager vou Lambeffa heraus, so verfolgt man eine lange Reihe von Gräbern. Am änßersten Ende inmitten der Gerstenfelder, aus denen sich Wolken von Lerchen erhoben, wanderte ich der Pyramide des flavins Mari- *) Stipa tenacissima. **) Artemisia !ierb;i ;ilba. in der Provinz Konstantine. 265 '»us, Prafekten der drillen Legion Augustus', zu, Dieses Deuk-nial fiel in Trümmer, Herr Carbuceia, Oberst uud Nlterthums-forscher, ließ es wieder herstelle», und den 4. März 1«4!) defi-lirte die Besatzung vou Bathua an der restaurirteu Pyramide vorbei, welche seit so vielen Jahrhunderten die (Gebeine des Anführers der beriilimten Legiou deckt, Gewiß, wen» je Soldaten würdig ivaren, eine», römischen General Wren zu eriveisen, so sind es die Soldaten dieser afrikanischen Armee, welche der Barbarei ein neues Frankreich dem ersten gegenüber am User des Mittelländischen Meeres abgerungen l,nl, das von neuem die große Weltstraße ^ewordeu ist. ^urch il,re I-estia,teit die Araber im Zaume haltend, haben sie wie ibre Vor^änqer Straßen eröffnet, Brücken gebaut, Aquädukte aufqesül,tt, Städte gegründet, Wenu mau das römische ^ager von ^am bessn erblickt, an die Bürgerstadt stoßeud, und Bathna, nach demselben Plane erbaut, so ert'enul mau das Wert desselben politischeu und militairischen Genies. Iu Afrika hat die Armee, nützlich, thätig, arbeitsam, eine hohe moralische Be-deutuug; sie ist zugleich erobernd uud eioilisireud, Schntzerin der seßhaften Bevölterliug uud furchtbar allein für den umherschweifenden, raubenden und fanatischen Araber, eine gleich den Indianern Nordamerikas nuder jede Gesittung sich auflehnende Race, welche unvermeidlich dazu beslimmt ist, aus dem Lande, das sie so lange schon zu Grunde richtet, zu verschwinden. 6 Kilometer südlich von Batima befindet sich ein breiter ge drückter Hügelkamm, der sich mit der Ebene, über derer sich nur etwa 100 Meter erhebt, vermischt. Dort ist der Scheidnugs-punkt der Gewässer, welche im Norden dem Mittelländischen Meere, im Süden einem andern Meere zufließen, da5 nicht mehr existirt, jenem Meere, welches ehemals die Wüste Sahara bedeckte. Der Cedernpik scheint wie ein riesiger Markstein auf die Grenze gestellt zu sein, die Gewässer seiues Nordabhangcs 266 Physisches Gemälde der östlichen Sahara fallen durch die blaue Schlucht dem Rummel und dem Mittelländische,: Meere zu, dir des Südabhauges durch die Cedern-schlucht iu deu Bergbach, der unter der Brücke uou El- Kantara wegstreicht, Nachdem mau den Sattel überschritten hat, ist eine Karawanserei, die von ,Nsnr, der erste Posten, dem man begegnet. Deu Kreidemergeln entrinnen prächtige Quellen, welche deu l'^. November 18l!/j eine Temperatur uou 17 Graden bewahrten , obgleich die der Luft nur 1l) Grade betrug. Ungeheure Heerden weißer Schafe nnd schwarzer Ziegen, von ihreu arabischen Hirten gcfolgt, stiegen in die Schluchten hinab, ohne sich zu verwirren, nnd saharischc grauen, welche an den Ohren große kreisrunde Ringe trngcn, füllten Schläuche, welche sie auf Esel luden. Es war eine biblische Scene, in eine großartige und ernste Landschaft eingerahmt' in der ^ernc verschwommen gen Westen die geuiedrigten Gipfel des Atlas und gen Osten die des Aures am Horizont, vor uns dehute sich eiue uackte mit magern Getreidefeldern besäete und durch deu Iudenpaß abgeschlossene Ebeue aus. Nachdem wir denselben überschritten hatten, gelangten wir an den Posten der Tamarinden. Der dem Cedernvit eutspruugene Bergbach, angeschwellt von den Quellen des Ksur, fließt stets iu Mergeln hin, in die er sich ein tiefes Bett mit senkrechten Staffeln gegraben hat. Große behancne Steine, die einen aufrecht und die Pfosten der Thore bezeichnend, die meisten auf dem Boden liegend, zeigen einen alten Römerposten an, und die frauzösische Karawanserei trügt den Namen des Tamarius der zahlreichen Tamarisken*) wegen, welche die Ufer des Bergbachcs einfassen. Die Tamarins befanden sich noch '790 Meter über dem Meere. Der Himmel war schwarz auf der Seite von Bathna, blau uach der Sahara zu, eiue laue Luft kam uns von Süden eutgegeu, wir cmpfaudeu das Nahen der Wüste. *) Tamarix. gallica. in dev Proving Konstantine. 267 Nach den Tamarinden steigl die Straße die von Negen-schlnchlen zerrissenen Abhänge nackler, baumloser Berge ohne andere Vegetation hinab, als die Stöcke der durch ihre Dornen oder ihre Härte gegen den ,^ahn der Schafe und Kamele geschützten Sträucher. Ueberall haben die ephemeren Gewässer der Winterregen den Boden zerklüftet nud die mannichfach gefärbten Mergel bloßgelegt. Keine Vegetation kann sich ans diesem von der Sonne zerklüfteten Thonboden festsetzen. Es ist ein trostloser Anblick, der an die Beschreibungen des steinigen Arabiens erinnert. Alsbald langt der Neg bei der Verbindung der beiden Bäche an, der römische Posten uä duu twmina stand am .Hnsammcnflnsse. Vor uns befindet sich ein mächtiger Berg, der Metlili, bestehend ans konzentrischen, lief zerklüfteten nnd den Blättern einer ungeheuern Arnschoke ähnelnden Schichten; zur Tinten thürmt sich eine fortlaufende Felsenmauer, der Dschcbel Gaust, auf. Plötzlich erscheint eine Spülte mitten in der Mauer, es ist eine Alpcnklnse, ein Pyrenäenthor, die No-landsbresche, nach Afrika versetzt, fur die Araber ist es der Mn nd der Wüste. Der Gießbach und der Telegrapheu-draht gleiten in die Schlucht, ein paar trüppelhafte Palmen kommen an den Ufern des Wafserü znm Vorschein, eine Nömer-brncke von einem einzigen Bogen überschreitet den Bach am schmalsten Punkte, senkrechte nnd erdharzfarbige Felsen scheineil den Reisenden zu bedrohen. Nach einigen Windungen, welche den Ausgang verstecken, öffnet sich der Engpaß, nnd die ^ase von El-Kantara, die erste der Wnstenoasen, zeigt sich vor unsern Augen. Ein Dattelwald breitet sich vor nns aus. Geklönt von einem Busche grüuer Pqlmzweige, unter denen gelblichrothc, mit fast reifen Datteln beladcne Kolben hingen, schien jeder Banm eine schlanke Säule zu sein, welche ihr zierliches, aus Blättern nnd Früchten bestehendes Kapital in die Lüste hob. Im Schatten dieser Palmen bildeten Aprikosen, Feigen, Gra- 368 Physisches Gemälde der östlichen Sahnm naten und indische Feigen ein dichtes Dickicht. Es n.ar eine neue Well, erhellt von einer glänzendeil Sonne, welche an einem Himmel von Aznr fniikelte. Der Dschebel Galiß hält die Wolken auf, ivelche vom Atlas kommen, sagen die Araber. Die heiße nnd trockne Lust der Wüste löst, indem sie sich längs der Gebirgswände erhebt, den Wasserdampf anf, woraus die in kälteren Regionen erzeugten Wolken bestehen, sagt die hentige Wissenschaft. Der Himmel, der Boden, die Vegetation haben sich verändert nnd mit ihnen die Behausungen der Bewohner. Die Häuser, einen viereckigen Hof umgebend, sind ans grauen, an der Soiuie getrockneten Ziegeln gebaut, niedrig, von einer Terrasse überragt und von schmalen Schießscharten durchbrochen. Die alten Wachtthürme fallen in Trümmer, früher, ehe Frankreich den friedlichen Berber, den Bebauer der Oasis, schützte, dienten sie dazu, von weitem die nomadisirenden Araber anzuzeigen, welche zweimal im Fahre den Mund der Wüste durchzogen, um im Winter die Weideil der Sahara und im Sommer die des Gebirges zu gcwiunen. Auf den Grenzen der Wüsteuregion gelegen, hat diese Oase etwa 5> Kilometer Vänge nnd zählt 76,900 Patinen. Herr Henri Fournel, der erste Geologe, der in diese Gegenden im Frühjahr 1^44 mit der vom Herzog von Anmale befehligten Cxpeditions-kolonilc vorgedrungen ist, nennt El-Kantara mit Recht das Hyin'es der Sahara. Unter 85" 16' der Breite, reifen die Datteln kaum, ebenso ist das Becken von Hveres der nördlichste Pnntt, wo der Banm kultiuirt werdeu und deu Winter ohne Schutz zubriugen kann. Die 6U,0M Datteln von Elche im Königreich ^nlentia in Spanien nnter 89" 44/ der Breite bilden die einzige europäische Oase; die Natnr des Bodens, die Seltenheit der Regengüsse, die Exposition, die Klimnhitze, die Gegenwart einer gewissen Anzahl saharischer Pflanzen geben Rechenschaft von dieser Ausnahmekultur. Damit der Dattel- in der Provinz Konstantine. I69 bäum seine Früchte vollständig zur Neife bringe, muß man bis zum 33. Grade der Breite in die Sahara vordringen. Dort werden die Datteln geerntet, welche wir unter dem Namen tunesische Datteln erhalten. Die besten kommen aus der Oase Tuat, 27" 15V der Breite, d. h. 8" südlich uon El-Kantara und iu gleicher Höhe mit dem Meere. Nach den Beobachtungen und Berechnungen von Herrn Paul Marös befindet sich die Karawanserei von El-Kantara noch 517 Meter über dein Mittelländischen Meere. Sie nimmt das äußerste Ende eines weiten, von tafelförmigen Bergen umschriebenen Plateaus ein. Die gewöhnliche Strafte verlassend, ritten wir den heißen Gewässern von Hammam Sid-el-Hadj zu, deren Temperatur 41 Grade beträgt, und zogen am ssuße eines Berges, des Dschebcl El-Mela, entlang, welcher Salzlager enthält, welche von den Arabern zu Tage gefördert werden. Eine ^eit lang zogen wir zwischen den Tuffen oder Travcrtinsteinen hin, welche von Mineralwassern abgelagert sind, die ehemals gleich denen von Hammam flössen; sie sind versiegt, indem sie diese umviderleglichen Spuren ihres Daseins zurückließen. Hierauf betraten wir ein Gebirge, welches ans grauen, blauen, gelben und rothen Mergeln, vermischt mit Puddingen und Kalken, besteht und von den Gewässern, welche zur Regenzeit von dem Salzberge herabkommen, zerklüftet wird. Die Klüfte von l)<) bis 60 Meter Tiefe waren so dicht bei einander, daß man mehre Tage gebraucht haben würde, um den nur ein paar Kilometer entfernten Fuß des Berges direkt durch dieses Labyrinth tiefer, durch schneidige Kauten getrennter Einschnitte zu erreichen. Es sind Winterregen, welche zuweilen in jahrelangen .^wischen-räumen fallen, welche derartige Wirkungen hervorrufen. Möchten die Geologen, welche von der ausfressenden Thätigkeit der Negenwasser sprechen wollen, doch die iämmcrlichen Beispiele bei Seite lassen, welche sie zur Unterstützung ihrer Beweise an- I7Y Physisches Gemälde der östlichen Sahara führen, möchten sie Algerien besuchen nnd sich von der zerklüfteten Gegend der Dschebcl El-Mela und der Gebirge Kabnlicns begeistern lassen; dort werden sie sehen, wie, die erosive Kraft der (Gewässer vor unsern Augen ein ebenes Plateau in ein Massiv eben so mannichfach gestalteter Berge nmwandclt, wie die, welche von der Aufrichtung und Brechung der Schichten herrühren. Die Nacht überraschte uns inmitten dieser Schluchten' allein unsere Maulesel folgten instinktmäßig der Spur derer, welche ihnen vorangegangen waren. Wir gelangten sehr spät an den Rand des ungeheuern tieseligen Bettes des Ued El-Kantara, welcher den Namen des Ucd El-Utai'a der Gewohnheit der Araber gemäß annimmt, welche ein und demselben Flusse nacheinander die Namen der Oertlichkciten geben, welche er durchschneidet. Auf der andern Seite fanden wir die Karawanserei von El-Utaia, neben einer ehemaligen Oase gelegen, deren Palmbäume gegen !M0 während der Bürgerkriege der Araber gefällt sind, Dank der französischen Herrschaft ersteht die Oase wieder, nnd die frnchtbare Ebene El-Utcüa erwartet uur die Hand des Menschen, um sich mit den reichsten Ernten zu bedecken. Ein großer Industrieller, Herr Jean Dollfus, beabsichtigt dort in großem Maßstabe die Kultur der Baumwolle zu versuchen. Die ,vragc der Bewässerung ist die einzige, welche ;n lösen ist, der Himmel und der Boden lassen nichts ^i wünschen übrig. Die Ebene von El-Ntaia ist von Bergen ningeben, welche sie vollständig begrenzen, einen runden Ausschnitt ausgenommen, welcher in das Becken des Hodna führt, dessen Mittelpunkt von einem großen Salzsee eingenommen wird. Als wir den 21. November mit Sonnennnfgang von El-Utma anfbrnchcn, war der Himmel rein, die ^nft ruhig, die Temperatur 10 Grade unter Null. Der Rauch der zerstreuten arabischen Biuunaks in der Ebene dehnte sich horizontal in schwacher Höhe vom Boden und bildete ein bläuliches Band in der Provinz Konstantine. 271 längs der Berge, welche lins von der Sahara schieden. Der Ausschnitt, welcher in das Hodna führt, war nicht mehr da, die Mauer, welche die Ebene umgiebt, schien vollständig, zu sein. Bald jedoch unterschieden wir zu unserer großen Verwunderung Köcher in den Felsen nach Nordwesten, diese Vöcher vergrößerten sich immerfort und strebten sich zu verbinden, die Berge »ahmen ^ie ,^oriu von Bäumen oder umgestülpten Pyramiden an. All-lnälig vermischten sich die Löcher, und es kamen Breschen znm Vorschein; diese Breschen verbreiterten sich zusehends, und die Felswände, welche sie trennten, verschwanden eine nach der andern. Endlich verschwand die Bergkette aus dieser Seite, die Oeffnung, welche iu das Hodna führt, war wieder hergestellt, wir waren durch eiue, seitliehe Luftspiegelung getäuscht wordeu. Endlich langen wir am Ende dieser eintönigen Ebene an, hinter der uns die Sahara erscheinen sollte. Wir überschreiten einen Bergbach, dessen Staffeln mit den rankenden Stengeln der Purgirgurke bekleidet sind, und steigen den Paß von Sfa hiuau, indem wir der fchöneu von dcr französischen Armee gezogenen Straße folgen. Blühcude Pflanzen wiegte» sich hie und da auf den Felsen, wir waren abgestiegen, uin sie zu pflücken. Auf der Spitze augelaugt, hielten wir an. Ein großer Kreisbogen dehnte sich vor uns ans, eiue violette Ebene begrenzend, eben wie das Meer uud am Horizont mit dein blauen Himmel sieh inisehend: es war die Sahara. Der Bogeil stützte sich im Osten gegeil die Kette des Aures, im Westen gegen die der Lilian, von der einige in der Nähe von Niskra liegende Vorsprünge wie Klippen über diesem Meere auftauchten, das iu einem Augenblicke der Ruhe geronnen zu sein schien. Das wirkliche Meer schauert stets auf der Oberfläche, ein leichtes, für das Auge unmerkliches Schaukeln treibt die von einem Schaumstreifen gemilderte verlaufende Welle dein Gestade zu. Hier nichts dergleichen, es ist eiu regungsloses, ein versteinertes 272 Physisches Gemälde der östlichen Sahara Meer oder vielmehr der ebene Grund eines Meeres, dessen Gewässer verschwunden sind. Die Wissenschaft lehrt es nns, nnd wie immcr ist der Ausdruck der Wirklichkeit malerischer, ergreifender, als alle von der Einbildnngskraft geschaffenen Vergleiche. Zu unsern Füßen verbarg uns ein kieseliges, zer-schrüudetes Plateau mit erhobenen Rändern die Ansicht von Biskra, lauge schwarze Karawanen zeichneten die Windungen der Straße nnd hoben sich kräftig ans dem gelben Hintergrunde des Terrains ab. Wir überschritten nnsererseits dieses Plateau unter den Glnten einer Novembersonne, welche mit denen der Augustsonne des schönen Frankreichs wetteifern konnte, uud um Mittag langten wir in Biskra an. Die Stadt Biskra, unter dem N. Grade der Breite und 125 Meter über dem Meere gelegen, ist die Hauptstadt eines ansgedehnten Distrikts, welcher zahlreiche Dörfer umfaßt, deren jedes sich ein Zab, im Plural Zibnn nennt. Davon hat der Distrikt auch seinen Namen erhalten. Biskra war ein römischer Posten, der acl ^i^inam hieß, vom Namen einer Quelle heißen Wassers, welche 6 Kilometer entfernt ist nnd von den Arabern mit dem Namen Am-Salahin bezeichnet wird. Salomo, Besieger der Mauren des Anrss im 4. Jahrhundert , machte diese Provinz den Nömern tributpflichtig. ,,V6ctiMl5m llmmrni« t'oeit idem provinciam Zabam trans montem Aurasium sitanv1 faqt Prokop.*) Der Chef des Distrikts nahm den Titel piA«t'<^w« limits /5ad6N5i5 an. Die Provinz kam mit dem ganzen Lande uuter die Botmäßigkeit der Araber, dann der Türken, deren verfallenes Fort noch auf einem Hügel im Norden der Stadt zu sehen ist. Den 18. Mai 1844 ward sie vom Herzog von Anmale eingenommen. Biskra besteht jetzt aus einer französischen Stadt, welche neben dem Fort Saint-Germain gruppirt *) De bell. Vand., lib. II., cap. XX. in der Provinz Konstantine. 373 ist, so genannt zu Ehren eines Kommandanten des Kreises Biskra, der im Jahre 1849 in Folge der Insurrektion von ^nnlcha gctödtet wurde. Im Süden der Stadt dehnt sich die Dase, d. h. der Palmenwald, ans dem rechten Ufer des Flusses ans. Die Zahl der Dattelbäumc beläuft sich auf mehr als 11<),M0- und mehre Dörfer sind inimtten der Gärten versteckt. Der Ableitungskanal, auf Veranstaltung des Militairgenies gebaut, entnimmt dem Ned Biskra das nöthige Wasser znr Vewäs-scruug. Neben dem Fort befindet sich ein großer, von bedeckten Gallerien umgebener viereckiger Platz, auf der einen Seite erhebt sich die Kirche und gegenüber liegt das Militair-kasino, dessen Garten, in die Oase einschneidend, mit Palmen bepflanzt ist, zwischen denen man geschlängelte und mit Blumen eingefaßte Alleen gezogen hat. Ein bedeckter Markt, wo die Araber ihre Waaren auslegen, einige rechtwinklige Straßen, mit Häuseru besetzt, die nur aus einem Erdgeschosse oder einem Stocke bestehen, das ist das Bild der südlichsten französischen Stadt der Provinz Konstantine. Der Telegraphendraht, die Brief- und Personenpost geht nicht über Biskra hinaus, aber sollte man es glaubeu! es cxistirt ein Bureau für Ein- und Ausgangszölle, uud berittene Beamte sollen, heißt es, in den Einöden der Sahara einen eingebildeten Schmuggel verhindern. Was sie iu Wirklichkeit verhindern, ist, daß die Karawanen die Straße von Philippeville einschlagen und sich statt dessen nach Tnnis oder Tripoli wenden. Eine nützlichere Einrichtung ist, eiu Versuchsgarten, der Garten von Beni-Mora, im Jahre <852 gegründet und anfangs von Herrn Iamin, jetzt von Herrn Böchu geleitet. In einer offenen Ebene gelegen, getrennt von der Oase, aus Boden-arteu bestehend, die man entsalzen muß, bevor sie der Kultur unterworfen werden, und ohne Schutz wider die Winde, reali-sirt er nicht alle Bedingungen einer Anstalt dieser Art, andcr- Mart ins, Sp^crgcu:c. II. ^ I74 Physisches Gemälde der östlichen Sahara seits aber bietet er den Vortheil, daß jede Kultur, welche zu Bem-Mora einschlagen wird, als der Sahara gewonnen zu betrachten ist. Herr Cosson besuchte diesen Garten im Jahre 1853 nnd fand daselbst schon eine gewisse Anzahl von Pflanzn vor, welche man als naturalisirt betrachten kann. Ich will die. Verschiedenen Akazienarten anführen, welche das Gnmmi-Arabi-kum iu Aegyptcu und am Senegal liefern^), den schönen Baum, welcher die Promenaden von Kairo ziert^), die zu Parfümerien so viel verwandte Akazie''), die Maulbcerbänme, die Weiftpap-pel, die Thränenweide, die ssyprrsse, den Paternosterbaum, mehre Bambusarten^) und den Vananenbaum. Zelm Jahre nach Herrn Cosson habe ich dort gesehen den Papayabanm"), welcher im Süden Früchte giebt, eine kostbare Erwerbung, wenn er den leichten Winterfrösten widersteht, die eine prachtvolle Allee bildende Adansonsche Akazie, die Baumwollenstande als Vaum, zu .'; Meter Höhe sich erhebend, das Chikeholz«), den Pandangstrauch?), sowie zwei schöne Bäume ans der Familie der Schotengcwächse, den Behennußbaum^), den Bohnenbäumen zunächststehend uud die 8e8dania voin Senegal mit gelben, schwarzgcfleckten Blüthen, Diese Versnche verdienen ermnntcrt zu werden, denn wenn die Kultur der Tropenpflanzen wenig Aussichten auf Gedeihen iu der Küstenregion von Algerien hat, so ist der ftrfolg in den Ziban wahrscheinlich für alle diejenigen, welche sich einem salzigen Boden anzupassen und die langen Dürren der Sahara zu ertragen vermögen, Biskra sollte das Ziel meiner Neisc sein. Ich wollte ein Verlangen befriedigen, das mich schon lange quälte, die Wüste zu sehen. Inmitten der Gebirge des Engadin'-') war dies 1. Acacia nilotica, A. verek. A. arabica; 2. Acacia lcbbek; 3. Aracia Faniesiana; 4. Bambusa Thouarsu, aruudinacea, variegata, mitis, verticillata llttb scriptoria; 5. Carica papaya; 6. Cordia domestica; 7. Pandauus utilis; 8. Moringa pterygosperma ; 9. Sesbania pmictat;i. *) Siehe Seite 141. in der Provinz Konstantine. 275 Verlangen, ohne Zweifel durch einen Kontrastcffekt, ein fest beschlossener Plan geworden; ich theilte ihn zwei Freunden, Herrn Desor, Profcfsor der Geologie zn )ienfchätcl, und Herrn Eschcr von der ^inth, Cohn jenes berühmten Ingenieurs, mit, welcher durch einen Kanal die Linth in den Wallensee leitete und dadurch das ganze zwischen diesem nnd dnn Züricher See liegende Vand gesünder machte. Diese beiden Gelehrten waren b"X'it, sich mir anznschließen. Wir schifften uns uach Algier ein, nud von dort gelangten wir über Bona und Guelma nach Konstantine. Zwei Naturforscher, welche sich um Algerien wohl verdient gemacht haben, die Herren ssosson und ssoquand, hatten mir Empfehlungsbriefe an den General Dcsvanx mitgegeben, unter dessen Kommando die Provinz stand. Sich für Alles interessireud, was der Kolonie zum Vortheil gereichen kann, alle Etndien begünstigend, alle Bemühungen unterstützend, welche daranf abzielen, die physische Beschaffenheit des Bodens nnd seiner Naturprodukte kennen zu lernen, überzeugt, daß die selbstloseil Forschungen der Wissenschaft die fruchtbaren Eroberungen der Agrikultur und der Industrie vorbereiten und aufkläreu, vcrnulaßtc General Desvaux uns gütigst, über Biskra hinauszugehen, in die Wüste vorzudringeu und das Suf zu befuchcu. Er that mehr; er gab uns als Führer deu Artillcriekapitaiu Zickel, Direktor der artesischen Bohrungen in der östlichen Sahara, mit, welcher eine Rnndreise machen sollte, um die iu der Wüste gcgrabeum Brunuen zu besucheu. Selbst Naturforscher, das Land kennend und von der Bevölkerung gekannt, lenkte der Kapitain uuserc Aufmerksamkeit auf all' die Thatsachcu und Erscheinungen, welche ihm aufgefallen waren, und theilte nns die Ergebnisse seiner früheren Bcobachtuugcn mit. So bildeten wir eine kleine wissenschaftliche Kommission, suchend, prüfend, sammelnd nnd erörternd. Vier französische Soldaten, woruuter drei Zouaveu, eiu Svahi oder eingeborener Gensdarm, sieben 18* 27k Physisches Gemälde der östlichen Sahara Araber, welche sechs Kamele führten, die drei Zelte nebst unsern Vorräthen trngcn, endlich die Maulesel, welche uns als Ncitthierc dienten, vervollständigten unsere Karawane. Wir haben die Wüste während des Winters von IM, vom !». November bis zum 14. Dezember durchstreift. An Sielle der Einförmigkeit eines Neisctagebuches setze ich ein physischem Gemälde der Sahara, das Resultat nnscrer gemeinsamen Forschungen, vervollständigt dnrch die unserer Ncisevorgänger, der Herren Fonrncl, Dubocq, l5h. Laurent, Ville, Vatonne, ^oqnand, Tissot nnd Paul Marös, Geologen, (5osson, Durien de Maisonncuve, Letourncaux, Hünon, Loche, Aucapitaine nnd Nebond, Botaniker nnd Zoologen. Der Leser wird znr Erforschung eines trockengelegten Meeresgrundes eingeladen. Das Crcigniß ist, geologisch gesprochen, jung, es erstreckt sich vielleicht nnr hnnderttansend Jahre zurück. Die Zahl der Jahre läßt sich nicht genan angeben, doch hat das Grcigniß ein relatives Datum, es ist jünger als die Ablagerung der Tertiärgebirge. Als es eintrat, war das Mittelländische Meer schon vorhanden, denn man findet in der Sahara Muscheln von Mollusken, welche noch das Küstenland bewohnen, der Voden ist mit Scesalz geschwängert, er besteht aus Gips oder schwefelsaurem Kalk, der sich wahrscheinlich in den jetzigen Meeren ablagert, und ans dem durch die Flüsse, welche sich in den saharischen Golf ergossen, herzu-geführten Sande. Jetzt verlieren sich diese Flüsse in die Wüste, und ihre Gewässer verschwinden, indem sie sich in den Voden einsangen. Schotts oder Salzseen, deren Spiegel um mehre Meter uiedriger als der des Mittelläudischen Meeres ist, sind Ueberreste dieses Binnenmeeres. Eine Reihe dieser Salzseen führt uns bis zum Golf von Gabös, der kleinen Syrte der Alten, an den Küsten Tunesicns. Der letzte dieser Schotts, der ungeheure See Fejej, bleibt nur 16 Kilometer vom Meere in der Provinz Konstantine. 277 stehen; gesetzt, diese Landenge bräche durch, so würde die Sahara wieder ein Meer, ein Arm des Mittelländischen Meeres. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich im Norden: der (^rnnd des Vottnischen Meerbusens hebt sich unaufhörlich, n»d mit der Zeit wird eine nordische Sahara Schweden von Finland trennen, weite Steppen werden sich von Stockholm nach Torino ausdehnen, und die Alandinscln werden wie eine isolirte (^ebirgsgruppc zwischen der ehemaligen skandinavischen Halbinsel und dem europäischen Kontinent erscheinen. Die Neine Zahl von Weichthierarten, deren Muscheln sich in der afrikanischen Sahara finden, bildet eine weitere Aehnlichkeit mit diesen Golfen, deren Fauna iu dem Maße verarmt, als ihre Tiefe abnimmt. Eine derselben, das <^i-dium oäulo, gehört zn den gemeinsten in den Salzteichen, welche die Osttnste des Langneooc einfassen. Man begreift das Verschwinden des saharischen Meeres, selbst ohne anzunehmen, daß der l^rund sich gleich dem des Bottlnschcn Meerbusens gehoben habe, wo das Senkblei seit mehren Iahrhnuderteu eine wachsende Verminderung der Tiefe l'onstalirt. Die ephemeren (^ießbäche, welche sich in den saharischen Golf'stürzten, ergossen nnr eine schwache Wassermenge in denselben, der Seltenheit der Negeufällc nnd der geringen Erhebung der Berge halber, von denen nur die Spitzen sich einige Monate laug mit Schnee belasten. Dieses Wasser, jeden Winter zu der schon vorhandenen Masse hinzukommend, verdunstete sehr schnell unter dem Einflüsse einer tropischen Sonne, einer achtmonatlichen Trockenheit nnd heftiger von Norden nach Süden wehender Winde; allein dieselben Bäche, deren schwacher Tribut unfähig war, das Niveau dieses Golfes zu erhalten, wenn er nicht unmittelbar mit dem Mittelländischen Meere iu Verbiuduug gestanden hätte, lagerten jedes Jahr in seine wenig tiefen Gewässer die ungeheuern Mengen von Sand, Thon nnd I78 Physisches Gemälde der östlichen Sahara Nollkieseln ab, welche wir heute bloßgelegt sehen. Dieser Sand häufte sich an der Mnnduug des saharischen Golfes in das Mittelländische Meer ans dem Grunde der kleinen Surtc neben Oabös in Tunesien an. Unter dcni Einflüsse der damals herrschenden Strömlingen hat sich die Oeffnung allmülig verengt, und sich endlich ein Küsten säum, eine 16 Kilometer breite Düne zwischen das Mittelmeer nnd seinen Sahara-Arm geschoben. Da die Gewässer nicht mehr in Verbindnng mit dem Mittelländischen Meere standen, sanken sie, einer fortwährenden Verdunstnng unterworfen, unter das Niveau dieses Meeres, wie sie es noch hentc sind; Küstensänme nnd Binnenhochgründe haben die verschiedenen Becken getrennt, welche die Schotts oder Salzsee», genannt Schott Melrir, Schott el Hadiila, Schott cl G r a r n i s, nnd endlich der Schott el Farun und derSchott el Fcjei geworden sind, die unter sich in Verbindnng stehen und einen uugeheueru See, den ?a-1u8 1i'itoni8 der Alten bilden, welcher sich 17<> Kilometer in die Länge erstreckt nud mit dem Schott el Grarnis sehr gnt den Umriß des OstendeZ des saharischen Golfes zeichnet. Wenn der Atlas die Höhe und Breite der Alpen oder des Himalaya hätte, so würde ewiger Schnee einen großen Theil des Jahres hindurch alle über 3500 Meter crhabcueu Gipfel bleichen, mächtige Gletscher würden die Cirkns nnter den Kämmen anfüllen nnd in die Thäler hinabsteigen, die ephemeren Gießbächc würden nm so wasserreichere Ströme bilden, je stärker die Hitze nnd damit das Schmelzen des Eises wäre. Die vom Mittelländischen Meere durch die Nordwestwinde herbeigeführten Wolken würden sich, durch diese Cchneegipfel aufgehalten, in Regen auflösen, die durch die Verduustuug verursachten Verlnste würden ersetzt, der sahn« rische Golf nicht ausgetrocknet nnd die Wüste nicht vorhanden sein. Die Meere haben ihre Dasemsbedingungen wie die in der Pwmn; Kunstmiliiie. 279 organischen Wesen. Cs trete der Fall em, sic würden uuter-dn'lckl, so stcrbeu Pflanze nnd Thier da, wo das Meer verdunstet, nnd die Wüste ersetzt es. Die bewegliche Physiognomie der Erde bleibt nie dieselbe, allein das Veben der Völker ist so kurz, die Wissenschaft ist so jung, man stndirt diese Vcrän-dernngen erst seit so knrzem, das)' sie unbemerkt unter den Nugen der Vtenschheit uor sich gehen. Die Formen der Wüste. Das Wort Wüste erweckt die Zdee der Einförmigkeit. Diese Ideenverbindung ist aber nicht genau-; einförmig in dem Nanme, den der Alick umspannt, ist die Wüste es nicht, wenn man sie selbst in einer beschränkten Ausdehnung wie die, welche wir beschreiben wollen, stndirt. Sie nimmt drei Hauptformeu an, welche von Herrn Desor erkannt und von uns adoptirt worden sind: die Plate au wüste — die Erosiouswüste — die Saudw ü st e. Die Plateauwnstc oder die snharische Stev.'pe ist die ebcue Fläche, welche wir vom ssol de Sfa bemerkt haben, bevor wir Biskra erreichten. An den Rändern des saharischen Meeres haben sich horizontale Schlamm- uud Gips-Schichten abgelagert. Der auf dem Schlamme ruhende Gips besteht ails angesetzten Scheiben, welche einem regelmäßigen Platlenpflaster ähneln; ich will ihn Pflastergips ucnnen. Er betleidet die Oberfläche der weiten Hochebenen, welche nicht von den Gewässern angegriffen sind; mögen diese Gewässer nun Meeresströmnngen sein zur Zeit, als die Sahara ein Meer war, oder diluviale Ströme, welche uach dem Auftauchen vom Gebirge niederstürzten, daranf kommt wcuig an; der Gips, ein Resultat der starken Verdunstnng des saharischen Meeres, hat Widerstand geleistet und bildet die 280 Physisches Gemälde der östlichen Sahara Plattformen, von denen wir reden. Die Oberfläche ist so eben, daß Wagen meilenweit ans diesem natürlichen Pflaster hinrollen könnten, das wie ein Gewölbe nnter den Hnfen der Pferde schallt. Ein Plateau dieser Art, die kleine Wüste Mu-rad, dehnt sich von Biskra bis zu den Staffeln des großen Salzsees, des Schott Melrir der Araber, aus. Die Givsober-fläche liegt nicht allenthalben bloß, zumcist ist sie mit einer Schicht kleiner, gerundeter, fast sämmtlich quarziger Kiesel bedeckt, welche die verschiedensten Tinten, vom reinsten Weiß bis zum lebhaftesten Noth, darbieten; dieselben sind mit schwarzen und anf der Oberflüche spaltigen Kalttieseln vermischt. Woher kommen diese offenbar von den Wassern gerollten Kiesel? Man weiß es nicht. Sie sind die geheimnißvollen Zeugen jener großen diluvialen Eisgänge, welche anf der gcsammten Erdoberfläche Spuren ihres Vorübcrziehcns hinterlassen haben, ohne daß der Geologe immer die Gebirge oder Felsen wiederzufinden vermöchte, welche die Materialien dieser Aufschwemmung geliefert haben. Hie und da werden die Kiesel durch Kiessand ersetzt, welche oberflächliche Haufcu bilden, die den Pflastcrgips bedecken. Die Hochebenen find nicht unfruchtbar; eine im Sommer von der Sonne verbrannte, nach den ersten Wiuterregen aber grünende Vegetation bedeckt sie durchweg. Zuvörderst sind es Ctachclstaudcn*), welche, die Erde um sich festhaltend, eben so viele uou Lüchern durchbohrte Hügel bilden, die von den Springhascn bewohnt werden, sodann Halbstauden mit fleischigen, holzigen, knotigen, verkrüppelten nnd von Kamelen und Schafen benagten Blättern. Fast alle gehören der Familie der Salsolaceen-'"'-) oder Ufcrpflanzcn au, welche nnr in den Boden- *) Zizyphus lotus, Nitraria tridentata. ::::::) Salsola vermiculata, Anabasis articulata, Caroxylon articnlatum» Tragauum nudatimj. Suacda vermiculata. S. t'ruticosa. in der Provinz Konstantine. 281 arten gedeihen, die einen gewissen Antheil von Scesalz enthalten. Die Sahara befindet sich in diesem Falle; auch csleicht ihreVege-taiion merkiunrdig derjenigen, welche die Salzseen des^angnedoc unlgiebt. Toch sieht man, wenn der Boden sandig wird, stachel-lose Standen 5) nnd theils lebende, theils von der Sonne vertrocknete halb strauchartige Pflanzen^) zum Vorschein kommen. Grüne Nuudstecke, bestehend aus mcliren Arten von 0,'eraninm und Heliotrop'^), verbergen hie nnd da die Nacktheit des Bodens. Was unsern Blick aber am meisten erfreute, war eiue den Zeitlosen verwandte Pflanze ohne Stengels), welche einen Strauß röthlichweißer Blüthen trng, die an den Sand geschmiegt und von einer Krone linienförmiger Blätter umgeben waren. Würdig, das Ange des wählerischsten Blumenliebhabers zu ergötzen, leben und sterben diese hübschen Blnmen nngelannt in den Einöden der Sahara. Zwischen Bistra uud der Oase von Chetma wächst im dürrsten Sande eine sagenhafte Pflanze, die Nose von Jericho 11), ein kleiner Kreuzblüthlcr mit niedrigem und verzweigtem Siengel, der nach der Blüthezeit vertrocknet. Ihre dicht bei einander stehenden Zweige ähneln einer Nose; von den Winden fortgerissen, rollt die abgelöste Pflanze weithin über den Sand uud erinnert den christlichen Reisenden an die Wüste, in welcher der heilige Johannes lebte. In den Ver-tiesuugeu, wo der Boden einen Nest von Feuchtigkeit bewahrt, bedeckt die Erde sich mit einem feinen Nasen vom schönsten Grüu, die Bruftbcerbüume bekleiden sich mit Blättern, die Tamarisken, wahre Baume werdcud, wiegen ihre weißen oder roscnrothen :':) Retama Duriaei, Epliedra alata. *:':) Farsetia aogyptiaca, Linaria frutirosa, lliiplophylhuii tubcn'iilatiiin, Sf.roi'ularia deserti, Anvillaea radiata, Francoeuria crispa, Hlianti.'riuiu ad-pressuni. ***) Erodium glaucopliyllum, E. laciniatuin, Ileliotropium imdulatum. f) Melanthium puuctatum, Cav., obci" Erythrostictus punctatus, Schlecht. ff) Anastatica liierocliuntica. ZgI Physisches Gemälde der östlichen Sahara Vlüthcnbüschcl, und die rankenden Stengel der Purgirgurke^) laufen, nut kugelähnlichen Früchteu beladen, am Boden. In diese saharischeu Prairien führt der Wanderaraber seine Schafe und Kamele Winters zur Wcide. Sein schwarzes uud uiedriges Zelt ähnelt von weitem einem gerundeten Hügel; allein das ferne Kläffen der Hunde giebt Kunde, daß die Wüste zeitweilig von einer jener Patriarchenfamilien bewohnt wird, deren in der Bibel beschriebenes Hirtenleben unsere Kindheit entzückt hat. ^ Dieser Theil der Wüste ist nicht völlig unbelebt. Man begegnet oft einer hübschen aschgelben Lerche'^), welche unaufhörlich von Busch zu Busch fliegt; von Zeit zu Zeit schwebt ein Raubvogel iu den Lüften; ciu Rudel Gazelleu, kaum flüchtig erblickt, verschwindet am Horizont; ein einsamer Springhase flieht iil Sprüngen; Hasen "'^) kommen uuter den Hufen der Pferde hervor, oder Nebhüner erheben sich mit Geräusch; man bemerkt auf dem Sande breite Spuren vom Fuße des Straußes, deuu seine bedeutende Höhe gestattet ihm, von weitem die Karawanen zu bemerken und bei ihrer Annaheruug zu fliehen. Doch sind diese Begegnuugcn fern von den Oafen selten. Im Winter vergraben sich eine Menge Thiere, namentlich Reptilien, uuter dem Sande. So haben wir weder die Warneidechse i), noch den Stachelschwanz 1'i), noch die von den Arabern so sehr gefürchtete Hornschlange ils) gesehen, welche die Sahara bewohnen. Das Kleid der Wüsteuthiere ist von eigenthümlicher Einförmigkeit. Gar keine lebhaften Farben, alle sind grau, blaßgclb oder gelblichweiß, an die Tinten des Bodeus erinnernd, auf dem sie leben. Die Insekten sind schwarz, es sind fast alles Käfer, die bei der geringsten Gefahr im Sande verschwinden. *) CuGiimis colocynthis. **) Malurus »Saharae. ***) Lepns isabelliiws. f) Varauus arenarius. -j-j-) Uroniastix acautliinurus. ttt) Cerastes coriiutus. in dcr Provinz Konstantine. 283 Die Erosionswüste. - Große Ströme, sagten wir, haben die Sahara durchfurcht. Der Ausgangspunkt dieser Ströme liegt auf den Gebirgen, welche sie im Norden begrenzen, den Aur«s und den Ziban. Sie haben deu Boden eiugeschnitten und breite Furchen gegraben, die sich verbinden, vermischen uud ein Netz bilden, desscu Zwischcnränme die vou uns beschriebenen Hochebenen einnehmen. Der ziemlich lockere Mergel, ^ehm, Sand, Gips sind mit fortgerissen worden, der Pflastergips, härter als die übrigen Erdartcu, hat widerstanden, und die Plateaus sind die Zeugen dieser ungeheuern Erdarbciten. Die gegenwärtigen Ströme folgen noch diesen alteu Ausfressungs-linieu. Für denienigcn, welcher sich für die Erscheinungen der Physik des Erdballs intcrcssirt, ist es ein merkwürdiges Schauspiel, solch ein Vcrgbach, der vou den Aurös zur Sahara niederstürzt. Die Gewässer, ein Erzeugnis; des Regens und der Schneeschmelze, sind anfangs völlig süß, sie fließen im Grunde eines tiefen Bettes mit senkrechten Wänden, das wie eine Fnrchc in die lockern Schichten der Kreidcformation gegraben ist. Wenn der Vergbach aus den Gebirgen kommt, nni in die Ebenen zn treten, so verbreitert sich das Bett, Staffeln von geringer Erhebung begrenzen es kaum, eine ungeheure, mit Nollkieseln bedeckte Fläche zeigt, welches die Masse der Gewässer zur Zeit der Hochwasser sein muß, zu gewöhnlicher Zeit zieht sich ein schwaches Bächlein an diesem oder jenem Ufer hin oder schlangelt sich in der Mitte. Bei der Wüste angekommen, verbreitert das Bett sich noch mehr, nnd der Strom sinkt zu einem dünnen Faden herab, welcher bald vollständig verschwindet; allein beim Nachgraben im Sande findet der Nraber noch das anf der Oberfläche unsichtbare Wasser. Nur hat dieses Wasser sich mit den zahlreichen Salzen beladen, womit der Boden geschwängert ist, es ist brackig geworden. Diese ausgetrockneten Flußbetten vereinige» sich untereinander nnd bilden Zusammenflüsfe oder große Becken, ähnlich 284 Physisches Gemälde der östlichen Sahara denen der Seen. Solcher Art ist das des Ued Djedi und des Ued Biskra neben der Karawanserei von Saada. Allein in Folge der Winlerregcn stürzen die Gießbächc ungestüm, die Flüsse fließen mit vollen Usern, die Seen füllen sich, die Wüste nimmt das Aussehen einer Lagnne an. Alle niedrigen Theile sind unter Wasser, nnd die höheren Theile bilden zeitweilige Inseln, Halbinseln, Landengen und Landzungen. Unter der unerbittlichen Sonne Afrikas verdunstet diese Wassermasse aber bald, der Boden wird wieder trocken nnd eine Salzschicht ist die einzige Spnr, welche von dieser vorübergehenden Ueberschwemmnng zurückbleibt. Hie uud da hält jedoch eine Lache den ganzen Sommer über an, anderwärts ist die Lache verschwnnden. aber der durchweichte Boden bildet einen wahren Koth, in den man sich nicht ohne Gefahr hineinwagen kann. Nnrz, die meiste Zeit über ist der Boden trocken, eben, vollständig entblößt von Pflanzenwnchs und einem Felde ähnlich, das die Egge geebnet hat. Die Schotts oder die Salzseen sind die einzigen dauernden Zengen des ehemaligen Meeres, welches die Sahara bedeckte. Das Verhältniß des Salzes, welches den Boden dnrch-dringt, modifizirt die Vegetation des Erosionswüste. Doch findet man daselbst die Mehrzahl der Pflanzen wieder, welche wir auf den Hochflächen angetroffen haben. Namentlich sind es die Salsolacecn, welche herrfchen; für sie ist das Seesalz eine Daseinsbedingung, welche keine andere ersetzen kann. Der Schmnck dieser Vodenflächcn ist eine Standes, deren fleischige Blätter sich mit Salzblnmen bedecken nnd deren rosenrothe Blüthenrispen die Eintönigkeit der Wüste erheitern. Gegen Süden wird dieser Stranch fast ein Banm nnd wetteifert mit den Tamarisken, welche die feuchten Stellen einnehmen; je mehr aber das Verhältniß des Salzes zunimmt, nimmt die Zahl der *) Liutouiiistiuin Guyouianuii). in der Provinz Konstantine. 285 Arten ab. selbst die Büschel der holzten Salsolaceen *) werden seltener und krnvpelh after. Knrz, wenn das Salzuerhältnift zn groß ist, so bleibt das Terrain nackt nnd entblößt, eine schlichte Oberfläche bildend, anf der der Ttanb n»betnn,U ist. den» das Sal; erhält sich beständig feucht: eine nützliche Lehre für das Besprengen nnserer Straften nnd öffentlichen Plätze, von denen der Stand verbannt werden sollte. In den immerwährenden Lachen bemerkt man einige Pflanzn, welche denen der Salzleiche des Langnedoe analog sind, in den Schotts aber ift der Salzgehalt so groß, daß das Thier- nnd Pflanzenleben völlig verschwindet, sss sind weite Flächen regungslosen, seichten Wassers, welche sich unabsehbar, die niedrigen Staffeln der (^ipspla-teaus umziehend, ansdchncn. Unter den Strahlen der Sonne zeigen diese Seen bläuliche metallische Tinten, welche an die des Stahls erinnern. Der Ued-Rir, jene lange, fast anf einer Linie mit dem Meere liegende Vertiefnng, deren Grnnd der Schott Melrir einnimmt, ist der Typns der Erosionswü st c. Eine Reihe von Oasen nimmt die bewässerten Theile von 5?m-el-Tiur(Flllkenmutter) am Westnfer des Schott bis Tugnrt nnd weiter hinnns ein. Die Sanddnncn fangen an sich im Ued-Nir, doch nicht in fortlanfender Weise, ;u geigen, sie vermehren sich in der Umgebnng von Tugnrt nnd künden uns das Naheil der eigentlichen Wüste an. Die Sandwüste. — Man giebt den Namen Snf jener Sandwüste, welche sich von Tngurt nach den Grenzen von Tunesien ausbreitet. Sie ist einer von den Theilen, welche wir besucht haben. Wenn die Platcanwüste das Bild eines während einer vollkommenen Stille geronnenen Meeres ist, so stellt die Sandwüste uns ein Meer dar, das während eines heftigen Sturmes scstgeworden sein würde. Wogenähnliche Dünen *) Salsola vermiculata, Anabasis articulata, Suaeda fruticosa il. f. \v>. 286 Physisches Gemälde der östlichen Sahara erheben sich hintereinander bis zn den Grenzen des Horizonts, dnrch schmale Thäler geschieden, welche die Vertiefungen der großen Sturzseen des Ozeans darstellen, deren ganzes Aus-sehen sie nachahmen. Bald verdünnen sie sich zu schneidigen Kämmen, bald spitzen sie sich zu Pyramiden ans, bald runden sie sich zu cvlindrischen Gewölben. Von weitem gesehen, erinnerten uns diese Dünen auch znwcilen an das Aussehen des Firns in den Cirkus und auf den Graten, welche in der Nähe der höchsten Alvengipfel liegen. Die Farbe trug znr Täuschung bei. Von den Winden gemodelt, nimmt der brennende Sand der Wüste dieselben Formen wie der Firn der Gletscher an. Diese Dünen bestehen einzig nnd allein aus sehr feinem Kiessand, ähnlich dem von Fontaineblean, und anf einigen Punkten trifft man den bröcklichcn Sandstein wieder, welcher ihnen das Dasein gegeben; sie sind au Ort und Stelle gebildet und keineswegs von den Winden der Bcrgregion herbeigeführt worden. Im Snf war der Grund des saharischcn Meeres von den Strömen abgelagerter Sandstein oder Sand. Dieser hentc trockne Sand wird unaufhörlich vom Winde umgelegt; trotzdem verrücken sich die Dünen nicht und bewahren ihre Form, obgleich der Wind, sobald er nur einigermaßen stark ist, den Sand der Oberfläche aufhebt und mit sich fortreißt. Alsdann sieht man eine Schicht beweglichen Staubes in die Thäler laufen, die Abhänge der Dünen hinanfrollen und über die Kämme derselben anf der andern Seite wieder herabfallen. Zwei Wiude, der Nordwest nnd der Süd oder Samum herrschen in der Wüste. Ihre Wirkungen halten sich das Gleichgewicht, der eine führt den Sand znrück, den der andere verrückt hat, nnd die Düne bleibt auf der Stelle und bewahrt ihre Form. Der Nomadenaraber erkennt sie wieder, und für die Fremden ist die Karawanenstraßc mit Sig- in der Provinz Konstantine. 287 nalen abgesteckt, welche ans Sträuchen bestehen, die man nnf den Kämmen aufhünft. Wenn das Welter klar, so ist nichts leichter, als sich in diesen Einöden znrecht zu finden; wenn aber der Samnm sich erhebt, so wird die Vuft mit einem Stande erfüllt, dessen Feinheit so groß ist, daß er sich dnrch die hermetischst verschlossenen Gegenstände durchsiebt nnd in Augen, Ohren nnd All,mnngs-organe eindringt. Eine glühende Hitze, ähnlich der, welche ans einein Ofenloch hervorkommt, entzündet die wft nnd bricht die Kräfte der Menschen nnd der Thiere. Anf dem Sande sitzend, den Rücken der Windseite zugekehrt, warten die Araber, in ihre Bnrnnsse gehüllt, mit fatalistischer Resignation das Ende der Qual ab; ihre Kamele, hockend, keuchend nnd erschöpft, strecken ihre langen Hälse ans den glühenden Boden ans. Dnrch diese Staubwolke hindnrchgesehen, ist die Sonnenschcibe, der Strahlen beraubt, matt wie die des Mondes. Am 7. März 1844 bestand die vom Herzoge von Anmale befehligle Kolonne einen Samnm neben der Oase von Sidi-Obkah nicht weit von Biskra. Der Wind blies ans Westsüdwest; der Orkan dauerte vierzehn Stunden. Herr Fonruel, Mincningenienr, welcher die Expedition begleitete, stellte folgenden Tags fest, daß der Wind mir einen schmalen, mit dem Aurös parallel laufenden Gürtel der Wüste gefegt hatte, während am Fuße des Gebirges Ruhe herrschte. Im Snf begraben diese Winde die Karawanen unter ungeheuern Sandmasscn; auf diese Weise kam das Heer des Kambyses nm, nnd die zahlreiche» Skelette von Kamelen, anf die wir stießen, bezengen, daß diese Unfälle sich noch znweilen erncnern. Der Gips ist in der Sandwnste nicht völlig verschwunden, aber nur in den Thälern bildet er fortlanfende nnd entblößte Flüchen, wie auf den Plnleanwnsten; selten vflastrig, zeigt er sich unter der Form manichfach gestalteter und von Kieseln durch- 288 Physisches Gemälde der östlichen Sahara schter Krystalle, als Rautensteine, Kreuzsteine, Spießeisen, Linsenkrystalle. Andere Steine giebt es gar nicht. Naffc einen Stein auf, es ist ein Krystall. Die Dörfer sind von krenel-lirten Wälleil umgeben, die aus Krystalleu erbaut sind, desgleichen die Mauern der Häuser, sie trngeu eine aus horizontal angesetzten Palmstämmen gebildete Decke oder anch eine auf einem Gerüst vou verschränkten Palmblättern modcllirte Gips-knppel. Es giebt nichts Malerischeres, als dcu Anblick dieser befestigten, von blendend weißen Kuppeln überragten Dörfer, sie gleichen an einander gedrückten Bienenkörben. Nur das Minaret der Moscheen oder ein vereinzelter Palmbanm erheben sich über das allgemeine Niveau und künden voll weitem das Dorf an, welches in den Krümmungen der es umgebenden Dünen versteckt liegt. Wenn der Sand, Dank dem Gips, der ihn zusammenhält, eine gewisse Festigkeit bewahrt, so ist der Pflan^enwuchs nicht völlig erloschen. Hie und da trifft mau einige Proben der Plateauflora an, besonders die liotama und die ^plieäi-a. Zwei Pflanzen aber kennzeichnen namentlich das Suf, erstlich eine große Graminee, welche ihre langen, linienförmigen, im Winde sich wiegenden Blätter 2 Meter über den Boden erhebt, die stechende Dreigranne *), so gesncht von den Kamelen, uud der schopsige Hackcnkopf^), ciue Staude aus der Familie der Polygoncen, in der Klassifikation dem Buchweizen uud den Knöterichen benachbart. Seine Gcsammthöhe beträgt etwa l. Meter. Vom einem holzigen Stamme gehen lange, bis 4 oder 5 Meter sich ausbreitende und meist entblößte Wurzeln ans, der Stamm trägt knorrige Aeste, die in zahlreichen grünen und cylindrischen Zweigen ohne Blätter endigen, welche sich während des Winters ablösen und abfallen. Alle diese *) Aristida puugens. **) Calligonum comosum. in der Provinz Konstantine. 389 Stauden sowie die Ephedra waren nach Südosten geneigt und znu bilden scheinen, in Wirklichkeit sind sie aber reihenweis in Gärte» iMlan^t, welche dnrch Erdwälle getrennt werden, die bergwärts von einer Oeffnung durchbrochen sind, dnrch welche die Wässerungsrinne in das Viereck dringt. Da der zur Errichtung der Wälle verwandte Schutt von den Wegen genommen ist, so liegen diese tiefer als die Grundstücke und dienen zn einem doppelten Zwecke! sie erleichtern die Cirkulation in der Oase, und die Gewässer, welche die Gärten benetzt nnd den Boden entsalzt haben, entladen sich in diese Hohlwege, von wo sie den Schotts zufließen oder Sümpfe bilden, welche die mnselmanische Sorglosigkeit nicht bedacht ist anszntrockncn. Jedes Jahr steigt dns sicher ans diesen Anstecknngshcrden hcranf nnd dezimirt aufs gransamste diese unvorsichtigen Bevölkerungen. Man begreift, daß eine Oase eine Festnng ist, jedes Gartenviereck ist cine Schanz, die Kngel bleibt in diesen Erdwällen stecken, und wenn sie ein Loch bohrt, so ist eine nene Schießscharte da, durch welche der Amber seine Flinte steckt, nin den Feind aufs Korn zn nehmen. Wenn man diese Damenbretter von Erdwällen mit den Palmbänmen gesehen hat, deren Stamm jeder einen Menschen verstecken tann, so wundert man sich nicht mehr, daß im Jahre 1d)4!) die Einnahme einer einzigen Oase, der von .^aatscha, zweinndfünfzig Tage Belagerung, neunhundert Mann nnd sechzig Offiziere gekostet hat.*) Die Dörfer selbst sind von thnrmbewehrten Mauern nmgcben und erinnern an all jene Motive malerischer Befestigungen des Mittelalters. Die Dattelpalme*") ist der Nahrungsbanm der Wüste; nur dort bringt sie ihre Früchte znr Reife, ohne sie wurde die Sahara unbewohnbar nnd unbewohnt sein. Die arabische ") Siehe iibcr die Belagerung von Zaatscha den Bericht von Herrn Ch. Bvcher in der Iiov»e s!o» !,iesilning beruht uur auf ihm- sciue in der ganzen Well gesuchten Früchte reichen hin zum Tauschhandel und schaffen nicht nur Wohlstand, sondern selbst' Reichthum. In den dreihundertundsechzig Oasen, welche Frankreich gehören, zahlt jeder Dallclbaum eine Abgabe, welche je nach den Oasen zwischen 20 nnd 40 Eentimes schwankt, und diese Knlturen blühen, da der mittlere Ertrag jedes Banmcs Nwa ^ Franks beträgt. Die Zahl der Dattelbäumc macht den Reichthum ciuer Oase aus, allein nicht alle geben Früchte. Dieser Banm ist nämlich zwcihäusig: es giebt männliche und weibliche Stämme. Die 294 Physisches Gemälde der östlichen Sahara männlichen Stämme haben Blülhen, die mir mit Staubfäden versehen find und eine Traube bilden, welche vor der Reife des Pollens von einer Hülle, einer sogenannten Blnmcnscheide, eingeschlossen ist. Die weiblichen Stämme dagegen tragen Fruchtkolben, welche gleichfalls von einer Blumenscheide eingehüllt sind, sich aber nicht entwickeln können, wenn der Pollen oder der Staub der Staubfäden sie nicht befruchtet hat. Um diese Befruchtung zn sichern, ohne eine zu große Anzahl unergiebiger männlicher Individuen zu pflanzen, klettern die Araber zur Blüthezeit gegen den Monat April auf die weiblichen hinanf und stecken in die Blumeuscheide ein mit männlichen Blüthen bcladcncs Stengelchen, deren Staubfäden die jungen Fruchtknoten sicher befruchten; dann schwellen die Früchte, werden fleischig und bilden große Tranben, deren Gewicht bisweilen 1s) bis 20 Kilogramme erreicht. Um die Datteln fortzupflanzen, säet mau uicht die Fruchtkerne, obgleich sie mit änßer-ster Leichtigkeit keimen, denn so kann man nicht im vorans wissen, welchem Geschlecht der Baum angehören wird, man zieht es also vor, vom Stamme der weiblichen Palmbäume einen Schößling abznlöscn, den man pflanzt nnd der vom Alter von acht Jahren au ein ergiebiger Baum wird. I^ie Dattel liefert überdies eine zuckerige Milch oder Flüssigkeit, die durch Gährung alsbald einen weinartigen Geschmack annimmt. Um sie zn erhalten, habe ich zu Tugurt den folgenden Prozeß anwenden sehen. Man schneidet die Blütterkronc innen kreisförmig ans, so daß nur die unteren Blätter geschont werden. Der Ausschnitt hat die Form eines Kegels; in seinen Grnnd steckt man ein hohles Rohr, durch welches die Flüssigkeit in ein Gefäß abfließt, das sich seinerseits in ein anderes an den Blättern des Banmcs anfgehängles entleert. Letzterer stirbt nach dieser Verstümmlung nicht immer ab, die Endsprosse er- in der Pvcwm^ Konslmttine. 295 ,^'ugl sich wieder, uild der Palmbanm erholt sich nllmälig. Die Deration kculn bis dreinial erneuert luerden. Die Spitze der Palmeil erhebt sich zll etwa l^ Vieler über den Boden. Die Luft cirkulirt unter dem weiten uou ihren dichtgedrängten Wipfeln gebildeten Schirme, die Sonne nber dringt nicht hinein. Schatten, ^uft und Wasser! das sind die drei Elemente, welche in den Palmgärten trotz der glühenden Sonnenhitze die mannichfachften Kulturell gestatten. Zunächst bemerkt man daselbst ^ruchtbänme! die Feige, die Granate, die Aprikose, bisweilen den Wemstock, die Olive, seltener den Pfirsich-, Birn- und Orangenbaum. Die Gemüse werden ge-lneiniglich wahrend des Winters angebani, es sind weiße nnd gelbe Nnben, Kohl, Zwiebeln, spanischer Pfeffer,") eine nuerläßliche Wnr^,e ,^u jenen arabischen Sauceu (Nei-^n), welche dazu bc-stinnnl sind, die ^erdunnngülräfle des Magens bei Völkern zu heben, welche sich des Weins lind alkoholischer Getränke enthalten, ferner demerkl man Türkeuknrbisse, gemeine >iürblsse, Wassermelonen, kleine ,vntlcrkleefeldcr, welche an acht Schläge im Jahr liefern, das Henna *"'), welches dazu dient, dic Nägel der arabischen Granen gelb zn färben, sowie den namentlich im Suf gebanlcn ^eldlaback.""^) Im Winter erblickt inan in den Lichtungen der Oasen oder nmher grünende Felder, es ist Gerste, bisweilen anch ^rühweizen, welcher ans der Erde kommt. Die Vaumwollcukultur befindet sich erst im Versuchsstadium, hat aber auf den Boden strecken, die sich mit Snßwafser bewässern lassen oder wenig Sal^ enthalten, eine bedentcnde Zukuuft. Untersuche» wir jetzt die verschiedenen Arten von Oasen, indem wir mil den Plalean - oder Sleppenoaseu beginnen. *) Capsicum aninmui. **) Lawsonia inermis. **:!:) Nicotiaua rustica. Zgß Physisches Gemälde dcr östlichen Sahara Dem Aurös- und Zibangebirgc einstürzen Bäche, welche die östliche Sahara einfassen. An ihren Ufern hat sich ein Rosenkranz von Oasen abget'ugclt. Dahin gehören die von El-Kantara, El-Uta'la, Biskra, sämmtlich an demselben «vlnssc gelegen, welcher das znr Vewässernng der Gärten nöthige Wasser liefert; dahin gehören ferner die Oasen von Brnnis. Zerib el-Ued, Liana, Bu-Saada u. s. w. Diese Oasen sind an den Fuß des Gebirges angelehnt. Ebenso verhält es sich »m denen, welche ihr Dasein den reichlichen mit Recht vanelnsischc genannten Quellen verdanken, welche bei der Berührung der horizontalen Terrainflüchcn der Sahara mit den aufgerichteten Gebirgsschichten ans dem Boden heruorsprudelu, z. B. die Oaseu von Umasch, Zaatscha, Tolga u. s. w. Visweileu sind es heiße Quellen, wie die, welche die Oase von Schetma in der Nähe der von Biskra bewässert, deren Wasser eine Temperatur von 3l) Graden besitzen. Allein alle die Quellen, welche von den Höhen -niederstürzen, entspringen nicht am Fuße derselben, sondern sickern zwischen die horizontalen Schichten der saharischen Ebene ein, und von undurchdringlichen Thonbänken aufgehatten, bilden sie unterirdische Wasscrlänfe, ähnlich denen, welche sich auf der Oberfläche schlängein. Diese Gewässer, geschützt dnrch den Boden, welcher sie bedeckt, verdnnsten nicht unter den Gluteu der Sonne, und auf einem thonigen Grunde fließend, verlieren sie sich nicht in die Tiefen der Erde. Es kreist also ein Netz unterirdischer Flüsse unter den oberflächlichen Schichten der Sahara. Diese Gewässer streben unaufhörlich day Niuean ihres Insiltrationspunktes wiederzugewinnen. Wenn also die oberflächlichste Schicht des Bodens aus Sand oder lockerm Gestein besteht, so wird das Wasser diese Materialien durchbrechen und an der Oberflüche auftauchen; es ist dies ein natürlicher artesischer Brunnen. Die Araber geben ihm den Namen Schrein (Nest). Im Ueo-Rir sieht man oft von ferne einen tegel- in der Provinz Konstantine. 297 förmigen, mil eiuigen Palmen gekrönten Hügel, in die Spihe des Kegels ist eine mil Wasser gefüllte Verliefnng gegraben, es ist eine Schrcia. Quillt das Wasser reichlich hervor, so gräbt der Araber einen Ableituugskanal, Sagnia genannt, leitet das Wasser seinen Anpflanznngen zu und schafft eine Aeine Oase. Seit den ältesten Zeiten haben die Bewohner der Sahara die Natur nachzuahmen und künstliche Schrei as zu graben getrachtet. Olympiodor, der nach Niebuhr gegen Mitte des 6. Jahrhunderts zu Alcrandrieu schrieb, berichtet, daß man in seinem Heimatlandc Brnnncu von 200 bis .»00, bisweilen 500 Ellen (90 bis 230 Meter) Tiefe gegraben habe. Photins führt eine Stelle ans Diodor, Bischof von Tarsus, gestorben gegen das Jahr 390 n. Chr., an; indem er von der au vierzig Meilen von Aegupteu in der Wüste gelegenen großen Oase spricht, drückt er sich folgendermaßen ans: „Warum," sagt er, ,,hat die innere Region der Thebais?, welche mau Oasis uenut, weder Fluß, noch Negen, der sie bewässert, sondern warum wird sie nur vom Laufe der Quellen belebt, welche nicht von selbst, noch durch die Regen, welche ;ur Erde fallen und durch ihre Adern wie bei uus wieder emporsteigen, sondern Dank einer großen Arbeit der Einwohner aus dem Boden sprudeln. Sollte dies ein Fingerzeig sein, daß die Orte, welche Quellen dieser Art erzeugen, Quellen, welche ächten Strömeu von eben so süßem als klarem Wasser das Dasein geben, von Höhen beherrscht werden? Allein diese sehr weit vom l^ebirgc entferuten Ebenen sind im Gegentheil völlig schlicht und unfruchtbar, oder enthalten höchstens eine ganz kleine Menge trägen und salzigen Wassers, das nicht aus dem Schoße der Erde hervorquillt, sondern sich in den Gruben findet uud uicht hinreicht, während des Sommers deu Durst zu löschen." Herr Ayiue, ein chemischer Fabrikant, der im Jahre 184« in zwei A98 Physisches Gemälde der östlichen Sahara ägyptischen Oasen, deren <^ol!ver>leur er war, große Alaun-fabriken angelegt hatte, hat mehre dieser Brunnen gereinigt und die Beschreibung derselben gegeben. Sie warcu mit einem birnförmigen steinernen Zapfen versehen, welcher in das Loch paßte, von dem der Stein durchbohrt war; an ein Tau befestigt, gestattete dieser Zapfen, nach Belieben das Aufsteigeu des Wassers zu mäßigen, dessen Fülle so groß ist, daß es ohne dies die Oase überschwemmt haben würde. Diese Brnnneu waren tief. Doktor Griffith aber, der die Wüsten Aegyptens mehrmals durchwandert hat, versichert, daß mau das Wasser in sehr geringen Tiefen im Sande antrifft, es genügt, mit einem Stabc den sehr lockern Fels zn durchbohren, welcher die gefangene» Wafser znrückhält. Dieser Stab ist der Mosesstab, welcher das Wasser ans dem Felsen in der Wüste Sinai sprudeln ließ! Die Phantasie eines kindlichen Volkes erblickte ein Wunder in dieser natürlichen Thatsache, einer nothwendigen Folge der nnteriroischen Hydrographie der Gegend nnd der Gesetze des Gleichgewichts der Flüssigkeiten. l^in arabischer Geschichtsschreiber des 14. Jahrhunderts, Ibu-Khaldnn, berichtet, daß es nm diese Zeit in der Sahara Springquellen gegeben habe. Für ihn. ist dies gleichfalls ein wunderbarer Umstand, uud er sügt hiuzu: „Ill dieser Welt ist der Wuudergcbieler Gott, der Schöpfer, der Weise." Noch heute ist es so. In den Augen der Araber ist Alles Wunder, und für ihn ist nicht das Ueber, natürliche, nein, das Natürliche, nicht vorhanden. In der Sahara knüpft sich an jeden Hügel, jedes Loch, jedes Thal, jede Quelle, jede Lache, ja selbst an die vereinzelten Bäume eine Sage. Die Wüste wimmelt von Wundern, welche die semitische Phantasie erzeugt hat. Die Bewohner der Oasen graben noch jetzt artesische Brunnen. Die Arbeit ist sehr mühsam. In dem Maße als sie in die Tiefe graben, hallen sie die nachstürzende Erde durch Palmholzblenden zu- in der Provinz Konstantine. 299 nick; wenn das Wasser schon sprudelt, ist der Brunnen noch durch Saud verstopft. Mit Körben versehene Taucher (Ntaft) lassen sich an einem Seile hinab und räumen diesen Sand weg, sie können bis drei Minuten uuter dem Wasser bleiben. Kommt einer nicht wieder herauf, so tauchen die audern, um ihm beiznstehen. ^rei von Abgaben, bilden sie eine geachtete Körperschaft, deuu ihr Veben ist lurz, die Schwindsucht rafft sie vor der Zeit weg. Diese arabischcu Brunnen dauern nicht lange. Die Blendung fault, das Erdreich giebt nach, der Sand verstopft die inuere Oefsuuug; alsdann verkümmern und sterben die Datteln aus Maugel au Wafser ab, die Dörfer eutvöltern sich, die Oase schrumpft zusammen und verschwindet endlich. Die Wüste nimmt wieder Besitz von dem Gebiet, das die Arbeit des Menschen ihr entrissen hatte. Bor der französischen Okkupation befanden sich viele Oasen in diesem Mlle, die einen waren nicht mehr vor-haudeu, die auderu verschmachteten, keine vermochte sich auszudehnen. Der General, damalige Oberst Desvaux tommaudirte die Subdivision von Bathnn. ssr begriff, daß die artesischen Brunnen das ^eben der Oase sind nno beschloß, sie zu vermehren. Herr Duboeq, Miueningenieur, hatte im Jahre 185/i einen Aufsatz über die geologische Beschaffen heil der Ziban nnd des Ued-Nir herausgegeben, worin er zeigte, daß die Wissenschaft die Augaben der Praxis bestätigte, nämlich das Vorhandensein cinex unterirdischen Wasserschicht in gewissen Regionen der Sahara. Im Jahre 1855 erforschte Herr Charles Laurent im Auftrage des Geuerals Desvaux das Land eigens vom Gesichtspunkte der artesischen Bohrungen. Im April 1856 traf Herr Ins, Civilingcnieur im Dienste des Hauses Degous^e, und Ch. Laurent ^u Philippeville mit einem Bohrgerät!) ein. Alle Transportschwierigkeiten werden überwunden, durch die Berge, die Ströme, den Sand langt der schwerfällige Apparat iu Tamerna, nicht weit von Tugurt au, nachdem er ^40 IOO Physisches Gemälde der östlichen Sahara Kilometer znrnckgclegt hat. Der erst? Vohrstich geschah Anfang Mai 1^'>0, lind den llx Zilni schoß ein wahrer Strom, welcher 4010 Viter Wasser in der Minute, 010 ^iter mehr als der Brunnen von (Crenelle zu Paris, lieferte, aus den Eingeweiden der Erde empor. Die Freude der Eingeborenen war ungeheuer. Die Neuigkeit vou dieser Bohrung verbreitete sich mit unerhörter Schnelligkeit im Süden, von weit her kam man, um dies Wunder zu schauen. Bei einem hohen Feste hatte der Marabut die nene Quelle gesegnet und ihr den Namen der Friedensquelle gegeben. Eine Oase, die uon Sidie Nached, uicht weit von Tamerna, verkümmerte znschends. Die Bruuneu warcu versiegt, Dünen, aus einem feinen Sande bestehend,*) überzogen die Kulturfelder. Ich habe Dattelbäume im Sande vergrabeil gesehen, von deueu nur noch die Wipfel zu seheu waren, andere, dürr, verschmachtend, boten au ihren Stämmen Einschnitte dar, welche von der Trockenheit zeugten, unter der der Baum gelitten hatte. Vergebens hatten die Einwohner Palissaden errichtet und ein Minaret auf der Spitze der höchsten Dünr gebaut, die Düue rückte immer weiter vor, die Oase war verloren. Die Eingeborenen versuchten einen Brnnnen zu graben; allein bei 40 Meter Tiefe stießen sie anf eine Mpsbank, die sie nicht zu durchstechen vermochten. Da kommt das französische Arbeitspersonal an. Röhren werden in den verlassenen Brunnen hinabgelassen, dden Spahis, nachdem er in Frankreich stndirt nnd mit Herrn Jus die Bohrnngen von 185)7 mitgemacht hatte, mit mehren Bohrungen in der zwischen Vistra und dem Schott Melrir liegenden Steppe beauftragt. Er grub dort drei Brunnen; allein fünf den artesischen Arbeiten in der Sahara gewidmete Jahre hatten seine Konstitution erschöpft; er starb den 14. Mai 1860. Ein bescheidenes, neben dem Brunnen von Urlana errichtetes Denkmal, welches seineil Namen trägt, erinnert an seine Dienste und an seinen glorreichen Tod auf dem Schlachtfelde der Civilisation nnd der Hnmanität. Dieser Brunnen von Urlana ist einer der reichlichsten des Ued-Rir, er liefert 8270 Liter in der Minute und treibt unmittelbar eine arabische Mühle. Derselbe ist im Jahre 1860 von dem mit den Bohrungen in der östlichen Sahara betrauten Anillerie-tapitain Zickel gegraben worden, der die Güte hatte, unsere kleine Karawane in der Wüste zu leiten. Unter seiner Aufsicht und der seiuer beideu Vorgänger sind binnen zehn Jahren im Ucd-Nir und auf dem zwischen Biskra nnd dem Schott Mclrir liegenden Plateau fünfundvierzig Brnnncn geöffnet worden. Die mittlere Tiefe von fünfunddreißig darunter, welche mir bekannt ist, beträgt 74 Meter. Der tiefste, der vou Tair-Nassu, hat 162 Meter Tiefe, der am wenigsten tiefe nur 6; es find W2 Physisches Gemälde der ostlichen Sahara alle beide aufsteigende 2^ruuueu, in denen die Wassersäule sich nicht über die Oberfläche des Bodens erhebt. Die mittlere Wassermengc der Brunnen, welche übcrfließcu, beträgt 1917 Liter in der Minute, der reichlichste ist der von Sidi-Nmrin im Ued-Nir, er giebt 4800 Liter in der Minute, einer der drei Brunnen uon ^heqqa liefert nur 19. Die Temperatur dieser Brunnen ist hoch, aber nicht höher als die mittlere Jahrestemperatur der Luft iu der Region, wo sie entspringen. Ich habe selbst die von dreizehn derselben genommen; sie beträgt im Durchschnitt 24,2°, indem sie von 23,0" bis 2,'>,3" wechselt. Es giebt nichts Anmuthigercs als den Anblick dieser Quellen. Die Röhre befindet sich im Mittelpunkte eines kreisförmigen Beckens; indem sie sich über die Ränder ergießt, bildet die artesische Wasserfläche eine durchsichtige Kuppel. Diese Kuppel bietet gleichzeitige Schwingungen wie die des Pulses dar, abwechselnd bläht und senkt sie sich, indem das Volumen des Wassers regelmäßig innerhalb schwacher Grenzen wechselt. — Warum muß dieses so schöne und reine Wasser mehr oder minder brackig und mit den Salzen beladen sein, womit die Erde geschwängert ist? Verschiedene von den Herren Vatonne uud Lefranc angestellte Analysen zeigen, daß diese Gewässer auf das Liter stets 1 bis 3 Gramme schwefelsaures Natrou, l bis 2 Gramme schwefelsauren Kalk, feruer Ehlornatrium, Chlormag-nesium und kohlensauren Kalk enthalten. Aechte Mineralwasser, sind sie leicht abführend, was der unerfahrene Reisende bald mertt. Mehre dieser Brunueu bieten eiue Eigenthümlichkeit dar, die lange Zeit nnr Ungläubige unter den Naturforschern gesunden hat. Im Augenblicke des Sprudelns der Wasser im Brunnen von Am-Tala, dessen Tiefe 44 Meter beträgt, bemerkte der Kapitain Zickel kleine fische, welche in dem zur Mün-duug des Brunnens ausgeworfenen Sande zappelten. Wir in der Provinz Konstantin»,'. ZOZ haben solche selbst in dein Abflnßkanal mehrer Vrnnnen und in einigen natürlichen artesischen Onellen gesehen. Die größten dieser Fische gehen nicht über 4 Centimeter Länge hinans. Es sind Weich flosfer^, welche miser» Weißfischen gleichen, Sie sind identisch mit einer von dem Herrn Doktor Gnichenot beschriebenen Art der Si'ißwassrr Biskras. Das Mänuchcu ist darin vom Weibchen verschieden, daß es quergestreift ist, auch auch haben mehre Autoren es für eine midere Art genommen.**) Die Angen dieser kleinen Wesen sind sehr gnt ausgebildet, wiewohl sie einen Theil ihres Daseins im Dunkel zubringen. Uebrigens steht dieser Umstand nicht vereinzelt in der Wissenschaft da, nnd Herr Amne, Gouverneur der Oasen von Theben und Garba in Aegyptcn, schrieb im Jahre 1849 an die Herren Degousse und Ch. Lanrent, daß ein antiker artesischer Brnnnen von IM Meter Tiefe, den er gereinigt hatte, ihm für seine Tafel Fische geliefert habe, welche wahrscheinlich ans dein Nil gekommen wären, indem der Sand, welchen er ans diesem artesischen Brunnen gezogen, eins sei mit dem des Flnsses. In der Sahara wie in Aegupte» waren diese Fische also dnrch die Gewässer fortgerissen worden, welche in den Boden bis zu der unterirdischen Wasserfläche einsickern, deren Luftlöcher die arte-sischeu Brnnnen sind. Die Folgen dieser artesischen Bohrungen übertreffen alle Erwartnngen. In der Wüste anf zweckmäßig gewählten Puut-ten ausgeführt, werden sie den Reisenden nnd den Kolonnen, welche in diese Einöden dringen, als Rast- nnd Lagerplätze dienen; dergleichen sind die Brnnnen von Saada, Schegga, Om-el-Tiur und Urir anf der Straße von Biskra nach Tngurt. Kulturversuchc, welche »m diese Brnnnen angestellt wurden, *) Cyprinodon cyanogastcr. **) Cyprinodon doliatus. 304 Physisches Gemälde der ostlichen Sahara sind ziemlich gut eingeschlagen. *) Die von den Franzosen in den Oasen gebohrten artesischen Brunnen vermehren die Ausdehnung dcr ersteren; zunächst werden die neuen Vodenstrecken, welche sie bciuässern, entsalzt und sodann mit Palmbünmen bepflanzt, welche nach Verlauf von acht Jahren tragen. Die Zahl der seit 18liN gepflanzten Palmen belauft sich auf 150,000. Unter diesem Schatten werden andere Fruchtbäume gedeihen, und die Wintcrkultur der berste und dcr Gemüse Europas wird ^mehmcn und beträchtlich zum Wohlstand dcr Einwohner beitragen. Ohne der Uebertreibung beschuldigt zu werden, kaun man schon den Zeitpunkt vorhersehcn, wo sich ciu ununterbrochener Palmcuwald von Cl-Kantara bis Uargla, der letzten Oase in dem der französischen Herrschaft unterworfenen Süden, ausdehnen wird. Unter der Negieruug der Türken oder der einheimischen Sultaue verminderten sich die Oasen an Zabl und Ausdehnung. Unaufhörlich sich erneuernde Kriege, fortwährende Naubzügc verödeten das 5/and. Der Augreifer hieb die Palmen nieder, verschüttete die Vrunueu oder leitete die Gewässer ab. So belagerte im Jahre 1.788 Salah, Bey von Konstantine, Tugurt; die Stadt leistet Widerstand, da beginnen die Soldaten, angesichts der Belagerten, die Palmbäume zu fällen. Der Scheikh Ferhat, um den völligen Ruin des Landes zu vermeiden, unterwirft sich allen Bcdinguugen. Mau erblickt noch im Nordosten dcr Stadt eine ungeheure Sand-ebene, in deren Mitte sich das fast gänzlich zerstörte Dorf El-Baluch erhebt; früher war es von Palmen umgeben, seit ciuem ") Ein armcr Nc,qcr von V»nm war als Sklavc M'angcn, vmi scmcm Hcrm zu den Tuarcgs gcfilhrt und viermal hintevcinaudcr vertauft wordeu. Eudüch iu dcn ftau;ösischcu Bcsttzungcn angckonnnctt, vmmhm cr, daß cr ftci sci, und mau gab ih,n ucbcu dci» Biuniun von Schcg^a ^aud, auf dem cr ^cvstc, Him, Wasfcnncloncn, Stcckrübm baut und ctwas Gcflügcl züchtet, daO von dcn Nclscndm getauft wird. in der Provinz Konstantine. ,-jO5 In!n1,ii»derl hat die Wüste N'iedcr Besitz V!)!! dem Terrain l^'»o,>,»,r!>. In der Nichtnng von Temmassin sind einige hie u»d da im Sande zerstreute Palmen die einigen Ucberlebendei! eines n»gehenern Waldes, der die beiden Städte verband, deren lange Eifersucht der Wüste gestattet hat, sich aufs neue zwischen ilmen zu bilden. Im Jahre 1^44 führte die Einnahme uon ^iotra die Ilnterioerfnng von Tngurt herbei, wo dainals der ^cheith Ben-Djellab regierte. Bei seinem Tode im Jahre l'^4 erklärte sich ein Usurpator, Namens Sliman, fnr einen /ieind Frankreichs; im Monat November desselben Jahres aber ward der Oberst Dcsvaux mit einer kleinen Kolonne gegen Sliman abgeschickt; derselbe schlug ihn bei Mgarin-Kedima und ^og den 2. Dezember in Tngurt ein. Mgann, der Schan-pla>.> des Kampfes, ist eine während der Bnrgcrzwiste der Araber zerstörte Oase. Auf einem Nnnohügel bemerkt man die Nninen einer Mofchee. Kleine in der Ebene zerstrente Erhöhungen bezeichnen noch die Stellen der in diesem beklagens-werthrn Kriege nicdcrgehnnenen Palmen. Seit diese Gegenden Frankreich angehören, herrscht der Friede zwischen diesen Völkerschaften. Dank den artesischen Brunnen wird der ackerbautreibende nnd ansässige Berber nicht mehr von dem noma-disirenden und faulen Araber unterdrückt. Dieser bleibt kraft des Erobernngsrcchtes Eigenthümer der Oasen nnd bewilligt dem Berber nnr die Hälfte des Ertrags. Jeden Herbst, zur Zeit der Dattelerntc, kommt der Nomade herbei nnd pflanzt seine Zelte neben der Oase auf, seinen Antheil an der Ernte fordernd, und früher war seme Hälfte stets größer als die des armeu Meiers, auf dcsscu Kosten er häufig einen Theil des Winters hindnrc!, lebte. Diese Mißbränchc haben aufgehört. Die französische Rcgiernng will nicht den Nomaden aus seinem Eigenthum vertreiben, aber die artesischen Brnnnen gestatten, dem Berber Ländcreien zn geben; dieser wird nun sci- Martiuö, Spitzbergen :c. II. '^ ZOß Physisches Gemälde der östlichen Sahara ucrseits ^andeigenthünler, pflanzt Palmen, dir acht Jahre lang frei von Abgaben sind, n»d inacht sich allmälig los von, Glend nnd von dem Nomaden, indem er ihm den Boden abkanfl. So setzt sich das von der artesischen Sonde eingeweihte Wert der (Gesittung fort. I^ank ihr dehnt die Kultnr sich aus, nnd der Anbauer zieht den Vortheil daraus, der uobel müssigc Nomade wird allmälig depossedirt. Ich habe gesehen, wie seine schwarzen Zelte die Oase von Mraier wie ein ans ei» Kornfeld herabgestürztes Heer ausgehungerter Krähen belagerten. Von ihren gelben Hnndeu umgeben, die Tag und Nacht ihr Gehenl erheben, verkommen diese Strolche in Faulheit und Schmntz. Die Frau wird bei ihnen verachtet, gedrückt, mißhandelt, mit allen Lasten beladen, allen Arbeiten unterworfen, während ihr Herr und Gebieter majestätisch seinen ewigen Schibuk raucht. Das unglückliche Geschöpf besitzt das Gefühl ihrer Erniedrigung, einem wilden Thiere gleich verbirgt sie sich, nnd wagt selbst nicht verstohlen den Fremden anzusehen, der am Lager vorüber-komntt. Pei seinem Anblick verschwindet sie nnd verkriecht sich in einen hinter dem Zelte versteckten Schlupfwinkel aus Leinwand, während ihr Mann auf Hänfen von Kiffen thront, welche sie für ihn bereitet hat. Bei dem Berber des Ued-Nir nnd des Suf ist die Frau weniger gedrückt, reinlicher und nicht so scheu, sie verschleiert sich, wagt aber einen Mann, wenn nicht geradeaus, so doch durch die Thürritzc oder die Fensteröffnung anzusehen. Ihre Lage ist erträglich, und dort wie anderwärts giebt diese Lage den Maßstab für den Grad vou Gesittung bei dem Volke ab, dem sie angehört. Es bleibt uns noch übrig, die Oasen der Sandwüste, d. h. des Snf, des zwischen dem Ued-Nir uud den Grenzen Tnncsicns liegenden Distriktes, kennen zu lehrcu. Ich habe den trostlosen Anblick jener Gegenden beschrieben, wo eine nnfrnchtbnre Düne der andern folgt und wo der ans feinem Sande bestehende in drr Provinz Konstantine. W7 Boden die Flüssigkeit des Wassers zu theilen scheint. 29ir halte, bereits zwei Tage, den 2, und 3. Dezember, in dieser Wüste zugebracht. Jede Vegetation war verschwunden. Ich hatte ein Dromedar bestiegen, nm von der Höhe dieses beweglichen Observatoriums eine größere Oberfläche der Gegend zu umspannen. In gleichmäßigem und gemessenem Schritt trabend, wiegle dad Thier seinen kleinen Kops nm Ende seines langen Halses nnd streifte ohne sich aufzuhalten die langen Blätter der Dreigrannbnschel*) ab, welche sich in seinem Bereiche befanden. In den Hwischenränmen der Dünen sah ich nichts, aber nnf dem Gipfel angelangt dehnte sich die Wüste grenzenlos vor mir ans. Die Sonne, über einem kreisförmigen Horizont gleich dem des Meeres schwebend, schien allein inmitten dieser leblosen Natur zn leben. Plötzlich bemerke ich Wipfel von Palmen, deren Stämme ich nicht erkannte, ich glaube an eine Tänschung, eine Luftspiegelung. Wir schreiten weiter, die Wipfel zeichnen sich noch besser, allein die Stämme kommen nicht zwn Vorschein. Die Karawane hält neben einem Ziehbrunnen, ich eile anf die Palmbäumc zu, sie waren auf dem Grunde eines kegelförmigen Loches von etwa 8 Meter Tiefe gepflanzt. Der Sand war auf allru Seiten erhöht, schwache Palissaden aus Palmblättern, die oben auf den Kamm gepflanzt waren, hielten ihn an gewissen Punkten, an andern trugen Krystalle aus schwefelsaurem Kalk von jeglicher Gestalt und jeglicher Dicke, die wie in einem Mineralienkabinet gerade aneinander gefügt waren, ebenfalls da?.n bei, den lockern Sand eiwas zn befestigen. Auf dem Boden dieser Löcher waren die Datteln regellos gepflanzt. Allein es war nicht mehr die zarte nnd schlanke Palme der Oasen, die ideale Palme der Maler, sondern es waren Bäume mit cyliu-drischem, kurzem und dickem Stamme, welche einige Meter vom *) Aristida pungens. 2U* 308 Physisches Gcmäldo der östlichen Sahara Boden Palmbläller von etwa süuf Meter Länge nnd eine Krone von Dattelkolben, Kapitale dieser meterdickrn Schäfte, trngcil. Es war inir, als sehe ich die niedrigen nnd massiven Säulen eines ägyptischen Tempels oder der Moschee von Kordova. )cachtrcibe»deWurzelu, von der Basis des Stammes ausgehend nnd in den Boden schlagend, bildeten für diese Säuleu ein konisches Piedestal, nnd die großen, spitzbogcuförmig sich Grenzenden Palmzweige erinnerten an jene langen Säuleugäuge, welche in den obenerwähnten Denkmälern so gewöhnlich sind. Als ich am Abend nnter diese düstern Wölbungen trat, ward ich von einem wahren befühl der Ehrfurcht ergriffen, und diese majestätischen und in der Tiefe ihres Sandkraters regungslosen Palmbäume wareu passeud das Sinnbild der gleich ihneu imnitteu der sie umringenden bewegten Welt regungslosen afrikanischen Civilisation. Diese Dattelbäume siud der Gegenstand ganz besonderer Sorgfalt. Zunächst gräbt der arbeitsame Bewohner des Suf in den Sand-das Nitan genannte Loch, worein er sie pflanzen will; allein oder mit Hülfe eines jener kleinen perlgrauen Esel, welche mail nur in diesem Theile der Wüste sieht, schaufelt er den Sand zurück uud bildet so eine kreisförmige Blende vou tt bis !2 Meter Höhe. Der Kamm wird, wie schon gesagt, mit Palmblättern uud Gipskrystallen befestigt. Die Dattel-palmwurzeln senken sich unmittelbar iu die ziemlich seichte Wasserfläche, welche unter der ganzen legend herrscht. Wenn der Baum, groß geworden, aus Unvermögen, die Wasserfläche, welche ihn nährt, zu erreichen, verkümmert, so bindet ihn der einsichtige Berber mit Stricken an die nächststchenden Bäume fest, gräbt die Wurzel auf, entfernt den Sand nuter der Wurzelscholle und senkt dcu Baum darauf wieder iu das Loch, welches er vertieft hat, hinab, damit die Wurzeln bis zu der artesischen Wasserschicht hiuunterreichcn können. Allein dabei bleibt die Sorge, deren Gegenstand diese in der Prcwinz Konstantine. , Zsjsj Bäume sind, nicht stehen. Die Einwohne- gehen liberall den Karawanenzügen nach, um den Kamelmist nufzllraffen, dm sic an den Fust ihrer Palülbäume legen. Daher die kräftige Vegetation , uon der wir gesprochen haben. Im Snf wird die Dattel in Wahrheit wie ein Fruchtbaum kultivirt, auch belastet er sich mit ungeheuern Kolben. Die Datteln reifen in diesen Vertiefungen, geschützt vor dem Winde nnd den Sonnenstrahlen, nnler dem (Einflüsse einer lichtlosen Hitze, die aber nm so niirk-samer ist, als sie von allen Seiten durch die umgebenden sandigen Böschungen zurückgeworfen wird. Die Frucht schwillt, ohne zu verdorren oder zu vertrocknen; sie bleibt fleischig, ölig nnd mit Zucker bedeckt. Welche Mühe aber, nm diese einzige Ernte zu erzielen! Ein einziger Windstoß genügt, lim den Nitan zu verschütten und die Palmbäume im Sande zn vergraben. Der arme Anbaner, der friedliche Nachkomme der Gätnler und Numider, begiebt sich von neuem an die Arbeit, gräbt abermals seinen Garten aus und befreit -seine satteln, indem er den Sand hinauswirft. Diese Sisyphusarbeit fängt er jedesmal von vorn au, wenn der Nord- oder Südwind seinen Fruchtgartcn uud die Gemüsebete, welche er im Schatten seiner Bänme beban!, versandet. Ein wenig über dem ^oden der Vertiefung wird nämlich ein Vrnnnen gegraben, dessen Tiefe nicht über 6 Meter hinausgeht, ^'mittelst eines Schwengels zieht man einen Schlauch herauf, der das Wasser in eine Gipsrinne schüttet, und dieses Wasser wird kleinen Feldern zugeführt, wo, sorgfällig von allem Untraul befreit, Steckrüben, Kohl, Mohren, Hirse, spanischer Pfeffer, Wassermelonen nnd Taback wachsen. Einige Feigen, Granaten oder Aprikosen wachsen gleichfalls in diesen Hohlgärten. Die Datteln nnd Gemüse, welche, ich soeben aufgezählt, sind die einzige Nahrung der Suf-bewohuer; diese Früchte ersetzeu sogar das Geld, die Arbeiter werdeu iu Datteln bezahlt, welche außerdem der einzige Aus- 310 Physisches Gemälde der osilichlm Sahara fnhrarlitcl sind. Seit nndenklichcn Zeiten werden sic von Karawanen nach Tunis gebracht, von wo sir nach Ellropa wnildern. Tunis ist eine wesentlich orientalische Stadt, Fabrik- nnd Handelsstadt, eine Stadt von Kanflenlen, lvelche alle mir dcnklichen Gegenstände, Vnmpen, Lappen, altes Eisen, den niedrigsten Ansschns; verlaufen. Es giebt in Tunis eine» Bazar, dessen Beschreibung der romantischsten Federn nnd Pinsel spotten würde. Dort findet der Sufbewohner, was ihm zusagt, für seinen Esel das Nothwendige nnd für sich das Uebcr-flnssige, durch Porzellanwaaren und Spiegel vertreten, die sich in Europa nicht mehr vertanfeil lassen, in seiner arme» Hütte aber den schönsten Schmuck bilden. So lange nicht einsichtige Händler nnd gewandte Kaufleute in einer algerischen Stadt Bazare dieser Art errichten, werden die Karawanen mil Unterstützung der Douane fortfahren, sich Tunis zuzuwenden, wo der Berber zugleich Käufer für seine Datteln und billige Verläufer der für seine Bedürfnisse nothwendigen Gegenstände findet. Dank ihrer Ordnungsliebe, ihrer Sparsamkeit sind die Bewohner des Suf reicher, reinlicher nnd besser gekleidet, als ihre Nachbaren ans den fruchtbaren Oasen des Ued - Nir. Zhrc gutgehaltencn Hänser stehen nicht wie im Ued-Nir leer; ihre Kleider schließen sie in buntfarbige Koffer ein, nnd das Zimmer der Frau, welche keineswegs wie bei dem Araber eingepfercht wird, ist geschmückter als die andern. Die Männer sind nm-gänglich, die Kinder heiter nnd sröhlich. Diese Völkerschaften lieben Frankreich, das sie vor den Einfällen der tnnesischen Räuber schützt. ,Ihre kleinen Moscheen mit niedrigen Minarets verrathen die ^anhett ihllb muselmnnischen Glaubens, auch sehen wir sie trotz der Ausreizun^cn in Tuncsien nnd trotz der Ausstände in der westlichen Sahara rnhig bleiben. Zwischen diesen beiden Herden der Empörung bleibt die östliche Sahara ruhig uud zeugt so von der Gerechtigkeit und Festigkeit der sie in der Pwuinz Konstnntino. ,->^ 1 regierenden Beamten. Tie gull'» Bewohner des Snf n>erde,l oie Früchte dieses iveisen Verhaltens ernten, mid wenn meine schwache Stiinme sich (^ehör verschaffen könnte, so möchte ich wohl die Wohlthal für sie i» Anspruch nehmen, welche die Oasen des Ued-Rir bereits genießen i artesische Brunnen. Es wäre der französische» Regierung lunrdig, sie von der Sisyphlls-arbeit, welche, ihre in den Sand Mrabenen Bärten erfordern, ,>u befreien nnd an der ^odenoberfläche jene nntenrdischen Wasser sprndeln zn lassen, welche das wben ihrer Datteln sind. Möc^e die artesische Sonde jeile wohlthätigen Wasserflächen cr^ reichen nnd die Oasen des Suf sich vermehren wie die des Iled-Rir, niid einen forllanfenden >tran^ bio an die Grenzen Tnnesiens bilden, dao die Äcacht der Din^e nnd der Wunsch der friedlichen Bevölkerungen früher oder später mit dein afrikanischen Frankreich verbinden werden. ^'»ertljeilunss der Ä>evölkernnsscn. Welches sind die Vehren del' physikalischen Geographie und der ^'llüwgraphie über die beste Vertheilung der so verschiedenen Bevölkerungen auf der Oberfläche des algerifcheu Bodens, wel^ chen sie bewohnen V b'ine kurze Prüfung des Bandes wird genügen, um diese Frage zu beautworkeu. Die Küsieuregiou oderdas Tell, eine Verlängerung des mittägigen Frankreich, ist offenbar der günstigste Theil für die Kolonisation. Dev französische'Kolonist trifft hier das elwan gesteigerte, doch aber daa Klima Frankreichs an. Nahe dem Meere, seyt er sich leicht mit seinem Vaterlande in Verbindung und fühlt sich sozusagen dem Schoße des Mutterlandes näher. Die Knllnreu sind dieselben! Getreide, Oliven, Orangen, frühe Gemüse. Da Verladuugshäfen uicht fern sind, so ist die Verfuhr weder langwierig noch kostspielig. Nun ist dies eine Hauptfrage in dem Kampfe, welcher fich noth- 343 Physisches Gemälde der östlichen Sahara, wendig zwischen dem Kolonisten und dem einheimischen Aubancr entspinnt. Für diesen hat die Zeit gar keinen Verlh, seine Kamele, welche die am Nande der Strafe wachsenden Kräuter abweiden, kosten ihn nichts. Der Araber selbst nimmt einige Datteln und das Mehl mit sich, woraus er seinen Brotkuchcn bäckt, und schläft Nachts unter freiem Himmel neben seinen Dromedaren. Selbst ein weiter Transport erhöht den Preis der trausportirtcn Gegenstände nicht. Nicht so bei dem .Kolonisten. Ist er ins Innere des Bandes versetzt, so sind seine Produkte, beim Verladnngshafen angelangt, mit im Verhältniß zur Vänge der Neise stehenden Kosten belastet. Daher eine Konkurrenz, bei der der Kolonist nm so sicherer ansgestocheu wird, als er das Getreide nicht znm selben Preise produ-zireu kann wie der Araber. Dieser, den Boden kaum mit seinem hölzernen, räderloscn Pfluge umreißend, schweift weit und breit umher, während seine Ernte reift, und kommt nnr zurück, um sie eiuzuheimseu nnd zu verkaufen. Ein Ertrag von drei bis vier Körnern anf eins ist für ihn ein (^ewinu, für den Kolonisten würde cs ein Verlust seiu. Würde es anderseits nicht höchst ungerecht sein, den Arabern gute Ländcrcicn zu bewilligen, die sie stets sehr schlecht bebauen werden, und sie den Kolonisten zu verweigern, welche jeden Ertrag daraus ziehen werden, den sie zu geben vermögen? Uebrigens hat die Erfahrung gesprochen: im Tell ist die Kolonisation am besten eingeschlagen. Die Metidja ist ein breites Thal, dessen Fruchtbarkeit der der berufensten Ebenen Frankreichs gleichkommt. Die Provinz Oran bevölkert fich mit Europäern, und den maltesischen oder spanischen Ansiedlern des Kontinents oder der balearischen Inseln ist es überall, wo sie sich niedergelassen haben, geglückt. Als einfacher Naturforscher erkläre ich mich nicht für be-rnfen, die znr Begünstigung der Kolonisation geeigneten Ver-waltungsmaßregcln zu erörtern. Doch scheint mir Eins klar zn in der Provinz Konstantine. 313 sein! die Vielregiererei sonne das System unwillkürlicher Sche^ rereien, welches dic nothwendige Folge davon ist, sind dort wie anderwärts der wunde Fleck der französischen Verwaltung. All' jene den Ankommenden auferlegten Bedingungen, all' jene provisorischen Konzessionen, denen ein Kolonist ,^ahre lang ans seinem Grund und Boden unterworfen bleibt, ohne zu wissen, ob er eines Tages Eigenthümer desselben sein wird, sind offenbar falsche Maßregeln. Ahmen wir das Beispiel der Bänder nach, wo die Kolonisation gedeiht: die Vereinigten Staaten. Man verkaufe den Boden und suche nicht geringern Mißbräuchen vorzubeugen, als solchen, über die mau sich beklagt. Oder man befolge anch den Plan des Marschalls Bugeaud: man begünstige die Niederlassung der freigewordenen Soldaten der afrikanischen Armee in Algerien, man gebe ihnen Ländereien mit Wirtschaftsgebäuden, man mache sie zu Eigenthümern: und sie werden dem Boden anhangen, den fie erobert und bebant haben. Vor Allem sei die Verwaltung eine einige, und die Kolonie bleibe, nicht zwei Negiernngen, einer Militair- nnd einer Enn'l-regierung unterworfen; das ist die offene Wunde Algeriens, und zieht man die Dienste in Erwäguug, welche die Armee, der Kolonie geleistet hat nnd noch leistet, so ist Zaudern unmöglich. Die Armee allein ist mächtig. Es handle sich darum, eine Straße, eine Brücke zu bauen, eine Stadt zn gründen, nie hat das Eivilgenie einen Arm zu seiner Verfügung. Die Araber wollen nicht arbeiten, die Europäer sind zu gering an Zahl, Handarbeit ist übermäßig theuer. Das militairische Arbeiterpersonal ist sofort gebildet, uud die Arbeiten werden mit einer wunderbaren Schnelligkeit vollendet. Die Bestimmtheit nnd Nafchheit der militairischen Entscheidungen ist in einem halb-civilisirten Lande eine Wohlthat. Die endlosen Förmlichkeiten der bürgerlichen Verwaltnng, das langsame Eirkiiliren der alle hierarchischen Behörden durchlaufenden Aktenstöße, das sich 314 Physisches Gemälde der östlichen Sahara während dieser Neise endlos vermehrt, verwirrt und lahmt Alles. Wir beklagen nns in Frankreich darüber, in dem Lande, wo wir geboren, wo N'ir angesessen sind; nnn stelle man sich aber die Angst eines armen Kolonisten vor, der ans einen» fremden Boden, nnd seine letzten Hülfsmittel verbrauchend, eine (Knt-scheidnng erwartet, welche nicht eintrifft. Die schleunigste Ver-wallnng ift in diefem Falle die beste und eine prompte und kategorische Antwon allen Umschweifen nnd Formalitäten vorzuziehen. Und in Betreff der Araber wollen, daß sie die abstrafte .Idee einer moralischen Autorität ohne Waffen, ohne Abzeichen fassen sollen, wollen, daß ein aus dem Morgenlande gekommenes Volk das römische Sprichwort! (^lllmt lu-ma w^'n«' begreife, ist ein Wahn, der bei denen verzeihlich ist, welche nie einen Fuß nach Asien oder Afrika gesetzt haben. Für Völker, die nnsere raffinirte Civilisation nicht genießen, ist dieser metaphysische Begriff der Autorität viel zu subtil. Für den Afrikaner oder Afiaten sitzt die Obrigkeit zn Pferde, trägt einen Säbel und einen rothen Bnrnus oder eine mit Stickereien verbrämte Uniform. Obrigkeit heißt die wirkliche Gewalt, die sich selbst Achtung zu verschaffen weiß, ein starker Ann, fähig den Vefehl auszuführen, den der Mund gesprochen. Die Offiziere unserer Armee haben nnsere Erziehung erhalten, sie theilen uusere Ideen, unsere Mei-nnngen über den l^hvnnch der Macht, gleich uns widerstrebt ihnen der Mißbranch der Gewalt. Trotz vereinzelter Missethaten, welche die Armee mißbilligt, können wir das Loos der Araber in ihre Hände legen. Uebrigens würden wir vergebens trachten, die Eingeborenen eines Bessern zu belehren; für sie werden die Militairchefs stets die ^'hefs, die Civilpersonagen mehr oder minder unterrichtete Rechtsgclehrte sein. Möge mir der Leser diese Abschweifung auf ein Gebiet verzeihen, welches nicht das meinige ist, ich lehre zu meinem Gegenstände zurück. Die Gebirgsregion gehört den Kabvlen. Sie könnte nicht in d^r Prouin; Konstantine. 31s) besser bewohnt sein. Wenu man uon der Höhe des ssorts Napoleon alle Kämme mit Dörfern gekrönt, das ganze Gebirge bebaut, den Kabulen Abhänge beackern sieht, welche in andern Bändern als uuzugäuglich betrachtet werden würden, so erkennt man, daß diese Bevölkerung weiter nichts bedarf, als iu ihren nns^ dauernden Bemühungen ermuntert zu iverdeu, dem Bodeu Alles abzuge>m',>nen, u>as er hervorzubringen vermag. Indem die französische Verwaltung den Vürgerzwisteu eiu Ziel setzte, indem sie die unaufhörlichen Kämpfe von Dorf mit Dorf ver hinderte, hat sie diesen Bevölkerungen den größten Dienst geleistet, den sie von derselben erwarten können. Die Kalnileu, lehren: die Nebe zu kultiviren, nm Wein onrans zn bereiten, an Stelle der Ciehe die Kastanie zn setzen, welche nnf diefem Kiesclboden vortrefflich gedeiht, uud folglich die Eicheln durch Kastanien zu ersetzen, die Olive zu propfen, gutes Oel zu bereiten, das sind die Grundlagen der Wohlfahrt, welche wir im Interesse der Eingeborenen, der Kolonie nnd der Hanvlstadl zu entwickeln haben. Wir haben eine Vorstellung uon der Region der lallen, nackten, für die Kultur der Getreidearlcn, mit Ausnahme der Gerste, ungeciguctcu Hochebene» zu geben versucht; ey ist das eigentliche Gebiet des wandernden Arabers, der unter dem Zelle inmitten seiner Heerdm lebt. Winters iu der Sahara und Sommers auf den Plateaus, wechselt er seineu Aufenthalt uu^ anfhörlich und gehorcht seinem hundertjährigen Iustiukte. Ihn sosort ansässig machen wollen, heißt den allmächtigen Einflnß der Erblichkeit auf die Gewohnheiten der Menfchen und der Thiere verkennen. Die Araber sind Nomaden seit dem Ur-sprnngc der Welt, wenn mau diesen Ursprung bis auf sechs-lauseud Jahre der biblischm Chronologie gemäß znrückdatirl, und seit einer noch weit beträchtlichern Anzahl uon Jahrhunderten , wenn man die Zeugnisse der ägyptischen Alterthümer Z16 Physisches Gemälde der östlichen Sahara und die Angaben der heutigen Geologie gelten läßt. Das Umherschweifen ist für den Araber ein gebieterisches, unwiderstehliches Bedürfniß geworden, dein er sich nicht zu entziehen vermag. Dieses Bedürfniß ist stärker als sein Wille; auch wenn er sich festsetzen wollte, er könnte es nicht. Der Nciz des Eigenthums, die Behaglichkeit, welche sich aus einem festen Wohnsitze ergicbt, selbst der Reichthum würde ihm den Reiz jenes freien, umherschweifenden Bebens nicht zu ersehen vermögen, das er seit so vielen Generationen führt. Man greife zur Gewalt, und er wird zu Gruude gehen, wie die Indianer von Nordamerika zu Grunde gegangen sind, die man hat fesseln wollen, indem man ihnen ein leichtes und angenehmes Leben schuf. Die Erfahrung hat gesprochen. Man hat Dörfer gebaut mit einer Moschee in der Mitte, von fruchtbaren Feldern umgeben, man hat die elendesten unter diesen elenden Wanderarabern herbeigerufen , man hat ihnen Ackcrgeräthe und Sämereien gegeben. Sie sind gekommen, sie haben ihre Zelte neben den Häusern aufgepflanzt, in die sie ihre Schafe einpferchten, nach kurzer Zeit hat sich das Heimweh ihrer bemächtigt und sie sind fortgezogen. Jahrhunderte sind erforderlich, nm Instinkte zn wandeln, welche das Werk von Jahrhunderten sind, das ist ein Gesetz der Organismen, wahr für den Menschen, wahr für das Thier. Nomaden zn fesseln oder Schwalben zu fesseln, sind Versuche derselben Art und der eine so eitel wie der andere. Die Schwalbe schlägt sich den Kopf an den Stangen ihres Käfigs entzwei, wenn die Wandcrstnnde geschlagen hat, ebenso ists mit dem Araber, er muß fort, und wenn man ihn zurückhält, so geht er zu Grunde und stirbt. Man überlasse ihm also jene weite Region der Hochebenen und jene Theile der Sahara, welche der Wassermangel zu einer ewigen Unfruchtbarkeit verdammt. Er treibe frei und nngehindert seine zahlreichen Heerden vom Gebirge in die Ebene und ans der Ebene in der Provinz Konstantine. 317 ins Gebirge. Eine zum Anban ungeeignete 3tegion ,vird, so weit es bei dem gegenwärtigen Zustande der Kolonisation angeht, nutzbar gemacht werde». Die Schafe sind dnrch ihr Fleisch und ihre Wolle eine kostbare Hülfsanelle für Frankreich lind für Algerien, die Grundlage der thierischen Nahrung in der ganzen Mittelmeerregion. Mit der Zeit wird bei verlängerter Berührung mit der Gesittung dieser schweifende Hang sich allmälig mildern tonnen; allein Zeit ist ein Element, dessen kein Fortschritt cntrathen t'ann. Eine Wahrheit begründet sich nur mit Hülfe der Zeit, und man ändert die Gewohnheiten eines Volkes nur, indem man den Fortschritt dnrch die langsame Einwirkung der Jahrhunderte, die mächtigste uon allen in der moralischen wie in be', physischen Ordnung, vorbereitet. Der Berber ist in den Oaseu, was der Kabylc im Gebirge; seßhaft, ackerbautreibend, friedliebend, bedarf er des französischen Schutzes wider den Araber, der ihn seit so langer Zeit unterdrückte. Den Saum der Tropenregion bewohnend, an die Hitze gewöhnt, kann er feinen Kultureu diejenigen hinzufügen , welche diese Zone uns in andern Gegenden bietet. An den Grenzen der Sahara wird mau es mit der Baumwolle, der Cochenille, vielleicht sogar nut dem Zuckerrohr versuchen können unter der Bedingung, daß man mit Klugheit und ohne Ueberstürznng vorgeht. Jede Kulturpflanze, welche am Senegal gedeiht, hat Anssicht, am Südabhange des Atlas zu gedeihen, allein der Salzgehalt des Bodens, die Seltenheit der Rcgen-fälle, die Unbeständigkeit der Wasscrläufe sind ungünstige Elemente, die nicht übersehen werden dürfen. Die Datteln sind und werden stets das Hanptprodukt dieser Region und dic Nahrungsgrundlagc der Saharabewohner sein; allein die Ausfuhr hat ihre äußerste Grenze noch nicht erreicht, und diese vortreffliche Frncht wird um so gesuchter in Enropa sein, je allgemeiner sie wird. Die Fähigkeit, welche sie besitzt, sich sozn- 318 Physisches Gemälde der östlichen Sahara sagen endlos ;n tonserviren, inacht sic für die nordischen Negionen des Erdballs kostbar, wo die Früchte der gemäßigten Vänder ilicht reifen nnd wo die Gesundheit doch wie überall einen gewissen Antheil von Pflanzenkost erheischt. Indem ich hiermit die Bemerkungen über die Vertheilung der algerischen Bevölkerungen nach den Angaben der Physik des Erdballs, der Klimatologie, der Pflanzcngeographie und der Agrikultur beschließe, glaube ich gleich der Mehrzahl der Schriftsteller, welche mir vorangegangen sind, mit Zuversicht sagen zn können! für die Kolonisten das Tell, für die Kabvlen das Ge^ birge, für die Nomadcnarabcr die Hochebenen uud Weideplätze der Sahara, für die Berbern die Oasen nnd für Alle eine einige, einfache, schleunige und praktische Verwaltung. ,Da5 enen ungeheuern, ans Stoffen von lebhaften Farben gebildeten nnd mit Teppicheil nnd Kissen ausgc- in der Prumnz Konstantine. 321 polsterten Palankinen versteckt, welche Horace Vcrnet in seinem Gemälde der Smala popular gemacht hat. Wir sind keinem ganzen Stamme auf der Reise begegnet. <5s ist dies ein malerisches Bild. Herr Engöne Fromentiu, der sich der ^eder so gut wie des Pinsels bedient, hat es mit Meisterhand geschildert.*) Die meisten Kamele sind mit Waaren, Getreide, Mehl, Datteln, Taback, Spazierstöcken, aus der Mittelrippe der Palmblattcr gefertigt, einigen Stoffen und mit Wasser gefüllten Schläuchen beladen. Mehrmals haben wir Kamelstuten, welche während der Neise geworfeu hatten, das kleine nengeborenc Dromedar anf dem Nucken tragen sehen. Später folgt es seiner Mutter wie ein fohlen, bis zu dem Alter, in dem es start genug ist, um selbst mit ciuer Last bcladeu zu werden. In der Wüste marschireu die Kamele nicht hiuter, sondern neben cinauder oder ohne Ordnung, fortwährend wiegen sie ihre langen Hälse und weideu die Kräuter ab, welche sich in ihrem Bereiche befiuden, auch wird außer im Sande die Karawaueustraße durch parallel laufende Pfade, oft acht bis zehn au der Zahl, bezeichnet. Die Dromedare folgen diesen Pfaden oder schaffen andere, wenn die Pflanzen völlig abgenagt sind. Wenn wir diese Karawanen krcuztcu, so wechselten unsere Araber ein paar Worte mit den Nomaden, dann entfernten sich die beiden Karawanen uach kurzem Aufenthalte von einander wie zwei Eisenbahnzüge, die sich trennen, nachdem sie ein paar Augenblicke auf derselben Station verweilt haben. Nicht selten kommt es vor, daß man einem anf seinem Kamel sitzenden Araber begegnet, der sich allein in die Wüste vertieft. In einem Sack seinen Teig aus ge-trockueteu Datteln tragend, hält er Abcuos bei einem Brunnen an, den er kennt, hüllt sich ill seineu Burnus und schläft *) Un Jtte dans le Sahara, p. 235. III Physische Gemälde der östlichen Sahara zur Seite seines hockenden Dromedars ein. ^rag ihn, wo er hingeht, so wird er Dir antworten. Mein der Beweggrnnd, aus dem er seine Reise unternimmt^ ist zuweilen äusserst nichtig, als! Neuigkeiten erfahren, einem Markte beiwohnen, ans dem er nichts zu kanfen und nichts zn verlaufen hat, einen Marabnt bcstlchcn; er reist, um zu reisen, er ist Nomade, Umherschweifen ist sein natürlicher Znstand. Und im Tell, wo man so viele Araber auf den Straften und so wenig auf den Feldern sieht, möchte man sich zn dein Ansspruche versucht fühlen, daß sie einem Bedürfnisse folgen, ihren Aufenthalt zu verändern, in der That aber nirgends hingehen. ,Im Suf oder der Sandwüstc waren die Begegnungen seltener nnd die Karawanen minder zahlreich. Fast alle wandten sich nach Tnnis. Am häufigsten begegneten wir ihnen bei den Brunnen, die in weiten Entfernungen zwischen den Dünen gegraben waren, Vrnnnen -von geringer Tiefe nnd fast immer mit einem Schwengel und einem Troge versehen. Sie erinnerten mich an die sinländischen Vrnnnen an den Ufern des Torneostromes; allein welcher Unterschied im Aussehen des Landes und namentlich in dem Kostüm und der Physiognomie der Menschen, die diese Brnnnen umringten ! In der Wüste hatten wir die Auftritte der Bibel vor Angen, Die Kameele um-gabeu den Trog, welchen ein juuger Araber mit einem Echlanchc aus Ziegenfell füllte, der an dem Seile, das in den Brnnnen hinabtauchte, angebunden war. Die Thiere tranken langsam und wenn sie fertig waren, so hoben sie den Kopf in die Höhe; wenn aber der Führer urtheilte, daß ihr Pansen nicht genügend für die Neise, die sie znrückznlegen hatten, gefüllt sei, so zog er sie bei dem an ihrem Kopfe befestigten Stricke zum Troge nieder, das Thier begriff, daß der Weg, den sie bis znm nächsten Brnnncn zurückzulegen hatten, lang sein würde, nnd fing von nencm an zn saufen. Oft saß ein Greis in der Prouinz Konstantine. 233 mit weißem Bart majestätisch abseits, seinen Rosenkranz zwischen den Fingern drehend, es war der Vater, das Haupt der Fa. milie: es war Abraham. Ein junges, halbverschlciertes Mädchen, dessen schwarze Nngeu zwischen den Falten des Hatt her-uovblinlen, hielt, auf ihre Hüfte gestützt, einen Henkeltrug dar, ein jnnger Araber füllte ihn mit dem Schlanche, den der Schwengel aus dem Brunnen heraufholte: es waren Nahcl und Jakob. Fast nackende Kinder spielten anf dem Sande, die Schafe und Ziegen, von ihren Hirten zurückgehalten, warteten, bis die Reihe an sie kommen würde, sich dem Troge zu nähern und mit dem Brackwasser ihren Durst zu löschen. Ist es nicht ein Bild aus dem Veben der Patriarchen, deren Nachkommen wir hier vor Angen hatten, nnd hat Horace Vernet nicht tausendmal recht, die biblischen Szenen mit arabischen Kostümen zu malen? Bei diesem Volke ändert sich nichts; Kostüm, Sitten und Glanbe haben dieselben bleiben müssen. Der muselmanische Monotheismus unterscheidet sich uur sehr wenig von dem jüdischen Monotheismus: ein Prophet, Mahomed mehr, das ist der einzige Zusatz von Belang. Abends gegen Sonncnn ntergang schickten wir uns au, unser Feldlager aufzuschlagen. Man wählte mit Vorliebe die Nähe eines Brunnens oder eine an holzigen langwurzeligeu Stauden reiche Oertlichkeit. Es ward ein Feuer angezündet, und dieses den gangen Sommer hindurch ausgetrocknete Gestrüpp flammte im Nu in die Höhe. Der Koch grub im Sande eineu improvisirtcn Ofen und begann sein Werk. Die Pferde wurden an ein einziges mit Pflöcken befestigtes Seil gebunden, um sich selbst beim Entlaufen nicht trennen zu köunen. Während dessen hatten nus die stets im Nachtrab befindlichen Kamele eingeholt, brummend hockten sie nieder, man entledigte sie ihrer "asten, woranf drei Zelte, zwei für uns und eins für die Zuaveu aufgeschlagen wurden. Die Kantinen, große höl- 2i» 324 Physische Gemäldo der östlichen Sahara zerne Koffer, die man ohne Unterschied auf Maulesel oder auf Kamele ladeit kann, wurdeu nnter die Zelte gestellt. Auf diesen Kantine», welche unfere Effekten und Sammlnngen enthielten, befestigte man Gurtböden, die eine Matratze trugen, welche uns als Lager diente. In einem der Zelte deckte man die Tafel, Feldstühle wurden herumgesetzt und wir uahmeu Plntzwie mitten im ciuilifirtesteu ^ande. Nachdem der erste Appetit gestillt war, gings ans Plaudern, die Vorfälle des Tages wurden besprochen, sowie die Pläne für den folgenden, darauf Algerien und seine Zuknuft, die Schweiz, das Elsaß, Paris, das Institut, die Wissenschaft und die Gelehrten. So kam die Stunde der Nnhe rasch herbei, und wir legten uns nieder, sicher, nach einein so gut ausgefüllten Tage fest zn schlafen. Unser Bivouak war nicht immer einsam. Ein Näuber Namens Ben-Asfer machte nm diese Zeit au der Spitze von hundert Reiteru Einfälle auf das französische Gebiet und fand in Tuuesien eine Zuflucht. Der Bey, durch deu Gouverneur der Provinz von Koustautiue vou deu Räubereien desselben iu Kenntniß geseht, war wie immer unvermögend, sie zu unterdrücken. Beu-Ässer griff die kleiuen Karawanen an, ja versuchte selbst die Dörfer zu brandschatzen. Wir sahen nicht weit von den östlichen Ufern des Schott Melrir die Skelette von vier Kamelen, welche bei einem dieser Angriffe umgekommen waren. Es waren blaue Spahis gegen ihn ausgeschickt uud zwanzig Räuber bei einem Neitergefccht getödtet worden. Diese Spahis waren zu Gbila gelagert, uud ihr Anführer hoffte stark deu kühneu Marodeur vou ueuem zu überrascheu. Iu vorsichtiger Sorge hatte der General Dcsvaux den sich nach Norden wendenden Karawanen Befehl gegeben, sich iu dem Dorfe Guemar zu vereinigen. Wir brachen also mit hnndert Kamelen uud etwa huudertundfüufzig Arabern auf, welche die seltsamsten und mannichfaltigsten Waffen trugen. Den Abeud des 6. Dezember in der Provinz Konstantine. ' HIf) bivonakirten wir auf einen mit holzigen Stauden bedeckten Plateau. Die Araber ließen sich mn uns hev nieder; alsbald flammten fünfundzwanzig Fencr zum Himmel auf und erhellten die Wüste, einige waren weil weg, denn jedes Lager nimmt einen ziemlich breiten Platz ein. Die Araber, im Krcife um ihr ^euer gelagert, buken ihre Vrotkuchen. Dieselben bestehen ans einem tüchtig gekneteten Mehlbrei, in den sie Knoblanch und grüne Liebesäpfel wickeln, dann graben sie ein elliptisches Loch in den Sand, legen glühende Kohlen auf den Boden, den Kuchen darauf und bedecken ihn mit Asche und Erde. Während er gebacken wurde, verzehrten sie ihren Dattelbrei und tranken Brackwasser. Eine Querpfeife und ein Tambnrin ließen sich in einem entfernten Bivouak uernehmeu. Bei den meisten Gruppen war die Unterhaltung eine äußerst lebhafte, bei einigen befanden sich Erzähler, denen Alles lauschte; dasWunder-bare bildet immer deu Grundzug aller dieser Märchen, worunter einige ganz reizend sind. So, stelle ich mir vor, muß die Geschichte von Joseph, der von seinen Brüdern verkauft, von Moses, der aus dein Wasser errettet wird, in der Phan-tasie eines arabischen Märchenerzählers nm ein Bivonatfener während einer schönen Wüstennacht entsprungen sein. All-mälig jedoch verstummte der ^ärm, die ^euer erloschen nnd die Araber, das Haupt unter ihren Burnussen verborgen, schlum-lncrlcn ein trotz eines ziemlich starken Regens, der die ganze Nacht anhielt. Bis in die Sahara vernahmen wir den Widerhall des abscheulicheil Wetters, das Anfang Dezember !^l)8 in Frankreich und anf dem Mittelländischen Meere herrschte. Ein Nordwestwind, der stoßweise blies, schlenderte uns die letzten Regengüsse zu, im Süden war der Himmel klar, und dieser in der Sahara im Monat Dezember so ungewohnte Negen hielt an den Nordgrenzcn der Wüste inne. Nicht immer lagerten wir im Freien. In dem mit Oasen HIß ' Physisches Gemiilde der östlichen Eal,am besäeten Ued-Nir verbrachten wir die Nacht unter dem gastlichen Dache der Scheiths oder Dorfschnlzeu, welche dem Kapitnin Zickel bekannt waren. Eine Stunde vor unserer Ankunft in der Oase sandte er den Spahi Bcchir vorans, nni den Schcikh von derselben in Kenntniß zu setzen. Bechir wachte sich anf seinein Apfelschinnnet in gestrecktem Galopp davon nnd verschwand bald ani Horizont. Älicht weit von der Oase bemerkten wir den Scheikh, geschmückt mit seinein rothen Burnus und umgeben von den vornehmsten Bewohnern des Dorfe?, uns entgegenreitcnd. In l)l> Meter Entfernung hielt der Trupp, Alle stiegen ab und näherten sich, um dem ^apitain Talel-M a (deui Kauitain, der das Wasser steigen läßt), ein Beiname des Herrn Zickel iu der Wüste, die Hand zu küssen, zngleich führten sie die Hand abwechselnd nach Haupt und Herz. Unsern Stand nicht kennend, oder nns für morcunti, Geschäftsleute, nehmend, denen sie unr geringe Achtung zollen, redeten sie uns nicht an; aber sobald der Kapitain der orientalischen Formel gemäß zn ihnen gesagt hatte: „Ich stelle Euch unsere Freunde vor," kamen sie anf uns zu und schüttelten nns herzlich die Hand, durch ihre Geberdeu das Glück zu erkennen gebend, uns zu empfangen. Es ist unmöglich, sich den Adel des Wesens vorzustellen, welcher diese Bauern auszeichnet. Es ist ein Gemisch von Erhabenheit, Einfachheit nnd liebevoller Herzlichkeit, welches alles das iu sich vereinigt, was man von der feinsten Höflichkeit erwartet. Nach diesem Emufange begaben sich unsere Wirlhe wieder zu ihren Pferdeu, die sich nicht vom Flecke gerührt hatten, sehten sich im Sattel znrecht nnd zogen vor uns her, um lins nach dem Dorfe zu geleiten. Die Kinder, am Eingänge ^isammengcschaart, begrüßten nns mit ihrem Geschrei, woranf sie sich sofort aus dem Stcmbe machten, die Franen versteckten sich, um hinter den halbgeöffneten Thüren oder den Matten, welche vor den als Fenster dienenden Schieß- in dl?v Provinz Konstantine. * ZI? scharten ausgespannt waren, heruorznlngen. Wir traten in das Haus des Scheilh ein, das gewöhnlich größer als die übrige» ist. Der Saal war mit einem Teppich ausgelegt uud mit Kisseu umringt. Unser Koch bereitete unser Mahl, der Schcikh bot uns seinerseits die Diffa an, welche gewöhnlich aus Ku-tussu, mit Pfcffcrsauce angemacht, kleingehacktem und gekochtem Schaffleisch, Geflügel und Dattelu besteht. Wir setzten die beiden Mahlzeiten gemeinschaftlich auf und luden die Echeiths ein, mit uus ^u speisen; stets uahmeu sie au, doch enthielt sich die Mehrzahl des Weins uud des Specks. Einige, das Vorurtheil abschüttelnd, trauten Weiu, geistige Getraute uud aßen Schweinefleisch. Wir hatten sie die Voltaire'schen Scheikhs genannt. Es waren die aufgellärtesten, uud die Art uud Weise, wie sie mit dem Capital» dist'utirten, um die Vergünstigung eines Brunnens zu crlaugeu, iudcm sie den Beitrag der Oase, welche Vortheil daraus ziehen sollte, zu verringern und alle Kosten dem Staate aufzubürden suchten, hätte dem Maire einer Commune der Normandie Ehre gemacht, der mit seinem Unterpräfekten die Interessen seiner Gemcindeglieder verhandelt. Der Kapitain mochte ihnen noch so viel sagen, sich an den Gouverneur der Provinz zu weuden, sie wareu schwer ;u überzeugen, das; wer die Macht hat, das Wasser steigen zu lassen, nicht auch das Recht haben sollte, ihm zu gebieten, überall, wo es ihm gefällt, zu sprudeln. Während des Mahles lauschte» die ^ente aus dem Dorfe, frei ein- und ausgehend, ohne selbst Theil daran zu nehmen, einer Unterhaltung, die sie so lebhaft iuteressirte. Im Suf war, Dank deu Empfehlungen des Kaid vou Tu-gurt, Ci-Ali-Vcu, des ehemaligen Gcfaugeuen von Abd-el-Kader, der Empfang allerwärts am glänzendsten. Der Khalifat Si-Ali-ben-Amar, uuter dem Befehl des Kaid, seines Vetters, stehend, kam uns mit allen Behörden, Scheiths, Kaids, ZI8 " Physisches Gemälde der östlichen Sahara Kadis u. s. w. entgegen, und erzeigte uns die Ehre einer Fan-tasia. Die bescheideneren Scheikhs der ärmeren Dörfer kamen herbei, beritten auf jenen kleinen hellgrauen Saharacseln, welche den Dromedaren folgen, indem sie einen Menschen oder eine entsprechende Last tragen. Der Empfang war darnm nicht weniger herzlich; doch kampirten wir bei dem Dorfe, aus Furcht, die Hünser zu betreten, deren Matten und Teppiche häufig Schmarotzer verbergen, die es sehr unangenehm ist als Andenken an die arabische Gastfreundschaft mit davonzunehmcn. Zu Tu-gurt, der Hauptstadt des Ued-Nir, nahmen wir für einige Tage wieder die Gewohnheiten der Civilisation an. In die neben der Ctadt errichtete befestigte Kaserne einquartiert, ließ uns der Kommandant des Platzes, Herr Aner, an seiner gastlichen Tafel zu. Durch ein glückliches Zusammentreffen kamen wir mit dem Kommandanten des Distrikts Biskra, Herrn Forge-molle, der von einer Rundreise im Suf mit mehren Offizieren zurückkehrte, zusammen. Einer darnnter, Herr Vcrtomieu, war Photograph. Der Kaid saß ihm, den Falken auf der Faust, seilte Windhunde neben sich liegend, zu Pferde in seinem Hofe. Am selben Tage wurden anch wir, auf dem öffentlichen Platze von Tngnrt grnppirt, die mit Palnnkinen beladcnen Dromedare die zweite Gesichtsflächc bildend, vor den versammelten Einwohnern von der Saharasonne photographirt. Von allen Ueberraschungen unserer Reise war diese die unerwartetste. Die Offiziere, welche den Kommandanten begleiteten, besaßen jenen sprudelnden Frohsinn, den das afrikanische Leben verleiht; nnsere Schüsseln wurden gemeinschaftlich aufgetragen, die besten Konserven und die besten Weine mit Frendon geopfert. Nun wollte uns auch der Kaid empfangen. In der Kaserne Voltairinner, ward er wieder Muselman in seinem Palais, dessen Hof von seinen Klienten angefüllt war. Dieses angenehme Intermezzo theilte uusere Neise in zwei gleiche Hälften, in der Provinz Konstantine. 329 von denen die erste dem Ued^Nir, die zweite dem Ued-Cuf gewidmet war. Möchte es in der Erinnerung der Ossiziere, welche uns so wohl aufgenommen, ein gleich freundliches Andenken hinterlassen, wie wir von dem Aufenthalte zu Tngnrt bewahrt haben. Solcher Art war nnser ^cben in der Sahara beschaffen -ein schöner Himmel, eine müßige Temperatur, einige RegenMe, von denen die Wüste wieder ergrünte, trugen noch zum Reiz der Neise bei. Jeden Tag böte» sich nuserm Anblicke großartige Schauspiele dar. Bald war es die Unermeßlichkeit eines grenzenlosen Plateaus, breite Thäler, große Seen, mannichfach geformte Dünen, eine fruchtbare Oase, von Dörfern gedeckt, die mit malerischen Befestigungen umgeben waren. Der Anblick der fernen (Gebirge, fügte dieseu Ansichten einen unaussprechlichen Nciz hin^u. Die letzten Vorberge des Atlas und des Aurös sind in ungeheuern Entfernungen sichtbar, weil sie sich ploy-lich aus dem Sahara-Vecken erheben. Den ?. September, noch 40 Kilometer südlich vom Schott Melrir entfernt, sahen wir ihre Spiben wieder am Horizont auftauchen, allein während nnserer Abwesenheit hatte der Schnee sie gebleicht; nm so besser hoben sie sich auf dem Aznr des afrikanischen Himmels ab; es war eine Erinnerung an die Alpen, welche uus inmitten der Wnste überraschte. Eine in das Suf abgeschickte Erpedilionokolonne kam unter Führung des Generals Desuanx von oorl zurück; als sie die Berge wieder erblickten, riefen die Soldaten wie der Matrose nach einer laugen Fahrt ,,Lano! ^and!" Dieser Ruf, auf langen Märschen im Sande aus keuchender Brust hervordringend, ist vou tiefer Wahrheit. Die Gebirge sind das l'and, die Grenzen der Wüste, sie verkünden, daß die Mühseligkeiten ein Ende haben, daß der Fcldzug vorbei ist. Das Schallspiel, welches der Himmel bot, war nicht minder interessant als das der Erde. Auf dem Meere und in nllen flachen Ländern, wo die Himmelskuppel sich über einer 330 Physisches Gemälde der östlichen Sahara ebenen fläche ohne Erhabenheiten und Unterbrechungen rundet, lenkt der Mensch seine Blicke gen Himmel; der Anblick der Wolken, der Sonne, der Morgenröthe, der Dämmerung, der Gestirne erselzl den Anblick der fernen der Erde, der Flüsse, der Seen, der Hügel und der Berge. Jeder Sonnenuntergang war ein Fest für unsere Angen, ein Staunen für unsern Verstand, namentlich wenn die Atmosphäre nicht völlig heiter war. Die Färbnngen sind dann lebhafter und manuichfaltigcr. Je mehr das Gestirn sich dem Horizonte näherl, befransen sich die grauen und zerzausten Wolken des Himmelsgewölbes, die letzten Ausläufer der uordischeu Nebel, mit mehr oder miuder intensiven Purpurtiuteu, während die gerundeten Umrisse der weißen, auf den fernen Bergspitzen ruheudcu Wolken sich mit einem hell-leuchtenden, gelben Streifen besäumen und in das ("old eingerahmt zu sein scheinen, welches den Abendhimmel erfüllt. Sobald die Sonne unter den Horizont gesunken ist, verbreitet sich eine ungemein sanfte Nosatinte über den ganzen westlichen Himmel. Gin Ausfluß des verschwundenen Gestirns, färbt sie alle Gebirge. Eins derselben, von Biskra ans sichtbar, heißt Dschebel Hammar-Kreddn (der Rosenwangenberg); er verdient diesen Namen, denn noch lange nach dem Untergange der Sonne bewahrt er einen rosigen Abglanz, gleich dem Zntarnat auf den Wangen eines juugen Mädchens. Durch einen Kontrasteffekt mil dem Noth nimmt das Plan des Himmels eine wassergrüne Farbe an. Allmälig erbleicht das Rosa., der helle Bogen zieht sich zusammen; allein das Licht, welches ihn erleuchtet, ist weiß uud rein wie das, welches im Aether jenseits der Grenzen uuscrer Atmosphäre glänzen muß. Dank der Durchscheinenheit der Luft sind alle Umrisse der irdischen Gegenstände vollkommen bestimmt. Die feiuen Eiuschuittc der Palmenblätter werden sichtbarer als am hellen Tage, und wenn der Bau», sich völlig auf diesen wechselsweise gelben, rothen und in der Provinz Konstantine. A31 weißen Hintergründen abhebt, so scheint es, als ob die Poesie dieses edlen (Gewächses sich dem Auge zum ersten Male enthülle. Indeß wird es Nacht. Znerst kommen die Planeten, dann die großen Sternbilder zum Vorschein, der Himmel bevölkert sich mil Myriaden von Gestirne», s^in <^en>ölbe erhellt sich- die Milchstraße, in den hohen breiten ein wemliches nnd verlü^ schenes Band, scheint eine über die Himmelsknppcl genwrfene Schärpe funkelnder Diamanten zn sei». Der Mond ist nichl melir jenen fahle l^estirn, dessen melancholischer Vlick die Schiver-mnlh unserer nebeligen Bänder milzuempfinden scheint, sondern eine glänzende Scheibe vom reinsten Silber, welche dir Strahlen, die sie empfängt, ohne sie abznschwächen, zurückwirft, oder eine Sichel, vervollständigt dnrch das Halblicht, welches sichtlich die Umrisse des vollen Balles abzeichnet. Das war der Sonnen-nntergang des 1,'i. Dezember ^863 am Tage uor nnsrrer Abreise von Biskra, er bewegte nns tief, es U'nr nnser Abschied von den Abenden in der Wüste. Wollen ivir jetzl ivissen, ivelches die .^nknnft dieser seltsamen legenden sein nnrd, so müssen wir die Vergangenheit befragen. Die Nuine» röinischer Slädle in der Nähe der Sahara bilden eine fortlaufende ^inie ans dem Nordabhange des Anrc;s nnd der letzten Borbcrge des Atlas. Imposante Neste von Tempeln, Prätorien, Triumphbögen zeugen von dem langen Aufenthalte der Nömer im nördlichen Afrika und von dem Zustande ihrer (sivilislllion. Wenn man der Straße von Bathna nach Bistra folgend nach der Wüste zu vorrückt, so trifft man vou Myria-' meter zn Mnriameter die Sptlren der auf Hügeln neben (i»g-Pässen nnd bei der Vereinigung der Flüsse errichteten Militnir-posten, sie sind von weitem kenntlich au deu noch stehenden 332 Physisches Gemälde der östlichen Sahara Thorpfeilern, an den großen behaucuen Steinen nnd an dem rothen Töpfergeschirr, welches den Boden bedeckt. Der letzte dieser Posten, Gemellä, liegt in der Sahara auf der Spitze eines Gipshügels, drei Stnndcn von den Ziban. Die Soldaten, welche sie besetzt hielten, hießen die Wächter (^cuilUm-?«) der Wüste, nnd die Ncisebeschreibuug des Antoninus bezeichnet eine südwestlich uon El-Kanlara an den Ufern des Ued gelegene Station mit dem Namen Ilui^u^ ^(^ulnwrum*), Burg der Wüstemvächtcr. Tempel, Triumphbögen, einige Brücken und Militairposteu, das ist es, was die Nömer in Afrika hinterlassen haben. Unsere letzte Militairstation liegt tiefer hinein als die der Nömcr, sie liegt bei Tugurt. Dort bewirten ein französischer Unterlientcnant und Sergeant, welche sechzig eingeborene Scharfschützen befehligen, daß der Friede in dem entlegensten Theile der Wüste herrscht, indem sie den Krieg von Oase mit Oase verhindern und den Einfällen der tunesischen Räuber Einhalt thun. Die rnhigen Bewohner des Snf werden wider die Nomaden, wider sich selbst nnd wider den Fremden beschützt. Bis hierher thun wir weiter nichts, als die Römer nachzuahmen - aber wo wir sie übertreffen, das ist, wo wir die Wüstenstraße abstecken und die Oasen mit artesischen Brunnen beschenken, welche ihnen das Leben wieder geben. Unser vorgerücktester Posten ist kein Militairposten, sondern es ist der Brunnen Baroad anf der Straße uon Uargln, der erste Nastort von Timbuktu. Welm die Oaseu eines Tages mit den Spriugquellen, welche der General Desuanr überall hat sprndeln lassen, verbunden sein werden nnd ein Palmenwald Biskra mit Tugurt vereinigen wird, dan» werden sich Eisenbahnschienen Stück für Stück auf diesen Wüstenplateaus aneinander fügen, welche die Natur *) Kniest l.acroix, Gart« de TAfriqiie sons 1h domination des Romains. 184*!. in der Provinz Konstantine. 333 zur Aufnahme derselben vorbereitet zu haben scheint. Die (Zivilisation wird in die Sahara dringen und auf der einen Seite nach Aegypten, auf der andern nach dein Senegal sich ausbreiten; sie wird die Mission der Märtyrer der Wissenschaft lind derHnmanilät vollenden, welche in ^cntralafrikn umgekommen sind, indem sie das Scheusal der Sklaverei in seinem Schlupfwinkel angriffen. Das Christenthum hat der Sklaverei des Alterthums ein Ende gemacht, Frankreich und England werden der Sklaverei der Jetztzeit ein Ende machen. Die beiden Nationen, welche einander entgegenkommen, England vom Kap und »on Sierra Leone, Frankreich von Algerien und vom Senegal ans, werden sich, nachdem sie dieses große Werk vollbracht haben, im Mittelpunkte Afrikas die Hand reichen. Die alte ägyptische (Zivilisation, deren imposante Ueberbleibsel die majestätische Reihe uou Denkmälern bilden, welche den Nil von Nubieu bis zu der einst zwei Meere verbindenden Landenge von Sue^ einfassen, wird umgewandelt wiedererstehen! Früher priesterlich lind stillstehend, wird diese Civilisation vernünftig und fortschreitend wie der menschliche Geist selbst sein und gleich ihm langsam aber sicher politische nnd religiöse Hemmnisse, welche sich ihr noch entgegen stemmen, überwinden. Ende. MW) Druck uon G. Pä^' >u ^iauml'mn >,. d. S, Im Verlage von Hermann Costenoblc in Icna erschienen ferner folgende neue ^erte: Mnhllmch, Muse, Marie Antoinette nnd ihr Sühn. Historischer Romau. 6 Bde. 8. cleg, broch. 6'/^ Thlr. tlcchtl'ih, Frildnch U0N, Eleazar. Eine Eizchluug aus der Zeit des großen jüdischen Krieges im ersten Jahrhunderte nach Christo. 3 Bde. 8. broch. 4 Thlr. Hlldree, vi'. kichard, Vom Tweed zur Pentlandföhrde. Reisen in Schottland. Mitteloctav-Format. cleg, broch. 1 Thlr. 22'/2 Ngr. öaker, Samuel Whitc, H^^A^^3>V y a n z a, das große Becken des Nil un/^d^ EH5MwrPrte Allsgabe. Nebst 33 Illustrationen in VvlMMt^i'^ÄHWNitlographic nnd 2 Karten. Zwei starke Väii»e.^le^^5»/H Lhlr. öcrllpsch, A. H., DiX^A^^,^^^i'Ur- und Lebensbildern. Dritte Anfli^<^Fur^>l6n 3teise<^ebrauch redigirt. Äcit 6 IllnstraMMrm Holzschnitt. 8.' cleg. geb. 1 Thlr. Lerlcpsch, ^A. H., Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Mit 16 Illustrationen von E. Rittmeyer. Pracht-Ausgabe. Lex,-Oct. Ein starker Band. Eleg. broch. 3 Thlr. 26 Ngr. Eleg. geb. mit vergoldeten Dcckenverzie-rungen 4V., Thlr. Mit Goldschnitt 4^ Thlr. Wohlfeile Volks-Äusgabe. gr. 8. Eleg. geb. 2 Thlr. 5 Ngr. Gerl'täckrr, Friedlich, Achtzehn Monate in Süd-Amerika und dessen deutschen Kolonien. 6 Thle. in 3 Bänden. 8. broch. 5'/, Thlr. Gerstälkcr, Friedrich, Nach Amerika! Ein Volksbuch. Illustrirt von T h. Hose m a n n und K arlNeinh a rd t. 6 Bde. 8. broch. »,> Thlr. 12 Ngr. Liuillgstlille, Vüllit» U«t» Clittrles, Neue Missionsreiseu iu Süd-Afrika, unteruommen im Auftrage der englischen Regierung. Forschungen am Zambesi nnd seinen Nebenflüssen, nebst lHntdecknug der Seen Schirwa nnd Nyasfa in den Jahren 1858 bis 1864. Autorisirte vollständige Ansgabe für Deutschland. Aus dem Englischeu von I. E. A. Wiartin. Nebst 1 Karte nnd 40 Illustrationen in Holzschnitt. Zwei Bände, gr. 8. broch. 5^ Thlr. Druck «on G. Patz in Namnbm-g a. d. S.