Arber Sen Tmis

und

über Volkstänze.

Von

Heinrich v. Littrow.

Scpuratal'druck ans der „Haibacher Zeitung".

Laibach.

Druck von Jgn. v. Klcinmayr <L Fed. Bamberg.

Verlag des Verfassers.

1869.

^ch wage mich heute auf ein gefährliches, schlüpf¬
riges Terrain — auf den Parquctboden — in die glor¬
reiche, sicggekrönte Arena unserer Jugend und unseres
Mittelalters — ich verstehe unter „Mittelalter" jenes
gewisse Alter, das so die Mitte zwischen Jugend und
Alter hält, Is mo)'6ir LZ6 — ii insäio ovo — das bei
den Damen mit dem Untergange ihres absoluten Domi-
niums, wie in der Geschichte mit dem Untergänge des
weströmischen Reiches beginnt und mit der Entdeckung
der neuen Welt, d. h. mit der traurigen Entdeckung
endet, daß uns eine neue, oder besser gesagt eine junge
Welt umgibt — also, wie die Franzosen rechnen, bis
zur Renaissance — ein Wort, das von rsimitrs —
„wieder auf die Welt kommen" — abgeleitet ist, —
während Mittelalter bei den Herren ebenfalls, wie in
der Weltgeschichte, die Epoche der Kreuzzüge, der Krcuz-
und Querzüge bezeichnet, eine Epoche des unsicher» Auf¬
tretens mit Kreuzschmerzen, des Suchens, um sein Kreuz
los zu werden oder ein Kreuzchen zu finden. Jugend
und Mittelalter sind also bei einer Geschichte des Tanzes
am meisten betheiligt — beide drehen sich ganz lustig
und können noch Köpfe verdrehen.

Wie man alles in der Mathematik logarithmisch
stellen muß, so nämlich, daß die Unbekannte als Coeffi-
cient vorkommt, und wie die Praxis beinahe in allem
und jedem der Theorie vorangegangen ist nnd das Ge¬
lehrtsein sich aus dem Wissen, das Kennen aus dem
Können entpuppt hat, wie man schon längst auf der

1

— 2 —

Hirtenpfeife, auf der Schalmei und Flöte Lieder gespielt
hat, bevor man über das I)o rs mi ku sol In si
ins Reine gekommen und die Noten erfunden hat; —
wie man längst gestohlen, geraubt, gemordet hat, bevor
die Gesetze die juridischen Nuancen zwischen Mitgehen-
lasscn, Einstecken, Stehlen, Rauben und Raubmorden,
wie die Noten in der Musik, zu einer Galaenscala
zusammengestellt haben; — wie man Neigung, Sympathie,
Liebe und unzertrennliche Herzensverbindung längst früher
praktisch gekannt hat, bevor die Mythologcn Amor und
Hymen zu den Grvßwürdcntrageru dieser uns angebo¬
renen Gefühle ernannt, bevor die Benctiancr die vier
bswporn: „al spussiM, sl vu in susu, öl s' Im spisku,
ins sposi o I's u uäü u w o ubs" erfunden und
die Kirchengesetzc die heilige Ehe eingcführt haben, — so
wurde längst, bevor es Tanzmeistcr und Tanzstunden
gab, die Freude wie der Schmer; durch unsere Nerven
der AchilleS-Sehne mitgetheilt, und während der Eine
mit einer Brandwunde oder mit Zahnschmerz behaftet
wie toll herumsprang und in diesen Bockssprüngen Er¬
leichterung seines Schmerzes suchte, tobte der Andere in
mehr oder minder rhythmischen Bewegungen seine Freude
aus, sowie das Wasser zu brodeln und zu sieden be¬
ginnt, wenn ihm die 80 " Reaumur durch die Molecule
fahren. Wie aber die Flüssigkeiten in ungleicher Art
sieden, wie kochendes Wasser sich ganz anders benimmt
als kochendes Oel, kochende Suppe, kochender Brei oder
kochendes Pech, so war der Ausdruck der menschlichen
Empfindungen auch ein anderer, je nach der Race, je
nach dem Klima, ja selbst je nach dem Grade der Cultur-
stufe, auf der sich die zum Tanze Begeisterten be¬
fanden.

Da aber die Stimmung das meiste zur Form des
Tanzes beiträgt, da die Fröhlichkeit meist heitere, leichte
Bewegungen veranlaßt, Schmerz und Trauer aber das
Gcgentheil bewirken; so wird vor Allem die Stimmung
maßgebend gewesen sein, als sich die innere Unruhe den

— 3 —

Extremitäten, den Händen und Füßen mittheilte. Ich
sage den Händen und Füßen — ich sollte aber sagen
dem ganzen Körper, jedem Muskel des Gesichtes — was
öesonders beim pautomimischeu Tanze unentbehrliche
Regel wird, und abwärts steigend als Vorschrift auch
bei den Salon-Tänzen sich erhält, wo uns in der ersten
Instruction des großen didaktischen Werkes „über den
Umgang mit tanzenden Menschen" besonders empfohlen
wird, ein freundliches Lächeln für die Tänzerin bereit zu
haben — sie zärtlicher als gewöhnlich anzublicken —
bei Rundtänzen wenig zu sprechen, besonders wenn man
schon etwas außer Athen, ist und durch ein gelindes
Keuchen die Aspiraten unwillkürlich vor die Vokale setzt
und „Hund" statt „und" „still" statt „ill" — „Haus"
statt „aus" sagen könnte, bei stgurirtcn Tänzen fesselnde
Conversation zu erhalten, und nicht jeder Tänzerin das¬
selbe zu sagen, weil sie sich manchmal die Dialoge un¬
ter einander erzählen, die Pression der Hand zu mode-
rircn, damit sich nicht der bereits erlebte Fall wiederhole,
daß eine Tänzerin in Folge eines zu starken Hände¬
drucks die Augen nicdcrschlägt — und sanft erröthend
oder erblassend, wenn sie schon purpurroth ist, ihrem
Tänzer, im Mißverständnisse des applicirten Händedruckes
eine Erklärung vermuthend, sagt: Sprechen Sie mit
meiner Mutter!

Die Grundlage der Tanzkunst bleibt ohne Zweifel
die Idee, innere Zustände und Regungen durch entspre¬
chende Bewegungen des Körpers darzustellcn. Der erste
Schmerz, wie die erste Freude, werden die ersten Men¬
schen zu den ersten Sprüngen bewogen haben und Adam
wird wahrscheinlich vor Freude getanzt haben, als er
die Eva erblickte, sein schönes vis-a-vis für die große
Lebens-Quadrille, und da der Schmerz weit wilder und
unregelmäßiger unsere Seele erschüttert, sich gleichsam
in Sturzwogen über uns ergießt, während die Freude
gleichmäßiger, rhythmischer unser Inneres bewegt — so
ist cs auch klar, daß der Tanz der Lust, der Freude,

1*

— 4 —

ja selbst nur der Heiterkeit, in gefälligeren Formen und
rhythmischer sich gestalten mußte, als der Todtentanz, der
Tanz der bösen Hexen, der Furien und Erinnyen — mit
einem Worte der Tanz des Hexensabbaths. —

Niemandem wird cs somit cinfallcn wollen, in der
Geschichte des Tanzes dessen Ursprung zu ergründen,
das Bcdürfniß dieser Luftsprünge kommt gleichzeitig mit
uns zur Welt, und wenn wir in dem traurigen
uugus äs Ooüm" den Charles Darwin über die Mensch¬
heit heransgegcben hat — derselbe Darwin, den neulich
ein Prediger in Fiume il irmlgästto stlosolo krunesss
nannte, — genealogisch errölhcnd zurückblättcrn, so finden
wir, daß der stammverwandete Affe das einzige unter
allen Thieren ist, dessen Frcudesprüngc auf den Hinter¬
beinen sich dem Tanze nähern, ohne daß er wie andere
zoologische Künstler, wie z. B. Bären, Pudel, Pinlsche
u. s. w., meist durch Lehrer, durch Hunger und Prügel
mühsam dazu hcrangebildet wird. Bei den Affen kommt
es sogar vor, daß sie zu zweien ziemlich regelmäßig her-
umspringcn und uns dadurch wieder den schlagenden Be¬
weis liefern, wie nahe sie dem Menschen auch in der
Aeußerung ihrer Gefühle stehen.

Also nicht einmal das Tanzen, sondern nur Lachen
und Weinen bleiben somit noch die einzigen ausschlic-
ßenden Privilegien des Menschen eigentlich nur das
Weinen oder besser die Thränen, mit welcher Kunst er
auf die Welt kommt, während er Lachen, Beißen und Küs¬
sen erst langsam lernen muß und sich während der Stu¬
dienzeit oft sehr ungeschickt, ja hochkomisch dabei benimmt.
Wie aber der Mensch das einzige Thier ist, das beim
Gehen und Laufen kaum eine merkbare Kopfbewegung
macht, so scheint ihm auch das Tanzen als Privilegium
verliehen zu sein, da er sich bei einer heftigen Kopfbe¬
wegung doch gar zu possierlich ausmhmcn und der
Partner sich schwer daran gewöhnen würde, ohne in
Lachkrämpfe zu verfallen, feine Gefährtin oder sein vis-ü-

vis mit schüttelndem Kopfe wie einen Pudel hcrumsprin-
gen zu sehen.

Bei uns ist gegenwärtig der Tanz fast ausschlie߬
lich als ein Ausdruck des Vergnügens, der Freude, der
Heiterkeit, der Lust zu betrachten. Bei anderen Völkern und
zu andern Zeiten finden wir durch seine Bewegungen auch
S ch m e r z und Trübsal ausgedrückt, wie z. B. in den
Todtenlänzen, die heute noch bei den Indiern gebräuchlich
sind; die Frömmigkeit, Andacht und Gottcrge-
venheit, die der Islamismus oder Mohamcdauismus
noch heute durch die religiösen Tänze seiner Priester, der
Imams in der Türkei, der Fakire in Arabien, der Der¬
wische in Persien, die ebenfalls bis zur Verzückung ge¬
trieben werden, auszudrücken sucht. Endlich sogar die
rächende Nemesis, die vom Tanze begleitet wird, so tan¬
zen die Hexen in Shakespeares „Macbeth" und sin¬
gen dazu:

Nm den Kessel rundum geht's,

Werft hinein das Giftgekrös',
Kröte du, die sieben Wochen,
Unter kaltem Stein verkrochen,
Qualm und Jauch im Schlaf gewann,
Koch im Zaubertopf voran.

So beschreibt uns Schiller in der Ballade „die
Kraniche des Jbicus" den Chortanz der Erinnyen, dieser
rcchtsgelchrten Furien, die auf dem menschlichen Gewissen
wie aus einer Harfe spielen.

Und schauerlich, gedreht im Kreise,
Beginnen sie des Hymnus Weise,
Der durch das Herz zerreißend dringt,
Die Bande nm den Frevler schlingt;
Besinunngranbeud, herzbethörend,
Schallt der Erinnyen Gesang,
Erschallt des Hörers Mark verzehrend
Und duldet nicht der Leier Klang rc.

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So singend, tanzen sie den Reigen,
Und Stille, wie des Todes Schweigen,
Liegt übcr'm ganzen Hanse schwer,
Als ob die Gottheit nahe war'!

Und feierlich nach alter Sitte

Umwandelnd des Theaters Rund,
Mit langsam abgemess'nem Schritte
Verschwinden sie im Hintergrund.

Ein Tanz, der im Alterthume nur den Schmerz
ausdrückcn sollte, der heutzutage bei den Wilden einiger
Tropenländer noch besteht, war der „Todtentanz," der,
von Klageliedern begleitet, thcils um die Leichen selbst,
theils um die Gräber der Verstorbenen als Rundtanz
nach der Art des slavischen „Kolo" aufgeführt wurde.
Plastische Darstellungen hievon und Beschreibungen finden
wir noch in Menge.— Im Mittelalter mischte ein ähnlicher
Tanz Ernst und Scherz in einer für unsere Zeit und
unser heutiges Gefühl unpassenden Weise und behielt den
Namen „Todtentanz." * Ein Tänzer oder eine Tän¬
zerin wurde in der Gesellschaft durch das Los zur
„Tanzleiche" bestimmt; wer vom Lose getroffen
war, trat in die Mitte des Saales, alle Uebrigen ord¬
neten sich paarweise, und mit Jubel und Jauchzen be¬
gann der Tanz unter den Klängen fröhlicher Musik.
Plötzlich verstummt alles — die in der Mitte stehende
Person fällt nieder und stellt sich todt, während die
Mittanzendcn einen schauerlichen Grabgesang anstimmen.
War nun die Tanzleiche ein Mann, so traten nachein¬
ander sämmtliche Damen an ihn heran und küßten ihn,
wobei es seine Aufgabe war, sich nicht zu bewegen —
war die Tanzleichc eine Dame, so näherten sich die
Männer znm Kusse. Hatte die ganze Gesellschaft
der „Tanzleiche" auf diese Weise den Tod versüßt,
fiel die Musik plötzlich wieder in heitere Weisen ein,

Ledebur: Archiv für die Geschichtsknnde des preußischen
Staates.

— 7 —

die Leiche erhob sich und alle umtanzten sie in einer
großen Ronde. — Der Ursprung dieses sonderbaren
Tanzes läßt sich aber auf die wirklichen Todtentänze
der Alten zurückführen, die mit Grabgesängen begleitet
waren, in denen der Todte je nach seinen weiblichen
Tugenden, oder, wenn es ein Mann mar, je nach seinen
Heldenlhaten besungen wurde. Diese Apotheosen waren
so ziemlich stereotyp — auf die Wahrheit der Lobsprüche
kam es natürlich nicht an; solche Todtenlieder waren, wie
die Lcichenstcine, die geduldigen Träger der gutgemeinten
Lügen.

Einige dieser Todtenlieder haben sich noch in den
Gebirgsländern Serbiens, bei den Bulgaren, ja selbst
den Bosniern griechischen Ritus erhalten — überhaupt
dort, wo die vandalische Sitte des „To d t en sch m a u-
ses" noch besteht. — In Montenegro und an der
untern Donau werden solche ehemalige, jetzt beinahe ganz
abgekommene Todtentänze, d. h. Gesänge, mit denen man
sie einst begleitete, als Lieder gesungen, und wird mit
deren düsterer Melodie der Nationaltanz „Kolo" aufge¬
führt. Eines dieser Lieder, das mir in getreuer Ueber-
setzung mitgetheilt wurde und das, wie die meisten, als
Refrain den Namen des Todten führt, lautet:

Ich sitz' an Deinem Grabe
Und meine bitterlich,
Weil ich so lieb Dich habe,
Was gab' ich nicht für Dich
Gedenke mein,

D» Süße (stats Urggosiüs)!

O wär anch ich gestiegen
Zu Dir ins tiefe Grab,
Wie still macht' ich dort liegen,
Weil ich so lieb Dich hab'.

Gedenke mein,

Dn Süße!

— 8 —

Rus mich von dieser Erde
Zu Dir iu's Grab hinein,
Damit ich selig werde,
Mit Dir vereint kann sein

Gedenke mein,

Du Sitße!

Es bleibt nur bemerkenswerth, daß diese und ähn¬
liche Lieder von der melancholischen eintönigen Guslci
begleitet, unter Schäkern und Lachen getanzt und ge¬
sungen werden, daß ein solcher Tanz oft stundenlang auch
in der Sonnenhitze dauert und immer dasselbe Lied oder
ein ganz ähnlich lautendes dazu hcruntergelcicrt wird.
— Ueberhaupt waren die ersten Tänze, so weit mau in
der Geschichte zurückgehen kann, immer mit Gesang be¬
gleitet, was seinen einfachen Grund wol darin hat, daß
die Musik, diese unentbehrliche Gefährtin des Tanzes,
fehlte, oder das Gewinsel der Mouocorde oder einzelner
Blasinstrumente, wie Hirtenpfeifen, Schalmeien und Flö¬
ten oder Dudelsack, den Tänzern nicht genügte — was
ihnen nur zur Ehre gereicht.

Es zeigt sich somit der Tanz auch schon in seinem
ersten Entstehen als eine rhythmische Kunst und ver¬
bindet sich daher, wie durch Wahlverwandtschaft, mit der
Musik, welche als der reinste Rhythmus, als das Eben¬
maß der Tonverhältnisse betrachtet werden muß. Und
wir können uns in der That einen Tanz ohne Musik
gar nicht vorstellen; der einfache Kolo, der wilde Waf¬
fentanz der Südsee-Insulaner, der Csardas und die
Tarantella in ihren frenetischen Finalbewegungen, alle
spanischen Tänze — ja das schönste choreographische
Ballet auf der Bühne, könnten nur widerlich auf uns
wirken, wenn die Musik nicht den Rhythmus erhöhen und
gleichsam jede Bewegung rechtfertigen würde. Man ver¬
suche nur einmal, sich die Ohren gut zu verstopfen und
stelle sich an die Thüre eines Salons, in dem sich Alles
munter im Tanze bewegt, oder mache denselben Versuch
im Theater während einer Pantomime oder während

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eines Ballets, und der widerliche Eindruck einer Irren¬
anstalt bemächtigt sich unser, die Tanzenden mit ihren
Gesichtern, mit ihrem stereotypen Lächeln — mit den
aufgeregten Physiognomien, die mimischen und tanzenden
Künstler erscheinen dem bloßen Auge ohne Hilfe des
Gehörs wie besessene Mänadcn, wie Narren und Närr¬
innen, die ihrem Hospitium entsprungen sind, während
die begleitende Musik nicht selten dermaßen zur Teil¬
nahme au der Vorstellung hinrcißt, daß man Kinder
oder Zuschauer, Neulinge überhaupt, die an das Spec-
takel nicht gewöhnt sind, die Bewegungen mitmachen
und jede Grimasse unwillkürlich begleiten sieht.

Drei Geistesgaben, sagt der Mann, der Deutsch¬
land zur philosophischen Schule Europas erhoben hat
(Kant), müssen alle uns gleich organisirten Wesen mit
uns gemein haben: die Logik, die Mathematik
und die Mimik. — Heute intercssirt uns nur die
letztere dieser göttlichen Gaben, die Mimik, weil sie die
Basis des späteren Tanzes wurde. Bei weitem früher
als die glühende Phantasie der Menschen sich ein Volk
erdachte, das blos singen und nicht sprechen kann, bei
weitem früher also, als die Oper ein solches harmoni¬
sches Zauberrrcich repräsentiren sollte, kam man auf
den Gedanken, irgend eine kleine Begebenheit blos durch
Gestieulation darzustellen, sich in Mitte eines Volkes
zu denken, das stumm, wie die Fische, seine Gefühle und
Empfindungen, seinen Schmerz und seine Freude, seinen
Haß und seine Liebe durch Muskclbewegungen auszu¬
drücken sucht, und da der allmälich sich entwickelnde
ästhetische Sinn auch gewisse, runde, passende, dem Auge
wohlthuende, also rhytmische und überdies ohne Hilfe
der Sprache verständliche Formen verlangte, so entstand
ans der ursprünglichen Geberdensprache, vielleicht eines
wirklich Stummen, die Pantomine, die Mimik, mit
ihr der Tanz und als letztes Resultat das Ballet.

Die Mimik oder die Kunst, durch Mienen und Ge¬
berden die Zustände des Gemüthes zusammenhängend

— 10 —

auszudrücken, ist in gewissen Grenzen mich dem Redner
wichtig und unentbehrlich, ihren größten Wirkungskreis
nder erhält sie bei der Darstellung der dramatischen
Poesie.

Als Begleiterin des Mienenspiels, das ohne Be¬
wegung ganzer Körpertheile auch wieder kein Thier, als
der Mensch, besitzt, während der Hund z. B. seinen guten
Humor nur durch Sprünge und durch das Schweif¬
wedeln oder durch sein Gejohle ansdrückcn kann, seine
Physiognomie sich höchstens durch das Zurücklcgen der
Ohren zur Freundlichkeit und Heiterkeit umändert, der
Affe, wenn er sehr liebenswürdig sein will, die Zähne
fletscht — als Begleiterin des Mienenspiels, das dem
Menschen in die Augen, noch mehr aber an den Mund
gelegt ist und sich nur schwer verleugnen läßt: hat eben
wieder nur der Mensch die Mimik für sich, diese aber
in so unverkennbarer, ausdrucksvoller, klarer Weise, so
recht als Dolmetsch der inneren Regungen, daß ein Wil¬
der des Feuerlands oder ein Eskimo, wenn man beide
in eines unserer europäischen Ballette führen würde, eben
so viel oder eben so wenig verstehen müßten, als jeder
Dandy, der seine letzte Erziehung im 1?0M- äs l'Oxsru
zu Paris, oder hinter den Coulisscn vom eorp8 äu bullst
erhalten hat.

Ich sage eben so viel oder eben so wenig, denn
auch hierin ist die Sache dermaßen auf die Spitze ge¬
trieben , daß die enthusiastischen Kritiker beinahe mit
Recht sagten: Fanny Elsler tanzt den Victor Hugo in
ihrer „Esmeralda," wie jetzt Demoiselle Boschetti den
Göthe im Ballet „Brahma" als Bajadere tanzt. Der
Mißbrauch der Mimik kommt am häufigsten im ge¬
wöhnlichen Leben vor. Wie es Declamatoren und Sänger¬
innen gibt, die im Salon vergessen, daß sie nicht auf
der Bühne sind, declamiren und singen, aber nicht spie¬
len sollen, wie sich solche Künstler der Mimik nicht
enthalten können und dadurch einen groben Fehler be¬
gehen, so finden sich Menschen, die beinahe Alles, was

— li¬

sic erzählen, mit einer überflüssigen Mimik begleiten und
dadurch, ohne zu wollen, Komiker werden.

In den unteren Bolksclassen findet man diesen
Luxus an Mimik am häufigsten; der Italiener besitzt
diese Gabe im Ucberfluß, und ich selbst habe noch viele
italienische Schauspieler der niederen Kategorie gesehen,
die im Drama jeden Tropus, jede Metapher, jede Rede-
figur, jeden bildlichen Ausdruck mit der Pantomime beglei¬
teten und z. B. dort, wo figürlich vom majestätischen
Fluge des Adlers die Rede war, die Bewegung der
Flügel mit den Armen nachmachtcn, oder bei dem Bilde
eines stolzen Schwanes den Kopf zurückwarfen und den
Brustkorb nach Möglichkeit herausdrängtcn, ja sogar
durch einige Schritte den kühnen befiederten Schwim¬
mer nachmachlen, — ein grober Fehler, der das tref¬
fendste Glcichniß, das richtigste poetische Bild zur
Carricatur, zum Zerrbild, zur lächerlichen Fratze macht.—
Denken wir uns, wie S. I. Engel in seinen „Ideen
zu einer Mimik" sagt, die Worte: „So soll ich denn
wirklich den letzten Werin uthtropfen aus meinem bittern
Lebenskelche trinken," mit der materiellen Mimik des
Tropfens und Trinkens begleitet, oder die ersten
Zeilen aus Schillers „Bürgschaft" Plastisch durch Mimik
versinnlicht —

„Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Möros, den Dolch im Gewände,
Ihn schlugen die Häscher in Bande.

„Was wolltest du mit dem Dolche, sprich ---
Entgegnet ihm finster der Wütherich:
„Die Stadt vom Tyrannen befreien."
„Das sollst du am Kreuze bereuen."

oder:

Mich traf die Trauernachricht

Wie ein Blitz aus heitrem Himmel.

so ist jeder Eindruck paralisirt und die vis eomiea tritt
ausschließlich in ihre Rechte. —

— 12 —

Wenn uns von den Tänzen der alten Griechen und
Römer, die anfangs auch nur vom Gesänge degleitet
waren, berichtet wird, daß man dem Achilles, dem Ale¬
xander und anderen Helden des Alterthums die Liebes¬
geschichten des Mars und der Venus, die Freiheit, Amor
und Psyche u. s. w vorgetanzt habe, so versteht man
darunter nicht den eigentlichen Tanz, sondern pantomi¬
mische Darstellungen und diese mit eigentlichen Tänzen
ausgeschmückt, da überhaupt das lateinische sulturs, d. h.
tanzen, bei den Alken in sehr weiter Bedeutung genom¬
men und auch das Geberdenspiel dazu gerechnet wurde
und bei den Griechen das Wort die Kunst des
Ausdrucks durch Geberden und Bewegungen überhaupt
bezeichnete, mithin auch die Action in sich begriff. Das
altgriechische Wort von dem unser Wort Chor
abgeleitet ist, bedeutet einen Rundtanz mit Gesang ver¬
bunden, und der Name Terpsichore, die Muse des
Tanzes, ist aus dem griechischen (sich er¬

götzen) und (Tanz) zusammengesetzt. Ueberhaupt
war die Tanzkunst bei den alten Griechen und Römern
anfangs von Gesang, Poesie und Schauspielkunst gar
nicht getrennt. Der Tanz wurde sogar bei allen reli¬
giösen Festen, verbunden mit Hymnengesang, angcordnet,
und die kunstsinnigen Griechen, bei denen diese darstel¬
lende Fertigkeit Orchestik hieß, erreichten auch in ihr
einen hohen Grad der Vollkommenheit, sofern diese in
der zarten Bedeutsamkeit der Geberden und Bewegungen
besteht, die, wie der Gang des Schauspielers, durch Takt
geregelt waren. Die antike Plastik liefert uns hievon
die sprechendsten Beweise.

Erst im 16. Jahrhunderte befaßten sich die glücklichen
Erben des Kunstsinnes der Alten, die Italiener, mit Stu¬
dien über den Tanz; Rinaldo Corso und Fabric. Caroso
— sowie der gelehrte Abbate Cerio schrieben Werke über
den Tanz, und nach ihnen haben vorzüglich die Fran¬
zosen die Tanzkunst ausgebildet, wobei den Balletmcistern
heute noch Noveres Werk als Richtschnur und Anleitung

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gilt. Die Pantomime — sie bewegte sich als Surrogat
neben dem Ballet, hielt sich aber meistens in einer etwas
niederen Sphäre — rechtfertigte ihren Namen, der aus
dem Griechischen von — Alles, und Nach¬
ahmer, abgeleitet ist (also Alles nach¬

ahmend) und sich vorzugsweise mit komischen Darstel¬
lungen befaßte; — die stereotypen Masken der Panto¬
mime : Harlcquino, Pierrot, Pantalon, Brighella, Stento-
rcll, Meneghin re. und die reizende Colombine, die con-
stante Darstellerin der Figlia Malcustvdita, die ihren
Onkel Pantalon aus tausenderlei Weise hintcrgcht, den
gutmüthigen Pierrot betrügt und ihren pfiffigen Harle-
quino rasend liebt, haben sich als Charakter-Masken bis
auf den heutigen Tag in allen Ländern der Erde erhal¬
ten, wo man noch Sinn für den lieben Unsinn hat, wo
der feinste eommun ssrms den non8M86 cultivirt, und
wo man den Spleen durch wohlthätige Erschütterung
des Zwerchfells eurircn oder wenigstens erträglich wa¬
chen will. —

Aus diesen ersten Regeln der Tanzkunst, aus der dra-
matisch-heitern Darstellung durch Mimik, aus den ersten
Pantomimen, wo fleißig hcrumgesprungen wurde und nicht
selten gut angebrachte Prügeleien die Schlußscenen und, wie
gewöhnlich in der Komödie, eine Heirat das Schlu߬
tablean bildete, entstanden unter Ludwig XIII. in Frank¬
reich, durch den schöngeistigen Einfluß der Medici, die
allegorisch- mimischen Schäferspicle, an denen sich der
hohe Adel Frankreichs, ja die Dauphins und Könige
selbst bethciligten. Die Mythologie mußte mit ihren rei¬
zenden, phantastischen und psychologisch-feinen Zusam¬
menstellungen den Stoff liefern, und wie heute Jupiter,
Juno, Pluto, Mars, Venus und andere Götter mit
einer romantischen Biographie, mit ihrem bunten our-
rionlum ritne den Osfcnbachischeii Opern neben der
griechischen Helena, Daphne, Cloc, Galathea, Euridicc,
Mcnelaus u. s. w. zur Folie dienen, so wurden zu
Anfang das 17. Jahrhunderts und später die Götter-

— 14 —

Mythen für das Ballet ausgcbeutct. Damals wurde der
Olymp getanzt, heute wird er gesungen. Und
wo will der Choreograph, wie man später die Professo¬
ren der Tanzkunst und die Ballct-Compositcurc nannte,
einen geeigneteren, phantasiereichercn Stoff für die tanz¬
bare oder getanzte Romantik finden, als eben in der
Göttcrlehre der Alten, in der Mythologie?

Muß doch jetzt, wo die Mythologie der Griechen
und Römer beinahe erschöpft ist, wo angefangcn von den
Nymphen, Sylphiden, Bacchantinnen, Najadeu, Tritone»
und Nereiden bis zu den Göttern und Göttinnen ersten
Ranges alle uns ihre Liebcö - Abenteuer vorgetanzt
haben, sogar die Mythologie der Indianer, die eigentlich
noch ihre bestehende Religion ist, sich für Ballctsujcts
verwenden lassen, und müssen die Götter Brahma,
Wischnu und Schiwa und in ihrem Gefolge als eorxs
äu bullkt die Bajaderen jetzt die Bühne beleben, wo
dann noch die herrlichen Decorationen mit exotischen
Pflanzen, mit Giftbäumen und schattenstrenenden Palmen,
Bananen und Therebinten, die Pagoden und Felsentem¬
pel den Augenreiz erhöhen und Stoff zu bezaubernden
Bildern geben. — Ob in der nächsten Zukunft der Bud-
dhaismus, die Lehre des Confuciuö, die Geisterverehrung
Ostasicns, die Lehren des Sinto der Japanesen und
die hindostanische Religion Zoroasters nicht auch für
das Ballet verwendet werden, das wird die Richtung
des Geschmackes beweisen, der, wie jede menschliche Lei¬
denschaft, wie jede socielle Unterhaltung, ja sogar wie
manche Tugend, einer gewissen periodischen Mode unter¬
liegt. Auf dem Culminationspnnkt der antiken Plastik
scheinen wir, was das Costume im Ballet und in der
mythologischen Operette betrifft, ohnehin angelangt zu
sein, und die Kritiker wissen nicht mehr zu entscheiden,
ob die Kleider unserer Tänzerinnen oben zu spät an-
fangcn, oder unten zu früh aufhören.

Wie die Riescncrinoline mit ihrem Aeqnator und
Parallelkrcisen von Stahl plötzlich den Kleidern Platz

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gemacht hat, in die jetzt die Damen wie Bonbons in
anliegendes Stagnolpapier eingewickelt sind, die Biber¬
schwänze in Netzen gefangen nnd die felscnharten Chi-
gnons sich plötzlich in offene Kometenschweife verwandelt
haben: so kann bei der Unbeständigkeit menschlichen Ge¬
schmackes sich die Verhüllung als Antithese der Ent¬
hüllung siegreich Herausstellen und ein Ballet, statt in
Tricot, in zugebundenen Säcken, die nur errathcn lassen,
was in ihnen steckt, wird vielleicht die nächste Augen¬
weide, der Triumph unserer Zukunftschoreographcn sein,
und dann wird der berühmte Astronom D'Alembert, der
Freund Friedrich des II., nickst mehr Recht haben, der
von den pirouetlirenden Ballet-Tänzerinnen behauptete,
daß auch auf sie die Gesetze der Astronomie anwendbar
seien, nämlich: je größer die Rotation, desto
größer die Anziehungskraft.

Merkwürdig aber bleibt cs, um auf den Ursprung
des Tanzes und der Tänze zurückznkommen, daß man
vielen von ihnen nicht nur religiösen Ursprung unter¬
schieben will, sondern sie fälschlich sogar von Krank¬
heiten ableitet. So sollen die in der Rhein- und Mosel-
gegcnd Deutschlands verbreiteten St. Veits- und Jo¬
hannis- und St. Valentins-Tänze aus einer epidemischen
Krankheit entstanden sein. — Die Johannislänze —
ursprünglich am St. Johannistage getanzt — während
früher in dieselbe Zeit heidnische Feste fielen, sollten an
den Tanz bei der Hochzeit der Herodias erinnern (im
29. Jahre nach Ehr. Geb.), die als Fran des Philippus
ihren Schwager Herodes Antipas heiraiete, und Johannes
den Täufer, weil er sich laut gegen diese Ehe aussprach,
enthaupten ließ.

Der Mißbrauch dieser religiösen Tänze am Jo¬
hannistage führte zu krankhaften Erscheinungen durch
Ucbcrtreibung. Alt und Jung ergriff eine Verzückung,
die den Körper zu einer Tanzwuth zwang. Hunderte
von Menschen zogen tanzend von Ort zu Ort, heilige
wieder wurden auch dazu gesungen und viele glaubten,

— 16 —

durch solche tanzende Wallfahrten ein religiös-verdienst¬
liches Werk zu leisten, ein Vorurtheil, das sich so ziem¬
lich noch bis auf die Gegenwart erhalten hat, da auch
bei unseren jetzigen Wallfahrten und Kirchweihfesten der
Tanz noch immer das unschuldigste Vergnügen bleibt,
dem man sich nach dem Gottesdienste sündenrein und
gestärkt an Leib und Seele hingibt.

Dieses seltsame Tanzunwescn ist mit Unterbrechungen
mehrere Jahrhunderte hindurch immer wieder bald hier,
bald dort ausgetreten. Im Juli 1237 sollen mehr als
1000 Kinder tanzend aus Erfurt ausgezogen sein, deren
Eltern sie erst nach zwei Tagen in Arnstadt wieder auf¬
fanden.

Wie sehr diese krankhafte Erscheinung den Einzelnen
erregte, beweisen uns viele Beispiele aus der Chronik
jener Zeit. In Basel wurde ein junges Mädchen von
der Tanzwnth so heftig befallen, daß sie überall tanzte
und man nicht genug Tänzer für sie auflreiben konnte.
Der Stadtrath, der sich der Leidenden väterlich annahm,
stellte einige starke, ausdauernde Tänzer auf, die sx
«Maio mit ihr tanzen mußten.* Die Krankheit währte
ungefähr einen Monat lang, beinahe ununterbrochen Tag
und Nacht fort. Während dieser Zeit aß das Mädchen
nnr sehr wenig und schlief selten, im Schlafe aber zuckte
ihr Körper stets wie von Krämpfen bewegt.

Hievon erzählt ein alter Schriftsteller — Trithemius
in Obrouio Ooouod. Hersaug. 47 — folgende Geschichte
(vergl. Flöget, Geschichte des Grotesk-Komischen von Ebe¬
ling 243):

„Als im Jahre 1012 in der Kirche des heiligen
Märtyrers Magnus in Sachsen ein Priester Rupertus
in der Christnacht die erste Messe begonnen, hat ein ge¬
wisser Laie Obcrlus mit 15 Männern und Weibern auf
dem anliegenden Kirchhofe einen Tanz angefangcn nnd

" Wilhelm Angcrstein: Neber Volkstänze im deutschen Mittel-
alter.

— 17 —

weltliche Lieder mit seiner Bande gesungen, wodurch der
messelesende Priester so gestört wurde, daß er aus aller
Fassung kann Er ließ also durch den Küster den Tan¬
zenden Stillschweigen und Ruhe gebieten; da aber diese
immer forttanztcn und sangen, wurde er so aufgebracht,
daß er an dem Altar ausrief: Gott gebe, daß ihr ein
ganzes Jahr so tanzen müßt! Diesem Wunsche oder
Fluche folgte die Wirkung bald nach, denn sic tanzten
ein ganzes Jahr, Tag und Nacht, ohne alles Aufhören,
sie aßen, tranken und schliefen nicht, kein Regen fiel auf
sic, weder Kälte noch Wärme empfanden sie, und wur¬
den auch nicht müde. Fragte sie Jemand, so gaben sie
keine Antwort; ihre Kleider und Schuhe blieben ganz,
ohne abgenutzt zu werden. Sie traten die Erde so ein,
daß sie bis an die Knie, ja endlich bis an die Hüften
darin standen. Als der Sohn des Priesters seine Schwe¬
ster, die sich unter den Tanzenden befand, beim Arm
ergriff und sic mit Gewalt den Tanzenden entziehen
wollte, riß er ihr den Arm vom Leibe, sie aber, als
wäre ihr nichts widerfahren zeigte, keinen Schmerz, gab
keinen Laut von sich, cs kam auch kein Tropfen Blut
heraus, vielmehr setzte sie den Tanz mit den andern
rastlos fort. Nachdem sie nun ein ganzes Jahr das so
getrieben, kam endlich der heilige Heribert von Köln auf
den Kirchhof, sprach die Tanzenden von dem Fluche los
und führte sie in die Kirche. Die Frauenspersonen star¬
ben bald, ebenso auch einige der Männer, die nach ihrem
Tode Wunder verrichteten, weil sic lange gebüßt halten.
Die übrigen aber, welche länger lebten, behielten zeitlebens
ein Zittern an ihren Gliedern." — Es ist unschwer
zu erkennen, daß diese Geschichte wahrscheinlich nur er¬
funden ist, um durch sic dem priesterlichen Fluche und
der Absolution Ansehen zu geben.

Wie viel an solchen Erzählungen Uebertrcibung ist,
kann man nur schwer feststellen.

Eigcnthümlich bleibt cs, daß zur selben Zeit, wo
in Deutschland der sogenannte St. Veits-Tanz auftrat,

2

— 18 —

sich in Italien eine ganz ähnliche Krankheit zeigte, von
der man sogar behauptet, daß sie bis heutzutage noch
nicht verschwunden sei. Man glaubte damals und glaubt,
wie ich aus eigener Erfahrung weiß, unter der nieder»
Volksclasse Neapels und Siciliens heute noch, daß der
Biß oder Stich einer in Italien nicht seltenen braunen
Kreuzspinne, Turuutolu, einen Zustand erzeuge, der den
Betroffenen zum Tanze zwingt. Gerade in der letzten
Hälfte des 14tcn Jahrhunderts, als in Deutschland der
St. Veits-Tanz am häufigsten auftrat, sollen nicht nur
cingcbornc Italiener, sondern auch reisende Fremde aller
Nationen massenhaft von diesem Uebcl befallen worden
sein, gegen welches Musik und Tanz allein Hilfe, wenig¬
stens Linderung schufen. Eine einfache, immer rascher
werdende Tanzmelodie, die ihrer eigenthümlichen Bestim¬
mung nach sogenannte „Tarantella", war das sonderbare
Heilmittel, welches bei den verschiedenen Formen, in denen
die Krankheit auftrat, mit allerlei Variationen angcwen-
dct wurde und sich endlich durch den Reiz, den es auf
das Auditorium ausübte, so beliebt machte, daß dem Ita¬
liener keine Tanzmusik lieber war, und daß gerade diese
bis auf den heutigen Tag im Stande geblieben ist, eine
wahrhaft clektrisirende Wirkung hervorzubringen. Wenn
der Italiener, besonders der sonst so träge Neapolitaner
oder Siciliancr, die heitere Weise einer „Tarantella"
hört, so gibt cs für ihn keine Beschäftigung, keine Er¬
müdung, keine Ruhe mehr, die ihn bewegen könnte, seine
Tanzlust zu unterdrücken. Die Stadt Taranto in Cala-
brien mag übrigens znm Namen des Tanzes das meiste
beigetragcn haben, da er heute noch dort vorzüglich und
am häufigsten getanzt wird.

Aehnlich der Tarantella tritt der ungarische „Csar¬
das" auf — nur beginnt er mit der dem Ungar eigenen
Moll-Jntroduction — verspricht bei den ersten schwer-
müthigen Accvrdcu eher eine Elegie, eine gefühlvolle Se¬
renade, als einen wilden Tanz, geht aber allmälich
crescendo auch mit dem Fcucr der Tarantella zu

— 19 —

Ende, nur daß im Csardas den klirrenden Sporen
zu Ehren noch mehr mit den Füßen gestrampft wird als
bei der Tarantella.

In der Geschichte des Csardas, dessen Musik
den Ungar ebenso hinreißt und begeistert wie die Ta¬
rantella den Italiener, wie der Irish Gig den
Engländer, wie der Bollero und Fandango, die
Cachucha und Gitana den Spanier, wie die Ma¬
zurka den Polen, wird nichts von Spinnen oder an¬
deren Jnsecten erwähnt, die durch ihren Stich zum
Tanzen verzückt hätten, und alle jene Quellenstudien
über den krankhaften Ursprung gewisser Tänze führen
uns an die Pforten der Mythe und Fabel, wo wir, wie
Dante an der Höllenpforte, stehen und lesen: stuMwts
vAni spsrunM voi ost' ontruts — Inst Ouuto III.

Mißbräuche, die sich bei diesen Tänzen einschlichen,
ja nach und nach zur Hauptsache wurden, veranlaßten
die Bischöfe, Verbote und Anathemas gegen den Tanz
und die Tanzenden zu schleudern — alle diese Ma߬
regelungen waren fruchtlos, und in Marseille wurde
trotz aller Kirchcnverbote am St. Lazarus-Tage (I7ten
Dezember 1024) ein solcher Tanz mit verlarvten Män¬
nern und Frauen entdeckt, der sich unter Pfeifen und
Saitenspicl durch alle Straßen der Stadt bewegte und
an dem sich sogar die niedere junge Geistlichkeit stark
betheiligte.

Aber auch andere Vorurtheile und Erinnerungen
waren mit den Tänzen verbunden. Nach einem stark
verbreiteten Volksglauben sollte der Tanz am Johannis¬
tage das Haus, wo er veranstaltet wurde, für ein Jahr
vor Gewitterschaden bewahren, — so entstand der soge¬
nannte Schäfflertanz in München als devote Feier
und Erinnerung an die Pest, die im Jahre 1350 in
Deutschland fürchterlich auftrat und Tausende dahin-
rafste. — Er wurde von der Zunft der Böttcher vom
Dreikönigstage bis zum Faschingdienstag in Costumen
und Charakter-Masken, mit „Reifschwinger", „Vor- und

2*

— 20 —

Nachtänzer" in der großen Schäfflcrhcrberge, so wie ans
offener Straße vor den Häusern der Patrizier der Stadt
getanzt. So war die St. Rosalia-Proccssiou in Pa¬
lermo die Folge eines Gelübdes der Mmiicipalität nach
der gelungenen sicilianischcn Vesper, und endete trotz
aller Devotion mit Tanz.

So war das „Schönbartlaufen" und der „Wasser¬
tanz" eine patriotische Erinncrungsfeier an die im Jahre
1349 in Nürnberg entdeckte Verschwörung, die am 3ten
Pfingstfeiertage den Stadtrath überfallen und erschlagen
sollte. — Die „Messerer" oder Messerschmiede, die sich
daran nicht bctheiligt hakten, erhielten zum Lohne von
Kaiser Carl IV. das Privilegium, in der Fastnachtzeit
öffentliche Tänze aufführeu zu dürfen.* Später be-
thciligteu sich au diesem Tanze, der in künstlich ver¬
schlungenen Figuren nach Art unserer Cotillons be¬
stand, und bei dem auch Scheingefechte mit entblößten
Schwertern vorkamen, reiche Bürger und Söhne der
ersten Familien. „Schönbartlaufen" nannte man jenen
Tanz, weil jeder der daran thcilnchmcn wollte, einen
„Schönbart," d. h. eine Maske und einen Masken-Anzug
tragen mußte.

Die Sitte dauerte bis 1539, wo bei einem gro߬
artigen, besonders prächtigen Schönbartlaufen (welches
der Meistersänger Hans Sachs beschreibt) bedeutende
Ruhestörungen stattfanden, welche durch die ordnenden
Zünfte, die alsSchutzwachc ausgestellt waren, veranlaßt
wurden, weil man damals noch nicht so zart beim Ord-
nungmachcn mit dem Volke umging, wie cs heutzu¬
tage, z. B. in Paris der Fall ist, wo der dienstthuendc
Sergeant de ville den frenetischen Cancan-Tänzerinnen,
wenn ihre centrifugalc Kraft zu heftig wird, die freund¬
lichen Worte zürnst: -Ia vorm priv Nöktänmos moäoro/,
vv8 trnnsports, sondern damals Ordunngsstörcr und
Cxcedenten gepackt und zu Boden geworfen wurden.

" Wilhelm Allste,stein. Volkstänze im deutschen Mittelalte''.

— 21 —

Das Schönbartlaufeu wurde eingestellt, und später bis
in das 17-Jahrhundert hinein nur der Zunft der „Mes¬
serer" gestattet.

„Schwerttanze" gehörten überhaupt zu den
Festlichkeiten der Edclleute in Italien und Frankreich
und der Zünfte in Deutschland, und wurden die Tänzer
in eigenen Fechtschulcu dazu herangebildet. Aehnliche
Tänze waren die Bügel- und Reiftäuze, bei denen
die Tänzer durch buntbcwickeltc Reifen sprangen, ferner
die 8 a t er n c n t ä n z e, die so wie die Fackeltänze
nur bei Nacht aufgeführt wurden und sich, wenn auch
in vereinfachter Form, bis auf den heutigen Tag erhal¬
ten haben. Ehemals war der Fackeltanz bei allen Hof¬
festen üblich; einer der letzten in wirklicher Form
eines Tanzes wurde am 18. April 1818 bei der Ver-
mälung des Herzogs Friedrich von Dessau mit der
Prinzessin Friederike von Preußen aufgeführt, an welchem
sich das erlauchte Brautpaar und der König selbst be-
thciligten. Daß diese Fackeltänze schon zur Römerzeit bei
Hochzeitsfcierlichkeitcn verwendet wurden, zeigen uns alte
Basreliefs und beschreiben uns Historiographen, wo der
Tacdis oder Kienfackeln erwähnt wird, welche dem
Brautpaare vorgetragen wurden, und hieraus später der
Gebrauch entstand, daß bei fürstlichen Hochzeiten den
Neuvermählten von den nächsten Verwandten brennende
und mit den Wappenfarbcn bemalte Fackeln unter dem
Schalle der Trompeten und Pauken voran- und nach¬
getragen und von den Fackelträgern Tänze ausgeführt
wurden. — Der Minnesänger Gottfried von Straßburg
beschreibt in seinem Epos „Tristan und Isolde" einen
solchen Reiheutanz mit Fackeln, eine Art Polonaise, die
vom Brautpaare selbst geführt wurde; während des
Tanzes tritt der Bischof im vollen Ornate ein, cs wird
ein Kreis gebildet und in dessen Mitte die Trauung
vollzogen.

Die Fackeltänze gehörten ihrer Gattung nach zu
den sogenannten Schreit-, Schritt- oder Schleif-

— 22 —

tanzen und sollten mit ruhigen, langsamen Bewe¬
gungen ausgeführt werden; jeder Herr führte seine Dame
bei den Schrittänzen, die Bewegungen beschränkten sich
auf unser heutiges dulunse^ tour äs muin, ssiasss'/ —
später kam pus äs bus<zus und sliuius uuZIuiss dazu

— die Paare standen sich einzeln gegenüber, woher der
Name soutrs - äuii86 stammt, die Bewegungen mußten
steif und langsam gemacht werden, theils wegen der
Rieseneoiffure der Damen, theils wegen der langen
Schlepp- und Rcifklcider. — Aus der Polonaise und
der oontrs-äunss entwickelte sich unter den heißblütigen
Italienern die Monferine, einer der ältesten Salontünze
Italiens, der anständig noch jetzt, obwohl auch in schnel¬
lem Tempo, getanzt wird, unter dem Volke aber als
Straßcntanz zu einer Art Cancan degcncrirte. — Die
Polonaise, dieser anfangs so steife Schrittanz, kommt
im Mittelalter auch schon als Spring tanz vor
(Unkursk), wobei die Tanzenden mit Schellen und
Sporen versehen waren, die durch ihr tacthaltendes Ge¬
töse die lustigen Gesellschaftstänze noch mehr belebten.
In Deutschland war der Zäun er, was Reihe be¬
deutet, ebenfalls eine Art Polonaise, in der die gegen¬
überstehenden Paare der Reihe nach vom ersten Paare
bis zum letzten Platz wechselten. Der Schm oller,
eine Art Ländler, von einzelnen Paaren getanzt, die sich
zeitweise bei den Händen hielten, zeitweise einzeln mit
dem Rücken gegen einander, gleichsam schmollend, tanzten;

— der Capriolen-Tanz mit Sprüngen, die jedoch
viel Uebung verlangten und an dem sich ältere Personen
nicht betheiligten; endlich der „Hoppaldei," „Hcierlei" und
„Fierleifei," lauter lustige Springtänze der Landbewohner,
in denen die Walzerdrehungen nach und nach immer
klarer hervortratcu. Man tanzte sie meistens im Freien
und sang lustige Lieder dazu. Die erste Anwendung der
bekannten Figur ^runäs olluins finden wir im Mittel¬
alter bei dem sogenannten „zwölf Monattanz,"
der von zwölf Paaren, die im Kreise aufgestellt waren,

— 23 —

ausgeführt wurde. Sobald die Musik erschallte, stampften
Alle mit dem rechten Fuße nach dem Tacte und ließen
die Schellen möglichst laut klingen — klatschten in die
Hände und tanzten zwei ganze RondeS, eine nach rechts,
die andere nach links; hierauf schwenkten die Paare nnd
bildeten vier Colonnen, jede zu drei Paaren, welche die
vier Jahreszeiten vorstcllten, jede bildete eine Ronde
für sich und tanzte die eben beschriebene Tour; war
diese zu Ende, so lösten sich die vier Colonnen wieder
auf, formirten sich in einen großen Kreis und begannen
durch Handreichcn und Vorwärtstänzeln die Aruusts
vstuiiw; mit einem allgemeinen Jubelgeschrei endete das
Ganze.

Die ursprüngliche Form unseres heutigen Walzers
war der sogenannte Dreh tanz. Die Paare drehten
sich wie bei unfern jetzigen Gesellschaftstänzen um sich
selbst und gleichzeitig um die Mitte des Saales, zeit¬
weise durfte man die Tänzerin, deren eine Hand auf
der Schulter des Tänzers ruhen mußte, auch ganz frei
lassen, sie mußte sich daun ein-, zweimal allein um sich
selbst drehen, worauf sie der Tänzer wieder bei den
Händen nahm und vereint weiter tanzte.

Wenn wir die Volks- und Gesellschaftstänze des
Mittelalters im allgemeinen betrachten, so finden wir,
daß die ältern Zeiten mehr die ernsthafte, ruhigere und
sittsame Bewegung des Schritt- und Schleiftanzcs liebten,
während die späteren hauptsächlich in raschen Drehungen
und Sprüngen das Vergnügen suchten.

Wir besitzen aus dem 16. Jahrhundert eine ein¬
gehende Schilderung der „wilden Tanzfreuden," wie die¬
selben damals, selbst in der besseren Gesellschaft genossen
wurden.

Wie es in diesem Jahrhundert auf einem Balle
oder Tanzfestc zuging, davon gibt uns der gelehrte,
markgräflich badische Rath und Obervogt zu Pforzheim,
Johann von Münster, in seinem zuerst 1594 gedruckten
„gottseligen Tractat vom ungottseligen

— 24 —

Tanz" in Folgendem genaue Mitteilung: „Die
deutsche allgemeine Tanzfonn besteht hierinnen, daß, nach¬
dem bei den Pfeiffern und Spielleutcn der Tanz zuvor
bestellt ist, der Tänzer auf's Zierlichste, Höflichste, Präch¬
tigste und Hoffärtigstc hcrfürtrcte und aus allen allda
gegenwärtigen Jungfrauen und Frauen eine Tänzerin,
zu welcher er eine besondere Affection trägt, jene erwähle.
Dieselbe mit Rcverentz, als mit Abuehmen des Hutes,
Küssen der Hände, Kniebeugen, freundlichen Worten
und anderen Zeremonien bittet, daß sic mit ihm einen
lustigen, fröhlichen und ehrlichen Tanz halten wolle.
Diese (hochnothige) Bitte schlägt die begehrte Frauens¬
person nicht lcichtlich ab, unangeschen auch der Tänzer,
der den Tanz von ihr begehrt, bißwcilen ein schlimmer
Pflugbcngel, oder ein anderer unnützer vollgesoffencr Esel,
und die Frauensperson eine stattliche vom Adel, oder
eine andre ansehnlich denn reiche Fran oder Jungfrau
ist. Es wäre denn, daß sie nm eines Verstorbenen Wil¬
len trauert oder Leid trüge. In dem Fall ist sie, und
auch eiue Mannsperson entschuldigt. So fern noch bei
dem, der den Tanz begehret, so viel Verstandes übrig
ist, daß er diese Entschuldigung annehiuen will. Ist
aber der Kerl gar voll und toll, der den Tanz begehret,
so muß die Frauensperson eben wohl fort. Will sie
nicht tanzen, so mag sie schleissen. Will sic im Tanz
nicht lachen und fröhlich springen, so mag sie weinen
und sauer aussehen und traurig tanzen. Denn er ver¬
läßt sie nicht, weil er sic bei der Hand hat, sondern er
zieht mit ihr immer fort, zum Tanze, wie mit einem
Widder zur Küche. Darüber lachen etliche, die dabei
stehen und zuschcn, etliche aber, denen die Frauensperson
verwandt ist, scheu übel aus, und dürfen bißweilcu mit
diesem unzeitigcu Tänzer Händel und Streik anfaugen.
Ist aber die Frauensperson also daran, daß sic ans
wahrer Erkenntniß Gottes den Tanz hasset und dem
Tänzer den Tanz abschlägt, oder aus anderen Ursachen,
mit ihm zu tanzen sich weigert, so ist das Ei zertreten.

— 25 —

Dami fängt der Tänzer an zn fragen, oder beschickt die
Frauensperson durch seine Freunde, was sic für 'Ursache
habe, ihm den Tanz zu verweigern, ob er nicht redlich,
ehrlich, oder gut genug dazu sei u. s. w. Zuweilen
wartet der Tänzer nicht so lang, daß er die Beschickung
kann fürnchlncn. sondern schämt sich auch nicht, die
Jungfrau oder Frau, sobald sie ihm den Tanz gcwci-
gert hat, wider alle Billigkeit, Redlichkeit und Recht
aufs Maul zu schlagen. Etliche geben dem Schlägel-
Recht und vcrlhcidigcn seine lose Sache mit dem Spruch:
einem ehrlichen und redlichen Mann muß und soll mau
keinen Tanz weigern. Darum ist der Person Recht ge¬
schehen u. s. w. Andere aber halten dieses (wie denn
billig ist) für eine solche unbescheidene, tyrannische That,
daß sie wcrlh sei, daß die ganze Gesellschaft derselben
sich annehmc und sie räche. Daraus dann endlich solch
Werk erfolget, das ohne Blutvergießen und stetigem
Hasse nicht wol oder kaum kann beigelegt und verglichen
werden. Wenn aber die Person bewilligt hat, den Tanz
mit dem Tänzer zu halten, treten sie beide herfür, geben
einander die Hände, und umfangen und küssen sich nach
Gelegenheit des Landes, auch wol recht auf den Mund,
und erzeigen sich sonst mit Worten und Gcberden die
Freundschaft, die sie vor langer oder kurzer Zeit ge¬
wünscht haben, einander zu erzeigen.

„Darnach, wenn es zum Tanz selbst gekommen ist,
halten sic ernstlich den Vortanz, derselbe gehet etwan mit
ziemlicher Gravität ab.

„Es kann aber in diesem Vortanz das Gespräch
und Unterredung derer, die sich lieb haben, besser ge¬
brauchet werden, als in dem Nachtanz. Dies aber haben
sie gemein, daß die Tänzer, wenn sie zum End des Ge¬
maches, in welchem sie tanzen, gekommen sind, wieder
umkehrcn, und sich zu beiden Seiten, zur rechten und
zur linken, so lang wenden und treiben, Vorgehen und
folgen müssen, bis der Pfeiffer anfhört zu spielen, und
ihn gelüstet, ein Zeichen zu geben, daß der Vortanz aus.

— 26 —

getanzt sei. Darnach ruhen sie ein wenig, stehen aber
nicht lange still. Sind cs gute Freunde, so reden sie mit¬
einander von den Dingen, die sie gern hören.

„Ist aber die Freundschaft nicht so groß, so schwei¬
gen sie still, und warten bis der Pfeiffer wiederum auf¬
blaset zum Nachtanz. In diesem gehet es was unordent¬
licher zu, als in dem vorigen. Denn allhier des Laufens,
Tummelns, HanddrückcnS, heimlichen Anstoßens, Sprin¬
gens und bäurischen Rufens und anderer ungebührlichen
Dinge, die ich Ehren wegen verschweige, nicht verschonet
wird, bis daß der Pfeiffer die Leute, die wohl gern, wenn
sie könnten, einen ganzen Tag also tollerweise zusam¬
men liefen, durch sein Stillschweigen geschieden hat. Da
hört man dann oft einen schrecklichen Fluch über den
Pfeiffer, daß er viel zu bald den Tanz ausgespiclt oder
auch manchmal den Tanz zu lang gemacht hat. Denn
sie schämen sich aufzuhören zu tanzen, ehe und bevor
der Spieler aufgchört hat zu Pfeiffen. Die Strafe wird
ihm bisweilen auch zugelegt, daß er noch einmal um
dasselbe Geld (wie sie reden) aufblasen muß. Da gilt
es dann mit Tanzen aufs Neu. Wenn aber der Tanz
zu Ende gelaufen ist, bringt der Tänzer die Tänzerin
wiederum au ihren Ort, da er sie hergenommen hat,
mit voriger Reverentz, nimmt Urlaub und bleibet auch
wohl auf ihrem Schooß sitzen und redet mit ihr, darzu
er durch den Tanz sehr gute und keine bessere Gelegen¬
heit hat finden mögen."

Das hier entrollte Bild weicht, dem Himmel sei's
gedankt, von unfern jetzigen Begriffen einer Tanzuntcr-
haltung sehr ab, freilich bestanden damals die Tänzer
aus Männern, die sich im Gewühle der Schlacht am
wohlsten befanden, die gerne dem vollen Humpen reichlich
zusprachen, bei denen jede Festlichkeit mit fast allgemeiner
Trunkenheit endete — und was wohl am entscheidendsten
mitwirkte — bei denen der Frauencultus noch sehr im
Argen lag. — Wie dieser letztere sich zu Anfang des
17ten Jahrhunderts zu heben begann, wie er am fran-

— 27 —

zösischcn und am deutschen Hofe die Basis mütterlicher
Erziehung wurde, verlor sich auch das Wilde, das Rohe
in der Unterhaltung — der Gesellschaftstanz wurde durch
Meister gepflegt — gelehrt und bildete eben nicht den
letzten Thcil einer vollendeten Erziehung, „L8t-6s-^u'il
oonimit In äs,n86 ?" fragte Cardinal Richelieu, der
mächtige Minister des Aeußern und des Krieges unter
der Regierung Ludwig XIII,, den Admiral, der ihm einen
seiner Flvttenoffieiere lobte und um die Gnade bat, ihn
dem Könige vorstellen zu dürfen. „NonsoiZnour", antwor¬
tete der überraschte Admiral, „II u'stuib snMZs sus-
qus 6 xrosunt M6 uvoo In wsr, st il a äun8s uvss
dsuusoup äs Muss"! Richelieu, der nichts schuldig blei¬
ben wollte, antwortete: „Ni bisu, il äunssru clons uvso
lu rsins wsrs" (damals die verhaßte Maria v. Medici).
Der Frauencultus entschied über die socielle Entwicklung,
besonders in Frankreich, das gesellschaftliche Leben über¬
haupt erhöht seinen Werth, je höher man die Frauen
stellt, sie erheben uns dann auf ihre Höhe — kein
Wunder wenn man zuweilen dabei schwindlich wird!
So entstand im I7ten Jahrhundert, in der Zeit der ro¬
mantischen Schäferspiele, die Menuet, ein kleines zum
Tanze geeignetes Tonstück im langsamen Tacte —
bestehend aus 2 Theilen, deren jeder wieder aus 8 Tac-
ten besteht. Oesters kommt noch ein Trio, „Nsmwtto
sssouäo", dazu, ebenfalls aus 2 Theilen bestehend. Der
musikalische Charakter der Menuet ist gefälliger Anstand
mit Einfachheit verbunden, daher abgemessene, langsame
Bewegung und Vermeidung alles Eckigen und Harten,
graciöse Complimente, zuvorkommendes Ausweichen. Die
Menuet als Tanz soll aus der Pronvinz Poitou stam¬
men, dem Stammorte des berühmten Cardinals Armand
Duplcssis Duc de Richelieu, und anfänglich schnelle Be¬
wegungen gehabt haben — je höher die Classe der Ge¬
sellschaft stand, in die er ausgenommen wurde, desto lang¬
samer wurde das Tempo, in dem man ihn tanzte; bei
Hofe wurde er natürlich am langsamsten getanzt. Der

— 28 —

Componist Lully soll der Erfinder sein und Ludwig XIV.
soll den ersten LIsuusb äs Irr sour in Versailles 1660
gelaust haben.

Die Quadrille soll spanischen Ursprungs sein —
und soll zuerst als elegante Reitübung in 4 Abthcilun-
gcn, jede zu 8—12 Mann, ausgcführt worden sein. —
Sie bestand damals nur aus 2 Figuren, dem Frvntritte
um einen der Reiter rund herum, der still nud beinahe
unbeweglich das Centrum des Kreises bildete, den der
Flügelmann in vollem Galopp beschrieb — und aus
wechselnden Figuren. Zuweilen bcthciligtcn sich auch Da¬
men und das ssu äs burrss wurde damit verbunden. —
In den Salon versetzt, wurde sie ein heiterer Tanz —
und mit dem Namen Istuu^aiss bezeichnet, an dem sich
anfangs nur 4 Paare bcthciligtcn. — Seine später»
Abtheilungen Uuirtulou, Ilsts, kouls, Vrsuis Uustou-
rslls und die bunten endlosen Finale verdankt er den
Salonchorcographen.

Eine amüsante Variation neuer Erfindung, eine
Quadrille nach Gruppen zu 4 und 4 Paaren, in 6
Abtheilungen, ist der Uunsisrs oder Uuuoisrs impsriuäs,
in den sich sogar einige Menuet - Figuren Iss visitss
ou Iss Awirsss eingeschlichen haben. —

Ein echt deutscher, allgemein beliebter Tanz wurde
der Walzer, der seinen Ursprung dem alten Drehtanzc
verdankt. Er muß als der eigentliche deutsche Natioual-
tanz betrachtet werden, und findet sich mit geringen Ab¬
änderungen seines Namens seit Jahrhunderten immer
wieder. Der Ländler oder Länderer oder Dreher
ist die älteste Art des Walzers: der Langaus bei dem
man galoppirte und nur zeitweise zweischrittige Dre¬
hungen machte, entpuppte sich später als Walzer-Galopp.
In langsamem Tempo getanzt, Pflegte man den Walzer
mit Gesang zu begleiten — in dieser Form gab er
zur Einbürgerung des bekannten Liedchens „Ach du lie¬
ber Augustin" Anlaß. Augustin war ein zu seiner Zeit
viel gepriesener Dudelsack-Pfeifer, der in diesem zum

— 29 —

Volkslicde erhobenen Tanzliede komisch verherrlicht wurde;
er lebte noch um das Jahr 1670.

Ein anderer, sehr alter deutscher Tanz war der
„Kehraus."

Wie die bereits erwähnte Polonaise zu Anfang der
Feste mit aller Grazie von Jung und Alt getanzt wnrde,
so kam zum Schlüsse besonders bei Hochzeiten und an¬
deren Familienfestlichkciten der Kehraus, an dem sich
ebenfalls Alt und Jung bethciligte. — Jeder nahm
irgend ein Wirthschafts-Gcräthe in die Hand, nur durfte
kein Besen ergriffen werden, weil man glaubte, dies
bringe Unglück. So seltsam ausgerüstet, setzte sich der
Zug in Bewegung und sang das Lied: IIn ns äs
UrotvnU äs Olroämotsr nullin äu vor 68 so lnsti
iur Hunss; — Nun ging cs durch das ganze Haus,
durch Zimmer und Flur, durch Thüre und Fenster in
den Hof, in die Ställe, in die Scheune und wieder in
den Tanzsaal zurück, wo das während des Tanzes ge¬
sungene Lied mit Chorus und allgemeinem Gelächter
endete.

Eines anderen sehr alten Tanzes erwähnt Ber¬
thold Auerbach in seinen „Dorfgeschichten." Es ist der
noch jetzt in Schwaben übliche „Si eben sp ru n g." Auch
er wird durch Gesang begleitet — man singt dazu:

Mache mir den Siebensprung,
Mach mir fein jetzt alle sieben,
Mach mir's, daß ich tanzen kann,
Tanze wie ein Edelmann,
S' ist einer rc.

Bei dem Worte „'s ist einer" kniet der Tänzer
nieder und berührt mit Ellbogen und Stirn den Fu߬
boden, während ihn die Tänzerin umtanzt. — Am
Schlüsse des nächsten Verses heißt cs „'s sind zwei,"
und so geht eö fort bis sieben, dann wird wieder

W. Angerstein. VolkMnze im deutschen Mittelalter.

— 30 —

rückwärts bis eins gezählt und werden dieselben Be¬
wegungen gemacht.

Mit Bildung und Gesittung hält der gesellschaft¬
liche Tanz gleichen Schritt, und wenn der Deutsche, Ver¬
nicht so gern plaudert als der Franzose, von welchem
Letzteren Mad. Staöl behauptet: „IIn kruuyuis suit
oireoro purlor mswo «juuuä il n'u xoiut ä'iäoss," wenn
der Deutsche seinen Walzer cultivirt, bei dem die Athem-
losigkeit den Mangel an geistreicher Conversation ent¬
schuldigt, so hat der Franzose seine Quadrille erfunden,
um recht liebenswürdig schwätzen zu können. Daß es
einem dabei passiren kann, daß man, aufgeregt vom Tanze,
von der Musik und etwas zerstreut, seinem vis-u-vis
die Fortsetzung von dem sagt, was man eben seiner
Dame anvertraute und bethenerte — nun das gehört
eben zu den Wechselfällen des Lebens, wogegen sich die
Damen am besten schützen, wenn sie nicht Alles glauben,
was ihnen ein Tänzer beim Kerzcnschimmer erzählt und
betheuert. Beim Tageslichte nach einem Balle nehmen
sie sich selbst und Alles, was man ihnen zulispelte,
ost ganz anders aus. —

Nach diesen kurzen, flüchtigen Betrachtungen über
unser socielles Leben bezüglich des Tanzes, haben wir
somit keinen Grund, über unsere neue Zeit zu klagen,
wenn sie mich nicht den Schimmer von Romantik, von
Minnesängcrthum und von Ritterlichkeit besitzt, in dem
sich die vergangenen Jahrhunderte, freilich nur in der
Retroperspcctive, so bezaubernd ausnehmen. Auch un¬
sere Zeit hat für jeden, der ihren Geist aufzufassen ver¬
steht, ihre Reize, und man kann wirklich nur mitleidig
lächeln über diejenigen, die heute schwärmen für die
„gute alte Zeit." *

Die holden Märchenzeiten, klagt man, sind verschwunden,

Wo manche Fee dem Abcndthau entstieg,

Wilhelm Angerstein, über Volkstänze.

— .31 —

Wo sich so oft, zu nächtig stillen Geisterstunden,

Wenn die Natur in ihrer Ruhe schwieg,

Aus Grotten, Thälern, Wolken und aus Seen

Die Geister schwangen auf zn Himmelshöhen;

Dem ist nicht so — die muntern Geister jener Zeiten,
Sie leben fort und fort in Liebeslust,

Das Lied jedoch, das sie mit Harfenton begleiten,
Muß Echo finden in des Menschen Brust;

Im Widerklange nur, im Echo jener Lieder
Lebst du romaut'sche Hcldenzeiten wieder.

Aber wie gesagt: das Quellenstudium über den Ur¬
sprung der Tänze wird ein Chaos, ja wie Ninon de Lcnclos
von der Tugend der Frauen behauptet—eine Temperamcnts-
fragc; Klima, Nahrung, Race entscheiden dabei, wie beiden
tropischen und nordischen Pflanzen, und mau hat viel¬
leicht nicht unrecht, wenn man die Weine, die Getränke
der verschiedenen Nationen mit ihren Tänzen grnppirt

— wenn man den wasser- und weinarmcn Ländern, wie
Montenegro, Bosnien und dem Karst, die Lust zu tan¬
zen ganz oder beinahe ganz abspricht, wenn man den
Branntwein, den doppelpolnischen Fusel, Kümmel und
Slivovih, den Rostopschin des kalten Nordens mit ein¬
fachen Sprüngen und Lärmtänzen abfertigt — über die
hinaus sich nur der leichtblütige Pole durch seinen Ma¬
zurek oder Mazurka, begeistert von seinem Czai, seinen
schönen Frauen mit den kleinen Füßen, erhebt; wenn
man den schweren kroatischen Weinen den „Kolo" zu-
schrcibt, den rührigen Csardas durch Ungarns herrliche
Reben begründet — die Tarantella durch Siciliens vul¬
kanischen Nectar, durch Marsala, Laerimä Christi, Li¬
pan rechtfertigt — den Bolero, Fandango, Cachncha und
die Gitana durch Spaniens Malaga, Aicres, Fontillon,
Malvasia, Pedro Timenes und Montana erklärt, —
dem Deutschen seinen Rhein-, Mosel- und Oesterreicher-
Wein für den Walzer und sonstige Rundtänzc gestattet

— und endlich Burgunder und Bordeaux für Francaiseu

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und Contredanse, dcn OimnapuZno mousssux für den
Perlenden und übcrschöumenden Cancan rcservirt.

Irish Gig und Seotch-Recl, die englischen Nativnal-
Tänze, sowie Sir Roger de Covcrlcy endlich, der salon¬
fähig geworden, werden mit Portwein, Sherry und
Brandy zufrieden sein, und dem Böhmen geben wir zu seinem
spärlich zngemessenen Melnikcr Neclar sein schäumendes
Bier, und König GambrinuS wird Redovak tanzen.
Wein, Weiber und Gesang, das alte, allmächtige
Trifolium, die Dreifaltigkeit der irdischen Genüsse, wer¬
den also auch hier begeisternd wirken, die gazellenartige
Polin — wird und muß sich anders bewegen als AlbionS
majestätische Blondine, und die wie ein Doppelpony
kräftig gebaute Czcchin kann mit der Pariserin der Chan
miürc oder des Jardin Mabille sich in kein graziöses
Wettrennen einlassen — jede glänzt in ihrer Art und
folgt ihrem unumstößlichen Naturgesetze auch im Tauze.

Die Krankheiten aber als Ursache der National¬
tänze anzunchmen, hat man wohl mit Recht in das
Reich der Fabel verwiesen — Rcligionsgebräuche —
frommer Sinn, ms. w. mögen der Unsitte, die allmü-
lieh über sie hereinbrach, nur zur Folie gedient haben,
wie es Devote gibt, die alle Fasttage gewissenhaft beob¬
achten, weil ihnen gut gesülzte Fische und Mehlspeisen
sehr gut munden.

Was den hygienischen Thcil des Tanzes anbelangt,
so steht cs fest, daß der Tanz zu den gesundheitsför¬
dernden gymnastischen Uebungen gehört, wenn man da¬
bei die große kleine Regel nicht übersieht: „ost moäus
in rostus," da Tänzer noch mehr Sauerstoff verbrauchen,
als die Tänzerinnen Stoffe überhaupt, da ein böser Sa-
tyriker einst die Damen mit den Kerzen verglich und
behauptete, daß beide fleißig geputzt werden müssen, wenn
sic gut brennen und glänzen sollen — da aber auch die
Kerzen und Vampen Sauerstoff brauchen — so folgt
daraus, daß gute, reine Bist das zweckmäßige Medium

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für Tänzer und für Kerzen ist. Am gesündesten ist da¬
her der Tanz im Freien oder in gut gelüfteten Räumen.

Der Tanz selbst ist von Niemandem als verwerflich
erklärt, cs sei denn von Menschen, die au puritanischer
Uebcrspanntheit leiden. Jedem, der gern tanzt, ist cö
ziemlich gleichgiltig, mit wem er tanzt, nur muß man
gut tanzen. Sorglosigkeit, jugendlicher Frohsinn, der
süße Trieb der Geselligkeit — sind wahrscheinlich die ur¬
alten einzigen Erfinder des Tanzes — ohne daß sich die
Gelehrten den Kopf zerbrechen, um zu entscheiden ob
Jubal oder Orpheus die ersten Tanzmeister waren, und
ob Terpsichore wirklich die Fanny Elsler, die Cerito des
Musenconservatoriums im Olympe war.

Basedow — der berühmte Pädagog, -f 1723, der
Zeitgenosse Pestalozzi's, der eifrige Verfechter des Kos¬
mopolitismus — behauptet: „Das Menschengeschlecht
würde um ein Beträchtliches glücklicher sein, wenn
wenigstens einmal in der Woche in jeder Familie ge¬
tanzt würde."

Daß der Tanz im höchsten Grade geeignet ist, ge¬
sellschaftliches Vergnügen zu befördern, wird man schon
darum nicht leugnen können, weil er eine gymnastische
Uebung ist, an der auch das schöne Geschlecht thcilnehmcn
kann, das schöne Geschlecht, das ein Satyriker — die
göttliche Mayonnaise der Schöpfung nennt, die Alles
schmackhaft macht, und die ärmste Speise pikant ver¬
edelt.

Jede Körperbewegung, also auch der Tanz, beför¬
dert die Fröhlichkeit, bringt träges Blut in schnellere
Circulation und fröhliche Menschen sind glücklicher, als
trübsinnige; heitere Menschen besser, als Grämlinge und
Hypochonder.

Der Tanz wird heutzutage wie das Salz die un¬
entbehrliche Würze für Alles, beinahe keine Unterhaltung,
an der sich Jugend und Mittelalter betheiligen, kann
des Tanzes entbehren, ja sogar die wissenschaftlichen Vor¬
lesungen vertragen diesen Beigeschmack und gewinnen durch

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ihn an Werth nnd Anziehungskraft, und wie jeder Psalm
mit dem Gloria endet, so wird jetzt ein Tänzchen das
Finale, der kalligraphische Lerzng, den man überall an¬
bringt.

Da aber Göthe sagt:

Gran, theurer Freund,

Ist olle Theorie

Und griin des Lebens gotd'ner Baum,

so empfehlen wir nach dieser theoretischen Studie die
goldene Praxis — denn sonst könnten wir wirklich das
italienische Dictum zu hören bekommen: wsno Mueellers
6 piü kutti.

ebMvnnn in unie^^ininn
mirnim