DIE BEDEUTENDSTEN KUNSTWERKE mit besonderer Rucksicht auf A. Zeehes Lehrbiicher der Geschichte zusammen- gestellt und bildvveise erlautert von Dr. ALFRED MČLLER. I. DAS ALTERTUM mit 153 Abbildungen empfohlen vom hohen k. k. Ministerium fur Kultus und Unterricht mit Erlafi vom 7. Marž 1907, Z. 8277 II. DAS MITTELALTER BIS ZUR NEUESTEN ZEIT mit 160 Abbildungen. 2 reich illustrierte Bande. Preis jedes Bandes elegant gebunden 5 K. Die wesentliche Eigen- art der sehr gefallig aus- gestatteten beiden Bande, aus welchen hier einige kleinere Abbildungen abgedruckt wur- den, besteht darin, dafi es kaum eine Zeile ohne un- mittelbare Be- ziehung auf eine Abbil- dung enthalt. Die geschichtliche Entrvicklung der Kunste wird in unausgesetztem Zusammenhang von Bild ijnd Wort deutlich gemacht; nirgends werden Urteile gefallt, die vom Leser nicht gleich sorgfaltig auf ihre Richtigkeit gepriift werden konnen. So wird ein gedankenlos glaubiges „Hinnehmen miissen 11 von Erlauterungen und Wertbestimmungen iiberall ver- mieden, anderseits wird die Lekture des Buches durch die geringe Inanspruchnahme des Gedacht- nisses zu einer sehr anregenden. Der Verfasser LAIBACH 1908. vermittelt z. B. die Kenntnis der Entstehungszeiten der erhaltenen antiken Tempel fast durchaus durch Heranziehung innerer Momente, durch steten Vergleich, durch dic lebhafte Betonung der einzelnen Bauteile bei alten und neuen Tempeln. In dieser Weise werden auch die verschiedenen Stilarten, das Entstehen der einen aus der anderen erlautert. Das pragt sich besser ein als bei gedankenlosem Memorieren der Jahreszahlen der Entstehungszeiten. Der Verfasser sucht nicht nur lose Kenntnisse, er sucht Erkenntnis zu geben. Das Buch eignet sich seiner ganzen Anlage nach in hervorragender Weise fiir Schiller hoherer Lehr- anstalten und bildet einen iiberaus wertvollen Behelfbeim Geschichts- studium, namentlichfiirLehrer und Schiiler, die sich der Zeeheschen Lehrbticher bedienen. Die Biicher sind in allen Buchhandlungen erhaltlich. IG. v. KLEINMAYR & FED. BAMBERG VERLAGSBUCHHANDLUNG. Osterreichische Vaterlandskunde fur die VIII. G-jmnasialklasse. Bearbeitet von Regierungsrat Andreas Zeehe Dr. Franz Heiderich k. k. Gymnasialdirektor in Villach. Professor an der Exportakaderaie und an der k. u. k. Konsularakademie m Wien. (Geschichte.) (Geographie.) Zteite Auflage ierVaterlaMstode von A. Zeeke M Dr,W, Schmidt, Mit ErlaB des hohen k. k. Ministeriums vom 17. September 1907, Zahl 34.273, als zum Unterrichtsgebrauche allgemein zulassig erklart. Preis in Leinwand gebunden 3 K 20 h. Laibach 1907. Druck und Verlag von Ig. v. Kleinmayr & Fed. Bamberg. i 5 Jvf ( d ^-6 Inlnalt. Erster Teil. Geschichte der dsterreichisch-ungarischen Monarchie. Seite Einleitung.3 Erster Abschnitt. Von denaltestenZeitenbiszum Jahre 976 n. Chr. Die Zeit der Staaten- griindung. I. Die vorgeschichtliche (prahi- storischc) Zeit.5 II. Die Romerherrschaft (15 v. bis 476 d. Obr.).6 1. Die Broberungen der Komer auf dem Boden des Kaiser- staates.6 2. Innere Zustande zur Zeit der Romer.7 III. Die Volkerwanderung, das Reich der Aw-aren und die Einwanderung der Slaweu bis auf Karl den Groflen (375-788).9 1. Die Germanen u. die Hunnen 9 2. Die Aivaren und Slawen . 10 3. Die Bayern.12 IV. Die Herrschaft der Franken in Osterreich (774 — 918) . 13 1. Karl der Grofie und die Griin- dung der Ostmark. . . . 13 2. Das Ostfriinkisehe Reich; S\vatopluk.14 3. Die Magyaren; der Unter- gang und die Wiederher- stellung der Ostmark . . 15 Zweiter Abschnitt, Die Zeit der Babenberger und des Zwischenreiches (976 1282). I. Osterreich und die ubrigen Alpenlander zur Zeit der Babenberger.17 Seite A. Osterreich.17 1. Die Enveiterung der Ost¬ mark .17 2. Die Erhebung Oster- reichs zum Herzogtume 18 3. Die Teilnahme Oster- reichs an den wichtigsten Ereignissen im Reiche . 19 4. Die Stellung des Landes- fiirsten in Osterreich. . 20 B. Die ubrigen Alpenlander (Steiermark, Karnten, Krain, Istrien und Salz¬ burg) .21 1. Steiermark.21 2. Karnten.22 3. Krain.23 4. Istrien.23 5. Salzburg.24 II. Bohmen unter den Premys- iiden.24 III. Ungarn unter den Arpaden . 26 IV. Das osterreichische Zwischen- reich u. die ersto Verbindung der Sudeten- u. Alpenlander unter Premysl Ottokar II. (1246-1282). 28 1. I)ie Anspruche auf das baben- hergische Erbe.28 2. Die Erwerbung der Alpen¬ lander durch Ottokar II. . 29 3. Rudolf I. und Ottokar II. . 30 4. Die Belehnung der Ilabs- burger mit den osterrei- chischen Libidom .... 31 V. Kultur..32 A. Die Religion und Kirche . 32 B. Die Verfassung.33 C. Die Gliederung der Bevol- kerung.34 1. Dor Adel.34 IV Dritter Abschnitt. Von der Belehnung der Habsburger mit den Alpenlandernbis zur Schlaoht bei Mohacs (1282—1526). I. Die Alpenlander unter der Herr- schaft der Habsburger bis zur Spaltung des Hauses in zwei Linien (1282 —1379) 46 A. Albrecht I. (1282-1308) . 46 1. Albrecht als Landesfiirst 46 2. Albrecht als Konig . . 47 B. Friedrich der Schone (1308 bis 1330). 47 1. Der Kampf um d.deutsche Krone.47 2. Die Bildung d. Schweizer Eidgenossenschaft ... 48 C. Albrecht II. der Weise oder Lahme (1330-1358) . . 49 1. Die Enverbung Karntens 49 2. zllbrechts innere Regie- rung.50 D. Rudolf IV. der Stifter (1358 bis 1365 1 . 51 1. Die Enverbung Tirols . 51 2. Rudolfs Erbvertrago . . 53 3. Rudolfs Regierung im Innorn.53 II. Bolnnen unter den Luxem- burgern (1310 —1437) . . 54 A. Johann (1310—1346) . . 54 B. Karl IV. (1346—1378) . . 55 C. Wenzel IV. (1378-1419) . 56 D. Siegmund (1419—1437) . . 57 III. Ungarn unter dem Ilause Anjou und Siegmund (1309—1437) 58 Seite A. Das Haus Anjou .... 58 1. Karl Robert (1309 bis 1342) *. 58 2. Ludvig I. der Grofie (1342-1382) .... 58 B. Siegmund (1382 —1437). . 59 Die Zeit der beginnenden An- naherung der drei Lšinder- gruppen bis auf Maxiniilian I. (1379—1493). 60 A. DieAlbertinischeLinie (1379 bis 1457). 60 1. Albrecht III., IV. und V. (1379—1439) .... 60 2. Ladislaus Postumus (1440 bis 1457). 60 B. Die Leopoldinischc Linie (1379-1493) .... 61 1. Leopold III. (1379 bis 1386). 61 2. Die Leopoldincr in Tirol u. Vorderosterreich (1411 bis 1490). 62 a) Friedrich IV. (1411 bis 1439). 62 b) Siegmund (1439 bis 1490). 63 3. Die Leopoldincr in Inner- osterreich (1411 — 1493) . 64 a) Die Streitigkeiten im regierenden Hanse . 64 b) Friedrichs III. Be- ziehungen zu Bohmen und Ungarn .... 66 c) Die Erwerbung Bur- gunds.66 d) Friedrichs Uharakter . 66 V. Maximilian I. (1493 —1519). Die Begriindung des ostor- reichischen Gesamtstaates, die Erhebung des Hauses .Habsburg zur ersten Macht in Europa und die Anfšinge der modernen Staatsvenval- tung in Osterreich ... 67 A. Maximilians Reichsreform . 67 B. Die Landererverbungen unter Maximilian .... 67 C. Die Begriindung des mo¬ dernen Staates in Oster¬ reich .68 D. Maximilians Ftirsorge fur Wissenschaft und Kunst . 69 E. Maximilians Charakter . . 70 VI. Kultur.70 A. Die Kirche.70 B. Die Verfassung.71 v Vierter Abschnitt. Die Gesamtstaatsgeschichte von der Sohlacht bei Mohacs bis zur Gegen- wart (seit dem Jahre 1526). Er s ter Teil. Von der Schlacht bei Mohacs bis zum Erloschen des habsburgischen Mannsstammes (1526—1740). I. Das Herrscherhaus .... 78 1. Ferdinand I. (1521-1564) 78 2. Maximilian II. (1564—1576) 79 3. Rudolf II. (1576-1612'). . 79 4. Matthias (1612-1619) . . 80 5. Ferdinand II. (1619-1637) 80 6. Ferdinand III. (1637-1657) 81 7. Leopold I. (1657 — 1705) . 81 8. Josef I. (1705-1711) . . 81 9. Karl VI. (1711—1740) . . 81 II. Die Tiirkenkriege (1529-1739) 82 1. Die Habsburger in der Ver- teidigung (1529 — 1683) . . 82 2. Die Habsburger im Angriffe (1683-1739) . 83 III. VVallenstein und Eugen von . Savoyen.85 IV. Die Reformation und Gegen- reformation.86 V. Die Verfassung.89 1. Die Alpen- und Sudeten- lander.89 2. Ungarn.90 VI. Die Verwaltung.91 1. Die Verwaltung im engeren Sinne.91 2. Das Gerichtswesen ... 92 ' 3. Das IIeerwesen.93 4. Das Finanzwesen .... 93 Seite VII. Die Literatur und das Schul- wesen.94 1. Die Dichtkunst.94 2. Die Prosa.94 3. Das Scbubvesen .... 95 VIII. Die Kunst.95 - 1. Die Baukunst.95 2. Die Plastik.96 3 Die Malerei.96 IX. Die materielle Kultur ... 97 1. Der Ackerbau.97 2. Der Bergbau.97 3. Das Gewerbe und die In¬ dustrie ..98 4. Der Handel.98 Z w e i t e r Teil. Osterreich unter der Herrschaft des Hauses Habsburg -Lothringen (seit dem Jahre 1740). I. Die Zeit des aufgekliirten Ab- solutismus (1740—1792) . 99 A. Das Herrscherhaus ... 99 1. Maria Theresia (1740 bis 1780). 99 2. Josef II. (1780—1790) . 100 3. Leopold II. (1790—1792) 101 B. Die Gebietsveranderungen . 101 1. Die drei Schlesischen Kriege und der Oster- reichische Erbfolgekrieg (1740-1763) .... 101 2. Die erste Teilung Po- lens (1772). 103 3. Die Erwerbung der Bu- kovvina (1775) .... 103 4. Der Bayrisclic Erbfolgo- streit (1778—1779) . . 103 5. Der letzte Turkenkrieg (1788—1791) .... 104 C. Die Reformen.104 1. Die Verwaltung . . .104 2. Das Rechtswesen . . . 105 3. Das Heerwesen . . . .106 4. Die materielle Kultur . 106 5. Die geistige Kultur . . 107 6. Die kirchlich. Reformen 107 D. Beriihmte Osterreicher im Zeitalter des aufgekliirten Absolutismus .... 108 1. Staatsmanner .... 108 2. Feldherren.109 3. GelehrteTmd Dichter . 109 4. Ktinstler.110 5. Musiker.110 VI II. Die.Kampfe mit Frankreich u. die Zeit des politischen Still- standes im Innern unter Franz I. und Ferdinand I. (1792—1848). A. Das Ilorrscherhaus . . . 1. Kaiser Franz II. (I., 1792—1835). 2. Iirzherzog Karl . . . 3. Erzherzog Johann . . . 4. l)ie osterreichische Se¬ kundo- und Tertiogenitur 5. Kaiser Ferdinandi. (1835) bis 1848). B. Die territorialen Verande- rungen . 1. Der erste Koalitionskrieg (1792—1797) . . . . 2. Der zweite Koalitions¬ krieg (1799-1802) . . 3. Der dritte Koalitions¬ krieg (1805) . . , . 4. Der Krieg d. Jahres 1809 a) Die Reformen . . . b) Der Verlauf d. Krieges c) DerVolkskrieginTirol 5. Die Befreiungskriege (1813-1815) . . . . C. Metternich und. die auBere Politik rvahrend der Frie- densjahre (1815—1848) . D. Die Verfassung und Ver- \\altung . 1. Die Errichtung d. Kaiser- tums Osterreicli . . . 2. Die Versraltung . . . E. Beriihmte Staatsmanner, Feldherren und Erfinder F. Literatur und Kunst . . . 1. Die deutsche Literatur . 2. Die Kunst. 3. Die Musik. 4. Der literarische Auf- sch\vung bei den Ma- gyaren und Slawen . . Seite III. Die Verdrangung Osterreichs aus Deutschland u. Italien u. die politische Neugestaltung des Reiches unter dem Ein- flusse der liberalen, natio- nalen und sozialen Bestre- bungen wahrend der Herr- schaft des Kaisers Franz Josef I. (seit d. J. 1848) . 124 A. Das Herrscherhaus . . .124 B. Die Revolutionszeit (1848 u. 1849). 125 C. Die auBeren Angelegenbeiten 127 1. Der Krimkrieg (1853 bis 1856) . . . . . .127 2. Der Krieg mit Napo¬ leon III. und Sardinen (1859). 128 3. Der Krieg mit Diinemark (1864). 128 4. Der Krieg mit PreuBen und Italien (1866) . .128 5. Die Besetzung Bosniens und der Herzegouina (1878). 130 6. Der Dreibund .... 130 D. Die inneren VerMltnisse . 131 1. Die Verfassung . . . 131 2. Die Verwaltung . . . 131 3. Die kirchlichen Verkalt- nisse.132 4. Das UnterrichtSNvesen . 132 5. Die Literatur .... 133 a) Die IVissenschaften . 133 b) Die Dichtkunst . . 133 6. Die Kunst.133 7. Die Musik.135 8. Die materielle Kultur . 135 Lage der weniger bekannten Orte 137 Stammtafeln. Seite m m m m m 112 112 112 112 113 113 113 113 115 115 116 117 118 118 119 120 121 121 121 122 122 VII Zweiter Tell. Geographie und Statistik der Monarchie. Seite Erster Abschnitt. AUgemeiner Uberblick. Geographische Lage u. Abdachungs- verhiiltnisse.143 Die groben Ztige des physiscben Aufbaues.144 Die geographische Bedingtheit in der Ausdehnung der Monarchie 145 Die Bewohner; Trennendes und Verkniipfendes.147 I »ie natiirliche Ausstattung der Monarchie.148 Die. politische Scheidung in zwei Staaten.149 Literatur.149 Zweiter Abschnitt. Die Alpenlander. Allgemeine Charakteristik des Gebirges. Lage und facherartige Ausbreitung 151 Die zonale Gliederung der Alpen 152 Die Entstehung des heutigen Re¬ lief s; die Schneegrenze . . .153 Das alpine Klima.154 Die Kulturregionen.155 Die Alpengruppen . 155 Die Zentralalpen ...... 156 Die nordlichen Kalkalpen . . . 159 Das Alpenvorland.162 Die stidlichen Kalkalpen.163 Elementarkatastrophen i. den Alpen 166 DieTatigkeit derFliisse, ihrNutzen und Schaden.167 Die Alpenseen.168 Die Bevolkerung und ihre Wirt- schaft; Siedlungen . 168 Der geographisch-historische Zu- sammenschlub der osterreichi- schen Alpenlander.168 Seite Die Bevolkerung.170 Die Land- und Forstwirtschaft . 171 Der Bergbau.174 Die Industrie ........ 176 Der Verkehr ..178 Lage der grofieren Siedlungen . . 180 Dritter Abschnitt. Die Karstlander. Allgemeine Charakteristik. Ausdehnung des Karstes .... 183 Die Karsthohlen.183 Die Dolinen und Poljen .... 184 Die Ursachen der Verkarstung . . 184 Die orographische Gliederung des Karstlandes . . 185 Der nordliche Teil des Karstlandes 185 Der sudliche Teil des Karstlandes 186 Die Bewasserungsverhaltnisse . . 187 Das Klima.188 Das Meer und seine politische und kulturell - wirtschaftlich e Bedeu- tung. 188 Die Bevolkerung und ihre Wirt- schaft; Siedlungen . 189 Der geographisch-historische Zu- sammenschlufi der Karstlander . 189 Krain und das Kustenland . . .190 Das ungarische Litoralo . . . .194 Dalmatien.194 Bosnien und Herzegowina . . . 196 Vierter Abschnitt. Die Sudetenlander. Allgemeine Charakteristik und Aufbau. Die orographisch-tektonische und hydrographische Gliederung der Sudetenlander.198 Die Bohmische Masse.199 VIII Seite Der Bohmerwald.200 Das Erzgebirge.201 I)as nordostliche Randgebirge . . 201 Die ostlichen Randlandschaften der Bohmischen Masse.203 Das Innere des Sildbohmischen Massivs.204 Die nordliclien Beckenlandschaften 204 Die Fliisse Bohmens.'205 Das Marchbecken imd die Kar- pathen.206 Das Klima der Sudetenliinder . . 206 Die Bevdlkerung und ihre Wirt- schaft; Siedlungen . 207 Der geographisch-historiscbe Zu- sammenschluB der Sudetenliinder 207 Die Bevolkerung.208 Die Land- und Forstvirtschaft . 209 Der Bergbau.211 Die Industrie.213 Der Verkehr.215 Lage der bedeutenderen Siedlungen 216 Funfter Abschnitt. Die Karpathen; Galizien und Bukowina. Das Karpathensystem . 218 Ausdehnung und Zonengliederung des Gebirges.218 Die Westkarpathen.•. 219 Das karpathische Waldgebirge . . 220 Das Hochland von Siebenbiirgen . 220 Allgemeine Charakteristik der Kar¬ pathen. Vergleich mit den Alpen 221 Galizien und die Bukovina 222 Westgalizien.223 Ostgalizien und die Bukovina . . 223 Das Klima.224 Die Bevdlkerung.224 Die Land- und Forstvirtschaft. . 225 Der Bergbau.226 Seite I)ie Industrie.227 Der Verkehr.227 Lage der bedeutenderen Siedlungen 227 Sechster Abschnitt. Die Lander der ungarischen Krone. Das ungarische Mittelgebirge . . 229 Das oberungarische Tiefland . . 229 Das niederungarische Tiefland . . 230 Das Flufisystem Ungarns .... 231 Die Bevdlkerung.232 Die Land- und Forstvirtschaft. . 234 Der Bergbau.237 Die Industrie.237 Der Verkehr.239 Lage der bedeutenderen Siedlungen 239 Siebenter Abschnitt. Der Staat und die Bevolkerung. Der Staat.241 Die Statistik.242 Flštche und Bevdlkerung von Oster- reich-Ungarn.242 Die Nationalitiit.245 Die Religion.245 Die wirtschaftliche Betatigung . . . 246 Das Geld; Banlten.. 247 Die Land- und Forstvirtschaft. . 249 Der Bergbau.253 Die Industrie.255 Verkehr und llandel.259 Der Handel zwischen Osterreich und Ungarn.261 Der Aufienhandel.262 Verfassung und Vervaltung 263 Das Staatsoberhaupt und die gemein- same Verfassung und Vervaltung 264 Die Verfassung und Verwaltung in Osterreich.267 Vorwort zur ersten Abteilung. Der geschichtliche Teil dieses Lebrbuches ist im groben ganzen unverandert geblieben; im einzelnen sind freilich zablreiche Ver- besserungen vorgenommen und an mehreren Stellen auch Zusatze angebracbt worden. Die meisten Erweiterungen haben der erste Abschnitt, ferner die Darstellung der Verfassung und Verwaltung Osterreicbs unter den Babenbergern, endlicb die Zeit des aufgeklarten Absolutismus erfabren. AuBer den in der Einleitung zur ersten Auflage dieses Lehr- bucbes angeftibrten Werken sind diesmal nocb besonders E. Werunsky, Osterreichische Reichs- und Reclitsgeschichte, und M. Vancsa, Ge- schichte Nieder- und Oberosterreicbs, beniitzt worden. Fiir die wert- vollen Bemerkungen, welche Herr Professor P. Adjut Troger in Hall dem Verfasser zur Verfugung gestellt hat, dankt ibm derselbe auch an dieser Stelle. Villach, im Mai 1907. A. Zeehe. Vorwort zur zweiten Abteilung. Dem Wunsche vieler Faolikollegen sowie dem Ersuchen der Verlagshandlung Folge leistend, babe icb die Abfassung des geo- grapbischen Teiles der vorliegenden Vaterlandskuude ubernommen* Mein Bestreben war, eine auf streng wissenscbaftlicher Basis berubende, in der Diktion aber schlicht und lesbar gehaltene Landeskunde zu schreiben, die nicbt einseitig die Bebandlung der pbysi soben Geo- grapbie in den Vordergrund schiebt, sondern aucb dem gesamten Wirtschaftsleben die gebubrende Aufmerksamkeit schenkt. Der Jugend soli die bobe Bedeutung der materiellen Kultur und die Acbtung vor ihr gelehrt werden. Die Millionen fleifiiger Hande, die auf dem Felde und in den Werkstatten tatig sind, schaffen ja erst dem Staate die Mittel zur Pflege und Forderung der geistigen Kultur. Neben dem eigentlichen geographiscben mufite mannigfaobes anderes Material zur Bearbeitung herangezogen werden, immer aber ist in dessen Verwertung der geographische Gesiobtspunkt unver- riickbar festgehalten worden. Der Boden und seine Gestaltung in morphologiscb-geologiscber Hinsicbt sowie das Klima bildeten die sicbere Grundlage, auf der die folgenden Ausfiibrungen aufgebaut wurden. tiberall ist die geographische Bedingtheit von landwirt- schaftlicher, montanistischer und industrieller Produktion, von Handel und Verkehr, von den Siedlungen wie aucb von den historischen Werdeprozessen herauszuhebeu und zu erklaren versucht worden. Die Disposition der Arbeit ist aus dem Inhaltsverzeichnis zu ersehen. Der erste Hauptabscbnitt gibt einen tiberblick liber Lage und naturlicbe Ausstattung der Monarcbie, die folgenden fiinf Ab- scbnitte scbildern die einzelnen physisch gesonderten Landergruppen * Da Herr Schulrat Schmidt die Umarbeitung des in der ersten Auflage seiner geschatzten Feder geflossenen Teiles leider wegen Uberbiirdung mit anderen Arbeiten ablehnen mulite. Die Verlagsbuchhandlung. XII in allen geographischen und wirtschaftlichen Beziehungen, der siebente Abschnitt gibt eine Zusammenfassung der gewonnenen Kenntnisse unter dem Gesichtswinkel unserer wirtschaftlichen Stellnng zum Auslande. Uberdies bringt er eine gedrangte Darstellung der heutigen Verfassung und Verwaltung und eine Reihe allgemeiner staatsbiirger- liclier Kenntnisse, die ein junger Mann, der schon in wenigen Monaten an die Hoclischule iibertritt, wohl nicht entbehren kann. Das geringe Stundenausmah, das der Geograpliie in der achten Klasse zur Verfiigung steht, wird den Lebrer zwingen, manche Teile des Buches als blofien LesestofE auszuscbalten. Dies gilt besonders von den in Kleindruck gebrachten Abschnitten (etwa 35 Seiten), auf deren Aufnalime ich aber doch im Interesse einer runden und vertieften Darstellung nicht verzicliten wollte. Der begabte Schiller wird sie sicherlich nicht ganz uberschlagen. Aher auch in den iibrigen Abschnitten wird man'ches (so die zahlreichen statistischen Belege) als Lehrstoff ausfallen, so dah der eigentliche Lernstoff auf hochstens 80 bis 90 Seiten zu schatzen ist. Wien, Pfingsten 1907. F. Heiderich. EDrster Teil. k Von A. Z e e h e. Zeehe-Heiderich, Osterr.Vaterlandskunde. 1 EDinleitung. Der osterreichische Staatsgedanke beruht im vvesentlichen auf der Vereinigung der Alpen-, Sudeten- und Karpatlienlander. Des- lialb zerfallt die Geschichte unseres Kaiserstaates in zwei grobe Abschnitte, deren Grenze das Jalir der Schlacht bei Mohdcs (1526) bildet- Im ersten Abschnitte ist die osterreichische Geschichte Lander-, im zvveiten Gesamtstaatsgeschiclite. Da ferner der Kern der Monarchie, an den sich die iibrigen Lander angeschlossen haben, das Erzherzogtum Osterreich und der Aufbau des ganzen Staates vor allem das Verdienst der Habsburger ist, so kann man die Ge¬ schichte unseres Kaiserstaates in folgende vier Abschnitte zerlegen: 1. ) Von den altesten Zeiten bis zur TIbergabe der Ostmark an die Babenberger (bis zum Jahre 976). 2. ) Die Zeit der Babenberger und des Zwisclienreiches bis zur Belehnung der Habsburger mit den Alpenlandern (976—1282). 3. ) Von der Belehnung der Habsburger bis zur Schlacht bei Mohacs (1282—1526). 4. ) Die Gesamtstaatsgeschiclite von der Schlacht bei Mohacs bis zur Gegemvart. Literatur. Die wissenscliaftliche Erforsehung der osterreicliischen Geschichte begann in der ersten HUlfte des 18. Jahrhunderts zunachst mit der sorgfaltigen Herausgabe von Quellen, ivodurch sich die beiden Briider Pez, Monche von Melk, Bessel, Abt von Gottvreih, und der Italiener Muratori verdient machten. Bahl folgte die vissensehaftliche Behandlung der Anfange des Hauses Habsburg, und z\var durch Herrgott, einen Moneh von St. Blasien. Der Aufschwung des geistigen Lebens in Osterreich seit Maria Theresia, der gesehichtliehe Sinn der Romantik, die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica kamen auch der osterreiehi- schen Gesehiehtschreibung zugute. Gegenwartig sind die \vichtigsten allgemeinen Werke iiber osterreichische Geschichte: M. Biidinger, Osterreichische Geschichte bis zum Ausgange des 13. Jahrhunderts, I., Leipzig 1858 (reicht nur bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts); F. v. Krones, Handbuch der Geschichte Osterreichs von der altesten bis neuesten Zeit, 5 Bde., Berlin 1876—1879; F. v. Krones, GrundriB der osterreiehichen Geschichte mit besonderer Riicksicht auf Quellen- und Literatur - lcunde, 2 Bde., Wien 1881 u. 1882; A.Huber, Geschichte Osterreichs (bis 1648), 1 * 4 Einleitung. 5 Bde., Gotha 1885 — 1896; .1. fluher, Osterreichisehe Reielisgeschichte, 2. Aufl., Wien 1901; A. LiiscMn v. Ebengreuth, Osterreichisehe Reielisgeschichte, Bamberg 1896; A. Bachmann, Lehrbuch der osterreiehischen Reiehsgeschichtc, 2. Aufl., Prag 1904; E. Werunsky, Osterreichisehe Reiehs- und Rechtsgesehiehte, bisher 5 Lief., Wien 1894 ff.; Ge-schichte der Stadt Wien, herausgegeben vom Altertumsvereine, bisher 2 Bde. (bis 1526), Wien 1897 ff.; F. M. Mmjer, Geschichte Osterreiehs mit besonderer Riieksieht auf das Kulturleben, 2 Bde., 2. Aufl., Wien und Leipzig 1900 und 1901; M. Vancsa, Geschichte Nieder- und Oberosterreiehs, I. Bd. (bis 1282), Gotha 1905; F. v. Krones, Osterreichisehe Geschichte, 2. Aufl. von K. Uhlirz (Sammlung Goschen), bisher der l.Teil erschienen, Leipzig 1906. Fiir Biographisehes: G. v. Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserhauses Oster - reieh (1750 — 1850), 60 Bde., Wien 1856—1891; Allgemeine deutsehe Biogra- phie, Leipzig (bisher 52 Bande erschienen). Fiir dic Knnstgeseliichte: Ge¬ schichte der dieutsehen Kunst (von versehiedenen Verfassern), 5 Bde., Berlin 1887 ff., und A. Ilg, Kunstgeschichtliche Charakterbilder aus Osterreich-Ungarn, Prag, Wien und Leipzig 1893. Fiir die Literaturgeschichte: J. W. Nagi und J. Zeidler, Deutsch-osterreichische Literaturgeschichte, Wien 1898 ff. Fiir das Reehtsvvesen: A. Luschin v. Ebengreuth, Geschichte des iilteren Geriehtscvesens in Osterreich ob und unter der Enns, Weimar 1879. Fiir die materielle Kultur: K. Tli. v. Inama-Bternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, bisher 3 Bde., Leipzig 1879 — 1901 (reicht bis zum Ausgange des Mittelalters). Endlicli E. Misehler und J. Ulbrich, Osterreichisches Staa.tsworterbuch, 2. Aufl. im Erscheinen, 3 Bde., Wien. Populare Darstellungen der osterreiehischen Geschichte sind: Osterrei- eliische Geschichte fiir das Volk (von versehiedenen Verfassern), 17 Bde., Wien 1863 ff.; F. Krones, Geschichte Osterreiehs fiir die reifere Jugend, 2 Teile, Wien 1879; F. M. Maver, Geschichte der osterreichisch-ungarisehen Monarehie, Wien und Prag 1894. — Reiche historisehe Belehrung bieten auch die Werke: Die Volker Osterreich-Ungarns (von versehiedenen Verfassern), 12 Bde., Teschen 1881 ff., und die Osterreiehiseh-ungarische Monarehie in Wort und Bild, Wien 1886 ff. Erster Abschnitt. Von den altesten Zeiten bis ziim Jahre 976 n. Chr. Die Zeit der Staatengriindimg. In diesen Zeitraum fallen die Versuehe verschiedener Volker, auf dem Boden unseres Kaiserstaates Reiche zu griinden, die sicli einer kiirzeren oder langeren Dauer erfreuten. Auch haben sich be- reits damals samtliche Volker, welche gegenwartig die Monarchie bewohnen, auf dem Boden Osterreichs niedergelassen. Die etlmo- graphischen Verhaltnisse des Reiches sind eine Folge seiner Lage in der Hitite des Erdteiles und seiner hiedurch bedingten Geschichte. I. Die vorgescliiclitliche (prahistorisclie) Zeit. Die vorgeschichtliche Zeit wird nur durch Waffen, Gerate und Schmuckgegenstande, welche in den verschiedensten Teilen der Monarchie gefunden worden sind, einigermaBen erhellt. Je nach dem Stoffe, aus dem diese Sachen hergestellt sind, unterscheidet man die S tein-, Branže- und Eisenzeitj die erstere zerfallt wieder in die palao- und in die neolithische Zeit; sie sind durch die Eiszeit voneinander getrennt. Jener gehoren zahlreiche aus Stein und Knochen roh hergestellte Waffen an, die man in Hiederosterreich, Bohmen, Mahren und Galizien gefunden hat. In der neolithischen Zeit verstand der Mensch bereits den Stein zu glatten sowie GefiiBe aus gebranntem Ton herzustellen und mit verschiedenen Linien („geometrischen“ Motiven) zu schmiicken; er kannte auch schon Haustiere und die Anfange des Ackerbaues, der Weberei mrd Topferei. Dieser Zeit sind die Pfahlbauten eigentiimlich, rvelclie die Bewohner zum Schutze gegen Eeinde in Seen, Siimpfen und Fliissen errichteten; die meisten Reste dieser Bauten, die fast in ganz Europa vorkommen, sind bei uns im Salzkammergut, beson- ders im Mondsee, und in Krain (das Laibacher Moor ist der ost- lichste europfiische Pfahlbau) erhalten . 1 1 Im ganzen Alpengebiete zahlt man 284 Pfahldorfer, von denen nur elf auf Osterreich entfallen. In anderen Gegenden gehoren die Pfahlbauten auch der Bronzezeit an. Erstcr Absehnitt. () Es folgte die reine (eisenfreie) Bronzezeit , welche besonders die geometrisclien Zierformen liebt. Damals beniitzte der Menscli neben den Geraten aus Stein, Horn und Knoehen auch solche aus Bronze, d. li. einer Mischung von Kupfer und Zinn. Dieses Zeit- alter ist besonders in Ungarn verbreitet, wahrend es in den Alpen- landern nur Lurze Zeit, etwa von 1500 — 1000, anda.uerte (I. 60). Um so glanzender ist in diesen die erste Eisen- oder Hallstatter Kultur vertreten, so genannt nach dem groben Graberfelde in Hall- statt 1 ) dessen Bewohner infolge des Salzreichtums friih zu Wohl- stand gelangten und zahlreiche, niclit selten reich verzierte Gegen- stande teils selbst herstellten, teils im Wege desHandels (Tauscli- handel mit den Etruskern) bezogen. An Gegenstanden dieser Zeit ist unser Kaiserstaat sehr reich; auBer Hallstatt selbst sind als Fundorte besonders Erogg, Gemeinlebarn, S. Luci a, Watsch und Wies zu nennen. Wahrend die ethnographische Stellung der Steinzeit-Bevolke- rung gard unbekannt ist, karm man als die Trager der Hallstatter Kultur vielleicht die 111 jrier bezeichnen; sie endete wahrscheinlich mit dem Einbruche der .Kelten (um 400). Mit diesen beginnt die reine Eisen- oder die La Tene - Zeit, so genannt nacli einer Iiaupt- fundstatte am Heuenburger See; sie ist bei uns durch die Funde von JSTassenfuB und anderen Orten in Hnterkrain bezeugt. Ubrigens gehen die einzelnen Zeitalter allmahlich ineinander liber; auch fallen sie in verschiedenen Gegenden in verschiedene Zeiten. 2 II. Die Eomerlierrscliaft (15 v. bis 476 n. Chr.). 1. Die Eroberimgen der Komer auf dem Boden des Kaiser- staates. Als die Komer in die Alpenlander eindrangen (I. 239), rvaren diese von Ratern, Stammverrvandten der Etrusker, Kelten und Illyriern bewohnt, die alle in verschiedene Vdlkerschaften mit einem lockerenGauverbande zerfielen(I. 156). Die Bdter bevrohnten Tirol und Vorarlberg, die Kelten die iibrigen Alpenlander und Bohmen, die Illyrier Istrien, Dalmatien, Kroatien, Slawonien und 1 Daselbst \vurden liber 6000 Gegenstande in imgefS.hr 2000 GrSbern gefunden. 2 Teils der vorgermanisehen, teils der germaniscben Zeit gehoren die „Hausberge“ an, kegelformige Erdanhiiufungen, die sieh, iiber 00 an der Zalil, im Viertel miter dem Manhartsberge vorfinden; sie waren entvveder ungeheure Ftirstengraber oder auch der Verteidigung dienende Opferstatten. Jnnere Zustiinde z ur Zeit der Ro mer. 7 Teile von Ungarn. Zu den Kelten gehorten. z. B. die Boier in Bohmen, die Taurisker, spater Koriker genannt, in Karnten nnd Steiermark, die Karner in Krain; zu den Illjriern die Istrer in Istri en, die Dalmater in Dalmatien, die Dacier oder Geten in Ost- nngarn und Siebenbiirgen. Hiezu kommen noch germanische Volker- schaften, namlich die Markomannen nnd Qnaden; die ersteren lieBen sich kurz vor Cliristi Geburt in Bohmen nieder, von wo die Boier um das Jahr 60 nach Pannonien abgezogen waren, die letz- teren besetzten Mahren, doch ist uns dariiber nichts Raheres bekannt . 1 Bereits im zweit,en vorehristilichen Jahrhundert unterwarfen die Komer die I šifer und griindeten die Kolonien Aguileia, Ter geste (Triest) und Pola. Dann besiegte Augustus die Dalmater und die illvrischen Pannonier, die im siidwestlichen Ungarn vvohnten, endlich untervvarfen seine Stiefsohne Drusus und Tiberius in den Jahren 15 und 14 v. Chr. die Bewohner der iibrigen Alpenlander 15 u. 11 und dehnten so die romische Herrschaft bis an die Donau aus. v - Clir - Unter Kaiser Traian iiberschriiten die Romer die untere Donau und unterwarfen in zwei Feldziigen (101 — 10Y) das Reich der 101-107. Dacier, das sich liber Siebenbiirgen und die angrenzenden Bander erstreekte . 2 Walirend die Romer unter Marcus Aurelius im Mar- komannenkriege (167 — 180) die Donaulander behaupteten, gaben 167-180. sie Dacien bereits unter Aurelian (um 270) den Goten preis. Um 270. 2. Innere Zustande zur Zeit der Romer. Zum erstenmal kamen damals Teile unseres Kaiserstaates in den Verband mit einem Kulturreiche. Die Romer errichteten daselbst die Provinzen Bdtien, Vindelicien, Noricum, Pannonien und Dacien. Im weiteren Ver- laufe der Kaiserzeit wurden diese groben Yerwaltungsgebiete in mehrere kleinere zerlegt (I. 255). Dalmatien bildete mit Bosnien und der IIerzegowina eine eigene Provinz, dagegen wurde Istrien nebst dem groBeren Teile Krains mit Italien verbunden (I. 140). Die Alpen- und Karstlander wurden unter Konstantin dem GroBen der Prafektur Italien, bei der bleibenden Teilung des Reiches mit Ausnahme eines Teiles Dalmatiens dem Westromischen Reiche zu- gewiesen (395). 395 . 1 Die Boier vurden von den Daeiern verniehtet. Ihr Name blieb auf dem Lande liaften (Boihaemum = Heimat der Boier = Bohmen). = Ein hoehragendes Siegesdenkmal zu Adamklissi in der Dobvudscha ver- lierrlicht Traians Erfolge. 8 Erster Absehnitt. Fiir die Verwaltung unserer Bander waren diejenigen Grund- satze mahgebend, tvelche die Romer hinsichtlich ihrer Provinzen iiberhaupt befolgten (I. 199) ; sie stiitzten daber auch hier die Ver- waltung auf die Stdclte, denen im allgemeinen sehr bedeutende Strecken des umliegenden Landes zugeteilt tvurden. 1 Mit der Romerlierrschaft beginnt das eigentliche stiidtische Leben in unseren Landern. Stiidte, deren Bevohner sieh liauptsachlich mit Gewerbe und Handel beschiiftigten, entstanden teils aus Truppenlagern, wie in Pannonien, teils \varen sie schon urspriinglieh iiberwiegend biirgerliehe Anlagen, wie in Norieum. Die wichtigsten Stiidte \varen: Juvavum (Salzburg), Ovilava (Wels), Lauriacum (Loreh), Aguontum (Lienz), Teurnia (St. Peter im Holz), Virunum (auf dem Zollfelde), Celeia (Cilli) in Norieum; Vindobona (Wien), Carnuntum (Petronell), Brigetio (gegeniiber von Komam), Aquincum (Altofen), Poetovio (Pettau), Siseia (Sissek), Mursa (Esseg), Sirmium (Mitrowitz) in Pannonien; Salonae (bei Spalato) in Dalmatien; Apulum (Karlsburg) in Dacien. In Riitien gelangte das stadtische Wesen zu keiner besonderen Bedeutung. Teils aus militarischen, teils aus Handelsriicksichten legten die Romer ein grofiartiges StrajSennete in unseren Landern an, von dem sieh noch Spuren er- halten haben. Ani wiehtigsten waren die DonaustraBe von Carnuntum nach Passau, die StraBe von Aquileia iiber Laibach die Sawe ab\viirts, die StraBe von Aquileia iiber Pontafel und Virunum nach Paasau, die StraBe iiber die Ploken ins Dinutal und nach Wels. 2 3 Die Romer verbreiteten in unseren Landern ihre Sprache, Sitte und Kultur, docb in den einzelnen Provinzen in verschiedeneni Grade. Wahrend in Ratien, in Pannonien und im Innern Dal- matiens die Romanisierung keine tieferen Wurzeln schlug, finden sieh in Koricum bis ins Hochgebirge hinauf Spuren der romischen Živil isation. Auf allen Gebieten der Kunst wurden hervorragende Werke gesebaifen. Koch stehen in Pola der korinthische Tempel der Roma und des Augustus, ein Amphitheater und ein Triumph- bogen (I. 248); ebenso haben sieh vom Palaste Diokletians in Salonae zwei Tempel (ein Zentralbau und ein Prostjlos) erhalten. In materieller Beziehung kommt namentlich die Forderung der Obstkultur, des Wein- und Bergbaues in Betracht (I. 241 n. 247). 1 Das Verrvaltungsgebiet der Stadt Tridentum reichte nach Norden min- destens iiber den ganzen Nonsberg; ganz Karaten var Teurnia und Virunum zugewiesen. 2 Die Wiehtigkeit von Aquileia beveist der Umstand, daB daselbst ungefdhr 2000 Insehriften gefunden vurden. Das Amphitheater in Pola gehort zu den her- vorragendsten Bamverken seiner Art, in Carnuntum gab es den tlberresten zu- folge sehr bedeutende offentliche und private Gebiiude. 3 Die Romer gevannen z. B. Eisen auf dem Erzberg, Salz in Ilallstatt. Die Germanen und die Hunnen. 9 Die Romanisierung fand audi in der Verbreitung der romi- sehen Religion, die damals bereits orientaliscbe Gotter aufgenommen hatte (I. 239), Ausdruck. Den Roinern verdanken ferner die Alpen- lander die Kenntnis des Ghristentums, dessen erste Apostel romisclie Soldaten und Kaufleute waren. Die f riihesten Kachrichten hieriiber stammen aus der Zeit Diokletians (um 300). 1 Wie zuerst an den Segnungen der romischen Kultur, nabmen unsere Liinder seit deni dritten Jahrhundert, auch an dem jSTieder- gange des Reiches teil (I. 251 ff.). Hi. Die Viilkervvaiuleriing’, das Reich der Awaren und die Ein- wanderung' der Slawen Ms auf Karl den Groben (375—788). In der Zeit vom vierten bis zum siebenten Jabrhunderte ivaren die Lander unseres Kaiserstaates der Tummelplatz zalilreicher Volker, die sie teils fltichtig durchzogen, teils kiirzere oder langere Zeit beivohnten. Doch fand keine gewaltsame Vernichtung der romanischen Bevolkerung durch die germanische statt; als Beweis biefiir dient, dali sich viele keltisch-romanische Klub-, Gebirgs- und Ortsnamen erhalten liaben. 2 1. Die Germanen und die Hunnen. Rachdem bereits Mark Aurel zalilreiche Germanen im Siiden der Donau angesiedelt hatte (I. 250), drangen gegen Ende des vierten JaMhunderts infolge des Einbruches der Hunnen die Goten in die ostlichen Lander der Monarchie ein. Um die Mitte des fiinften Jahrhunderts dehnte Attila die Grenzen seines Reiehes fast liber den ganzen Kaiserstaat aus, doch geivannen die untemvorfenen Volkerschaften nach seinem Tode ilire Unabhangigkeit wieder (453). Es wohnten damals die Rugier und ostlich von ihnen die Ileruler in Kiederosterreich nord- licli von der Donau, die Ostgoten in Pannonien, die Gepiden in Ungarn ostlich von der Donau; in Bohmen safien noch die MarTeo- 1 Im Jahre 294 wurden fiinf christliohe Arbeiter in den Marmorbriichen bei Sirmium, rvelche sich rveigerten, eine Askulap-Statue zu verfertigen, in Blei- sargen in der Sarve ertrankt. 2 ttber keltische Gebirgs- und FluBnamen s. II. 4. Hall stammt aus dem Keltischen und weist auf Salzgewinnung hin; a.uch der Name Tulln ist keltisch. In Oberosterreich lassen Namen, wie Linz (Lentia), Seewalchen, StraBvralchen, auf die Erhaltung romaniseher Kolonen schlieBen; im Walgau gab es Romanen noch im sechzehnten Jahrhundert. Viele Familien- und Ortsnamen in Siidtirol lind Vorarlberg werden aus dem Romanischen erklart. Um 300. 453. 10 Erster Absclmitt. mannen. Schon macliten die Rugier und Heruler Einfalle in JSTori- cum. Wahrend das romische Reich seine Widerstandskraft eingebiiBt liatte, nahm sich der h. Severin der schwerbedrangten Bevolkerung Horicums au, 1 zog aufmunternd und Gaben spendend von Ort zu Ort und vvuBte infolge seines moralischen Ansehens auch den Konig der arianischen Rugier zu groBerer Milde den Romanen gegeniiber zu bestimmen; mit Redit hat man ihn daher den Apostel iSToricums genannt. Als nacli seinem Tode (um 480) seine Schiller nacli Italien abzogen, verlor die romanische Bevolkerung des Landes ihren letzten Halt. Rasch ivechselten in den Donanlandern die Herren. Den Rugiern, deren Reich sich nun auch Liber das nordliche iSTori- cum ausdehnte, folgte Odoalcer, diesern die Ostgoten, deren Reich sich mindestens iiber den Siiden der Alpenlander erstreckte, wah- rend in deren nordlichem Teile die Langobarden dem Reiche der Heruler ein Ende macliten und sich in Koricum und Pannonien niederlieBen. In diesen Kampfen wurde die romische Kultur fast ganz vernichtet. 2 Es schien demnacli, daB die ganze Monarchie deutsch iverden solite; da fiihrte das Vordringen der Slawen und der Abzug der Langobarden nacli Italien eine bedeutsame Anderung herbei (568). 2. Die Awaren und Slawen. Die Langobarden hatten nocli \ r or ihrem Abzug im Bunde mit den mongolischen Awaren, einem rauberischen Reitervolke, das damals ostlich von den Gepiden volmte, die letzteren vernichtet. Die Awaren breiteten nun ilire Herrschaft rasch fast iiber den ganzen Kaiserstaat, im Westen bis an das Fichtelgebirge, die Enns und das Toblacher Eeld aus; es war das erste dauernde Reich seit dem Beginne der Volkerwanderung. Unter der Herrschaft der Awaren riickten im sechsten und siebenten Jahrhunderte slawische Volkerschaften in die verodeten Gegenden ein (II. 56) und zerstorten die letzten romanischen Stadte. Die ivichtigsten dieser Volkerschaften sind: die Tschechen in Bohmen, die Mdlirer in M a lir en, die Slomenen in den Alpenlandern, die Kroaten und Serben in Dalmatien, Istrien, Bosnien und der Herze- 1 In Ufernorieum konnte die Bevolkerung nur mehr knapp unter den Mauern der Stadte und Bete stigungen das Feld bestellen. 2 Am Ende des vierten Jahrhunderts lioren in Noricum die Inschriften und die Miinzen auf; die Stadte verodeten, daher der Name „čdenburg“. Sehon Odoalcer hatte einen betrachtlichen Teil der romanischen Bevolkerung des nord- lichen Noricum nach Italien abgefiihrt. Die Awaren umi die Slawen. 11 jgowma. Zalilreiche Ortsnamen (Scha.rnitz , Pasterze , Windisch- Matrei, Gloggnifcz usw.) beweisen, dali damals Slavven audi in Gegenden wohnten, die heutzutage ganz deutsch sind. Aus der Vorgeschichte der Slawen. Die altesten Wohnsitze der Slawen lagen am oberen und mittleren Dnjepr. Friihzeitig zerfiel das Volk in zwei sprachlich scharf geschiedene Gruppen, in eine nordostlieh-siidliehe und eine westliche; der ersteren gehoren die Russen, SIowenen, Kroaten und Serben, dei' letzteren die iibrigen Volkerschaften an. Im sechsten Jahrhunderte wird \vohl als Gesamtname aller Slaven von grieehisehen und romisehen Schriftstellern die Bezeichnung Veneter gebraueht, wahrend sie von den Germanen Venedi oder Winidi, d. h", die Weidenden, genannt werden; 1 daneben . werden die Bulgaren, Serben und Kroaten insbesondere als Slamenen oder Slomenen (= die Redenden) zusammen- gefafit. Nadi dem Untergange des Hunnenreich.es und der Niederlassung der Golen auf der Innenseite der Karpathen besetzten die Slarven die Lander an der Aufienseite des Gebirges , hielten sich daselbst etwa ein Jahrhundert lang auf und zogen dami nach Ungarn. Im einzelnen laBt sieh ihr Vordringen nicbt genau verfolgen; sicher ist mir, daB sie sich seit der zweiten Halfte des sechsten Jahr- hunderts fast liber das ganze Gebiet des lieutigen Kaiserstaates ausbreiteten. Mit der Niederlassung der Kroaten und Serben inKroatien um die Mitte des siebenten Jahrhunderts ist die slawische Volkerwanderung naeh ungefiihr 200jahriger Dauer zu Knde. Alle slavrischen Volkerschaften in Steiermark, Karaten und Krain ivurden in der Karolingerzeit als Karantanen zusammengefafit; 2 der Name ,,8lawen“ geivinnt er st seit dem neunten Jahrhundert allgemeine Bedeutung. Auch die Slaven glaubten an lichte und finstere Gottheiten (1.29). Au der Spitze der ersteren stand Swarog, der Wolkenhimmel; er entspricht der Bedeu¬ tung naeh deni Varana (oupavde, 1.50). In der Sommerhalfte des Jahres herrscliten die liehten, im VVinter die finsteren Miichte. Daneben gab es einen ausgedehnten Ahnenkultus (1.48, 151 und II. 8). Die Verehrung der Gotter bestand in Gebet und Opfern und erfolgte auf Bergen und in Hainen. Bei einzelnen Volkerschaften iverden Menschenopfer ervahnt. Die Slawen betrieben damals neben Viehmeht auch Aclcerbau und lebten in putriarchalischen Verhiiltnissen. An der Spitze der einzelnen Volkerschaften, die einen lockeren Gauverband bildeten, stand der Zupan als oberster Priester, Richter und Anfiihrer im Kriege; die gemeinsame Zufiuelitsstatte der Gau- bevohner war eine Bmg (grad, 1.156). Nur im Falle der Gefahr einigten sich mehrere Volkerschaften-unter gemeinsamer Fiihrung (II. 9). Die Slawen muiSten im Auftrage der Awaren den Boden be- bauen und ilmen auBerdem Kriegsdienste sowie schwere Abgaben leisten. GleichwohI kam es zu keiner allgemeinen Erhebung der Slawen, weil sie in geringerer Diehte das w'eite Gebiet bewoknten und es an einer festen Verbindung der einzelnen Volkerschaften 1 Vergleiche den Urspung des Namena der Germanen (II. 3). - Slavisch gorotan = Bergbewohner; daher der Name Karaten. 12 Erster Abschnitt. gebrach. Kur voriibergehend getvannen die Slawen in Bohmen im siebenten Jahrhundert unter Samo, eineni frankischen Kaufmanu, ikre Unabhangigkeit; nacb seinem Tode kehrten die Županen-Ein- riebtung und die Atvarenherrschaft vieder zuriick. Eine Anderung der bestehenden Verhaltnisse fiilirte die Besetzung osterreichischen Gebietes durch die Bavern herbei. 3. Die Bayern (Baiuwarier, II. 31). Von den zahlreichen ger- maniscben Volkerschaften und Stammen, die sich im Laufe der Volkenvanderung in Osterreich niedergelassen hatten, haben sich nur die Alamannen in Vorarlberg sowie in einigen Teilen West- tirols und die Bayern erlialten; die let-zteren sind bei weitem wich- tiger geworden. Ihrem Kerne nach Markomannen, breiteten sie sich in der ersten Halfte des sechsten Jahrlmnderts l)is zur Enns, dem Toblaeher Eelde und bis um Božen aus. An ihrer Spitze stand ein Herzog aus dem Geschlechte der Agilolfingerj der letzte von ihnen, Tassilo III., muBte dem Konige Pippiu den Vasalleneid sclrvvoren. Als er sich aber vdeder selbstandig zu maclien versuchte, wurde er 788. von Karl dem GroBen besiegt und in ein Ivloster verwiesen (788). Bei ihrem Vorriicken in Osterreich waren die Bayern nocli m 700. Heiden. Um das Jalir 700 predigte ihnen der h. Rupert, Bischof von Worms, das Christentum; er griindete auch in Salzburg ein Mbnchs- und ein Konnenkloster. Die kirchliche Organisation unserer Alpenlander schuf der h. Bonifazius, indem er die Bistiimer Salzburg und Passau dauernd begrimdete. Die Agilolfinger fordei - - ten die Ausbreitung des Christentums auch rTuter den Karantanen; Tassilo stiftete die Kloster Krernsmiinster und Innichen, von denen das letztere fiir die Bekehrung der Alpenslawen bestimmt ward Da diese auBerdem von den Agilolfingern gegen die Awaren unterstiitzt Avurden, gerieten sie in Abhangigkeit von ihnen und muBten nach dem Sturze Tassilos die Oberhoheit der Franken anerkennen. 774. Schon im .Tahre 774 liatte Karl der GroBe durch die Eroberung des Langobardenreiches Siidtirol seinem Beiche einverleibt; Otto I. vereinigte es mit der Mark Verona (S. 16). 1 Inniehen wui'de „in einer oden und aeit alter Zeit unbe\vohnten Gregend‘‘‘ gegriindet. Das Kloster in Salzburg erhielt von den Agilolfingern auBer dem Walde uber 1000 Huben. Die Hube (bayrjseh, sonst Hufe) \var urspriinglich das zum Unterhalt einer freien Familie erforderliehe MaB an Grundbesitz; ibre GroBe betrug je nacli der Giite des llodens 10 bis 15 ha. Statt des Ausdruckes Almende kommen in Osterreich die Bezeiehnungen die gemain Ma/rcft und das Gemareh vor. Die Franken. 13 IV. Dic llerrscliaft der Pranken in Osterreicli (774 — 918). 1. Karl der GroBe und die Griimlung der Ostinark. Der Absetzung Tassilos folgte der Krieg mit den Awaren (791 — 796), 791-796. d en diese durch fortgesetzte Verletzung der Grenze herbeifiilirten. Karl zog*mit zwei Heeren zu beiden Seiten der Donau nach JSTieder- bsterreich und nahm die Kinge der Awaren am Kamp und bei Tulln. Sein Solin Pippin und der Graf Erich von Eriaul beendeten den Krieg mit der Eroberung des letzten Kinges zwischen der Donau und TheiB. Bald darauf maclite Karl der GroBe Bohmen tribut- pfliehtig und unterwarf die Slmuenen zwischen Drau und Sawe sowie die Kroaten bis zur Cetina; dagegen iiberlieB er einem Ver- trage gemaB die istrisch-dahiiatinischen Kiistenstadte und Inseln dem bjzantinischen Reiche, nachdem er diesein schon friiher Istrien entrissen liatte. Die neugewonnenen Gebiete teilte Karl um 803 in zwei Marie- Um 803. grafschaften, deren Grenze walirscheinlich die Drau war. Die nord- liche kann man in Ermanglung eines iiberlieferten Kamens als die Ostmarh bezeichnen. Sie reichte von der Enns ungefahr bis zum Wiener Walde im d mit EinschluB des tributpfliclitigen Landes bis an die Kaab; aucli umfaBte sie einige Gebiete im Korden dieses Stromes. Die sudliclie, Friaul genannt, erstreckte sieh bis zum Verbas und zur Cetina; sie zeriiel schon unter Ludwig dem Frommen in vier Grafschaften. Wie das iibrige Keich, teilte Karl audi unsere Alpenlander in Grafschaften (II. 59), die urspriinglich teilweise mit den Gauen zusammenfielen; im zehnten Jalirhunderte dienten die letzteren wohl nur mehr als geographische Bezeichnungen, jeder von ihnen zeriiel bereits in mehrere Grafschaften (II. 34). Fiir die Germanen galt der Grundsatz der Personlichkeit des Redites (II. 35), fiir die Romanen das roinische Recht, fiir die Slawen sind uns vor dem Jahre 1000 keine echten Rechtsquelien iiberliefert. In kirchlicher Beziehung wies Karl das den Awaren ab- genommene Gebiet Salzburg und Aquileia zu und bestimmte die Drau als Grenze der beiden Erzstifte (796); neben j enem iibte nbrdlick der Drau aucli Passau Diozesanrechte aus. Die Bistlimer und Kloster ivurden von Karl reich mit Giitern ausgestattet, 1 aucli 1 Die Urkunden vom neunten bis zum Ausgange des zehnten Jahrhunderts beziehen sich zum weitaus groBten Teile auf Sehenkungen an Bistiimer und Kloster. 14 Erster Abschnitt. tvurden vefhaltnismaBig viele Kirchen (aus Holz) orbaut. Der Konig sorgte auch in diesen entlegenen Gebieten fiir Bildung und Ilnferrichtt, In seinem Sinne waren hier besonders Arn, der erste Erzbischof von Salzburg, und Paulinus, Patriarch von Aquileia, als G el e k rte und Dick ter tatig; beide forderten aueh die Ausbreitung des Christentums unter den Alpenslawen. 1 In materieller Beziehung var besonders' wichtig, daB die GroBen zahlreicke deutsche Kolo¬ ni sten aus Bayern hereinzogen ; 2 am meisten kommen kiefiir die Bistiimer Salzburg, Regensburg, Passau, Preising und Brixen in Betrackt. Uamentlich in der Wachau und im Tullner Pelde sowie an den Unterlaufen der jSTebenflusse der Donau lieBen sick zahl- reicke Ansiedler nieder. So nahm der siidwestlicke Teil des Kaiserstaates zuin zweiten- nial an den Segmmgen eines Kulturreiches teil. 2. Das Ostfrankische Reich; Swatopluk. JSTack dem Tode Budwigs des Frominen kam es zuin Teilungsvertrage von Verdun 843. '(843), demzufolge unsere Bander, soveit sie dem Reiche Karls an- gehort katten, dem Ostfrdnlcischen Reiche zufielen. Der erste Herr- scker war kier Luduiig der Deutsche, der seine Bander unter seine Soline Karlmann, Budwig und Karl III. den Dicken teilte; von ihnen iiberlieB wieder der erstere seinem Sohne Arnulf die Ver- waltung Karantaniens, d. k. Steiermarks, Karntens und Osttirols, veshalb die ser auch als Herzog von Karnten bezeicknet wird. Kack dem Tode der beiden alteren Briider vereinigte Karl Tli. fast das ganze frankiscke Reick, wurde aber wegen seiner Unfahigkeit ab- gesetzt, worauf der tiichtige Arnulf zu seinem Kachfolger gewiihlt 884-887. vurde (884 — 887). Mit dessen Sobne Ludwig dem Kinde erlosch 911 . der Mannsstamm der deutscken Karolinger (911). Unter den Griinden, welche den Verfall des Frankenreickes kerbeifiikrten (II. 64 ff.), ist fiir unsere Bander das Emporkommen der Slawen von groBer Bedeutung. Wahrend die Kroaten in lose 1 Salzburg war der geistige Mittelpunkt im Osten, wie Tours im Westen des Reiches. Arn, der in einem Necrologium „Zierde und Ehre der Salzburger Kirche" genannt \vird, grfindete die alteste Bibliothek des Reiches. Die Salzburger Schule, die alteste in Osterreieh, eine Griindung des h. Rupert, war jahrhunderte- lang angesehen; in einer Salzburger Handsehrift ist uns auch das Muspilli erhalten. s In Sachsenburg und Saehsenfeld hat Karl wohl strafweise Sachsen an- gesiedelt (11.54). Die Magyaren. 15 Abhangigkeit vom byzantinischen Reiche gerieten und die Tribut- pflichtigkeit der Tscbechen erlosch, wurde von Mabren aus ein groBeres Slawehreich gegriindet. Kachdem Moimir, der Fiirst der Marcbslawen 1 , die zahlreichen Volkerschaften Malirens seiner Oberhoheit untervrorfen und da- durcb das Land geeinigt hatte, wurde es trotz der Bekampfung durch Ludwig den Deutschen unter Swatopluh , dem zweiten hTach- folger Moimirs, der Mittelpunkt eines Reich es, das sich allmahlich iiber Bohmen, Teile von Schlesien und dem westlichen Galizien sowie iiber ein bedeutendes Stiick Ungarns erstreekte und desbalb das GroBmdhrische Reich genannt wird. Ludwig erkannte die Selb- stiindigkeit Malirens an, wofiir sicb Swatopluk zur Zablung eines Zinses und zur Trene verpllichtete. Auch in kircblicber Beziebung sucbte Swatopluk die Unabhangigkeit vom Ostfrankischen Reiche zu gevunnen. Zu diesem Zwecke unterstutzte er die Bruder Cyrillus und Methodius, zwei Moncbe, die schon vor ihm zur Verbreitung des Christentums aus Tbessalonice nacb Mabren gekommen waren, in ihrem Bestreben, durch die TJbersetzung eines Teiles der Bibel und den Gebrauch der slawischen Spracbe beim Gottesdienste eine slawisclie Aationalkircbe einzurichten (II. 68). Z\var gab der Papst hiezu seine Zustimmung, doch scheiterte der Plan am Widerstreben der bayri.schen Bischofe, von denen Metliodius iiber zwei Jahre ge- fangen gebalten wurde, und an Swatopluks eigenem Wankelmute, der infolge eines papstlichen Scbreibens nach dem Tode des Metho¬ dius dessen Anhanger vertrieb. hTacli Swatopluk brachen Streitigkeiten unter seinen Sohnen aus, ivelelie die Eroberung des Landes durch die Magyaren herbei- fuhrten (905 oder 906). Mahren wird nun ein Jahrhundert lang nicht genannt; sobald es wieder geschieht, ist es von Bohmen ab- hangig. 3. Die Magyaren; der Untergang und die Wiederherstellung der Ostmark. Die Magyaren gehoren dem ural-altaischen Sprach- stamme der mongolischen Rasse an. Ilire altesten europaisclien Wohnsitze lagen im siidlichen RuBland. Von liier brachen sie unter der Piihrung Arpads auf und unterstutzten das byzantinische Reich gegen die Bulgaren, weshalb die letzteren sie ihres Landes beraubten. Sie zogen daher weiter nach Westen und riickten in die schwach 1 Diese nannten sich Moa'awer naeli dem Namen des Hauptflusses des Landes, der Moraiva (March); daher der Name des Landes. 905 ( 906 ). 16 Krster A b s eh nit t. bevolkerte TheiBebene ein, wahrend sie die gebirgige Umrahmung m 895 . Ungarns anderen Volkern iiberlieBen (um 895). Erst mit ihreni Einbruche endet fiir Osterreich die Volkerwanderung. Die Magjaren wareu damals ein. wildes Steppen- und Eeiter- volk, gleich den Hunnen und Awaren. Sie unternahmen verheerende Pliinderungsziige in die Hachbarlander, machten dem GroBmahri- schen Reiche ein Ende und schlugeu den bayrisehen Herzog Luitpold an einem unbekannten Orte „im Ostlande“ bis zur \ r er- 907. nichtung (907). 1 Die Eolge davon war, daB die Herrschaft der Deutsclien liber Pannonien fiir immer beseitigt wurde. East jedes d ahr wiederholten die Magyaren ihre Einfalle, so daB die Ostmark groBtenteils entvolkert, \vurde, vvahrend das gebirgige Karnten mehi* verschont blieb. Mit der Begriindung des Deutschen Eeiches durch Heinrich I. begann der Umscliwung. Er selbst sehlug die Magyaren an der 933 . Unstrut (933), avahrend auch die bayrischen Herzoge Bertold, der zaveite JSfachfolger Luitpolds, und Heinrich, der Bruder Ottos I., sie aviederholt besiegten. Entscheidend aber war erst der groBe Sieg 955 . Ottos L auf deni Lechfelde (955); Deutschland war jetzt fiir immer von den Pliinderungsziigen der Magyaren befreit und diese selbst niuBten zum seBhaften Leben iibergehen, wenn sie sich in Europa behaupten wollten (II. 75). Hunmehr erneuerte Otto I. die Ost¬ mark. Besonders ivichtig fiir die osterreichische Gescliichte ist das 976 . Jahr 976. Damals erhielt namlich Leopold, der bis daliin Graf im Donaugau und nach einer TJberlieferung aus dem zwolften Jalir- liundert ein Babenberger war, zum Danke fiir die ITnterstiitzung, die er Otto II. im Kampfe mit- Heinrich dem Zanker geleistet hatte, die markgrafliche Wiirde in der Ostmark. AuBerdern wurde, um Bayern noch mehr zu schwachen, in demselben Jahr e Karnten mit Verona zu einem selbstandigen Ilerzogtume (Karnten) erhoben. Der vveitaus grdBte Teil der Bewohner beschaftigte sich damals mit Viehzucht und Acleerbau, der Bergbau wurde besonders auf Salz und Eisen betrieben, das Gewerbe war noch gar nicht, der Ilandel wenig entvvickelt (II. 66). 2 Da bei uns von Anfang an der 1 Vom Jahre 907 an fclilt uns 60 Jalire lang jede Naehricht iiber die Ostmark. 2 Der Sldaveghandel erhielt sieh in den Alpenliindern wegen Mangels an Arbeitskraften bis uber das Jalir 1000 hinaus (11.83). Bis zum Ende der Karo- linger werden in Deutsch-Čsterreich nur Lorch, Mautern, Salzburg und Saben als Stadte genannt; Lorch haben aber die Arvaren zerstort. Die Erweiterung dor Ostmark. 17 GroBgrundhesitz iibenvog, erlag ibm der freie Bauernstand friili, so daB er sclion zur Zeit Ludwigs des Kindes im allgemeinen ver- sclrwunden ist. Aus ihm und den einstigen Knecbten ist im elften J ahrhunderte der Stand der Horigen hervorgegangen, dessen Kenn- zeichen sind: 1 1.) Unterwerfung unter den Schutz eines Macliti- geren; 2.) Zinszahlung; 3.) Gebundenheit an ein bestimmtes Grund- stiick; 4.) Hofgenossenschaft, d. h. Teilnahme am Ilofredite nnd Idofgericbte. D as Ergebnis der Kolonisation, die bei uns zumeist auf Waldboden erfolgte und daher einen iiberwiegend friedlichen Charakter hatte, ist, daB nach 200 Jahren Ober- und Niederoster- reich ganz, Karnten und Steiermark zum groBten Teile der deut- schen Kultur gewonnen waren. Zweiter Abschnitt. Die Zeit der Babenberger und des Zwischenreiches ( 976 - 1282 ). In diesem Abschnitte entwickeln sich in allen drei Lander- gruppen geordnete Zustande. Bald nach dem Antritte der Baben¬ berger erfolgt die politische Einigung Bolimens und TJngarns. Wahrend die Alpenlander einen Teil des Deutschen Reiches bilden, Bohmen einerseits Beiebsland, anderseits nationaler Staat ist, gerat Ungarn wenigstens unter den politischen und kulturellen Ein- fluB 'Deutsclilands. Gegen Ende dieses Zeitraumes wird der erste Versuch gemaclit, durch die Verbindung der Alpen- und Sudeten- lander einen groBeren Donaustaat ins Leben zu rufen. I. Osterreicli und die iibrigen Alpenlander zur Zeit der Babenberger (976—1246). A. Osterreich. 1. Die Erweiterung der Ostmark. Als die Babenberger mit der Ostmark belehnt wurden, erstreckte sie sich zu beiden Seiten der Donau von der Enns und dem Idaselgraben bis zur Traisen und 1 tlbrigens gab es zahlreiehe Abstufungen unter den Bauern. Am besten standen die Censuales, d. h. Freie, die nur wegen des Schutzes einen geringen Zins zalilten, am schlechtesten die Mancipia infra eurtem mor ant ia, Unfreie ohne Grundbesitz, deren Dienstverpflichtung nicht begrenzt \var. Z eehe - H e i de r ich, Osterr. Vaterlandskunde. 2 18 Zweiter Absehnitt. Krema. 1 Schon Leopold L dehnte im Kampfe mit den Magjaren die Ostmark bis zum Wiener Wald aus. Eine fernere Erweiterung erfuhr sie mater seinem Sohiae Heinrich I. sowie auch spaterhin durch kaiserliche Schenkung von teils wiisten, teils mit Wald be- deckten Landereien, die mmrnehr durch deutsche, zumeist bayrische, Kolonisten bebaut wurden. 2 Besonders wichtig wurde die GebietS- erwerbung unter dem dritten Babenberger AdaTbert dem Siegreichen zur Zeit des Kaisers Heinrich III.; damals avurde namlich im Kampfe mit deia Magvaren die heutige Ostgrenze HiederosterreicKs, die Leitlia und March, erreicht. Der vorletzte Babenberger Leopold VI. kaufte die Stadt Linz sowie die Herrschaft. Raabs und zog mehrere heimgefallene Lehen ein. Lange schwankte die Grenze im Horden und Siiden; das Grebiet um IVeitra gehorte bis um das Jahr 1200 zu Bohmen, die Thaya wurde allmahlich im Wege der Kolonisierung erreicht, die jetzige Sudgrenze des Landes erst zur Zeit Ottokars II. gewonnen. Dieser zerlegte es in zwei getrennte Yerwaltungsgebiete (Ober- und Hiederosterreich). Bereits im Jalire 996. 996 wird das Land Osterreičh genannt. 3 1156. 2. Die Erhebung Osterreichs zum Herzogtume (1156). Als Markgrafen unterstanden die Babenberger dem Herzoge vonBayern, dessen ILoftage sie zu besuchen hatten. I)ie eiiaschneidendste An- derung in dieser Stellung erfolgte, als Osterreičh zum Herzogtumt erhoben wurde. Es geschah dies Avahrend des ersten Kampfes zwi- schen den Staufern und Welfen, in dem die Markgrafen Leopold IV. und Heinrich II. Jasomirgott eine hervorragende Rolle spielten. Als nun Kaiser Friedrich I. den Frieden im Reiche Aviederher stel len Avollte, veranlafite er den letzteren auf dem Reichstage zu Regens¬ burg zum Verzichte auf Bayern, Avofiir Osterreičh zum Herzogtum erhoben Avurde. Gleichzeitig A r erlieh der Kaiser dem neuen Herzoge 1 Die karolingisehe Ostmark hatte noch- weiter westlich, bis m- GroBen Miihl, gereicht. 2 Von Otto I. bis auf Heinrich IV. liiBt sich eine ununterbrochene Beihe solcher Schenkungen an geistliehe und A\'eltliehe GroBgrundbesitzer in Osterreičh, Steiermark und ICarnten naeliAveisen. 3 In einer Urkunde Ottos III. heiBt es: in regione vulgari vocabulo Ostar- richi ... dieta. Daneben kommt in der volkstiimlichen Dichtung, zuerst im Nibe- lungenliede, die Bezeichnung „Osterland“ vor; den Namen „Austria“ gebraueht urkundlich zuerst Leopold III. Die Teilnahme Osterreichs an den \vichtigsten Ereignissen im Reiche. 19 das kleine Privilegium (privilegium minus), 1 in dem ilim folgende Redite zugestanden wurden: a) Nadi dem Tode Heinrichs und seiner Gemahlin soli Osterreich auf ihre Sohne und in Ermanglung solcher auf ibire Tochter vererbt werden, weun sie aber kiuderlos sterben, diirfen sie dem Kaiser einen beliebigen Nachfolger vor- schlagen; b) der Herzog soli die ausschlieBliche Gericlitsbarkeit im Lande haben, d. h. es sollen nur mit seiner Zustimmung die bestelienden Immunitaten erweitert oder neue verlielien werden; 2 c) der Herzog soli nur zum Besuche der kaiserliclien Hoftage in Bayem, weun er berufen wird, und d) nur dann zum Heeresdienste verhalten sein, wenn ein Krieg an der Grenze Osterreichs ausbricht. Durcli diese Vorrechte, deren sich damals kein anderer Reichsfiirst erfreute, vrurde die eigenartige Entwicklung Osterreichs angebahnt. 3. Die Teilnahme Osterreichs an den wichtigsten Ereig¬ nissen im Reiche. Diese waren: a) Die Unterstiitzung Konrads II. und Heinrichs III. gegen Ungarn durch den Markgrafen Ada.lbert; damals wird zum erstenmal Wien(Wienni) genannt (1030). b) Der Invesliturstreit. Nachdem Ernst der Tapfere der vierte Markgraf, seine Konigstreue in der Selilacht an der Hnstrut gegen die auf- standischen Sachsen mit seinem Tode besiegelt hatte (1075), schlug sich sein Solin Leopold II. der Schone im Investiturstreite auf die Seite Gregors VII. Eiir diesen kampften in Osterreich auch der Erzbischof Gebhard von Salzburg und der Bischof Altmann von Passau, wie denn iiberhaupt in den Ostalpenlandern die Mehrzahl der Fiirsten papstlich gesinnt war. Die neugegriindeten Kloster Gottweih, in das Monehe aus St. Blasien, Admont und St. Paul, in die Hirschauer Monehe einzogen (II. 89), waren \viclitige Pllege- statten der Gregprianischen Ideen; dagegen blieb Sieghard, der Patriarch von Aquileia, Heinrich IV. treu, der ihn deslialb mit den Marken Friaul 3 und Krain soivie mit der Grafscliaft Istrien be- lehnte. Der Kaiser versuchte dem Markgrafen das Band zu ent- ziehen und verlieh es dem Bbhmenlierzoge Wratislaw; dieser siegte zivar bei Mailberg (1082), docli versblmte sich spater Leopold 1 So genannt im Gegensatze zu dem gefalseliten privilegium maius, das dem osterreichischen Herzoge ganz auCerordentliche Vorrechte eim-aumt; es stammt aus der Zeit Rudolfa IV. des Stifters. s Au8er den Bistiimern besaBen aueh die Kloster in Osterreich Immunitat; doeh waren die Babenherger iiber die meisten von ihnen erbliche Viigte. a Dadurch horte die Verbindung Eriauls mit ICarnten auf. 20 Z\veiter Abschnitt. wieder mit dem Kaiser, c) Die Kreuzziige. Melirere Krenzziige n ahrnen ihren Weg durch Osterreich; am z\veiten und dritten be- teiligten sieh audi viele Bewohner von Osterreich, Steiermark und Karnten, Heinrich II. machte den zweiten, sein Hachfolger Leo¬ pold V. den dritten Kreuzzug mit. Auf diesem geriet der letztere mit dem unvertraglichen Richard I. Lowenherz in Streit. 1 - Als nun der englische Konig auf der Riickreise Schiffbrucli litt, wurde er von Leopold im Auftrage des Kaisers Heinrich VI. ergriffen, eine Zeitlang in Diirnstein gefangen gehalten und sodann an den Kaiser ausgeliefert. 2 3 Leopold VI. unternahm (1217) mit anderen deut- schen Reichsfursten und Andreas II. von Ungarn einen Kreuzzug gegen Agvpten zum Sturze der Ejjubiten. Er beteiligte sich zwar an der Belagerung von Damiette, trat aber noch vor dem Ealle der Stadt die Kiickreise an. d) Verhaltnis der Babenberger zu den Iiaisern. East alle Babenberger hielten treu zu Kaiser und Reich. AuBer Leopold II. machte nur Friedrich II. der Streitbare 8 , der letzte Babenberger, eine kurze Zeit eine Ausnalime. Vielleicht wegen seines xlnschlusses an die Lombarden und den Papst wurde er von Kaiser Friedrich II. geachtet; der letztere erschien selbst in Oster- reich, erklarte Wien zur Reichsstadt und iibertrug die Veiuvaltung 1237. c ^ es Landes einem Stattlialter (1237). Obwohl der Herzog von allen Seiten verlassen wurde, stellte er doch nacli dem Abgange des Kaisers seine Herrschaft wiederher und versohnte sich auch schon 1239 wieder mit ihm. 4. Die Stel lung des Landesfiirsten in Osterreich. Die Baben- berger, welche zuerst in Melk, seit Leoj)old III. auf dem Kahlen- berge, dem jetzigen Leopoldsberge, und seit Heinrich II. in Wien ihren Sitz hatten, gelangten friiher als andere Reichsfursten zur vollen Landesliolieit 4 * * * . Von vornherein war fiir die Ausbildung der Landesholieit in Osterreich giinstig, daB die Mark ein einheitliches 1 An diesen Kivuzzug kniipft die Sage die Entstehung des osterreichischen Wappens, einer weiBen Binde im roten Felde. 2 Ben Anteil am Losegelde Richards beniitzte Leopold zur Anlage von Be- festigungen (Wiener-Neustadt, Wien, Enns, Hamburg). 3 Friedrich geriet mit allen Nachbarn (Bayern, Bbhmen, Ungarn) in Streit. Bellicosus heiBt er zuerst bei einem osterreichischen Chronisten des fiinfzehnten Jahrhunderts. 1 Biese umfafite die Landes- und Lehensgerichtsbarkeit, den Heerbann, die Vogtei iiber die Kloster, das Miinz-, Maut- und Zollrecht u. a. Schon Leopold V. nannte sich dominus terrae. Steiermark. 21 Venvaltungsgebiet bildete, in dem es weder Graf en mit selbstandiger Gerichtsbarkeit, 1 noch Reiclisstadte, nocli ansgedelmte Immunitaten gab. Die Babenberger waren ferner weitaus die groBten Grund- besitzer im Lande und die iveltlichen Herren erloscben allmahlich, so daB es ihrer unter den ersten Habsburgern nur mebr zwei gab. 2 Da Osterreich wegen der haufigen Kriege mitUngarn fiir die Kaiser eine besondere Wichtigkeit hatte, belieBen sie die Babenberger bis zn ihrem Erloschen mit Friedrich II. dem Streitbaren in der Schlacht an der Leitha gegen die Magvaren (1246) im Besitze des Landes, wodurch deren Stellung nur gefestigt werden lconnte. 3 Iliezu kamen die Vorrechte des kleinen Privilegiums und die Er- Averbimg Steiermarks durcb Leopold V. (1192). Wie groB das An- sehen des osterreichisehen Herzogs war, kann man daraus erselien, daB Leopold VI. der Glorreiche 4 den Frieden zwischen Friedrich II. und Gregor IX. vermittelte sowie daB der genannte Kaiser die Er- hebung Osterreichs und Steiermarks zum Konigreiche plante, ein Vorhaben, das allerdings nicht, zur Ausfiihrung gelangte. , B. Die ubrigen Alpenlander (Steiermark, Karnten, Krain, Istrien und Salzburg ). 5 Fiir alle diese Lander ivurde der Ausgangspunkt der geschicht- liclien Entwicklung die Zuriickdrangung der Magyaren nach der Schlacht auf dem Lechfelde. 1. Steiermark. Hier laBt sich seit der žweiten Halfte des zehnten J ahrhunderts die Karntner Maric an der mittleren Mur und oberen Raab nachweisen. Eine Zeitlang mit Karnten verbunden, \vurde sie von Kaiser Heinrich III. einern Geschlechte iibergeben, 1 In den osterreichisehen Alpenliindern war die Gaueinteilung mehrfacli nicht durehgefiihrt; deshalb blieben z. B. in Istrien, das bis ins ncunte Jahr- hundert zum byzantinisehen Reiche gnhorte, die Stadte die Stiitzpunkte der Ver- waltung. Ferner zerfielen bed uns die Grafschaften nicht in Hundei-tschaften (11.35, 59, 132), sondern in Vikarien. 2 Die Herrschaft Seefeld und die Grafen von Schaumburg. 3 Zweima.l folgte sogar in Ermanglung von Sohnen ein Bruder des ver- storbenen Babenbergers. 4 Sin lop ist niciht ein lobelin: er mac, er hat, er tuot. (Walter von der Vbgehveide.) “ Da Triest, Gorz und Tirol erst seit der Zeit der Habsburger in nahere Beziehungen zu den osterreichisehen Alpenlandern treten, \vird deren Vor- gescliiehte hier nicht beriicksichtigt. 1246 1192 22 Ziveiter Abschnitt. clas eine Grafschaft im Traungau (westlich von der Enns) besaB nnd daher die Traungauer genannt wird. Sie hatten bis daliin ihreu Sitz in der Stiraburg (Steyr) nnd nannten sich deshalb seit dem zwolften Jahrhunderte Markgrafen von Steir. Da sie die Ver- tvaltung aucli der siidlichen Steiermark erhielten, rnirde das ganze Land allmahlich Siiria (Steiermark) benannt. In der siidlichen Steiermark gab es ebenfalls seit der zweiten Halfte des zehnten Jahrhunderts zwei Grafschaften, von denen die eine die Maric an der Drau oder die Pettauer Mark und die andere die Grafschaft an der Sann hieB. 1 Beide diirften noch unter den ersten Spanheimern von Karaten abhangig gewesen sein; um die Mitte des zwolften Jahrhunderts aber kamen sie an die Traungauer. Wenige Jahre darauf wurde auch die Grafschaft Pitten zu beiden Seiten des Semmering, die den Magyaren entrissen worden war, mit Steiermark verbunden; damit war im wesentlichen der Bestand des jetzigen Kronlandes hergestellt. Bis daliin eine Markgrafschaft, ivurde es beim Sturze Heinrichs des Lowen zu einem Herzogtum 1180. erhoben (1180). 2 Der erste Traungauer Herzog, Otakar IV., war auch der letzte des Geschlechtes. Da er namlich keinen Leibeserben hatite, erklarte er durch den Georgenherger Vertrag seinen Vetter Leopold V. von Osterreich zum Erben seiner Eigengiiter und Mini- sterialen (1186); unmittelbar nacli Otakars Tode belehnte Kaiser 1192. Heinrich VI. den osterreichischen Herzog mit Steiermark (1192). 2. Kiirnten.Karantanien wurde zwar nacli dem Jahre 976 noch einmal mit Um 1000. Bayern verbunden, um das Jahr 1000 aber fiir immer davon abgetrennt. Die Her¬ zoge Karntens behielten lange den Charakter von Reichsbeamten, so daB eine geramne Zeit kein Gesehlecht in den erbliehen Besitz des Herzogtums gelangte. Die Griinde hiefiir waren: a) Friihzeitig erhielten die Kirchenfiirsten von Salz¬ burg, Freising und Bamberg groBe Gebiete mit Immunitatsrechten; h) die karnt- nerischen Grenzlandsehaften (Steiermark, Krain, Istrien) wurden im zehnten und elften Jahrhunderte zu eigenen Markgrafschaften erhoben und dadurch dem Herzoge gegenflber selbstiindiger gestellt; 3 c) in dem iiberwiegend slav-ischen 1 Die Bezeichnungen Mark und Grafschaft wechseln in den Grenzgebieten der ostliehen Alpenlander hiiufig. 2 Dadurch wurde Steiermark von den Herzogtiimern Karnten und Bayern abgetrennt; auf den bayrischen Hoftagen hatten die Markgrafen von Steir als Inhaber von Grafschaftsrechten im Traungau erscheinen mtissen. Die Benennung der Grafschaften nacli Sehliissern an Stelle der Gaunaiuen lieginnt in Bavern bereits im elften Jahrhunderte. 3 Die Spanheimer erhielten Karnten ohne die Mark Verona, die sich in- zivischen in grundherrliehe Grafschaften und selbstandige Stadtgebiete auf- gelost hatte. Krnili. Istrien. 23 Herzogtume konnte kein Geschlecht mit dem Lande innig verwacheen. So ge- langten erst die Grafen von Eppenstein (1077—1122), zrn- Zeit des Investitor - streites eine Hauptstiitze des Kaisers in den Alpenlandern, und nach deren Aus- sterben die Grafen von Spmheim (1122—»1269) zum erblichen Besitze des Landes. Die Herzoge von Karnten iibten daher auch geringen EinfluB auf die Reichs- geschichte aus. 3. Krain 1 . Hier gab es eine Grafschaft (Carniola, Craina) und eine Mark¬ grafschaft Krain (marehia Slavoniae); die erstere lag in Ober-, die letztere, spater Windisehe Mark genannt, in Unterkrain. 2 3 Anfangs von Karnten abhangig, erhielt es um dieselbe Zeit wie die Karntner Mark eine selbstiindige Stellung. Da aber das Land infolge zablreicher Immunitaten zerstiickelt war, 8 so war die Ausbildung der Landeslioheit daselbst sehr ersehwert; auch der Patriareh von Aguileia konnte sich nicht in der Stellung behaupten, die ihm Heinrich IV. ver- liehen hatte. 4 * Friedrich I. Barbarossa verlieh die Markgrafschaft Krain an die Grafen von Andechs, die sich bald darauf nach dem kroatisch-dalmatinischen Lande ara Meere Herzoge von Meranien nannten. Graf Heinrieh von Andechs wurde \vegen angeblieher Teilnahme an der Ermordung Philipps von Schrvaben abgesetzt. Seitdem gelangten die Babenberger in der Mark zu bedeutendem Ein- flusse; es kaufte namlich Leopold VI. die daselbst heimgefallenen Andechser Lehen des Bistums Freising, die spater an die Habsburger kamen, und sein Sohn Friedrich II. errvarb dureb die Vermiihlung mit Agnes von Meran bedeutende G ti ter im Lande, iveshalb er sich Herr von Krain (dominus Carniole) nannte. Nach seinem Tode flelen diese Giiter an die Spanheimer. Der letzte Herzog aus diesem Geschlechte, Ulrich III., heiratete die verwit.wete Agnes und erhielt von Aquileia, dem nach dem Sturze der Andechser die Mark ivieder iibertragen worden waa-, die Gerichtsba-rkeit daselbst, so daB er der Landesherr von Krain war, wenn auch der Patriareh den Titel „Markgraf von Kxa.in“ vveiter fiihrte. Seitdem teilt Krain die Schicksale Karntens, Unter Rudolf IV. dem Stifter wurde es ein Herzogtum. 4. Istrien. Die Gesehichte Istriens hat einen iibnlichen Verlauf wie die Kraims. Ursp-riinglich zu Karnten gehorig, ivurde es (mit Innerkrain) im elften Jahrhundert eine eigene Markgrafschaft, neben der es auch eine Grafschaft Istrien gab. Die letztere, das Gebiet um Mitterburg, wurde im Jahre 1077 dem Patriarehen von Aquileia iibergeben, der sich aber auch hier nicht behaupten konnte; sie gelangte spater an die Grafen von Gorz. Die Markgrafschaft, das uestliche Kiistengebiet der Halbinsel, kam gleichzeitig mit Krain an die Andechs- Meranier und nach der Absetzung Heinrichs von Andechs an die Patriarehen von Aquileia, denen sie aber nach und nach von Venedig entrissen rvurde. 1 Der Name kommt vom slawischen Krajna = Grenzland (Mark) oder vom lateinischen Garnia (nach den Karnern, S. 7). 2 Das Land ostlich von der Gurk gehorte bis zum dreizehnten Jahrhunderte zu Kroatien; Innerkrain bildete einen Teil der Mark Istrien. 3 In Oberlcrain \var die Zersplitterung so groB, daB die Grafschaft im elften Jahrhundert einging. 4 Die Patriarehen behaupteten sich nur in Friaul, rvorauf ihre reicbs- unmittelbare Stellung beruhte. 24 Zweiter Abschnitt. 1212 5. Salzburg. Die Landesholieit der Erzbischofe von Salzburg \vurde weniger dureh die Imrnunitaten, die ihnen die Karolinger verliehen, ausgebildet, als vielmelir dureh die ErVrerbung der grafliehen Rechte in verschiedenen Grafschaftsteilen, uelche den Erzbiscbofen im zwolften und dreizehnten Jahrbunderte gelang. II. Bolimen unter den Premysliden. Bolimen wurde nach deni Untergange des Gr o B m a b r i sch en Reiches selbstandig. Von den verschiedenen slawischen Volker- schaften des Landes wurden die Trager der geschichtlichen Ent- wicklung daselbst die Tschechen. Diese hatten sieh um Prag nieder- gelassen und standen unter Eiirsten aus dem Geschlechte des sagen- haften Premysl. Ihnen gelang am Ende des zelmten Jahrhunderts die Einigung des Landes. Sonst kommen aus der Geschichte Bohmens besonders in Betracht: 1.) Die Christianisierung des Landes; 2.) das Verhaltnis zum Deutschen Reiche; 3.) die Tliron- streitigkeiten; 4.) die Beziehungen zu Polen; 5.) das- Verhaltnis zu Mahren; 6.) die deutsche Kolonisation. 1. ) Die Christianisierung des Landes fand unter Wenzel I. dem Heiligen, einem Zeitgenossen des Konigs Ileinrich I., statt. Zwar felilte es nicht an einer heidnischen Reaktion, der sogar Wenzel zum Opfer hel; doch blieb das Christentum auch unter seinem Bruder und Rachfolger Boleslaiv I. bestelien und fand in der Griin- dung des Prager Bistums miter Boleslaw II. eine kraftige Stiitze. 2. ) Unter Wenzel I. wurde auch das Verhaltnis zum Deutschen Reiche festgestellt. Wenzel wurde namlich von Ileinrich I. gezwun- gen, die Oberhoheit Deutschlands anzuerkennen und einen Tribut zu zahlen. Seitdem ivurden die bohmischen Eiirsten vom Kaiser be- lehnt und alle Versuche, dieses Verhaltnis zu andern, blieben erfolg- los; nur der Tribut wurde spaterhin erlassen. Im Innern waren die Pfemysliden ganz unabhangig und iibten alle Regalien aus- Sie fiihrten den Titel Herzog; doch er hi el ten Wratislaw von Ilein¬ rich IV. und Wladislaw von Friedrich I. fiir ihre Person die Konigs- wiirde. Dauernd \vurde Bolimen ein Konigreich zur Zeit des Thron- streites zwischen Philipp von Sclnvaben und Otto IV. unter Pfemysl Ottokar I. Spatcr bestatigte Friedrich II. dureh die Goldene Bulle (1212) die Konigsiviirde und bestimmte, daB die bohmischen Konige nur die Reiclistage zu Bamberg, Kiirnberg und Merseburg zu BShmen unter den Pfemysliden. 25 besuchen und dem deutschen Konige fiir den Edmerzug bloB 300 Mann zu stellen oder 300 Mark Silber zu zahlen hatten. 1 3. ) Der Sicherung des deutschen tTbergewichtes in Bohmen varen die zahlreichen Thronkdmpfe forderlich, die daselbst im elften und zivolften J ahrhunderte herrschten und teilweise mit ivilder Grausamkeit (Blendung, Verstiimmlung) gefiibrt ivurden. Sie entstammten dem Senioraie , demgemaJB der jeweilige alteste Prinz regieren solite, und horten erst auf, als seit Ottokar I. die ISfachfolge nacli dem Redite der Erstgeburt (Primogenitur) iiblich ivurde. 4. ) Das ivichtigste Ereignis aus der auBeren Geschichte Bohmens ist der zweinmlige ICampf mit Polen. Zur Zeit des Kaisers Heinrieh II. des Heiligen eroberte der polnische Herzog Boleslaiv Chabri aus dem Hause der Plasten Bohmen und Mfihren, doch zwang ihn Heinrieh zur Herausgabe Bohmens, ivahrend Mahren erst naeh Boleslaws Tode an die Premvsliden zuruekfiel. Dagegen unter- nalim zur Zeit des Kaisers Heinrieh III. der Bohmenherzog Bfetislato die Erobe- rung Polens, wo damals Thronstreitigkeiten herrschten; nacli dem Vorgange Sivatopluks und Boleslaivs strebte er die Griindung eines groBen slawischen Beiches an. Zwar drang er siegreich bis Gnesen vor, doch notigte ihn Heinrieh III. dureh drei Feldziige, Polen, das damals ein deutsehes Lehensland war, zu raurnen und die Oberhoheit des Deutschen Beiches ivieder anzuerkennen. 5. ) Obivohl Mahren dureh die Person desselben Landesfiirsten mit Bohmen verbunden war, galt es docli als deutsches Ileiclisland. Da Bretislaiv es zur Ausstattung der jiingeren Sprossen des regie- renden Hauses bestimmte, entstandon die beiden Fiir sten tiimer von Brnim und Olmutz; zu letzterem gehorte auch das Gebiet von Troppau. Infolge des Aussterbens dieser Nebenlinien im dreizebnten •1 abrhunderte wurde Mahren vollstandig mit Bolimen verbunden. 6. ) Von besonderer Wichtigkeit ivurde die deutsche Einwan- derung etwa seit dem Jahre 1200, also unter den Konigen Ottokar I., Wenzel T. und Ottokar II.; unter dem letzteren ivurde auch Maliren kolonisiert. Die Fiirsten zogen deshalh Deutsche ins Land, iveil sie an ihnen eine Stiitze gegen die GroBen fanden und der FleiB der Einivanderer die Einkiinfte der Krone steigerte. Im Jahre 1306 starben die Premjsliden mit Wenzel III. aus. 1 Hieclureh wurde aber die sonstige militiirische Verpflichtung dem Kaiser gegenuber nicht heriihrt. Um 1200. 1306 . 26 Zweiter Ahschnitt. III. Ungarn unter den Arpaden. Da in der zweiten H alf te des zelmten Jahrhunderts die Polen und Russen zu geordneten staatlichen Verhaltnissen gelangten und auch das Ostromische Reich wieder erstarkte, muBten die Magvaren ihre Plunderungszlige einstellen und zu einem seBhaften Leben iibergehen. Dadurch war ihre Bekehrung zum Ohristentum und die Begriindung der germanisch-romanischen Kultur in Ungarn ermog- licht. In beiden Beziehungen war die Regierung des Konigs Stephan 995-1038. des Heiligen (995 — 1038) von grundlegender Bedeutung. In politischer Hinsicht ist vor allem wichtig, daB Stephan die letzten der noch bestehenden Teilfurstentiimer beseitigte und da¬ durch das ganze Land mit EinschluB von Siebenbiirgen einigte. Er maclite sodann den Reslen der patriarchalisclien Vervvaltung ein Ende und teilte ganz Ungarn fiir die Zwecke der Verwaltung und Rechtspflege in Graf schaf ten ( comitatus). 1 In icirchlicher Beziehung schuf er die Diozesanverivaltung, indem er zehn Bisttimer und das Erzbistum Gran griindete; auch errichtete er mehrere Kldster in Ungarn wie im Auslande. In Anerkennung seines kircheneifrigen Wirkens erteilte ihm der Papst Silvester II. den Titel Apostolicus 2 und iibersandte ihm mit Zustimmung Ottos III. eine Kdnigskrone 1000. (1000). Zahlreiche Gesetze, in denen er das deutsche Vorbild mit- unter fast vvortlich nachalimte, dienten der Sicherung seiner Ein- . richtungen. Die wichtigsten Ereignisse der ungarisclien Geschichte nach Stephan sind: 1.) Die inneren Wirren und die damit in Zusamnien- hang stehenden Beziehungen zum Deutschen Reiche; 2.) die Er- werbung Kroatiens und eines Teiles von Dalmatien; 3.) der Einfall der Mongol en; 4.) die Einwanderung der Deutschen. 1.) Stephan bestimmte in Ermanglung eines Sohnes seinen Keffen Peter den Venetianer zu seinem Kachfolger, doch liatte dieser mit einer machtigen Gegenpartei zu kampfen, die den ein- heimischen GroBen Aha zum Konige ausrief. Peter wurde ver- trieben, fand aber Unterstiitzung an Heinrich III., der ihn wieder als Konig einsetzte, wofiir er ihm den Leheuseid leisten muBte 1 Aus dem Worte župan = comes entstand das magyarisehe ispany und daraus das deutsche Gespan. 2 Daher fflhrt unser Kaiser den Titel: „Apostolisehe Majestat". Ungarn miter den Arpaden. 27 (1045). 1 Gleichvvolil komite sich Peter nieht behaupten, es gelangten vielmehr Seitenverwandte Steplians zur Herrschaft; unter diesen kani es zum Kriege mit Deutschland, der mit der Anerkennimg der vollen Unabhangigkeit Ungarns endete (1058). Im iibrigen blieben die Einrichtnngen Steplians erhalten, audi das Christentum, gegen das sich beim Beginne dieser Kampfe eine heidnische Reaktion er- hoben hatte. Da audi in Ungarn das Redit auf die Haclifolge zwi- scben Seniorat und Primogenitur schwankte, gab es noch im zivolften Jahrhunderte zahlreiche Thronstreitigheiten; infolgederen gewann das Deutsche Reich immer wieder EinfluB auf Ungarn und erfuhr die Maclit der GroBen, gleichfalls wie in Bdlimen, eine be- deutende Steigerung. Die letztere kam besonders unter dem Konige Andreas II. zum Ausdrucke. Dieser mufite namlich dem Adel in der Goldenen Bulic (1222) 2 unter anderem die Steuerfreiheit und das Redit einraumen, die Verfassung audi mit Waffengewalt ver- teidigen zu dtirfen, wenn sie der Konig nach seiner Meinung verletzt hatte (Insurrektionsklausel). Damit war eigentlich die Revolut-ion als bereclitigt anerkannt. 2.) Die Kroaten machten sich um das Jahr 900 vom Ost- frankischen Reiche unabhaiigig und breiteten sich nordwarts all- mahlich iiber das Lancl ztvischen cler Drau und Sawe aus, das bisher v on Slowenen bewolmt iv ar (daher Kroatien und Slaivpnien, d. h. Slovveiiien), verloren aber infolge innerer Wirren das Kiisten- gebiet an Venedig. Gregor VIL verlieh dem kroatischen Herzoge gegen Anerkennung der papstliclien Lehenshoheit den Konigstitel. Begiinstigt durch Streitigkeiten im Lande, eroberte cler ungar isclie Konig Ladislaus nach dem Tode seines kinderlosen Schivagers Zwonimir das binnenlandische Kroatien (1091). Sein Keffe und Hachfolger Koloman, der gleich seinem Oheime die Gesetzgebung Steplians weiterfuhrte, entrifi den Venetianern einen Teil Dal- matiens ; doch blieb dieses Lancl Jahrhunderte hindurcli ein Zank- apfel zwischen Ungarn und Venedig. 1 Mit diesen Kampfen hangt die Erweiterung der Ostmark bis zur March und Leitlia zusammen. 2 Wahrend in Ungarn nur der Adel Redite erhielt, gewannen dureh die ziemlich gleichzeitige Magna cliarta in England alle Stande die Verbriefung ihrer Gerechtsame. In der Zeit Andreas’ II. spielt das Grillparzersche Drama: „Ein treuor Diener seines Herrn“. 1222 . 1091 . 28 Zweiter Abschnitt. 3. ) Unter Bela TV., dem Soline und Kaelifolger Andreas’ II., fielen die Mongolen nach grauenhafter Verwiistung Mahrens in Ungarn ein und schlugen den Konig bei Mohi bis zur Vernichtung 1241 . (1241); zwei Tagereisen Aveit waren die Wege und Fekler mit Leichen bedeckt, das ganze Land wurde zur Einode gemacht. Bela w and te sich um Hilfe an Friedrich II. den Streitbaren und ver- pfandete ihm drei Grenzkomitate, olme aber eine besondere Un.ter- stiitzung erlangen zu konnen; da jener gieidiAvohl das Pfand behielt, kam es zur Schlacht an der Leitha in der Kahe von WienerdSTeustadt (1246). Bela Avurde nur dadurcli gerettet, dah die Mongolen nach einjahrigem Brennen und Morden wegen drohender Throilstreitig- keiten Ungarn raumten. 4. ) Um die Mitte des zwolften Jahrhunderts ivanderten zdhl- reiche Deutsche vom Riederrhein (j^Flandrer' 1 ') in die Zips und in Siebenbiirgen ein. 1 Besonders viele Deutsche („Sachsen“) zog Bela IV. nach Ungarn, um das verodete Land \vieder emporzubrin- gen; es umrden ihnen Liindereien zugmviesen und ihre nationale Selbstandigkeit (Wahl der Eichter und Geistlichen) zugesichert. 1301 . Im Jahre 1301 starb der Mannsstamm der Arpaden aus. So zeigt die Geschichte Ungarns unter den Arpaden mehrere Ahnlichkeiten mit der Bohinens unter den Premjsliden. IV. Das osterreicliisclie Zivisclienreicli und die erste Verbindung der Sudeten- und Alpenlander unter Premysl Ottokar II. (1246—1282). 1. Die Anspriiche auf das babenbergische Erbe. JSTach dem Tode Friedi-ichs des Streitbaren erhoben Anspriiche auf das er- ledigte Erbe seine SchAvester Margareta, und seine "JSTichte Gertrude; beiden stand aber nur das Reci it auf die ausgedehnten Allodialgiiter der Babenberger zu. Der Kaiser Friedrich II. zog daher Osterreich und Steiermark als erledigte Eeichslehen ein, Avahrend sich die beiden Frauen mit ihren Anspriichen an den Papst Avandten, der sicli zugunsten Gertrudens entschied, Aveil sie sich mit dem Avelfisch gesinnten Markgrafen Hermann von Baden vermahlte (f 1250). Dieser brachte es aber zu keiner durchgreifenden Anerkennung in Osterreich, da hier die staufisclie Partei das UbergeAvicht hatte. 1 Nach der hier erbauten Sibinbiu-g ain Cibinbache erhielt das Land den Namen Siebenbiirgen; friiher hieB es Transsylvanien. Die Ervrerbung der Alpenlander durch Ottokar II. 29 2. Die Erwerbung der Alpenlander durch Ottokar II. Diese Verhaltnisse beniitzte der Solin Wenzels I: Ottokar, Markgraf von Mahren, um die Alpenlander zu gewinnen. Es war dies nur dadurcli inoglich, daB damals das Deutsche Reich eines allgemein aner- kannten Oberhauptes entbehrte und sich. Ottokar enge an die Kirche anschloB. Zuerst brachte er die in Osterreich begiiterten Kirchen- fiirsten und die hervorragendsten Adligen auf seine Seite, sodann riickte er daselbst ein und besetzte das Land, in dem allerorten Ver- ivirrung lierrschte, ohne Schwierigkeit (1251). „Es gab keinen Winkel, der seine Ilerrschaft zuriickgewiesen hatte“, meldet eine einheimische Quelle. Jetzt, heiratete er Margareta, um aucli die babenbergischen Hausgiiter zu gewinnen. Als sich nun Gertrud mit cinein Yerwandten Belas IV. vermahlte und dem ungarischen Konige ihre Anspriiche tibertrug, besetzte dieser Steiermark und bekriegte Ottokar. Da aber auch Bela der welfischen Partei an- gehorte, vermittelte der Papst zwischen beiden den Frieden von Ofen (1254), demzufolge Ottokar Osterreich und Bela Steiermark erhielt; damals wurde die jetzige Grenze zwisclien den beiden Bimdern festgestellt. 1 Weil sich aber die Magjaren durch ihre Roheit in Steiermark verhaBt machten, vertrieb sie der Adel des Landes, dessen Fiihrer damals Ulrich von Liechtenstein war, und lud Ottokar zur Besetzung d^ Landes ein. Als es infolgedessen zivischen ihm und Bela zum Kampfe kam, wurde der letztere bei Kroissenbrunn so entscliieden geschlagen (1260), daB er im folgen- den Jahre im Frieden zu Wien auf Steiermark verzichtete. Bald erwarb Ottokar, der inzwischen Tvonig von Bohmen geworden war, auch Kdrnten, Krain und die I 'Vindische Marii. Diese Lander verwaltete damals Herzog Ulrich III. (S. 23), der durch seine Mutter ein Enkel Ottokars I. war. Da er keinen Solin hatte, setzte er Ottokar II. zum Erben seiner Lander ein, ob- wohl sie Reichslehen waren und sein Bruder Philipp, Erzbischof von Salzburg, zugleicli mit ilim die Belehnung empfangen hatte. Ottokar riickte in Krain und Karnten ein und fand den ohnmacli- tigen Philipp mit dem Titel eines lebenslanglichen Statthalters von Karnten ab. 1 Es fiel demnacli die Grafsehaft Pitten nordlich vorn Semmering und der Iraungau an Osterreich. 1251 1254 1260 30 Zweiter Absehnitt. So war zum erstenmal die V erbindung der Alpen- und Sudeten- lander erfolgt. 1 Ottokar war klug, tapfer, freigebig, ein Gonner der Kunste und Wissenscbaften. Den Adel hielt er im Zaume, die Geistlielikeit be- giinstigte er durch die Zuriickgabe der entwendeten Kirchengiiter, die deutsche Kolonisation und das Stadtewesen pilegte er eifrig und erhohte dadurch seine Einkiinfte derart, daB man ihn den „goldenen“ Konig nannte. Er erlieB den altesten Landfrieden fiir Ostlerreich. So maehtig damals seine Stellung urar, muBte sie docb zusammenbneehen, sobald ihre beiden Stiitzen hinwegfielen. Dies war der Eall, als Rudolf von Habsburg zum Deutschen Konige gewahlt wurde und sicb der Papst auf seine Seite steli te. 3. Rudolf I. und Ottokar II. Vergebens hatte Ottokar gehofft, Deutscher Konig zu \verden ; die Kurfiirsten wahlten vielmehr den Grafen Rudolf von Habsburg, . den sein vortrefflicher Charakter besonders empfahl. Rudolf war namlicb fromm, gerecbt, maBig, klug, ritterlich; diese Eigenscbaften, ja teilweise aucb seine Gestalt, sind im Iiause Habsburg erblich geworden. Da sich Ottokar wei- gerte, Rudolf anzuerkennen, die widerreclitlich besetzten Alpen- lander herauszugeben und fiir Bohmen und Mahren die Belelmung nachzusuchen, kam es ziveimal zum Kriege zwisclien beiden. Im 1276. ersten (1276) unterstiitzten Rudolf der Erzbiscbof von Salzburg, der Herzog Ileinrich von Hiederbavern und der Graf Meinhard von Gorz-Tirol; besonders \vichtig aber war, daB in Steiermark, Karnten und Krain die Landherren und Stadte von Ottokar abfielen. Rudolf zog rascli gegen Wien, belagerte die Stadt und notigte Ottokar, dessen Heer durch Desertionen zusammengeschinolzen war, zum Frieden. Dieser bestimmte, daB Ottokar die Alpenlander heraus- geben, die beiderseitigen Anhanger begnadigt werden und eine Doppelheirat zwischen den Kindern der beiden Konige stattfinden solite, wogegen Ottokar mit Bohmen und Mahren belehnt wurde. Ottokar konnte die erlittene Derniitigung nicht verwinden und suchte sich daher an Rudolf zu rachen. Er verband sich mit Polen und erhielt Onterstiitzung seitens einiger Reichsfursten, denen Rudolf zu maehtig zu werden drolite; dagegen hatte der letztere einen treuen Bundesgenossen an dem Konige von Ongarn. Mit 1 Es ist namlich sehr unsicher, ob sicb das Reich Samos auch iiber Karan- tanien erstreekt hat (S. 12). Die Belehnung der Habsburger mit den osterreichischen Landern. 31 diesem vereinigt, schlug Rudolf ara 26. August 1278 seinen Gegner bei Dv/rnkrut am Weidenbache vollstandig; Ottokar wurde nach tapfercr Gegenwehr in der Schlacht von einigen osterreichischen Ministerialen ermordet. 1 4. Die Belehnung der Habsburger mit den osterreichischen Landern. Rudolf blieb zunachst fast drei Jahre lang in Wien, ver- schaffte seinen beiden Sohnen die tlbertragung der Kirchenleben in den Alpenlandern und setzte bei seinem Abgange seinen alteren Sohn Albrecht zum ,,Reichsverweser und Gewaltigen“ liber sie ein, 17achdem er sodann die Willebriefe der Kurfiirsten erhalten liatte, belehnte er auf dem Reichstage zu Augsburg (1282) seine Solme Albrecht und Rudolf unter gleichzeitiger Erhebung in den Eiirsten- stand mit Osterreich, Steiermark, Karnten, Krain und der Windi- schen Mark; 2 3 doch wurden die beiden letzteren an Meinhard wegen seiner Auslagen im Kampfe mit Ottokar verpfandet und ihm iiber- dies Karnten zur Verivaltung liberlassen, bis er im Jahre 1286 mit diesem Lande belehnt wurde. Aus der fruheren Gescliielite der Habsburger. Die Habsburger sind ein sehwabiselies Gesehleeht, dessen beglaubigter Stammbauin sich bis ins zelmte Jahrhundert zuriiekverfolgen lafit. Ihren Namen haben sie von der Habichtsburg; sie ist langst eine Ruine. s Ihre altesten Besitzungen iagen teils an der Aar und ReuB, teils zu beiden Seiten des Rheins von Basel bis unterhalb Breisaeh. Zu grijfierer Bedeutung gelangten sie im zwolften Jahrhunderte; damals sind sie namlieh bereits Landgrafen im Oberelsafi (Sundgau), erhielten von Friedrich I. die Grafsehaft im Ziirichgau, die sich im Westen der Limmat und des Ziircher Sees vom Bhein bis liber Sehwyz erstreckte, und erbten ausgedehnte Giiter in Luzern mul Unter\valden. Hiezu kam spatestens unter Friedrich II. die Grafsehaft im Aargau, die vom Rhein bis zur Siidgrenze Untenvaldens reielite. Als bald darauf die Habsburger ihren Besitz teilten, fiel der weitaus groBere Teil samt der Landgrafscha.ft Oberelsafi und der Grafsehaft Aargau der alteren Linie zu, 1 Der Verlust des biihmischen Heeres wird auf 10.000 bis 14.000 Mann an- gegeben, wKhrend der Rudolfa nur gering gewesen sein soli. Damals war ftir die schwer gepanzerten Ritter die Flucht besonders verhangnisvoll. Bei Jedenspeigen war nur Ottokars Lager. Es war dies eine Belehnung „zur gesamten Hand“, so genannt, weil die- jemgen, die gemeinsam belehnt wurden, bei der Eidesleistung zusammen mit der Hand die Fahne bertihrten. Die Gesamtbelehnung wurde wiederholt erneuert. 3 Die noch erhaltenen Teile der Burg gehoren drei verschiedenen Zeiten an; die beiden Turine stammen vom ursprunglichen Bau des elften Jahrhunderts, der Gmbau des alten Wohnhauses aus dem zwolften und das neue Wohnhaus aus dem fiinfzelinten Jahrhunderte. 1278 . 1282. 1286. 32 Zweiter Absohnitt. wahrend sle die Grafschaft im Ziirichgau mit der jlingeren, die nach ihrem Sitze die Laufenburgisclie genannt wird, teilte. Diese Linie starb bereits im Jahre 1408 aus. Aus der alteren Linie stainmte Rudolf, der Begriinder der GroBe des habs- burgischen Hauses. Er brachte \vahrend des Zvvischenreiclies beim Erloschen der vervvandteii Grafen von Kiburg deren Giiter bis zum Boden- und siidlieh vom Wallensee sowie die Grafschaft im Thurgou an sich. Somit war Rudolf Graf in dem ganzen Gebiete, das sich am linken Rheinufer von Breisach bis zum Boden- see erstreckt, ferner besaB er sehr bedeutende Eigengiiter und war Vogt mehrerer Klijster. Infolge der inusterhaften Bewirtschaftung seiner Giiter \var er der reichste Mann in Schwahen, ja nach den Kurftirsten und dem Erzbisehofe von Salzbm'g in ganz Deutschland. V. Kultur. A. Die Religion und Kirche. In diesem Absclmitte gelangte das Ohrištentum im ganzen Kaiserstaate zum Siege, wenn es ancli noch langere Zeit Erinne- rungen an das Ileidentum gab; so bestimmte Bretislaw, daB das Heidentum in Bohmen strengstens bestrafb werden solle. ]STocb im Jahre 1279 muBte cin Provinzialkonzil zn Wien die Ehelosigkeit der Geistlichen einschiirfen. In allen Teilen der Monarchie werden Ketzer (Katharer und Waldesier, II. 114) erwahnt; Leopold der Glorreiche und Ottokar II. scbritten entschieden gegen sie ein. Seit den Kreuzziigen kamen vviederholt Judenverfolgungen vor (II. 94). Eiir die Besetzung der Biscbofsstuhle galten im allgemeinen die Bestimmungen des Wormser Konkordates (1122). Die Sitze der Bischofe und die Kloster waren die Ausgangspunkte einer hoheren Bildung. 1. Die Alpenlandei' In Tirol erhielten sich von der Riimerzeit her die Bistiimer Trient und Saben; das letztere wurde am Ende des zehnten Jahr- hunderts nach Brixen iibertragen. Zu den Hochstiften Aquileda, Salzburg und Passau kamen die Bistiimer Gurk, Seckau und Lavant. Namentlieh im z\volften Jahrhunderte wurden zahlreiche Kloster gegrundet. Der Zeit und der Zahl nach stehen voran die Benediktinerkloster, zu denen in alterer Zeit auBer den friiher genannten (St. Peter in Salzburg, Inniehen und Ki-emsmunster) besonders noch St. Polten, Melk sowie die Nonnenldoster GoB und Sonnenburg gehbren. Der kirchliehe Aufschwung in der Zeit des Investiturstreites (II. 93) auBert sich auch bei uns ih der Griindung neuer Štifte, wie denn auch der Zisterziense-rorden friili- zeitig Eingang fand. Genannt zu werden verdienen: Gottweih, Admont, St. Paul und St. Lambrecht (Benediktiner), Heiligenkreuz, Zwettl und Lilienfeld (Zister- zienser), St. Flori a n und Klosterneuburg (Chorherren). Bald folgtcn die Prtimon- stratenser und Kartiiuser; ilinen schlossen sich im dreizehnten Jahrhunderte die Bettelorden an (II. 115). Die Verfassung. 2. Bohmen Zum Prager Bistume kam im elften Jahrhunderte das Olmiitzer, das ebenfalls dem Mainzer Erzstift unterstand. Die Pfemysliden begiinstigten die Griindung zahlreicher Kloster, von denen Strahow, Konigsaal und Raigern am wichtigsten wurden. 3. Ungarn. Hier behauptete sich die von Stephan getroffene Organisation der Kirehe. Unter den zahlreichen Kloster n des Landes gewann St. Martin die grofite Bedeutung. Konig Ladislaus griindete das Bistum Agram. B. Die Verfassung. 1. Die Alpenlander. Ilinsichtlich der Verfassung der Lander des Deutschen Reiciies kommt besonders die Ausbildung der Landes- hoheit und der landstdndischen Gewalt in Betraclit (II. 116 und 135); fiir beide ist die Zeit des Kaisers Friedrich II. von groBer Wichtigkeit. Wahrend die landstandische Gewalt in den Alpen- landern bis zum Ausgange des dreizehnten Jahrhunderts keine Rolle spielt, ist die Landeshoheit der Fiirsten damals bereits entwickelt. Ihr x\usgangspunkt ist die Bekleidung eines Reichsamtes (der Grafen-, Markgrafen- oder Herzogstviirde). Iliezu konnten ver- schiedene andere Umstande, wie reicher Grundbesitz, Afterlehen (von geistlichen Fiirsten), die Vogteigewalt sowie personliche Tat- kraft und Riicksichtslosigkeit kommen. Fiir die Babenberger war die Geschlossenlieit des Verwaltungsgebietes, fiir die Traungauer der ungemein groBe Grundbesitz, fiir die Grafen von Gorz und Tirol die Vogteigewalt iiber Aguileia, beziehungstveise iiber Brixen und Trient, beliufs Gewinnung der Landeshoheit besonders wichtig. 1 2. Bohmen. Die Gewalt der alteren Premysliden war tatsach- lich unbeschrankt.. Infolge der vielen Thronstreitigkeiten erlangten aber im ztvolften Jahrhunderte die Kaiser und die einheimischen GroBen einen zunehmenden EinfluB auf die Eiusetzung des Konigs. 3. Ungarn. Ilier entwickelten sich die Verhaltnisse in ahn- licher Weise wie in Bohmen. Das Konigtum war zwar erblicli, doch gab es hauiig Thronstreitigkeiten; audi wurde die Anerkennung durcli den Adel und die Geistlichkeit sowie die feierliche Kronung verlangt. 1 Die Babenberger waren aueh Lehensleute der in Osterreich begiiterten Kirehenfiirsten .von Salzburg, Passau, Preiaing und Regensburg, Vogte der oster- reiebiselien und steirisehen Kloster sowie Patrone der reiehsten Landespfai'ren. Zeehe-Heiderich, čsterr. Vaterlandskunde. 3 34 Zweiter Absclmitt. G. Die Gliederung der Bevolkerung. 1. Der Adel. Der politisch \vichtigste Stand war der Adel, der in den hohen und den niederen zerfiel. In den Alpenldndern bildeten den hohen Adel die Hachkommen der alten edlen (nobiles, liberi) und Grafengeschlechter, die aber in Osterreich selbst nur in geringer Zahl vertreten waren. Dem liohen Adel \vurden allmahlich auch die zahlreichen Ministerialen zugerechnet (II. 122). 1 Da die Herzoge von Osterreich und Steiermark besonders fiir die Grenzhut ilirer Lander zu sorgen hatten, statteten sie ihre Ministerialen gegen die Verpflichtung, ihnen eine bestinunte Anzahl von Reitern zuzu- fiihren, mit reichem Grundbesitz aus. Die durch den Kriegsdienst bedingte ritterliche Lebensweise lieB allmahlich den Makel ilirer Unfreiheit in den Hintergrund treten, zumal da sich wegen der damit verbundenen Vorteile auch adlige Freie zum Ministerialen- dienste herandrangten. 2 Die Angehorigen des hohen Adels nannten sich Landherren oder Herren. Ihr gemeinsames Merkmal waig die passive und aktive Lehensfahigkeit, d. h. sie konnten Lehen emp- fangen und verleihen. Den niederen Adel bildeten seit dem drei- zehnten Jahrhunderte die zahlreichen unfreien Bitter (milites) und Knechte (clientes, sel ten Knappen genannt), 3 denen die aktive Lehensfahigkeit fehlte; sie zahlten iliren Herren (dies waren auBer dem Herzoge die Ministerialen) Zins und traten teihveise an deren Stelle, nachdem sich diese auf ihre Schlosser zuriickgezogen hatten. In Bohmen gaben bald nach der Einigung des Landes der Dienst am Ilofe und eine Beamtenstelle in den Gauen (Župen, den spateren Burggrafschaften) Anspruch auf groBeren Besitz und hohere Ehre. Je nach der Bedeutung dieser Arnter zerfielen schon 1 Ministerialen-Geschlechter \varen die Liechtenstein, Starhemberg, Tra.un, TrauttmansdorfT u. a. — Seit dem zwoiften Jahrhunderte fiihrten die Soline von Grafen auch dann den Grafentitel, wenn sie keine Grafschaft verwalteten. 2 Das osterreichische „Landrecht“, dessen alterer Text der Zeit Ottokars angehort, faBt bereits den -freien Adel und die Dienstmannen als „Nobiles“ zu- sammen. — Unser Ausdruek „Herrenhaus“ halt noeh die Erinnerung an die einstige Bedeutung des Wortes „Herren“ fest. Die Ministerialen der Bistumer, KI oster und Grafen wurden keine „Herren“. Die gi-oBe Macht der herzogliehen Ministerialen beweist der Umstand, dafi sie zwei Empiirungen gegen Friedrich II. wagen konnten. 3 Uber ihren Unterschicd und iliren Heerschild vergl. II. 123 und 133. Die Giiederung der Bevolkerung. 35 damals die GroBen in die Gruppen der milites primi et secundi ordinis; nachdem sich den letzteren unter dem Einflusse des Leliens- wesens auch Unfreie beigesellt hatten, komint es im vierzehnten J ah.rhun.dert auch iiier zur scharfen Trennung der Herren (domini, pani) und der Bitter (milites, vladikv). In Ungarn bildeten sich seit Stephan I. ein Beamtenadel (nobiles) und der Stand der Pralatenj die letzteren waren die Bi- sclidfe, die vom Konige ernannt wurden. Spater vollzog sich auch Iiier die Scheidung in den Stand der Barone oder Magnaten, dem die Inhaber der holien Ilofainter und die Obergespane angehorten, und in den des zahlreichen niederen Komitatsadels, der teils aus freien Burgmannen, teils aus horigen Dienstleuten der Burgen her- vorging. 2. Der Biirgerstand. Fiir die Entwicklung des Biirgerstandes waren die Kreuzziige von groBer Wichtigkeit, weil sie einen leb- haften Verkehr mit Ungarn und spater auch mit Venedig herbei- fiitorten; in allen drei Liindergruppen fallt daher das Aufbliihen der Stddte ins dreizehnte Jahrhundert. Wesentlicli begiinstigt wurde es durcli die Erteilung von Stadtrechten seitens der Landesfiirsten (II. 136). Uiezu kamen bisweilen noch besondere Vorreclite, wie die Verleiliung des Stapelrechtes an Wien durch Leopold VI., dem- zufolge die fremden Ilaufleute ihre Waren daselbst eine Zeitlang zum Verkauf ausbieten muBten. 1 Das Stadte\vesen ist in allen drei Liindergruppen, mit Ausnahme von Siidtirol, dem Ivustenland und Dalmatien, deutschen Ursprunges, die Stadtrechte sind daher durch- aus deutschen Mustern nacligebildet. Iieichsstadte gab es bei uns nicht. ais Hofgericht („Landrecht“) war die erste Instanz fiir alle GroBen und die ziveite iiber den Landgerichten. 3. Ungarn.Wie die deutschen Gane in Hundertscliaften, zerfielen die groBeren Komitate in Stiihle (sedes). Da einzelne Adlige die Obergespansiviirde in einem oder mehreren Komitaten erblich erhielten und die Stadte dem Kiinig unmittelbar untergestellt wurden, so erlitt aueh hier die Einteilung des Landes Einengungen und Unterbrechungen; gleichivohl behauptete sie sich bis zur Gegenwart. Auch in Ungarn beistand ein Hof- oder Konigsgericht, das ebenfalls spiiter zum Berufungs- gerichte wurde; den Vorsitz hiebei fiihrte in gewissen Fiillen der Pfalzgraf (comes palatinus, Palatin). F. Die Literatur. l.DieDichtknnst. a) Das Epos. Die Lieder von Siegfried und den Burgunden rvurden am Wiener Hofe noeh vorgelesen, nachdem sie am Rheiue bereits von der hiifischen Epik verdrangt \varen. Das Nibelungenlied hat vermutlich in Osterreich, die Kudrun in Steiennark die endgiiltige Gestalt gevvonnen; dem letzteren Lande entstammt auch das lange Heldengedieht Biterolf und Dietleib, Tirol dagegen u. a. der Grofie Rosengarten, Ortnit, Hug- und Wolfdietrich. Alle diese Dichtungen gehoren den ersten Jahrzehnten naeh 1200 an. 1 Wahrend in der ersten Halfte des elften Jahrhunderts die deutsche Dichtung ganz in den Handen weltlich gesinnter Sptelleute lag, rief der Investiturkampf in den Alpenlandern die ersten geistUchen Dichtungen in deutseher Sprache her- vor. Das iilteste deutsche Literatur-Denkmal im ganzen Reiche ist die Karntner Genesis (um 1080), etiva fiinfzig Jahre spiiter war Erau Ava, die iilteste deutsche Dichterin, tatig. AuBerdem entstanden Marienlieder, gereimte Legenden u. a. Die groBen hofischen Epiker \vurden auch in Osterreich gerne gelesen, wie die zahlreichen Handschriften von einzelnen ilirer Werke bevveisen. Der erste liofische Epiker Osterreichs ist der Striclcer, der Verfasser des Artusromanes ■ „Daniel von Blumental“. 2 Ein hervorragendes Werk ist der Meier Helmbrecht von JVcrnher dem Gartner, die erste deutsche Dorfgescliichte (um 1250); der 1 Bis ins vierzehnte Jabrhundert hinein lierrscht in Osterreich Vorliebe fiir die Namen der Helden des Volksepos. 2 Wenn der Stricker kein Osterreicher von Geburt geivesen sein solite, so liielt er sich doch daselbst viel auf. Die Literatur. 41 Dichter schildert darili die tlberhebung der oberosterreiehischen Bauern und die Bntartung des Rifcterstandes. Wahrend keiner der' groBen hofischen Epiker dem Donaustaate angehiirt, sehreitet Steiermark in der biographischen Erzahlung dem ubrigen Deutschland voran. Hier verfaBte namlieh Ulrich von Liechtenstein den „Frauendienst“, der in Kurze seine Erziehung und sehr eingehend seinen Minne- dienst behandelt. Ferner ragte Osterreich durch die Pflege von Schvoanken („Maren“) hervor; vom Stricker riihrt die erste deutsche Schwanksammlung (der Pfaff Amls) her. Das Interease an der Geschichte rief deutsche Reimchronilcen ins Leben; als Verfasser von solclien sind besonders zu nennen: Rudolf von Ems, der eine „Weltehronik“ schrieb, sein Zeitgenosse, der Wiener Janš (j- um 1250), der auBer einer Weltchronik auch ein Fiirstenbuch dichtete, endlich der Steirer Ottokar, der eine sehr ausfiihrliche, namentlich kulturgeschichtlich ivichtige Dar- stellung der osterreichiseh-steirisehen-karntnerischen Geschichte bis zum Beginne des vierzehnten Jahrhunderts verfaBte. 1 h) Die Lyrik. Auch die Lyrik ivurde in unseren Alpenlandern eifrig gepflegt. Oberosterreieh gehdren zwei der friihesten Minnesanger, namlieh der ICvrenberger und Dietmar von Aist an. Zu ihrer Zeit (zwdlftes Jahrhundert) is-t Reinmar von Ragenau naeh Osterreich gekommen und hat Walter von der Vogeliveide zu singen angefangen; mit jenem beginnt bei uns die Blfite der hofischen Lyrik, dieser bezeichnet den Gipfel des Minnegesanges iiberhaupt. Beide lebten eine Zeitlang am Wiener Hofe, der sich seit Leopold V. durch eifrige Pflege der Dichtkunst auszeichnete. Andere beriilimte Minnesanger waren Leutold von Soben, Ulrich von Liechtenstein und Zachdus von Himmelberg. Zeitgenossen von ihnen waren Neidhart von Reuental und der Tannhduser, die ihre Stoffe dem bauerlichen Leben entnahmen. Am Ende des dreizehnten Jahrhunderts verstummte bei uns der Minnegesang. c) Die Didaktik. Sie ist besonders durch die Satiren des sogenaunten Seifried Helbling und durch das Frauenbuch Uirichs von Liechtenstein vertreten; beide beklagen den Verfall der hofischen Sitte. d) Das Drama. Es ist durchaus kirchlichen Ursprunges (1.98 und 11.104). Die ersten dramatisclien Versuche, die dem zw(5lften Jahrhundert angehoren, be- handeln vorzugsweise die Auferstehung Ghristi; sie wurden in Kirchen und Klostern aufgefiihrt und sind in lateiniseher Sprache abgefaBt. Bald drangen derbe Ztige ein, wozu namentlich die Gestalten des Judas und des Teufels Ver- anlassung gaben, so daB ihre Auffiihrung in Kirchen und die Teilnahme von Geistliclien daran verboten wurden. Infolgedessen kamen sie in die Hande der Laien und wurden nunmehr auch in deutscher Sprache dargestellt. Die letzten PremysUden erwiesen sich auch als Forderer der deutschen Dichtung, ja von Wenzel II. haben sich drei deutsche Minnelieder erhalten. Der erste deutsche Dichter am bohmischen Hofe, an dem damals deutsches Rihter- wesen herrsehte, war Reinmar von Ziveter, ein bedeutender Spruchdichter. Das Beispiel der Konige wirkte auf den Adel; seiner Gunst erfreute sich auch der groBte Dichter Bohmens iin Mittelalter, Heinrich von Freiberg, der Gottfrieds Tristan fortsetzte. 1 Wahrend im ubrigen Deutschland zahlreiche Stadtechroniken abgefaBt vrurden, ist bei uns Janš der einzige biirgerliehe Geschichtsehreiber bis zum Aus- gange des dreizehnten Jahrhunderts. 42 Zweiter Abschnitt. 2. Die Prosa. Eine nennenswerte Tatigkeit auf prosaischein Gebiete rief erst der Investiturstreit hervor. Ilire Ilauptstatten sind die Kloster; ihr Inhalt ist dalier vielfacli kirchlicher Art, die Sprache die lateinische. Im zivolften und dreizehnten Jalirliunderte herrsclitein den Alpenklostern (Melk, Admont, Salzburg u. a.) eine rege Geschichtschreibung in der Form der Annalen und Chroniken, die teilweise sehr gute Kachrichten enthalten. Eigentiimlich ist ihnen 'der provinzielle, ja vielfacli lokale Charakter, was wohl damit zusammenhangt, daB fast nie ein Kaiser nacli Osterreicli kam und der Schwerpunkf des Reiches iiberliaupt am Rlieine lag (II. 138). Wemi trotzdem der groBte Geschichtschreiber des Mittelalters, Otto von Freising, ein Osterreicher ist, so darf nicht vergessen werden, daB sein Gesichtskreis durch sein Studium in Pariš und seine nahen Beziehungen zn seinem FTeffen Friedrich I. Barbarossa wesentlich erweitert wurde. Auch Bohmen wurde in den Kreis der kirchlichen Gelehrsam- keit hineingezogen. Der Vater der bolimischen Geschichtschreibung ist der Prager Domherr Kosmas (mn 1100), dessen Chronik von Bretislaw an hochst wertvolle Kachrichten enthalt. Sein Beispiel rief eine Reilie bedeutender Geschichtswerke hervor, die iiber die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts hinaus die bohmische und die allgemeine Geschichte beleuchten. Ungarn besaB in jene-r Zeit keine Chronik und keine Annalen; auch sind von den altesten Volkssagen nur wenige Reste erhalten. G. Das Schulwesen. DasWissen der Zeit vermittelten auch in Osterreicli die Kloster- schulen, unter denen besonders die zu St. Florian, Kremsmiinster, Melk, St. Polten und Gottweih hervorragten. Ilberdies hatte im dreizehnten Jahrhundert auch jede groBere Stadt eine Schule (II. 126); die Wiener Stadtschule zu St. Stephan war in der ziveiten Ilalfte des dreizehnten Jahrhunderts bereits beriihmt. Wenn si eh auch friih iibereifrige Stimmen gegen die klassisclien Studien vernehmen lieBen, drang diese aszetische Richtung docli nur ver- einzelt durch; es behaupteten sich vielmehr im Jugendunterrichte neben den sieben freien Kiinsten bis ins vierzehnte Jahrhundert hinein Terenz, Ovid, Sallust, Vergil und Iloraz (bei uns nament- lich die beiden letzteren). Die Kunst. 43 H. Die Kunst. 1. Die Baukunst. Die besterkaltene Basilika in Osterreich ist die in Parenzo, der jetzige Dom daselbst, mit einer prunkvollen, im byzantinischen Stile gehaltenen Ausschmiickung des Innern (Mosaiken und Marrnorverkleidung). Mit der Ausbreitung des Cliristentums erhohte sicli die Zahl der Kirchen. Schon unter den ersten zwei Babenbergern wurden allenthalben Kirchen. gebaut, frei- licli zum weitaus groBten Teile aus Holz j 1 es haben sich daher erst vom zwolften Jahrhundert an zahlreichere erhalten. Die hervor- ragendsten romcmischen Bauten sind: der Kreuzgang in Millstatt, die Dome zu Aquileia und Trient, die Stiftskirchen zu Heiligen- kreuzj Innichen, Seckau, St. Paul und der Dom zu Gurkj der letz- tere, die wichtigste rein romanische Pfeilerbasilika Osterreichs, ist auch durch seine Krypta beriihmt (II. 127). Im Ubergangsstile sind erbaut die Kirche in Lilienfeld, die Doppelkapelle in der Burg zu Eger, die Kirchen zu Trebitsch und Tischnoiuitz, die Kreuzgange in Heiligenkreuz, Zwettl und Lilienfeld. In Ungarn haben die Mon- golen und Tiirken mit den alteren Denkmalern griindlich auf- geraumt; das wichtigste romanische Bauwerk daselbst ist die Dom- kirclie zu Fiinfkirclien, der grof!te romanische Bau des Landes, und aus der Lbergangszeit die Kirche von St. Jak; letztere ist, wie die meisten groBen Kirchen der Monarchie, durch ihr prachtvolles Portal beriihmt. 2 Die weltliche Baukunst schuf zahlreiche Burgen, deren Kuinen in allen Teilen des Reiches stelien; besonders hervorzuheben sind in den Alpenlandern Tirol, in Bohmen Klingenberg, in Mahren Pernstein, in Ungarn Visegrad. In Kiederosterreich gibt es un- gefahr 600, in Bohmen 900 Ruinen von Burgen. Das beste Bild einer damaligen Stadtbefestigung bietet Friesach. 2. Die iibrigen Kunste. Die Kirchen des romanischen und des Ubergangsstiles waren mit Malereien, und zwar die architektoni- schen Teile, z. B. die Arkaden, mit farbigen Ornamenten, die Wande mit Bildern geschmiickt, die ihren Stoff aus der II. Schrift schopften. TJnter den erhalt.enen Denkmalern dieser Art stehen 1 Noch Bisehof Altmann von Passau fand in der Ostmark fast durchaus Holzkirehen. 2 Wohl das reichstgeschmiickte Portal auf osterreichischem Boden besitzt der Dom von Trau, das bedeutendste der nordlieheren Gegenden die Stephans- kirche in Wien. 44 Zweiter Absehnitt. obenan die Malereien im' JSTonnenchore des Gurker Domes, welche hauptsachlich Darstellungen aus dem LebenChristi und der h.Maria enthalten; sie stammen aus dem dreizehnten Jahrhunderte. Yon Werken der Kleinkunst ist besonders wichtig der Tassilokelcli in Kremsmiinster; er bat die Form eines Romerglases, ist ganz aus Kupfer hergestellt und grofitenteils mit Silberblecli bedeckt, in das die Bildnisse Christi und der Evangelisten eingezeiclmet sind, wah- rend das Ornament aus bandartigen Verschlingungen gebildet ist, wie sie zahlreichen Graberfunden aus der Periode der Volker- vvanderung eigentiimlich sind. Der Zeit Karls des Groben ent- stammen zwei Prachtstiicke der Buchmalerei, namlich die Evangelienhandschrift der Wiener Schatzkammer und die des Stiftes Kremsmiinster (codex millenarius). Beriihmte Glasgemalde schmiicken die Kirchen von Ifeiligenkreuz , 1 die noch der romani- schen, und von Klosterneuburg, die bereits der gotischen Zeit an- gehoren. Ein hervorragendes Werk der Gol d- und Seidenstickerei ist der kirchliche Ornat aus dem aufgehobenen Kloster Gob (um 1250 ). I. Die materielle Kultur. Fiir den materiellen Aufschwung unserer Lander sind die Kreuzzuge von besonderer Wichtigkeit. Osterreich und Steiermark waren namentlich unter Leopold VI. wahrhaft bliihende Land- schaften; in beiden war bereits damals die Mehrzahl der daselbst heute bewolmten Orte vorlianden, wenn sie auch, wie die Koloni- sationsgebiete uberhaupt, zu den sch\vachst bevolkerten Teilen des Reiches gehorten. 1. Der Ackerbau. Wahrend der GroBgrundbesitz seit dem drei¬ zehnten Jahrhundert infolge Ausgabe von Lehen und Zerschlagung des Ilerrenlandes entschieden zuriickging, nahm der Bauernstand unter dem Einflusse der Kreuzzuge und infolge zweckmiibigerer Bebauung des Bodens bei unveranderter Leistung an den Gutsherm einen groben Aufschwun'g, anderseits litt er unter den zahlreichen 1 Diese sind vermutlich naeh den funf im Doine zu Augsburg erhaltenen die iiltesten Glasmalereien auf deutschem Boden. Die alteren Heiligenkreuzer (zwolftes Jahrhundert) bestehen nur aus griinliehen Bandstreifen und Ranken, wahrend die jiingeren Heiligenkreuzer und die Klosterneuburger, die um 1300 entstanden, Bildnisse der Babenberger enthalten. Die materielle Kultur. 45 Ritterfehden und dor zunehmenden Zerstiicklung des Bodens. 1 Neben dem Baue der Kornerfriichte wurde besonders die Kultur der Rebe selbst in Gegenden betrieben, in denen sie spiiter infolge der verbesserten Verkehrsverhaltnisse vollstandig eingestellt wurde (z. B. in Oberosterreicli) ; sie gelangte seit dem dreizebnten Jahr- hunderte zu groBer Bliite in Osterreich und Tiral, in dem letzteren Bande auch die Obstzucht. Am Anfange des dreizelmten Jahr- hunderts war in den Alpenlandern im groJBen ganzen die Urbar- machung des Bodens abgeschlossen (II. 136). 2. Der Bergbau. In den ersten Jahrhunderten des Mittelalters ging manclier Bergbaubetrieb der Romerzeit ein; jedenfalls wurden aber spatestens seit dem zelmten Jahrhundert in Steiermark und Tirol Silber und Eisen, in Salzburg Gold, in Karnten Eisen und Blei gewonnen und verschiedene Gruben in Bohmen ausgebeutet. Zur Bliite gelangte der Bergbau in allen Landergruppen durch die deutsche Kolonisation des dreizelmten Jahrhunderts; von Kohlen und Quecksilber abgeseben, bestanden schon damals die wichtigsten der beute betriebenen Bergwerke. 3. Das Gewerbe. Mit dem Aufbliilien der Stadte nahm das Ge- werbe einen groBeren Aufscbmmg. Audi bei uns waren die Genossen desselben IIandwerkes in Ziinften (Zedien, Innungen) vereinigt. 4. Der Handel. Fiir den Handel der Alpenlander war der Aus- tauscb der Waren mit den oberitalienisclien Stadten, namentlidi mit Venedig, und mit Ungarn maBgebend; der erstere benutzte die Alpentaler, 2 der letztere die Donau, die nun von Regensburg bis zur Miindung befaliren wurde. Von Venedig bezog man Gewiirze und sonstige Waren des Orients, ferner feine Gewander, Seide und Sdnnudigegenstande, wahrend verschiedene Roherzeug'nisse, wie Beder, Pelze, IIolz, Metalle und Vieh, dahin ausgefiihrt wurden; auf der Donau vermittelten die osterreichischen Kaufleute, nament- lich die Wiener, den Austausch der Waren. In Bohmen wurde Prag der Mittelpbnkt des Ilandels, in Ungarn zeichneten sich besonders die deutschen Stadte in der Zips und in Siebenbiirgen durch ihren lebhaften Handel aus. Die Oberaufsicht iiber den gesamten Handel fiihrte in den einzelnen Stadten der Hansgraf; er liatte sich der 1 Man nimmt an, dafi das Ertragnis des Bodens vom neunten bis zum drei- zehnten Jahrhundert auf das Siebzehnfache gestiegen ist. 2 Wilhrend iiber den Predil enst um 1400 eine StraBe gebaut wurde, war der Weg iiber Pontafel von den Komcrzeiten her viel benutzt. 46 Dritter Abschnitt. ■ 1308 . Hanse, d. h. der Genossenschaft der Kaufleute, gegen allzu hohe Zolle im Auslande und den Wet!tbewerb fremder Kaufleute im In- lande anzunebmen. AVahrend der Handel durch die Erteilung von Stadt- und Stapelrechten sowie durch die Errichtung von Hospizen (auf dem Semmering, am Arlberg, zu Spittal in Ivarnten usw.) gefordert wurde, schadigten ihn anderseits der Strafienzwang, die zahlreichen Zollstatten 1 und das Grundruhrrecht; das letztere bestand darin, dah auBer dem Herzoge viele Grundherren das Eigentumsrecht auf die herrenlosen Fracliten gestrandeter Schiffe beanspruchten. So waren die drei Landergruppen am Ausgange dieses Zeit- raumes unter dem Einflusse der deutschen Kultur auf dem Gebiete der Eeligion und Kirche, der sozialen Verhiiltnisse, der Literatur und Kunst einander bereits vielfach naher gebracht worden. Es war dies eine wiclitige Y orbedingung fiir ilire dauernde A^ereinigung; da diese durch die Ilabsburger und von den Alpenlandern aus erfolgte, gelangte im ganzen Reiche das deutsche AYesen zu inafigebendem Einflusse. Dritter Abschnitt. Von der Belehnung der Habsburger mit den Alpenlandern bis zur Schlacht bei Mohacs (1282—1526). In diesem Abschnitt entwickeln sich nahere Beziehungen zwi- schen den drei Landergruppen; auch Polen tritt mehrmals in innige Verbindung mit Bohmen und Ungarn, wahrend gleichzeitig die tlirkische Macht immer gefahrlicher anschwillt. Im Innern steigt in allen drei Gebieten die standische Macht zu bedenklicher Hohe. I. Die Alpenlander unter der Herrschaft der Habsburger bis zur Spaltung des Hauses in zwei Linien (1282—1379). A. Albrecht I. (1282—1308). 1. Albrecht als Landesfiirst. Die Herrschaft der Habsburger war von Anfang an Avohlbegriindet (S. 20 und 33). Gleicliwohl war Albrechts Stellung zunachst ungemein schwierig, da die Landherren, 1 Im dreizehnten Jalirhunderte muBte der Kaufmann seme Waren von der bayriselien Grenze bis nach Wien elfrual verzollen. Friedrich der Sehone. 47 der en Dbermut wahrend des Zwischenreich.es gestiegen war, dem neuen Herrscher trotzig entgegentraten, die Ratgeber, welche er nach Osterreich brachte („die Schwaben“), habten und anch die Stadt Wien die Reichsstandschaft beanšprnchte, die ihr Rudolf be- statigt hatte- Doch bemeisterte Albrecht alle Schwierigkeiten; denn er war kriegstiichtig, scharfsinnig, gerecht, streng, von der hohen Bedeutung seiner Stellung vollig durchdrungen, gegen Reuige milde und versohnlich. Er zwang die Adligen zur Ilerausgabe der wider- rechtlich eingezogenen Giiter, unterdriickte ihre Aufstiinde, sicherte den Landfrieden und beruhigte Wien durch die Verleihung eines neuen Stadtrechtes. 2. Albrecht als Konig (1298—1308). Da die Kurfiirsten mit Adolf von Hassau unzufrieden waren, wahlte ein Teil von ihnen Albrecht zum Gegenkonig und, als jener bei Gdllheim gefallen war, bestieg dieser infolge einstimmiger Wahl den deutschen Thron. Als Konig suchte er besonders seine Ilausmacht zu erweitern, wozu das Aussterben der Pfemjsliden giinstig schien. Er zog Bolimen als er- ledigtes Lehen ein und bestimmte die Groben zurWahl seines Sohnes Rudolf, der sich mit Wenzels II. Witwe vermiihlte. Als Rudolf aber starb (1307), ging Bohmen den Habsburgern verloren. Im folgen- den Jalrre wurde Albrecht I. von seinem Reffen Johann ermordet. 1 B. Friedrich der Sehone (1308 — 1330). 1. Der Kainpf um die deutsehe Krone. Kach Albrechts Er- mordung ubernahm sein altester Solin Friedrich der Sehone die Verwaltung Osterreichs und Steiermarks, dessen jiingerer Bruder Leopold aber die der Vorlande oder Vorderosterreichs, d. h. der habsburgischen Besitzungen in der Schweiz und in Siiddeutschland. Bei der Neubesetzung des deutschen Thrones wurden die Ilabs- burger iibergangen; die Krone erlangte namlich Heinrich VII. von Luxemburg, nach dessen friihemTode (1313) eine zwiespaltigeWahl erfolgte, indem ein Teil der Kurfiirsten dem Herzoge Ludiuig von Oberbayern und der andere Friedrich dem Schonen die Stimme gab. Infolgedessen kam es zum Thronkampfe, der durch die Schlacht bei 1 Johann war der Sohn Iiudolfs, dem bei der Verzichtleistung auf den Mit- besitz der Csterreichischen Lander eine Geldentscliiidigung in Aussicht gestellt worden war, falls er nicht binnen vier Jahren ein anderes Furstentum erhielte. Tatsachlieh war keines von beiden gesehehen und Johann verlangte nun von seinem Oheime nicht weniger als einen Teil von Osterreich und Steiermark. 1298 - 1308 . 1307 . 1308 - 1330 . 1313 . 48 Dritter Absehnitt. 1322 . Muhldorf (1322) zugunsten Lud\vigs entschieden wurde. Doch sah sich dieser infolge verschiedener Umstande genotigt, mit Friedrich, der, getreu seinemVersprechen, in die Gefangenschaft zuriickgekehrt war, weil er seinen Bruder Leopold nicht zum Mederlegen der Waffen vermocht hatte, den Vertrag von Munchen zn schlieBen, demzufolge beide die Regierung gemeinsam fiihren sollten; aber ilir Vorliaben sclieiterte am AViderspruche der Kurfiirsten. Bald darauf starb Leopold nnd zog sich Friedrich nach Osterreich zuriick. Er war ein wohlwollender, edler nnd ritterlich gesinnter Fiirst. 1 2. Die Bildung der Schweizer Eidgenossenseliaft. Die Bil- dung der Schweiz ging von den AA^aldstatten Sclnvjz, Uri und Unter- walden aus und erfolgte im Kampfe gegen die Ilabsburger. Jene drei Landschaften gehorten namlich teils zum Aar-, teils zum Ziirickgau und unterstanden somit der Grafengewalt der Ilabsburger. AVahrend in Schwyz die meisten Bevvohner freie Bauern waren, lebten in den beiden anderen Gebieten weit iibenviegend Horige, und zwar ent- weder der Ilabsburger selbst oder verschiedener Kloster. Die Ilabs¬ burger waren daher in den AValdstatten Graf en, Vogte und Grund- lierren und iibten in jeder dieser Eigenscliaften die Gerichtsbarkeit iiber einen Teil der Bewohner aus; sie konnten somit auch daran denken, nach Art der Reichsfiirsten sich daselbst ein geschlossenes Territorium zu schaffen. Dies verhinderten Uri, das sich von Konig 1231 . Heinricli die Reichsunmittelbarkeiti zusichern lieJB (1231), und Schwyz, das Friedrich II. von der Grafengewalt der Ilabsburger 1240 . befreite (1240). 2 Als Rudolf Konig wurde, war die Rechtsfrage gleichgultig; doch schlossen nachseinem Tode Schwyz, Uri und JSTid- 1291 . walden den Ewigen Bund (1291), der die Grundlage der Eid- genossenschaft ist. Sie verbanden sich dadurch zu Schulz und Trutz gegen jedermann, der Boses gegen sie im Schilde fiihrte, und gegen die Zulassung eines freinden Richters. In der Folgezeit schlugen sich die „Sclrweizer“, wie man sie spiiter nach der bedeutendsten Land- 1 In die Sehlaclit bei Mulildorf lieB sich Friedrich ein, obwolil er weniger Truppen als sein Gegner hatte und sein Bruder Leopold im Anzuge begriffen war; denn, sagte er, „er liet so vil witiben und waisen gemaeht, das er der l&istenhait des ein endt wolt machen, wie es im erginge". 2 Wahrscheinlich wollte Heinrich die GotthardstraBe, die damals zum ersten- mal erwšihnt wird, in verlaBlichen Handen wissen. Bei Sehwyz war maBgebend, dafi es der welfisehen jiingeren Linie der Habsbmger gehorte; doch gingen die Bedite liber diese Landsehaft unter Kiinig Rudolf durch Kauf an die altere Linie iiber. Albrecht II. eter Weise oder LahinC. 49 schaft nannte, auf (lie Seite der nicht-habsburgischen Kaiser, die ihnen audi die Freiheitsbriefe bestatigten; Ileinrich VII. dehnte iiberdies die Unmittelbarkeit auf Unterwalden aus. Als sich die Eidgenossen an Ludwig IV. anschlossen, zog Leopold gegen sie zu Felde, wurde aber in dem Gemetzel am Berge Morgarten von den Bauern vollstandig besiegt, (1315). 1 Deshalb muBten sich die Habs- 1315 . burger zu einem AVaffenstillstand entscklieBen (1318), demzufolge 1318 . sie zwar ihre Privatgiiter zuriickerhielten, dagegen auf ikre Iloheits- reektie iiber die Waldstatten stillschweigend verzichteten. In der Folgezeit benutzten die Eidgenossen jede Verlegenheit der Habs- burger, um auf deren Kosten ihr Gebiet zu erweitern. Ungefahr 150 Jahre nach der Sehlaeht am Morgarten vrurde in die Bildungs- geseliichte der Sehrveiz die Sage von Wilhelm Tell verfloehten. Koch liiBt sieli die allmaliliclie Entwiclclung der Sage, die der Glarner Chronist Tsehudi um 1570 zum Abschlusse gebracM bat, verfolgen; sie liat wahrseheinlich einen mythischen Hintergnmd und stellt den Kampf zwiselien den lichten und den finsteren Miichten dar (11.143). C. Albrecht II. der Weise oder Lahme (1330—1358). 1330-1358. Kack dem kinderlosen Tode Friedriclis iibernahm sein alterer Bruder Albrecht die Regierung in Osterreieli und Steieannark, tvahrend die Vorlande von dem jiingeren Bruder Otto dem Froli- licken verwaltet wurden. In kluger Wiirdigung der Verkaltnisse be- warben sicli jetzt die Ilabsburger nickt melir um die Kaiserlcrone, sondern suekten nack dem Beispiele der anderen Fiirsten ihr Gebiet zu ervveitern und ihre Maclit im Innern zu starken. Dieser Politik verdankten sie die Erwerbung von Kdrnten und Tirol. 1. Die Ertverbung Karntens. iSTach dem Tode Meinhards von Gorz-Tirol waren seine Lander an seine drei Soline gefallen, von denen der sclnvacke und verschwenderische Heinrich seine beiden lil teren Bruder iiberlebte. Da er keinen Sohn liatte, erbat er sich von Ludwig dem Bayer die Begiinstigung, daB seine Lander nack seinem Tode an seine Tochter und deren Gatten iibergeken sollten. 2 Der Kaiser erteilte sie ikm unter der Bedingung, daB die Ernennung 1 Die Ititter waren hier nach dem Ausdruek eines Zeitgenossen „\vie in einem Zuggarne" gefangen, 1500 bis 2000 erlagen den Hellebarten. 2 Da Karaten ein lteichslehen war, galt da&elbst nur die miinnliclie Erbfolge. In Tirol handelte es sich zwar um bisehiifliche, also Kunlcellehen, doch hatte man sich sedt ungefahr 50 Jahren daran geivohnt, sie ebenfalls als ltedchslelren zu betrachten. Die Privatgiiter Heinrichs flelen natiirlich seinen TOehtern zu. Zeehe-Heiderlch, Osterr.Vaterlandskunde. 4 50 Drittef Absehnitt. des iSTachfolgers nur mit seiner Zustimmung erfolgen diirfe. Von den Leiden Tochtern Lleinrichs kam, da die altere leidend war, nur die jiingere Margareta Maultasch in Betraelit. Deren Hand gewann Konig Johann von Bohmen fiir seinen jiingeren Sohn Johann Heinrich■ Weil aber ein weiteres Anwachsen der luxeinburgisclien Macht weder dem Kaiser noch den LIabsburgern genelim war, schlossen beide einen geheimen Vertrag, worin der erstere den letz- teren die Belehnung mit Karnten in Aussicht stellte, wofiir diese ihn bei der Erwerbung Tirols unterstiitzen sollten. Als nun Heinrich 1335. starb (1335), belehnte Ludvig die Habsburger in Linz mit Karnten und Siidtirol, wahrend er' JST.ordtirol seinem Hause vorbehielt. Albrecht hatte sclion friiher mit den maBgebenden Personlichkeiten in Karnten Unterbandlungen angekniipft 1 und siclierte sich nun- mehr dessen Besitz durch Biindnisse mit den Grafen von Gorz sowie mit den Kirclienfiirsten von Salzburg und Bamberg, die im Bande reich begiitert waren. Krain und die Windische Mark erkannten sofort die Herrschaft der Habsburger an. Zvar begann Johann den Krieg mit dem'Kaiser und den Habsburgern, in dem er zwei Monate lang das nordliche Osterreich verviistete, doch bald kam es zum 1336. Frieden. von Enns (1336) ; Albrecht blieb im Besitze von Karnten und Krain und Margareta behauptete Tirol, so dali die Wittels- bacher leer ausgingen. 2. Albrechts innere Regierung. Seit dem Frieden von Enns erfreuten sicli die osterreichisehen Jjander einer ungestorten Buhe. Albrecht erhielt das privilegium de non evocando, demzufolge seine Untertanen nur dann vor das konigliche Gericht geladen werden durften, wenn ihnen in Osterreich das Kecht verveigert vsdirde. Er widmete sicli mit Eifer der Bechtsprechung und nahm auf seinen zahlreichen Beisen die Klagen der Bevohner willig entgegen. I)a- durch milderte er auch die Leiden und Schaden, welche der „Schwarze Tod“ hervorrief , 2 3 in dessen Gefolge die Geililerscharen Steiermark und Osterreich durchzogen. Die gleichzeitigen Zwettler 1 Zwar bat der Abt Johann von Viktring als Gesandter Joliann Heinrichs die Habsburger. und den Kaiser um Anerkennung des Rechtes der Margareta; er faud aber kein Gehor und das J_.and fiigte sich oline jeden Widerstand, worauf Otto die herkommliche Huldigung auf dem Zollfelde entgegennahm. Vergl. A. Griins „Pfaff vom Kahlenberg". 3 Unsere Alpenliinder (namentlieh Tirol) \vurden durch die Seuche sehr stark entvolkert; Wien verlor fast ein Drittel seiner Einvvohner. Rudolf IV. der Stifter. 51 Annalen schreiben liber Albrecht: „Er war von Gott geliebt, den Menschen vieler Lander verehrungswiirdig, mil.de und niitzlich, ein Freund des Friedens und ein wohltatiger Vater vieler Konige und Eiirsten.“ Wegen seiner korperlichen Unbebi lf lichkeit liieB er der kabine, wegen seiner Klugheit und seiner Kenntnisse der Weise. Da Albrechta Keffen, die Soline Ottos, friihzeitig starben, waren die Erben seiner Lander seme vier Soline, die der „Hausordnung“ zufolge gleicliberechtigt sein und gemeinscbaftlicb regieren sollten. 1 Docli fiihrte in der Folgezeit tatsachlicb der iilteste Solin die Re- gierung, wahrend in der Regel der zweitgeborne die Vorlande ver- waltete. Albrechta altester Solin bieB Rudolf. D. Rudolf IV. der Stifter (1358—1365). 1. Die Erwerbung Tirols (1363). Die Ehe zwischen Johann Heinrich und Margareta war ungliicklich, der erstere zudem in Tirol verhaJBt, weil viele Bolimen Amter erhielten; er ivurde deshalb vertrieben. Um das Land seinem IJause zu verschaffen, gestattete der Kaiser Ludwig die Vermahlung seines gleichnamigen Sohnes mit Margareta, ohne daJB deren erste Ehe gelost ivorden ware. Bereits Albrecht II. gab sich viele Miihe, um naclitraglich die kirchliche Anerkennimg dieser Ehe durchzusetzen; da diese nach seinem Tode auch erfolgte, sicherte Margareta, falls ihr Sohn Meinhard kinder- los stiirbe, dessen Sehvager Rudolf IV. die in aclifolge in Tirol zu. Als nun Meinhard schwer erkrankte, eilte Rudolf mitten im Winter durch das Pustertal nach Tirol und veranlaBte Margareta nach dem Tode ihres Sohnes zur tlberlassnng des Landes, ivofiir er ihr reich- liche Einkiinfte zusicherte. Durch die Enverbung Tirols wurde die Verbindung der osterreichischen Alpen- mit den habsburgischen Stammlanden hergestellt. Ohne JViderstand lmldigten der Adel und die Stadte Rudolf und seinen Briidern. Der Bischof von Brixen hatte schon friiher Rudolf alle Stiftslehen iibertragen, nunmehr tat es auch der Bischof von Trient, der ihm zugleich so weitgehende Redite einraumte, daJ3 das Bistum nahezu seine Reichsunmittelbar- keit einbiifite. Irn folgenden Jahre bestatigte Ivarl IV. die Uber- tragung des Landes an die Habsburger. Die Wittelsbacher konnten Rudolf nicht entgegentreten, da gerade Streitigkeiten unter ihnen herrschten; als sie spater den Habsburgern den Krieg erklarten, 1 Die Lunder sollten „unzerbroclien beieinander bleiben". 4 * 1358 - 1365 . 1363 . 52 Dritter Absehnitt. 1369. kam es bald zimi Frieden von Scharding (1369), worin sie sicli mit einer Geldentschadigung uri d einigen Besitzungen in Nordtirol (Kattenberg, Kufstein, Kitzbiihel u. a.) begniigten. Aus der Vorgeschichte Tirols. Tirol litt \vegen seiner \vestlichen Lage unter dcn Stiirmen der Volkenvanderang weit weniger als die tibrigen Alpenliinder, so daB sich im Siiden des Landes die romanische Bevolkerung erhielt. \Viihrend die Bagern den groBeren nordliclien Teil des Landes besetzte-n und germanisie-rten, gehorte der siidliche als Herzogtum Trient zum Langobardenreiche. Das ganze Land wurde von Karl dem Grofien erobert und teilte von nun an die Gesehioke des Frankenreiehes ; von Otto I. wurde der romanische Siiden als einTeil der Mark Verona mit Bayern (beziehungsweise spiiter mit Karaten) verbunden. Elir die fernere Geschdchte des Landes war das Jahr 1027 von der groBten Bedeutung; damals verlieh niimlieh Konrad II. dem Bischofe von Trient die Grafsehaft dieses Namens mit herzoglicher Gervalt sonde die Grafschaften Božen und Vintechgau 1 und dem Bischofe von Bricem die Grafenge\valt im Eisack- und Inntale; der letztere erhielt von Heinrieh IV. aueh die Grafsehaft im Pustertale. Alle diese Lehen, mit Ausnahme der Grafsehaft von Trient, \velche die Bischofe stets selbst verwalteten, gelangten im dreizehnten Jahrhundert an Graf Albert III. von Tirol; dadureh vvurde die Einigung des Landes herbeigeflihrt, das bis dah in in zwei ge- trennte Teile zu zerfallen schien. Mit Reoht erhielt es daher seinen Namen nach den Grafen von Tirol, die sicli selbst nach der Burg Tirol benannten (S. 22). 2 Sie erloschen mit Albert III. (1253). De-ssen Erbe \vurde sein Schvviegersohn Mein- liard III., Graf von Gorz, dem sein Sohn Meinhard TV., der spiitere Herzog von Karaten, folgte. 3 Diesel', der eigentliehe Begriinder der Landeshoheit in Tirol, schloB mit sein-em Bruder Albert einen Teilungsvertrag, demzufolge er Tirol be- hielt, dagegen auf die gorzisehen Gebiete verzichtete; die Grenze des beiderseitigen Besitzes wurde die Mtihlbaeher Klause. Mit der Errverbung Tirols war im wesent- lichen die Bildung der deutsch-bsterreichisehen Landergruppe abgeschlossen. Aus der Vorgeschichte der Grafen von Gore. llie Anfiinge der Gorzer Grafen sind uns unbekannt; seit dem zrvblften Jahrhunderte waren sie am Isoneo be- giitert, h at te n die Vogtei liber Aquileia inne und wurden von den Patriarclien mit vielen Lehen und Glitern ausgestattet. Diese Steli ung haben sie zur riicksichts- losen Beraubung ihre-r Lehensherren ausgeniitzt. Dadureh erlangten sie allmalilieh viele Besitzungen am Isonzo, an der Wippaeh und auf dem Karate, doch waren diese Gebiete ohne Zusammenliang. Hiezu kommen selrr alte Giiter im Puster¬ tale und in Oberkiirnten, ferner bedeutende Allodien aus dem Nachlasse der Grafen von Tirol. Im fiinfzehnten Jahrhunderte- gingen indes die me-isten glirzi- schen Besitzungen im Westen des Iso-nzo an Venedig verloren. ’ Diese Gebiete wurden demnach von der Mark Verona abgetrennt. 2 Diese stand an der Stelle des romischen Teriolis, daher der Name; die Bezeichnung „Gra.fschaft und Herrschaft Tirol" kommt allerdings erst unter Meinhard IV. vor. 2 Meinhard IV., als Graf von Tirol der Zvve-ite, gelangte eigentlich erst im •Tahi« 1284 in den Besitz des ganzen Erbes Alberte III., nachdem dessen zweiter Sehiviegersohn Gebhard von Hirschberg auf sein Erbe verziehtet hatte. Rudolf LV. der Stifter. 53 2. Rudolfs Erbvertrage. Rudolf scliloB im Jahre 1362 mit Ludvoig dem GroBen von Ungarn einen Erbvertrag, demzufolge sie sicli im Ealle des Erloschens des eigenen Geschlechtes gegenseitig die Hachfolge zusicherten. Zwei Jahre spater vereinbarte er mit Karl IV. eine ahnliche Erbeinigung „nach Rat und Willen“ der beiderseitigen Stande. 1 Diese Vertrage sind von der groBten Wiclitig- keit; denn in ihnen kommt im rvesentlichen der osterreichische Staatsgedanke zmn Ausdruck, die Habsburger verstanden es durch eine kluge und zahe Politik, ibn auch fiir die Bauer zu verwirk- licheii. Im Vergleiche mit diesen Einigungen ist verhaltnismaBig unbedeutend der Erbvertrag, den Rudolf mit dem Grafen Albert IV. von Gorz abschloB; immerhin gevvannen durch ihn die Habsburger (1374) beim Erloschen dieser Linie Gebiete in Istrien um Mitter- burg und am Golf von Fiurne („Histerreieh“) sowie in der Windi- schen Mark (Mottling, Tschernembl u. a.). So gelangten die Habs¬ burger ans Meer. 3. Rudolfs Regierung im Innern. Auch im Innern ist Rudolfs Regierung von groBer Bedeutung. Auf dem Gebiete der Gesetz- gebung entwickelte er einen Eifer, wie keiner seiner Vorganger und jST achfolger im Mittelalter. Besonders suchte er die stark entvolker- ten Stadte wieder zu beleben; deshalb wurden alle kirchlichen Be- sitzuugen daselbst, die bis dahin steuerfrei waren, fiir abgaben- pfliclitig erklart, das Asvlrecht beschrankt, die Ziinfte voriibergehend abgeschafft if. dgl. Gegen Einraumung des Ungeldes, einer zelm Prozentl hohen Abgabe von allen zum offentlichen Ausschanke be- stimmten geistigen Getranken, verzichtete er auf den Miinzverruf in Osterreich; diesem zufolge muli ten jahrlich die vorhandenen Miinzen behufs Umpragung gegen Entrichtung einer Gebiihr an die lierzoglicbe Miinzstatte abgeliefert werden. 2 Hach dem Vorgange seines Schvviegervaters griindete er eine Universitdt in Wien (1365) und setzte den Umbau der Stephanskirche im gotischen Stile fort („der Stifter"). Rudolf war ein bochsinniger, unermiidlich tatiger, 1 Der Erbvertrag zviselien den Habsiburgern und den Luxemburgeni wurde wiederliolt evneuert, rvahrend Ludwig bald von der Einigung zurucktrat. 2 Damals war neben dem Denare der Goldgulden auch in OsteiTeich sclion stark verbreitet; mit seiner Auspragung hatte Albrecht II. begonnen. AuBerdem waren die Prager Grosclien (= sieben Wiener Pfennige) besonders beliebt. Um 1520 war die Hauptmiinze der Taler, der mit dem Goldgiilden gleichwertig \var. Die Silbe „un“ in dem Worte „Ungeld“ ist Verstiirkung wie in „Unkosten“. 1362 1374 1365 54 Dritter Abschnitt. fiir Wissenscliaft und Kunst begeisterter FiirSt; bezeichnend ist sein Ausspruch, er wolle in seinen Landern Papst, Kaiser, Bischof uncl Dechant sein. Er starb bereits im 26. Lebensjabre; ilun folgten seine Briider Albrecht III. und Leopold III., die sicli infolge ihres ver- schiedenen Charakters iiber die gemeinsame Regierung niclit ver- standigen konnten und daher ihre Lander durch den Vertrag von 1379. Neuberg teilten (1379), obrvohl Rudolf IV. im Familienvertrage vom Jabre 1364 die Unteilbarkeit des gesamten, liabsburgischen Be- sitzes neuerdings festgestellt und dem Altesteh des Ilauses die Ver- tretung nach auBen vorbehalten liatte. So entstanden die Alber- tinische und die Leopoldinische IAnie. Damit begann fiir Osterreich eine traurige, iiber ein Jahrhundert wahrende Zeit, in der fort- vrahrend Zwistigkeiten im regierenden Hanse herrscbten, wodurch die Besitzungen in der Schweiz verloren gingen und die Macht der Stande erstarkte. II. Bolimen unter den Luxeml)urgera (1310 — 1437). 1310 - 1346 . A* Johann (1310—1346). Nadi dem Tode Rudolfs wahlten die bolunisclien Stande Heinrich, den Vater der Margareta Maultasch, zuni Konige; er wurde aber wegen seiner MiBregierung schon nach drei Jahren ver- trieben. Hierauf vprlieh Heinrich VIT. auf Bitten der Stande das erledigte Land seinem Sohne Johann (1310). 1 Johann war ein abenteuerlustiger Ritter und geschickter Staats- mann, entbehrte aber aller Ausdauer. Durch Unterhandlungen und Kriege gelang es ihm, sein neues Konigreich bedeutend zu eriveitern. Das Egerland, das bis dahin ein reichsumnittelbares Gebiet war, erhielt er von Ludwig IV. als Pfand fiir seine Unterstiitzung gegen Friedrich den Schonen; es ist seitdem dauernd mit Bolimen ver- bunden geblieben. AuBerdem gewann er nach dem Aussterben der Askanier das Gebiet um Bautzen und erwarb durch Kauf das Fiirstentum Gorlitz, so daB nunmehr die ganze Oberlausitz mit Bolunen vereinigt war . 2 Endlich dehnte er die Lehenshoheit Boh- mens iiber den groBten Teil Schlesiens aus- Dagegen war Johanns 1 Heinrich war mit der alteren, Johann mit der jiingeren Schwester Wenzels III. vermahlt. 2 Die Ijiuisitz ist benannt nach den Lužičanen, einem Zweige der Sorben. Bohmen unter den Luxembuigern. 55 Kegierung im Innern ungliicklich; denn er verschwendete die Kron- giiter und trat den Ausschreitungen des Adels um so weniger ent- gegen, als er iiberwiegend auBerlialL des Landes verweilte. Aus der Vorgeschiehte Sohlesiens. Das Land hat den Namen entvreder von den wanda.lisehen Silingern, die einst daselbst wohnten, oder von den slawischen Klesanem, die mit den Polen nahe verwandt waren. In den friiheren Jalirhunder- ten des Mittelalters geliorte es zu Polen. Seine selbstiindige Gesehichte beginnt mit dem Jahre 1163. Damals gelangte niimlieli infolge der fortvvahrenden Streitig- keiten im regierenden Hause, die audi hier dureh das Seniorat verursacht wurden, eine Linie der Piasten zur Kegierung, die sidi zur Befestigung ihrer Stellung an das Deutsche Reich anschloB und dureh die Begtinštigung der deutschen Ein- 'vanderung die Germanisierung des groBeren Teiles des Landes herbeifiihrte. Die schlesischen Piasten teilten ihr Gebiet wiederholt; um so leiehter gerieten sie alle in Abhiingigkeit von Bohmen. B. Karl IV. (1346—1378). Karl setzte die Bestrebuugen seines Vaters in der' gliicklichstou Weise fort, indem er dureh Unterhandlungen, Erbschaft und Kauf seinen Besitz vermehrte. Dureh Kauf gewann er die Oberpfalz und die Niederlausitz , d. b. das Gebiet im Siiden des Spreevvaldes, das bis daliin zu Brandenburg geliorte; dieses selbst erwarb er dureh einen Vertrag und dureh Einzieliung des letzten schlesischen Eiirstentums machte er ganz Schlesien zu einem Lehenslande Boh- mens. Auberdem forderte er Bohmen in materieller und geistiger Beziehung. Er erweiterte Prag dureh die Anlegung der Neustadt, machte die Moldau sclnffbar, begiinstigte die Anpflanzung der Rebe, zog' Kolonisten ins Land usw. Er veranlaBte die Erhebung des Bis- tiuns Prag zum Erzbistume, maclite diese Stadt dureh die Griindung einer Universitat daselbst, der.ersten im Deutschen Reiche, zu einem Mititelpunkte der gelehrten Studien (1348), forderte die Abfassung theologischer und geschichtlicher Werke und schuf ein bliihendes Kunstleben im Bande. In der Goldenen Bulle verlieh er Bohmen den crsten Rang unter den weltlichen Kurfiirstentiimern (1356) und erklarte es mit Zustimmung der Groben als ein Erbreich in mdnnlicher und iveiblicher Linie. Sosehr Karl dureh seine fiirsorgliche Politik seine Bander ge- hoben liatte, so schwer schiidigte er sie dureh die Teilung miter seine drei Sohne. Ihrzufolge erhielt Wenzel Bohmen, Schlesien, Bautzen und die westliche Niederlausitz, Siegmund Brandenburg, Johann das Fiirstentum Gorlitz und die dstliehe Niederlausitz; 1346-1378 1348. 1356 . 56 Dritter Abschnitt. 1378 - 1419 . 1410 . Mahren verblieb Jobsi, dem Sobne Johann Heinrichs, als bohmisches Lehen. Diese Teilnng war um so verliangnisvoller, als die Luxem- burger bald untereinander in die heftigsten Streitigkeiten gerieten. 'Karl war sehr gebildet, gerecht, sparsam; es herrschte unter ihm Ordnung und ancli die Armeren fanden Recht. Ein klug be- rechnender Mann, liebte er vielmelir den Weg der Unterliandlungen als der kriegerischen Verwicklungen. Mit Petrarca stand er in freundschaftlichem Verkehre. C. Wenzel IV. (1378—1419). Wenzel war zvvar gutmiitig und nalim sich anfangs auch der Rechtspflege mit Eifer an; da er aber auBerst jahzornig war, zur Trunksuclit neigte, endlich der liolien Geistlielikeit und dem Adel schroff entgegentrat, schloB der letztere einen formlichen Bund gegen den Konig, den Herrenbund. Iliesem trat auch der ehrgeizige Siegmund bei; Wenzel wurde gefangen genommen und nach Wien gebracht, doch entkam er bald. Schon vorlier hatte ihn die Mehrzahl der Kurfiirsten abgesetzt und Ruprecht von der Pfalz zmn Konige gewah.lt; als dieser starb (1410), wurden Siegmund und Jobst auf den deutschen Thron erhoben und nach des letzteren baldigem Tode der erstere als Reichsoberhaupt allgemein anerkaunt. Da Johann und Jobst keine Kinder hinterlieBen, fielen die ostliche Lausitz und Mahren wieder an Bohmen zuriick. In die Regierungszeit Wenzels fallt der Ausbruch der hussi- lischen Beivegung. Ilir Haupt war Johann IIuB, Professor an der Universitat und Prediger an der Bethlehemskirche in Prag. Nach dem Beispiele mehrererVorgauger eiferte der sittenstrengc Mann gegen die kirchlichen Schaden, die in Bohmen sehr arg waren, ver- breitete aber auch die Lehren Wiclifs, der nur die II. Schrift als Glaubensquelle anerkannte. IluJB war iihcrdies der nat.ionale '\ r or- kampfer der Tschechen gegen die Deutschen, die trotz ihrer Minder- zahl im Lande das lTbergewicht an der Universitat hatten und auch die Trager der karolingischen Kunstbliite waren. Als sich aber im Gegensatze zu den deutschen Professoren die tschechischen dem Wunsche Wenzels gemafi gegen den Papst Gregor XII., der auf Seiten Ruprechts stand, erklarten, st.ieB der Konig die Einricli- tungen seines Vaters an der Universitat um und verschaffte den Tschechen, obwohl sie nur den fiinften Teil der Studierendeu bil- deten, die entscheidende Stellung. Deshalb verlieBen die deutschen Bolimen unter člen Luxemburgern. 57 Professoren und Študente n die Universitat, die infolgedessen tdef herabsank. Als einige Jahre spater HuB vom Konstanzer Konzil als Ketzer erklart und deshalb nach den bestehenden Reichsgesetzen zum Feuertode verurteilt wurde (1415), steigerte sich die Garung in Bolimen derart, daB der Ausbruch d er Ilussitemkriege erfolgte. D. Siegmund (1419 — 1437). Die Hussiten zerfielen fruhzeitig in mehrere Parteien, von denen die geinaBigten TJtraquisten oder Kalixtiner und die radikalen Taboriten die wichtigsten \varen. Die ersteren stiitzten sich auf die Universitat und die Stadt Prag; sie verlangten in den vier Prag er ArtiJceln ungehinderte Predigt der Priester, Empfang des Altars- sakramentes unter beiden Gestalten, Einzieliung der Kirchengiiter und Verantwortung der angeklagten Geistlichen var dem \veltlichen Richter. Dagegen verwarfen die Taboriten, die zmneist Bauern und IIandwerker waren, alle Sakramente mit Ausnahme der Taufe und des Abendmahles, drangen auf Beseitigung des Unterseliiedes der Stande, der Bildung und des Verinogens (Kommunismus) und glaubten, daB die Zeit. der Vergeltung gekonnnen sei; namentlich aus dem letzteren Umstande erklart sich ihr Fanatismus und ihre Grausamkeit. ISTur die Deutschen in Bohmen waren bereit, Siegmund bedin- gungslos anzuerkennen; die Utraquisten verlangten auBer der Ge- wahrung der Prager Artikel audi die AusschlieBung der Deutschen von allen Amtern, wahrend die Taboriten iiberhaupt keinen Konig wollten. Da Siegmund seine Ansprtiche mit Waffengewa.lt durch- setzen wollte, kam es zum Kriege. In diesem bohaupteten die Hussiten unter der tiichtigen Anflihrung des Ritters Johann Žižka das Feld, so daB Siegmund Bolnnen wiederholt raumen muBte. Als Žižka starb (1424), setzten die Taboriten den Kampf fort und unternahmen nunmehr, da das Land selbst gnauenhaft verwustet war, Plunderungszugc nach Sclilesien, Mahren, Osterreidi, Bayern, Sachsen und Brandenburg. Um diesen Raubzugen Einhalt zu tun, drangen abermals Kreuzheere in Bohmen cin, ohne jedoch einen Erfolg davonzutragen; vielmehr stoben die Deutschen bei Mies (1427) und auf dem letzten (dem fiinften) Zuge bei Taus (1431) in wilder Flucht auseinander. Da Gewa.lt nicht zum Ziele fulirte, leitete das Basler Konzil mit den lJtraquisteii TJnterhandlungen ein, 1415 . 1419-1437. 1424. 1427. 1431. 58 Dritter Abschnitt. derenErgebnis di eBasler oder PragerKompaletaten waren; durch sie wurden jenen die Prager Artikel, mit Ausnahme der Einziehung der Kirchengiiter, zugestanden. Da sich die Taboriten damit nicht be- gniigen wollten, wurden sie von den verbiindeten Deutschen und 1434 . Utraquisten bei Lipan so entscheidend geschlagen (1434:), daB sie von da an. als bohmischa und mahrische Briider mir melir ein fried- liches Dasein fiihrten. JSTachdem Siegmund den Utraquisten versproehen liatte, daB alle Amter nur mit Tschechen besetzt werden sollten, wurde er als Kčinig von Bohmen anerkannt (1436). Er war ein kluger und ge- bildeter, aber verschwenderischer und genu Bsiich tiger Fiirst ohne . Ausdauer, der sicli fast immer in Geldverlegenlieiten befand. Mit 1437 . ihm erlosch der Mannsstamm der Luxemburgier (1437). Die wichtigsten Folgen der Hussitenhriege waren: 1.) Die Macht des Konigs war selil’ gesehwacht, der Klerus liatte die Land- standschaft verloren, dagegen der Adel das entschiedenste tlber- gewicht gewonnen, da er fast aussclilieBlich den Taboriten die Flibrer gegeben liatte; 2.) der Biirgerstand war finanziell gebroclien und der herabgekommene Bauernstand fiir die Leibeigenscbaft reif ge- worden; 3.) durch die geivaltsame Tschechisierung Prags und der meisten anderen Stadte gewannen die Tschechen einen nationalen Biirgerstand, der sie auf dieDauer vor derGermanisierung schiitzte; 4.) die materielle und geistige Bliite des Landes war vernichtet. Trotz dieser Opfer wurde die angestrebte Ki reli en reform nicht erreicht. III. Ungarii unte,r (lem Hause Aujou und miter Siegmund (1300—1437). A. Das Haus Anjou. 1309 - 1342 . i. Karl Robert (1309—1342). Kacli deni Aussterben der Arpaden erlioben mehrere in weiblicher Linie mit ihnen verwandte Fiirst.en Anspriiche auf den Thron, ivas zu einem blutigen Biirger- kriege fiihrte, der nach mehrjahriger Dauer zugunsten Karl .Roberts von Keapel endete. 1342 - 1382 . 2. Ludwig I. der GroBe (1342 — 1382). Er ist einer der lier- 1358 . vorragendsten KonigeUngarns. Durch den Frieden von Žara (1358) zwang er Venedig zur Abtretung Dalmatiens. Ferner veranlaBte er die IValacheij Moldau, Bosnien, Serbien und Bulgarien zur An- erkennung seiuer Oberhoheit; da aber diese Bander nur ganz lose Ungarn unter dem Hanse Anjou und unter Siegmund. 59 mit Ungam verbunden war.en, machten sie sicli nach seinem Tode wieder unabhangig. Als im Jahre 137.0 mit Kasimir dem Gr o Ben der umni tt,el bare Mannsstamm der Piasten erloscli, ivurde sein Ueffe Ludwig von den polnischen Groben als Konig anerkannt. So kam die erste Personalunion zwischen Ungarn und Polen zustande. Seine Erfolge erinoglicliten es ihm, gleicli seinem Vater nur mit Zuziehung eines engeren, aus Beamten und Magnaten gebildeten Rates zu regieren. Um sicli die Gunst des bohen Adels zu sichern, gab er den Bauernstand ihren Ubergriffeu preis. Dagegen begiin- stigte er die Stadte und vermelirte dadurch seine Einnahmen, so daH unter ihm trotz der vielen Kriege die Einanzen in Ordnung waren. Fiir die Pflege der Wissenschaften griindete Ludwig eine Uni- versitat in Filnfkirchen. Nacli Ludvdgs Tode loste sicli die Verbindung von Ungarn und Polen wieder auf j 1 in Ungarn folgte ihm seine altere Tocbter Maria, die mit Siegmund vermalilt war, in Polen die jiingere Eedivig, die auf Betreiben der Groben den Eiirsten von Litauen heiraten mulite, das dadurch mit Polen verbunden wurde. Dies hatte einen bedeutenden Machtaufschvvung Polens zur Folge, was in dessen EinfluBnahme auf die ungarische und bohmische Geschiclite im fiinfzehnten Jahrhunderte zuin Ausdrucke koinmt. B. Siegmund (1382—1437). Siegmund wurde erst nach langerem Biirgerkriege anerkannt. Unter ihm gingen die Ervverbungen Ludvdgs auf der Balkanhalb- insel au die Tiirken und Dalmatien an Venedig verloren; letzter.es blieb nun bis zum Jahre 1797 im Besitze des viel umstrittenen Landes. Als Siegmund zum Scliutze des Fiirsten der VValachei den Tiirken bei NiJcopolis entgegentrat (1396), wurde er von der feind- lichen Ubermacht vollstandig geschlagen. Dadurch war das Schicksal der Balkanhalbinsel fiir Jahrhunderte entschieden. Bei den damaligen ungeordnete.n Verhaltnissen reichten die Kriifte eines einzelnen Mannes zur Regierung Deutsclilands, Bohmens und Ungarns nicht aus; das letztere Land hatte da.her auch keinen Gewinn aus der Verbindung mit den beiden ersteren. 1 Fin- die dauernde Vereinigung Polens imd Ungarns, die durcli die Kar- pathen voneinander getrennt sind, feblte als Vorbedingung ein beherrschender Mittelpunkt; es wollte sich daber anch bein Staat dem anderen unterordnen, 1370 . 1382-1437 1396 . 60 Dritter Abschnitt. IV. Die Zeit der begiimeinlen Annalierung der drči Landergruppen bis auf Maximilian I. (1379 — 1493). Im Laufe des fiinizehnten .1 ahrlmnderts versuchten die Habs- burger Aviederholt, die Kronen von Bohmen und Ungarn zu ge- Avinnen. Da aber die Bevvohner dieser Bander iiberwiegend niclit- deutscher Nationalitat waren, wehrten sie sicli dagegen, so daB es ZAvischen den Tlabsburgern n ud ilmen Aviederholt zu Kampfen kam. Fiir deu endgultigen Sieg der ITabsbuvger war es Avichtig, daB seit Albrecht II. nur melir Angehorige ilires Hauses zu deutselien Konigen gervablt Avurden und daB sicli Ungarn infolge der zu- nehmenden Turlcengefa.hr dem Westen naherte. A. Die Albertinische Linie (1379—1457). 1379-1439. 1 . Albrecht III., IV. und V. (1379—1439). Bei der Teilung erhielt der altere Albrecht III. bloB Osterreicli ob und untor der Enns, freilicb das ertragnisreichste Land der Habsburger, mit Aus- nahme des eliemaligen Gebietes von Pitten, das Ottokar wieder mit Steiermark verbunden hatte; er war ein friedliebender Uiirst, unter dessen Regierung in Osterreich Ruke herrschte. Sein Solm Albrecht IV. junci sein Enkel Albrecht V. standen treu auf der Seite Siegnmnds; msbesondere war der letztere der einzige Reichsfiirst, der Avahrend der Hussitenkriege einc eifrige Tatigkeit entAvickelte. Racli dem Tode Siegmunds, seincs SchAviegervaters, Avurde Albrecht V. zum Konige von Ungarn und Bohmen ge.Avalilt. Als deutscher Kaiser heiBt er Albrecht II. Da or einen Teil der Alpen- liinder mit Bohmen und Ungarn vereinigte, so Avurde untor ihm der osterreichische Staatsgcdanlee zum erstenmal ivenigstens teiliveise verivirklicht. Auf einem Kriegszuge gegen die 1’iirken fand dieser tatkraftige Eiirst einen friihen Tod. 1440-1457. 2. Ladislaus Postumus (1440 — 1457). Nadi dem Tode Albrechts gingen zunachst die drei Landergruppen Avieder getrennte Wege. Die Alagvaren erlioben, um Polens Ililfe gegen die Tiirken zu geAvinnen, Wladislaw III., den Solm des ersten jagellonisclien Konigs von Polen, auf den ungarischen Tliron, docli fand er schon 1444. im Jahre 1444 im Kampfe mit der tiirkischen Ubermaclit bei Varna den Tod. Nunmehr Avurde Ladislaus Postumus, der nachgeborne Sohn Albrechts II., in Ungarn anerkannt, die Regierung aber dem Me Zeit der Annalrerung der drei Landergruppen. 61 gefeierten Tiirkenhelden Johann Hunyady iibergeben. Audi in Bohmen gelangte Ladislaus nach anfanglichem Schwanken in den Besitz der Krone; hier wnrde gleichfalls ein. einheimischer GroBer, namlich Ceorg von Podiebrad, das Haupt der Utraquisten, zum Reiehsvenveser erlioben. Die Vormundsehaft liber Ladislaus fiihrte sein kaiserlicher Oheim Friedrich III., der seinem Mlindel eine sorgfaltige Er- ziehung aiigedeihen lieB. 'Da aber die Stiinde der verschiedenen Bander, zn deren Kegierung Ladislaus berufen schien, ihn in ihrer Mitte haben wollten, Friedrich dagegen dessen Freilassung venvei- gerte, weil er samtliche Bander als „Vorgelier, Yerweser und Ver- sorger“ verwalten wollte, belagerten ihn die Stiinde von Osterreich, Mahren und Bohmen in Wiener-Neustadt (1452). Der Kaiser entging nur durch dieHeldentat des starken Soldnerfiihrers Baumkircher der Gefahr, gefangen genommen zu \verden, muBte aber seinen Mlindel an dessen Oheim, den tatkraftigen und gewissenlosen Grafen Ulrich von Cilli ansliefern, 1 der mit den Standen verblindet war und nun der einfluBreichste Katgeber des jungen IBerrschers wurde. Wegen der Tiirkengefahr begab sich Ladislaus mit Ulrich nach Ungarn. llier suchte dieser Johann Hunjadv beiseite zu schieben und wurde deshalb nach dem 'Bode Johanna von dessen Soline Ladislaus ermordet. Mit ihm erloschen die Grafen von Cilli; ihre Giiter (Cilli, Gottschee n. a.) fielen zumeist an die Ilabsburger. Ladislaus lieB den Morder hinrichten und dessen Bruder Matthias ins Gefangnis werfen. Bald darauf starb er plotzlich; mit ihm endei die Alber¬ ti nische Linie (1457). B. Die Leopoldinische Linie (1379—1493). 1. Leopold III. (1379 —1386). Leopold, ein ritterlicher und unternelunungslustiger Fiirst, war eifrig bestrebt, sein Gebiet zu enveitern. Schon vor der Teilung untenvarf sich die Stadt. Freiburg den Habsburgern und begriindete Leopold die osterreichische Herr- schaft in Vorarlberg. Daselbst waren besonders die Grafen von Montfort begiitert, die aber infolge von zahlreiclien Teilungen und gegenseitigen Befehdungen sehr verscliuldet waren. Diesen Umstand benutzte Leopold, um die Herrschaften Feldkirch und Bludenz zu 1 Me Grafen von Cilli waren damals das niiichtigste reiehsunmittelbare Gesehleelit innerhalb der habsburgisehen Lilnder; Kaiser Siegmund erhob sie in den Reichsfttrstenstand. 1452 . 1457 . 1379 - 1386 . 62 Dritter Abschnitt. 1382 . kaufen. 1 2 Im Jalire 1382 ergab sicli ilim freiwillig Triest, um an ilim einen Schutz gegen die drohenden Angriffe Venedigs zu gewinnen.“ Dagegen war er ungliicklieh im Kampfe mit den Eidgenossen. Diese iiberfielen namlich das osterreichische Stadtclien Sempach und schlugen den Herzog, als sie ihn daselbst unvermutet angriffen, 1386 . vollstandig; tapfer kampfend fiel Leopold in der Schlacbt (1386). Da sicli die Schweizer weitere tlbergriffe gegen die Ilabsburger erlaubten, setzte Albrecht III. als Vorumnd seiner unmiindigen 1388 . Keffen den Krieg fort, wurde aber bei Ndfels besiegt (1388). Er schlofi deshalb einen zvvanzigjahrigen Waffenstillstand ab, durcli den die Ilabsburger Zug, Glarus und Sempach einbiibten. 1411 . Leopolds Sohne Er'nsi und Friedrich nahmen im Jalire 1411, ohne zwei getrennte Linieu zu bilden, 3 eine Teilung der VerruaMung vor, gemaB welcher jener die Regierung von Steiermark, Karnten, Krain, Istrien und Triest, dieser dagegen die von Tirol und Vorder- osterreich erhielt. Der Tiroler Zweig wurde infolge der geographi- schen Lage wiederholt in Yerwicklungen mit der Scliweiz verfloch- ten, die den V erlust des gesamten osterreichischen Besitzes daselbst herbeifiilrrten, dagegen den Verhaltnissen im Ost en so entfremdet, dah er bei den Berniihungen der Habsburger um den Erwerb Bohmens und Ungarns gar nicht in Betracht kommt. 2. Die Leopoldiner in Tirol und in Vorderosterreich (1411 1411 - 1439 . bis 1490). a) Friedrich IV. (mit der leeren Tasche, lili — 1139). Weil Friedrich die Flucht des Papstes Johann XXIII. aus Konstanz begiinstigte, wurde er vom Konzile gebannt, von Siegmund geachtet und von den Schweizern der Aufforderung des Kaisers gemaB an- gegriffen. Friedrich biiBte hiedurch die Herrschaft Kiburg und den Aargau samt der Habsburg ein. In der Bedrangnis ubergab er alle seine Besitzungen dem Kaiser, wurde aber t.rotzdem ein Jahr lang gefangen gehalten, wiihrend Siegmund Friedrichs Gebiete teils ver- pfandete, teils verkaufte. Der Herzog entfloh nun aus der Haft und eilte nach Tirol, wo sicli sein Bruder Ernst hatte huldigen lassen, 1 Spater ervvarben die Habsburger noch die Grafschaften Bregenz, Sonnen- berg' und Hohenems, die letztere erst im aehtzebnten Jahrhunderte, womit der Bestand von Vorarlberg abgeseblossen war. 2 Die Herrschaft ilber Triest und Umgebung liatten seit dem zehnten Jalir- hundert infolge kaiserlicher Verleihung die Bisehbfe der Stadt. Deren Ver- schuldung beniitzte diese, um ihre Selbstandigkeit zu erkaufen, wurde dann aber wiederholt von Venedig liedrangt und voriibergeliend auch erobert. 2 Die leopoldiner waron daher alle untereinander gleichberechtigte Erben. Die Zeit dov Anniiherung der drei L&ndergruppen. 63 um das Lancl den Habsburgem zu erhalten. Uack kurzem Kampfe versohnten sick beide und Friedrich erkielt Tirol samt den Vor- landen zuriick; doch blieben die verkauften Gebiete fiir die Habs- burger verloren. Friedrich war gerechti, liielt den Adel, der sick unter der Fiihrung Oswalds von Wolkeiistein gegen ikn erliob, im Zarnne, be- giinstigte den Biirgerstand und vermekrte die Zalil der Freibauern, denen er auch den Zutritt zum Landtag einraumte. So wurde Tirol das einzige kabsburgisclie Land, in dem auch der Bauernstand durch Abgeordnete der Gerickte, d. h. der Landgerichtsbezirke, vertreten war. b) Siegmund (1J+39 — 1J+90). Die rvichtigsten Ereignisse aus 1439-1490. seiner Ilegierung betreffen seine Beziehungen zum Brixener Biscliofe Nikolaus von Ousa und zu den Sckweizern. Nikolaus von Cusa , einer der gelelirtesten Manner der Zeit, war gegen den Willen des Domkapitels vom Papste zum Bischofe von Brixen ernannt worden. Als er die Reichsunmittelbarkeit des Bistums, die langst in Vergessenkeit geraten war, gegenriber Sieg¬ mund rvieder geltend zu machen suckte, wurde er von diesem ge- zwungen, sein Bestreben fallen zu lassen. Deshalb ward Siegmund vom Papste gebannt und iiber Tirol das Interdikt verhangt; docli blieb selbst die Geistlichkeit dem Herzoge treu. Erst nacli JSTikolaus’ Tode brachte Friedrich III. einen Ausgleich zwischen dem Papste und Siegmund zustande, der zugunsten des letzteren lautete. Im Verlaufe dieses Streites reizte der Papst die Schrveizer zum Kriege mit dem Herzog, in dem die Habsburger den Tkurgau und damit den llest ihrer Schiveizer Besitzungen verloren. 1 Um nun die Geldmittel zum Kampfe gegen die Eidgenossen zu gewinnen, verpfandete Siegmund seine Giiter im ElsaB an Karl den Kuhnen von Burgund, schloB aber, da ihn dieser nicht unterstiitzte, mit jenen die Ewige Richtung (1474), derzufolge die Schweizer Sieg¬ mund Waffenhilfe verspracken, falls Karl die verpfandeten Gebiete behalten wollte, jener aber auf alle Besitzungen verzichtete, rvelcke die Habsburger jemals in der Sehweiz gehabt katten. Siegmund war ein freigebiger und verschwenderiscker Fiirst; er frikrte eine glanzende Hofhaltung, baute kostspielige Burgen und forderte die Kunst. Dadurch ersckopfte er den Schatz seines Vaters, obwohl ihm der bliihende Bergbau groBe Einldinfte abwarf. Die 1 Mit. Ausnalnrie (les KricktaJes, (las eret im Jahve 1803 an die Schweiz kam. 64 Dritter Abschnitt. zerriitteten Finanzverlialtnisse bestimmten ihn, zugunsten seines Vetters Maximilian auf clas Land zu verzichten (1490); dieser vereinigte dalier nach dem Tode seines Vaters wieder alle habs- burgischen Ldnder. 3. Die Leopoldiner in Innerosterreich (1411—1493) . Der Be- griinder des innerosterreichischen Zweiges der Leopoldiner ist Ernst der Biserne 1 , der Bruder Friedricha IV. Ihm folgte sein altester Solm Friedrich V. (als Kaiser der dritte), ein Fiirst, welcher der notigen Tatkraft entbehrte, um in der kriegerischen Zeit, in der sich die AVehrverfassung des Mittelalters in voller Auflosung befand, die Ordnung aufrecht erhalten zu konnen. Es lierrschten daher walirend seiner Regierung iiberaus traurige Zustande: aufriihre- risclie Adlige, unbezalilte Soldnerbanden, raublustige Grenznachbarn (seit dem Jahre 1469 auch die Tiirken) verbeerten die Bander, die noch dazu unter Mifhvachs, Hungersnot und einer elenden Miinze (den ,,Schirideriingen'‘) litten, deren Auspragung Friedrich ein- zelnen Soldnerfiihrern statt der Bezahlung gestattete. 2 a) Die Streitiglceiten im regierenden Ilause. Friedrich ver- waltete gemeinsam mit seinern Bruder Albrecht VI., einem begabten, tapferen und ehrgeizigen Manne, Innerosterreich, als Vonnund Sieg- munds Tirol und fiir den minderjahrigen Ladislaus Osterreich. Auf diese Stellung sich stiitzencl, wollte er den Seniorat, der allmahlich in Vergessenheit geraten war, 'vviederherstellen,' geriet deshalb aber in vielfaclic Streitigkeiten mit seinem Bruder Albrecht, die sich noch steigerten, als er nach Ladislaus’ Tode ganz Osterreich fiir sich beanspruchte. 3 Im Laufe der dariiber aTisgebrochenen Kampfe wurde Friedrich von seinem Bruder in Wien belagert. Zwar kam es zu einem \ r ergleiche zwischen beiden, demzufolge Albrecht gegen eine Rente von 4000 Dukaten ganz Osterreich auf aclit Jahre zu- gewiesen wurde; weil der Vertrag aber nicht eingehalten ward, dauerten die Streitigkeiten bis zu Albrechts Tode fort (1463). Da er keinen Solm hint.erlieB, wurde Friedrich sein Erbe. Diese Verhalt- nisse trugen wesentlich zum Verluste Bohmens und Ungarns bei. ' Den Beinamen erhielt er wegen seiner Starke. 2 Im fiinfzehnten Jahrlumderte \volIte der Adel die Ijehenslcriegspflielit nur mehr fiir den Fali der Landesverteidigung und bloB einen Monat lang leisten; die Herzoge muBten daher immer zalilreiehere Soldner anwerben. — Im Jahre 1442 waren fast zwei Drittel des herzoglichen Grundbesitzes verpfandet. 2 Nach dem Teilungsvertrage vom Jahre 1379 hatten alle Leopoldiner An- sprucli auf das erledigte Osterreich. Die Zeit der Annaheruug der drei L&ndergruppen. 65 b) Friedrichs III. Beziehungen zu Bohmen und Ungarn. jSTacli dem Aussterben der Albertiner horte die Verbindung der drei Eiindergruppen abermals auf, indem in Ungarn und in Bohmen die Stande einen einheimischen Groben zum Konige walilten, dort den hochgebildeten und tatkraftigen Matthias Gorvinus (1458 — 1490), 1458-1490 hier den klugen und kriegstiichtigen Georg von Podiebrad (1458 1458-1471 bis 1471). Wegen seiner militarischen und finanziellen Sckwache erkannte Friedrich beide an und schlob mit Matthias den Vertrag von Odenburg (1463), der seinem Idause die ungarisclie Krone zu- 1463 . sicherte, falls jener oline Leibeserben stiirbe. Aber bald kam es zu Zwistigheiten zwischen Friedrich und Georg. Dieser liatte vor seiner Kronung dem Papste die Beseitigung des Utraquismus versprochen und der letztere drang nun auf die Erfiillung der Zusage; da aber Georg an den Utraquisten seine Hauptstiitze hatte, suchte er den Papst binzuhalten. Paul II. sprach deshalb iiber ihn Bann und Absetzung aus und veranlaBte im Vereine mit dem Kaiser den Konig Matthias zur Kriegserkldrung an Georg. Der Krieg verlief so giinstig fiir Matthias, dab er sich zum bobmischen Konige wahlen und von den bohmischen Keben- landern huldigen lieb. Als nach Georgs Tode die Bohmen den Jagellonen Wladislaw, einen Enkel des ersten Jagellonen von Polen, zu ihrem Konige vrahlten, setzte Matthias den Kampf fort, bis ihm durch den Olmutzer Frieden die bohmischen Kebenlander iiberlassen und selbst der Titel eines Konigs von Bohmen zugestanden wurde (1479). Friedrich benahm sich in diesen Kampfen sclnvankend; er 1479. verlieb die Partei des Matthias und trat auf die Seite Georgs, be- ziehungsweise Wladislaws, iiber, den er als bohmischen Konig an- erkannte. Infolgedessen erldarte Matthias an Friedrich den Krieg, obvrohl dieser auch ihn mit Bohmen belehnte. 1 Der ungarisclie Konig besetzte unter groben Verheerungen fast ganz Osterreich nebst aus- gedehnten. Teilen von Steiermark und Karnten und schlug seine Kesidenz in Wien auf; es schien, dab der Donaustaat von Ungarn aus errichtet iver den solite. Als aber Matthias ohne Erben starb und Maximilian unter dem Jubel der Bevolkerung in Osterreich erschien, muBten die Magvaren die Alpenlander raurnen. Da Wla- dislaw von Bohmen auch zum Kachfolger des Matthias gewab.lt 1 Der Krieg dauerte mit Unterbreeliungen von 1477 bis 1490. Zeehe-Heiderich, Osterr.Vaterlandskunde. 66 Dritter Abschnitt. worden war 1 (infolgedessen verzichtete Ungarn auf die bohmischen Kebenlander), riiokte Maximilian in Ungarn ein nnd notigte im Frieden von PreBburg Wladislaw zn. dem Versprechen, daB Maximi- lian, beziehungsweise seinem Erben, beide Kronen zufallen sollten, 1491. falls sem eigenes Geschlecbt im Mannsstamm ansstiirbe (1491). Da dieser Vertrag aucli vom ungarischen Landtag angenommen wurde, war der Anspruch der Habsburger auf das Land gesicbert. Matthias sorgte ftir eine geordnete Kechtspflege, griindete nach dem Verfalle der Universitat in Fiinfkirehen eine neue.in PreBburg, die ilin aber niclit- iiberlebte, und forderte in freigebiger Weise die Kunst. c) Die Eriverbung Burgunds. Je ungiinstiger die Regierung Friedrichs verlief, desto glanzender war die Aussicht, die sich seinem Ilause im Westen erdffnete. Es gelang namlich seiner zahen Ausdauer, die Vermahlung seines Sohnes Maximilian mit Maria, der Erbtocbter von Burgund, zustande zu bringen, infolgederen nacb dem Tode Karls des Ktilmen das reiche burgundisclie Erbe an die Habsburger fiel. Kur das llerzogtum Burgund, das ein fran- zosisches Lehen war, muBte Frankreich uberlassen werden. Durch diese Erwerbung gaben die Habsburger dem zerbrockelnden Deut- schen Reiche einen festen Halt gegen das westliche Kachbarreich, anderseits wurden sie dadurch in langivierige Kriege am Bheine verwickelt. d) Friedricbs Charakter. Ein Meister im diplomatischen Hin- halten und Uberreden, entbehrte er der raschen Entschlossenheit, meinte vielmelir, die Zeit zum Ilandeln konne niclit ausbleiben. Gebildeter als die meisten damaligen Ftirsten, zeichnete er sich auch durch Ehrenhaftigkeit, Frommigkeit und MaBigkeit aus. Selbst als landerloser Fllichtling gab er den Gedanken an die GroBe seines Ilauses nicht auf. Er wies alle Angriffe auf seine Stellung als Kaiser und Landesfiirst zuriick, besetzte auf Grund des Wiener Konkor- dates (II. 159) die meisten Bistiimer mit ergebenen Geistlichen, bestatigte das privilegium maius und fiihrte den Titel „Erzherzog“ 1453. in seinem ILause ein (1453). 1 Die Magnaten wollten nilmlich einen sehwaelien Konig; so sagte Stephan Zapolya, der Wojwode von Siebenbiirgen, er wolle einen Konig, den er bestandig am Sehopfe paeken konne (cuius crines continuo in manu tenere posset). Und zu Wladislaw und seinem Sobne Ludwig sollen die bohmisehen GroBen wiederbolt gesagt haben: „Du bist unser Konig, wir aber sind deine Herren." Maximilian I. 67 V. Masimilian I. (1493—1519). Die Begriindung des osterreicliischen Gesamtstaates, die Erliebung des llauses Habsburg zur ersten Maclit in Europa und die Anfange der modernen Staatsverwaltung in Osterreicli. A. Maximilians Reichsreform. Auf dem Eeichstage zu Worms (1495) kam nach langeren Ver- handlungen mit den Standen die Verkiindigung des E\vigen Land- friedens, die Errichtung des Eeichskammergerichtes und die Ein- fiilirung des gemeinen Pfennigs zustande (II. 198). Da aber die Eidgenossen diese Beschliisse nicht annelamen wollten, geidet der Kaiser mit ihnen in einen Krieg, dessen Schauplatz sicb vom Vintschgau bis nacb Basel erstreckte; die Sch\veizer setzten im Frieden von Basel ihren Willen durch (1499). Als zur groBeren Sicherung des Landfriedens auf dem Eeichstage zu Koln Deutscli- Jand in zehn Kreise geteilt \vard, wurden die Alpenliinder unter dem Kamen des osterreicliischen Kreises zusammengefafit; auf die Sudetenlander erstreckte sich diese Einteilung nicht. B. Die Landererwerbungen unter Maximilian. Als im Jalire 1500 die Linie der Gorz-Eriauler Grafen erlosch, kam deren Gebiet, namlich die Grafscliaft Gorz mit Gradišča und Idria sowie das Pustertal alteren Erbvertragen zufolge an die Habs- burger. 1 Durch die Teilnahme an einem Erbfolgestreit in Bayern ge\vann Maximilian Kufstein, Kitzbiiliel, Eattenberg u. a. Orte in Nordtirol (1505, vergl. S. 52). Die neunjahrigen Kampfe mit Venedig brachten ihm Rovereto, Riva und Ampezzo ein (1517). Infolge der Vermahlung seines Sohnes Philipp des Sclionen mit Johanna, der Tocliter Eerdinands von Aragonien und der Isabella von Kastilien, fiel nach dem Tode naher berechtigter Erben die spanische Monarchie■ samt den europaischen Kebenlandern und den amerikanischen Kolonien an das Ilaus Habsburg. Durch die Doppel- heirat seiner Enkelkinder Ferdinand und Maria mit Anna und 1 Das Pustertal wurde damals mit Tirol verbunden. — Die Enverbung des Isonzogebietes trug zur Steigerung der Keindseligkeiten zwisehen Maximilian und Venedig bei. 1493-1519. 1495. 1499. 1500. 1505. 1517. 5 * 68 Dritter Absclmitt. Ludwig, den Kindern des Konigs Wla.dislaw, und die Erneuerung der alten Erbvertrage auf dem glanzenden Kongresse zu Wien be- 1616. reitete er den Anfall Bohmens undUngarns an sein Ilaus vor (1515). C. Die Begriindung des modernen Staates in Osterreich. Wahrend die Habsburger im vierzebnten Jahrhunderte wolil das reichste deutscbe Eiirstengescbleeht waren nnd die Stande keine politische Bedeutung hatten, sank seit dem Beginne des fiinfzehnten Jahrhunderts infolge der Zwistigkeiten im regierenden Hanse und der zalilreichen Kriege ilire finanzielle Leistungsfahigkeit i miner mehr, 1 so daB sie sich wiederliolt an die Stande um Geldbewilligung wenden muBten; auch machten die Habsburger sie mehrmals zu Schiedsrichtern bei ikren Streitigkeiten. Dadurch wucbs die MacJit der Stande wie kaum in einem anderen Bande, so daB sie bis zur Schlacht am WeiBen Berge das politische Leben Osterreichs be- herrschten. Um nun diese Macht einzuschranken und anderseits den vermehrten Staatsgeschaften geniigen zu konnen (II. 200), begann Maximilian damit, den mittelalterlichenEeudal- durch den modernen Beamtenstaat zu ersetzen. Zu diesem Zwecke schuf er, der erste deutscbe Eiirst, nach dem Vorbilde Burgunds mehrere standige oberste Beamtenkollegien, rvahrend sein Vater die Regierung nocb ganz personlich gefiihrt und sich deshalb um alle Einzellieiten gekiimmert hatte. 2 Er errichtete namlich nach dem Scheitern der Keichsreform fiir beide Landergruppen, in rvelche damals die Alpen- lander zerfielen, die oberosterreicliische (Tirol und die Vorlande) und die niederosterreichische (die iibrigen Bander), je ein Regiment und eine Rait- oder Rechnungskammer , das erstere flir die Ver¬ oval tung und Rechtspflege, die letztere fiir das Finanzwesen. Die Mitglieder dieser Behorden, die znm Teile Juristen waren, wurden nicht mehr auf Lehensertragnisse angewiesen, sondern mit einem bestimmten Gehalte angestellt; den Wunsch der Stande, auf ihre Zusammensetzung EinfluB zu gewinnen, lehnte der Kaiser ab. Die Bezahlung der Beamten, die zalilreichen Kriege und die Freigebig- 1 In der Zeit von 1282 bis 1399 sank der Wert des Wiener Pfennigs infolge der Verseblechterung der Miinze von 14 auf 7 h herab. 2 Die beiden Hauptepoehen des tlberganges von der alten Form der Amts- verfassung zum Berufsbeamtentume liegen in der Zeit des Prinzipates und in der Maximilians. Maximilian I. 69 keit Maximilians zerriitteten die Finanzen um so mehr, als seine Haupteinnahmen noch immer auf der Haturalwirtschaft, namlich dem Ertragnisse der Domanen und der Lehensgefalle, beruhten. 1 Maximilian ist der erste osterreichische Iderrscber, der die bis dahin lose verbundeuen Lander auf Grund einer geregelten Ver- waltung zu einem Staate zu vereinigen strebte. Wiederbolt berief er auch Delegierte der Stdnde verschiedener Lander zu gemeinsamen Beratungen. Besonders wichtig wurde der AusschuBlandtag zu Innsbruck (1518), zu dem die Stande aller Alpenlander Y0 Ver- treter entsandten, so daB er der erste Versuch einer Gesamt- vertretung Osterreicbs ist. D. Maximilians Fiirsorge fiir Wissenschaft und Kunst. In die Zeit Maximilians fallt der Šieg des Humanismus iiber die Scholastik aucb in Deutschland. Der Kaiser selbst stand in leb- haftem Verkehre mit verscbiedenen Humanisten und verschaffte durch die Erricbtung neuer Lehrkanzeln fiir das Studium des romi- sehen Rechtes, fiir Poetik usw-, sowie durch Benifung von Huma¬ nisten dem neuen Geiste die Herrschaft auf der Wiener Universitat. Maximilian liatte ferner ein lebhaftes Interesse fiir Poesie und Kunst; die letztere bat damals niemand in Deutschland so begiinstigt w -ie er. Er lieB das Ambraser Heldenbuch anlegen, in dem allein die Kudrun enthalten ist, und gab den Plan an fiir die Abfassung des metrischen „Teuerdanlc“, der seine Taten als Ritter und Jager, des prosaischen „WeiBkunig“, der seine Erziehung und Kriege, und des unvollendeten „Freidal“, der seine Turniere und Mummereien schildert. Fiir die Aussehmiickung dieser Werke lieB er von hervor- ragenden Kiinstlern Zeiclmungen anfertigen; auBerdem entwarfen m seinem Auftrage Ilans Burghnagr die Zeichnungen fiir den Triumphzug und Albrecht Dur er die fiir die Elirenpforte, zwei Werke, welche der Verherrlichung seines Hauses dienen sollten, ' Die regelmiiBigen Einktinfte aus den Erblanden \verden fiir die Zeit Maxitniliana auf hochstenis 400.000 rheimaehe Gulden geschatzt. ■— An die Regi¬ mente konnten alle Redit,ssaclien, so z. B. aueh Bescliwerden der Untertanen iiber lhi-e Gutsherren, gebracbt werden. Regiment und Raitkammer hatten den Cha- rakter von Mittelbehiirden, da iiber ihnen noch Zentraliimter, wie Hofrat, Hof- gericht, Hofkammer, standen. 70 Dritter Abschnitt. aber nicht zustande gekommen sind. 1 * * * * * Maximilian forderte auch ver- schiedene Zvveige der Kunstindustrie, wie die Goldsckmiedekunst, die Mimzschneiderei, die Harnischsclilagerei u. a. Zur Ausfiihrung monumentaler AVerke fehlte es ihm leider an Geld. E. Maximilians Charakter. Maximilian, nachst Josef II. der volkstiimlichste aller Habs- burger, war ein tapferer Ritter und kiihner Jager; wiederho!t hat er sein Leben der groBten Gefahr ausgesetzt. Er besaB ein aus- gezeichnetes Gedachtnis, eine scharfe Auffassungskraft, gute Men- schenkenntnis und liebenswiirdige Leutseligkeit. Gerne nahm er an den Unterhaltungen der biirgerlichen Kreise teil; man liebte und fiircbtete ihn. Sein lebhafter Geist verfolgte nicht selten mehrere Plane auf einmal, ahnlich wie seinerzeit Leopold III.; daran, an seiner Geldnot und dem AViderstreben der Reichsfiirsten scheiterten viele seiner Absichten. Er war ein ausgezeichneterlleeresorganisator. Das verfallene Vasallenheer ersetzte er durch die LandsTcnechte, eine Soldtruppe, die aus den eigenen ITntertanen gebildet war und sich durch Hochlialtung der militarischen Ehre auszeichnete. GroBe Verdienste erwarb er sich um die A 7 erbesserung der Artillerie, die er erst eigentlich zur kriegstlichtigen AVaffe umgestaltete. Mit Recht lieiBt er der letzte BiUer. VI. Kultur. A. Die Kirche. Auch in den dsterreichischen Landern verfiel gegen Ausgang des Mittelalters infolge des Reichtums der Geistlichkeit und des papstlichen Schismas das Tcirchliche Leben; mehrere Provinzial- Synoden verboten den Ausschank von AVeinen in Kirchen und Pfarr- liofen und Eriedrich III. erwal:int, daB ein Erzbischof von Salzburg 1 Der unvollendete „Weifikunig“ wurde erst im achtzehnten Jahrhundecte gedruckt, der Teuerdank ersehien bereits unter Maximilian in einer Praelitausgabc und fand bis ins aclitzehnte Jahrhundert hinein viele Leser. Die Zeiehnungen fiir den WeiiBkunig rvurden von Hans Burgkm'ayr, die fiir den Teuerdank von Hans Schaufelein entworfen. — Die Mummereien bestanden aus Mahlzeiten, an denen nur Damen und die vornehmsten Ritter teilnahmen, wahrend andere ihnen auf- \varteten, und aus Tiinzen, bei denen die Paafe in phantastischen Anztigen er- sehienen. Die Bhrenpforte stellt einen Triumpbbogen mit drei groBen Offnungen Kultur. 71 die Messe nicbt verstand. Vergebens versuchten verschiedene Sekten und Bruderschaften, wie die GeiBler, die Begliarden, Waldenser und Hussiten, eine Besserung herbeizufiihren. Unter Friedrich III. wurden in Laibach, Wien nnd IViener-iSTeustadt; Bistiimer erriehtet; dagegen war damals die Bedeutung des Patriarchen von Aquileia, der nunmehr seinen Sitz in Udine liatte, tief herabgesunken. In Bolnnen verlor die Kirche ivahrend der Ilussitenkriege einen groben Teil ihres Besitzes; inllngarn vrarden unter Siegmund alle Kirchen- giiter als Eigentum der Krone erklart. B. Die Verfassung. Im fiinfzehnten Jahrliunderte gelangte in allen drei Lander- gruppen die stdndische Macht zu groBer Bedeutung j im fhnfzehntien Jahrliunderte kommen sogar eigenmachtige Versammlungen der Stande vor. Die Stande verhandelten auf den Landtagen getrennt nach den Kurien der Pralaten, Herren, Kitter samt den Knechten und der landesfiirstlichen Stadte („die gemain Landschaft“) ; fiir einen giiltigen BeschluB wurde die Dbereinstimmung aller vier Kurien verlangt. Die Bedite, welche sie ausiibten, waren nach der Personlichkeit des Ilerrschers sehr verschieden. Im allgemeinen waren sie befugt, bei neuen Gesetzen, Geld- * 1 und Truppenforderun- gen, bei der Verpfandung oder dem Verkaufe von Landesteilen usw. ihre Zustimmung zu geben; aucli beeinfluBten sie einzelne Zweige der Verwaltung, wie die Einsetzung von Beamten, das Miinz- und Zunftwesen usw. In Bohmen und Ungarn nahmen die Stande infolge des haufigen Wechsels des Ilerrscherhauses auch das Becht der Konigsivahl in Anspruch. In den Alpenliindern sind die Ilabsburger mit ihren Untertanen so innig verwachsen, daB sie bereits um das Jahr 1400 als Haus Osterreich bezeichnet werden. 1. Die Alpenlander. Hier wird in den einzelnen Landern zu verschiedenen Zeiten die Mitwirkung der Stande bed wichtigen Anliissen erwiihnt. Zwar haben Albrecht IX. und Rudolf IV. bei der Feststellung der Hausordnung die Zustim- dar-, oberhalb deren der Kaiser selbst mit seinen Vorfahren, seine Ta te n und die mit ihm verwandten Fiirsten dargestellt sind; sie ist iiber 3 m hoch. Ahnlieli biklet der Triumphzug mit seinen verschiedenen Gruppen, dem Kaiser samt seinem Gefolge usw. eine Verherrlichung Maximilians. Fiir die Ehrenpforte allein wurden 92 Holzstocke angefertigt. 1 Man sagte daher: „Landtage sind Geldtage". 72 Rritter Abschnitt. mung der Stande eingeholt, jedoch haben ihnen die ersten Habsburger nur selten EinfluB auf die Verzvaltung gevviihrt. Ileinrich war der erste Graf in Tirol, der alle wichtigeren Verordnungen „naeh dem Rate der Edelleute und Dienstmannen des Landes“ erlieB; seine Toehter Margareta iiberlieB die Regierung des Landes an Rudolf IV. „unter Zustimmung der Herren, Ritter, Bischbfe und Stadte im Lande". In Ober- und Niederosterreich tibernahmen die Stande beim Aussterben der Albertiner selbst die Regierung und traten Friedrich III. mit den Waffen entgegen; unter ihm stieg ihre Macht infolge der inneren und iiuBeren Not am hoehsten. 2. Biilimen. Hier erhielt die Regierung seit den Hussitenkriegen ein oligar- chisch-aristoJcratisches Gepriige, da der Adel die Krone auf das iiuBerste be- sc-hrankte; unter Wladisla\v wurde sogar bestimmt, daB die Landesordnung nur vom Adel mit Zustimmung des Konigs abgeilndert \verden diirfe. Auch in Mahren beherrschte der Adel die politische Lage. In Sohlesien forderten die vielen Streitig- keiten unter den Teilfiirsten die standische Macht. 3. Ungarn. Auch in Ungarn wurden urspriinglich nur die GroBgrundbesitzer (Pralaten und Ma.gnaten) politisch maBgebend. Die Angiovinen schoben zwar den Landtag beiseite, steigerten aber den EinfluB der Magnaten, so daB Ungarn zur Zeit der Jagellonen geradezu eine Oligarchie war. Der Komitatsadel und die Stadte erlangten erst unter Siegmund dauernd Zutritt zu den Landtagen; unter ihm wurde ferner infolge seiner oftmaligen Abwesenlieit vom Lande die wichtige Stellung, die spiiter der Palatin einnalim, angebahnt. Unter den Jagellonen \vurden die koniglichen Einkiinfte infolge der Betrugereien der Schatzmeister immer geringer, die Soldner konnten nicht bezahlt werden, veriibten dalier Pllinderungen und gingen sogar zu den Tiirken liber. C. Die Literatur. 1. Die Dichtknnst Vom Ausgange des dreizehnten bis zu dem des vier- zehnten Jahrhunderts heiTschte in unseren Landern auf poetischem Gebiete Ode. Um 1400 ertonen die Lieder der letzten Minnesanger, namlich des Vorarlbergers Hvgo von Montfort, der meist in Steiermark lebte, und des begabteren Osioahl von Wollcenstein, eines Tirolers. Von epischen Dichtungen sind zu nennen die „Ehrenreden“ des Peter Suchenmirt, die hauptsachlich Osterreieh betreffen, 1 und das ,,Bueh von den Wienern“ des Michel Belieim, vzorin dieser die Belagerung Wiens unter Friedrich III. erzahlt, die der Verfasser selbst mitgemacht hat. Die letzten Werke der hijfischen Epik sind die allegorischen Dichtungen Maximilians I. AuBerdem waren beisonders Selmdnhe beliebt. Eine bekannte Sammlung von solehen veranstaltete der Wiener Frankfurter unter dem Titel: „PfafT vom Kahlenberg“. In dramatischer Beziehung gab es geistliclie und weltliche Spiele, die beide von Biirgern gepflegt wurden. Die ersteren behandeln besonders die Osterzeit, und z\var in wurdiger Weise und unter Tcilnahme der Kirehe; allmšihlich wird 1 Er verherrlichte z. B. Albrecht II. und III., Ludvig den GroBen u. a. Kultur. 73 ihr Schauplatz von den Stiidten auf das Kand verlegt. Die weltlichen odei I' ast- nachtspiele sind derbkomische Posseu, die ihren Stoff dem biirgerlichen und bauerlichen Leben entnahmen und an den romisehen Mimus erinnern (1.240). 2.1)ie Prosa. Das tvissenschaftliche Leben des spateren Mittel- alters erfuhr in unseren Landern eine kraftige Forderung durch die Errichtung von Univ er sit at en; namentlich wurde die Wiener Universitat der geistige Mittelpunkt fiir Osterreich und Deutsch- land. 1 Hiezu kam im fiinfzehnten Jahrhunderte der Humanismus. Dieser £and zunachst in Ungarn eine eifrige Forderung durch Maithias Corvinus, der von Johann Vitez, dem hervorragendsten ungarischen Humanisten, erzogen worden war. In Osterreich fand der Humanismus unter Friedrich IIT. und ganz besonders unter Mazimilian I. eine Heimstatte, deren Stiitze die Wiener Universitat war. Hier wirkten Georg von Peurbach und Johann Muller von Konigsberg, die Wien fiir liingere Zeit zum Hauptsitze des Studiums der Mathemat.ik und Astronomie machten (II. 189), ferner Konrad Celtes, der in Wien eine gelehrte Gesellschaft als Mittelpunkt des Humanismus in allen drei Landergruppen begriindete. 2 Auch Maxi- milian stand mit zahlreichen Humanisten in Briefwechsel und zog humanistisch gebildete Manner, wie Cuspinian, Lazius und Stabius, in seine Kahe; diese Manner widmeten sich mit Erfolg der hoimi- schen Geschichtschreibung. Dagegen kam infolge der Ilussitenkriege der Humanismus in Bohmen nicht zur Entfaltung; nur der eifrige Lobkoivitz von Ilassenstein verdient hier genannt zu werden. Von der kurzen Zeit des Humanismus abgeselien, wurde in Osterreich die Wissenschaft bis in den Anfang des neunzehnten Jahrhunderts hinein mitunter nahezu ausschlieBlich nur von Geistlichen gepflegt. Heben dem Humanismus ist die Geschichtschreibung von groBer Bedeutung. Die Ohronik des Abtes Johann von Viktring gehort zu den besten gescliichtlichen Werken des spateren Mittel- alters. AuBer der osterreichischen Chronil? Ebendorfers, eines Hiederosterreichers, und der wichtigen Chronik der Grafen von Cilli sind besonders die osterreichische und Karntner Chronik des Karntner Pfarrers Unrest (d urn 1500) zu erwahnen, von denen namentlich die erstere eine wichtige ()uelle fiir die zweite Halfto des fiinfzehnten Jahrhunderts ist. 1 Viele osterreichische Kloster sehickten ihre Kleriker nach Wien. 2 Die sodalitas Danubiana wurde neben der rheinischen Gesellschaft in Heidelberg die beriihmteste des ganzen Deutschen Reiches. 74 Dritter Abschnitt. D. Die Kunst. In diesem Abschnitte gelangte bei uns die Gotih zur Bliite; es herrschte damals eine iiberaus eifrige Pfiege auf allen Gebieten der Kunst. 1. Die Alpenlander. Hier ist der bei weitem wiehtigste Bau der Stephansdom in Wien, dessen alteste Teile, das Riesentor und die beiden Heidentiirme, noch vom romanischen Bau herstammen, wahrend unter Albrecht II. der gotische Umbau des Ohores voll- endet und unter Rudolf IV. der Grund zum herrlichen Siidturme gelegt wurde; der letztere ist neben den prachtigen Fenstern und Wimpergen der dekorativ reicliste Teil der ganzen Kirche. Im Innern sind besonders die Kanzel, ein AVer k des Briinner Meisters Pilgram, und das marmorne Grabdenkmal Friedriclis III. von Kikolaus aus Fevden beriihmt. Die meisten gotischen Kirchen Oster- reichs sind Hallenkircben. — Von den weltlichen Bauten der Zeit ist besonders die Burg Runhelstein wegen ihrer vielen Fresken her- vorzuheben, die den Štolf teils dem hofischen Epos, namentlieh Tristan und Isolde, teils Vorgangen des ritterlichen Lebens (Jagcl, Fischerei, Ballspiel, Reigen) entnehmen. Die Plastik und Malerei wurden vor allem zur Ausscbmiickung der Kirchen verwendet. Beide schufen im Vereine zahlreiche Fliigel- altdre, von denen der bertihmteste in St. Wolfgang steht, ein Werk des Tiroler Bildhauers und Malers Michael Pacher , des grofiten Kiinstlers des fiinfzehnten Jahrhunderts in den Alpenlandern . 1 Das prachtigste Grabdenkmal Osterreichs ist das Kenotaph Maximilians I. in Innsbruck, dessen Gesamtanlage von ihm selbst herriihrt, wahrend seine Vollendung erst in die Zeit Rudolf s II. Talit; es sind daher die Gotik und Renaissance an ilnn vertreten . 2 2. Bolnnen. Hier bestand unter Karl IV. eine ahnlich glan- zende Kunsttatigkeit wie in Wien. Der St. Veiter Dom in Prag ist 1 Die Mitte bildet die plastisehe Gruppe der Rronung Maria, die beider- seitigen DoppelfKigel sind mit Gemaldcn geschmiiekt. In der Pfarrkirehe von Gries (bei Božen) ist eine zweite Kronung der h. Maria von Pacher erhalten. 2 Das Denkmal ist an den vier Seiten mit 24 kunstvollen Marmorreliefs geschmiiekt und mit der knienden Erzgestalt des Kaisers gekront ; umgeben ist es von 28 iiberlebemsgroBen Erzbildern, von denen zwei (Artur- und Theodericli der GroBe) W«rlce Peter Vischers sind. Kultur. 75 neben der Steplianskirche der bedeutendste Bau der Zeit in Unserem Reiche. 1 Das Beispiel Iv ari s vvirkte auf Adel, Geistlichkeit und Biirgerschaft, so dai3 sich in ganz Bohmen ein reges Kunstleben ent- faltete. Besonders hervorzuheben sind noch die Teynkirche in Prag und die Barbarakirche in Knttenberg. Karl iibertraf in der Pflege der Kunst alle vreltlichen Fiirsten des vierzehnten J ahrhunderts; er berief zahlreiche fremde Kiinstler, erbaute die Karlsbriicke in Prag und die Burg Karlstein mit der beriihmten Krenzkapelle, deren Wande teils mit Edelsteinen auf Goldgrund, teils mit zahlreichen Wand- und Tafelbildern geschmiickt sind. 3. Ungarn. Daselbst entwickelte sich unter deutschem EinfluB ein reges Kunstleben in der Zeit Ludvoigs I.; unter ihm wurde der Dom in Kaschau, das gotische Hauptwerk Ungarns, vollendet. Friih drang liier die Renaissance ein, die ihre Bliite unter Mattliias Cor- vinus erreichte. Sein hervorragendstes Werk ist der Keubau der Konigsburg in Ofen, in der auch die beriihmte Bibliothek (Corvina), angeblich 50.000 Bande stark, untergebracht war. Die Geistlichkeit und der Biirgerstand folgten dem koniglichen Beispiele, so daB sich namentlich in Ofen zahlreiche Palaste erlioben; doch gingen die meisten von ihnen in den Tiirkenkriegen zugrunde. Iliezu kommen in allen drei Landergruppen zahlreiche Werke der Kunstindustrie, namentlich der Goldschmiedekunst, der Mi¬ niatur-und Glasmalerei, der Stickerei 2 , derPlattnerei und Harnisch- schlagerei. 4. Galizien. Daselbst ist Krakau, die Kronungsstadt der pol- nischen Konige, durcli eine Fiille wohlerhaltener Kunstdenkmaler ausgezeichnet, die teils aus der Zeit des letzten Piast.en, teils aus dem Anfange des sechzehnten Jahrhunderts stammen. Der letzteren Zeit gehort die Jagellonenkapelle an, ein Zubau zum Dome in edlem Renaissancestile. Die Marienkircbe schmiickt ein Fliigelaltar von Veit StoB, dessen Hauptstiick den Tod der h. Maria darstellt. Die beriihmtesten weltlichen Bauten der Stadt sind die Tuchlauben, deren urspriinglicher Bau von Kasirnir dem GroBen h er rtih rt, und die Tini ver sit at aus dem fiinfzebnten T ahrhunderte. 1 Das Clior wurde erst unter Wenzel vollendet; unter ihm wurde aueh der Dau des fihifschiffigen Langhauses begonnen. 2 Vielleieht das schonste Werk der Stickerei, das sich iiberhaupt erhalten hat, sind die burgundischen MeBgewiinder in Wien. 76 Dritter Abschnitt. E. Die materielle Kultur. Wahrend am Beginne dieses Abschnittes die wirtschaftliche Lage unserer Bander recht zufriedenstellend war, ist sie gegen Aus- gang des Mittelalters tief herabgesunken. MaBgebend hiefiir waren besonders das Aufhoren der Kolonisation, die Streitigkeiten im regierenden Ilause, die zahlreichen Kriege um den Besitz Bohmens und Ungarns, die vielen Tiirkeneinfalle seit der Schlacht bei BTiko- polis, die Zerriittung des mittelalterlichen Heerwesens, die Ein- fiihrung der Soldnertruppen und die zunebmende Verschlechterung der Miinze. In allen Kremen der Gesellschaft herrschte starke Ver- schuldung, auch klagte man iiber das wucherische Gebaren der Juden, 1 iiber die „Finanzerei“ der Handelsgesellschaften und die Ausbeutung durch die reichen Kapitalisten, wie die Fugger und Welser. Hiezu kam der Sieg der Geldvdrtschaft, unter dessen Folgen nicht nur der Bauernstand, sondern auch der GroBgrundbesitz litt (II. 201); der letztere hatte namlich die Giebigkeiten und Fron- dienste der abhangigen Bauern groBenteils in feste Renten um- gewandelt, die aber infolge der sinkenden Kaufkraft des Geldes minderwertig wurden. 1. Die Landuvirtsehaft. Mit Ausnahme von Tirol ist der freie Bauernstand fast ganz verschmmden; anderseits ist aber am Aus- gange des Mittelalters in den Alpenlandern , von Vorarlberg abge- sehen, die Leibeigenschaft nur mebr vereinzelt vorhanden. Die Bauern waren im allgemeinen gutsherrliche Untertanen geworden, der Boden, den sie bewirtschafteten, gehorte der Herrscbaft, die auch die Gerichtsbarkeit iiber sie ausiibte; doch war ihre Stellung im einzelnen sehr verschieden. Stets lebte aber der Bauer in be- scheidenen Verhaltnissen, daher wird er geradezu „der arme Mann“ genannt. Schlimm stand es mit dem Bauernstand in Bohmen und Ungamj da er hier unter Wladislaw vollstandig an die Scholle ge- bunden und mit den driickendsten Abgaben belastet wurde, so daB ihm nur ein Drittel seiner Einkiinfte verblieb. Die alten Hufen waren wegen Zunahme der Bevolkerung vielfach zerschlagen worden. Al s nun in den Alpenlandern einige Grundherren die Geldablosung riickgangig machen und die Haturalgiebigkeiten erhohen wollten, brach in Krain der Kampf „um das alte Recht“ aus, der sich auch iiber Steiermark und Karnten ausbreitete, aber bald unterdriickt 1 Der ZinsfuB betrug im vierzehnten Jalirhunderte 70 bis 80 °/ 0 . Kultur. 77 wurde (1515). Gleichzeitig erhoben sich die Bauern in Ungarn, wurden aber von Johann Zapolya, dem \Voiwoden von Siebenbiirgen, miter Veriibung unmenschlicher Grausamkeiten besiegt; hiebei fanden 40.000 bis 70.000 Menschen den Tod. 1 Infolge der steigenden Biererzeugnng ging im fiinfzehnten Jahrlinnderte der Weinbau zuriick. Das wichtigste Zugtier der Bauern war das Eind; den groben Bedarf an Pferden fiir die Eitterheere deckten besonders ISTordtirol und Salzburg. 2. Bergbau. Dieser bluhte iin fiinfzelmteii Jahrhundert in den Alpenlandern und in Ungarn. Zu den alten Betrieben kamen neue, namentlich in Tirol, hinzu; bier wurde vor allem im Unterinntale (Schwaz) Silber gewonnen. In Salzburg und Karnten wurde mit Erfolg auf Gold gegraben. Dagegen ging der Bergbau in Bohmen, mit Ausnabme von Joachimstal, infolge der Ilussitenkriege selir zuriick. 3. Gewerbe. Bedeutend besser als mit dem Ackerbau stand es mit dem Gewerbe. In den osterreichischen Liindern kam es zwischen den „Erbburgern“ und den Ziinften niemals zu so erbitterten Kampfen wie in Deutschland, da unsere Stadte kleiner und einem Herrn untertanig waren, der solche Ausschreitungen unterdriicken konnte. Im allgemeinen erhielten im fiinfzehnten Jahrliunderte die Zunfte in den meisten Stadten Anteil an der Stadtverivaltung. Im sechzehnten Jahrhundert erreichte das Gewerbe eine bedeutende Blute, zumal da durch forttvalirende Einwanderung aus Deutsch¬ land die Liicken wieder ausgefullt wurden, welche die Kampfe mit den Tiirken auch in die Stadtbevolkerung rissen. Einzelne Gewerbe wurden fast fabriksmabig betrieben, so die Eisenwarenerzeugung in Steyr, die Seidenfabrikation in Siidtirol, die Glasindustrie in Bohmen u. a. 4. Der Hami el. In den Alpenlandern bluhte der Tlandel auch in diesem Abschnitt und beniitzte die bisherigen Wege. Der GroBhandel 1 Der Bauenifiihrer Dozsa wui'de an einen glfihend gemaehten Sessel ge- fesselt, mit gliilienden Zangen gezwickt und mit einer gliihenden Krone aus Eisen gekriint; mehrere Bauern notigte man, von seinem Fleische zu essen, zulctzt wm'de er enthauptet und gevierteilt. — Die Aufstiindisehen heiBen Kuruzen (von erux), weil sie urspriinglich fiir einen Kreuzzug aufgeboten waren. Seitdem werden die Aufstandischen in Ungarn iiberhaupt Kuruzen („Kreuzfahrer“) genannt. 78 Vierter Abschnitt. lag aber in den Iianden siiddeutscher Kaufleute, die von Wien aus den Warenverkehr mit Ungarn und Italien beherrschten. Koch immer waren der StraBenzvvang und die vielen Zollstatten lastig, der letzteren gab es z. B. in jSTiederosterreich im vierzehnten Jahr- liundert iiber 90. In TJngarn nahm der Handel unter den Angiovinen, in Bohmen unter den Luxemburgern einen groben Aufschwung, ver- fiel aber infolge der Hussiten- und sonstigen Kriege. Die Einfulir iiberstieg die Ausfuhr bedeutend, so daB bestandig Geld in das Ausland abfloB. Vierter Abschnitt. Die Gesamtstaatsgeschichte von der Schlacht bei Mohdcs bis zur Gegenwart (seit dem Jahre 1526). Erster Teil. Von der Schlacht bei Mohacs bis zum Erloschen des habsburgischen Mannsstammes (1526—1740). In diesem Abschnitt erfolgt durch den Anfall der Kronen von Bolimen und Ungarn an die Habsburger die Bildung des oster- reichisch-ungariscben Oesamtstaates. Die auBere Politik ist be- sonders durch die Kriege mit den Tilrhen und mit Frankreich ge- kennzeichnet. Der Hauptinhalt der inneren Geschichte ist die sieg- reiche Bekampfung der zumeist protestantischen Stande durch die Landesfiirsten, derzufolge Osterreich ein katholischer und absoluter Staat geworden ist; dagegen gelingt in Ungarn weder die Ausrottung des Protestantismus noch die Beseitigung der standischen Kechte. I. Das Herrsclierhans. 1521-1564. 1. Ferdinand I. (1521—1564). Da die Alpenlander ein Ge- samteigentum der Habsburger waren, hatten nach dem Tode Maxi- milians I., der seinen Sohn Philipp den Schonen iiberlebte, seine Enkel Karl und Ferdinand Anspriiche darauf, doch verzichtete der erstere auf sein Becht zugunsten des letzteren (1521), der dadurch der Stammvater der jiingeren Linie des Hauses Habsburg geworden ist. Wenige Jahre darauf erwarb Ferdinand die Kronen von Bohmen Das Herrseherhaus. 79 und Ungarn, nachdem sein Scliwager Ludivig II der Sohn und JSTachfolger Wladislaws, von Suleiman II., dem hervorragendsten Sultane, bei MoKdcs besiegt worden war und auf der Flucht sein Leben verloren hatte. Das Jahr 1526 ist daher das Geburtsjabr der 1526. osterreichisch-ungarischen Monarchie. In Bolim en wurde Ferdinand ohne Schwierigkeit einstimmig als Konig anerkannt , 1 dagegen walilte in Ungarn die Mehrzahl der Stande Johann Zdpolya und nur die Minderzahl Ferdinand zum Konige. Diese Doppehvalil bracbte viel Unheil uber Ungarn und verwickelte die Ilabsburger in langvvierige Kampfe mit den Tiirken. Ferdinand war wolilwollend, fromm, im Gegensatze zur da- maligen Sitte maBig in Speise und Trank, ude fast alle Ilabsburger ein Freund der Wissenschaft und Kunst; die Wiener Universitat bat er aus dem tiefen Verfall, in den sie nacli dem Tode Maximilians geraten war, wieder emporgehoben . 2 Dem ILerkommen gemaB teilte er seine Liinder unter seine drei Soline; Maximilian erhielt Ober- und Kiederosterreicli, Bohmen und Ungarn, Ferdinand Tirol und die Vorlande, Karl Innerosterreich. Die osterreichische Linie erlosch mit den Sohnen Maximilians und die tiroliscbe mit ihrem Griinder, dem Gemahle der Philippine Welser, so daB die steirische zum zweitenmal alle Lander vereinigte. 2. Maximilian II. (1564—1576). Er war der einzige Habs- 1564-1576. burger, der zum Protestantismus hinneigte; gleichwobl hat er, wie Heinrich IV. von Franlcreicli, aus politisclien Biicksichten (wegen der Enverbung der Kaiserkrone und der Aussiclit auf die spanische Monarchie) am Katholizismus festgehalten. Er war in konfessio- neller Beziehung tolerant, ausgezeichnet durch reiche Ilerzens- und Geistesbildung, ein seltenes Gedachtnis und groBe Arbeitslust. 3. Rudolf II. (1576—1612). Rudolf war ein lvohliVollender, 1576-1612. aber schwacher, zur Schwermut geneigter Fiirst. Er schloB sich formlich in seiner Burg auf dem Hradsehin ein und beschaftigte sich viel lieber mit Alchimie und Astrologie als mit Regierungs- angelegenheiten. In Ermanglung eines vaterlichen Testamentes 1 Ferdinand betraclitete sich zwai' auf Grund der Bestimmung Karla IV. als Erbkonig von Bohmen, doch lieB er seine Wahl zu, \veil die Stande das Wahlrecht heanspruohten. 2 Im Jahre 1532 sollen an der Wiener Universitat nur zwolf Studenten neu aufgenommen vrorden und innerhalb zvvanzig Jahren biichstens zwei Priester von der Universitat abgegangen sein. 80 Vierter Abschnitt. schloB er bald nach seiner Thronbesteigung mit semen Briidern einen Vertrag, demzufolge sie gegen eine Rente auf alle territorialen An- spriiche verzichteten. Da aber infolge der zunehmenden Krankheit des Kaisers die Regierung formlich ins Stocken geriet, erklarten die iibrigen Erzlierzoge seinen Bruder Matthias zum Ilaupte des Ilauses Habsburg; Rudolf muBte ihm Osterreicli, IJngarn und Mahren 1608. iiberlassen (1608). Als nun der Kaiser Bohmen seinem Vetter Leopold zuwenden wollte, notigte ihn Matthias auch zur Verzicht- 1611. leistung auf Bohmen (1611). 1612-1619. 4. Matthias (1612 —1619). Dieser war zwar ein liebens- viirdiger und kunstsinniger, aber unselbstandiger Herrscher, fiir den eigentlich der Wiener Bischof Klesel die Regierung fiihrte. In sein vorletztes Regierungsj ahr fallt der Ausbruch des DreiBigjahrigen 1618- 1648. Krieges (1618—1648), in dessen Verlaufe die Habsburger durch 1635. den Frieden von Prag (1635) die Lausitz an Sachsen verloren. Da weder Matthias noch seine Bruder Maximilian und Albrecht Kinder hatten, die beiden letzteren, bereits alt und gebrechlicli, iiberdies auf die Kachfolge verzichteten, so vereinigte Ferdinand, der Solin Karls, \vieder das ganze Gebiet, nachdem er auch schon zu Lebzeiten des Matthias als Konig von Bohmen. „angenommen“ 1 und von den ungarischen Standen „nach ihrer alten Gewohnheit und immer be- obachteten Freiheit“ zum Konige gewahlt worden war. 1619- 1637. 5. Ferdinand II. (1619—1637). Ein entschiedener Feind des Protestantismus, suchte er viberall den Katliolizismus wieder zum Siege zu fiihren. 2 Leutselig, groflmiitig und fromm, beschenkte er mit freigebiger Iland die Kirche und seine Giinstlinge, so daB sich die Finanzen unter ihm in groBer Unordnung befanden. Obwohl er die Unteilbarkeit des habsburgischen Landergebietes feststellte, muBte er doch seinem Bruder Leopold Tirol und die Vorlande iiber- lassen; hiedurch wurde die letzte Kebenlinie gebildet, die aber schon 1665. m it dem zweiten Soline ihres Griinders erlosch (1665). Diese Linie verlor im Westfalischen Frieden die Landgrafschaft ElsaB samt den dazugehorigen Besitzungen, das Schutzrecht iiber die zehn Reichs- stadte daselbst und die Festung Breisach an Frankreich. 1 Die Annahme bedeutete die Anerkennung des Erbreebtes der Habsburger auf die bolimisehe Krone. 2 Er erklUrte, er wolle lieber iiber eine Wiiste herrschen, lieber betteln geben und seinen Leib in Stiicke hauen lassen, als die Ketzerei dulden. Das Herrsehevhaus. 81 6. Ferdinand III. (1637—1657). Gleich seinem Vater war 1637-1657. er iiberaus strenge in der Erfiillung der kirchlichen Vorschriften, auBerst gerecht und fiihrte ebenfalls ein musterliaftes Familienlcben. Er war sparsam, besaB ein gutes Gedachtnis, eindringendes Urteil und seltene Menschenkenntnis. Da sein alterer Solin Ferdinand schon vor ilim starb, so folgte ihm sein jiingerer 7. Leopold I. (1657—1705). Er war ein entscliiedener Katholik, 1657-1705. wohlwollend, gerecht, aber ohne Tatkraft, ein groBer Freund der Einfachheit; mit Eifer ividmete er sich den Staatsgeschaften. Ob- wohl friedliebend, muBte er doch mit Ludwig XIV. von Frankreich und den Tiirken fast seine ganze llegierungszeit hindurch Krieg fiihren. 8. Josef I. (1705 — 1711). Leopolds alterer Sohn war ein lioch- 1705-1711. gebildeter, reichbegabter, edler und tatenlustiger Fiirst, dessen friiher Tod die volle Entfaltung seiner Herrschergaben verhinderte. Da er keinen Solm hinterlieB, folgte ihm sein Bruder 9. Karl VI. (1711—1740). Er war ein wohlwollender und 1711 - 1740 . gerechter Ilerrscher, ein Freund der Bticher und der Musik, eifrig in der Erfiillung seiner Pflichten, von der IToheit seiner Wiirde ganz erfiillt. Er hielt daher strenge an der Hofetikette fest, die er in Spanien kennen gelernt hatte. Mit den Ministern verkehrte er nur schriftlich. Unter ilim ivurde der Spanische Erbfolgelcrieg (1701 — 1714) durch die Friedensschliisse von Utrecht, Bastatt und 1701 - 1714 . Baden beendet. Osterreicli erhielt aus dem spanischen Erbe Belgien, Mailand, Feapel und Sardinien; das letztere \vurde infolge der Quadrupelallianz gegen Abtret.ung Siziliens an Savoyen iiberlassen (1720). Damals hatte das habsburgische Landergebiet die groBte 1720. Ausdehnung. Durch die Teilnahme am Polnischen Thronstreite (1733—1738) verlor Karl VI. im Wiener Frieden Keapel und 1733-1738. Sizilien an die spanischen Bourbonen und erhielt als geringen Ersatz hiefiir die Herzogtiimer Parma uird Piacenza. Die meiste Aufmerksamkeit Karls nahm die Sicherung der Kachfolge in Anspruch. Im Jahre 1713 verkiindete er namlich durch 1713. ein Hausgesetz in einer Versammlung der obersten Ilofbeamten imd gelieimen Pate die Pragmatisclie SanMion, deren Inhalt lautet: a ) In Ermauglung eines Sohnes liaben das Recht der Kachfolge Karls Tochter und deren Nachkommen, nach ihrem Aussterben die I ochter Josef s, endiich die Leopolds, beziehungsweise deren Kacli- Zeehe-Heiderich, čsterr. Vaterlandskunde. 6 82 Vierter Abschnitt. 1529 - 1683 . 1529 . kommen, immer nach. dem Rechte der Erstgeburt -, 1 b) der gesamte Landerbesitz soli „gleichmaBig unzerteilt“ bleiben. Diesem ITaus- gesetze gaben in den Jahren 1720 — 1725 alle Landtage ilire Zu- stimmung und teils durch Unterhandlungen, teils durch grobe Opfer (Aufhebung der Handelskompanie in Ostende und Teilnalime am Polnischen Thronstreite) gewann Karl die Anerkennung der Sanktion seitens der auswartigen Machte. II. Die Tiirkenkriege (1529—1739). DieTiirkenkriege waren fiir die Habsburger um so gefalirlicher, als damals die Pforte iiber die besten Soldaten in Europa verfiigte und Osterreich lange Zeit auf Soldtruppen angewiesen war, zu deren Bezalilung die Geldmittel oft nicht ausreichten. Hiezu kam, daB sieb unzufriedene Magnaten haufig mit den Tiirken verbanden, weil sie die Habsburger als ein fremdes Herrschergescblecbt des Thrones berauben ivollten oder doch deren Streben nach Beseitigung des Protestantismus und der standischen Macht bekiimpften. Die Tiirkenkriege zerfallen in zwei grobe Abschnitte, deren Grenze das Jahr 1683 bildet. Bis daliin waren die Habsburger dem Sultan gegeniiber in der Verteidigung, seitdem gingen sie zum An- griffe iiber. 1. Die Habsburger in der Verteidigung (1529—1683). Da Johann Zapolya die Oberhoheit Suleimans II. anerkannte, riickte dieser mit einem Heere von 100.000 Mann gegen Wien vor, 2 3 * das aber Graf Hiklas Salm mit 20.000 Mann so wacker verteidigte, daB der Sultan unverrichteter Dinge abzog (1529). Der Krieg mit Zapolya dauerte fast bis zu dessen Tode und der mit den Tiirken beinahe die ganze Regierungszeit Eerdinands hindurch, wenn auch mit Hnterbrechungen, fort und hatte zur Folge, daB Ungarn in drei Herrschaftsgebiete geteilt wurde: Ferdinand beliauptete einen Teil Kroatiens sowie das westliche und nordliche Ungarn, 8 Johann Sieg- 1 Wenn iiberhaupt die weibliche Nachfolge galt, hatten die Toehter des letzten Herrsehers ebenso das Vorrecht, wie bei der miinnliehen Nachfolge dessen Sohne. 2 Dem Heere voran ritten die „Renner und Brenner", die mir um Beute dienten und alles hinmordeten. 3 Das dsterreichische Ungarn reiehte im allgemeinen nach Osten bis Biliač, Kanizsa, zum Plattensee, Komora, Neuhausel, Erlau, Tokaj und Szatmar. T)ie Tiirkenkriege. 83 mund, der Sohn Johann Zapolyas, Siebenbiirgen mit dem ostlichen Ungarn und die Tiirken die Mitte des Landes. Gegen die fortivah- renden Einfalle der Paschas 1 errichtete Ferdinand die Icroatische (Karlstadter) und ivindische (Warasdiner) Grenze, deren Beivohner jederzeit zum Kampfe mit den Tiirken bereit sein muBten (II. 59). Im iibrigen verpflichtete sich zwar Ferdinand dazu, der Pforte ein Jahresgeschenk von 30.000Dukaten zu entrichten, rettete aberwenig- stens die ungarische Konigsv/iirde. An diesen Verlialtnissen anderte die heldenmiitigeVerteidigung Szigeths durch FTikolaus Zriny unter Maximilian II. niclits (1566). 1566. Dagegen bedeutete der Friede von Zsiivatorok, der einen dreizehn- jahrigen Krieg beendete (1606), insofern einen Fortschritt, als 1606.. daselbst die Pforte gegen Entrichtung eines Geschenkes von 200.000 Dukaten auf den bisherigen Tribnt. verzichtete. Kachdem die Tiirlcei infolge ihres militarischen und politischen Kiederganges die Wirren des DreiBigjahrigen Krieges zu keinern Angriffe auf die Habsburger beniitzt hatte, kam es erst wieder unter Leopold I. zu zvvei Kriegen mit der Pforte. Der erste (1663 — 1664) 1663-1664. brach wegen der JSTeubesetzung des erledigten Fiirstenstuhles von Siebenbiirgen aus und fiilirte nach dem Siege des Grafen Monte- cuculi bei St. Gotthard zum Frieden von Eisenburg, der Sieben¬ biirgen das Recht der Fiirstenwalil sicherte und dadurcli die Ver- wandlung des Landes in ein tiirkisclies Paschalik vcrhinderte. ISToch viel glorreicher verlief der zweite Tiirkenkrieg. 2. Die Habsburger im Angriffe (1683 — 1739). Angeblich 1683-1739. wegen Verfolgung der Protestanten und willkiirlicher Einhebung von Steuern entstand in Ungarn eine Magnatenverschiudrung, die aber im Jahre 1671 unterdriickt \vurde. Als nun die Gegenrefor- 1671. mation fortgesetzt und der Versuch gemacht wurde, im Sinne der Zeit auch in Ungarn den Absolutismus einzufiiliren, brach der weit- verbreitete Aufruhr der Kuruzen aus, an dessen Spitze der Graf d'olebly trat. Eachdem dieser die Oberhoheit des Sultans anerkannt hatte, fiilirte der GroBwesir Kara Mustapha ein Heer von 200.000 Mann gegen Wien. Dieses verteidigte aber Graf Biidiger von Star- hemberg mit Unterstiitzung der Stadtbevvohner unter dem ivackeren Riirgermeister Liebenberg und der Universitatsstudenten so lange, Lis das Entsatzheer unter Anfiihrung des Ilerzogs Karl von ' Nach etncr osterreichiacheu Denkschrift fandcn in .len Jahren 1575 — 1582 nicht weniger als 188 Einfalle statt. 6 ' _i_I_ 84 Vierter Abschnitt. 1683. 1686. 1687. 1691. 1697. 1699. 1716-1718. 1711. 1716. 1717. 1718. 1737-1739. Lothringen und des polnischen Konigs Johann III. Sobieski nach zweimonatlicher Belagerung der Stadt heranriickte und die trirkische tlbermacht vollstandig schlug (12. September 1683). Es ist das \vichtigste Ereignis des Jahrhunderts, einer der groBten Waffen- erfolge aller Zeiten und wurde daher durcli zalilreicbe Gedichte, Bilder und Medaillen verherrlicht; ganz Europa bewunderte die Heldentat, nur Ludwig XIV., der die ungarische Bewegung gescbiirt hatte, ziirnte dariiber. Der herrliche Sieg ist der W endepunkt im Verhaltnisse der Iiabsburger zur Pforte, da die ersteren nunmehr zum Angriffe iibergehen kormten; Herzog Karl von Lotliringen, Kurfiirst Maximilian von Bayern, Markgraf Ludwig von Baden und namentlich Prinz Eugen von Savoyen fiihrten die osterreichischen Heere von Sieg zu Sieg. Im Jalire 1686 wurde Ofen erstiirmt, 1687 1 und 1691 wurden die glanzenden Siege bei Ilarkdng und Salan- kemen errungen und unter Eugens Anfiihrung den Tiirken eine vollstandige Hiederlage bei Zenla beigebraeht (1697). Hachdem schon kurz vorher der Fiirst von Siebenbilrgen Michael II. Apaffy auf sein Land zugunsten des Kaisers verzichtet hatte, mu Ste die Pforte im Frieden von Karloivitz das tiirkische Ungarn mit Aus- nahme des Banates, den Best Kroatiens und den groBten Teil Sla\voniens an Osterreich abtreten (1699). Zum letztenmal wagte der Sultan, Osterreich den Krieg zu erklaren, als Karl VI. die Venetianer gegen einen Angriff der Pforte unterstiitzte. In diesem Kriege (1716 — 1718) fand die Tiirkei keinen KiickKalt mehr an ungarischen Insurgenten; denn hier war der Aufstand unter Franz II. Rakoczg, der letzte bis zum Jalire 1848, durch den Frieden von Szatmar beendet vrorden (1711), der die kirchliche und politische Freiheit Ungarns feststellte. Hach den entscheidenden Siegen Eugens bei Peterwardein (1716) und Belgrad (1717) muBte die Pforte im Frieden von Passaroivitz das Banat, den Best Slawoniens, einen Streifen Landes im nordlichen Bosnien, den groBten Teil Serbiens und die Walachei westlich von der Aluta abtreten (1718). Als Karl VI. nach dem Tode Eugens infolge eines Bundnisses mit BuBland den zweiten Tiirkenkrieg unternahm (1737 — 1739), verzichtete er nach dem ungliicklichen Verlaufe des Feldzuges, der 1 Eine maclitige Erregung crgriff die Stldslavren, als die Osterreieher nach dem Siege Ludwigs bei Nissa am Balkan erschienen, so daB die Tiirken um Frieden baten; da begann Ludwig XIV. den dritten Itaubkrieg. Wallenstein und Eugen von Savoyen. 85 mit unzureichenden Kraften unternommen worden war, im Bel- grader Frieden auf alle Erwerbungen vom Jahre 1718 mit Aus- nahme des Banates. Den Kuhm, die Kraft des Halbmondes gebrochen und dadurch die christliche Kultur gerettet zu haben, erkaufte Osterreich um den hohen Preis des Zuriickbleibens in seiner inneren Entwicklung im Vergleiche mit anderen Staaten. III. Wallenstein und Engen von Savoyen. Die beriihintesten zwei Feldherren Osterreichs im siebzehnten Jahrhunderte waren Wallenstein und Prinz Eugen. 1.) Wallenstein. Albrecht von Wa,llenstein (Waldstein), einem armcn Adels- gesehleehte Bohmems entsprossen, geWann infolge der Vermiihlung mit einer reiehen Witwe groBe Giiter in Miihren und naeh der Schlacht am WeiBen Berge auch in Bohmen, darunter die Herrschaft Friedland; seiner zweiten Ehe mit einer Grafin Harrach verdankte er die Erhebung in den Fiirstenstand. Die musterhafte Bervirtsehaftung seiner Giiter warf ihm ein groBes Einkommen ab, \vodurch er in den Stand gesetzt wurde, dem Rufe Ferdinanda II. zu folgen und binnen wenigen Woehen ein Heer von melir als 20.000 Mann anzuwerben. Dadurch machte er den Kaiser von der Liga unabhiingig und z\vang den Diinenkonig Christian IV. zum Frieden von Liibeck (1629). Im folgenden Jahre wurde er auf Drangen der Fiirsten entlassen. Als aber Gustav II. Adolf in den DreiBigjahrigen Krieg eingriff, wandte sieh Ferdinand abermals an Wallenstein; doeh lieB sieh dieser nur gegen auBer- ordentliche, im einzelnen niemals genau bekanntgewordene Zugestandnisse be- stimmen, wieder ein Heer aufzustellen und den Oberbefehl zu iibernehmen. Mit diesem trat er dem Seluvedenkonige bei Liitzen entgegen (1632), wurde aber ge- schlagen und zog sieh liierauf nach Bohmen zurtick. Von hier aus unternahm er noch einen Zug nach Schlesien, auf dem er den Grafen Matthias Thurn gefangen nahm; doch schenkte er ihm alsbald wieder die Freiheit. Die ubrige Zeit ver- brachte er mit Unterhandlungen, um einen Frieden zustande zu bringen, zu dessen Annahme er notigenfalls den Kaiser zrvingen wollte; er errveckte aber dureh sein liinterhilltiges Wesen auch bei Ferdinands Feinden MiBtrauen. Mit Recht rief sein Verhalten in Wien Befremden hervor; hiezu kam, dafi der Verlust Regensburga an die Schweden das Vertrauen des Kaisers zu dem Feldherrntalente Wallensteins erschutterte. Unter dem Eindrueke des Pilsener Reverses, der auch im Interesse der Offiziere eine ordentliche Abrechnung beim friedliehen Riiektritte Wallen- steins sichern solite, aber in Wien von Anfang an als Meuterei aufgefaBt ward, verfugte der Kaiser insgeheim die Absetzung Wallensteins und die einstweilige Ubertragung des Oberbefehles an den General Gallas. Bald darauf erhielt der General Piceolomini den Auftrag, die Gefangennahme oder den Tod Wallensteins in Pilsen zu „exequieren“. Nunmehr wurde dieser zum offenen Verrater; er begab sieh nach Eger, um sieh mit den Schweden zu verbinden, wurde aber daselbst ermordet (1634). 1629 1632 1634 86 Vierter Abschnitt. Wallenstein war ein vortrefflicher Ideeresorganisator und tiichtiger Feldherr, ein tiberaua elirgeiziger, stolzer, jiihzorniger, in religioser Bezieliung gleichgiiltiger Mann, durch und dureh Egoist. Durch die Bedingungen, welche er bei der tJber- nahme des zweiten Kommandos stellte, iibersehritt er die natiirlichen Schranken zwischen Herrscher und Untertan und damit \var der AnstoB zu seinem Verderben gegeben. 2.) Eugen von Savoyen. Prinz Eugen stammte aus einer Nebenlinie des I-Ierzogsgeschleehtes von Savoyen. Naeh dem friihen Tode seines Vaters, der in franzosische Dienste getreten war, wurde er flir den geistlietien Stand bestimint und von Ludcvig XXV. vregen seiner Armut und unsclieinbaren Gestalt abgewiesen, als er ihn um eine Ofiiziersstelle bat. Deslialb verlieB er heimlich Frankreich, begab sich nach Wien, kampfte mit Heldenmut gegen die Tiirken und wurde im Alter von 33 Jahren Feldmarschall. Gleieh Karl von Lothringen, seinem Lelirer in der Kriegskunst, war er wortkarg lind ging ganz in der Erfiillung seiner Pflichten auf. Als Ilofkriegsratsprasident fiihrte er mancherlei Verbesserungen im Heerwesen durch. Er ist vollstiindig versehieden von Wallenstein und anderen Ftihrern im DreiBigjiihrigen Ivriege, die noch an die italienischen Condottieri er- innern (11.168). Da er in harten Entbclirungen herangewachsen war, wurde er friihzeitig selbstiindig. Er ist der grdBto Feldherr Osterreichs und zciehnete sich auch dureh bedeutende stasrtsmannisehe Begabung aus; ein eifriger Freund der Kunst und Wissenschaft, stand er mit Leibniz in Briefwechsel und legte eine kostbare Bibliothek und \vertvolle Kunstsammlungen an. Er war ein durch und durch edler Mann von lautester Keinheit der Gesinnung. Sein Wahlspruch \var: „Osterreieh iiber alles!“ IV. Die Reformation und Gegenreformation. Die Lehre Luthers wurde in den Alpenldndern friihzeitig durch Prediger und Flugsehriften verbreitet und fand in Bohmen eine Stiiitze an den Utraquisten. Die Habsburger hielten sich im Kampfe 1655. gegen sie an den Augsburger Religionsfrieden (1555), demzufolge sie die Religion ihrer Untertanen hestimmen durften. In Ungarn galt jener Religionsfriede nicht, weil es nicht zum Deutschen Reiche gehorte. : i Ferdinand L lieB die Wiedertaufer, die wegen ihrer kommu- nistischen Bestrebungen den Katholiken und Protestanten verhaBt waren und sich besonders in Tirol und Mahren ausgebreitet liatten, strenge verfolgen; ihr Ilaupt Hubma_yr wurde in Wien verbrannt. 1 Die katholische Religion suchte er durch inoralische Mittel, wie die 1 In Osterreich wandten sich besonders die Handwerker in den Stiidten, in Tirol Biirger, Bauern und Bergknappen dem Taufertum zu. In bciden Landern verdrangte es das altere Luthertum eine Zeitlang fast ganz (II. 207). DieWieder- taufer waren bei uns dureliaus von friedlichem Geiste erfiillt und weit entfernt von den Umsturzbestrebungen, wie sie in Munster vorkamen. Die Reformation und Gegenreformation. 87 Vornalime von Klostervisitat.ionen, die Berufung der Jesuiten zur Heranbildung eines tiichtigen Klerus/ endlich durcli die Befiir- tvortung von Beformen beim Papste zu fordern. Maximilian II. gestattete dem osterreichischen Adel die freie Religionsubung nnd duldete den Protestantismus auch in den landes- fiirstlichen Stadten und Markten, so daB damals nach der Meinung des Canisius mir mehr % der Alpenbetvohner katholisch war. In Bohmen einigten sich wahrend seiner Regierung die TJtraquisten, Lutheraner und Briider zur bohmischen Konfession, die im wesent- lichen die Lehre Luthers war . 1 2 Maximilian erkannte sie zwar niclit ausdriicklich an, erklarte aber ihren Bekennern, daB er in Religions- angelegenheiten niemandem nahe treten werde. Damals verbreitete sich in Ungarn unter den Deutschen immer mehr die lutherische und unter den Magjaren die calvinische Lehre. Es erreichte daher unter Maximilian der Protestantismus seinen Hohepunkt. Das anderte sich unter Rudolf II. Wie im iibrigen Europa, begann damals die Gegenreformation auch in Osterreich, wiewohl der Kaiser infolge seiner Unentschiedenlieit nicht selbst tatkraftig eingriff. Budolf lieB den Jesuilen freie Iland; diese wurden beson- ders unterstiitzt von dem Olmiitzer Bischof Dietrichstein und von Rudolfs Bruder, dem Erzherzoge Ernst, den der Kaiser zu seinem Statthalter in Osterreich eingesetzt hatte und der wieder an Klesel einen eifrigen Mitarbeiter besaB. Zwar blieben Maximilians Zu- gestandnisse an den Adel im ganzen aufrecht, aber mit der Duldung des Protestantismus in den Stadten und auf dem Bande war es zu Ende; deshalb und audi wegen ihrer gedruckten Lage erhoben sich die oberosterreichischen Bauern zweimal, wurden aber durcli Waffen- gewalt bezwungen. Gleichzeitig fiihrte des Kaisers Oheim Ferdinand die Gegenreformation in Tirol durch, ivo iibrigens die neue Lehre nur wenig verbreitet war. Bei iveitem schwieriger waren die Ver- haltnisse in Innerosterreich, weil sich daselbst der groBte Teil des Adels, viele Burger und Bauern dem Luthertume zugewandt hatten, so daB Erzherzog Karl bei seinem Regierungsantritte sagte, er liabe fast nur noch Beliquien der katholischen Beligion vorgefunden. 1 Damals kam auch Canisius, der erste deutsclie Jcsuit und Verfasser eines bcriihmten Kateehismus, nach Osterreich. 2 Vergl. II. 101. Die Briider ziihlten damals trotz mancher Verfolgungen noch ungefilhr 150.000 Kopfe. Sie fiihrten ein einfaches, frommes Leben und predigten vollstandige Gleichheit und Abkehr vom Staate. 88 Vierter Abschnitt. Rachdem er aber schon selbst die Gegenreformation tatkraftig be- gonnen hatte, fiihrte sie sein Sohn Ferdinand mit besonderer Unter- stiitzung derBischofe von Lavant und Seckau bald nacli dem Beginne des siebzebnten Jahrhunderts zimi volligen Siege. Die protestanti- schen Prediger („Priidikanten“) und Lehrer wurden vertrieben, die den Katholiken entrissenen Giiter muBten zuriickgegeben, die stadti- schen Amter und Ratsstellen durften nur mehr mit Katholiken besetzt werden, sogenannte gemiscbte Kommissionen, die aus Geist- lichen und Laien gebildet und von Soldaten begleitet waren, zwangen die Burger und Bauern unter Androhung der Ausweisung zur An- nalime der katholischen Lehre. Die adligen Protestanten wurden zwar nicht zur Auswanderung genotigt, docli durften sie ihre Re- ligion nicht ausiiben und muBten ihre Kinder, wenn sie eine liohere Bildung genieBen sollten, in die Jesuitenschulen schieken, wo sie fiir den Katholizismus gewonnen wurden. Yerschiedene neue Orden, wie namentlich der der Kapuziner, verbreiteten den katholischen Geist in immer w ei teren Kreisen (II. 231). Als Rudolf unter dem Eindrucke dieser Erfolge die Gegen¬ reformation auch auf Ungarn ausdehnen wollte, kam es daselbst zu eincm gefahrlicken Aufstande; diesem maclite der Wiener Friede ein Ende, worin den Standen, namlich dem Adel und den freien Stiidten, die Ausiibung ilirer Keligion zngestanden werden muBte 1606. (1606). Gleiclnvohl gelang es bald darauf dem (spiiteren) Graner Erzbischofe Pazmdn, dem Katholizismus neuen Boden zu gewinnen. Dagegen verschaffte damals der Zwist zivischen Rudolf und Matthias den Protestanten in mehreren Landern Zugestandnisse, 1 so daB in jener Zeit die standisch-protestantische Bewegung in IJngarn, Oster- reich und Mahren ihren Hohepuhkt erreichte. Als sich nun die bohmischen Stande gegen Rudolf emporten, erteilte er ihnen den 1609. Majestatsbrief (1609), dessen wesentlichste Bestimmungen lauteten: 1.) Alle Bekenner der bohmischen Konfession, auch die Burger und Bauern, sind berechtigt, ihre Religion frei auszuiiben; 2.) die Herren, Ritter und koniglichen Stadte diirfen auf ihrem Gebiete Kirchen und Schulen erbauen und zum Schutze ilirer Religion De- fensoren einsetzen, die eine Art selbstandiger Regierung bildeten. Bald darauf erhielt Sclilesien einen almlichen Freiheitsbrief. * Matthias mufite den ungarisehen Standen fiir ihre Unterstiitzung gegen Rudolf das Reeht der Zustiinmung bei der Entscheidung liber Krieg und Frieden einriiumen. Die Verfassung. 89 Die endgiiltige Entscheidung in konfessioneller Bezielmng fallt in den DreiBigjahrigen Krieg. Die SchlacJit auf dem WeiBen Berge (8. November 1620) besiegelte den Untergang des Protestantismua anch in den bohmischen Landern. 1 Zwar bracb in Oberosterreich, wo die landliche Bevolkerung dnrcb den Druck der bayrischen Ver- vvaltung auf das tiefste erbittert war, unter der Lcitung des Steplian Fadinger ein Bauernaufstand, der letzte blutige Glaubenskampf in Osterreich, aus (1626) ; docb wurde er nacb zweijahriger Dauer und todlicher Yerwundung des Anfiihrers vor Linz unterdriickt und nunmehr der Protestantismus fast vollstandig ausgerottet. In Inner- osterreich verlor jetzt auch der Adel die Religionsfreibeit; bloB dem Adel Niederosterreicbs gestattete Ferdinand II. die Ausiibung der protestantischen Lebre, die auBerdem nur noch in einem Teile Scblesiens und in Ungarn geduldet wurde. Dariiber hinaus machte auch Ferdinand III. imWestfalischen Friedenkeine Zugestandnisse. Die Gegenreformation endet mit Leopold I. Dieser bekampfte namlich zum letztenmal, freilich vergebens, den Protestantismus in Ungarn. Doch fand schon unter ilim namentlich infolge der Uber- gritfe Ludwigs XIY. jener Umscliwung stat.t, demzufolge die kon- fessionellen Kriege aufborten (III. 39). Der Friede von Szatmar bestatigte endgiiltig die Gleichberechtigung der cbristlichen Bekennt- nisse in Ungarn. V. Die Verfassung. 1. Die Alpen- und Sudetenliinder. Beim Tode Maximilians u r eilten seine beiden Enkel eben in Spanien. Deshalb glaubten die Stande fast aller Alpenlander, die Eegimente beiseite schieben und die Gewalt an sich reiBen zu konnen; doch stellte Ferdinand durch strenges Yorgeben gegen die Badelsfiihrer die landesfiirstlicbe Ge- walt bald wiederher. Der Sieg Karls bei Muhlberg (1547) fiihrte zur Steigerung der koniglichen Macht in Bobmen. Als namlich daselbst ein Teil der Stande dem Auftrage Ferdinands, Moritz von Sacbsen zu unterstiitzen, offen trotzte, nacb dem Siege des Kaisers aber Bohmen vollig vereinzelt dastand, setzte Ferdinand seine For- derungen beim Landtage durch; es vvurde damals auf den Aufrubr die Todesstrafe gesetzt, dein Konige das Eecht, die Landesbeamten 1 Die MaBregeln, mit, denen der Protestantismus in Bolimen bckiimpft wurde, waren im wesentliehen dieselben wie in Innerosterreieh. 1620 . 1626 . 1547 . 90 Vierfcer Abschnitt. zu ernennen, eingeraumt und das Erbrecht der Gemahlin Ferdinands anerkannt. Am schlimmsten erging es den Stadten, da der Konig zu ilirer Beaufsichtigung „Eichter“ einsetzte, Avodurch ihre Selb- standigkeit wesentlich eingeschrankt Avurde; nach der Schlacht auf dem WeiBen Berge wurde sie vollstandig beseitigt. Da, von Tirol abgesehen, die Stande iiberwiegend protestantisch waren, fiihrte der Sieg iiber die neue Lebre auch zum Siege iiber die stdndische Maclit, der freilicli durch die Tiirkenkriege und den Zwist zwischen Rudolf und Matthias verzogert Avard. Entscheidend Avurde auch in politischer Beziehung die Schlacht auf dem WeiBen Berge; denn sie bewirkte, dah die Sudetenlander in nahere Ver- bindung mit den Alpenlandern gebracht wurden und in allen -west- lichen Landern der Absolutismus zum Siege gelangte. Fiir Bohmen fand er Ausdruck in der verneiverten Landesordnung vom Jahre 1627 . 1627, deren wichtigste Bestiinmungen waren: a) Bohmen ist ein Erbland des Hauses Habsburg; b) der Konig liat das ausschliefiliche Kecht der Gesetzgebung; c) der Konig kann die Landesamter nach Wi]]kur beset.zen und entscheidet allein iiber Krieg und Frieden; d) die deutsche Sprache ist mit der tschechischen gleichberechtigt; e) die Geistlichkeit erhalt wieder die Landstandschaft. Die Landtage liatten bald nur mehr das Kecht, dariiber zu ver- handeln, wie die Forderirngen (Postulate) der Kegierung befriedigt Averden konnten, weshalb man sie Postulatenlandtage nannte. Etwa seit dem Jahre 1700 wurde es sogar iiblich, die jahrliche Steuer- leistung durch Vereinbarung zwischen der Kegierung und den Standen („Kezesse“) fiir mehrere Jahre im voraus zu bestimmen. Da die Stadte, die bei der Durcbfiibrung der Gegenreformation sehr verarmten, in der Regel nur durch einen einzigen Abgeordneten vertreten waren, wurden sie von den anderen Standen kaum mehr auf dem Ivandtage geduldet, so daB dieser fast ausschlieBlich eine Vertretung des GroBgrundbesitzes Avar. 2. Ungarn. Unter Rudolf II. erfolgte die Trennung des Land- tages in die Magnaten- und Stdndetafel; die erstere umfaBte die Pralaten und Magnaten, 'die letztere die Abgeordneten des nicderen Adels und der Stadte. Die Entsclieidung kam allmahlich, Avie in England, an das Unterhaus. Die Stande bebaupteten ihre herkomm- lichen Kechte auf dem Gebiete der Gesetzgebung, namentlich der Steuer- und RekrutenbeAvilligung, und auf dem der Verwaltung; die Versuche Leopolds I., „Ungarn auf den FuB der ubrigen Erb- Die Verwaltung. 91 lander zu bringen“, scheiterten. Audi muBte er das Palatinat; nach kurzer Beseitigung wiederherstellen. Der Palatin wurde auf Vor- schlag des Konigs von den Stiinden gewahlt und iibte als dessen Stellvertreter die oberste Gewalt, aus. Unter dem Eindrucke der Tiirkensiege wurde auf dem Beichs- tage zu PreBburg (1687) die Erblichkeit der ungarischen Krone im Mannsstamme der ITabsburger anerkannt. und dadurcb dem zivisclien Erblichkeit und Wahl schwankenden Zustande ein Ende gemacht. Auf demselben Eeichstage lieBen die Stande das In- surrektionsrecht fallen (S. 27). VJ. Die Verwaltung. 1. Die Verwaltung im engcren Sinne. Ferdinand I. liielt an den Veiuvaltungsgrundsatzen seines GroBvaters fest und errichtete neue Oberbeliorden, namlich den Ilofrat, den geheimen Bat, die allgemeine Hofkanzlei, die Hofkammer und den Hofkriegsrat. Der Ilofrat war die oberste Vervvaltungs- und Gerichtsbeliorde fiir die Alpenlander und das Deutsche Keich, gelangte aber zu keiner rechten Bedeutung; der geheime Bat bildete die beratende Behorde beson- ders in Fragen der auBeren Politik; die Hofkanzlei hatte die Ent- scheidungen dieser beiden Behorden auszufertigen; die Ilofkammer war die oberste Finanzbehorde; der Hofkriegsrat hatte fiir die Welir- haftigkeit des Keiches zu sorgen und im Kriege die Oberleitung der Armee zu ubernehmen. Die letzten vier Behorden waren Zentral- behorden, da sie trotz des Widerstrebens der Stande von Bolimen und Ungarn ilire Wirksamkeit auch auf diese Lander erstreckten. Docli iibten auch jetzt noch die Stande auf dem Bande die Bechts- pflege und Vemvaltung in erster Instanz aus und hatten iiberdies in Steuer- und Militarangelegenheiten einen bedeutenden EinfluB. Die von Maximilian und Ferdinand errichteten Behorden bestanden im ivesentlichen bis auf Maria Theresia fort. Die wichtigsten An- derungen daran waren, daB Leopold I. den geheimen Bat durch die Konferenz, eine Art Ministerrat, 1 erset.zte, daB der Hofkanzler, der an der Spitize der allgemeinen Hofkanzlei stand, seit der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts der eigentliche Leiter der inneren tmd auBeren Politik wurde und daB allmahlich neben der allgemeinen 1 Die Wiirdje eines geheimen Eates („Exzellenz“) war infolge der vielfaehen Verleihung allmahlich ein leerer Titel geworden. 1687 . 92 Vierter Abschnitt. auch eine osterreichische, bohmische, ungarische und siebenbiirgische Hofhanzlei und unter Karl VI. auch noch ein italienischer und niederlandischer Rat errichtet wurde. Jede dieser sechs Verwaltungs- und Justizbehorden dachte nur an den Vorteil der ihr unterstehen- den Lander. Die Tatigkeit der Zentralbehorden trug nicht imr zur Steige- rung der landesfiirstlichen Gewalt bei, sondern balinte ancli eine groBere Annaherung der einzelnen Lander und die allmiihliche Ent- wicklung der Gesamtstaatsidee an. Hiefiir waren noch folgende Um- stande wiclitig: a) Der Hof war der eigentliche Mittelpunkt des Reiches; an ihm lernten sich die Adligen der verschiedenen Lander kennen und fanden dadurch auch Gelegenheit, in Verwandtschaft miteinander zu treten; 6 ) die Errichtung eines stehenden Ileeres; c) die glorreichen Kampfe mit den Tiirken enveiterten immer mehr das freudige BewuBtsein, daB die Sieger einem und demselben Reiche angehorten; 1 d) der Merkantilismus schloB das Staatsgebiet dem Auslande gegeniiber ab; e) bereits seit Ferdinand I. wurden nicht selten Gesetze erlassen, die fiir mehrere Tjander giiltig waren. 2 Da¬ durch trat das Gewohnheitsrecht zugunsten des geschriebenen, das wesentlich auf dem romisclien fuBte, zuriick. Seit Matthias war Wien die erklarte Residenzstadt. 2. Das Gerichtswesen. Dieses ist noch vom Mittelalter her durch die groBe Zersplitterung gekennzeichnet, denn es gab landes- fiirstliche, standische, stadtische und gutsherrliche Richter. Zu den ersteren gehorten besonders die Regierungen („Regimente“) zu Wien, Graz und Innsbruck, die als zweite Instanz bei Berufungen und als erste Instanz fiir den nichtlandstandischen Adel galten. Die Gerichtsbarkeit iiber den landstandischen Adel iibte das landmar- schallische oder Landeshauptmanngericht aus. In den Stiidten rich- 1 In einem damaligen Soldatenliede heiBt es: „Nicht Kaiser nnd Konig, nicht Graf und nicht Herr Konnt’ sich der Kuhe ergeben, Wenn nicht der tapf’re Soldatenstand war’ - — Evviva soldatisches Leben!" 2 Dagegen fiihrten die Verauelie, durch Berufung von AusschuBlandtagen eine Annaherung der Lander zust-ande zu bringen, nicht zum Ziele und wurden daher nach Matthias nicht mehr erneuert. — Als der Tiroler Landtag im Jahre 1683 deni bedrangten Wien einen Geldbetrag gewiihrtc, erklhrte er ausdriicklich, hiezu nicht verpflichtet zu sein. Die Verwaltung. 93 tete der innere Eat unter dem Vorsitze des Biirgermeisters in zivilen tmd der Stadtricliter mit ciner Anžah! von Beisitzern in Strafsachen; der letztere benotigte die Bannleihe des Landesfiirsten. Die Bauern unterstanden im allgemeinen der gntsherrlichen Gerichtsbarkeit. 3. Das Heerwesen. Seit Maximilian I. fiihrten die osterreiclii- scben Herrscher die Kriege mit geworbenen Truppen, die auf Kosten der Stande ausgeriistet, besoldet und von standischen Offizieren be- fehligt wurden; sie waren dalier in Wahrheit landstandische und ni elit fiirstliche Truppen. Die entscbeidende Anderung des Ileer- wesens erfolgte im DreiBigjahrigen Kriege, da nach Wallensteins Verrat seehs von seinen Kegimentern, die in den Dienst des Kaisers traten, auch im Erieden unterhalten wurden. Spaterhin bat beson- ders die unermiidliche Ausdauer des Prinzen Eugen die Errichtung des stehenden Heeres gesichert; es wurde durcli Aushebung von Kekruten und durcb Werbung erganzt. Seitdem gab es standische Truppen nur inehr fiir den Zweck der Landesverteidigung. In Ungarn wurde unter Karl VI. die Insurrektion, d. h. der personliche Zuzug des Adels, auf Ausnahmsfalle eingeschrankt, dagegen auf Kosten der anderen Bewolmer ein steliendes Ileer eingerichtet. 4. Das Finanzwesen. Walirend beim Regierungsantritte Maxi- niilians I. die Einnalnnen des Herrschers fast nur im Ertragnisse der Domiinen und Regalien bestanden, wurden seit ihm die Steuern lmmer wichtiger. Es gab Landes- und Staatssteuern. Die erstere, Kontribution genannt, bestand in Abgaben an Geld und Katuralien, die von den Stiinden bewilligt und fiir das ITeer verwendet wurden, wahrend die Veinvaltungskosten besonders die Einkiinfte aus den Staatsgiitern deckten. Zu den Staatssteuern gehorte das Ungeld (S. 53) j 1 dieser Zeit entstammt auch die Einfiihrung der Stempel, der Taxen und des Tabakmonopoles. Ein bedeutendes Ertragnis lieferte iiberdies das Salz. 1 In allen deutsclien Landnrn maclite sich um 1500 das Bestreben geltend, e m territoriales System von indirekten Steuern einzufiihren. -— Das Jahresein- kommen unter Leopold I. reichte nieht einmal fiir die Bediirfnisse des IIeerwesens a us, daher der trostlose Zustand der Finanzen. Prinz Eugen sagte im Jahre 1703: »Wenn die ganze Arm.ee auf der iiuBersten Spitze stehen und wirklieh zugmnde gehen solite, man aber nur mit 50.000 Gulden oder noeh weniger in der Eile auf- nelfen konnte, so miiBte man es eben geseliehen lassen und vermoehte dem Ubel nieht zu steuern." Unter Leopold muBten Anlehen zu 18 bis 24 abgeschlossen iverden. AuBer den zalilieichen Kriegen fiihrte diese trostlose Lage besonders der Mangel einer geordneten und einheitlichen Finanzverwaltung herbei (S. 92). 94 Vierter Abschnitt. VII. Die Literatur und das Schulwesen. 1. Die Dichtkunst. Wie in Deutsehland, trat auch bei uns am Beginne der Neuzeit die deutsche Diehtung bedeutend zuruek, da die Humanisten die latei nische Poesie pflegten und die Reformation dag Hauptaugenmerk auf die Theo- logie lenkte. In der Zeit der Gegenreformation und des DreiBigjahrigen Krieges sank die Dichtkunst auf das tiefste herab. Die erfreuliehste Erscheinung der damaligen Lyrik ist auch bei uns das geistliche Lied; es wurde von Katholiken und Protestanten gepflegt. Der Meister- gesaruj gelangte in Osterreich zu keiner ahnlichen Bedeutung wie in Siiddeutseli- land; groBere Verbreitung fand er erst seit dem Eindringen der Reformation, in der Zeit der Gegenreformation verstummte er \vieder. Im wesentliehen ist er auf Oberosterreich und Mahren (Iglau) beschrankt. Unter den gesehichtlichen Liedern ragen am meisten die zahlreichen Tiirkenlieder hervor. Besonders eifrig \vurde das Drama betrieben; Mer kommen das biblische Schuldrama der Jesuiten und die italienisehe Oper des Iiofes in Betracht. Wie im Mittelalter, rvurden wieder allenthalben in Stadt und Dorf bei kirchlichen und \veltliehen Festen Schauspiele aufgefuhrt. Neben dem Schwulste der Haupt- und Staatsaktionen beherrschte am Anfange des achtzelinten Jahrhunderts die Biihne in Wien der derb-komisehe Hanswurst Stranitzkys, der in Prehauser seinen Nachfolger hatte; doeh trat der letztere aueli bereits in regelmiiBigen Stiieken im Sinne der Gottschedschen Reform auf, naehdem bereits friiher Eugen bei den vornehmeren Stiinden Verstandnis fiir das klassische Drama der Franzosen er- \veekt hatte. 2. Die Prosa. In der Zeit der Reformation lierrschte ein leb- liafter literarischer Verkehr mit Deutscliland. Zahlreiciie Priidi- kanten und Magister kamen nach Osterreich und von hier schickten Adlige und Biirgerliche ihre Solme an deutsche Universitaten, namentlich nach AVittenberg. Durch die Gegenreformation wurde aber der geistige Verkehr mit Deutschland unterbunden. Als Schriftsteller ragten in diesem Abschnitte besonders hervor: Megiser (um 1000), aus Sehivaben gebiirtig, Rektor der protestantischen Schule in Klagen- furt, verfaBte die Annales Carinthiae, die erste zusammcnhangende Geschichte Karntens in deutscher Sprache, die freilich der Kritik entbelirt; Kepler (f 1030), ein Wiirttemberger von Gebiut, der als Protestant seine Lehrstelle in Graz auf- geben muBte, dann Hofastronom Rudolfs II. und nach dessen Tode Professor der Mathematik in Innz ivurde; Khevenhiiller, dessen Annales Ferdinandei (12 Bande) eine \vichtige Quelle fiir die Zeit von Rudolf II. bis zum Tode Ferdinands II. sind; Comenius (Komensky), der letzte Bisehof der mahrisclien Briider, ein beriihmter Piidagog, der in seinem Ilauptrverke „Didactica magna“ die Ansckaulichkeit des Unterriclites verlangt und in seinem „Orbis pictus" ein vveitverbreitetes Lehr- mittel geschaffen hat; Valvasor, dessen vierbiindiges Werk „Die Ehro des Herzogtums Krain“ eine vollstandige Landeskunde und Geschichte dieses Kron- landes enthiilt. Comenius und Valvasor lebten zur Zeit Leopolds I. Unter Karl VI. gediehen besonders die gesehichtlichen Studien; liervorzuheben sind die Bene- diktiner Pez, Besscl und Herrgott (S. 3); wieder ging, wie im dreizehnten Jalir- Die Kunst. 95 hunderte, das Iiloster Melk auf diesem Gebiete voran. Durch seine satirischen Predigten ist Abraham d Santa Clara bekannt; seine Art hat die Volksmassen wohl ein Jahrhundert lang geistig beherrscht (S. 73). 3. Das Sehulwesen. Zur Reformationszeit nalrni das Schul- wesen einen bedeutenden Aufschwung, indem die Protestanten zahl- reicbe gelehrte Schulen, in denen fast ausschiieBlich in Religions- lehre und Latein unterrichtet ward, ins Leben riefen; ihnen allen bat die Gegenreformation ein Ende bereitet. Seitdem lag das ganze Hocb- und Mittelschulwesen in den Ilanden der Jesuiten, denen auch die neuerricbteten Universitaten von Olmiitz, Graz und Inns¬ bruck iibergeben \vurden. Der Volksseiiule wandten sie wenig Auf- merksamkeit zu. Unter Ferdinand II. fand der neugegriindete Piaristenorden Eingang, der anfangs nur an den Volks-, bald aber auch an den Mittelschulen tatig war; liinsichtlich der letzteren erwarb er sich dadurch grobe Verdienste, daB er im Gegensatze zu den Jesuiten auch Griechisch, Deutsch, Geschiclite, Geographie, Mathematik und Physik in den Lehrplan aufnahm. Die lange Ver- nachlassigung der iSTaturwissenschaften forderte den verderblichen Iiexenwahn und ftihrte den Tiefstand des medizinischen Studiums herbei; jenem leistete auch der zunehmende Gebrauch der Folter Vorschub und die Krankheiten galten allgemein als das Werk der Hexen, Zauberer und des Standes der Gestirne (III. 33). Vlil. Die Kunst. Die Kunst dieses Abschnittes ist durch die Benaissance, ganz besonders aber durch die Bctrocke gekennzeichnet zahlreiche Bau- meister, die seit Ferdinand aus Italien kamen, verbreiteten die neue Richtung in allen Landern. In der Zeit der Gegenreformation und des DreiBigjahrigen Krieges herrschte in der Kunst eine ahnliche Ode wie in der Dichtung. 1. Die Baukunst. Der Renaissance gelioren nur wenige hervor- ragende Werke an: die beriihmtesten sind der Palast des Fiirsten Porcia in Spittal, das stiindisclie Landliaus in Graz, der Hof des Schlosses Schalaburg und das Prager Belvedere, ein LustschloB 1 Dem Barockstile ist besonders die malerische Wirkung eigen; diese berulit auf der Anlage des Grundrisses, der starken Betonung der Perspektive, den ge- kriimmten Fliichen behufs groBerer Licht- und Sehattenwirkung, der Verviel- faltigung der Zierstueke (Siiulen, Halbsiiulen, Pilaster usw.), der Freude an kriiftigen Farben. 96 Vierter Abschnitt. Ferdinands I. Dagegen ist bei uns die Barocke in groBartiger Weise vertreten; ihre glanzendsten Werke gehoren dem Anfange des acht- zelmten Jahrhunderts an. Besonders wichtig sind: der Salzburger Bom, die Stiftskirche in Melk, die Karlskirche in Wien, der schonste deutsche Zentralbau der Zeit, das Meisterwerk des Grazers Bern- hard Fischer von Frlach, des groBten Architekten der osterrei- chischen Barocke. AuBerdem tvurden prachtvolle weltliche Gebaude geschaffen, in denen die Vorliebe fiir sclione, \veite Raume Ausdruck fand; dahin gehoren der Waldsteinpalast mit seiner beriihmfen Gartenhalle in Prag, ein Teil des Schonbrunner Schlosses, der Neu- bau des Stiftes St. Florian und anderer Kloster, das MirabellschloB in Salzburg, die Beichskanzlei, die Hofbibliothek, die beiden Palaste Eugens, der Palast Kinskv u. a. in Wien. Bie beriihmtesten Bau- meister der Zeit nach Bernhard Fischer sind dessen Sohn Emanuel und Hildehrand. 2 . Die Plastik. Bas wertvollste plastisclie Benkmal des secli- zehnten Jalirhunderts ist das Kenotaph Maximilians I. Nach langer Unterbrechung ist erst wieder Rafael Donner aus EBlingen (f 1741) zu nennen, einer der groBten damaligen Bildhauer. Er schuf zahl- reiclie Statuen und Reliefs; unter den ersteren sind besonders die Gestalten der IIygiea und der Fliisse Enns, Ybbs, Traun und March beriihmt, die einen Brunnen in Wien schmlicken. 3. Die Malerei. Sie wurde damals gleich der Plastik besonders von Italienern betrieben, doch waren neben ilmen um 1700 auch inehrere einheimische Maler von Bedeutung tiitig, die sich besonders auf dem Gebiete des Freskos auszeiclmeten. Bas beriihmteste Werk sind Grans Gemalde im Prachtsaale der Hofbibliothek, vvelche die Verherrlichung von Kunst und Wissenscliaft zum Gegenstande haben. Bie Ilabsburger ervvarben sich groBe Verdienste durch die Sammlung hervorragender Kunstiuerlce. In dieser Beziehung ragen besonders hervor: Ferdinand I., sein Sohn Ferdinand von Tirol, Rudolf II. und Leopold Wilhelm, der Bruder Ferdinands III. 1 Unter Leopold I. vvurde die Akademie der bildenden Kunste in Wien errichtet. 1 Ferdinand I. begriindete die Miinzen- und Antilcensammlung, sein gleich- namiger Sohn legte die Ambraser Sammlung an, Rudolf II. kaufte die Geinma Augustea (1.241), beseliiiftigte den beriihmtesten deutschen Goldsehmied der Zeit Jamnitzer us\v., Leopold Wilhelm envarb viele „Niederlander‘'. Die materielle Kultur. 97 IX. Die materielle Kultur. Die materielle Lage unserer Lander litt schwer miter den Nach- wirkungen der Gegenreformation, die zahlreiche Familien zur Aus- vvanderung zivang, 1 und unter den V'erwiistungen des Dreibigjahri- gen Krieges, welche die dsterreichischen Lander im Nor den der Donau und Vorarlberg traten. Iliezu kamen die groben Opfer, welche die vielen Kriege dem Staate auferlegten. Gleichwohl begann infolge der Eiirsorge der Herrscher seit Leopold I. allmahlich wieder ein Aufschivung. 1. Der Ackerbau. Der grobe Bauernkrieg , die ziigelloseste Ke- volution auf deutscliem Boden, verbreitete sieli iiber Tirol, Salzburg und Steiermark (1524 — 1526). Bei uns \varen hauptsachlich wirt- 1524-1526. schaftliche Griinde fiir den Ausbrucb der Bewegung mabgebend (II. 206); sie hielt sich liier langer als im iibrigen Deutschland (bis 1526). Wahrend die r J Ciroler Banern gegen Zugestandnisse die Watfen niederlegten, tvurden die steirigchen und salzburgischen vom Grafen Niklas Salm bei Radstadb besiegt. Zwar verschlecliterte sicli nunmehr im allgemeinen die T^age der Bauern, gleichwohl wurde aucli jetzt in den deutscben Gegenden die Leibeigenschaft nicht eingefiihrt. Wahrend die Bauern vor dem Dreibigjahrigen Kriege ihren Gutsherrn hauptsachlich Zins gezahlt hatten, niitzten diese seitdem deren Arbeitskrafte aus, belasteten sie daher moglichst mit Dand- und Zugrobot, da sie nunmehr ihre Giiter selbst betvirt- schafteten. Im allgemeinen lebten die Bauern in recht diirftigen Verhaltnissen. — Seit dem sechzehnten Jahrhunderte wurden meh- rere Ku l tur g e wdc lise neu eingefiihrt, so der Maulbeerbaum, der fabak, der Mais und die Kartoffel (letztere erst im achtzelinten <1 ahrhunderte). 2. Der Bergbau. Der Gevvinn von Edelnietallen ging am Be- ginne der Neuzeit zuriiek. Die IJrsache hievon war weniger die Aus- wanderung der meist, protestantischen Knappen als die massenhafte Einfulir von Edelmetallen aus Amerika. Dagegen bliilite in Bohmen bis zum Ausbruche des Dreibigjahrigen Krieges der Silberbergbau in Joachimstal und Schlaggenvrald; auch wurden bedeutende Mengen von Quecksilber (Idria), Salz (Salzkammergut) und Eisen (Hiittenberg und Erzberg) ausgebeutet. 1 Aus Bohmen wanderten naeh der Selilacht auf dem WeiBen Berge wenigstens 30.000 Familien aus. Zee h e - H e i d e r i ch , Osterr. Vaterlandskunde. 7 / 98 Vierter Absehnitt. 3. Das Gewerbe und die Industrie. D as Gevverbe wurde durcli die Ungunst der Zeitverlialtnisse und das entartete Zunftivesen ge- sehadigt, so daB es init Ausnalime des selil esisclien Leinengevrerbes nur fiir den lokalen Bedarf geniigte. Gleiehzeitig litten namentlich die Stadte unter der Miinzkrise der „Kipper und Wipper“, die iiber Deutscbland und Osterreicli hereinbrach. 1 Um 1700 waren fast. allc osterreicbiscben Stadte verscliuldet und audi ilire Bewolmer zumeist in diirftigen Verlialtnissen. Die Verwaltung der Stadte lag fast ganz in den Handen der Reicbsten und die Ratsstellen wurden haufig nach verwandtschaftlicben Riicksichten und 'auf Lebenszeit besetzt. Dagegen nalirn seit Leopold 1. die Industrie einen nennens- \verten Aufschmung, was besonders dem entschiedenen Eingreifen der Ilerrscher zu dank en ist- Wie alle aufstrebenden Staaten, hul- digte aucli Osterreicli seit Leopold I. dem Merkantilsgsteme, das sicli im Gegensatze zur bisherigen Begiinstigung der Konsumenten durcli den Staat auf die Seite der Produzenten stellte (III. 39). 2 * * * AuBer durcli Scliutzzolle und das Verbot der Einfubr von Luxuswaren forderten Leopold und Karl die Industrie durcli Verleihung von Monopolen und durcli Befreiung vom Militardienste, vom Zimft- zwange, von Steuern usw. Literariscli verfocht damals das Merkantil- S 3 7 stem die Sclirift Hornigks: „Osterreich iiber alles, \venn es nur will!“ Scbon Leopold riihmte sicli boi seiner zweiten Vermablung, daB er keinen Faden am Leibe trage, der nicbt in Osterreicli ber- gestellt \vorden sei. Am wicbtigsten war damals bei uns die Erzeu- gung von Seiden-, Wolle-, Glas-, Tuch-, Leinen- und Eisemvaren. 4. Der Handel. Am Anfange der Keuzeit scbadigte der Nieder- gang Venedigs den osterreicbiscben Durcbfuhr- und das Vordringen der Tiirken den osterreicbiscben Donaubandel. Bessere Zeiten kamen mit der Zuriickdrangung der Tiirken und dem allmablichen Auf- schvvunge der Industrie. Nainentlicb erfolgreicb war Karl VI. fiir die Hebung des Ilandels tatig. Er erklarte Triest und Fiume zu Freibafen, fdrderte den Seehandel durcli die Erriclitung des Kom- ' „Kippen“ lieiBt beschneiden und „wippen“ wagen; gemeint sind die Wechsler, ivelehe die Mtlnzen besclinitten und die geiviehtigen Stiicke beiseite schafften. 2 Das Hauptziel des Merkantilsystems war, die frlihere stiidtisehe und tevri- toriale Wirtschaft«politik durch eine staatlieh-nationale zu ersetzen, somit alle ivirtsehaftlichen Sonderkreise zu einem groBen Ganzen zu verschmelzen. In diesem Systeme wai' kein Raum mehr fui’ Stapelreclit und Sti'a6enzwang (S. 92). Die Zeit des aufgekl&rten AbsolutismltS. 99 merzienrates, baute die StraBe iiber deu Semmering nnd andere AlpenstraBen, beton te den Venetianern gegeniiber die Freilieit des Adriataschen Meeres, iibernalmi die Post in ] andesfiirstliche Ver- vvaltung usw. Dagegen litt der Handel noch unter dem Tibelstande, daB die einzelnen Bander selbstandige Žollgebiete bildeten. So war wenigstens ziun Teile ein trostliclier Ausblick in die Zukunft vorhanden, als das Erloschen des Mannsstammes der Habs- burger den Bestand des Staates selbst in Prage stellte. Zweiter Teil. Osterreich unter der Herrschaft des Hauses Habsburg- Lothringen (seit dem Jahre 1740). In diesen Zeitranm fallen die folgenreichen Reformen des auf- geklarten Absoliitismus, die langvvierigen Kampfe mit Frankreich seit dem Ausbruclie der Revolntion, die Wiederherstellung des Staates anf dem Wiener Kongresse, die Stiirme der Februarrevo- lution, dieVerdrangungOsterreichs aus Dentschland nnd Italien, die Einfiilirnng der Konstit.ntion nnd die soziale Reformgesetzgebung. 1. Die Zeit des aufgeklarten Absolutismus (1740—1792). A. Das Herrscherhaus. 1. Maria Theresia (1740 — 1780). Maria Theresia trat die 1740-1780. Regierung im Alter von 23 Jahren an. Sie war vermaldt mit,, dem liebenswiirdigen Franz Stephan, dem GroBlierzoge von Toskana, aus dem Gescblechte der Herzoge von Lothringen, das dem Hause der Etichonen angehorte. 1 Sie ist die edelste aller Frauen, die je einen Thron innegeliabt liaben. Fine vortreffliche Gattin nnd Mutter, be- trachtete sie ihre Untertanen als eine groBe, ihr anvertrautie Familie, fiir deren Wold sie daher unermiidlicli tat.ig war. Frbmmigkeit, keutseligkeit, Dankbarkeit, Verstandnis fiir die Musik hatite sie mit den besten ihrer Ahnen gemein; an Geistesscharfe nnd Tatkraft iiberragte sie aber die meisten von ihnen. Selbst in der Zeit der 1 Es gelit -vvahrscheinlich auf das Gesehleeht Etiehs (•)• 090) zuriick, das unter den Merotvingern die Herzogstvilrde im ElsaB bekleidete’ Franz Stephan var der Enkel des Befreiers von Wien. 100 Vierter Absehnitt. groBten Not verlor sie die Zuversicht auf die GroBe ihres ILauses niclit, die besonders in der felsenfesten Uberzeugung von ihrem Reckte und im Vertrauen auf die gottliche Hilfe wurzelte- Obgleich sie von ihrem Vater in die Staatsgeschafte nicht eirigefiihrt worden war, zeigte sie doch von Anfang an eine bewnndernswerte Sicherheit 1745 - 1765 . in deren Behandlung. Ilir Gemahl (als Kaiser Franz I., 1145-1765), den sie zum Mitregenten in Osterreieh einsetzte, stand an der Spitze des FinanzAviesens; nach seinem Tode nahrn sie ihren Sohn Josef II. 1765 - 1790 . (1765—1790) zum Mitregenten an und iiberlieB ihm die Leitung des Heerwesens. Mit Recht sagte sie von sich selbst: „Ich bin nur eine arine Frau, aber icli habe das Herz eines Ivonigs.“ Friedricha II. Gesandter in Wien bemerkte: „Bis in die spateste Zeit wird man anerkennen, daB Maria Theresia eine der groBten Fiirstinnen der Welt war“, und Klopstock nannte sie in einer Ode „Die GroBte ihres Stammes“. 1780 - 1790 . 2. Josef II. (1780—1790). Dank der Fiirsorge seiner Mutter liat.te er eine vortreffliche Erziehung genossen, wodurch die reichen Gaben seines Geistes und Herzens zur schonsten Entfaltung ge- langten. Als Herrscher zeichnete er sich durch erstaunlichen FleiB und die edelsten Absichten a.us; er war tatsachlieh, wie er einmal an seinen Bruder Leopold schrieb, von Fanatismus fiir das Wohl des Staates erfiillt. Schon als Kronprinz unternahm er zahlreicheReisen, um die EinrichtUngen fremder Staaten und die Bediirfnisse seiner eigenen Bander kennen zn lernen; die Einfachheit und Leutseligkeit, die er dabei an den Tag legte, gewannen ihm aller Herzen. Als er im 40. Lebensjalire die Regierung Osterreichs antrat, scliritt er mit Avahrem Feuereifer an die Vervvirklichung seiner Reformgedanken, die der Aufklarungsliteratur entstammten und daher auf die ge- schichtlich gewordenen Verhaltnisse zu wenig Riicksicht nalimen. 1 Durch und durch Idealist, verlangte er selbstlose Hingabe an den Staat auch von den Beamten, muBte aber in dieser Ilinsicht vielfache Enttausclmngen erleben; er hat den Gegensatz zvvischen Wollen und Kdnnen in seiner ganzen Bitterkeit kennen gelernt. Herder nennt ihn „den groBen Wollenden“. Sein ganzes Leben war hochst einfach, seine einzige Zerstreuung die Musik. 1 Josef II. schrieb einmal an den ttsterreichischen Gesandtcn in Rom, einen Kardinal: „Seitdein ieh die Krone der Welt trage, ist die Philosophie zur Gesetz- geberin geworden.“ Die Zeit des aufgeklarfcen Absolutiamus. 101 3. Leopold II. (1790—1792). Dem kinderlosen Josef folgte 1790 - 1792 . sein Bruder Leopold. Er besaB nicht den nngestiimen Tatigkeits- drang seines Vorgangers, iibertraf ihn aber an Scharfe des Ver- standes und Sicherheit in der Beurteilnng der Menscben; auch war er in der Form mikler als Josef. Zwar war auch er ein Solin der Aufklarung, aber abvveichend von seinem Bruder kiibl-bereclmend; auch hielt er es nicht fiir zwecltmaBig, dem Volke gegen dessen Willen das Gute aufzudrangen. ITnter Maria Theresia ivurde eine Sekundo- und eine Tertio- genitur des Ilauses Habsburg in Italien begriindet; die erstere dadurch, daB ihr Gemahl Toskana, das er im Polnischen Thron- streite fiir das abget.retene Lothringen erhalten hatte, kurz vor seinem Tode zur Sekundogenit.ur erklarte, und die letztere dadurch, daB sich Maria Theresias drittaltester Solm Ferdinand mit Beatrix, der Erbtochter des Ilerzogs von Modena-Este, vermahlte. B. Die Gebietsveranderungen. 1.) Die drei Schlesischen Kriege und der Osterreichische Erb- folgehrieg. Maria Theresia ubernahm die Regierung unter den ungiinstigsten Verhaltnissen: die Staatskassen \varen leer, das Heer- wesen zerriittet, die bejahrten Ratgeber ihres Vaters entbelirten der Tatkraft, in weiten Kreisen herrschte Gleichgiiltigkeit, von allen Seiten bedrangten sie Feinde. Alle ihre Gegner aber, namlich Bayern, Sachsen, Spanien und PreuBen, konnten hochstens SclLein- griinde fiir ihre Anspriiche geltend machen; bei Frankreich, das die Aufteilung Osterreichs anstrebte, war nicht einmal dies der Fali: es schien die Zeit der Raubkriege vvieder gekommen zn sein. ,,Maria r l'heresia, die nach dem Ausspruch ihres Solmes Josef keinen an- deren Sclmtz in ihref Bedrangnis fand, als die GroBe ihrer Seele und die Treue ihrer Volker, liat diesen Kampf ivie eine IJeldin aus- gekampft. ‘ n a) Der Kurfflrist Karl Albert v r on Bayern stiitzte seine Anspriiche auf die Abstammung von Anna, einer Tochter Ferdinands I., und die angebliche Be- stimmuiig des letzteren, daB beim Brloschen des habsburgischen Mannsstammes Annas Nachkommen folgen so-llten; in Wahrlieit aber sprach das Testament von den ehelichen Nachkommen Ferdinands. 1 H. v. ZeiBberg, Gescbiehtliche Ubersicht der osterreichisch-ungarisclien Monarchie in dem Werke: „X>ie osterreichiseh-ungarische Monarehie in Wort und Bild“. 102 Vierter Abschnitt. b) Del' Kurfurst Friedrich August von Sachsen machte den Umstand geltend, dali er mit der alteren Tochter Josefs I. vermahlt war; doeli liatte diese, ebenso wie die Gemahlin des Kurfiirsten von Bayern, ihre Schwester, auf jedes Vorrecht vor den Tochtem K aids verzichtet. g) Philipp V. von Spanien beanspruehte das osterreichische Krije, weil Ferdinand II. den Prinzessinnen aus der spanischen Linie der Habsburger das Vorrecht vor denen der osterreichischen zuerkannt habe; tatsiichlich hatte aber Ferdinand diese Bevorzugung nur dem spanischen Mannsstamm eingeriiumt. ITbrigens war Philipp gar kein Habsburger. d) Friedrich II. von Preufien erhob Anspriiclie auf das Fflrstentum Jagern- dorf und die Herzogtiimer Brieg, Liegnitz und Wohla.u. Jagerndorf war durcli Kauf an das Haus Hohenzollern-Ansbach und von diesem an die brandenburgische Hauptlinie gekommcn. Als aber der Herzog Johann Georg wegen Teilnahme am bohinischen Auf stan de geachtet wurde, zog es Ferdinand II. als verwirktes Lehen cin. Ebensoivenig begriindet waren Friedricha Anspriiclie auf Brieg, Liegnitz und Wohlau, die infolge des Aussterbens der Herzoge von Liegnitz, der Fiirsten dieser Ge.biete, an die bohmische Krone heimgefallen waren. Friedrich stiitzte sich auf den Vertrag, den im Jahre 1537 der damalige Herzog von Liegnitz mit einem seiner Ahnen geschlossen hatte, demzufolge die drei Herzogtiimer beim Erlosehen seines Mannsstammes an Brandenburg fallen sollten. Dieser Verti-ag war aber ohne Genehmigung des biihmischen Kbnigs, des Oberleliensherrn iiber Schlesien, vereinbart worden und dalier ungiiltig. Friedrich selbst gestami offen, daB ihn die Gunst der Verhaltnisse und das Verlangen nacli Huhm zum Angriff auf Schlesien bestimmt haben. 1740- 1742. Der erste Schlesische Krieg (1740 — 1742) wurde durcli den 1744-1745. Frieden von Berlin, der zweite (1744—1745) durcli den von 1756-1763. Dresden und der dritte oder Sieben j alirige Krieg (1756 — 1763) durcli den von Hubertusburg beendet; die beiden letzteren bestatig- ten die Bestimmung des ersten, ivonach Sclilesien im lieutigen Um- fang an Preufien abgetreten wurde. Im Osterreichisclien Erbfolge- 1741- 1748. kriege (1741—1748) wurde Maria 'ldieresia von Bajern, Sachsen, Spanien, Frankreich, Preufien und Sardinien bekampfti und liatte blofi an Georg II. von England einen lanen Biuidesgenossen; gleich- wolil verlor sie im Frieden von Aachen nur die Herzogtiimer Parma und Piacenza, die eine spanische Tertiogenitur ivurden. 1 Ohne tlberhebung durfte sie sich riihmen, sie habe herzhaft hazardiert und alle Krafte angespannt. Da Preufien durcli die Ervverbung und Pehauptung Schlesiens eine GroBmaelit geworden war, \vollte es sich von nun an den Kaisern nicht mehr unterordnen; es entstand seitdem eine Eifersucht 1 Aufierdem hatte sie im Laufe des Krieges die Lomellina, d. h. das Gebiet zwischen Sesia und Ticino, an Sardinien abgetreten. Die Zeit iles aufgeklarten Absolutismus. 103 zvoischen Osterreicli und PreuBen, die mit Unterbreeliungen iiber ein Jahrhunderti angedauert hat. — Die Staatsscliuld Osterreichs, das am Ende der Regierung Maria Theresias ungefahr 25 'Millioneu Ein- tvohner zabite, stieg infolge der Kriege auf 300 Millionen Kronen. Die ferneren Gebietaveranderungen waren durcbaus Erwer- bungen. 2. ) Infolge der Teilnabme an der ersten Teilung Polens (1772) gewann Osterreicli die dreizelm Zipser Stadte zuriick, die einst Siegmuud an Polen verpfandet hatte, und erwarb die ebemals schle- siscben Herzogtiimer Auschwitz und Zator, die an Polen verkauft worden waren, endlicb ganz Ostgalizien. Wahrend die Zips wieder mit Ungarn verbunden wurde, ward aus den iibrigen neugewonnenen Gebieten das Konigreich Galizien und Lodomerien gebildet. Bei der dritten Teilung Polens (1795) fiel Westgalizien, d. li. das Land zwischen Pilica und Rug, an Osterreicli. Aus der Vorgeschichte Galieiens. Naelidem Polen jahrhundertelang in ein- zelne selbstiindige Gauftirstentiimer zerfallen war, gelang es den Plasten seit der Mitte des zehnten Jahrliunderts, das Land zu einigen (11.74). Gegen Ausgang desselben Jahrhunderts entriB Wladimir der GroBe von Kiew (1X1.61) den Polen Ostgalizien, das nun RotruBland genannt wurde. Etwa ein Jahrhundert spater war cs ein russisches Teilfilrstentum und \vui'de infolge der Verlegung der fiirst- lielien ltesidenz von Pfemysl nach Halicz das Reich von Halicz genannt. Als um 1200 der Furst Wladiniir mit dem Reiclie von Halicz auch die nordlich davon gelegenen Gebieto vereinigte, erhielt das ganze Land den Namen Golida et Lodomeria (nach Wladimir). Kašmir der Grofic besetzte nach dem Tode des letzten Fiirsten von Halicz Ostgalizien, das nunmehr mit Polen dauernd ver¬ bunden blieb. Nach dem Aussterben der Jagellonen (1572) wurde Polen zu seinem Verderben ein WahJreich (III. 65). 3. ) Durch Unterhandlungen mit der Pforte gewann Osterreicli die Bukoiuina (1775). Dieses Land bildete bis dahin einen Teil des Eiirstentums Moldau, dessen llospodar unter tiirkiscber Oberhoheit stand. Die Erwerbung war ivesentlich das Verdienst Josefs, der hie- durcb eine bessere Verbindung Siebenbiirgens mit Galizien herbei- fiihren \vollte. 1 DasLand war damals groBtenteils mitBuchenwaldern bedeclct (Bukowina = Bucbenland), dalier sehr diinn bevolkert. 4. ) Im Bayrischm Erbfolgestreite (1778 — 1779) erhielt Oster¬ reicli durch den Frieden von Teschen das Innviertel, d. h. das Gebiet ZAvisclien dem Hausruck und Inn, das spater mit Oberosterreich verbunden vvurde. 1772. 1795. 1572. 1775. 1778-1779. 1 Siebenbiirgen wurde unter Maria Theresia zuin GroBfiirstentum erhoben. 104 Vierter Abschnitt. 1788 - 1791 . 5.) Der letzte Tv/rhenkrieg (1788 — 1791). Als Bundesgenosse der Kaiserin Katharina II. beteiligte sich Josef II. an einem Kriege RuBlands mit der 'Tiirkei. Mach seinem Tode schloB Leopold II. mit der Pforte den Frieden von Szistoma, in deni er Altorsowa und einige Landstriche an der LTna erhielt. Seitdem blieb die Reich s- grenze gegeniiber der Tiirkei bis zum Jahre 1878 unverandert. C. Die Reformen. TJnter Maria There&ia begann in Osterreicli die zweite groBe Reformtatigkeit seit dem Anbruche der Ueuzeit. Sie lieB sich hiebei von dem Beispiele PreuBens und dem praktischen Bediirfnisse, Josef dagegen, der die Reform fortsetzte, von dem Bestreben leiten, alle Bander ohne Riicksicht auf ibre Geschichte zn einem gleich- maBig verwalteten Staate zn verschmelzen. 1 1. Die Verwaltung. Um die Verwaltung der Alpen- und Sudetenlander einheitlicher zu gestalten, erricbtete Maria Theresia die ,,K. h. vereinigte bohmisch-osterreidiische Hofkanzlei“, eine Art Ministerium des Innern, an Stelle der beiden bisher getrennten Hof- kanzleien; sie blieb bis zum Jahre 1848. Ihr wurden in den ein- zelnen Kronlandem Gubernien, durch welche die standiscben Be- amten beiseite geschoben voirden, und diesen wieder die Kreisdmter 2 3 * * untergeordnet, denen die rasche Durchfuhrung der landesfiirstlicben Verordnungen und der Scliutz der IJntertanen gegen die hoden Geldstrafen der herrschaftlichen Beamten oblag. Um bezriglicli der maBgebenden Grundsatze der obersten Behorden eine groBere Gleicli- maBigkeit herzustellen, errichtete sie den Staatsrat, neben dem die Konferenz allmahlich ibre Bedeutung verlor; er erhielt sich iiber eiu Jahrhundert. Fiir die Leitung der aus\vartigen Angelegenheiten \vurde die Hans-, Hof- und Staatskanzlei ins Leben gerufen (1742). 8 Bei der Durchfuhrung dieser Reformen unterstiitzte Maria Theresia besonders der Graf Ilaugivitz, der ihr nach ihren Worten „walir- haftig durch die Providenz zugeschickt worden“. 1 Josef schreibt einmal an seinen Bruder Leopold: „Die ganze Monarchie \vird nur eine auf gleiche IVeise gelenkte Masse bilden“ (III. 90). 2 Die Rreise bestanden bis zum Jahre 1868. Niederosterreich z. B. zahlte 4, Kilrnten 2, ganz Zisleithanien 75 Kreise. 3 Bis zum Jahre 1742 besorgten die verschiedenen Hofkanzleien die Ver- liandlungen mit den fremden Staaten, die mit Rufila-nd und der Tiirkei der Hof- kriegsrat; es fehlte diaher die einheitliehe Leitung. Die Zeit des aufgeklarten Absolutismus. 105 Josef beseitigte die standischen Ausschiisse, welclie gewolmlich die Redite der Stande ausiibten, und iibertrug ilire Befugnisse den Landesregierungen. Ferner dehnte er die Reformen seiner Mutter auch auf Ungarn aus; er lieB sich daselbst nicht zum Konige kronen, berief den Landtag nicht ein, bob die Komitatsverfassung auf und teilte das Land in zehn Kreise ein. Er wollte alle Lander streng einheitlich (zentralistisch) verwalten und das Deutsche zur all- gemeinen Amtssprache machen (Germanisation) d Die Zalil der Rearnten vermehrte er bedeutend, klagte aber auch ofter, daB sie nur mechanisch nach der Zalil der Stunden und der Seiten arbeiteten und nicht darauf achteten, ob die erteilten Auftrage auch ausgefiihrt wurden. Endlich beseitigte Josef die letzten Reste hommunaler Selbstandiglceit; es solite namlich in den Stadten nur mehr besoldete " '" i " und gepriifte Biirgenneister geben, die auf vier Jahre gewahlt v/nrden, die Magistrate von der Regierung angestellt und von der Gemeinde bezahlt werden. 2. Das Rechtswesen. Maria Theresia trennte die Justiz von der Verivaltung und gab ihr in der Obersten -Justizstelle, die hochster Gerichtshof und Justizministerium zugleicli war, eine einheitliche Spitze fur die deutsch-slawischen Lander. Ilir wurden in den ein- zelnen Landern die Justizstellen untergeordnet. Den groBeren Teil der pgtrimonialen und stadtischen Gerichte liob sie nach und nach auf, 2 schaffte die Folter ab und veranlaBto die Kodifikation des Strafrechtes. ir /-jA, t Josef belieB den Gutsherren und Stadten die Rechtspflege nur dann, wenn sie einen juristisch gebildeten Richter (Justitidr oder Sgndihus) einsetzten. Die erste Instanz bildeten flir die Stande die Landrechte, fiir die iibrigen Bewolmer die Ortsgerichte, die zweite die fiinf Appellationsgerichte und die dritte die oberste Justizstelle. Die Todesstrafe beschrankte Josef auf das Verbrechen des Aufruhrs. 1 ttbrigens berief selion Maria Theresia, \veil die Stiinde auf ihre Refonn- absichten .iiiclit e-ingingen, seit dem Jahre 1704 keincn Landtag mehr in Ungarn, ernannte keinen Palatin mehr und regierte auch jenseits der Leitha absolut. 2 In Bohmen z. B. wurden von 378 Halsgerichten nur 24 belassen. Bagegen blieb die niedere Polizei- und politische Behorde auf dem Lande bis zum Jahre 1848 durelraus patrimonial; nur in Tirol bestanden sohon vor diesem Jahre staatliehe Bezirksbehorden erster Instanz und auch im Villaeher Kreise seit der franzosischen Besetzung. 106 Vierter Abschnitt. / "Cžv' tM* 6\ • jv J *'> *r- e m*r* p-' -'- r' : u\ V ';U>; . *-•• . BST'. 'J 3. Das Heerwesen. Maria Theresia uncl Josef wandten dem Heere die groBte AufmerhsamJeeit zu. Jedes Kronland wurde ver- pflichtet, eine bestimmte Anzalil von Soldaten zu stellen; auf Grund der „ Allgemeinen Seelenbeschreibung“ (Konskription) wurden die deutsch-slaivisclien Bander in Stellungsbezirke eingeteilt; durch die Griindung von zwei Militarakademien sorgte Maria Theresia fiir die Heranbildung tiichtiger Offiziere; sie errichtete den nacli ilir be- nannten hochsten militarischen Orden; die Militargrenze wurde durch die siebenbiirgischc Grcnze erweitert, so daB sich im ganzen K orden der Balkanhalbinsel ein f ester Giirtel hinzog, der Osterreich gegen rauberische JSTachbarn und die Pest schiitzte. Ilervorragende Generale verbesserten die einzelnen Waffengattungen, die Zakl der Soldaten wurde auf 108.000 Mann erlioht, deren Kosten (28 Mil- lionen Kronen) die Erblander, Mailand und die Niederlande zu tragen liatten. Dagegen \vurde den Standen die Heeresverwaltung (alle Katuralleistungen fiir Soldaten und Pferde) entzogon und dadurch die Armee zu einer ganz staatliclien Einriclitung um- gestaltet. Josef fiihrte eine neue Organisation der Armee durch, die trotz besserer Bewaffnung und Bekleidung der Truppen mit bedeutenden Ersparungen verbunden war; auch grund ete er das Josephinum zur Heranbildung tiichtiger Militararzte. 4. Die materielle Kultur. Kein Staat ging auf dem Gebiete der Agrarreform vor der franzosischen Bevolution so weit wie Oster¬ reich. Maria Theresia besteuerte den bisher abgabenfreien Grund- besitz des Adels, milderte die Dienstleistungen der Bauern, berief zahlreiche Kolonisten nacli Ungarn, beschrankte das Zunftwesen noch melir, begiinstigte die Industrie durch Eesthalten am Mer- kantilsystem u. a. Unter ihr stiegen die Einnahmen des ganzen Staates allmahlicli von 60 auf nahezu 120 Millionen Kronen. Josef, Phjsiokrat und Merkantilist, besteuerte den gutsherr- lichen Besitz in derselben IT.ohe wie den bauerlichen, beschrankte die Robot auf hochstens 52 Tage, bestimmte, daB den Bauern von 200 K Bruttoertragnis-140 verbleiben und der Rest zivischen Staat^t /C und Gutsherrn geteilt werden solite, hob die Leibeigenschaft , die in den slawischen Gegenden noch bestand, nach und nacli auf, 1 verbot 1 Die Leibeigenen evhielten nun die Freiziigigkeit, dui'ften nach freier Wahl heiraten sowie ein Handwerk lernen und brauchten nur die festgesetzten Lei- stungen zu besorgen. Die Zcit des aufgekliirten Absolutismus. 107 1774. (lic Einfulir von ung-efa.hr 200 Waren (Probibibivsjstem ), 1 ver- bessertc clas StraBemvesen (Erbffnung der ArlbergstraBe), schloB vorteilhafte Handelsvertrage usw. Das letzte Ziel seiner Handels- politik war, Osterreicb vom Anslande vollstandig abzuschlieBen. Tlbrigens litt der Staat seit dem Jahve 1782 an einem jahrlichen Feblbetrage, eino Erseheinung, die 100 Jahre hindurch anhielt. 5. Die geistige Kultur. Durcli die „Allgemeine Schulordnung“ (1774), die der Abt Eelbiger entwarf, wurde Maria Theresia die eigentliclie Griinderin der Volksscliule, die demnach dem Staate ihre Entstehung verdankt . 2 Infolge der Aufhebung des Jesuiten- ordens (1773) gingen dessen Gvmnasien an die Piaristen iiber; an die Universitaten \vurden weltliche Professoren berufen. Als hochste /u^rn-.: ■ Unterrichtsbehorde scliuf sic die Studienhofkommišsion. Aus dem | Vermogen des Jesuitenordens errichtete sie den Studienfonds. r p Josef vermehrte die Zalil der Volksschulen, bob aber alle Uni¬ versitaten auBer der Wiener, Prager nnd Lemberger auf. Die Zensur beseitigte er fast ganzlich, das Theater neben der Burg erliob er zum Hof- und Uationaltfaeater. •JjT. /, f (>. Die kirchlichen Reformen. Maria Theresia \vahrte aiich der '• Kirehe gegeniibcr die vollste Selbstandigkeit in allen weltlichen An- gelegenbeiten. Sie liielt d alier am placetum regium fest, demzufolge 1773. r { 7 ■*<. ui a • iM ./MA* C/Af-vv; ^ ///J- ' /o: zur Verkiindigung kireblicher Erlasse die staatliche Genehmigung , verlangt wurde, beschrankte die Zahl der Feiertage, untersagte die ' , Griindung neuer Kloster, machte die Exkommunikation von ihrer u | Znstimmung abhangig, errichtete das Erzbistum Gorz 8 usw. 4 /Q(ry.. 1 - Josef ging aucb auf diesem Gebiete viel weiter. Durcb das Toleranzpatent (1781) gestattote er den Protestanten und niebt- unierten Griechen die Ausiibung ihres Glaubens und erteilte ihnen biirgerlicbe Redite. Er bob cin Drittel samtlicher Kloster auf und bildete aus dem eingezogenen Vermogen den Religionsfonds zur ■A Ar 1781. 1 Die verbotenen Waren durften nur gegen besondere Erlaubnis und hohen Zoll zum eigenen Gebrauch eingellihrt werden. - Der „Allgemeinen Schulordnung" zufolge sollten in den kleineren Stiidten und auf dem Lande Trivial-, in jedem Kreise eine Haupt- und in jeder Pro- vinzialliauptstadt eine Normalschule, die zugleieh Lehrerbildungsanstalt war, er- riehtet werden. Big dahin hatte sieli der Staat um die Volksschule nieht ge- kiiinmert; die ivenigen vorhandenen Schulen verdankten ihre Entstehung den Kloster n, Grundherren und Gemeinden. 8 Dadurch wurde die erzbisehofliehe Geivalt Aquileias in Osterreich heseitigt.. Das Wiener Bistum war unter Karl VI. zu einem Erzbistum erlioben \vorden. ’ / 7 it /C * > ? 3 ? ,(/ K // /Ji -t 108 'pJ Wic t >£b* J;'vf<.ryA V. ' Vierter Abschnitt. L , / Erriclijsmg neuer Pfarreien und Kirchen sowie zur Erhaltung der bestehenden. 1 Ras Wiener-Eeustadter Bistiun verlegte er nacli St. Polten und errichtete in Linz ein neues; Osterreieh solite kirehlich, wie handelspolitisch, vom Anslande unabhangig gemacht Averden. Er beseitigte die theologischen Lehranstalten der Bischofe und Kloster und griindete die Generalseminarien, darnit die Geist- lichkeit in seinem Sinne herangebildet Averde. Selbst in den Gottes- dienst griff er ein, indem cr z. B. die Zalil der Lichter bei der Messe bestimmte. Diese Ebertvachung der Kirche bis ins kleinliche binein durcli den Staat und die Auffassung der Priester als Staatsbeamter Avird als Josephinismus bezeiclmet; er erscheint als einseitige Ab- L ■ 1U grenzung des Aveltliclicn und geistlichen Macbtgebietes durcb den v \jj> ;J Trager der weltlichen Getvalt. Josef II. rief durcb seine Reformen cine groBe Unzufriedenheit bervor, ja Belgien fiel oifen ab und in Ungarn drob te eine Revolution auszubrecben. 2 Doshalb nahm er kurz vor seinem Tode die meisten seiner Reformen mit Ausnabme des Toleranzpatentes und der Auf- bebung der Leibeigenschaft zuriick. Ferner beseitigte Leopold II. einige besonders vcrbaBte JSfeuerungen, Avie die Generalseminarien, das Steuersjstem Josefs u. a. ; .aucb erkannte er die ungarische Ver- fassung Avieder riickbaltlos an. So stellte er die Zustande lier, wie sie seine Mutter gescbaffen batte und die sicb im Avesentlichen bis zum Jahre 1848 erbielten. Mit Leopold endet fiir lange die Zeit der Reformen, die groBtenteils im Kampfe gegen die bevorrechteten Stande durchgefiihrt Avurden und dem Staate die notige Kraft fiir die scliAveren Kriege mit Frankreicb verliehen. D. Beriihmte Osterreicher im Zeitalter des aufgeklarten Absolutismus. 1. Staatsmanner. Der hervorragendste Staatsnmnn der Zeit war der Hof- und Staatskanzler Ftirst Ka/umite. Im Jahre 1711 zu AVien geboren, lenkte er ba.ld durch seine Begabung die Blicke Karls VI. auf sich, der ihn zum kaiserlichen 1 Um das Jahr 1770 gab es in allen habsburgischen Landern 2163 Kloster, von denen sechzehn Jahre spilter 738 aufgehoben wurden. Ungefiihr ein Drittel vom ganzen Grand und Boden gehorte damals in Osterreieh der Kirche (11.36). 2 In Ungarn rief Josef nicht nur durch die politisehen, sondern auch durch die volkswirtschaftlichen Neuerungen den Widerstand der Stande hervor; er beseitigte niimlieli die Steuerfreiheit des Adels, fiihrte ein neues Steuersystem ein, hob auch hier die Leibeigenschaft auf u. a. Die Zeit des aufgeklarten Absolutismus. 109 Kommissar beim Regensburger Reichstage ernannte. Als Botsehafter beim Aacliener Friedenskongresse lernte er die Selbstsucht der Seemaehte kennen und empfahl deshalb der Kaiserin, cin Biindnis mit Frankreieh einzugehen. Doch cb-ang er zunachst niclit durch und brachte auch als Gesandter in Versailles die ersehnte Anniiherung der beiden Staaten nicht zustande. Im Jahre 1753 iibernahm er die Leitung der ausivartigen Politik, die er bis zum Tode Franz’ I. fast un- besehrankt in Hiinilen liatte. Er geivann min Maria Theresia fiir den AbsehluB des Bundes mit Frankreieh, den sein Nachfolger in Versailles Graf Starhemberg vollzog. Auch Josef II. schenkte Ivaunitz groBes Vertrauen, dagegen sank sein EinfluB unter Leopold II. bedeutend, \veshalb er seine Entlassung nahm; zwei Jahre darauf starb er (1794). Er besafi siehere Menschenkenntnis, Scharfblick in der Beurteilung der Saclilage, groBe Gesehaftsgewandtlieit und seltene Arbeits- kraft, Er hat Osterreich die erschiitterte GroBmachtstellung gerettet. Auf dem Gebiete der inneren Politik war besonders Graf Haugwitz, als flnanzieller Berater Graf Chotek rviehtig. 2. FeIdherren. Aufier dem Grafen Khevenhuller, dem tiiehtigsten Feldherrn im Osterreichiselien Erbfolgekriege, sind besonders Daun und Laudon hervor- zuheben. Graf Iaeopold Daun, ein Wiener, leistete im Erbfolge- und namentlich im Siebenjilhrigen Kf-iege ivichtige Dienste. Am beriihmtesten ist sein Sieg liber Friedrich II. bei Kolin (1757); im folgenden Jahre schlug er denselben Gegner liei ilochkireh und nahm cine preuBische Heeresabteilung unter Fink bei Maoeen ge- fangen. Er war Feldmarsehall und Priisident des Hofkriegsrates. Ihm verdankt die Armee die Vermelmung der Artillerie, die Einiibung der Truppen in Lagern, ein verbessertes Dienstreglement u. a. Eigentiimlieh ist ihm der Mangel an Ent- sehlossenheit. Ernst Freiherr von Laudon wurde in Livland geboren, trat zuerst in russische und dann naeli vergebliclier Bewerbung um eine preuBische Offiziers- stelle in die osterreichiselie Armee. Er nahm als Hauptmann am Erbfolgekriege teil, \vurde sehwer verivundet, war dann einige Zeit oline Stellimg, bis er im Siebenjahrigen ICriege neuerdings in die Armee eintrat. Er trug \vesentlich zum Erfolge bei Hochkircli liei und war der eigemtliche Sieger bei Kunersdorf (1759). In den letzten Jaliren des Siebenjahrigen lvrieges war er selbstiindiger Befelils- haber. Nachdem er im Kriege mit der Pforte Belgrad erobert liatte, ernannte ihn •Tosef zum Generalissimus, d. h. er erhielt den Oberbefehl liber alle Truppen und 'var nieht mehr an die Auftriige des Hofkriegsrates, dem er iibrigens aueli selbst angehorte, gebunilen. Er zeiehnete sich dureli groBe Kiihnheit aus. 3. Gelelirte und Diehter Von den Wissenschaften wurden besonders Jus, Naturlehre und Geschielite gepflegt. Als Juristen zeichneten sich Martini und Schrotter aus; der erstere leistete hervorragende Dienste bei der Kodiflkation des Rechites sowie bei den Unterrichtsrefonnen, der letztere verfaBte „Fiinf Ab- handlungen aus dem iisterreiehischen Staatsrechte“, die wegen der Fiille des Ntofies auch heute nocli von Bedeutung sind. — Auf dem Gebiete der Nalur- loissenschaft und Medizin sind vor allen Jacguin und van »S hvieten zu nennen. Der 1757 1759 r OtA . 110 Vierter Abschnitt. 'tfort* erstere \var Professor del' Botanik nnd Begriinder des botaniselien Gartens in Wien; dev letatere, kaiserlicher Leibarzt und Professor, war dic -Seele aller Re¬ formen an der Wiener Universitiit und Vorstand’ der Zensur-Hofkommission, die an Stelle der Jesuitenzensur getreten \var. — Als Historiker taten sieh Raueh, Jt, ; . L DohroivskgjPelzel und kEckhel hervor. Der Piarist Raueh gab drei Bande oster - reichiseher 6eschichtsquellen lieraus, die Weltgeistl iehen Dobro\vsky und Pelzel maehten sicli um die bohmische, Gesehichte verdient, der Jesuit Eekhel begriindete die Numismatik. — Als vielseitiger Schriftsteller ist Sonnenfels bekannt, der Gegner der Stegreifkomodie. — Sehr beaclitenswert ist der Tiroler Bauer Anich, der einen groBen Himmels'-, einen Erdglobus und eine Karte von Tirol herstellte. Dagegen ist Osterreich damals auf dem Gebiete der schonen Literatur arm. Zwar fand Gellert seit dem Siebenjiihrigen Kriege daselbst vielfaehe Verbreitung, bildete sieh sehon um 1750 in Wicn eine Klopstock-Gemeinde, begann auch bald der EinfluB Lessings sicli geltend zu machen und fand Wieland so viel Beifall, daB ihm nach dem Ausspruche Goethes Osterreich seine Bildung zu danken liat; aber weder Denis? der sieh an Klopstock, nocli Blumauer, der sieh an Wieland hielt, sind bedeutende Diehter. <&■ / t mtfr, mca.au. ’ j £ b (/J "c ) fiMsVVtM 4. Kiinstler. In dieser Zeit drang von Pariš her der Rokokostil ein, der bei ! V in y A'' 1 ' V L L /< nns freiiieh aueli nieht annahernd eine solche Bedeutung gewann wie die Baroeke. Das Rokoko liebt im Gegensatze zur letzteren das Graziose mit beseheidenem plastischen und zartfarbigem malerischen Schmueke; dm-ch die Bevorzugung der geschwungenen Linie, der Unsymmetrie und des iSfaturalismus sind fast die letzten Erinnerungen an die Antike beseitigt. Von den damaligen Bauten miissen das zierlielie Innere des Selionbrunner Schlosses und die Aula der alten Universitiit in Wien hervorgehoben vverden; die letztere ist unser sehonster Rokokobau. Der bedeutendste Architekt war damals Hohetiberg, der Erbauer der SchSnbrunner Gloriette, in der Plastik ist Beyer, in der Malerei sind der Tiroler Troger, der Kremser Schmidt, und Angelica Kauffmann aus Vorarlberg zu enrilhnen. r■/* Jnif-2 . n ta/r- -A j 5. Musiker. Damals erreichte die Musile ibei uns durch Gluek, Haydn und Mozart ihre klassisclie VoUenduntj. Christoph Gluek ist zwar in Bayern geboren, kam aber sehon als dreijahriges Kind naeh Osterreich und schlug spiiter seinen ' .. . -z,/-, .Sitz dauernd in Wien auf. Er ist der Vater der deutsclien Oper. Josef Haydn , (1732—1809) aus Rohrau war Leiler der Esterliazysclien Hauskapelle in Eisen- , ■,/«.; ■ stadt und siedelte spiiter nach Wien iiber, wo er audi starb. Er komponierte Symphonien, Quartette, die Oratorien „Die Schopfung" und „Die Jalireszeiten" souie die Volkshymne; er ist einer der griiBten und fruelitbarsten Komponisten aller ZeitenT Johann Wolfgang Mozart (1750—1791) ist ein gebiirtiger Salzburger. Sehon mit sechs Jaliren gab er Konzerte und wenige .Talire darauf erscbienen seine ersten Kompositionen. Nachdem er sodann mehrere Reisen unternommen liatte und eine Zeitlang Konzertmeister des Erzbisehofs von Salzburg geivesen war, iibersiedelte er naeh Wien, wo er zum kaiserlichen Kammermusikus ernannt wurde. Er lebte, wie Haydn, stets in diirftigen Verhiiltnissen. In Wien kom¬ ponierte er vor allem seine unsterblichen Opern, durch die er die vieljahrige Herr- sehaft der italienisehen Oper stiirzte. Er besaB eine geradezu erstaunliche Arbeits- kraft. Gleich Raffael und Goethe ist er der Meister der vollendeten Anmut. X Ct/ ' /Wi r B /) w ‘ ' PK j---, Die ICampfe mit Frankreicli unter Franz t. 111 JI. Die Kampfe mit Frankreicli und die Zeit des politisclien Still- standes im Iimern miter Franz I. und Ferdinand I. (1792—1848). A. Das Herrscherhaus. 1. Kaiser Franz. II. (I., 1792—1835) zeichnete sich durch, 1792-1835. seltene Arbeitslust, staunenstvertes Gedaclitnis, reiclie Kenntnisse und die groBte Ordnungsliebe aus; durch sein biirgerlich-einfaches und sittenstrenges Wesen sowie die zahlreichen Audienzen, die er erteilte, erwarb er sich eine aufierordentliche Beliebtheit, weshalb das Volk auch in der traurigsten Lage mit unveranderter Treue an ihm hing. 1 Da er die Zeitstromungen nur in iliren verderblichen Seiten kennen gelernt liattc, war er ein entschiedener Gegner aller Reformen; darum sind auch die Friedensjahre eine Zeit des poli- tischen Stillstandes im Innern gevresen. Von seinen zahlreichen Briidem sind die Erzherzoge Karl und Johann am wichtigsten. 2. Erzherzog Karl. Im Jahre 1771 zu Florenz geboren, vvurde er von seiner kinderlosen Tante, der hochgebildeten Marie Christine, und deren Gatten, dem Herzoge Albert von Sachsen-Teschen, adop- tiert. 2 Bald nach dem Beginne des ersten Koalitionskrieges wurde er Generalgouverneur von Belgien, ubernahm dann das Kommando in Siiddeutschland, trat im zweiten Koalitionskriege abermals an die SpitZe der osterreichischon Truppen, legle aber bald den Oberbefehl nieder, Hierauf wurde er Prasident des Ilofkriegsrates und fiihrte nun vor und nach dem dritten Koalitionskriege tiefeingreifen.de Reformen im IIeerwesen durch, deren Ztveck besonders die Hebung des Ehrgefiihles der Soldaten war, das nach seinem Ausspruche deren Seele ist. 3 3. Erzherzog Johann. Er war viele Jahre lang Direktor des Geniewesens. Friili zogen ihn das Studiom der Matimvissenschaften, die Landwirtschaft, das Berg- und Forstwesen an. Auf Reisen in Frankreicli und England lernte or die vorgeschrittene Entwicklung des Ge\verbes und der Industrie in diesen Landern kennen, ver- wertete sodann seine Erfahrungen zum Besten Steierrnarks und 1 Auf einer Keise naeli Italien soli er 20.000 Audienzen erteilt liaben. Er bedien.te sich stets des Wiener Dialekts, \venn er deutsch spracli. 2 Prinz Albert von Sacbsen hatte das Herzogtum Tesclien erhalten. 3 Das von Karl erlassene Dienstreglement bat sieh im wesentliehen erhalten. Vor ihm galt der Soldat nur als tote Maschine, jede Selbstandigkeit war verpont. 112 Vierter Abschnitt. griindete daselbst das Joanneum, das er mit reichen Sammlungen ausstattete. Sein leutseliges und einfaches Wesen maehte ihn in allen Kreisen beliebt; diesem Umstande verdankte er aueh seine Wahl zum deutschen Reichsverweser im Jahre 1848. 4. Die osterreichisehe Sekundo- und Tertiogenitur. Beide ver- loren in den Kriegen mit Frankreich ilire Gebiete. Der GroBherzog von Toskana wurde zuerst Herzog von Salzburg, sodann. Fiirst von Wiirzburg, der Herzog von Modena ward mit dem Breisgau ent- schadigt. Auf dem Wiener Kongresse wurden zwar die beiden liabs- burgischen Nebenlinien in Italien wiederliergestellt und erhielt Maria Luise die Herzogtiimer Parma und Piacenza; aber die letz- teren wurden nach ihrem Tode wieder eine spanisch-bourbonische Tertiogenitur und spater, wie Toskana und Modena, Sardinien ein- verleibt (1860). 1835 - 1848 . 5. Kaiser Ferdinand I. (1835—1848). Auf Franz I. folgte sein alterer Sohn Ferdinand, ein Herrscher von unerschopflichem Wohl- wollen, weshalb er der Giitige genannt wurde. Da er anlialtend kranklich war, wurde fiir die Regierung im Innern die Staats- konferenz gebildet, welcher der Erzherzog Ludwig, des Kaisers Oheim, als Vorsitzender, ferner des Kaisers Bruder Franz Karl (mit beratender Stimme), Metternich und fiir die Finanzangelegen- heiten Graf Kolowrat angehorten. Weil aber die Konferenz keinen festgeregelten Wirkungskreis liatte, iiberdies Metternich und Ko- lowrat eifersiichtig aufeinander waren, fehlte es an der notigen Einheit und Stetigkeit, des Handelns. Nach sein er Thronentsagung lebte Kaiser Ferdinand in Prag (f 1875). B. Die territorialen Veranderungen. Die Hauptlast der langwierigen Koalitionskriege mit Frank¬ reich ruhte auf den Schultern Osterreiclis, das an allen mitAusnahme des vierten teilnahm und im Jahre 1809 Napoleon allein bekampfte. Das militarische TTbergewicht Frankreichs fiihrte zahlreiche Besitz- veranderungen herbei; auch bei uns erpreBten die Franzosen riesige Summen in Geld und Katuralien (III. 119). 1792 - 1797 . 1. Im ersten Koalitionskriege (1792—1797) waren die liervor- ragendsten Waffentaten Osterreiclis die Siege Karls bei Amberg und 1796 . Wurzburg (1796) soivie die Verteidigung Mantuas, dessen helden- miitige Besatzung sicli erst ergab, nachdem Napoleon vier Entsatz- Die Kiimpfe mit Fin nkreieli miter Franz I. 113 heere zuriickgeworfen hatte und die Lebensmittel vollstandig znr Neige gegangen waren (1797). Vergebens versuchte Erzherzog Karl 1797. den vordringenden Feind bei Tarvis aufzuhalten; die Franzosen besetzten vielmehr Klagenfurt und Graz und riickten bis Leoben vor. Infolgedessen kam es zum Frieden von Čampo Formio; in diesem trat Franz Belgien an Franlcreicb und Mailand an die zisalpinische Republik ab, wogegen er den venetianischen Staat mit Ausnahme der Jonischen Inseln erldelt. 2. Der zweite Koalitionskrieg (1799—1802) begann zwar mit 1799-1802. Karls Siegen bei Ostrach und Btocleach, fiihrte aber im weiteren Verlaufe, namentlieb infolge der Anderung des Kriegsplanes, zu den Niederlagen bei Marengo und Hohmlinden (1800) sowie zum Vor- 1800. dringen der Franzosen bis Pbclilarn. Der Friede von Luneville (1801) bestatigte den von Čampo Formio. Im J ali r e 1803 erhielt 1801. 1803. Franz durcb den EeichsdeputationshauptschluB die sakularisierten Ilocbstifter Brixen und Trient, bald aucli die salzburgiscben Be- sitzungen in den Alpenlandern. 3. Der dritte Koalitionskrieg (1805) wurde durch Kapoleons 1805. Sieg bei Austerlitz entschieden; die Schmid an dieser Kiederlage fallt auf den Kaiser Alexander I., der das Eintreffen der Erzherzoge Karl (aus Italien) und Johann (aus Tirol) nicht abwarten wollte, obtvohl sie bereits bis nach IJngarn vorgedrungen waren. Es folgte der Friede von PreBburg. In diesem trat Franz die Ertverbungen des Friedens von Čampo Formio an Italien, Tirol an Bajern und die Vorlande an dieses, TVurttemberg und Baden ab; als geringen Ersatz hiefiir erhielt er das siikularisierte Salzburg. Ilbrigens raumte Kapoleon auch nach dem Friedenssclilusse einen groBen Teil der besetzten Bander Osterreichs nicht und erst nach langen Verliand- lungen lieB er sich im Vertrage von Foniainebleau (1807) dazu 1807. lierbei, daB der Isonzo als Grenze festgestellt wurde. 4. Der Krieg des Jahres 1809. a) Die Reformen. Nach der 1809. Entlassung des Fiirsten Kaunitz und der kurzen Amtstatigkeit des Graf en Philipp Cobenzl leitete Freiherr von Thugut, ein festent- schlossener Charakter und ausgezeichneter Diplomat, die ausvartige Politik. Er war ein Gegner PreuBens, suchte es durch den AnschluB an Rufiland und England zu isolieren, anderseits aber auch den Kampf mit Frankreich bis aufs aufierste fortzufuhren; seine Wider- sacher nannten ihn daher den „Kriegsbaron“. Er vertrat eine streng osterreichische Politik ohne Riicksicht auf das Tnteresse des Deut- Zeehe-Heiderich, Osterr.Vaterlandskunde. 8 114 Vierter Absehnitt. schen Keiclies. Ihm folgte der schvache Graf Ludwig Cobenzl, der Unterhandler von Čampo Formio, doch vurde dieser bald durch den Grafen Philipp Stadion ersetzt (1806 — 1809). Stadion war Gesandter in Petersburg, als er nach dem PreB- burger Prieden zur Leitung der auBeren Politik berufen wurde. Griindlicli gebildet nnd charakterfest, verlangte er diese Eigen- scbaften aucli von anderen maBgebenden Personen. Gleicli den Erz- herzogen Karl nnd Johann, die damals neben ihm den groBten EinfiuB hatten, var er iiberzeugt, daB fiir den unausbleiblichen Kampf mit Frankreich die Kriifte des Eeiches geweckt und die Bevolkerung mit gehobener Stimmung erfiillt verden miisse. Des- halb schritt er zu Reformen, die freilich das Wesen der Staatsver- valtung nicht antasteten. Die Studienhofkommission wnrde vieder- hergestellt, 1 vohltatige, wissenschaftliche und patriotische Vereine vurden gefordert, wahrend Vereine friiher beinahe nicht geduldet waren, die Presse etwas freicr gestellt, neue StraBen gebaut, der kriegerische Sinn des holien Adels durch Gentz und Pr. Selilegel belebt. PTach auBen Iliri strebte Stadion die Verstandigung mit PreuBen an. Auf militariscliem Gebiete setzte Erzherzog Karl seine Keform- tatigkeit fort, Ganz besonders wichtig var die Errichtung der Landmehr, an der aucli Erzherzog Johann einen hervorragenden Anteil nahni; sie solite als Eeservearmee zur Verteidigung aus den neunzelin- bis fiinfundvierzigjahrigen Mannern gebildet verden, die vom Dienste im stehenden Ileere befreit varen. Karl hoffte durch die Reformen und die Truppenbewilligung IJngarns 300.000 Mann in der lanie und 240.000 Mann in der Landvehr aufzubringen, doch var er mit. seinen Reformen noch nicht zu Ende, als gegen seinen Wunscli der Krieg an Prankreich erklart vurde. Dank diesen Reformen herrschte damals, von Galizien und Ungarn abgesehen, vahre Begeisterung im ganzen Reiche, 2 die auch in den Kriegsliedern Castellis und Collins Ausdruck fand. 1 Sie war unter Franz beseitigt und das Unterriehtswesen der Hofkanzlei untergestellt worden. ■— Grillparzer sagt, daB ihn die Wiener Vorlesungen Aug. Wilh. Sclilegels und die Verbftentlieliungen Hormayrs zur Wahl seines Stoffes: „Ottokiirs Gluelc und Ende“ bestimmt haben. Auch Vogl venvertete von Hormayr bekanntgemaehte Stoffe. 2 Eter franzbsische Gescliiiftstrager in Wien schrieb nach Pariš: Im Jahre 1805 wollte nur die Regierung den Krieg, 1809 aber Regierung, Armee und Volk. — Collin kampfte selbst als Landiveliroffizier mit. Die Ivilmpfe mit Frankreieh miter Franz I. 115 b) Der Verlauf des Krieges. Dieser entsprach den geliegten Erwartungen nicht. Franz steli te drei Armeen auf; die starkste (170.000 Mann) unter Karl riickte in Bayern, die zweite unter Jokann in Italien, die dritte unter Erzherzog Ferdinand in Galizien ein. Zwar siegte Johann bei Sacile und drangFerdinand bisWarschau vor, aber die Entscheidung fiel bei der Hauptarmee. Karl wurde durcli mehrere Gefeehte in der Kahe von Regensburg liber die Donau gedrangt und zog nach der Vereinigung mit General Ililler, der bei Ebelsberg tapferen Widerstand geleistet hatte, ins Marchfeld. Hier kam es zur denkwiirdigen Schlacht bei Aspern und EBling, in der zum erstenmal ein einzelner Staat Hapoleon eine Niederlage bei- brachte. Dieser zog aber neue Verstarkungen an sich und besiegte mit iiberlegenen Kraften Karl bei TVagram, worauf der Kaiser den Frieden von Wien abschloB. In diesem trat Franz Salzburg und das Innviertel an Bayern, Westgalizien an das Herzogtum Warschau, den Kreis von Tarnopol an RuBland, Oberkarnten, Krain, Gorz, Triest, Osterreiehisch-Istrien und Kroatien bis an die Sawe an das neugebildete Konigreich Illvrien ab, dem Kapoleon auch Dalmatien und das eliemals venetianische Istrien einverleibte. Erzherzog Kai'1 zog sich ins Privatleben zuriiek und vvidmete seine Krafte besonders der Beschaftigung mit den Wissenschaften und der Erziehung seiner Kinder ( ]■ 1847). c) Der Volkskrieg in Tirol. Die Tiroler hatten sich unter der Anfiihrung des zweiundvierzigj ahrigen Wirtes Andreas Hofer, eines durch und durch ehrenliaften, gutmiitigen und tapferen Mannes, des riesenhaften Bauern Josef Speckbacher 1 , des verwegenen Kapuziners Joachim Ilaspinger u. a. und angefeuert von dem Erzherzoge Johann in treuer Anhanglichkeit an das angestammte Herrscherhaus erhoben und den verhaBten Feind dreimal auf dem Iselberge geschlagen. Im Wiener Frieden wurde den Tirolern Amnestie zugesichert, wenn sie die Waffen niederlegten. Als aber Hofer nochmals zum Kampfe auf- rief, geriet er infolge Verrates in die Iliinde der Feinde; er wurde in schmahlicher Weise miBhandelt und auf Befehl Kapoleons er- schossen (1810). Die iibrigen Eiihrer retteten sich durch die Flucht; nur Peter Mayr, der Wirt an der Mahr, wurde an demselben Tage wie Ilofer erschossen, weil er sein Leben nicht mit einer Luge 1 Speckbacher wurde der „Mann vom Rinn“ ihm seine Gattin zubraelite. genannt nach dem Hofe, (len 8 * 1810 . 116 Vierter Absehnitt. erliaufen wollte. Tirol wurde in drei Teile zerstiickelt, die mit Bayern, Italien im d Illyrien verbunden wurden. 1813-1815. 5. Die Befreiungskriege (1813—1815). Nach der Vermahlung Napoleons mit Maria Luise ivurde zwischen Osterreich und Frank- reich ein Biindnis abgeschlossen, infolgedessen ersteres am russisclien Feldzuge Napoleons teilnalim; docli erlitt das osterreichische Hilfs- korps, das, 30.000 Mann stark, in Wolhynien einriickte, aber der Ubermacht gegeniiber keine besonderen Erfolge erreichte, mir sehr geringe Verluste. Um so entsclieidender war die Stellung Osterreiclis nacli dem Untergange der groben Armee; denn da RuBland selbst sehr geschwacht und PreuBens Hilfsmittel bescheiden wai’en, muBte die Idaltung des Kaisers Eranz den Ausschlag geben. Als dieser dalier den Verbiindeten beitrat, liatten sie die Ubermackt und 1813. konnten Napoleon bei Leipzig vollstandig zu Boden werfen (1813). Schon vor dieser Scldacht hatte sieli die Bevolkerung Ulvriens erlioben und mit der Vertreibung der Eranzosen begonnen, die dann duroh Hiller und andere Generale zu Ende gefiihrt ivurde. Nach dem Sturze Napoleons traten die Machte in Wien zu einem Kon- gresse zusammen, auf dem unter dem Vorsitze Metternichs die teritorialen Verhaltnisse neugeordnet wurden. Durch die Wiener KongreBakte, die groBenteils Metternichs Merk war, erliielt Oster- reich Salzburg, Tirol, den Tarnopoler Kreis, Mailand und den ein- stigen venetianisclien Staat mit Ausnahme der Jonischen Inseln; dagegen verzichtete es auf die Vorlande, Belgien und Westgalizien. Mit denjenigen Landern, die friilier zmn Deutschen Keiche gehort liatten, trat Osterreich dem Deutschen Bunde bei. Der leitende Gedanke Metternichs war, Osterreich die Ilerrschaft in Deutschland und Italien zu sichern; hiefiir war besonders wichtig, daB der oster- reichische Gesandte beirn Bundestage in Frankfurt den Vorsitz fiilirte und daB in Toskana und Modena die habsburgischen Neben- linien wiederhergestellt mirden. So hatte der Kaiserstaat in fast dreiundzwanzigjalirigen Kampfen seine Lebenskraft bewahrt und seine GroBmachtstellung niclit nur behauptet, sondern sogar gestarkt. Das tiefe Friedensbedurfnis, das nach den langwierigenKriegen in ganz Europa herrschte und im Abschlusse der Heiligen Allianz Ausdruck fand, kam auch unserem Staate zugute, dessen Grenzen nunmehr bis zum Jahre 1859 im ganzen unverandert blieben. Nur die Bepublik Kralcau, die auf dem Wiener Kongresse von West- galizien abgetrennt worden var, vurde mit Zustimmung RuBlands Die Zoit von 1815 — 1848. 117 uncl PreuJBens Osterreich einverleibt, weil es ein Herd der national- polnischen Bestrebungen war (1846). Als die Adligen die Bewegung 1846 . nacli Galizien iiberleiten ivollten, 'Selen die Bauern, namentlich im Tarnower Kreise, liber sie her, so daB die Regierung einschreiten muBte. 1 C. Metternich und die aufiere Politik wahrend der Friedens- jahre (1815—1848). Die auBere Politik leitete von 1809 — 1848 Fiirst Klemens 1809 - 1848 . Metternich mit fast souveraner Geivalt. Er wurde in Ivoblenz ge- boren, studierte in StraBburg Philosophie und in Mainz Jus, wurde dsterreiehiscber Gesandter an verschiedenen Ilofen, zuletzt in Pariš, nach. der Entlassung Stadions Minister des AuBern und erhielt 1821 die Stelle eines Hans-, Hof- und Staatskanzlers, die seit Kaunitz nicht mehr besetzt vvorden war. Er war ein sehr gebildeter Mann, ausgezeichneter Diplomat, entschiedener Gegner aller konstitutio- nellen Bestrebungen und territorialen Veriinderungen. Metternich genoB ein geradezu heispielloses Ansehen bei den damaligen IJerr- schern und Staatsmannern. Zwar hielt or Reformen fiir notwendig, aber in der inneren Politik hatte er keinen maBgebenden EinfluB; er selbst sagte einmal, er habe zwar zeitweise Europa, niemals aber Osterreich beherrscht. Die innere Verwaltung namlich leitete fast unbeschrankt Graf Koloivrat. Rach diesem besaB die groBte Macht Graf Sedlnitzki, der 31 Jalire lang Prasident der obersten Polizei- und Zensurhofstelle war; die letztere Behorde lieB sicli namentlich in Wien nicht sel ten von engherzigen Gesichtspunkten leiten und suchte Osterreich literarisch von Deutschland abzusperren. Gleich- wohl wurden verbotene Biicher massenhaft eingeschmuggelt. Da damals der Grundsate der Intervention galt, lieB sich Metternich auf den Kongressen zu Troppau (1820) und Laibach 1820 . (1821) von RuBland und PreuBen bevollmachtigen, den Aufstanden 1821 . in den Konigreiclien Neapel und Sardinien, welche die Einfiihrung der Konstitution bezweckten, ein Ende zu machen. Infolgedessen riickten osterreichisclie Truppen in beide Bander ein und stellten mit geringer Miilie den Absolutismus wiederher. Ebenso unter- O o 1 Vergl. die beiden Novellen von M. v. Ebner-Eschenbach: Der Kreisplivsikus und Jakob Szela. Benedek wai'f den Aufstand infolge seines mutigen Vorgehens fast ohne jeden Widerstand nieder. 118 Vierter Abschnitt. driickten unsere Soldaten die Auf stande, welche die Julirevolution in Parma, Modena und im Kirchenstaate hervorrief. Dagegen konnte Metternicli den Abfatt der Griechen von der Pforte nicht hindern, zumal da sicli RuBland anf die Seite der ersteren stellte; Zar USTiko- laus I. war liber Osterreichs II altu n g sehr unwillig und beschuldigte Metternicli, den Widerstand der Tiirken im gelieimen ermuntert zu haben. Unter Ferdinand I. nahm Osterreich im Bunde mit RuBland, England und PreuBen an der Bekampfung des Vizekonigs von Agypten Mehemed Ali teil und zwang ilm nach der Erstiirmung 1840. von Saida-, Sjrien zu raumen (1840). D. Die Verfassung und Verwaltung. 1. Die Errichtung des Kaisertums Osterreich. Bis zum Jahre 1804 wurde amtlich fiir das ganze liabsburgische Gebiet meistens die Bezeichnung Erbldnder oder Ilaus Osterreich gebraucht. Nach- dem aber Napoleon zum Kaiser der Franzosen ausgerufen \vorden war, erklarte Franz II. in einer Versammlung von Ministern und anderen boben Wiirdentragern alle seine Bander zum Kaisertum 1804. Osterreich (10. August 1804), was am folgenden Tage durcb ein Patent bekanntgegeben wurde. tlbrigens ward dadurcli an den be- stebenden Verfassungszustanden nicbts geandert, da Franz und Ferdinand in Osterreich absolut und in Ungarn unter Mitwirkung des Landtages regierten. Einmal im Jahre traten unter grobem Ge- prange die Stande zusammen, wobei aber nicht der leiseste Wider- stand geduldet ivurde ; 1 dagegen scheiterten die Versuche, in Ungarn die stiindischen Redite zu schmalern, amWiderstreben der Koniitats- versammlungen und des Landtages. Auf dem letzteren war der Wort- fiihrer der Opposition in den dreiBiger Jabren Graf Stepban Sze- chenyi, „der groBe Ungar“, dem das Band zahlreiche Woliltatigkeits- einrichtungen verdankt; neben ihm traten der Advokat und Jour- nalist Budwig Kossuth, der fanatische Vertreter des Magjarenturns, und der iiberzeugiingstreue Franz Dedič in den Vordergrund. 1 So sagtc im Jahre 1805 der Obcrstburggraf von Bolimen Graf Wallis zu den Stiinden, ilire einzige Aufgabe bestehe darin, auch den leisestcn Wunsohen des Herrsehers zuvorzulcommen. Die „Postulation“ der Steuern, die schon lange zur Formsaehe geworden war, horte auf, die Stande nahmen die Steuersumme zur Kenntnis und der LandesausschuB verteilte sie. Die Zeit von 1815—1848. 119 2. Die Verwaltung. Im groBen ganzen wurde an den Einricb- tungen des aufgeklarten Absolutismus festgehalten; da aber die Re¬ formen nicht fortgesetzt wurden, blieb Osterreich anderen Staaten gegeniiber zuriick. a) Auf Mrchlichem Gebiete wurden die Grundsatze des Josephi- nismns mehrfach gemildert, den Jesuiten die Eiickkelir gestattet und mehrere aufgehobene Kloster wiederhergestellt. b) Der vereinigten Ilofkanzlei wurde auch die Verwaltung Galiziens und des lombardisch-venetianischen Konigreich.es iiber- tragen; abgetrennt davon bestanden die ungarische und sieben- biirgische Ilofkanzlei. -Franz errichtete fiir alle Erblander ein Polizeiministerium, mit dem. auch die Zensur verbunden wurde. Als Reichsbehorden vrarden die geheime Ilaus-, Ilof- und Staatskanzlei, die allgemeine Hofkammer und der Ilofkriegsrat beibehalten. c) Die Justiz blieb von der Venvaltung getrennt, die Zalil der Patrimonialgerichte wurde abermals vermindert. Das allgemeine bilrgerliche Gesetzbuch wurde abgeschlossen und in Osterreich ein- gefiihrt (1811). d) Die vielen Kriege zerriitte.ten die Finanzen vollstandig; es wurde mindervvertige Scheidemiinze ausgepragt, das Silbergeld ver- sclnvand ganz und das Reich wurde mit Papiergeld („Bankozettel“) im Betrage von melir als zwei Milliarden Kronen iiberschwemmt. Endlich erfolgte der Staatsbankrott (1811), indein der Wert der Bankozettel auf ein Eiinftel und die Zinsen der Staatsschuld auf die IPalfte herabgesetzt vrarden. Fiinf Jalire spater wurde der Wert des Papiergeldes abermals vermindert, 1 gleichzeitig aber durch die Grundung der ISTationalbank die Besserung angebalmt. e) Im Unterrichtswesen blieb Osterreich bedeutend zuriick. Das Volksschuhvesen wurde durch die „Politische Schulverfassung“ unter die Aufsicht der Kirche gestellt, das sechsklassige Gjmnasium war im wesentlichen die alte Lateinschule mit kiimmerlicher Pllege der anderen Gegenstiinde, 2 die Universitaten, deren Zalil auf acht 1 Um die ent\verteten Bankozettel zu beseitigen, wurde ein neues Papiergeld („Wiener Wiilirung“) ausgegeben, dessen Wert im Jahre 1810 auf 40°/ 0 herab¬ gesetzt wurde. 2 In den zwei Jahrgangen der „Pliilosophie“ gab der Erlag von 60 K An- sprueh auf Befreiung vom Studium der Geschichte und Natunvissenschaften. 1811 1811 120 Vierter Abschnitt. vermehrt tvurde, standen im Sinne der Karlsbader Iionferenzen 1819. (1819) unter strenger Uberwachung, das Studium an auswartigen Universitaten war verboten. f) Dem AcTcerbau kam die Griindung von ]andwirtschaftlichen Schnlen und Gesellschaften zugute. Dem Geiverbe diente die Ver- anstaltung von Ausstellungen. Handel und Industrie lagen zwar in der Kriegszeit schwer darnieder; doch traf die Regierung nach dem Sturze Kapoleons verschiedene MaBregeln zu ihrer Ilebung. So wurden techniscbe Hocbschulen in Prag, Graz und Wien errichtet, 1 es wurden die StraBe liber das Stilfser Joch, der Wiener-Neustadter und der Franzenskanal gebaut, in Osterreich wurde die erste Pferde- eisenbahn auf dem Kontinent ins Leben gerufen, bald folgten die Dampfschiffahrt auf der Donau, die Griindung des osterreichischen Lloyd, der Bau der ersten Lokomotivbahn usw. Unter dem Schutze des Prohibitivsvstems machte die Industrie bedeutende Fortscbritte; Hardtmutb begriindete die Bleistiftfabrikation, in Wien wurden die Ziindholzcben erfunden, es entivickelte sicb die Riibenzucker- erzeugung u. a. E. Beriihmte Staatsmanner, Feldherren und Erfinder. 1. Staatsmanner. Die beruhmtesten sind Stadion und Metternich. Der erstere ■vmrde aueh nach seiner Entlassung von Franz I. bei allen wichtigen Fragen zu Rate gezogen, \vard »pater Finanzminister und begrdndete die Nationalbank (1 1824). Dor letztere fliichtete sich im Jahre 1848 nach London, kchrto aber bald wieder zuriiek und iibte, obwohl er kein Staatsamt mehr bekleidete, noch immer einen bedeutenden EinfluB aus (f 1859). 2. Feldherren. Von Erzherzog Karl abgesehen, ragen Schwarzenberg und Radetzky am meisten hervor. Fiirst Karl Schicarzenberg trat friilizeitig in die Armee ein und nahm fast an allen Feldzugen seit dem Tiirkenkriege unter Josef II. rtlhmlioben Anteil. Er wurd,e hierauf Gesandter in Petersburg, bald darauf in Pariš, das er verlieB, um das osterreichische Hilfslcorps im russischen Feldzuge zu befehligen. Nach dem ersten Pariser Fricden wurde er Prasident des Hofkriegsrates. Er \var mebr Diplomat als Feldherr, gerecht und groBmiitig, ein eifriger Gtinner der Wissenschaft und Kunst (f 1820). Ein bei weitem groBerer Feldherr ist Graf Josef Raendem IVerte geschaffen. Die ersten bedeutenden Dichter sind Kolldr und Gela- kowsky, beide Lyriker und Epiker und fiir die Steigerung des nationalen Sinnes eifrig tiitig. Ahnlich vvirkten auch die Historiker Šafafik und Palaeky; der 1 Beim Regierungsantritte Leopolds II. baten die Stiindc Bohniens, es moclite an den Gymnasien das Tschechisehe cinige Beriicksichtigung flndcn. 2 Doch standen sich damals und nocli lange nachlier Deutsche und Tscheclien nicht getrennt gegeniiber, sondern vereinigten sich in der Liebe zur gemeinsamen Heimat; noch MeiBner verherrlichte Žižka. 8 Hanka, der angebliche Entdecker der beiden Ilandschriften, die naeh den Fundorten benannt sind, ist der Falscher. 124 Vierter Abschnitt. erstere sehrieb die slawischen Altertiimer, der letztero dieGeschielite derTscheclien in Bohmen und Mahren. Šafarik und Kollfir, die Hauptvertreter des wissen- schaftliehen und dichterischen Panslawismus, eigneten sich ilire Gesinnung in Jena, dem Ausgangspunkte der deutschen Romantik, an. o) Die 8 l 0 wenen. Ihr erster bedeutenderer Dichter ist der Geistliehe Vodnik, ein Jjvriker; er begriindete aueli die erste slorvenisehe Zeitsehrift. Der groSte Dichter dieses Stammes ist der Krainburger Advokat Prešeren (f 1849), ein viel- seitiger Lyriker. Als Slavisten sind die Wiener Universitiltsprofessoren Kopitar und Miklosich zu nennen; der erstere war im Sinne der „literarischen Wechšel- seitigkeit“ der Slawen eifrig tatig. d) Die Serbo-Kroaten. Die Wiedergeburt der serbo-kroatischen Literatur beginnt um 1800 bei den Serben in Dalmatien und et\va dreiBig Jahre spiiter bei den Kroaten. Dort ist besonders Karadžič tatig gewesen, der die serbische Schrift- sprache verbesserte und eine vielgelesene Sammlung von Volksliedern veran- staltete; liier der politisehe Agitator Gaj, der in Agram die „illyrische“ Be- wegung ins Leben rief, die, wie die gleichzeitige tsehechische, ein entsehieden pan- slawistisehes Geprage zeigt. Durch die serbische und illyrrsche Matica rvurden diese Bestrebungen in immer weitere Kreise getragen. Bei den Polen und Italienern bedurfte es keiner Wiedergeburt ihrer Literatur, da beide von den auBerhalb Osterreichs lebcnden Schriftstellern ihrer Nation geistige Nahrung erhielten; auch war bei beiden das Nationalgefiihl nicht erschlafft. Bei den Rutlienen machten sich erst naeh dem Jahre 1848 die Anfange einer selbstandigen Entwicklung ihrer Literatur bemerkbar. Die literarische Renaissance zeigt tiberall dieselben Ziige. Man verbesserte und reinigte die Sprache, gab altere Werke, wo solehe vorlianden waren, lieraus und schuf neue, hob die Volksbildung, durcliforscbte die Geschichte und frischte entsclrmmdene Dber- lieferungen wieder auf. Wie bei den Hellenen (III. 164), folgte auch hier der literarischen Wiedererhebung die politisehe, wie sich in der Revolution und bei der ferneren Gestaltung der inneren Politik Osterreichs gezeigt bat. III. Die Verdriingung Osterreichs aus Deutschland mul Italien und die politisehe Nengestaltung des Reiches unter dem Einflusse der liberalen, nationalen und sozialen Bestrebungen wahrend der Herrseliaft des Kaisers Franz Josef I. (seit deni Jahre 1848). A. Das Herrscherhaus. Kaiser Franz Josef I. wurde im Jahre 1830 als der alteste Sohn des Erzherzogs Franz Karl und der Erzherzogin Sopliie, einer bayrischen Prinzessin, zu Schonbrunn geboren. Er genoB eine vor- treffliclie Erziehung und gelangte infolge der Thronentsagnng seines Oheims und der Verzichtleistung seines Vaters arn 2. Dezember 1848 Die Revolutionszeit (1848 und 1849). 125 zur Regierung. Im Jahre 1854 vermahlte er sicli mit der bayrischen Prinzessin Elisabeth, die durch Schonheit und Herzensgiite ausge- zeichnet war; sie wurde von einem Anarchisten in Genf ermordet (1898). Der hoffnungsvolle Kronprinz Rudolf starb in jungen Jahren (1889). Der edle und liocbgebildete Bruder des Kaisers Maximilian, der zehn Jahre lang Kommandant unserer Kriegsflot.te war und sicli vvesentliche Verdienste um ihre Entwicklung erworben bat, nahm die Kaiserkrone von Mexilco an (1864—1867), wurde aber von den Republikanern gefangen genommen und nach dem Ausspruche eines Kriegsgeriehtes erschossen. < Unter den iibrigen Sprossen des Kaiserhauses zeiclmete sicli besonders Albrecht (1817—1895), der Solm des Erzherzogs Karl, aus. Von seinem Vater sorgfaltig erzogen, widmete er sich friih den militarischen Wissenscbaften, wurde von Radetzky ins Kriegsleben eingefiilirt, zeiclmete sicli in der Sclilaclit bei Kovara aus, wurde nacb der Unterdriickung der Revolution Gouverneur von Ungarn, befebligte sodami das Beobaclitungskorps, das vbihrend des Krim- krieges in die Walachei einriickte, besiegte die Italiener bei Custoza (1866) vollstandig und war als Generalissimus, unterstiitzt von den Kriegsministern John und Ruhn, viele Jalire liindurcb fiir die Verbesserung unseres Heerwesens erfolgreicb tatig. B. Die Revolutionszeit (1848 und 1849). Durch die Stiirme der Jahre 1848 und 1849 wurde unser 1848 u. 1849. Kaiserstaat mehr als andere Reiche ersehiittert, denn hier machten sich neben den politischen Forderungen aucli die nationalen Gegen- satze geltend. 1 Die Deutschen wiinschten namli.ch ein konstitutio- nelles Staatswesen auf zentralistischer, die Slawen dagegen auf foderalistischer Grundlage, Anderseits dachten die Polen an die Wiederherstellung ihres K6nigreich.es, die Magyaren strebten die Personalunion mit Osterreich, die Bewolmer Oberitaliens die Ver- einigung mit Sardin ien an. So erschien der Zerfall des Donaustaates unvermeidlich zu sein. Doch wurden die Aufstiinde in Bohmen und Galizien durch die daselbst kommandierenden Generale rasch unter- driickt und kraftigten die Siege Radetzkvs die Regierung derart, daB ihr die tlbenvindung der Revolution in Wien und in Ungarn gelang. 1 Die Forderungen der Liberalen waxen: Konatitution, PreBfreiheit, Vereins- und Versammlungsreclit, Geaehrvornengeriehte, Freiheit der Universitaten, Gleicli- berechtigung aller Biirger (III. 149). 126 Vierter Abschnitt. Deu ersten Sieg trug die Eevolution in Wien davon, indem Ferdinand infolge der Bewegung der Marztage die Entlassung Metternichs und die Einfiihrung der Konstitution samt PreBfreiheit und Volksbewaffnung zugestand. 1 Infolge der Eatlosigkeit der Eegierung und der politischen Unreife der Bevolkerung kam es immer wieder zu revolutionaren Ausschreitungen und konnte der aus Gemeinderaten, Studenten und ISTationalgardisten gebildete Sicher- heitsausschuB die eigentliclie Eegierung in Wien, wie in Prag und Pest, an sicb reiBen (III. 112). So trat an Stelle der anfanglichen Begeisterung fiir Ereilieit und Eeclit ein ziigelloser Eadikalismus. Zur Ausarbeitung der neuen Verfassung wurde ein konstituierender Reichsrat nach Wien einberufen, dessen erste und letzte groBe Tat die Abschaffung des UntertaniglceitsverhaUnisses „samt ali en daraus entspringenden Eechten und Pflicbten“ war. Nach dreimonat- licher Beratung wurde der Eeichsrat \vegen des Oktoberaufstandes, in dem der tlichtige und reformfreundliche Kriegsminister Latour in grauenhafter Weise ermordet ward, nach Kremsier verlegt und dami im Marž 1849 aufgelost. Ende Oktober 1848 muBte sich Wien dem General Windischgrdiz ergeben, womit die Eevolution in Oster- reich unterdriickt war. Dieses Ergebnis wurde besonders dadurch herbeigefiihrt, daB in Wien selbst die wohlhabenderen Burger aus Eurcht vor dem Kommunismus in Zwist mit den Arbeitern und Studenten gerieten und sich die Bauern auf dem Bande, durch die Grundentlastung befriedigt., von der Eevolution fernhielten, da sie keine politischen Ziele anstrebten. Hierauf folgte dieWiederherstellung der Euhe auch in Ungarn, wo es zu wilden Ausbriichen nationaler Eeindscliaft zwischen den Magyaren einer- und den Serben und Eumanen anderseits gekommen war. In Ungarn hatte sich der Eeichstag, obwolil Ferdinand den Magyaren ein selbstandiges Ministerium bewilligt liatte, von Kossuth dazu liinreiBen lassen, die IBabsburger abzusetzen und ilm zum Gouverneur-Prasidenten der ungarischen Eepublik auszurufen. Docli %vurde von General Haynau die ungarisclie Ilauptarmee unter. Dembinski bei Temesvar vernichtet, worauf Gorgey, der ein selb¬ standiges ITorps befehligte und jnach der Flucht Kossuths die Diktatur iibernommen hatte, vor dem General Paskiewitsch, dem Kommandanten der russischen Ililfsarmee, die iiber den DuklapaB 1 Fast in jedem Borfe gab es eine Art Miirzbewegung. Die Regierung Kai ser Franz Josefs I. 127 eingeriickt war, mit 23.000 Mann bei Vilagos die Waffen streclite (Augnstl 1849). Mit der Ubergabe Komorns an die kaiserlicben Truppen, die im September erfolgte, war die Eevolution auch in Ungarn unterdriickt. Gleickzeitig mit der Auflosung des Kremsierer Reicksrates verdffentliclite das Ministerium Sclnvarzenberg 1 eine Gesamtstaats- verfassung , deren Ausfiihrung aber am Widerstreben der Magjaren und Tschechen scheiterte. Infolgedessen -vvurde der Absolutismus in beiden Reickskalften eingefiihrt. Das war insofern eine Kotwendig- keit geworden, als die leidenscbaftlichen Ausbriicbe nationaler Feindseligkeit, 2 die wahrend der Eevolution zutage getreten waren, beruhigt und der tief erschiittorte Staat durck eine einheitliclie Ver- walt,ung wieder in geregelte Balinen gelenkt werden muBte. Die wick- tigsten Errungenschaften der Eevolution, namlick die Entlastung des Bodens, die Ausiibung der Eecktspflege und Ver\valtung durck Staatsbeamte auck in der ersten Instanz und die Gleickberechtigung aller Biirger, blieben besteken (III. 127). In Oberitalien besiegte Radetzlcg den Konig Karl Albert von Sardinien, der zur Unterstiitzung der Eevolution in die Lombardei eingeriickt war, bei S. Lueia, Custoza (1848) und in einem zvveiten, gliinzenden, sechstagigen Eeldzuge bei Kovara (Marž 1849) so voll- standig, daB Karl Albert abdankte und sein SolmViktorEmanuel II. Frieden schlieBen muBte; er verpflicktete sick, die Aufstandischen nickt mehr zu unterstiitzen und eine Kriegskostenentsckadigung zu zahlen. Am 24. August ergab sick Venedig und damit war der Auf- stand zu Ende. So sclieiterten damals die nationalen Bestrebungen in Ungarn und in Oberitalien. C. Die aufieren Angelegenheiten. 1. Der Krimkrieg (1853—1856). Wahrend des Krimkrieges 1853-1856 besetzten osterreickiscke Ikmppen die Donaufiirstentiimer, nackdem sie von den Russen geraumt worden waren. Der Kaiserstaat katte 1 Felix Sehrvarzenberg war ein Neffe des Siegers bei Leipzig. 2 Zu solchen war es zwi,schen den Deutsehen und Tselieelien, den Magyaren und Kroaten gekommen. Der Feldmarschall-Leutnant Leopold Graf Kolorvrat- Krakowsky beriehtet in seinen „Erinnerungen aus den Jahren 1848 und 1849“ (zwei Teile, Wien 1905) iiber den Ilafi zwisclien Magyaren und Serben 1848/49, er lmbe selbst an Kirchenturen angenagelte Kinder, gepfalilte Weiber, am SpieBe gerostete Manner geselien. 128 Vierter Absehnitt. 1859 . 1864 . 1866 . von der unentschlossenen Politik, die er damals einschlug, nur den Nachteil, daB er sicli die Feindschaft RuBlands zuzog. Osterreich anderte seit den secliziger Jahren sein Verhalten gegeniiber der Pforte; es gab die Metternichsclie Anschauung auf, da!3 es die reformfeindliche Tiirkei zu unterstiitzen berufen sei und leistete den Freilieitsbestrebungen der christlichen Untertanen des Sultans Vorscliub (S. 84). 2. Der Krieg mit Napoleon III. und Sardinien (1859). Die Vereinzelung Osterreichs nach dem Krimkriege beniitzte Napoleon dazu, um im Bunde mit Viktor Emanuel- II. die Einigung Italiens zu begriinden. Osterreich trat nach dem Verluste der Sclilachten bei Magenta und Solferino im Frieden von Ziirich die Lombardei mit Ausnahme von Pescliiera und Mantua an Sardinien ab. Nunmehr wurden aucli Toskana und Modena, deren Herrscher schon vvahrend des Krieges vertrieben worden waren, mit Sardinien vereinigt. 3. Der Krieg mit Danemark (1864). Als die eiderdanische Partei in Kopenhagen den Versuch maclite, Schleswig zu danisieren und trotz des Einriickens deutscher Bundestruppen in Holstiein nicht nachgeben wollte, erklarten Osterreich und PreuBen an Danemark den Krieg. Unsere Truppen, 21.000.Mann stark, wurden von General Gablenz befehligt; sie zwangen die Danen zur Raumung des Dane- werks, siegten bei Oversee und Veile und drangen bis in den auBer- sten Kord en Jiitlands vor, wahrend unsere Kriegsflotte' unter dem Befehle Tegetthoffa die iiberlegene feindliche bei Helgoland mit Erfolg bekampfte und dadurch die Nordsee frei inachte. Den Krieg beendete der Wiener Friedej in diesem rnuBte Danemark an Oster¬ reich und PreuBen Schlesivig, Holstein und Lauenburg abtreten. 4. Der Krieg mit PreuBen und Italien (1866). Durch die Politik des preuBischen Ministerprasidenten Otto von Bismarck vvurde das Schicksal der Elbeherzogtiimer mit der Prage der Ilege- monie in Deutschland verquickt und dadurch die Eifersucht zwi- schen Osterreich und PreuBen mit Waffengewalt zur Entscheidung gebracht- (S. 103). Auf osterreichischer Seite standen Siiddeutscli- land, Hannover, Sachsen, Hessen und Nassau, die iibrigen deutschen Staaten hielten es mit PreuBen, das sicli iiberdies mit dem Konige von Italien verbundet hatte. Zwar nahm der Krieg in Italien fiir unsere Waifen einen glanzenden Verlauf; denn Erzherzog Albrecht besiegte das feindliche Heer bei Custoza mit 74- gegen 89.000 Mann (am 24. Juni) und Tegetthoff selilug die italienische Kriegsflotte Die Regierung Kaiser Franz Josefs I. 129 mit 27 gegen 34 Scliiffe bei Lissa (20. Juli) vollstandig. 1 Auch schiitzte der tiichtige General Kuhn Siidtirol gegen die Tlbermacht des italienischen Heeres und die Freischaren Garibaldis. Aber die Entscheidung gab der Verlauf des Kampfes mit PreuBen, das, wie einst beim Ausbruche des ersten Schlesisehen Krieges, finanziell und militarisch Osterreich iiberlegen war. 2 In drei Heeressaulen riickten die preuBischen Truppen in Bohmen ein: Die Elbannee unter Uenvartli von Bittenfeld bei Kumburg, die Er ste Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl bei Reichenberg — beide vereinigten sich an der Iser — und die Schlesische unter dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm bei Trautenau, Eipel und Kachod. Zwar schlug Gablenz einen Teil der Schlesisehen Armee bei Trautenau , aber unsere iibrigen Heeresabteilungen wurden in melireren Kampfen, die an der Iser und namentlich bei Jičin stattfanden, zuriickgedrangt. Ani 3. Juli kam os zur blutigen Hauptschlacht bei Koniggratz, die der Feldzeugmeister Benedek, der Oberbefehlshaber im Norden, leitete. Pis Mittag hielten die tapferen Truppen gegen die Angriffe der Ersten und der Elbarmee stand; als spater aber auch die Schlesische Armee erschien und die Osterreicher im Kiicken und in der rechten Flanke beschoB, war die Kiederlage und der Verlust des Feldzuges entschieden. Es ist die groBte Schlacht des Jahrhunderts (215.000 Osterreicher gegen 220.000 PreuBen). Wahrend sich Benedek nach TJngarn zuriickzog, besetzten die PreuBen Mahren, riickten in 1 Die Schlacht, in der Italien drei Scliiffe veri or, dauerte l'/ 4 Stunden. Tegetthoff siegte durch den schnellen Angriff nnd das Niederrennen des Gegners. — Wilhelm Tegetthoff (1827 — 1871), der Solin eines Hauptmanne«, \vurde in Mari; ur g geboren, kam in die Seekadettenschule zu Venedig, maclite 1848 die Blockade dieser Stadt mit, schiitzte im Krimkriege die Donaumiindung gegen die Russen, unternahm mehrere wissenschaftliche Reisen, vurde dann Adjutant des Erzherzogs Maximilian, nach dem Gefeclite bei Helgoland zum Konter- admiral ernannt und im Jahre 1866 mit der Fiihrung der Flotte betraut. Der Sieg bei Lissa ist sem eigenstes Werlc, indem er nicht nur selbst mit Ent- schlossenheit, Umsicht und Tapferkeit befehligte, sondern seinen Feuergeist auch den Offizieren und der Mannschaft einzufloBen verstand. Nach dem Friedens- schlusse \vurde er Vorstand der Marinesektion im Kriegsministerium. Leider starb er in jungen Jalnen. Er war wahrhaft ein Held, hochgebildet und edel- gesinnt, voli Tatkraft und Herzensgiite. (Vergl. Prinz Eugen von Savoyen.) 2 Das preuBische Zundnadelgevvelir schofi mindestens dreimal so schnell wie der bsterreiehisohe Vorderlader; uberdies herrschte bei uns die veraltete StoB- taktik mit dem Bajonette, in PreuBen dagegen die Feuertaktik und zerstreute Feclitart. Zee h e - II e I de r I c h, Osterr. Vaterlanilsluinde. 9 130 Vierter Abschnitt. Hieder osterreich ein und gidifen im sere Truppen nochmals bei Blumenau an; da maclite der Waffenstillstand dem weiteren Blut- vergieBen ein Ende. Der Friede wurde mit PreuBen zu Prag abge- schlossen (23. August) ; Osterreicli verpflichtete sicli darin, aus dem Deutschen Bunde zu scheiden, auf seinen Anteil an den Elbeherzog- tiimern zu verziehten, Venetien an Italien zu iiberlassen und eine Entschadigung der Kriegskosten zu zahlen; dagegen wurde ihm keine Gebietsabtretung zugemutet. Mit dem Austritte Osterreichs aus Deutschland gelangte eine mehrhundert- jiihrige Entwicklung zum Abschlusse, die mit der Erhebung Osterreichs zum Herzogtume begann und durch die Verbindung Bohmens und Ungarns mit den Alpenlandern, durch den tVestfiilischen Erieden, den Verlust Schlesiens und die Salculaiisation der geistliehen Fflrstentiimer in Deutschland fortgesetzt \vurde. 1 Italien erhielt durch den Erieden von Wien Venetien (3. Oktober). So war die letzte Erinnerung an die Zeit Metternichs beseitigt (S. 116). 1878. 5. Die Besetznng Bosniens und der Herzegowina (1878). Auf dem Berliner Kongresse, der den Erieden von S. Stefano der BeschluBfassung der GroBmaclite unterzog, erhielt Osterreich die Ermachtigung, Bosnien und die Herzegowina zu besetzen, um diesen Herd forttvahrender Aufstande zu beruhigen. Zwar leisteten die Mohammedaner und ein Teil der orthodoxen Christen den oster- reichischen Truppen, die unter Philippovič in Bosnien und unter Jovanovič in die Herzegowina einriickten, Widerstand, so daB es zu erbitterten Kampfen bei Tuzla, Doboj, Zepče und Sarajewo kam; doch erlagen sie bald der tlbermacht und fanden in der Eolge Gelegenheit, die Segnungen einer unparteiischen und reformfreund- lichen Regiorung kennen zu lernen. 6. Der Dreibund. Der Krieg des Jahres 1866 hatte die deutsche und italienische Frage zwar zu Ungunsten Osterreichs entschieden, dafiir war aber auch der Gegensatz zu PreuBen und Italien beseitigt. Dadurch war die Moglichkeit geboten, daB Osterreich mit dem 1879. unter PreuBens Eubrung geeinigten Deutschland im Jahre 187!), als Andrdssg das Ministerium des AuBern leitete, einen Verteidigungs- 1 Schon Pufendorf (III. 32) sagte : „In Osterreich ist alles so geordnet, daB, sobald das kaiserliche Amt auf einen anderen ubertragen wiirde, jene Lfinder sofort ohne Miilie als ein besonderer Staat konstituiert werden konnten." J)i« Regiening Kaiser Franz Josefs T. 131 bund schloB, dem bei seiner Erneuerung im Jahre 1883 auch Italien 1883 beitrat. Der Dreibund hat Europa den Erieden gesichert und Oster- reicli nimmt an der Seite seiner Bundesgenossen dank der eifrigen Reformtatigkeit, die nacli dem Ungliicksj ahre begann, eine aus- schlaggebende Stellung unter den Machten unseres Erdteiles ein. D. Die inneren Verhaltnisse. 1. Die Verfassung. Der Absolutismus versaumte es, durch zeit- gemaBe Reformen Osterreiehs Krafte zn heben, und so legte der Krieg des Jalires 1859 die Schaden des Svstems bloB/ weshalb die leonstitutionelle Neugestaltung des Staates ins Auge gefaBt wurde (I. 171). Der erste Schritt hiezu war das foderalistische Olctober- diplom vom Jahre 1860 unter dem Ministerium Golucliovjski, das 1860 aber nieht zur Ausfiihrung gelangte. 1 2 Auch der zweite Versuch, der unter dem Ministerium Schmerling durch das Februarpatent ge- macht wurde (1861), war nur teilweise vom Erfolge begiinstigt; 3 1861 denn die Magyaren wollten von einem Reichsparlamente, das durch diese Verfassung in Aussicht genommen war, nichts vvissen. Deshalb wurde das Ministerium Belcredi berufen (1865), das die Februar- 1865 verfassung sistierte. Each dem ungliicklichen Doppelkriege des •Jalires 1866 rvurden den Magyaren vom Ministerium B&ust auf Grundlage eines Entwurfes Franz Deaks durch den Ausgleicli vom J ahre 1867 selbstandige Verwaltung und Gesetzgebung gewahrt und 1867 durch die Dezembergesetze die Februarverfassung entsprechend ab- geandert (1867). Die ethnographischen Verhaltnisse der Monarchie bringen es mit sich, daB bei uns die Einfiihrung der Konstitution mit weit groBeren Sclnvierigkeiten als in anderen Staaten ver- bunden ist. 2. Die Verwaltung. Der entscheidende TJnterschied gegeniiber der „vormarzlichen“ Verwaltung ist, daB nunmehr auch bei 'uns an Stelle der kollegialen Beratung und Entscheidung durch die 1 Trotz der riesigen Summen, welche der Absolutismus Verbrauchte, war beim Ausbruehe des Krieges die Ausriistung der Armee sehr mangelhaft; aueli litt das Heer infolge von Untersehleif vielfaeh unter diirftiger Verpflegung. 2 Es zerlegte den Kaisea'staat in vier niditdeutsche (Ungarn, BShmen, Polen und Kram) und nur ein deutsches Gebiet, jedes mit groBen Kechten. 3 Die Sachsen und Kumiinen Siebenbiirgens sowie die Ruthenen waren fflr den Reichsrat, die Polen unschlussig, die Tscliedien blieben seit 1863 weg, die Ungarn und Kroaten erschienen niemals. 9 * 132 Vierter Abschnitt. Mehrheit der stimmbereclitigten Rate das System der Einzelentschei- dung trat, indem die fruheren Hofstellen durcli Ministerien ersetzt \vurden. Dazu kam, daB der Staatsrat, dem es an einem scharf begrenztenWirkungskreise gebrach, durch den Ministerrat verdrangt wurde, der viel mehr die Bedurfnisse des Gesamtstaates beriick- sichtigt. Wie die Zentralstellen, wurden auch die unteren Behorden neu eingerichtet und die letzten Keste derPatrimonialgerichtsbarkeit beseitigt. Fiir die Verwaltung vrurden die Bezirkshauptmann- schaften, fiir die Rechtspflege die Bezirksgericbte eingefiihrt; beide Behorden wurden aber bald wieder als gemischte Bezirksamter ver- einigt und erst im Jahre 1868 dauernd voneinander getrennt. Sehr \viclitig war es endlich, daB die Bevdlkerung durcli die iSTeugestaltung der Landesausschlisse und die Wiederherstellung der Gemeinde- autonomie zur Teilnalime an der Yerwaltung herangezogen wurde, nachdem Jahrhunderte hindurcli der Beamtenstaat die Selbstandig- keit der Bander und Stadte immer mehr eingeschrankt hatte. (Vergl. die Reformen Steins in PreuBen, IIP. 131.) 3. Die kirclilichen Verhiiltnisse. In der Zeit des Absolutismus wurde der Josephinismus fallen gelassen, da die Regierung durch Entgegenkommen gegeniiber der Kirche deren Mitiwirkung zur Her- stellung der erschutterten Staatsautoritat zu gevvinnen hoffte. Zuerst 1855 . wurde das Plaeetum beseitigt, sodann durch das Konkordat (1855) die volle Selbstandigkeit der Kirche anerkarmt, ihr \vichtige Zuge- standnisse auf dem Gebiete des Unterrichtswesens gemacht und die Ehegerichtsbarkeit i.iberlassen. Aber nach der endgiiltigen Ein- fiihrung der Konstitution wurde das Konkordat aufgelioben (1870), die Religionen als gleichberechtigt anerkannt und das gesamte Unter- richtswesen unter die Aufsicht des Staates gestellt. Die Bevormun- dung der Kirche blieb jedoch beseitigt. 4. Das Unterriehtswesen. Um die Hebung der Mittelschulen und Universitaten erwarb sich bereits in der Zeit des Absolutismus Graf Leo Thun, der erste Minister fiir Kultus und Unterricht in Osterreicli, hervorragende Verdienste. Er veranlaBte namlich durcli 1849 . den „Organisationsentwurf“ (1849) die 'iSTeugestaltung der Gym- nasien, wie sie im groBen ganzen geblieben ist, ferner die Errichtung A ? on Realschulen und erhohte die wissenschaftliche Bedeutung der Universitaten durch die Anderung ihrer Einrichtung nach deut- schem Muster und die Berufung beruhmter Gelehrter aus dem Aus* lande; namentlich kam die Reform der philosophischen Eakultat Die Regierung Kaiser Franz Josefs I. 133 zustatten, die iji der Folgezeit den Lowenanteil am geistigen Auf- 8chwunge Osterreiclis hatte. Die konstitutionelle Zeit nakm sich, wie ( -les gesamten, so auch (unter dem Minister Hasner) des Volksschul- ivesens mit dem groBten Eifer an, so daB jetzt Osterreich hinsichtlich des Schuhvesens zu den vorgeschrittensten Staaten gehort. 1 5. Die Literatur. JSTeben der deutschen maclite sicli ein immer groBerer Aufschrvung der slawischen und magyarischen Literatur bemerkbar, was auch in der Griindung von Akademien der Wissen- schaften in Agram, Krakau und Prag Ausdruck fand. a) Die Wissenschaften. Osterreich bat in den letzten 50 Jahren auf allen Gebieten hervorragende Gelehrte aufzuiveisen; namentlicli gelangte die Wiener medizinische Fakultat um 1840 zu groBer Bliite. Besonders beriihmt sind: der Phjšiolog Brucke, der Anatom Hyrtl, der Begriinder der pathologischen Anatomie Rokitansky, die Geo- logen Hochstetter, Hauer und SueB, der Botaniker Unger, der Physiker Boltzmann, die Juristen Glaser und Unger, die Ilistoriker FicJcer, Hub er, Lorenz, Sickel, Stumpf. Ficker durchforsclite die deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte, ILuber und Lorenz die oster- reichische Geschiclite, Sickel und Stumpf beschaftigten sich haupt- sachlich mit der Urkundenlehre. Das Institut fur osterreicliische Geschichtsforschung, das im Jahre 1904 seinen fiinfzigjahrigen Be¬ st and festlich beging, ist jetzt der Mittelpunkt der Geschichts¬ forschung in Osterreich. GroBe Verdienste envarb sich Osterreich durch die Veranstaltung von wissenschaftUchen Reisen; in dieser Beziehung zeichneten sich v. Scherzer, Payer, Weyprecht, Kanitz, Lenz, Baumann u. a. aus. bj Die Dichtkunst. Zu den Di eh tern des friiheren Abschnittes, die teilweise auch jetzt nocb tiitig waren, kamen neue hinzu. Besonders hervorzuheben sind: der Lyriker (Ulm aus Vorarlberg, der Lyriker und Epiker Hamerling aus Nieder- osterreich, der Novellist Stifter aus Oberosterreich, der Dramatiker und Roman- scliriftsteller Anzengruber aus Wien, der Novellist und Kulturschilderer Rosegger aus Steiennark, der vielseitige Pichler aus Tirol, der Balladendiehter Leitner aus Craz, der Novellist 8aar aus Wien, die Novellen- und Romandichterin Marie von Itibner-Eschenbach aus Mahren u. v. a. In Wien schuf der Holsteiner Hebbel seine bedeutendstcn Dramen, Das Burgtlieater war unter Laubes langjiihriger Leitung die erste deutsche Biiline. 6. Die Kunst. Wahrend in der vormarzlichen Zeit nur in der Malerei Werke von bleibender Bedeutung geschaffen wurden, 1 Vor dem Jahre 1848 gab es in Osteireich nur 84 Gymnasien und 93 Mittel- sehulen iiberhaupt; gegenwartig bestehen 244 Gymnasien und 131 Realsohulen. 134 Vierter Abschnitt. gelangten jetzt alle Kunste zu einem groBartigen Aufschivunge. Dieser gehort in der ersten Halfte der Herrschaft des Kaisers Franz Josef hauptsachlich Wien an, verbreitete sich spater aber auoh iiber die einzelnen Bander. Nadi Wien kommt besonders Pest in Betracht. In Wien gaben der Bau der Altlerchenfelder Kirche, die von Fiili- rich und seinen Scliiilern reicb ausgemalt wurde, und die Auflassung der Festungswerke, die der Kaiser im Jahre 1851 verfiigte, den AnstoB zur Neubelebung der Knnst; der Staat und reiche Privatie wetteiferten bald in ihrer Forderung. Als Architekten zeichneten sich besonders aus: Van der Nuli und Siccardsburg (Arsenal und Operntheater), Ferstel (Votivkirche und neue Universitat), Hansen (Reichsratsgebaude), Schmidt (mehrere Kirchenbauten und das Rathaus), Semper und Hasenauer (die beiden Ilofmuseen, das Burgtheater und, von dem letzteren allein, die neue Hofburg). Wieder erlangte die Barocke das Fbergewicht. Die Plastik schuf zahlreiehe Standbilder, an denen Osterreich bis dahin ziemlich arm war. Die beriihmtesten Bildhauer sind: Fernkorn (Erzherzog Karl und Prinz Eugen), Kundmann (Portratgestalt des Schubert- und Grillparzer-, ferner das Tegetthoffdenkmal), Weyr (Bacchuszug am Burgtheater, die Reliefs am Grillparzerdenkmale, das Denkmal Karls des GroBen), Tilgner (Portriitbildner), Hellmer (Tiirken- und Goethedenknial), Zumbusch (Maria Theresia-, Badetzky- und ErzherzogAlbrechtdenkmal),ilf 2 /s^efc, der bedeutendste tschechiscbe Bildhauer. Ein besonders eifriges Schaffen entwickelte sich in der Malerei; hervorzuheben sind: der Wiener Rahl (Begriinder der neueren weltlichen Monumentalmalerei in seiner Vaterstadt), der farbenfreudige Salzburger Makart, der Historienmaler Feuerbach aus Speyer, der Pole Matejko, der Tscheche Brozih, der Magyar Munkacsg, alle drei Historienmaler, der Portratmaler Angeli aus Odenburg, der Genremaler Deffregger aus Tirol, Pettenkofen und Kurzbauer aus Wien, die Landschafter Selleng aus Niederosterreich und Zimmermann aus Zittau, der Aquarellist Alt aus Wien usw. Wahrend die groBen Baumeister iiberwiegend Auslander sind, ge- horen die Maler und Bildhauer fast ausschlieBlich Osterreich selbst an. Auch die vervielfaltigenden Kunste gelangten zu hoher Bliite; als Holzschneider zeichnete sich Flecht, als Padierer Unger und als Kupferstecher Jacobg aus. Einen groBartigen Aufschvvung nahm auch das Kunstgeiuerbe, das in der ersten Halfte des neunzehnten Jahrhunderts in ganz Die Regierung Kaiser Franz Josefs I. 135 Europa verfallen war. x Zu diesem Aufschwunge trugen die Tatigkeit vieler Kiinstler auf diesem Gebiete, der Eifer des 'Kunsthistorikers Eitelberger, die Griindung des Museums fur Kunst und Industrie und der Kunstgewerbeschule in Wien sowie die Errichtung zahl- reicher Fachschulen bei. Die Wiener Weltausstellung (1813) gab eine glanzende Probe der osterreichischen Leistungen und min- destens ein Jahrzehnt lang hatte Wien die Fiihrung des Kontinents auf kunstindustriellem Gebiete. 7. Die Musik. Auch in der Musili bezeicbnet die Regierung unseres jetzigen Kaisers einen Wendepunlit; denn an Stelle der italienischen Oper und der Tanzmusik, die Wien friiher beherrscht hatten, trat seit der Eroffnung des neuen Operntheaters und des neuen Musikvereinsgebaudes die Pflege der ernsten deutschen Musili. Richard Wagners grobe Opern wurden mit wachsendem Erfolge aufgefiihrt, der Hamburger Brahms und der Oberosterreicber Bruclcner schufen in Wien ibre grobartigen Tonwerke. 8. Die inaterielle Kultur. Auch liier macbte sich allenthalben ein bedeutender Fortscliritt bemerkbar. Deni Bauernstande kam vor allem die Grundentlastung (aucli in Hngarn) zugute; 2 diese machte den Bauern zum freien Eigentumer von Grund und Boden, beseitigte die darauf haftenden Lasten und ersetzte die gutslierrliehe Geriehts- barkeit- durch die staatliche. Die Grundentlastung erfolgte gegen Entschadigung der Gutsherren, die zu gleichen Teilen die Bauern, die Lander und der Staat leisteten; es ivurden namlich sogenannte Grundentlastungsobligationen ausgegeben im Gesamtbetrage von 660 Millionen Kronen, die nunmehr ganzlich zuriickgezahlt sind. 3 Seit den siebziger Jahren leidet auch bei uns der Bauernstand unter der iiberseeischen Einfuhr; es wurde daher im Interesse seiner Er- haltung die Ereiteilbarkeit des Bodens eingeschrankt. Eerner kamen der Landwirtschaft die Errichtung zahlreicher Fachschulen, die J Nur die kaiserliehe Porzellanfabrik machte um 1800 eine Ausnahme, deim sie lieferte die kiinstlerisch voliendetsten Porzellanarbeiten der Zeit. 2 Die bauerlichen Lasten wurden vom 1. November 1848 an nicht mehr geleistet. 3 Diese Summe verteilte sieh auf 54.000 bereclitigte und iiber 2 1 / 3 Millionen verpflichtete Personen; die letzteren hatten bis dahin jahrlich 38 x /2 Millionen Tage Hand-, gegen 30 Millionen Zugrobot, ungefahr 1,200.000 hi Kornerfruchte und iiber 12 1 /. Mili. Kronen in barem zu leisten. In keinem anderen europiiisehen Staate wurde die Grundentlastung so sehnell und erfolgreich durchgefiihrt wie in Osten-eieh, 1873. 136 Vierter Abschnitt. Verbauung der Wildbache und die Vornahme von FluBlaufregu- lierungen zugute. Dem Oeiverbe waren die verbesscrten Scluileiu- richtungen, die Aufhebung des Zunftzwanges 1 und die Einfiihrung der Gewerbefreiheit (1859) forderlicli; den Ausschreitungen der letzteren und der Bedrangnis durcli die GroBindustrie trat die Ge- werbenovelle (1883) entgegen. 2 Einen gewaltigen Aufsclrsvung nahmen Industrie und Handelj liiezu trug namentlich der Ausbau des Eisenbahnnetzes, die Beseitigung der ungarischen Zollschranken (1850) und der AbsohluB von Handelsvertragen bci. Nadi auBen hin galt, seit im Jahre 1849 das Prohibitivsystem gefallen war, a) strenges Schutzzollsystem bis 1865, b) Freihandelssystem bis 1878, c) autonome Zollpolitik bis 1891 mit erhohten Zollansatzen und d) gemaBigtes Schutzzollsystem seit 1892. Nadi dem Vorgange des Deutschen Reiclies betrat Osterreich 1885. seit dem Jahre 1885 die Bahn der sozialen Oesetzgebung zum ScKutze der Arbeiter gegen die tlbermacht des Kapitals. Dahin gehort das Verbot der Kinderarbeit, die Einfiihrung der Geworbe- inspektoren, die Sonntagsruhe, die Beschrankung der Arbeitsdauer, die Kranken- und Unfallversicherung. Obwohl demnach Osterreich in der Sozialreform unmittelbar nach dem Deutschen Reiche zu stehen kommt, sind docli die Arbeiter im Kaiserstaate iiberwiegend Sozialdemohraten (III. 213) und halten auch jetzt nocli an den Forderungen. des Hainburger Arbeitertages vom Jahre 1888 fest. Iliese sind: a) Voli e PreB-, Vereins- und V ersammlungsf reiheit; b) allgemeines und direktes AVahlrecht; c) Arbeiterschutzgesetz- gebung; d) allgemeiner, unentgeltlicher und konfessionsloser Unter- richt. ___._____ In den einzelnen Kronlandern herrschen sehr verschiedene Ver- haltnisse, was mit ihren geographischen, geschiehtlichen und ethno- graphischen Verhaltnissen zusamnienhangt; die vorgeschrittensten gehoren in jeder Beziehung zu den im Range ersten Landern des Erdteiles. Es wird dies groBenteils der segensreichen Regierung unseres jetzigen Kaisers verdankt, in welche die dritte groBe Reforin- zeit der Monarchie seit dem Beginne der Neuzeit fiillt. 1 U brige n S war das Gewerbewesen in den einzelnen Landern selir versehieden 'geregelt; auch gab es ziinftige und niclitzunftige Gerverbe. - lhre wiehtigsten zwei Bestimmungen sind: obligatorisches Genossen- sehaftsrvesen und Wiederherstellung des Befahigungsnaehweises. Die Landwirte und die Gewerbetreibenden errichteten Lagerliauser. Lage der weniger bekannten Orte. 137 Lage der weniger bekannten Orte. Aist am gleichnamigen Bache nw. v. Grein in Oberosterreich. Amberg n. v. Regensburg. Andechs sw. v. Miinchen. Auschwitz w. v. Krakau. Austerlitz so. v. Briinn. Baden nw. v. Ziirich. Bihač im nw. Bosnien. St. Blasien so. v. Preiburg. Blumenau nw. v. PreBburg. Breisach nw. v. Freiburg. Brieg st>. v. Breslau. Čampo Formio bei Udine. Chrudim s. v. Pardubitz. Cibinbach fliefit an Hermannstadt voriiber zur Alt. Cusa a. d. Mosel bei Trier. Custoza im Siiden des Gardasees. Danewerk sw. v. Schleswig. Doboj a. d. Bosna. DuklapalJ sw. v. Sanok. Diirnstein sw. v. Krems a. d. Uonau. Ebelsberg so. v. Linz. Eggenburg so. v. Horn. Eipel so. v. Trautenau. Eisenburg no. v. St. Gotthard. Eisenstadt no. v. VViener-Neustadt. Ems (Hohenems) no. v. Feldkirch. Eppenstein bei Judenburg. Erlau no. v. Ofen-Pest. Fontainebleau so. v. Pariš. Freiberg no. v. Neutitschein. Freising no. v. Miinchen. Fricktal so. v. Basel. Frogg bei Velden (am Worthersee). Gemeinlebarn no. v. St. Polton. Georgenberg bei Steyr. Gollheim sw. v. Worms. Goli bei Leoben. St. Gotthard a. d. Raab so. v. Graz. Gottweih s. v. Krems. Griineberg so. v. Pilsen. Gurk n. v. Klagonfurt. Habsburg sw. v. Baden im Aargau. Ilagenau n. v. Strafiburg. Hainburg a. d. Donau nahe der unga- rischen Grenze. Halicz so. v. Lemberg. Harkany sw. v. Mohacs. Haselgraben (Haselbach) miindet unterhalb Linz an der linken Seite in die Donau. Heiligenkreuz nw. v. Baden. Himmelberg sw. v. St. Veit. Hirschau (Hiersau) w. v. Stuttgart. Hoclikircli o. v. Bautzen. Hohenlinden o. v. Miinchen. Hubertusburg 6. v. Leipzig. Innichen o. v. Toblach. Iselberg s. v. Innsbruck. St. Jak, Dorf im Eisenburgor Komitate. Joachimstal n. v. Karlsbad. Karlowitz w. v. Salankemen. Karlstein sw. v. Prag. Kiburg no. v. Ztirich. Klingenberg a. d. Moldau w. v. Tabor. Koniginhof sw. v Trautenau. Konigsaal s. v. Prag. Kroissenbrunn 6. v. Wien, nahe der Marehmiindung. Kunersdorf 6. v. Frankfurt a. d. Oder. Kiirenberg bei Linz. Kuttenberg so. v. Kolin. St. Lambrecht nw. v. Friesach. La Tene am Nordufer des Neuen- burger Sees. Laufenburg o. v. Basel. Lavanttal im 6. Karaten. Liechtenstein, Ruine bei Judenburg. Lilienfeld s. v. St, Polten. Lipan o. v. Prag. Lorch bei Enns. S. Lucia (prahistor.) an der Miindung der Idria. S|Lucia (Schlacht 1848) bei Verona. Lundville so. v. Kancy. Liitzen sw. v. Leipzig. Magenta w. v. Mailand. 138 Lage der weniger bekaunten Or te. Mahr bei Brixcn. Mailberg so. v. Znaim. Marengo bei Alessandria. St. Martin so v. Raab. Maultasch so. v. Meran. Maxen s. v. Dresden. Mies nw. v. Pilsen. Millstatt am gleiclmamigen See in Kiirnten. Mohacs so. v. Fiinfkirchen. Mohi no. v. Erlau am Saj o. Montfort no. v. Feldkirch. Morgarten, Bergabhang n. v. Schwyz. Mtihl (die Grofle) mUndet nw. v. Linz am linken Donauufer. Miililbach no. v. Franzensfeste. Miihlberg nw. v. Dresden. Miihldorf no. v. Miinchen am Inn. Nachod so. v. Koniginhof. Nafels n. v. Glarus. Nassenfufi- nw. v. Rudolfswert. Neuberg am Oberlauf der Miirz. Neuhausel n. v. Komorn. Nidwalden der no. Teil von Unter- walden. Nissa nw. v. Sofia. Novara w. v. Mailand. Ostrach in Hohenzollern so. v. Sig- maringen. Oversee n. v. Schlesvvig. Passarowitz so. v. Belgrad. St. Paul im Lavanttale. Pernstein w. v. Briinn a. d. Schwar- zawa. St. Peter im Holz bei Spittal in Karaten. Peterwardein nw. v. Karlowitz. Petronell sw. v. Hainburg. Peurbach no. v. Neumarkt in Ober- osterreich. Pilica miindet s. v. Warscliau in die Weicksel. Pitten siv. v. Wiener-Neustadt. Podiebrad nw. v. Kolin. Raabs im nw, Niederosterreich a. d. Thaya, Radkersburg no. v. Marburg a. d. Mur. Raigern so. v. Briinn. Rattenberg sw. v. Kufstein amj lnn. Rencntal bei Landshut in Bayern. Rinn bei Hall im Inntale. Rohrau bei Bruck a. d. Leitha. Runkelstein bei Božen. Saben sw. v. Brixen. Sachsenburg nw. v. Spittal in Karaten. Sachsenfeld bei Cilli. Sacile n. v. Venedig. Saida an der Stelle des alten Sidon. Salankemen gegenuber der Tlieifi- miindung * Schalaburg bei Melk. Schaumberg w. v. Linz. Schlaggenwald sw. v. Karlsbad. Seckau no. v. Judenburg. Seefeld nw. v. Mailberg, nahe der mahrischen Grenze, w. v. Laa. Seewalchen am Nordende des Atter- sees. Sempach nw. v. Luzern. Solferino w. v. Custoza. Sonnenberg, Ruine bei Bludenz. Sonnenburg bei Bruneclr. Spanheim sw. v. Mainz. Spitz sw. v. Krems a. d. Donau. S. Stefano sw. v. Konstantinopel. Stockach im so. Baden. Strahow auf dem Hradschin in Prag. Stra6walchen no. v. Salzburg. Szatmar no. v. Debreczin. Sziget w. v. Fiinfkirchen. Szistowa 6. v. Nikopolis. Taus sw. v. Pilsen. Tischnowitz nw. v. Briinn a. d. Schwarzawa. Trau nw. v. Spalato. Trebitsch so v. Iglau. Tschernembl so. v. Rudolfswert. Tuzla so. v. Doboj. Veile im so. Jiitland. Viktring sw. v. Klagenfurt. Vilagos no. v. Arad. Visegrad a. d. Donau w. v. Waitzen. Lage der weniger bekannteu Orte. 139 Watsch no. v. Laibach. Weitra im nw. Niederosterreich. Wies nw. v. Marburg. Wohlau nw. v. Breslau. St. Wolfgang am gleichnamigen See in Oberosterreich. Wolkenstein no. v. Božen. Zator sw. v. Krakau. Zenta s. v. Szegedin. Zepče s. v. Doboj a. d. Bosna. Zsitvatorok bei Komora. Zug no. v. Luzern. Zwetker am Rhein (nicht naher be- nannt). Zwettl im nw. Niederosterreich am Kamp. 5Jweiter Teil. Geographie und Statistik der Monarchie. Von F. Heiderich. ' Erster Abschnitt. Allgemeiner Uberblick. Geographische Lage und Abdachungsverhaltnisse. O s ter - reich-Ungarn ist ein mitteleuropdischer Staat, reicht aber mit einem kleinen Teile seines Gebietes auch in das klimatisch, landschaftlicli und kulturell anders geartete Siideuropa. In semen weitesten Grenzen umfaBt Mitteleuropa das ganze Land vom Miindungs- gebiet des Rheins und dem Wall des Wasgan.es (Vogesen) bis ost- licli zu einer ungefahr von Odessa nach Ilonigsberg verlaufenden Lime, an der sicli plotzlich der breite osteuropaische Rumpf auf die H alf te versehmalert; es umschliefit demnacb das germanisciie Tiefland, die deutsehen Mittelgebirge, die Alpen bis zum Grenfer See, das Karpathensystem und die dazwisehen eingebetteten Becken- landsehaften. Eine aufmerksame Betrachtung der FluBlaufe laJ3t er- 'kennen, daB Mitteleuropa vornehmlicli von ziuei Abdachungen be- berrscbt wird: einer nordwestlichen (zur Kord- und Ostsee) und einer sudostlichen (zum Schwarzen Meere), neben welchen eine drittej sudliche, zur Adria hinableitende an Ausdehnung und Grobe der FluBentwicklung ganz zuriicktritt. O st er reich-Ungarn breitet sieli mit dem weitaus groBten Teile seines Gebietes iiber die siidostliohe Abdachung Mitteleuropas aus, wodurch unserer Monarchie von Natur aus die Rolle eines Durch- gangslandes nach dem Orient zugewiesen vrerde. Diese siidostliche Abdachung greift aber auch noch mit dem Oberlauf und dem Quell- gebiet der Donau tief nach Siiddeutschland ein, wie anderseits die nordwestliche Abdachung noch ganz Bohmen (Elbe - Moldau), Schlesien und das westliche Galizien (Oder und Weichsel) um- schlieBt. Die europaische Hauptivasserscheide, die das Abdacliungs- und FluBgebiet des Atlantischen Ozeans von dem des Mittelmeeres trennt, folgt nur selten. Gebirgskammen (Bohmerwald), sondern nimrnt vielmehr zumeist ihren Verlauf iiber wellige H.ochflachen und Bache Bodenschwellen, so daB der Verhehr in der Bevvaltigung dieser niedrigen Wasserscheide nirgends ernstliche Hindernisse 144 Krater Abschnitt. findet und seit alter Zeit die beiden Abdaehungen verkniipfte. Viel schdrfer ist die sekunddre Wasserscheide gegen die Adria aus- geprdgt. An f osterreichischem Boden geht sie liber die Plauptkamme der Otztaler und Zillertaler Alpen, springt dann plotzlich in schar- fer Knickung auf die siidlichen Kalkalpen iiber und verliiuft \veiter, ziemlich knapp sich am Meere haltend, in siidostlicher Rich- tung iiber die Karstlandschaft. Aber diese Wasserscheide besitzt doch tiefe Einschartungen (Brenner, Saifnitz- und PontafelpaB), die zum FluJBgebiet der Donau und zu dieser selbst hiniiberleiten. Auf dem Toblaeher Eelde (1204 m) gelangt man so unmerklich aus dem FluBgebiet der (Etsch-Eisack-) Rienz in das der (I)onau-) Drau, dai3 die fortlaufende Talflucht diesseits wie jenseits der Wasserscheide denselben Ramen (Pustertal) fiihrt. Von der adriati- schen Abdachung fiihrt demnach der Verkehr iiber Einschartungen und Liicken der Alpen zum FluBgebiet der Uonau und von diesem iiber niedrigeWasserscheiden (Bohmisch-mahrische Ildhe, Šenke bei WeiBkirchen) zu den FluBsystemen der norciivestlichen Abdachung. So ist der Westen unserer Monarchie durch seine natiirliche Aus- stattung immer ein ivichtiges Durchgangsland nach Italien ge- ivesen. Die groBen Ziige des physischen Aufbaues. Der orographisch- tektonische Aufbau der osterreichisch-ungarischen Monarchie ist iiberaus mannigfaltig und vereinigt die groBten Gegensatze: Schnee- bedeckte, in Spitzen und Zacken anstrebende Ilochgebirge, wellige, waldumhiillte Mittelgebirge, rauhe, ernste Ilochlander, iveite, un- iibersehbare Tieflander schaffen eine Fiille von Landschaftsbildern, wie sie in gleicher Mannigfaltigkeit kein europaischer Staat auf- weist. Ivi den Z iigen des heutigen Relief s lesen wir auch die Ge- schichte seines Werdens und in dieser vertieften genetischen Auf- fassung konnen wir nach der Art und dem Alter der Entstehung folgende orographisch und tektonisch scharf charakterisierte Land- scliaftsgruppen unterscheiden. 1.) Zivei Schollenljinder, das Bohmische Massiv und die Podo- lische Platte (in Ostgalizien), uralte Stiicke der Erdkruste, die seit den altesten erdgeschichtlichen Zeiten (Devon) keine Auffaltung mehr erlitten, wohl aber durch Pressungen vielfach in Schollen zer- triimmert, anderseits durch die seit unermeBlichen Zeiten tatigen Krafte der Verwitterung und Abtragung abgehobelt und erniedrigt wurden. Wahrend aber auf dem Bohmischen Massiv das Felsgeriist 145 Allgemeiner ttberbliek. groBtenteils bloB liegt oder mir mit diinner Vervvitterungskruste mnkleid.et ist, mrd es auf der Podolischen Platte durcb jiingere Ablagenmgen (Diluviiun) verdeckt und ist nur in tiefen FluBein- schnitten aufgeschlossen. 2.) Drei jun ge Faltengebirge, Alpen, Karpathen und Karst, derenPaumgebiete zurZeit, als die Bohmische und Podolisclie Masse sehon langst als Pestiandstiicke bestanden, groBtenteils von tiefen Meeren eingenommen waren. In diesen Meeren wurderi die meisten Gesteinscliicliten , die lieute dieses Gebirge zusainmensetzen, ab- gelagert und dann durch spatere Paltungen gebirgsliaft aufgerichtet. Die letzten und fiir das heutige Relief entscbeidenden Paltungen fan- den erst in geologisch sehr junger Zeit, im Tertiiir, statt. Die an der Zerstorung der Erdoberflache unausgesetzt wirkenden Kriifte der Erosion und Denudation modellieren daher an dem Relief viel kiir- zere Zeit als auf dem Bohmiscben Massiv und der Podolischen Platte und haben die Gebirge noch nicht in solcliem MaBe zu erniedrigen vermocht, wie auf diesen alten Massen. Mit den jugendlichen Ziigen ihres Relief s stelien die Paltengebirge in scliar- fem Gegensatz zu den greisenhaften der alten Schollenlander. 8.) Drei zentrale BeckenJandsehaften, das Wiener, das ober- ungarische und das niederungarische Becken, die tiefsten und jiing- sten Gebilde imAufbau unserer Monarchie. Sie entstanden erst gegen Ende der letzten Faltung der oben genannten Faltengebirge durch groBe Einbruche der Erdkruste, die den friiher bestandenen Zu- sanunenhang zwischen Alpen und Karpathen vollig zerrissen. Da- gegen blieb die Verkniipfung von Alpen und Karst groBtenteils er- halten, obwohl aucli hier der Einbruch des Laibacher Beckens eine kleinere Liicke geschaffen hat.J- Die geographische Bedingtheit in der Ausdehnung der Mon¬ archie. Die nacli Entstehung, Aufbau und Hohenlage so verschie- denen Landschaften werden durch die Donau zu einer geographi- sclien Einheit verkniipft. Das Donautal ist die mittlere Sammel- rinne und Verkehrsfurche, nacli der sich fast drei Viertel (71 • 5 %) der Gesamtflache der Monarchie entwassern. Fiir die geographische Bedingthed des Wachstums des Staates aus kleinen Anfangen liber weite Raume liinaus ist es bedeutsam, daB sich das Ilerz und der Kern der Monarchie, die beiden Erzherzogtiimer Osterreicli, zu beiden Seiten der Donau und iiber ein Gebiet ausbreiten, wo sich Alpen, deutsches Mittelgebirge und Karpathen mit einer zentralen Becken- Zeehe-Heiderich, Osterr. Vaterlandskunde. 10 146 Ersfaer Abschnitt. landschaft, dem Wiener Becken , treffen. Von hier aus wurde die Erwerbung der Alpenlander betrieben, mit deren wichtigsten Langs- und Quertalern das Wiener Becken liber den Semmering himveg in Verbindung steht, von hier aus wurden die Sudetenlander angiegliiedert, von welchen das Marchgebiet hjdrographiscli der Donau angehort und in seinen zentralen Teilen eine Eortsetzuug des Wiener Beckens bildet. Aber auch das zur Nordsee entwasserte Bohmen ist durch die Eigenheit seines orographischen Aufbaues (liohe Randgebirge im Westen und Rorden, dagegen eine niedrige, dem Verkehr keine ernstlichen Scbwierigkeiten bietende Boden- scliwelle im Osten) in seinen politischen und wirtschaftlichen Inter- essen auf das Donaubecken angewiesen. Yom Wiener Becken aus wurde schlieBlicli die Donau liinab und durch die offenen Liicken zu beiden Seiten des Leithagebirges der Machtbereich liber das weite, ringsum von Gebirgen umgiirtete und nur nach Westen offene unga- rische Tiefland ausgedehnt. Die Monarchie hat sich noch iiber diesen natiirlichen Rahmen liinaus erweitert. E in Staat gleicht einem lebenden Organismus, dessen Waclistum sich frei entwiclceln will. Ein kraftvoller Staat beschrankt seine Anspriiche nicht auf ein von natiirlichen Grenzen umschlossenes Gebiet, sondern sucht liber Gebirgskamme, Wasserscheiden und FluBlaufe himveg das vorliegende Land zu enverben, teils zur Sicherung der alten Grenze, noch mehr aber, um neuen Raum zur politischen und wirtschaftlichen Kraftigung zu erringen. So ist iiber den Kamm der Sudeten und die niedrige Wasserscheide von WeiJ3kirchen liiniiber das vorliegende Oberland, iiber den Brenner himveg die Siidabdachung der Alpen bis in die Ebene hinein envorben worden. Schon friiher hatte man, den Karst iibersteigend, den Golf von Triest und damit das belebende, den Blick in die Eerne lenkende Meeresgestade erreicht und, in dem iVlaBe, als die Wertscliatzung der IVfeereskiiste Avuchs, groBere Teile der Adria zu umfassen versucht, wenn auch nur zunachst durch einen sehmalen Kiistenstreifen (Dalmatien), dem erst durch die Besetzung von Bosnien xmd der Herzegowina ein Hinterland ge- geben wurde. Den geringsten organischen Zusammenhang mit dem iibrigen Staatskorper hat das nordliche Karpathenvorland, aber dessen Besetzung war bei dem Zerfall Bolen s eine politische Rotwen- digkeit. Hier ist auch die Grenze schlecht und offen, erhalt aber doch durch den fernen Wall der Ivarpathen eine machtige Scliutz- Allgemeiner Uberblick. 147 \vehr. Sonst ist die Grenze zumeist eine natiirliche, durcli Gebirge oder FKisse gebildete. Auf kleinere Strecken offen ist sie nur gegen Deutsehland in Schlesien und bei Salzburg, im Limgebiet gegen die Tiirkei und bei Gorz gegen Italien. Der lieutige Grenzverlauf ist demnach als geogiuphisch Bedingtes und geschichtlich Geivordenes keineswegs so willkiirlich, als ein fliichtiger Anblick der Karte vermuten lieBe. Die Grenze hat im Laufe der Zeiten vielfach geschwankt und ude Triimmer um eine alte Feste liegen weitliin zerstreut Gebiete, die ehedem der habsburgiseben Machtspbiire unterstanden und sich nicht behaupten lieBen. Im Gegensatze zu den zerrissenen Landergebieten, liber ivelche die Habsburger ehedem geboten, bildet das lieutige Reich ein in sich geschlossenes, organi- sches Ganzes. Osterreich-Ungarn hatte eine groBe geschichtliche und kul- turelle Mission zu erfiillen und ist bis heute ein lvichtiges und unentbehrliclies Glied in der europaischen Staatengruppe geblieben. Auf seinem Roden haben sich Kampfe von iveltgeschichtlicher Be- deutung abgespielt. Es war ein festes Bollwerk, das Europa vor tiirkischer tTberflutung schutzte und als Glied des Ileiligen Romi- schen Reiches deutscher Kation hat es deutschen Boden gegen Frankreich verteidigt. Seine j ahrhundertelange Vorniachtstellung in Deutsehland muBte verloren gehen, als das rasch anwachseude PreuBen mehr Gebiet auf deutschem Boden erwarb, als Osterreich besaB, und ihre Behauptung war eigentlich schon von dem Zeit- punkte an nnhaltbar geworden, als die Bemiihungen Josefs II., Bayern zu erwerben, durch den Einspruch Friedrichs II. gescheitert waren. Seit dem Ausscheiden aus dem Deutschen Bunde hat Oster- reich-Ungarn sein Ilauptaugenmerk wieder nach dem Siidosten, dem Balkangebiet, gerichtet, woliin wiclitige wirtscbaft-liche Interessen zielen; es kann dort keine politischen Verivicklungen und Keu- gestaltungen dulden, welche seine Interessen lcreuzen oder gar ver- nichten konnten. Kicht unbemerkt soli gelassen werden, daB Oster¬ reich-Ungarn mit dem eng verbiindeten Deutschen Reiche den .Avaffenstarrenden Schutzwall Mittel- und IVesteuropas gegen jede Bedrohung bildet. Die Bewohner; Trennendes und Verkniipfendes. Auf dem Boden Osterreich-Ungarns treffen sich die drei groBen Europa be- Avohnenden Volkergruppen der Germanen, 8lawen und Bomanen mit dem uralisch-altaischen Stamm der Maggaren- Zwischen Kord¬ ič* 148 Erster Absehnitt. und Stidslawen schiebt sich hier trennend der germanisch-magya- risch-rumanische Block. Kem e einformige Bodengestaltung h at hier, wie in RuBland, die ethnischen und kulturellen Gegensatze z\vi- schen den verschiedenen Volkern gemildert oder gar ausgeglichen, sondern die Mannigfaltigkeit des Beliefs hat die Erhaltung der Besonderheiten geradezu begiinstigt, namentlich im Ssterreicldschen Staatsgebiet, wahrend ihr in Ungarn die geographische Geschlossen- heit des Donaubeekens doch einigermaBen entgegenwirkte. En- bekiimmert um die Sprachengrenzen nimmt die politische Grenze ihren Verlauf und so umschlieBt die Monarchie Volkerschaften, deren Hauptsitze jenseits ihrer Grenzen liegen. Sie grenzt an Deutschland mit Deutschen, an BuBland mit Kussen und Polen, an Rumanien mit Rumanen, an Ser bi en mit Serbo-Kroaten, an Ita- lien mit Italienern. DaB die Sprachgrenzen, die bei der Entwicklung des nationalen Gedankens im letzten Jahrkundert auch immer zu- gleich Reibungsfldchen sind, im Herzen Europas nicht mit den poli- tisclien zusammenfallen, vermindert zwar fiir Europa die Kriegs- gefahr, stellt aber den Staat, der so viele Volkerschaften umschlieBt, vor schwierige Aufgaben und schwere innere Kampfe. Osterreicli- Ungarn ist gleichsam ein Versuchsfeld, auf dem die richtige Art und Weise gefunden werden soli, wie verschiedene hlationen zn gemeinsamer kultureller Arbeit im Innern und zu einem treu zu- sammenhaltenden Volke nacli auBen vereinigt werden konnen. So fremdartig auch Osterreich-Engarn als polyglottes St,aatswesen den europaischen hTationalstaaten gegenuberstehen mag, die einzelnen Volkerschaften sind doch durch gemeinsame wirtschaftliche Inter¬ esen und nicht zumindest durch das auf heimischen und fremden Schlachtfeldern gemeinsam vergossene Blut miteinander verkniipft und verkittet. Die natiirliche Ausstattung der Monarchie. Osterreich-Engarn ist ein von der Eatur begiinstigtes Band. Das Klima, das in erster Lime die Siedlungen des Menschen und seine kulturelle Arbeit be- stimmt, ist bei allen Verschiedenheiten, die sich durch die bedeu- tende geographische Langen- und Breitenausdehnung (von 9% 0 bis 26(/2 0 ostlicher Lange v. Gr. und von 42 0 bis 51 0 nordlicher Breite) ergeben, sowohl in bezug auf Envarmung wie Benetzung durchaus ma&voll und frei von schadlichen Extremen. Trote der vielen Ge- birgserhebungen liegen noch iiber 85 % der Gesamtilache unter einer Meereshohe von 1000 m, die in unseren Breiten im allgemeinen als Allgemeiner tlberblick. 149 die obere Grenze der dauernden meusclilichen Besiedlung, des Bodenbaues und des Massenverkehrs gelten kann. Die den Boden der Monarchie zusammensetzenden Gesteine sind zumeist fruchtbar, zum Teil (wie der weite Elaohen einnehmende BoB) von auBer- ordentlicher Ergiebigkeit; der Vegetation ungiinstig sind eigent- lich nnr die Kalkgesteine, die ungefahr 9 x /2 % der Gesamtoberflache einnekmen. Aus der Tiefe werden reiclie Bergbauschdtze gefordert, ivelche zusammen mit der Landvuirtschaft die in einigen Bandes- teilen hocdientwickelte Industrie mit den notigen Rolistoffen ver- sorgen. Die nach Lage, Klima und Boden verschieden ansgestatteten Landesteile geben aucb den verscliiedensten wirtschaftlichen Er- 'werbszweigen die giinstigsten Bedingungen und der Austausch ihrer eigenartigen Produkte bat einen d urok natiirliclie Verkekrslinien geforderten Handel im Innern hervorgerufen, der in den letzten Jabrzehnten auch maehtvoll nacli auBen drangte und mit Erfolg AnschluB an den Welthandel suchte. Wie ivenig andere europdische Slaaten, kommt Osterreich-Ungarn dem, Ideal einer sich selbst be- friedigenden ivirtschaftlichen Existenz nahe; es vermag seinen Be- darf an Nahrungsmitteln noch groBtenteils selbst zu decken und seine Industrie macht es auch in industriellen Artikeln immer unabhangiger vom Auslande. Die politische Scheidung in zwei Staaten. Seit 1867 zerfallt Osterreich-Ungarn in zwei Staaten: 1.) die im Beichsrate ver- tretenen Konigreiche itnd Bander („Osterreich“), 2.) die Bander der ungarischen Krone („Ungarn“). Daran gliederte sich 1878 das Okkupationsgebiet, dessen staatsrechtliche Stellung noch niclit geklart ist. Wahrend man in Osterreicli die historischen Bander- individuen, die einzelnen Kroni an der, bestehen lieB, bat Ungarn durch eine neue Komitatseinteilung damit aufgeraumt und nur Kroatien und Sbnvonien eine Sonderstellung belassen. Die beiden Staaten waren bisher von einer gemeinsamen Zollgrenze um- schlossen, so daB sie in wirtscbaftlicher IBinsicht dem Auslande als Einbeit entgegentraten. An diesem Verhaltnisse zum Auslande wird im wesentlichen nichts geandert, wenn an Stelle des Zoll- und Handels biindnisses zwischen Osterreicli und Ungarn ein Zoll- und Handels vertrag tritt. Literatur. Eine auf wissenisehaftlicher Grundlage bembeiide landerkund- Hche Darstellung von Osterreich-Ungarn lieferte A. Supan in Kirchhoffs , Jiinderkun.de von Europa", I. 2. Leipzig und Prag 1889. Ein groB angelegtes, 150 Erster Abschnitt. von dem verstorbenen Kronprineen Rudolf ins Leben gerufenes Werk ist: ..Die osterr.-ung. Monarcliie in Wort und Bild" (24 Bande, Wien 1886—1902). In der Darstellung fiir vveitere Kreise berechnet, enthalt es doeh eine Fiille von hoehwertigem Material, besonders in etlmographischer Hinsicht. Im ersten (tlbersichts-) Bande miissen namentlich hervorgehoben werden: Die Cbarakteristik der Pflanzemvelt von Osterreich-Ungarn von A. v. Kerner, die t'beraieht der Tiergeographie von A. v. Mojsisovics und der klimatologische tlberbliek von ./. Hami. — tlber den Fortschritt der geographisclien Er- forsehung von Osterreich - Ungarn berichtet fortlaufend das „Geograpliische Jahrbuch“ von H. Wagner (Gotha, Justus Perthes) , von Osterreich allein der „Geographische J ahresberieht iiber Osterreich“ (Wien 1S97 — 1907), I.—III. redigiert von R. Sieger, IV.—V. von A. Grund und F. Machacek). Das vvichtigste Werk iiber den gcologisehen Aufbau Osterreichs ist: Diener-Hoemes-SuefS- UhUg: „Bau und Bild Osterreichs" (Wien, Leipzig 1903), neben welchem aber das vortreffliche, in Einzelheiten allerdings iiberholte Werk von Fr.v.Hauer: ,,Die Geologie und ihre Anwendung auf die Kenntnis der Bodenbeschaffenheit der osterr.-ung. Monarcliie" (Wien, 2. Aufl., 1878) seinen Wert behauptet. tlber die eiszeitliche Vergletseherung der Alpen ist ein groBes Werk von A. Penck und E. Briickner: „Die Alpen im Eiszeitalter" im Erscheinen begriffen. An der veiteren geologischen ErschlieBung unseres Vaterlandes sind die osterreicliische und die ungariselie Geologische Reiehsanstalt tatig, deren ,,Jahrbiicher“ iiber den Fortgang der Forschung AufschluB geben. Fiir das klimatologische Material sind fiir Osterreich neben den „Jalirbuchern der k. k. Zentralanstalt fiir Heteorologie und Geodgnamik" auch die von dem (1894 gegriindeten) liydro- graphischen Zentralbureau herausgegebenen „Jahrbiicher“ und „Beitrdge sur HydrograpMe“ (Wasserfiihrung der Fliisse etc.) einzusehen. Eine iiberaus wert- volle Publikation ist Trabert: „Isothermen von Osterreich" (Denkschrift der Kaiserlichen Akademie der Wissensehaften, math.-nat.m-w. Klasse, 73. Bd.). Von der geplanten groBen „Klimatographie von 6sterreich“ ist bisher nur ein Teih „lvlimatographie von Niederosterreich" (Wien 1904) von J. Hann erschienen. In volkskundlicher Hinsicht bildet K. Freiherr v. Gzoernigs „Ethnogi-aphie der osterr.-ung.Monarchie" (Wien 1855—1857) ein grundl©gendesWerk. Recht brauch- bar ist auch das Sammehverk: „Die Volker Osterreich-Ungarns", in 12 Banden (Tesehen). Wertvolle Beitrage bringt die von Haberlandt redigierte ,,Zeitsclirift fiir osterreichische Volkskundc". Eine liervorragende Publikation verspriclit das im Erscheinen begriffene Werk: „Das Bauernhaus in Osterreich-Ungarn und in seinen Grenzgebieten" (Wien und Dresden) zu vverden. Bezuglieh der imrtsehaftlichen Verhiiltnisse fehlen Osterreich almliche moderne Publikationen, wie sie Ungarn in A. v. Matlekovits: „Das Konigredeh Ungarn, volkswirtsehaftlich und statistisch dargestellt" (Leipzig 1900) und anderen Werken besitzt. Was das statistisehe Material betrifft, informieren hiertiber die offiziellen Publikationen der verschiedenen osterreicliischen und ungariechen Ministerien; einen allgemeinen tlberbliclc vermitteln besonders: „OsterreicMsch. Statistisches Jahrbuch", herausgegeben von der k. k. Statistischen Zentralkommission in Wien, alljahrlich erscheinend, und „Ungarisches Statisti- sches Jahrbuch", neue Folge, herausgegeben vom konigl. ung. Statistischen Zentralamt (Budapest). Die Alpenlander. 151 Karten. Die kartographische Grundlage der Monarehie bildet die vom k. u. k. Militargeographiseben Institut in Wien herausgegebene Spezialkarte, 1 : 75.000 (730 Blatter). Schone und iiberaus brauehbare Kartembilder bieten aueli die von demselben Institute hergestellte „Neue Generallcarte von Mitteleuropa 1 : 200.000, und die „Hijpsometrische Karte“, 1 : 750.000. Fur die Alpenlander ist die vortreffliche Itavensteinscbe ,.Karte der Ostalpen", 1:250.000, 9 Blatter, £u empfehlen (3. Aufl., Frankfurt a. M.). Die geologisehe Gestaltung laBt sich iibersiehtlicb ani besten auf den Blattern der sehonen „Internat,ionalen geologisdhen Karte von Europa", 1 : 1,500.000, verfolgen. Die geologisehe tlbersichtskarte dei' osterr.-ung. Monarehie im Mafistabe 1:570.000 von F.v.Hauer (Wien 1876) entspricht nieht mehr ganz dem Stande unserer heutigen Kenntnis. Seit 1898 gibt die k. k. Geologisehe Reicbs- anstalt eine Geologisehe Spezialkarte von Osterreich im Mafistabe 1:75.000 her- aus (341 Blatter und 63 Grenzbliitter). Fiir die Alpen ist F.Noes „Geo!ogische ttbersiehtskarte der Alpen“, 1:1,000.000 (Wien 1890), ein rvertvoller Behelf. Fiir die Verfolgung wirtschaftlicher Verhaltnisse leistet Cliavannes „Physikalisch- statistiseher Handatlas von Osterreich-Ungarn“ (Wien 1887) noeh immer gute Dienste. Als gute Eisenbahnkarte (alljahrlich erscheinend) mufi K. Peuckers ...Eisenbahnkarte von Osterreich-Ungarn" (Wien, Artaria) genannt vverden. ZAveiter Abschnitt. Die Alpenlander. Allgemeine Charakteristik (les GeMrges. Lage und facherartige Ausbreitung. Die Alpen bilden nach Bohe und massiger Entvsdcklung einen hervorstechenden Zug im Aufbau Europas. Osterreich bat von allen Staaten, die in das Ge- birge reichen, den groBten Alpen anteil, wie es aueli mit Ausnalime der kleinen Schweiz geschichtlich wie kein anderer Staat mit den Alpen verflochten ist. Von den zwei groBen Bogenstiicken, West- und Ostalpen, die an der Linie Bodensee, Rheintal, Hinterrhein, Spliigen, Comer-, Luganer- und Langensee zusammenstoBen, gelioren die Ostalpen fast. ausschlieBlich Osterreich an. Im Gegensatze zu den hoheren, schmaleren, gleichsam zusammengerafften Westalpen sind die Ostalpen niedriger, breiter, aufgeloclcerter. Zwischen die n ach Osten facherartig auseinander tretenden Ketten dringt das un- garische Flachland ein und in diesem selbst erheben sich als Vor- posten und losgesprengte Triimmer der Alpenketten einige Insel- gebirgie. In diesem Ubergang und in dieser Ver/lechtung von Ge- birge und Ebene liegt der organische Zusammenhang der oster- reichischen Alpenlander mit der ungarischen Bechenlandschafl. Den nach Osten breiten, offenen Talern entlang sind Vdlkertvellen auf- "'iirts bis in das Herz des Gebirges gequollen und spater wurde aus 152 Ziveiter Absehnitt. dem Gebirge heraus und die Tiiler abwarts abendlandische Kultur nacli Osten getragen. Die zonale Gliederung der Alpen. Bei aller Mannigfaltigkeit des Aufbaues, die wieder in der wecliselvollen Geschichte der Ent- stebung begriindet ist, lassen die Alpen eine zonale Anordnung der sie bildenden Gesteine erkennen. Die altesten Gest eine (Gneis, kristallinische Sehiefer, ■ Granit) umschliefit die Zentral- oder Urgebirgszone. Jiingerer Entstehung (von Eruptivgesteinen 'ab- gesehen, durcbaus Sedimentbildungen) sind die nordlich und siidlioh daran schlieBenden Kalkzonen, deren weiBe, bleiche Kalk- wande sicli in aller Scharfe von dem dunklen TJrgestein abheben. An vielen Stellen sind zwischen die schroffen Kalkalpen und die fini- und eisbedeckten Zentralalpen die audi in ilirem Alter zwischen beiden stehenden sanftgevrolbten Sehieferalpen als bloBes Kber gangsgebirge eingeschaltet. Jiingster Entstehung sind die mit den nordlichen Kalkalpen verkniipften Sandstein- oder Flyseli- alpen, deren niedrige, waldige Bergriicken aus dem durch die Ab- tragung der Zentral- und Kalkalpen abgelagerten und von einer spateren Ealtung aufgewolbten Material gebildet sind. Die Sand- zur Donau reicht und dort mit der deutschen Mittelgebirgsland- steinalpen neigen nach Korden zn dem Alpenvorlande ab, das bis schaft in Eiiblung tritt. Es wird zum Teile von Sedimenten aus Meeren und Seen bedeckt, die noch weiter bestanden haben, als das Gebirge bereits aufgerichtet war, zum groBeren Teile aber ist, es mit Alpenschutt zugedeckt, den die Eliisse und namentlicb die eiszeitliclien Gletscher hinausgetragen haben. Die Zentralalpen sind zumeist dureh grofie Langstalfvrcheu, imNorden durch Inn, Balzach, Enns, im Siiden durch das Pustertal, von den Kalkalpen geschieden. Die orograpMsche Grenze gegen die nordlichen Kalkalpen ist: ArlbergpaB, Inn, Ziller, Gerlos, Salzaeh, Wagreiner Ilohe, Enns, Paltenbaeh, SelioberpaB, Liesing, Mur, Milrz, Semmering, Schwarzau, Leitha; gegen die siidlichen Kalkalpen: Drau, Toblacher Feld, Kienz, Eisack, Etsch und \veiter von Meran aus in seliarfer Knickung gegen SSO., der kurzen Talstrecke der Eliisse Noc-e (Sulzberg), Šarca, Odese folgend (Judiltarienlinie), zumldrosee. In geologischer Ilinsicht aber bilden im Norden nur Inn und Enns scharfe Grenzlinien. Nordlich von der Salzaeh gehen das Urgebirge und die Sehieferalpen bis zu einer von Worgl liber Saalfelden, Bischofshofen nach Scliladming verlaufenden Grenze und auch weiter im Osten reichen Zentral- und Sehieferalpen iiber die Mur und Miirz hinaus bis zur Lime Admont,-Eisenerz-Afienz-Reiebeiiau. Ebensowenig sclmeidet im Siiden das Drau- tal das Urgebirge scharf ab. Das siidlich von der Drau gelegene Bachergebirge setzt sich noch aus Urgestein zusammen und auch in den Karnischen Alpen und Karawanken, ja selbst in den Siidtiroler Dolomiten (Cima d’Asta) taucht vereinzelt Urgestein inmitten jiingerer Gebilde empor. Die Alpenliinder. 153 Die Entstehung des heutigen Reliefs; die Schneegrenze. Eine viermalige Auffaltung, die groBen Einbriiche der Grazer uncl Wiener Budit, der Beclcen von Klagenfurt, Laibach und kleinerer Gebiete (Leoben, Judenburg u. a.) sowie ein stellemveises Empor- quellen von Eruptivgestein in den entstandenen Bissen sind die erd- geschichtlichen Prozesse, die den Bolibau der Alpen geschaffen haben. Die feinere Modellierung, die ganze heutige Phvsiognomie der Alpen mit ilirer Pormenfulle und Formenschonlieit, ihren weit- verzweigten Talsvstemen, ihrem Eeiclitum an Seen ist ein Werk der unausgesetzt vdrkenden Krafte der Venvitterung, Abtragung, Ab- spiilung und Erosion, vor allem aber der eiszeitlichen Vergletsche- rung, die in der jiingsten geologi schen Vergangenheit, dem Quartar oder Diluvium, stattfand. Kiihlere und niederschlagsreichere Zeit- epochen hauften damals im Gebirge ungelieuere Firnmassen an, aus denen riesige Gletscher herausgepreBt wurden, welche die Taler erfiillten und diesen entlang, ja selbst liber niedrige Passe liinweg, sieli auf das Vorland liinausschoben, sich dort ausbreiteten, mitein- ander vereinigten und das mitgeschleppte Gesteinmaterial ab- lagerten. Die heutige Schneegrenze liegt um 1200 bis 1400 m hoher als z ur Eiszeit, sie lialt sich in liohen von 2500 bis 3100 m und dem- entsprecliend ist auch die Vergletsclierung eine verhaltnismafiig geringe, bedeckt aber immerhin in den osterreichischen Alpen eine Pliiche von 1460 km 2 . Die Eis- oder Glazialzeit war keine einheitliche, sondern wurde durch viirmere Epoelien. die Zvvischeneis- oder Interglazialzeiten, getrennt, in denen sieli die Gletscher \vicder zurilekzogen; man kann mindestens vier solcher Vor- stoB- und Rtickzugsperioden untenscheiden. Die eiszeitlichen Gletscher haben GroBes vollbracht. Sie haben das Gebirge von dem Verwitterungsschutt ge- saubert, gleiehsam es ausgefegt und dadurch auf dem bloBen Fels neue An- griffspunkte fiir ihre eigene abstemmende und sprengende Tiitigkeit wie auch fiir die Venvitterung geschaffen, sie haben die Taler erweitert und Seen durch AbdUmmung aufgestaut oder durch ihre Grundmorane ausgeschiirft. Unbedeutend ist die Schneebedeclfung in den nordlichen Kalkalpen (ttber- gossene Alm, Karls-Eisfeld auf dem Dachstein), wo neben der geringeren Holie auch die Steilheit der Gehange die Ansammlung groBerer Sclineemassen ver- hindert, noch durftiger in den siidlichen Kalkalpen (Marmolata), dagegon selil- bedeutend in dem westlielien Absehnitte der Zentralzone, namentlicli in den Otztaler Alpen (vergletscliente Flaclie 480 km 2 ), aber auch in deli Ortler-, Adamello-, Zillertaler Alpen und in den Hohen Tauern (mit dem groBten und schonsten Gletscher der Ostalpen: der Pasterze). Die am \veitesten nach Osten vorgescliohenen Gletscher finden sich in der Gegend der Arlscliarte. 154 Zweiter Abschnitt. Setzen aueh die Gletscher dem Leben eine Grenze, so sind sie doeh ein rvichtiger Faktor im Haushalte der Natur, indeni sie die Niedersehlage auf- speichern und gerade im Sommer durch erhohte Absehmelzung den Fliissen dauernde Wasserfubrung sichern. Das alpine Klima. Das Klima der Alpen ist imVergleicli zu dem der umliegendenLandschaften Jcalter, extremer, feuchter. Klimatisch am begiinstigsten sind jeneGehange, die sicli gegen dieSonne kehren, also die Siid- und Siidostgehange (Sonnenseite), auf denen die Grenzen des Bauimvuchses und aller Kulturpflanzen erheblich hoher geriickt sind, als auf den der Sonne abgekehrten Kord- und Kord- westgehangen (Schattenseite). Das nordliche Vorland gehort ganz dem Bereiche des mitieleuropdiscTien Klinias an, das durch vor- lierrschende Westwinde und durch Niedersehlage zu allen Jahres- zeiten charakterisiert wird, wahrend Siidtirol (Etschtal bis Meran und die Gegend des Gardasees) schon an dem Mittelmeerklima mit seinen milden Wintertemperaturen und regenarmen Sommern Anteil hat. Bekanntlich nimmt die Temperatur mit der Hohe (durehschnittlich um 0 ■ 6 0 C fur 100 m Steigung) wie mit zunehmender geogi'aphischer Breite ab. Aber die Hohen- wie die Breitenlage kommt in den Alpen doeh nur im Sommer . zum Ausdruek, indern in dieser Jahreszeit hoher und nordlioher gelegene Orte tiiefere Temperaturen als niedrigere und siidlicher gelegene zeigen und nur Sonnen- oder Sehattenlage bewirken einige Abiinderungen. Im Winter tritt da- gegen eine formliche Temperaturumstiilpung ein. Da flieBt die kalte, schrvere Luft der Hohen an den Gehangen abwarts, sammelt sich in den rneist durch FluBengen abgesperrten Langstalern und Becken und ruft auf den Talboden eisige Kalte hervor, wahrend die hoheren Berglehnen und Terrassen mildere Tem¬ peraturen aufweisen. Durch iiberaus strenge Wintertemperaturen sind berueh- tigt das Klagenfurter Becken, der Pinzgau und Pongau und das Langstal der Mur, namentlioh in seinern obersten Teile (Lungau). Die reichlicheren Niederschliige der Alpen werden dadurch be- dingt, daB das Gebirge die vom Meere kommenden (nordtvestlichen und siidlichen) regenbringenden Winde zur Ablagerung ihrer Feuch- tigkeit zwingt. Die groBten Niederschlagsmengen fallen an den beiden AuBenrandern (den Regenseiten) der Alpen, und zwar bis liber 200 cm (Raibl in Karnten 218 cm), tvabrend die inneren Land- scliaften relativ trocken sind und nur ein Drittel bis zur Ilalfte der an den AuBenrandern fallenden Niederschlagsmengen erhalten. Ab- norm iiohe Temperaturen werden durch den warm-trockenen Fohn hervorgerufen. Der Folurvvind entstebt, wenn sich auf der einen Ge- birgsseite ein Gebiet aufgelockerter Luft (barometrisches Minimum) Die Alpenlander. 155 befindet. Dieses wirkt aufsaugend auf die Luftmassen der ent- gegengesetzten Gebirgsseite, \velche gleichsam liber den Kamin des Gebirges hiniibergezogen werden. Es steigen also die Luftmassen der entgegengesetzten Gebirgsseite empor, wobei sie abgekiihlt wer- den und sich ihres Wasserdampfes in Kegenscliauern entledigen, so daB sie ziemlich trocken auf dem Gebirgskamm ankommen, von dem sie sich stoBartig in die jenseitigen Taler stiirzen; beim Herab- stiirzen verdichten und eiuvarmen sie sich (fast 1° auf 100 m). Der Fiihn kanu demnaeh sowohl auf der Nordseite (als Siid- und Siid- \vestwind) wie auoh auf der Siidseite (als Nordwind) auftreten. Seine Warme kommt manchen Kulturen in den ndrdlichen Alpentalern zugute, zum Beispiel dem Maisbau im Inntale, doch erzeugt er oft durch das plotzliehe Auftauen uugeheuerer Schneema,ssen gefahrliehe ttbersclrvvemmungen und begiinstigt. in- folge der ausdorrenden Trockenheit Feuersbriinste. Audi rielitet die Heftigkeit seines orkanartigen Auftretens bisweilen sehwere Schaden an und auf Menschen wie Haustiere rvirkt er abspannend und erschlaffend. Die Kulturregionen. Von den Talboden steigt die von dem Menschen durch Kodung des IValdes geschaffene Kulturregion mit ihren Getreidefeldern aufwarts bis 1100 und 1200 m, in einzelnen Talern aber noch weit hoher (imOtztal bis iiber 1900 m). In tieferen I.-agen vermag noch Weizenbau betrieben zu rverden, in holieren Koggen-, Idafer- und Gerstenhan. In den siidlicben Alpentalern ist bereits Mais die vorherrschende Getreidefrucht. Hier ist auch das Hauptgebiet des Weinbaues, der sich zwischen Kastanien- und Manlbeerhainen auf begiinstigten Talterrassen bis 800 m Meeres- hohe emporwagt. Dem Kordsaume der Alpen bleibt der Weinbau fern, dagegen ist er wieder an der Ostabdachung bluliend ent- wickeit. Der Wald ist in groBen Bestanden nocb in der Kulturregion erhalten und wird iiber ihr bis etwa 2200 m Meereshobe allein- herrschend. In den unteren Lagen setzt er sich aus Laub- und Kadel- holz, in lioheren aussclilieBIich aus Kadelholz zusammen. Seine auBersten oberen Vorposten gegen die bis an die Schneegrenze sich ausdelmende futterreiche Almenregion bildet das zwerghafte Krummholz. Die Alpengruppen. Kadi Ahnlichkeiten in der orographischen Gestaltung wie im geologischen Aufbau lassen sich innerhalb der drei Zonen der Zen- tral- und Kalkalpen grdBere Gebirgsgruppen ausschalten und unter- scheiden, deren Grenzen wieder durch Talfurchen und Piisse ge- geben sind. 156 Zvveiter Absc-lmitt. Die Zentralalpen. Die Ratischen Alpen. Zwischen Spliigen (2117 m) mul Brenner (1370 m) breiten sich die Ratischen Alpen aus. Iliren Auf- bau beherrschen gewaltige Gebirgsstocke, die dnrcli hochgelegene Talfurchen gesondert werden. Yon den stark vergletscherten Ge- birgsknoten dieser Stocke verzweigen sich strahlenformig langere und klirzere Kamme. Der \vestliche Teil der Ratischen Alpen liegt noch auf Schweizer Beden. Das Silvretta - Massiv (Piz Linard 3414 m) und der bereits groBtenteils aus Kalk bestiehende Rdtikon (Scesaplana 2967 ni) sind die unwegsamen, ganz vergletscherten Grenzpfeiler Vorarlbergs gegen die Schweiz. Den Ostfliigel der Ratischen Alpen bilden die durch die Langstaler der oberen Etsch (Vintschgau) und des oberen jSToce (Sulzberg) voneinander geschie- denen Otztaler, Ortler- und Adamello-Alpen. Am scharfsten in- dividualisiert sind die rings von Tiefenfurchen umgrenzten Otztaler Alpen, in deren stark vergletseherte Gebirgsvvelt von bforden Quer- tnler (Pitz-, Otz-, Stubaital) eindringen, wahrend sicli nach Siiden der Hauptkamm in scharfer iSTeigung zum Etschtal absenkt. Eine niedrigere Bergwelt bildet die durch das Passeiertal und den Jau- fenpaB wold abgegliederte Untergruppe der Sarntaler Alpen, die iibrigens auch nicht mehr aus Gneis, sondern tibenviegend aus Porphvr aufgebaut ist. Die Otztaler Alpen konnen nur in beschwer- lichen Saumpfaden iiberschritten iverden, bloB an ihrer West- und Ostflanke vermitteln fahrbare Passe, das Reschenscheideck (1474 m) und der Brenner, den Verkehr zwischen Etsch- und Inntal. Uber den Brenner ging sehon zu ltomerzeiten ein starker Verkehr, der sich im Mittelalter, als Veiredig der Sitz des Orientverkehrs \vurde, noch stei- gerte. Dagegen wurde das Reschenscheideck wegen der Felsengen von Finster- miinz wenig begangen, wie denn ilberhaupt der Verkehr auf niedrigerer Stufe Sehluchten und Engen wegen der erhohten Gefahi - von Eelsstiirzen, t)I>er- schrvenmiungen, feindlichen ttberfallen usw. vermied. Deshalb sind die Romer auch der Eisackschlucht ausgervichen und halien den Weg zum Brenner liber den Jaufenpa.B genommen. Die in das Inntal von Siiden einmiindenden Ver- kehrslinien flnden durch den Wall der Kalkalpen keinen kmzen Ausgang nach dem Vorlande, sondern mflssen auf bedeutende Strecken dem Liingstale des Inn folgen. Die Romer haben das Inntal unterhalb Innsbruck wahrscheinlich \vegen sumpfiger Beschaffenheit nicht beniitzt, sondern den Weg liber den Fernpafi (1250 m) genommen. Auch das Mittelalter liat seinen Verkehr aus dem siidlichen Deutšchland nach Italien iiber diesen RaB, wie liber den unfern da von gelegenen Sattel von Seefehl geleitet. Seit 1807 fiihrt liber den Brenner eine Bahn, rvelche die sehnellste und kiirzeste Verbindung von Ostdeutsclihuid nach Italien Die Alpenl&ncler. 157 vennittelt. Aber auoh der Weg uber das Resclienscheideck wird griiBere Ver- kehrsbedeutung gewinnen, wenn die Vintsehgaubahn bis Landeck fertiggestellt sein wird. Reiche Vergletscherung tragen auch die Ortler- und Adamello- Alpen, zwei gewaltige, als Grenzpfeiler gegen die Sckweiz und Ita- lien aufgerichtete Gebirgsstoeke. In den Ortler-Alpen ragt der Ortler als hochster Berg der osterreichisch-ungarischen Monarchie bis 3902 m empor. Etwas niedriger, aber noch immer uber 3500 m hoch, sind die Gipfel der Adamello-Alpen (Presanella 3564 m und Adamello 3548 m). Am Kordwestfu.Be des Ortler fiihrt der pracbtige Kunstbau der Stilfserjocli- strafie liber eine Hohe von 2760 m vom Etsch- in das Addatal. Die (1820 bis 182o) von der osterreichischen Regierung erbaute StraBe ist der hockste Fahr- iceij Europas und iibertrifft auch an GroBartigkeit des Landscliaftsbildes alle ubrigen AlpenhochstraBen. In 48 Windungen, von denen die letzten teil- w^ise dureh Galerien gedeckt sind, gewinnt die StraBe vonr Etsclital aus die PaBhohe. Fiir den Warenverkebr hat jetzt die StraBe nur ganz geringe Bedeu- tung, wobl aber fiutet im Sommer iiber sie ein starker Touristenverkehr. Die Hohen und die Niederen Tauern. Jenseits des Brenners ver- schivinden die Gebirgsstocke und an ikre Stelle treten lange Ge- birgsketten, welche eine ausgesprochene Langsentwicklung erkennen lassen. Von dem mauerartig gebildeten Hauptkamm zvveigen kurze Querketten ab. Es wird also die strahlenfdrmige Gliederung, welclie ivestlich vom Brenner herrscht, durch eine fiederformige ersetzt. Diesen Typus liaben die Zillertaler Alpen ( Ilochfeiler 3523 m), zwischen Brenner und Birnllicke, die Hohen Tauern (GroBglockner 3798 m), bis zur Arlscharte reichend, und auch die Niederen Tauern (Hochgolling 2863 m), die an dem niedrigen SchoberpaB (oder VValderhohe 846 m) enden. Zillertaler Alpen wie Ilohe lauern bilden eine ivilde, stark vergletscherte IIochgebirgswelt, an d er en steilen Nordseite Wildbaehe in engen Scliluchten und mit herrlichen AVasserfallen sich iiber Talstufen zum Inn und zur Salzach herabstiirzen. Ihrem Siidabfall ist ein reichgegliedertes Berglami vorgelagert, das sich im Hochgall noch bis 3440 m erhebt, Nirgends fiihren iiber die Zillertaler Alpen und die Hohen Tauern iahrbare Wege. Vom Brenner aus 170 km weit nach Osten kann der geschlossene Kamni nur auf besclnverlichen Saumpfaden iibertvun- den werden. Die wifchtigsten dieser Saumpfade sind: das Pfitscherjocli (2234m), das vom Ziller- ins Eisacktal fiihrt, die Birnliicke (2072 ni) vom Salzacli- ins Ahrntal, der Y elbertauernpaji (2545 m), an dessen Westseite sich der ganz ver¬ gletscherte Tenedigerstoclc mit sechs Gipfeln von iiber 3500 m erhebt, vom Z \veiter Abschn.it t. 158 Salzacli- ins Iseltal und die am OstfuBe des GroBglockners vora Salzachtal ins Mblltal fiihrende Pfandlscharte (2665 m). Ostlich von der Pfandlscharte er- niedrigen sich die Hohen Tauern (der SonnUick, der eine meteorologische Sta- tion tragt, ist nur melir 3103 m hoch), erheben sich aber an der Arlscharte im Ankogel-Stock nochmals auf liber 3500m (Hochalmspitze 3555m). Die Niederen Tauern zeigen zwar noch zackige und sehroffe Ilochgebirgsformen, aber es mangelt ilinen bereits jedtvede Glet- sdierbedeckung. Audi sie sind im iibrigen uirvregsam und tverden nur an ihren auBersten Flanken von Fahrivegen iiberschritten. tiber den Radstddter Tauern (1738 m), der vom Enns- ins Murtal und vpeiterliin tiber den Katschberg (1041 m) ins Liesertal fiihrt, ging sehon zu Romerzeiten, aber aueh im Mittelalter und bis in die Neuzeit herein, ein groBer Verkehr, der erst seit Erbauung der Alpenbahnen abgelenkt wurde. Noch melir an Bedeutung \vird dieise alte StraBe nacli Fertigstellung der Tauernbalm (vgl. S. 162) verlieren. Desgleichen ist der friiher stark beniitzte Rottenmanner Tauern (1265 m) ftir den Verkehr zuruckgetreten, seitdem die Balin tiber den von den Romern wegen seiner versumpften Besehaffenheit gemiedenen Scfiober- pa[i (846 m) gebaut \vorden ist. Die Norischen Alpen und das niederosterreichisch-steirische Urgebirge. Die Norischen Alpen, die sich siidlich vom Langstale der Mur und ostlich bis zum Quertale dieses Flusses ausdehnen, sind nocli niedriger als die Niederen Tauern. Ihren Aufbau belierrschen einzelne, durch tiefe Taler voneinander gesonderte, sanftgetvolbte Rilci’en und Stocke; ein fortlaufender Hauptkanim kommt nicht melir zur Ausbildung. Die Neigung der einzelnen Teile der Gebirgs- gruppe zur siidlichen Abschwenkung kommt in der Kor- und Sau- alpe zum entschiedenen Ausdruck. Dadurcli wird die Ausbildung nord-siidlich verlaufender Querfurchen begiinstigt (Gurk- und Lavanttal), von welchen niedrige Pahhohen, der Neumarkter Sattel (840 m) und der von Obdach (950 m) bequem zum Murtale hin- jiberfiihren. Beide Passe werden jetzt von Eisenbahnen iiber- scliritten. An Verkelirsbedeutung hat immer der Neumarkter Sattel den ostlich davon gelegenen Sattel von Obdach weit iiberragt. tiber ersteren fiihrte von Villacli aus eine alte RiimerstraBe, die vom Murtale ihre Eortsetzung ■vvahv- scheinlich liber den Rottenmanner Tauern zur Enns und iveiterhin iiber den PyhrnpaB nach Wels fand. Gegemvihtig vermittelt die iiber den Neumarkter Sattel fiihrende Balin die kurzeste Verbindung vom osterreichischen Alpenvor- laiid nach dem Klagenfurter Becken und Italien. Der vvestlich vom Gurk- und Metnitztal gelegene Teil der Nori- sclien Alpen wird Gurktaler Alpen (Eisenhut 2441 m) genannt. Diese zeigen noch stellemveise einigen ITochgebirgscharakter, der Dio Alpenlander. 159 in den zn beiden Seiten der Lavant gelegenen Lavanttaler Alpen vollstandig versckwindet. Immerhin sbeigen die hochsten Gipfel ■ des Saualpenzuges (Zirbitzkogel 2397 m) und des Koralpenzuges (2184 m) nocli betrachtlich iiber 2000 m an. Von der Koralpe zweigt sich nach Hordosten die Gleinalpe (1997 m) ab, nacli Siid- osten schlieBen sich an sie als Auslaufer der Zentralzone der PoBrucle (1049 m) und das Bachergebirge (1613 m) an. Die Eorischen Alpen umrakmen das Klagenfurter Becken, einen mit zumeist junger Ablagerung erfiillten Einbruchskessel, durchschnittlick 400 bis 500 m lioch, aber in einzelnen Hiigelwellen bis iiber 1000 m ansteigend. Es wird von der Dran durchilossen und ist mit zwei groBen (Worther- und Ossiacher See) und vielen kleineren Seen bedeckt. Seinen Siidrand bildet der Wall der Karavanke n. Ostlick von der JVTur breitet sich das steiriseh-niederoster- reichische Urgebirge (Cetische Alpen) aus. Es bildet den nie- drigsten Teil der Gneisalpen. Seine Gipfel erreicken nur mehr wenig iiber 1700 m Koke; Wald und Wiese bedecken es vollstan¬ dig, an wenigen Stellen zeigt sich nackter Eels. Gegen die Ebene kin verilackt sicli das Gebirge. Seinen Ostrand liaben zwei gewal- tige Kesselbriiche gebildet, von denen der nordliclie von den Giinser Bergen zum Leithagebirge, der siidliche, die Grazer Bucht umschlie- Bend, in groBem Bogen zum PoBruck gelit. Zwischen beiden Briichen sind die Giinser Berge (883 m) als Gebirgspfeiler erhalten ge- blieben. Diese Einbriiche waren von vulkanisclien Ausbriicken be- gleitet, deren Spuren wir bei Gleickenberg und an anderen Orten seken. Den Ilauptkamm des steiriseh-niederosterrelchischen Ur- gebirges bilden die Fisdibacher Alpen (Stuhleck 1783 m, Wechsel 1738 m), die sick nacli Eordosten zum Rosali&ngebirge verfiachen. Jenseits der Pforte von Wiener-jSTeustadt erkeben sick als letzte Auslaufer der Urgebirgszone, die ehemalige Verbindung mit den Karpathen andeutend, das Leithagebirge (480 m) und die Ham¬ burger Berge. Die nordlichen Kalkalpen. Die nordlichen Kalkalpen sind gegen das Vorland kin von einer breiten Flyschzone umrandet, welcke vonviegend aus Sand- stein, aber aucli aus IVlergel und Scliieferton aufgebaut ist, docli zu ivenig orographische Selbstiindigkeit besitzt, um als eigene Zone ausgeschaltet zu werden. Die Kalkalpen nehmen zwar ebenso wie die 160 Zweiter Abschnitt. Zentralalpen nach Osten an Hbhe ab, aber nicht in demseiben MaBe wie die letzteren, so daB ihre Gipfel im Osten die der Zentralzone so- gar um ein bedeutendes iiberragen, wahrend sie im Westen weit unter jener Hohe bleiben, welche die Zentralalpen dort erreichen. Aber auch morphologiscli zeigen die nordlichen Kalkalpen in ihrem west- ostlichen Verlaufe bemerkenswerte Unterschiede. Der Westen un- gefahr bis zur Kitzbiihler Ache wird durch Parallelkiimme mit spitzen, schroffen Hochgebirgsformen beherrscht, ostlich davon aber sind die Kalkalpen in Schotten zerhackt und zerstiickelt und treten orographisch als klotzige Kalkgebirgssloclee mit ansgedelmten Iloch- flaclien den Kamni en und Riicken des Urgebirges gegeniiber. Ge- meinsam ist allen Kalkalpen die Wildheit und Zerrissenlieit. An Stelle des Waldes, der nur kiimmerlicli auf dem unfrucbtbaren Ge- stein fortkommt, ziebt sich diehtes Knieholzgestriipp oft weithin die Abliange lierab. tTber die tiefen und engenTaler, denen Gewasser aus ebenso \vilden und schroffen Talschluchten zustiirmen, erheben sicli steile Kalkplateaus oder zackige, scharfgratige Kamme. Die steilen Gehange werden zumeist. von Lelmen scharfkantigen Schuttes um- kleidet. Die Allgauer und Nordtiroler Kalkalpen. Zwischen Khein und FernpaB (vgl. S. 156) liegen die Allgauer Alpen, aus zwei durcli das obere Lechtal getrennten Parallelkett/en bestehend; die siidliche er- reicht in der Parseierspitze (8088 m) die hochste Erhebung der nordlichen Kalkalpen. Am Sudabhange dieser Kette fiihrt eine ver- kelirsgeographisch liber den Arlberg (1802 m) verloiiipfte Taltlucht vom Inn- in das Rheintal. Die (in den Jahten 1822 bis 1825) iiber den Arlberg angelegte KunststaaBe hat ihre Bedeutung durch die (1880 bis 1884 erbaute) Arlbergbahn, die in 1310 m Jleereshohe den Arlberg in einera 10 km la-ngen Tunnel durehbohrt, vollstandig eingebiiBt. Durch diese Bahn ist Vorarlberg erst ivirtsehaftlich mit der iibrigen Monarehie verkntipft worden. Auf dieser Linie wird der Verkehr der groBen alpinen Langstaler weitergekitet nach Westen. Der nordivestliehe Teil der Allgauer Alpen, der vorrviegend aus Sandstein aufgebaute Bregenzer Wald, fiihrt zum Bodensee herab, niielist dem Genfer See der groBte Alpensee. Auf ihm voll- zieht sich ein starker Personen- und Frachtenverkehr; kreuzen sich doeh hier die VerkehrsstraBen, die von Deutscliland nach der Schweiz und von Frankreich nach Osterreich fiihren. Die Nordtiroler Alpen reichen bis zur Kitzbuhler Aclie und sind gleichfalls deutlich in zwei Zonen geschicden, einen nordlichen, sanfteren und vegetationsreicheren Voralpenzug und einen siid- lichen, mit tveiBen Kalkivanden sich aufhauenden Hochgebirgszug, Die Alpenliinder. 161 itz und Oderfurt bat sich in kurzer Zeit ein gewaltiges Bergbau- und Industriezentrum von iiber 100.000 Men- scben entmckelt. An der emsigen Tatigkeit dieses Gebietes liat auch Kanvin (14) Anteil. Teschen (19) liegt am FuBe des Jablunka- passes, iiber den der Verkehr von Ungarn nach bTorddeufechland fiibrt. Bielitz (17) an der Biala bliiht durcb seine Textilindustrie und bildet mit dem galiziscben Biala eine einheitliche Industrie- sliittie. In Westscblesien liegt die Landesliauptstadt Troppau (27) am Austritt des Mohratales, Jdgerndorf (14) am Austritt des Oppa- tales aus dem Gesenke in die Ebene. Funfter Abschnitt. Die Karpathen; Galizien und Bukowina. Das Kar])atliensysteni. Ausdehnung und Zonengliederung des Gebirges. Die Ostbalfte der osterreichisch-ungariscben Monarcliie erhalt in dem physisch)en Aufbau ihr cbarakteristisches Geprage durcb die Karpathen. Diese scbwingen sich, das weite ungarische Tiefland umgiirtend, in einem 1300 km langen Bogen von PreBburg bis zum Eisernen Tor bei Orsowa und sind gleich den Alpen (mit denen sie vor dem tertiaren Einbruch des Wiener und oberungarischen Beckens zusammen- liingen) ein j unges Ealtengebirge. Gegenuber den Alpen zeigt hier die Sandsteinzone eine weit groBere Entwicklung und Selbstandigkeit; die A •ristallinische Zone ist zerstiickelt und aufgelost und fehlt in den VValdkarpathen voll- standig; auch die in den Alpen so gewaltig zur Geltung kommende Kalkzone tritt in den Karpathen ganz zuriick, ist auf geringfiigige Streifen beschrankt, die stellenveise eng mit der Zentralzone ver- knlipft sind. Eine veitere wicbtige Besonderbeit der Karpathen ist Die Karpathen; Galizien und Bukowina. 219 das massenliafte Auftreten von jungvulkanischen Gesteinen an der (ungarischen) Innenseite; sie sind bei den Einbruchsprozessen in den entstandenen Bruch spal ten emporgequollen nnd bilden ganze Gebirgsziige. Dentlicli lassen sicli demnacli in den Karpathen nur drei Zonen, die Flysch-, Zentral- nnd vulkanische Zone, unterschei- den. Scharf lieben sicli im Landschaftsbilde die ans den sanften Flyschbergen felsig nnd kantig emporragenden „ Tearpathischen Klippen ‘ ab; sie sind vielleicbt Reste eines alteren Faltnngsbogens, dessen erste Erhebung noch vor der Flyschablagerung erfolgte. Gewohnlich zerlegt man das Karpathensystem in die I Vest- karpathen, bis zn den Talern des Poprad nnd Hernad reichend, die Waldkarpathen bis zu den Qnellen der TlieiB nnd des Sereth nnd das siebenlmrgische Iiochland. An der oberen TlieiB bat das Ein hrneb sbeeken des nngariscben Tieflandes am vveitesten naeli JSJorden gegriffen, so daB die Waldkarpathen als verhaltnismaBig scbmales Band die hreit anschwellenden Erhebungsmassen der Westkarpatben nnd des siebenburgischen Hochlandes verkniipfen. Die Westkarpathen. Das Leithagebirge, bekanntlich ein stebengebliebener r Feil der Zentralzone, weist zn den Kleinen Karpathen biniiber, einem niedrigen, ans arcl 1 aisch-inesozoischen Gesteinen aufgebanten Gebirgsriieken (740 m). FTordlich von der Miava versclnvinden altere Gesteine vollstandig, Sandsteinc (des llntertertiar nnd der Kreide) banen die sanftgewellten Weifien Karpathen (Javornik 1064 in) bis znin Kisncatal und ostlicb davon die bis zum Poprad ziebenden Beskiden (Babiagora 1725 m) auf. Wie die Gipfel- ist auch die PaBhobe eine niedrige (JablunkapaB 550 m). Am Siidrande der ostlichen Beskiden ist das vom oberen Dunajec durclistromte Becken von Neumarkt eingebrochen und siidlicb davon erhebt sicli das durch Briiche zerhackte ober- ungarische Berglami. In diesein bescbrankt sicli das Urgebirge auf einzelne von mesozoischen Bildungen umrabmte Zentralkerne; dazwischen zwangen sich die von jungen Bildungen erfiillten Sen- kungsfelder ein. Am hochsten erhebt sicli das Gebirge in dem Gebirgswall der Hohen Tatra (Gerlsdorfer oder Franz-Josefs-Spitze 2663 m), der mit seinen zackigen, schroffen ITocbgebirgsformen und den kleinen in Bergnischen eingebetteten Seen („-Meeraugeik' ) Landschaftsbilder von alpinem Cbarakter zeigt. Siidlicb davon, durch das obere Waagtal getrennt, steigt die Kleine Tatra (Liptauer 220 Fiinfter Abschnitt. Alpen; Djimibir 2045 m) an, die sich mit abnehmender Holie west- warts in der Gr o Ben und Kleinen Fdtra (1586 ni) und dem Neu- traer Gebirge, ostivarts in der Zipser Magura fortsetzt. Siidlicb von der oberen Gran liegt das dichtbewaldete und nur zu maBiger Plohe an.steigende ungcirische Erzgebirge, im Vesten fast aus- schlieBlich aus vulkanischen Trachyten aufgebaut, im Osten aus kristallinischem und Kalkgestcin. Letzteres zeigt vielfach typischen Karstcharakter (Tropfsteinhohle von Aggtelek). Ostlich vom Her- nad bildet wieder jungvulkanisehes Gestein (Trachyt) die Ilohen- riicken des Sovarer und Ileggaljagebirges. Das karpathische Waldyebirye besteht aus einer Sandsteinzone und einer vulkanischen Zone. Die dicbtbewaldeten Sandsteinriicken zeigen durchwegs sanfte Mittelgebirgsformen, docli erliebt sich das Gebirge- etwas nacb Osten hin (Hoverla 2058 m) und in dieser Eichtung steigen auch die Piisse von 500 auf iiber 900 m. Drei Eisenbahnlinien durcbqueren den Plauptkamm: iiber den Lupkow- paB, eine ziveite ostlich vom VereczkepaB, die dritte iiber den IiorosmezopaB (Magyaremveg 931 m). iSTach Siiden ist dem IPaupt- kamme das in schroffen und steilen Pormen aufsteigende Vihorlat- Gutingehirge vorgelagert; es wurde durch die Pliisse zersagt und dnrchfurcht. Das Hochland von Siebenbiiryen besteht aus einem kleinen zentralen, von tertiaren Seeablagerungen erfiillten und durch PluB- erosion in ein Hugelland aufgelosten Senkungsgebiet, das allseitig von einem vorwiegend kristallinischen Eandgebirge umrahmt wird. Die ostliche Gebirgsmauer sclilieBt im ISTorden mit dem JRodna- gebirge (Pietrosu 2305 m) an die Waldkarpathen an und ist wie seine Portsetzung, das Gyergyoigebirge (1793 m), vorwiegend aus kristallinischen Gesteinen aufgebaut. Dagegen wird das siidlich vom GgimespatS (720 m) streichende Bereczher Gebirge (Lakocza 1770 m) aus Sandstein gebildet. Nach Westen senken sicli die ge- nannten Gebirge zu den von der Maros und der Aluta durchstrom- ten Becken von Gyergyoi und Gsik, die ivieder durch das trachy- tische Hargitagebirge, das groBte Vulkangebirge Europas, gegen das Innere von Siebenbiirgen abgesclilossen sind. Das Hargita- gebirge setzt sich auch noch nordlich von dem Durchbruch der Maros in dem Kelemengebirge (2102 m) fort. Von Kronstadt, wo die auBere Sandsteinzone wie die vulkanische Innenzone endet, bis zu dem 190 km langen Durchbruchstal der Donau („Eisemes Die Karpathen; Galizien und Bukowina. 221 Tor“) erhebt sich die Gebirgsmauer der Siidkarpathen, vorwiegend aus kristallinischem Gestein anfgebaut, der hochste und ge- schlossenste Teil der Karpathen, viermal zu Hohen von liber 2500 m ansteigend (*Omu 2510 m, Eegoi 2544 m, Mandra 2520 m, Retyezat 2506 m), nach Kor den steil zu den Einbruchsbecken von Fogarcts und des Burzenlandes, nach Siiden allmahlich sich ab- dachend. Kur auf hohen Passen kalin das Gebirge iiberquert werden (Tomoser 1040 m, Torzburger 1240 m, VulkanpaB 1624 m). Das enge Durchbruchstal der Alt (RoterturmpaS 359 m) konnte erst durch die entwickelteBautechnik der Eeuzeit fiir denVerkehr dienst- bar gemacht werden. Getvohnlich nennt man den bis zu der fiir den Verkehr wichtigen Purche Temes, PaB von Teregova (Porta orien r tališ 515 m), Czema sich ausdehnenden Abschnitt der Siidkarpathen Trgnsilvanische Alpen; westlich davon breitet sich das erz* und kohlenreiche Banater Gebirge (1449 m) aus. Den Westrand von Siebenbiirgen bildet das Bihargebirge (1849 m), an dessen Aufbau neben kristallinischen Gesteinen auch Kalk und jungvulkanische Eruptivmassen teilnehmen. Letztere bedingen den Erzreichtum des an der Maros entlang ziehenden siebenburgischen Erzgebirges. Das Innere Siebenbiirgens hat die bequemste Verbindung nach auJBen um das Bihargebirge herum nach Ungarn, weshalb es auch immer die Geschicke dieses Landes geteilt hat. Kach Ungarn stromen ja auch zumeist die Gewiisser Siebenbiirgens, nur der Ost- und Slidrand hat seinen Gewassern durch das Gebirge hindurch einen Ausweg nach Siiden und Osten ernioglicht (vornehmlich durch die Aluta). Allgemeine Charakteristik der Karpathen. Vergleich mit den Alpen. Eine zusammenfassende Betraehtung der Karpathen lehrt uns, daB das Gebirge gegen Norden, Nordosten und Siidosten zu den Ebenen Galiziens und der Walachei, und zwar zur Weiehsel, dem Dnjestr, Sereth und Pruth, wie auch gegen Siiden und Siidwesten in die ungarische Ebene, zur Donau hin, entwiLssert wird. Trotz- dem die groBten Hohen durchwegs an die Zone kristallinischer Gesteine gebunden sind, liegt doch die Wasserscheide zumeist in der Sandsteinzone. Die Tdler der AuBenseite des Gebirges sind gegeniiber jenen der ungarischen Innenseite kurz. In den Waldkarpathen fehlen Ldngentdler vollig, desto zahlreicher sind die bis in den Gebirgskamm einschneidenden Quertdler. In landsphaftlicher Hinsicht sind die Karpathen im Vergleich mit den Alpen einfdrmig, was auf den vor- herrschendcn Sandstein zuruekzufiihren ist: im groBen und ganzen eine Mittel- gebirgslandsehaft, aus der sich inselformig einzelne Teile zu Hochgebirgsformen erheben. In der Eiszeit trugen nur die hochsten Gipfel Gletscher, es haben daher die Karpathen aueli nicht jene Formenfiille erhalten, die anderswo durch die 222 Fiinfter Abschnitt. eiszeitliche Vergletseherung geschaffen wurde; daher auch der Mangel an Seen. Heute fehlt selbst den hochsten Teilen der Schmuck des ewigen Schnees und der Gletscher ganzlich. Von der Holien Tatra abgesehen, bat sieli nach keinem Teile des Gebirges bislier ein groBerer Touristenverkehr ge\vendet. Das massenhaft auftretende vul- kanisehe Gestein bedingt die stellenweise reichen Erzlager (Gold, Silber, Eisen u. a.), zu welchen nocb Kohle, Salz und am Nordrande auch Petroleum und Erd- wachs lcommen. An heilkraftigen Quellen stehen die Karpathen den Alpen nicht nach, haben aber bisher nicht die Frequenz der Alpenkurorte zu erreichen ver- moeht. Am bedeutendsten sind Schmecks (Tatra-Eured) am SiidfuBe der Holien Tatra, Trencsin-Teplitz und Pistyan im Waagtale und Herkulesbad an der Czerna. Die menschlichen Siedlungen sind in den Karpathen weit seltener und durftiger als in den Alpen und nur der Bergbau hat an einzelnen Punkten eine groBere Bevolkerungsanhaufung hervorgerufen. Gegeniiber den Alpen ist das Klima der Karpathen rauher, lcontinentaler, niederscMagsdrmer, da sie dein Einilusse des Meeres weiter entrtickt sind. lin Winter treten auch hier in abgeschlossenen Becken „Kalteseen“ auf, im Sommer greift die Iiitze der ostgalizisehen und der ungarischen Ebene tief in die Gebirgs- taler ein. Im allgemeinen nimmt die Temperatur mit der Hohe schneller ab als in den Alpen, \veshalb auch die pftanzlichen Hohenzonen tiefer als dort liegen: Bis 1100 m gehen Eichen- und Buchemvalder, bis 1600 m (in den Sudkarpathen bis 1900 m) Nadelholz, bis 1900 und 2000 m Krummholz; dariiber liegt zumeist Felsregion mit stellenvveise verstreuter alpiner Flora (EdelweiB, Enzian u. a.). Infolge der geringeren Regenmengen fehlen die fetten Alpenmatten tast ganz- lich, iveshalb auch die Vielizueht veit hinter der der Alpenliinder zuriickbleibt. Neben Bergbau bildet der Wald mit seinen ungeheueren Holzmassen die wicli- tigste' Erwerbsquelle. Im Waldlande sind noeh Raubtiere, wie Bar, Wolf, Euchs, Wildkatze, sehr haufig. Die Bevdlkertmg der Karpathen ist ethnographisch zersplittert. Am Nordrande wohnen Polen und Ruthenen, von \velchen die letzteren auch iiber den Kamra auf die Sildabdachung lieriibergequollen sind und sich im oberen TheiBgebiet mit den Magyaren, Slowaken und Rumanen be- rlihren; in Oberungarn Sloivaken, in Siebenbiirgen und nordlich bis an die mitt- lere Bukowina, \vestlieh liber das Bihargebirge hinaus Rumanen, im Osten und Siiden auch Deutsche und Magyaren. Galizieli und die Bukowina. Die beiden 6sterreichisc hen Kronlander Galizien und die Buko- tvina bilden den breiten ungeschiitzten K or dosti’and der Monarchie und hangen mit dem iibrigen Osterreicb nur dnrch. das obereWeichsel- tal zusammen. Ilire Grenze gegen Ungarn bildet im allgemeinen der Hauptkamm der Karpathen; von diesem fiihrt die nordliche Abdachung iiber waldige Vorberge zu einem Flach- und Hugelland hinab, das den tlbergang zu dem groben sarmatisclien Tieflande bildet. Die Karpathen; Galizien und Bukovina. 223 Westgalizien nmfabt das Stromgebiet cler Weichse-l, der aus den I\ arpathen namhafte Zufliisse zustromen (Dunajec, Wisloka, San n. a.). Das hier den Karpathen vorlagernde Land wurde noch von der groBen, ans Skandinavien liber da.s norddeutsche Tiefland vor- greifenden eiszeitlichen Vergletscherung betroffen; sie kat dnrcli die abgelagerte machtige Moranendecke das heutige Relief ganz vresentlich beeinfluBt. Unmittelbar an den Karpatkenrand legt sich zunachst ein plateauartiger LoBstreifen, dann folgt eine durcli- schnittlich 250 m hohe, teils fruelitbare, teils mit Sand-, Mnor- und Sumpfflachen bedeckte dSTiederung, welcke von den Fliissen in ein Gewirr von Kuppen und Ilugelriicken aufgelost ist. Der Sand i st an einzelnen Stellen, namentlick am unteren San, zu Dlugsanddiinen aufgewekt. Kordlich von der Weicksel erkebt sieli ein geologisch sekr altes Gebirge, das Krakauer Hiigelland (481 m), ein Aus- laufer des polni sck-sclilesiscken Berglandes und wie dieses an Eržen und Kohlen reich. Ostgalizien und die Bukovvina iinden ikre Entwasserung vor- nehmlick durck Dnjepr, Pruth und Sereth. An den Karpatkenrand legt sick kier das durckscknittlick 400 m koke Podolische Plateau, eine vorwiegend mit LoB bedeckte, iippig fruelitbare Steppenland- schaft, die von den Talern der genannten Fliisse und den Zufliissen des Dnjepr (Strvj, Lomnica, Strypa, Seretli, Zbrucz u. a.) in tiefen kanon artigen Talern durclifurckt wird. Die Erosion dieser Fliisse liat auch die unter der LoBdecke liegenden alten Gesteine an- geschnitten, den Aufbau des darunter liegenden alten Schollen- landes stellemveise bloBgelegt. Zwiselien Lemberg und Brody fallt die Podolische Platte mit einem 150 m hoken Steilrande zu dem Becken des Styr und Bug ab, das wie WeStgalizien nock von der nor- dischen Vergletscherung erreickt worden war und wie dieses mangel- haft entwasserte, sumpfige Mulden au±’weist. Die Fliisse nehmen durck das Podolische Plateau mit sckwackem Gefalle einen viel- gewundenen Lauf. Der Dnjestr vermag oft bei starkeren Kieder- schlagen die groBen Wassermassen seiner JSTebenfliisse niclit rasek genug abzufiihren und es entstelieu verkeerende tlberschwem- mungen. Im allgemeinen eignen sich die galizischen Fliisse wenig zur Schiffahrt, doch gedenkt man sie durch Regulierungen und durch Kanalverbindungen (zvischen Weichsel und Oder, Weiehsel und Dnjestr) hiefiir hrauchbarer zu machen. Immerhin besteht jetzt schon ein ziemlich starker Verkehr. Auf der Talfahrt 224 Fiinfter Abschnitt. passierten auf der Weiclisel im Jalire 1905 die osterreiehische Grenze 3-1 Mili.q Waren (zumeist Holz, Steinkohle, Kalk), auf dem Dnjestr s / 4 Mili. q (in friiheren Jahren auch schon bis l 3 /, Mili.q; fast ausschlieBlicli Holz). Das Klima. Klimatisch wird das nordliche Karpathenvorland durch lange, schneereiche, sehr kalte Winter und keiBe Sommer cha- rakterisiert: ein ausgesprochen kontinentalen Zug, der sich nachOsten immer mehr verscharft, so daB die ostliche Bukowina die kaltesten Winter- und heiBesten Sommertemperaturen des Vorlandes erreieht. Zur Verstarkung dieser Extreme tragen noch die aus der russiscken Ebene ungehindert herausblasenden kalten W.interstiirme und heiBen Sommerwinde bei. Auch die Regenmengen nehmen in ostlicher Rich- tung ab, sie sind geringer als in den Alpen- und Sudetenllindern, doch sind, da gerade im Sommer am meisten Regen fallen, Diirren selten. Galizien bildete einen Teil des polnischen fieiches, das, den Karpathen- bogen zur Basis, sich iiber das Flachland bis zur Ostsee und fast bis zum Sehvvarzen Meere ausdehnte, aber, da es landeinwarts nirgends natiirliche Grenzen fand, leicht den benaehbarten Staaten zum Opfer fiel. Bei der ersten Teilung Polens (1772) erhielt Osterreich Galizien, 1846 auch das bis dahin als neutrale Bepublik selbstandige Kralcau. Die Bukowina (ruth. = „Buchen- wald“) wurde naeh der ersten Teilung Polens, um eine Verbindung zwischen Galizien und Siebenburgen zu sichern, von Osterreich besetzt, 1775 von den Tiirken abgetreten, erst mit Galizien vereinigt und 1849 als selbstandiges Kron- land ausgeschieden. Die Bevolkerung. Galizien und die Bukotvina zahlen auf einer Elache von 89.000 km 2 eine Bevolkerung von iiber 8 Millionen, 90 auf 1 km 2 . Die Bevblkerungsdiclite ist demnacb sehr betrachtlich, sie iibertrifft den Reichsdurchschnitt bedeutend, was um so be- merkenswerter ist, als das siedlungsarme Waldland grofic Elacken (in Galizien 26, in der Bukowina 43 %) einnimmt. Am diektesten \vohnt die Bevolkerung in einem breiten Streifen, der sich von der Weichsel zum Dnjestr zieht und nach Osten an Breite noch gewinnt. National setzt sich die Bevolkerung zu 50 % aus Polen (in Westgalizien), 42 % Iiuthenen (in Ostgalizien und der nordlichen Bukotvina), 3% Rumdnen (in der mittleren und siidlichen Buko- vrina) und 3% % Deutschen zusammen; letztere sind nach Zahl wie EinfluB stark zuriickgedrangt worden; sie sind jetzt in kleinen Kolonien iiber das ganze Band verstreut und bilden namentlich in der Bukowina einen stattlichen Teil der Stadtebevolkerung. Konfessionell gehoren die Polen zur romisch-katholischen, die Buthenen zur griechisch-katholischen, die Rumanen zumeist zur Die Karpatben; Galizien und Bukorvina. 225 griecliisch-orientalischen Kirche. Protestanten (zumeist Deutsche) gibt es nur 64.000. tfber 11 % der Bevolkerung sind Israeliten, die in der Bevolkerungsstatistik nacli ihrer IJmgangsspracke unter die iibrigen Nationalitaten aufgeteilt ersclieinen, in Kultur und Sprache sicli aber kier scharf von diesen sondern. Diirftigkeit, vvirtschaftliche Notlage und geringe Sehulbildung eharakteri- sieren in gleicher We'ise den Kulturzustand der Polen, Ruthenen und Rumiinen. Eine tiefe Kluft trennt den \vohlhabenden polnischen Adel, dessen groBe Giiter auch im Gebiete des ruthenischen Sprachtums vorherrschen, von den breiten Massen des Volkes. Die polnischen Bauern leben auf dem Vorlande zumeist in kleinen Dorfern, im Gebirge („Goralen“) mehr in Einzelgehoften und schliehten Weilern. Auch bei den Ruthenen ist die Siedlung in kleinen Dorfern vorherr- schend, wahrend die Rumanen zumeist in lockeren Haufengemengen von Gehoften siedeln. Mehr als ein Drittel des Landes ist in den Handen des GroBgrundbesitzes, der Rest ist vielfach in kleine Zwergwirtschaften zersplittert, die den Bauer nur scliwer zu erhalten vermogen; daher die starke Ausrvanderung nach iiberseeischen Llindern, wozu noeli die groBe Zahl von Wanderarbeitern kommt, die alljahr- 1'ich zumeist in dem benachbarten- Deutscbland Verdienst sucht. Die Land- und Forstvvirtschaft. Die weitaus vorkerrschende Er- werbsquelle bildet in Galizien und der Bukowina die Bodenkultur. Kur ettva 3% % der Gesamtflache sind unproduktiv. In Galizien entfallen auf das Ackerland 48 %; in der Bukowina nur 26 %, kier tritt das Waldland an er ste Stelle. Der Ackerbau leidet unter unvoll- konnnener Betriebsweise imd dem Mangel an zvveckmafiigen Gfr raten, deren Ankauf dem armen Bauer unerschtvinglich ist, so dak trotz besserer Bodenverlialtnisse die relativen Ernteertrage pro Hektar zumeist niedriger sind als imWesten. Moderne Betriebswedse findet man nur auf den groken Herrsckaftsgiitern. Das Hauptpro- dukt ist Weizen, der namentlich auf dem Podolischen Plateau zu- sagenden Boden findet, in der Bukotvina Mais, ferner Gerste; in den koheren Landesteilen Roggen und Hafer. Der Kartojfel- und Hulsenfriichtebau sowie der Anbau von Flachs und Ilanf haben nirgends in der Monarckie groBere Ausdehnung als in Galizien. Geringere Bedeutung kat der Zuckerruben-, Tobak- und Obstbau. Das weit ausgedehnte Waldland der Karpathen und der Vorberge er- moglickt eine groBe IIolzgewinnung. An vielen Orten ist aucli die Sagemiillerei wie auch mannigfache andere Ilolzverarbeitung in Aufnahme gekommen. Daneben ergibt die Kohlerei, die Gewinnung von Pottasche, von Terpentin und Teer vielen Menscben Enverb. Die Jagd bringt noch reichliches Wild (Hirsch, Beli, Scbwarzwild) zur Strecke, \vird aber etwas durcb die Raubtiere beeintracbtigt. Zeehe«Heiderich, Osterr. Vaterlandskunde. 15 226 Fiinfter Absehnitt. Die Vielizucht wird im Gebirgs- wie im Flacblande allgemein betrieben und ist quantitativ sehr boch, in neuerer Zeit suclit man sie aucb durcli verschiedene MaBnahmen in ihrer Q.ualitat zu heben. An erster Stelle stelit die Pferde zucbt, in vvelcber Galizien in ab- soluter wie relativer Zalil alle iibrigen Gebiete Osterreicbs weit iibertrifft. Besonderer Wertschatzung erfreut sicb fiir den Gebirgs- verkehr das kleine ausdauernde Huzulenpferd. Ilohe Bedeutung haben aucb die Iiindvieh- und die Schiveinezucht. Das langgebornte podolische Rind eignet sicb mehr fiir die Mast und als Arbeitstier, weniger fiir Milchproduktion. Immerbin ist die Erzeugung von Kaše nicbt gering. Das Schwein bleibt dem Gebirge fern, es wird nur in den flachen Landesteilen gehalten. In dem Jahrzehnt 1891 bis 1900 hat sich die Zahl der Sehweine um 58 %, aber aUch die der Kinder um 11%, der Pferde um 13% vermehrt. Dagegen zeigen Schaf-, Ziegen- wie aueh Bienenzucht in diesem Zeitraume eine starke Abnahme, Die Zahl der Scliafe hat sieh um 31%, der Ziegen um 15% in Galizien und in der Bukowina gar um 59 % vermindert. tlber das ganze Land verbreitet und im Aufsehwung begriffen ist die Gefliigeh. ucht. Die Fischcrei wird in den zalilreichen Flussen wie aucli in Teichen betrieben (Store, Lachse, Karpfen). Der Bergbau. Die wicbtigsten Bergbauprodukte sind Salz und Petroleum. Salz wird am ganzen Aubenrande der Karpatben, beson- ders in einem sandig-tonigen Tertiarstreifen gefunden und teils als Stein-, teils als Sudsalz gewonnen. Am wichtigsten sind die Salz- berg^verke von Bochnia und Wieliczka und die Salinen in Kalusz und Kaczyka (Bukowina). Im Jahre 1904 wurden insgesamt 1% Mili. q Stein-, Sud- und Industriesalz im Werte von 22 Millio- nen Kronen getvonnen. Petroleum (8 • 3 Mili. q im Werte vo-n 24% Millionen Kronen) wird besonders in Boryslaw und Schod- nica (grobe Raffinerien in Drohobycz), Erdwachs (31.000 q im Werte von 4% Millionen Kronen) zumeist bei Boryslaw ge- tvonnen. Sonst findet man nocli Steinkohle, Eisen-, Zink-, Blei- und Schivefelerze in Westgalizien, und zwar in dem Krakauer Anteil an den oberschlesiscben Bergrevieren. Hier ist auch einiger Ilutten- betrieb, der namentlich Zink gewinnt, wofiir aber das Erz groBten- teils eingefiibrt \verden muB. Im ostlichen Galizien (im. Bugbecken, bei Kolomea u. a. O.) wird etwas Braunkohle gefordert; in der Bukotvina vverden in geringen Mengen Mangan- und Kupfererze, zumeist bei Jakobeny, gefunden. Die Karpatlien; Galizien und Bukowina. 227 Die Industrie. Eine groBere Fabriksindustrie hat sicli nur im westlichsten Landesteil entwiekelt, mit Biala als Hauptsitz fiirTuch- erzeugung. Sonst ist neben der hausgevverbliclien Betatigung (Tuch-, Leinen- und Teppichweberei, Ton- und Holzwaren) nur die Brannt- iveinbrenn&rei in groBerem Stile vertreten (1903 iiber 670.000 bi Erzeugung), -wewegt. Dem Ruderverkehr und namentlieh der FloBerei dienen die meisten Karpathenfliisse bis tief in das Gebirge hinein. Den Eisernen Torkanal passierten 1904 929 beladene Schiffe mit einer Fracht von 3-7 Mili. q. In Siid- ungarn verkniipft der Franzenskanal (und der davon abz\veigende Franz-Josefs- kanal) die Donau und TheiB und von letzterer fiihrt der Begakanal bis Temesvdr. 1 Die Dampfschiffahrt auf dem Plattensee dient nur dem Personen- verkehr, der im Sonmier wegen des hier sicli entfaltenden Badelebens ein sehr bedeutender ist, Das Klima der ungariselien Ebene hat durch lieiBe Sommer, kalte Winter nnd geringe NieclerseMagsmengen einen ausgesprochen kontinentalen Oharakter, 2 3 der sicli gegen Osten verscliarft.* Rauher aber auch niederschlagsreicher ist das Klima des oberungarischen Berglandes und des siebenbiirgischen Hochlandes. 4 Die Beviilkerung. In ethnographischer Hinsicht zeigt das poli- tisch geschlossene Konigreich IJngarn eine ebenso hunte Vielheit , wie der osterreichische Reichsteil. Von der Gesamtbevolkerung sind 45% % Magyaren, 14% % Rumanen, iiber 14 % Serho-Kroaten (8’7% Kroaten und 5‘5% Serben), 11% Deutsche, 10 - 5% Slouiaken, 2 ■ 2 % Ruthenen und liber 2 % andere (Zigeuner, Arme- nier usw.). Die Maggaren sind also nicht in der absoluten Ma.joritat, nur im eigent- lichen Ungarn (ohne Kroatien und Slavvonien) haben sie dieselbe knapp erreieht, indem sicli liier ihr Prozentsatz durch die werbende Kraft der magyarischen Nationalidee in den Jahren 1880 bis 1900 von 46-6 °/ 0 auf 51-4°/„ erhoben hat. Doch darf nicht tibersehen werden, daB die Slowaken, Ruthenen und zum Telle auch die Kroaten eine starkere naturliche Volksvermehrung zu verzeiclinen haben und deshalb bei spiiteren Vollcsziihlungen mit immer groBeren Prozent- ziffern zur Gelt.ung' kommen werden. Der Hauptsitz d,er Magyaren ist das ungarische Tiefland. Sie sind in dieses um 900 nach dem Abzuge der Awaren eingewandert. Fiir ihre Kultur- entwicklung war es von hoehstem Werte, daB sie nicht wie die Tiirken mit 1 Auf dem Franzenskanal fand 1904 ein Warenverkehr von 3-3 Mili. q, auf dem Begakanal von 2-3 Mili. q statt. = Budapest hat im zehnjahrigen Mittel 1891 bis 1900 21° C mittlere Juli-, ■ — 2-7° Janner- und 10-2° .Jahrestemperatur und 628 mm jiihrliche Nieder- schlagshohe. !. : Hi ] j 3 Debreczin hat 21-1° C mittlere Juli-, — 3-0° Janner- und 9-7° Jahres¬ temperatur und 583 mm Niederschlftge. 4 Schemnitz hat 7-8“ C mittlere Jahrestemperatur und 920 mm Nieder- sclilage, Hermannstadt 9-2° C mittlere Jahrestemperatur und 725 mm Nieder- schlage. Die Lander der ungarischen Krone. 233 iliren asiatischen Stammesgenossen in Fiihlung blieben, sondern dureh djie geographische Eigenart ilirca nach Westen geijffneten Landes in den Wirkungs- kreis der abendliindischen Zivilisation einbezogen wurden. Urspriinglicli Viieh- ziichter, haben sie sich mit der SeBhaftigkeit auch deni Ackerbau zugeivendet und das ungarische Steppenland ist das Feld ihrer efsprieBliehen Kulturarbeit ge.worden. Charakteristisch fiir ihre Siedlungen sind die groBen, viele Tausende von E'inwohnern zahlenden Dorfstadte, die in weitem Abstande voneinander liber die Ebene, namentlich im iistlichen, kernmagyarisehen Gebiet verstreut sind. Nur der zentrale Teil dieser Stildte zeigt dureh einige, zumeist um einen groBen Platz angeordnete Prunkgebaude und dureh gepflasterte StraBen stadtisehen Charakter. Was sich in weitem Umkreise und iiberaus aufgelockert um den Kern herumlegt, hat mit seinen ungepflasterten StraBen und seinen niedrigen, mit Stroh oder Rohr gedeekten LehmMusern ausgesprochen dorflichen Charakter. Die Existenz der Beivohner dieser Stildte beruht fast ausschliefilich auf dem Ackerbau und der Viehzucht. Weithin um die Stadt liegen die Ackerfluren und Weidegriinde und im Sommer nimmt ein groBer Teil der Bevolkerung in den dazivischen liegenden Sommergehoften („Tdnyas“) einen langeren Aufenthalt. — AuBer der Ebene bewohnen die Magyaren noch als Szekler die ostlichen Landschaften Siebenburgens, sind in grbBeren und kleineren Kolonien iiber das iibrige Hoch- land verstreut und greifen auch ziemlicli tief in den Talem des oberungarischen Berglandes ein. Die Deutschen \vohnen in geschlossener Masse in einigen Landschaften Siebenbiirgens, wo sie Sachsen genannt werden, und zvar auf dem „Konig»boden“ zwisclien Kokel und Alt, im „Burzenland“ um Kronstadt und im ,,Nbsnerland“ um Bistritz. Sie sind hier schon im 12. Jalirhundert zumeist aus Rheinfranken eingewandert und dureh spatere Nachziigler aus Schwaben verstarkt ivorden. Als wohlhabender Bauernstand haben sie fern von deutscher Kultur ihre ererbte Sprache und Sitte bevalirt. Geschlossen ivohnen sie auch im Westen um den Neusiedler See lierum („Heanzen“), gleiclifalls alte Einwanderer (zumeist baju- war'ischen und selrwabischen Stammes). Auf alte Einwa,nderung (12. und 13. Jahr- hundert aus Sachsen und Mitteldeutschland) fiihrt sich auch die deutsche Be¬ volkerung Oberungarns zuriick, die aber auBcrordentlicli zuriickgedrangt ivorden ist und sich nur noch in der Zips in groBerer Menge behauptet hat. AuBerdem sind die Deutschen noch um den Plattensee sowie in Sudungarn zwischen Peterwar- dein und Fiinfkirchen, namentlich im Banat und auch in Syrmien, verbreitet. Sie sind in dlesen Landschaften Nachkommen von Eimvanderern, die erst nach der endgiiltigen Vertreibung der Tlirken im 18. und selbst noch im 19. Jahr- hundert in das Land kamen. Die Sloioaken wohnen vorwiegend in Oberungarn (in Kolonien auch zivischen unterer Koros und Maros sowie im Banat). Armut und die Diirftigkeit des Bodens zwingen sie, als Feldarbeiter oder als lian dl er mit Holz-, Biecli- und Glaswaren auswarts Verdienst zu suchen. Trennend zivischen sie und d : ie Rumiinen scliieben sich, die Abhange der Waldka.rpathen beivohnend, die Ruthenen ein. Die Rumiinen siedeln in den vestlichen Teilen Siebenbiirgens und in den daran- schlieBenden Ebenen Ungarns. Sie sind vahrscheinlich erst im 15. Jahrlmndert eingewandert und stehen kulturell auf niedriger Stufe, verden sich aber in neuerer 234' Sechster Abschnitt. Zeit immer mehr ihrer Nationalitiit bewuBt. Die Kroaten herrsclien unumschriinkt in Kroatien-Slawonien, bloB in Syrmien mischen sich in das kroatisehe Sprachtum die iibrigens von den Kroaten nur konfessionell geschiedenen Serben, die auch noch im Banat und im siidlichen Donau-TheiBbccken siedeln. Wie ethnographisch, soherrscht auch konfessionell eine groBe Zersplitterung. Von der Gesamtbevolkerung sind: romisch-katholisch 51-5, griechisch-katholisch 9-0, griechisch-orientaliseh 14-6, evangeliseh Augsburger Konfession 6-7, evan- gelisch-reformiert 12-7, israelitisch 4-4% (iibordies 0-5% andere). Romisch- katholisch sind die Kroaten und der groBere Teil der Magyaren (etwa 58%), Peutschen und Slowaken. Die iibrigen Deutsehen und Slowaken bekennen sieh zur evangelieehen Kirche Augsburger Konfession, die iibrigen Magyaren zur evan- geliseh-reformierten Kirche. Pie Rumanen sind zum Teile gviechisoh-katholisch, zum groBeren Teile aber griechisch-orientaliseh. Pie Ruthenen sind griechisch- katholisch, die Serben griechisch-orientaliseh. Pie Israeliten haben bei der le.tzten Volksziihlung zu 70°/ o Ungarisch, zu 25 °/„ Deutsch als Muttersprache angegeben. Die Bevolkerungsdichte (59 Menschen auf 1 km 2 ) des Konigreiehes Ungarn bleibt rveit hinter der des osterreichischen Reichsteiles zurtick. Am groBten ist sie 'in dem Gebiete westlich der Donau und im Donau-TheiBbecken (06 bis 08 auf 1 km 2 ), in den Komitaten des linken TheiBufers geringer (55), am geringsten im oberungarisehen Bergland und Siebenbiirgen [rund 44, aber in einzelnon Gebieten noch geringer, wie im Komitat Liptau (37) und Csik (26)]. Kroatien- Slawonien hat die dichteste Bevolkerung in den steirischen Grenzgebieten (109), seine geringste im Karstgebiete (34); 'im Purchschnitte (57) bleibt sie etrvas unter der fur das gesamte Kiinigreieh Ungarn giiltigen Zahl. Die Landvvirtschaft. Ungarn s mrtsohaftliche Kraft beruht auf derBodenkultur. Fast 72% der erwerbstatigen Bevolkerung ist damit beschaftigt. In dem Ausmafie der Kulturflacben steht an erster Stello das Ackerland mit 41 • 5 % (der Flache von Ungarn und Kroatien- Slawonien), deinnachst das Waldland mit 28 %; dann folgen Weide 12 ■ 7 % und Wiese 10 • 3 '% (also 23 % Grasland), 1 • 3'% Gartem, 0 ■ 7 % Weinland und 0 • 2 '% Rohricht, das in der holzarmen Ebene eine groBe Rolle spielt; 5 • 3 % der Flache sind als unproduktiv aus- gewiesen. Das ungarisclie Tiefland ist eine der wichtigsten Korn- lcammem Europas. Es vermag groBe Mengen von Getreide und an- deren Ackerbauprodukten auszufiihren 1 und bezahlt damit die von auswarts bezogenen Industrieartikel. Trotz gUnstigen Bodens sind aber die Ernteertrage im allgemeinen infolge unvollkommenen Be- triebes niedriger, als in den westlichen Landern. Bedenklich ist aucli der in den letzten Jalirzelmten irniclitig angetvachsene GroBgrund- 1 Pie Ausfuhr von Weizen, Gerste, Hafer, Mais und Mehi allein betrug 1904 rund 400 MilHonen Kronen. Die Lander der ungarisehen Krone. 235 besitz, weil er mehr extensiv \virtschaftet, den Kleingrundbesitž aufsaugt und den Bauer teils dem Proletariat iiberliefert, teils zur Auswanderung zwingt. 1 Die groBten Erntemengen liefem Weizen und Mais, deren An- bau auf dem LoB die giinstigsten Bedingungen findet, dann folgen Gerste, Hafer und Roggen. Die be-iden letzteren Getreidearten sind in den hoheren Landesteilen vorherrschend. Im Innern Sieben- biirgens aber geht noch ude im Tieflande Mais- und Weizenbau in den Erntemengen liber sie hinaus. Die mageren Boden im Gebirge wie in der Ebene werden immer mehr von der Kartoffel (30 bis 40 Mili. q) erobert. Selu* bedeutend ist aucli der Tabakbau (400.000 bis 600.000 q), mehr als zehnmal so groB me in den osterreichischen Bandera, ferner der Bau von Zuclcer- und Futter- riibe, weniger von Hiilsenfruchten, von Flachs und tlanf. Der Ge- miise- und Obstbau bedarf noch der Ilebung; sehr haufig sind Kiirbisse und Melonen, zumeist auf den Maisfeldern gezogen. Fast iiber ganz Ungarn verbreitet ist der Weinbau; er bleibt nur dem hoheren Gebirge fern, hat aber durch die Reblaus rmd durch Blatt- krankheiten groBe EinbuBe erlitten. Seit Ende der adhtziger Jahre bis 1898 hatte aich das We'inland um fast die Halfte verringert, der Ertrag war von durcbscbnittlich 5 Mili. hi auf V/i Mili. hi im Jahre 1898 gesunken. Durch systematische Arbeit und Be- kiimpfung der Schtidlinge hat seitdem das Weinland \vieder an Ausdelmung gewonnen und 1904 hereits eine Produktion von 4 Mili. hi erreicht. Ein eclit nationaler Zweig des ehemaligen ISTomadenvolkes ist dieViehzucht, die eine groBe Ausfuhr von lebendenTieren und tieri- schen Produkten ermoglicht. 2 Sie iibertrifft quantitativ an Pferden, 8chweinen, Schafen und Geflugel die osterreichischen Lander und bleibt in der Eindviehzucht, besonders aber in der Ziegenzucht, hinter diesen zuriick. Die einheimische kleine Pferderasse zeichnet sich durch auBerordentliche Zahigkeit und Schnelligkeit aus. Der Ilebung der Pferdezucht dienen vier Staatsgestiite (Mezo- hegyes, Kisber, Babolna und Fogaras). Das. ungarische Rind ist wie das podolische auf dem galizischen Flachlande besonders als Zug- und Masttier geeignet, aber von nur geringer Milchergiebig- 1 1903 betrug die Zalil der Auswanderer aus Ungarn nach iiberseeischen Lilndern allein 120.000 Personen. 2 1904 fiihrte Ungarn an Rindern, Schweinen, Pferden, Gefliigel, Eiern, But- ter, Sehvveinefett, Speck, Federn, Eellen usw. flir nahezu 400 Millionen Kronen aus. 236 Sechster Abschnitt. keit. Im oberungarischen Gebirge werden vielfach alpine Rassen ge- halten und dort ist auch die But ter- und Kaseproduktion ziemlich bedeutend. tlbrigens haben sich aueh im Flachlande, in der Habe groBerer Stadte, Milchgenossenschaften gebildet, die mit Alpen- vieh auf reichliche Milch-, But ter- und Kasegevvinnung hin- zielen. In Siidungarn und in Siebenbiirgen werden auch Buffel ge- halten. Die Schvveinezucht, welche dem magyarisclien und deut- schen Bauer die vorherrschende Fleischnahrung liefert, hat in neuester Zeit durch Krankheiten (Schweinepest) groBe EinbuBe er- litten, bewegt sich aber schon wieder in aufsteigender Linie. Die S chaf zuaht ist auch liier wie in ganz Mitteleuropa zuriickgegan- gen, namentlich die Zucht feinwolliger Schafe, ist aber nocli weit groBer als sonstwo in Mitteleuropa; dem Rumanen liefert das Schaf nicht nur die vorherrschende Fleischnahrung, sondern auch die Kleidung. In der Greflugelzucht (Hiihner, Ganse, Enten, Trut- hiihner) wird Ungarn in Europa nur von Frankreich und Italien erreicht. liber das ganze Land verbreitet ist die Bienenznchi (1904 27.400 q Honig); die Seidenzueht findet sich vornehmlich in Siidostungarn und in Syrmien (1904 fiir 2‘9 Millionen Kronen Kokons). Die Fischerei liefert einen st.attlich.en Teil der Vollcs- nahrung. Besonders reicli an Fischen sind die Donau und TlieiB und der Plattensee (Karpfen, Store, Fogosch, Lachsforellen u. a.). Ungarn bietet im Gebirge wie in der Ebene noch reiche Jagdgriinde: im Gebirge unter anderem groBe Mengen von Hochvvild, in der Ebene zumeist Sumpf- und Wasservogel. Der Wald nimmt in Oberungarn und Siebenbiirgen groBere Flachen als das Ackerland, in Kroatien-Slawonien gleiche Flachen wie dieses ein. Friiher wenig geschatzt, hat er in neuerer Zeit eine geregelte forstwii'tschaftliche Pflege gefunden. Er setzt sich zu 26 % aus Eichenwaldungen (vorherrschend in Slawonien), zu 52 % aus Buchholz und anderen Laubholzern und nur zu 22 % aus ISTadelholz zusammen. Das Holz geht zum Teile in das holz- arme ungarische Tiefland, wird aber auch in stets steigender Menge iiber Fiume und die Donauhafen in das Ausland verschifft. 1 Auch Ilolzkohle, Pottasche, Lohrinde und Pech werden in dem Waldlande gewonnen. 1 1904 fiihrte Ungarn an Bau- und Werkholz, Sagewaren, Gerberrinde us\v. fiir iiber 70 Millionen Kronen aus. Die Lander der ungarischen Krone. 237 Der Bergbau. Ilinsichtlich der Mineralschatze stehtUngarn weit hinter den osterreichischen Bandera. Der Gesamtwert der Bergbau- und Huttenproduhtion, einschlieBlich der Salzgewinnung, betragt rund 105 Millionen Kronen im Jalire. In bezug auf Goldproduk- tion (3500 kg) wird Ungarn in Europa nur von BuBland iiber- troffen. 1 Die Hauptgebiete der Goldgewirmung sind das sieben- biirgisclie Erzgebirge urn Zalatna, Verespatak , Offenbdnya sow.ie das obermigariscbe Bergland um Schemnitz und Kremnitz. 8ilber (rund 20.000 kg) wird an denselben Ortlichkeiten, aueh etwas im Banater Gebirge bei Oravicza, gefunden. Weit wichtiger als die Edelmetallproduktion ist die Forderung von Eisenerzen und Kohlen. Die Eisenerze werden gefunden: in Oberungarn im FluBgebiet des Iiernad, von wo sie teils nach osterreichischen (mahrisch-schlesi- schen) Werken gehen, 2 teils in den oberungarischen Hiitten- und Eisenwerken bei Miskolcz u. a. a. O. verarbeitet werden. Ferner werden Eisenerze gefordert im siebenburgischen Erzgebirge, im Banat bei Oravicza und Besicza (Hiitten- und Eisenwerke bei Anina-Steverdorf) und wenig auch im obersten TheiBgebiet. An Steinkohle bat Ungarn nur geringe Produktion (11 Mili. q), und zwar bei Fiinfkirchen und bei Oravicza im Banat. Braunkohle (55 Mili. q, kaum % der osterreichischen Produktion) wird vor- nehmlich in den tertiaren Becken von Oberungarn, in Sieben- biirgen bei Petrozseny, um den Bakonywald und in dem Gebirge bei Gran und Ofen wie auch in den kroatisch-slawonischen Insel- gebirgen gefordert. Die Salzproduktion, die in Ungarn wie in Osterreich als Staatsmonopol betrieben vdrd, gewann im Durch- schnitt der Jahre 1896 bis 1900 jahrlich 1*9 Mili. q im Werte von 27 • 8 Millionen Kronen. Die Salzbergwerke befinden sich im mittleren Siebenbiirgen um Marosujvdr und Desakna und im oberen TheiBgebiet (Aknaszlatina, Aknasugatag und Rbnaszek) ; in Sovdr bei Eperies ist ein Salzsudwerk. Die iibrige Miner alf orderung von Ungarn (an Blei bei Schemnitz, Antimon, Wismut, Scliwefel, Haphtha usw.) ist gering. Das Alfold bietet Salpeter und Soda. Die Industrie. Tm Vergleich zur Urproduktion spielt die hv- dustrie, in der nur 13 • 3 % der erwerbstiitigen Bevolkerung beschaf- 1 Kann sich aber naturlich nicht im entferntesten mit der Goldproduktion der Vereinigten Staaten (1904 121.000kg), Sudafrilcas (120.000kg), Australiens (132.000 kg) messen. 2 Ungarn fiihrte 1904 flir 8 bis 10 Millionen Kronen Eisenerz aus. 238 Sechster Abschnitt. tigt sind, eine geringeKolle. Die hausgewerblicheBetatigung ist zwar iiberall verbreitet, aber die G robi nebistri e bat sich erst an einigen Stellen des Landes niedergelassen, wird jedoch von seiten der unga- rischen Begierung auf das nachdriicklichste gefordert. Der ge- waltigen Einfuhr von Industrialien aller Art stehen nur geringe Ausfuhrziffern von Industrieartikeln gegeniiber. Anf Grundlage der landvvirtschaftlichen Produktion bat die ungarische Mulilenindustrie eine bliihende Entwicklung genommen. Es gibt an 20.000 Miihlen, darunter 1800 meist mit Dampf betriebene Grobmiihlen. Die Zentren sind: Budapest, Temesvar , Debreczin, Arad und GroBivardein. Die Bierbrauerei (1% Mili. hi jahrliche Produktion) hat sich vornehm- lich um Budapest niedergelassen, die Branniweinbrennerei ist iiber das ganze Land verbreitet, die Zuckerfabrikation (3 Mili. q Zucker Jahreserzeugung) namentlich in Oberungarn bei Misholcz. Die ara- rische PubaMabrikation \vird in 21 Fabriken betrieben. Zu irnmer groberer Bedeutung gelangen die Papierfabrikation (Fiume, Ober¬ ungarn), die IIolz- und Lederindustrie, namentlich aber die mannig- fache Zundivarenindustrie, in der Ungam bereits mehr ausfuhrt als einfiihrt. ISToch ganz abhangig von dem ausliindisclien Markt ist Ungarn in der Textilindustrie} Baumwollindustrie wird nur in Budapest und PreBburg, aueh etwas in Oberungarn und bei Karlstadt in Kroatien, Leinen- und Schafiuollindustrie in Oberungarn (Neu- sohl, Kesmark) und in Kronsladi, H anf- und Juteindustrie in Szegedin, Fiume und Budapest, Seidenindustrie in Pancsova, Neu- satz und A gram betrieben. Groben Aufsclnvung hat die Eisen- industrie genommen, die sich zumeist an den Statten. der Eisenerz- und Kohlenfunde niedergelassen hat, besonders in Oberungarn und im Banat (Anina-Kesicza), und mit ihren Waren Ungarn von dem Ausland immer unabhangiger macht. Grobe M ase Kine ni a b r i kon be- stehen zu Budapest, Raab und Arad. Erwahnung verdienen aucli neben dem allgemein betriebenen Topfergetverbe die Porzellan- industrie um Eiinfkirchen \vie die Glasindustrie in Oberungarn und Slawonien. 1 1904 bezog Ungarn von Osterreieh allein fiir ubfer 320 Millionen Kronen Text'ilstoffe, Garne, Kleider usw., welcher Sumrae nur die geringe Ausfuhr von 15 Millionen (Baumwoll»toffe) gegenubersteht. 239 Die Liinder der ungarischen Krone. Der Verkehr. Durch ein iiberaus planvoll angelegtes Bahnnetz konzentriert sich der Verkehr Ungarns in der Iiauptstadt Budapest. Ber Zonentarif, der fiir den Personenverkehr 225 km als auBerste Grenze feststellt, iiber welche hinaus keine weitere Erliohung des Fahrpreises eintritt, sowie die Tarifbegiinstigungen fiir Massengiiter (Iiolz, Kohle, S a lz, Erze u. a.) haben eine ganz aufierordentliche Belebung des Verkehrs beivirkt. Von Budapest gehen strahlenformig Bahnlinien nach allen Weltgegenden aus. Die groBte Bedeutung hat die Weltverkehrslinie , welche bei PreBburg an das osterreichische Bahnnetz anschlieBt, iiber Neuhausel nach Budapest fiihrt und sich dort in zvvei Arme gabelt: der eine geht iiber Szegedin, Belgrad nach Nisch und in neuerlicher Gabelung nach Konstantinopel und Saloniki, der andere iiber Szegedin, die Porta orientalis und Orsowa nach Bukarest und dem rumanischen flafen Konstanza. Nach Siebenbiirgen geht die Hauptlinie von Budapest iiber Grotiivardein nach Klausenburg und weiter iiber SchaBburg nach Kronstadt, \vo sie Anschlufi nach Bukarest findet. Die Hauptver- kehrsader, welche Kroatien und das ungarische Litorale mit der Iiauptstadt verbindet, fiihrt iiber Kaposvdr und Agram nach Fiume (vgl. S. 195). Nach Norden sind die wichtigsten Bahnlinien die durch das Waag- und Neutratal und iiber den JablunkapaB fiihren- den, welche die kiirzeste Verbindung mit Ostdeutschland herstellen. Die fiinf Bahnen, die Ungarn iiber die Karpathen mit Galizien verbinden, haben wir bereits kennen gelernt (S. 227). Die unga¬ rischen Bahnen sind zumeist im Staatsbetrieb, weshalb auch die Regierung ungehindert die den Verkehr fordernden MaBnahmen ergreifen kann. GroBere Ausdehnung als in Osterreich haben in Ungarn die Lokalbahnen; sie werden liier vielfach statt StraBen gebaut. Lage der bedeutenderen Siedlungen. Budapest, die Haupt- und Residenzstadt des Konigreiches Ungarn, zu beiden Seiten der mehr- mals iiberbriickten Donau gelegen, aus dem altehrwiirdigen Ofen, das sich an die Kalkhohen des ungarischen Mittelgebirges an- schmiegt, und der am linken Ufer der Donau weithin in die Ebene sich ausbreitenden Neustadt Pest bestehend, hat eine geographisch auBerordentlich begiinstigte Lage. Mit der zentralen Verkehrsader der Donau treffen sich liier die Wege aus Oberungarn, aus dem Wiener Becken und dem steirischen Hiigelland, aus Kroatien und konnen sich ungehindert iiber die ostliche Tieflandschaft- weiter ver- 240 Seehster Abschnitt. zweigen. Die liier zusammenstromenden verschiedenartigen Roh- stoffe muBten Handel wie Industrie beleben und so ist Budapest die erste Handels- und Fabriksstadt des Reiches, aucli der Brenn- punkt der politischen und geistigen Bestrebungen des Magyaren- tums geworden. Die Stadt zeigt eine riesige Volkszunahme: 1869 erst 211.000 Ehrvvolmer zalilend, ist deren Zahl 1900 auf 732.000, rnit Einrechnung der benachbarten, im wirtschaftlichen Bannkreis von Budapest stebenden Ortlichkeiten auf iiber 800.000 Einwohner gestiegen. In dem westlieh der Donau gelegenen Landesteile treffen wir alte Stadte (zum Teile selbst romischer Griindung), in welchen lange Zeit das deutsche Biirgertum eine einfluBreiche Stellung be- hauptet batte und die aucb gar keine Ahnlichkeit mit den kern- magvarischen Stadten des Ostens zeigen. An der Donau liegen ober- halb von Budapest Oran (18), Komorn (20), Raah (29) und in beberrschender Stellung am Donautor PreBburg (66). In Baab treffen wichtige Verkehrslinien zusammen, die eine von Bruck an der Leitha, die andere von Odenburg (33), die dritte aus Mittel- steier iiber Steinarnanger (25) kommend. Nacli Kroatien ruid dem Meere geht eine alte Verkehrslinie uber StuhliueiBenburg (32) und GroB-Kanizsa (24). Funfkirchen (44) bat durch den Koblenberg- bau groBen Aufschwung genommen. Oberungarn ist arin an groBeren Siedlungen. Alle bedeuten- deren Stadte liegen am Austritte der Fliisse in das Vorland, so Kaschau (40), Neutra (15), Miskolcz (43), das besonders durch industrielle Betatigung emporgebluht ist, und Erlau (26) an den Abhangen des Biikkgebirges. Am Bande der Waldkarpathen sind Munkdcs (14)-und Ungvdr (15) die bedeutendsten Sied¬ lungen. Das Donau-TheiBbecken und das Gebiet ostlich der TlieiB sind der Bereicb der groBen maggarischen Dorfstadte, die ohne irgend welche Anlelmung, abseits von Fliissen und Bergen, sicli wie ge- waltige Zeltlager in der Ebene ausdehnen. Diesen Charakter haben unter vielen anderen Jdszbereng (27), Debreczin (75), Keczkemet (58), Felegghdza (33) und Hodmezo-Vdsdrhelg (61), aber auch Szegedin (103) und Maria-Theresiopel (82). Neusatz (30) ist eine \vichtige Bruckenstadt der Donau. Am Bande des siebenbiirgischen Ilochlandes, dort, wo die Fliisse das Gebirge verlassen, erbeben sich stattliche Ortscbaften: Dpi- Staat und dic Beviilkerung. 241 Szatmdr-Nemeti (27) an der Szamos, GroBivardein (50) an der Schnellen Koros, A.rad (56) an der Maros. Siidlich davon Temesvdr (53), der Hauptort des Banates. In Siebenbiirgen entivickelt sich Klausenburg (49) inimer mehr z nm Hauptort, wo sicli aucli alle Magyarisierungsbestrebungen konzentrieren. Es bat bereits in seiner Bevolkerungsziffer Hermann- stadt (30), den Hauptort des Fogarascber Beekens, und Kronstadt (36), den Hauptort des Burzenlandes, iiberfliigelt. In Kroatien-8lawonien treten die Magjaren ganz zuriick (nur 3• 8 %) ; sie tverden hier selbst von den Deutschen (5 1 6 %; vor- nehmlich in Svrmieu) iibertroffen. Im Gegensatze zu Ungarn Avohnt liier die serbo-kroatisclie Bevolkerung ganz iiberwiegend in klei- neren Ortschaften, 43% sogar in solclien von unter 500 Eimvolmern. Die Hauptstadt Agram (61) nahe der Sawe, der kulturelle Mittel- punkt des kroatischenVolkstums, ist eine wichtige Brrickenstadt und bliibt durcli Hanclel und mannigfaehe Industrie. Sonst liaben nur die Draubriickenstadte Warasdin (13) und Esseg (25) soAvie Sisseh und Semlin einige Bedeutung. 1 Siebenter Abschnitt. Der Staat und die Bevolkerung. Der Staat. Auf boherer Kulturstufe haben sicli die Menschen behufs gemeinsamen Schutzes und gemeinsamer friedlicher Arbeit zu Staaten zusammengeschlossen. 2 Die Grundlage des Staates ist der \ r on festen Grenzen umscldossene, als unantastbares Eigentmn betrachtete Boden. Der Zustand des beimatlos herumsclrvveifenden Homadenvolkes ist die Verneinung des Staatsbegriffes. Mit dem Boden sind aber die darauf lebenden Menschen materiali und geistig auf das innigste zu einer Einheit verkniipft. Man kann als Staat bezeichnen: jede feste Vereinigung von Menselien (die veder stamm- noeh sprachvervandt zu sein brauchen) unter einer gemein- samen hochsten Gevalt und Leitung und auch raumlich verbunden durch den gemeinsamen, bestimmt umgrenzten Boden. Aus dem Boden werden die pflanzlichen, tierischen und mineraliseben Produkte ge\vonnen, die entiveder unmittelbar oder in ilirer Umarbeitung zu 1 Das ungarische Litorale wurde schon bei den Karstlandern besproeben (S. 194). - „Der Staat, entstanden des Zusammenlebens \vegen, besteht zum Zweclce des Grlticklichlebens" (Aristoteles). Zeehe-Heiderich, Osterr. Vaterlandskunde. 16 242 Siebenter Absehnitt. h6herwertigen Industrieerzeugnissen der Bevolkerung Nahrung, Erwerb und Wohlstand sichern. Uie fortschreitende Entwicklung der Staaten beruht ja zumeist in der steigenden Entfaltung der Eigenschaften des Bodens, in der immer besseren Ausrvertung der naturliehen Mitgift.. Der geistige Zusammen- hang mit dem Boden, in den unsere Vorfahren gebettet sind, an dessen Statten unsere freudigen und sehmerzlicben Erinnerungen haften, der mit dem Blute von Hunderttausenden gegen fremde Eroberer behauptet werden muBte, kommt in unserer Heimats- und Vaterlandsliebe zum erhebenden Ausdruck. Die Statistik suclit durch Zdhlung von charakteristischen Tatsaclien und Merkmalen siciitend und erklarend in die Mannig- faltigkeit des Staatslebens einzudringen, die sozialen und wirt- seiiaftlielien Verhaltnisse, wie iiberhaupt den ganzen Ilaushalt des Staates aufzudecken. Sie ist fiir ein geordnetes Staatswesen das, was die zeitweilige Inventaraufnahme und die geregelte Buchfuhrung fiir den Kaufmann ist. Flache und Bevolkerung von Osterreich-Ungarn. Die Flaclien- ausdehnung eines Staates und die Bevolkerung miissen stets im Zusammenhange betraclitet werden. Gesclilecliter kommen und ver- gehen, der Boden bleibt, er ist das Dauernde im Wechsel. Fast alle Kri ege sind um Landgewinn gefiihrt worden. Verlorene Millionen der Bevolkerung' konnen sich wieder ersetzen. Alij ahrlicli verlieren viele Staaten Tausende von Bewohnern durch Ausmanderung , ohne daJ3 man dieser Iiindernisse in den Weg legte. Aber jedes Stiick Boden, und sei es nur von ganz geringer Ansdehnung, wird mit den ganzen staatlichen Machtmitteln verteidigt und sein Verlust als Schmalerung und Demiitigung der Staatsmaclit empfunden. GroB- raumige Staaten (Amerika) haben, wenn der Boden nicht Odland ist, Anwartschaft auf kiinftige Bedeutung. Die Verbindung von Volk und Boden findet statistiscli den ziffermaBigen Ausdruck in der Bevolherungsdichte , welche besagt, wie viel Einwohner durchschnittlicli auf 1 lem 2 kommen. Anf die GroBe der Volksdichte nelimen physische (Lage, Klima, Boden) wie soziale (ErnahrungstVeise, Gewolmheiten, bevorzugte Enverbs- zweige usw.) Momente EinfluB. Im groBen und ganzen setzt jede hohere Kulturstufe auch eine groBere Volksdichte voraus, da erst dadurch eine Arbeitsteilung und Arbeitskonzentration ermoglicht wird. Im allgemeinen wird ein diehter wohnendes Volk wirtschaft- lich und kulturell hoher stehen, als ein minder dicht siedelndes. Aber eine zu groBe Volksdichte (tlbervolkerung), welclie dem ein- zelnen nicht melir geniigenden Erwerb sichert, fiilirt wieder zur Der Staat und die Bevolkerung. 243 Verarmnng weiter Volksschi eliten. Selbstverstandlieli ist die Grenze der tlbervolkerung in reinen Ackerbangebieten weit friiher als in Industriegebieten erreiclit. Letztere bewirken mit ihrer gesteigerten Erwerbsniogliehkeit Anliaufungen von Beivolinern, sie zeigen eine mivergleicklich starkere Zunahme der Volksdiehte, als die agrari- schen Gebiete. I. Osterreichisches Staatsgebiet. Ki* 244 Siebenter Abschnitt. Osterreich-Ungarn umfaBt 6% % der Elache von Europa (% % der gesamten Land- und 0 • 13 % der gesamten Erdo ber- flaclie). Auf enropaischem Boden wird es in seiner Flache nur von RuBland, in der Bevolkerung (12 % der europaischen) von RuB- land und Deutschland iibertroffen. GroBere Volksdichte als Oster¬ reich-Ungarn haben in Europa Belgien (227 Menschen auf 1 km 2 ), Riederlande (154), GroBbritannien und Irland (133), Ttalieii (113), das Deutsche Reich (112), die Schweiz (80) und Frank- reich (73). Wie fast iiberall in Europa hat auch Osterreich-Ungarn in dem verflossenen Jahrlmndert eine starke Volksvermehrung er- fahren. Diese tvare nocli viel groBer ohne die rasch anschrvellende iiberseeische Auspanderung , in deren Hohe Osterreich-Ungarn in Europa nur von Italien iibertroffen wird. In den letzten Jahren ist durchschnittlich jahrlich eine Viertelmillion Menschen ausgewan- dert; der starkste Strom lenkt sicli nach den Vereinigten Staaten, in neuerer Zeit auch nach Kanada und Argentinien. In den Jahren 1900 bis 1905 sind nach den Vereinigten Staaten allein 1,114.000 Ausrvanderer aus Osterreich-Ungarn gekommen! Das Gebiet der heutigen Monarchie (also ohne Lombardo-Venetien, aber auch ohne Bosnien) hatte 1818 ei'st eine Bevolkerung von 26- 2 Millionen, 1850 von 31-2 Millionen. In dem der letzten Volkszahlung (1900) vorausgehenden Jahrzehnt (1891 bis 1900) betrug die durehschnittliche jahrliche Bevollcerungs- zunahme 428.000 (0-94°/o)^ und zwar in Osterreich 226.000 (0-9 y o ), in Ungarn 179.000 (0-98°/ 0 ), im Okkupationsgebiet 23.000 (1-6°/ 0 )• Der jahrliche Be- voIkerungszuwaehs von Osterreich-Ungarn nlihert sich also fast einer halben Million und betragt mit der Zahl der Auswanderer fast drei Viertelmillionen. GroBere Bevolkerungszunahme zeigen in Europa Deutschland (l-4°/ 0 jahrlich) , Niederlande (1-2 °/ 0 ), RuBland (1-1 °/„), dre Sclrvveiz, Belgien, Danemark und Norrvegen (mit je ungefahr l°/o)> vor allem die christlichen Staaten der Balkan - lialbinsel (rund 1- 5%)- Ziemlich gleiche Volksvermehrung zeigen Spanien und GroBbritannien (0-9%, in Irland Atmalme um V* 0 /«); geringere haben Italien, Portugal und Schiveden, die geringste (mu 0-30%!) Frankreieh. Die Bevolkerungsdichte rveist in den osterreichischen Landern groBe Schrvankungen auf, \veniger in Ungarn (vgl. S. 234). Am gTiiBten ist sie in Niederosterreich (ohne Wien allerdings nur 72 auf 1 km 2 ) und den Sudeten- landern, am geringsten in Salzburg und Tirol. Von den kleineren Vemvaltungs- gebieten, den Bezirkshauptmannschaften, liegen die am dichtest bevolkerten im nčirdlichen Bohmen, in Mahren und Sehlesien sowie im rvestlichen Galizien und stidostlichen Niederosterreich. 1 Wie iiberall in Europa, haben auch in Osterreich 1 Neben den Vororten von Prag, Žižkow und Konigliche Weinberge, haben nocli ftinf Bezirkshauptmannschaften iiber 300 Einwohner auf 1 km 2 : Freistadt in Scblesien 378, Gablonz 402, Rumburg 406, Teplitz 456, Miihrisch-Ostrnu 880. Im Der Staat imd die Bevolkerung. 245 die industrielleri, stadtereichen Gebiete eine grofiere Zunahme der Volksver- melirung und Volksdichte als die rein agrarischen Gebiete. Niederosterreidh mit Wien war 1818 mit 51 Menschen auf 1 km 2 sehvacher bevolkert als Bohmen (04), Maliren und Schlesien. Anderseits hatte Salzburg damals bereits eine Volksdichte von 19. Was die Verteilung der Geschlechtei* betrifft, so ubervviegt in Osterreieh und Ungarn die veibliche, in Bosnien aber die mannliche Bevolkerung. Es lcommen auf 1000 Miinner in Osterreieh 1035, in Ungarn 1009, in Bosnien aber n ur 894 Weiber. Die Nationalitat. In ethnographischer Beziehung zerfallt die Bevolkerung von Osterreicli-Ungarn in Deutsche (11 • 3 Mili.), Slamen (21 Mili.), Bomanen (3-8 Mili.) und Magyaren (8 • 8 Milk). Eine kulturelle und sprachliche Einheit bilden aber nur einerseits die Deutsehen, anderseits die Magyaren. Die Slawen zer- fallen durcli die lteilforniig dazvvischen gelagerten Deutsehen und Magyaren in Hord- und Siidslawen. Zu den Hordslawen gehoren: die TschecJien (6 Mili.) und die ihnen vervvandten Sloivaken (2 Mili.), die Polen (4‘3 Mili.), die Ruthenen (3 • 8 Mili.); zu den Siidslatven: die Sloivenen (1* 3 Mili.) und die Serbo-Kroaten (5 Mili.). Auch die Bomanen sind als West- und Ostromanen sprachlich und kulturell gesondert. Westromanen (0 - 8 Mili.) sind die Italiener (und die Ladiner in einigen Talern des siidostliclien Tirol wie aucli die Friauler im Isonzogebiete), Ostromanen (3 Mili.) die Bumdnen oder Walachen. Die Verbreitung dieser Volkerschaften haben wir bereits lcennen gelernt. In Osterreieh (Ungarn s. S. 232) waren im Jahre 1900 von der Gesamtbevolkerung 35-8% Deutsche, 23-2% Tschechoslawen, 16-6 % Polen, 13-2% Ruthenen, 4-7 °/ 0 Slowenen, 2-8% Serbo-Kroaten, 2-8% Italiener und 0-9% Rumanen. Gegeniiber der Volkszahlung vom Jahre 1880 (also innerhalb 20 Jahren) haben relativ abgenommen: die Deutsehen um 0-9 ”/ 0 , die Slovenen um 0-5%, die Italiener um 0-3%. Zugenommen haben arn starksten die Polen (um 1-7 %), veniger die Tschechen (0-6°/ 0 ), noch weniger die Ruthenen (0-4%) und die Serbo-Kroaten (0 • 2 %). Die Religion.In konfessioneller Hinsicht. zeigt dieMonarchie ein- heitlichere Ziige als in nationaler, indem sicli mehr als drei Viertel der Bevolkerung (35-9 Mili., darunter iiber 5 Mili. Griechisch- Katholische) zur lcatholischen Kirche bekennen. Die katholische Ivirche herrscht in Osterreieh mit 91 %, in Ungarn mit iiber 61 % Gegensatz dazu haben seehs alpenliindisehe Bezirkshauptmannschaften weniger als 15 Einwohner auf 1 km 2 : Lienz und Reutte in Tirol je 14, Zeli am See und Tniosveg in Salzburg je 13, Imst und Landeck in Tirol je 12 Einwohner. 246 Siebenter Absebnitt. vor. Alle bsterreichisclien Bander, mit Ausnahme der-Bukotvina, sind iiberwiegend katholisch. In groBerer Zalil sind noch in Osterreich- Ungarn vertreten die Evangelischen (4'2 Mili.), die Griechiscli- Orientalischen (Orthodoxe, 4 Mili.) nnd die Israeliten (2 • 1 Mili.). Unter den bosnischen Serben ist anch der, Islam (550.000 Be- kenner) vertreten. Die rascheste Zunahme seit 1857 zeigen die Israeliten, die sich in Osterreieh fast verdoppelt, in Ungarn mehr als verdoppelt haben. Die romisch-katholiBche Kirche hat in diesem Zeitraum in Osterreieh um 42 % zugenommen (in Ungarn um 51-8%), die Griechiseh-Orthodoxen um 41% (in Ungarn um 15-1 °/„), die Griechisch-Katholischen um 50% (in Ungarn um 34-3 %), die Evangelischen Augsburger Konfession um 89% (in Ungarn um 27-8%), die Evangelischen Helvetiseher Konfession um 31% (in Ungarn um 33-5%). Die romiseh-katholische Kirche ziihlt in Osterreieh sieben Erzbistiimer (Wien, Salzburg, Gorz, Žara, Prag, Olmiitz und Lemberg), in Ungarn vier (Gran, Kaloesa, Erlau und Agram). Aufierdem gibt es «wei griechisch-katho- lische Erzbistiimer (Lemberg und Fogaras, Sitz in Blasendorf) und ein arme- nisch-katholisehes Erzbistum (Lemberg). Die GriecMsch-Nichtunierten haben einen Partriarehen zu Karlowitz (fiir die Serben), einen Erzbischof zu Hermann- stadt (fiir die Rumiinen) und einen zu Czernowitz (fiir die Bukowina und Dal- matien). Fiir die Leitung der Evangelischen (Augsburger und Helvetiseher Kon¬ fession) bestehen in Osterreieh der Evangelische Oberkirehenrat in Wien und die Generalsynoden der beiden IConfessionen, denen die Superintendenzen unter- geordnet sind. In Ungarn ist eine ahnliche kirehliche Gliederung; dort fiihren die Superintendenten den Titel „Bisehof“. Die geistliehen Angelegenheiten der Israeliten obliegen den Kultusgemeinden und den von diesen bestellten Rab- binern. Die ivirtscliaftliche Betiitiginig. Die wirtschaftliche Tatigkeit des Menschen wird durcli Be- diirfnisse 1 hervorgerafen und. die Befriedigung dieser Bediirfnisse ist Zweck und Ziel der inenschlichen Arbeit. Heben unentbehrlichen Bediirfnissen, die zur Erhaltung des Lebons und der Gesnndlieit dienen ( Naturbediirfnisse , wie ISTahrung, Kleidung und Wohnung), gibt es an sich entbehrliche Bediirfnisse, wie Anstands- und Luxus-' bediirfnisse. Erstere entsprieBen den Anschauungen, der Sitte und der Lebenshaltung der sozialen Klasse und Umgebnng, rvelcher der einzelne angehort, letztere dem Streben nacli Woblbehagen und verfeinerter Lebensfiihrung. Die Bediirfnisse sind nacli geographi- scher Ortlichkeit, Volk, Alter, Geschlecht, Gesundhcitszustand, 1 „Bediirfnis ist die Empfindung eines Mangels, verbunden mit dem Streben, ihn zu beseitigen.“ Der Staat und die Bevolkemng. 247 korperliclier und geistiger Veranlagung ungeheuer versehieden, auf niedriger Kulturstufe auflerst gering, auf hoherer werden sie immer maunigfaltiger. Alle Objekte (Sachgiiter), die zur Befriedigung menschlicher Bediirfnisse dienen, werden Guter genannt, und die ganze Wirtschaft des Menschen ist darauf gerichtet, solclie Guter au beschaffen. Neben der ProduJction , worunter man die Getvinnung und Erzeugung der Giiter versteht, spielt wirtschaftlich der Handel und Verkehr, durch tvelchen sie in Undauf (Zirkulation) und zum Verbrauehe oder Gebrauche (Konsumtion) kommen, eine grobe Rolle. Vor allem quillt aus dem Boden der Reichtum eines Landes. Er ist die Grundlage der Produktion; durch seinen Aufbau, seine Fruchbarkeit und sein Klima wird ja in erster Linie der Charakter und die Art des landwirtschaftlichen Betriebes bestimmt. Die oro- graphische Gestaltung, die Wasserlaufe, die Lage zum Meere be- dingen Handel und Verkehr und die Bergbauschatze wieder die Entwicklung der Industrie. Die an Kohlen und . Eisenerzen reichsten Staaten sind auch die ersten Industriegebiete der Erde geworden. Das Geld. Auf niedriger Kulturstufe fand ein einfacher Tausch von Waren statt, auf hoherer griif man zu einem bequemeren Tauschmittel, dem Gelde (von „gelten“). Dadirreh rvurde der urspriinglielie Tausch von entbehrlicher gegen gewiinschte Ware verwandelt und zerlegt in die Hinga.be der Ware gegen Geld (Verkauf) und die Hingabe von Geld gegen Ware (Kauf). Da es moglich ist, jede beliebige Ware in Geld umzusetzen, wurde das Geld zum Wertmesser der Waren. Als allgemein anerkanntes Tauschmittel empfahlen sieh sohon in iiltester Zeit die Metalle, vor allem die Edelmetalle Gold und Silber , denn sie sind ziemlieh unveriinderlieh, leicht ubertragbar und vereinigen mit ge- ringem Gewieht einen groBen Wert. Die modernen Staaten pragen in eigenen Miinzstatten auis Gold und Silber Miinzen, deren aufgepragter Wert im wesent- lichen ihrem wirklichen Gold- und Silbervvert entspricht (Kurantmiinzen). Da- neben pragt der Staat aber aueh noeh unterwertige Miinzen (in Osterreich- Ungarn aus Nickel und Bronze) fiir die kleinen Umsatze (sogenannte „Scheide- miinzen"), welche \veniger wert sind, als ibr Aufdruelc besagt und daher nur in kleinen Betragen gesetzliches Zahlungsmittel sind. Die staatlichen Kassen sind ver hal ten, groBere Summen von Scheidemiinzen jederzeit gegen Kurantmiinzen umzutauschen. Der Staat bestimmt auch die Wdhrung (die „Valuta“), d. h. er gibt an, rvelehes Metali (oder bei Doppelwahrung welche Metalle) gesetzliches Zahlungsmittel sein soli. Osterreich-Ungarn hat seit einigen Jahren die Gold- voahrung; doch vrerden auch noch in beschranlttem Umfange Silberkurantmiinzen neu gepragt. Es ist dies lediglich eine Ubergangsform von der friiheren Doppel- wahrung zur reinen GoldwShrung. Als Zahlungsmittel ist an Stelle von Miinzen auch das Papiergeld im Um- lauf. B'is vor kurzem gab in Osterreich-Ungarn der Staat Papiergeld als Staats- 248 Siebenter Absclinitt. noten aus, gegen die Zusicherung jederzeitiger Einlosung gegen gemiinztes Gold; sie waren auf den Kredit, das Vertrauen begriindet, das der Staat genieBt. Jetzt gibt nur mehr die Osterreichisch-UngariscJieBank (mit dem Sitze inWien)Papier- geld, die sogenannten Banknoten aus. Audi die Banknoten haben durch den Staat die Geltung als gesetzliches Zahlungsmittel erlangt und miissen auf Ver- langen jederzeit gegen bare Miinze umgetauseht werden. Die ausgegebenen Bank¬ noten miissen zu einem guten Teil durch ednen Vorrat der Bank an Edelmetall gedeckt sedn (die sogenannte „Metallbedeckung“). Eine groBe Rolle im modernen \virtsehaftliehen Leben spielen die Banketi (Kredit-, Hypotheken-, Handelsbanlcen); es sind dies Geldinstitute, welche den Geld- und Warenumsatz erleiehtern sowie auf eigene Reehnung und Gefalir Kredit vermitteln, indem sie Kapitalien aufnehmen und \vieder iveiter verleihen. Eine Vereinigung lcleiner Kapitalien zu groBeren Unternehmungen \vird dmch die AktiengesellscUaften ermoglieht. Die in Aktien angelegten Gelder der Aktionare werden nach dem Ertrage des Unternehmens verzinst. Vielfaeh finden wir die ivirtschaftlioh Sehwacben, wie den landwirtschaftlichen und gewerblichen Klein- betrieb, zu Enoerbs- und Wirtscliaftsgenossenschaften zusammengesehlossen. Aber aueh die GroBindustrie zeigt Vereinigungsbestrebungen im Sinne der be- \vuBten Herstellung einer gegenseitigen Abhangigkeit der Betriebe, ja einer teihveisen oder giinzlieben Betriebsversehmelzung (Kartelle und Trusts). Der Sehauplatz des Handels ist der Marki. Man unterscheidet die Klein- handelsmarkte oder „Mdrkte“ im engeren Sinne und die GroBhandelsmiirkte oder Borsen. Auf den ersteren findet zumeist nur ein Handel mit bestimmten Artikeln statt, die Produzenten und Konsumenten treten vielfaeh in direkten Verkehr. Auf den Borsen findet ein allgemeiner Handel statt mit Wertpapieren wie mit Waren; es verkehren hier meist nur Iiandler. Die Waren liegen nielit ivirklich vor und ihre Lieferung erfolgt erst nach einer genau vorher vereinbarten Zeit. Der Spekulation ist der \veiteste Spielraum gegeben. Der Forderung des Sparsinnes der Bevolkerung dienen die Sparkassen. Sie nehmen Geldeinlagen an und vermogen sie durch VVeiterverleihung zu verzinsen, erleiehtern also die Ansammlung ldeinerer tlberschiisse des einzelnen zu einem allmahlich wachsenden und jederzeit frei verfiigbaren Kapital. Besonders segens- reich ivirkt in Osterreich-Ungarn die 1882 gegi'iindete Postsparkasse, welche in ihren zahlreichen Sammelstellen (alle Postamter) die kleinsten Betrage an- nimmt und verzinst und die Sparbetriige jederzeit zuriickzahlt. Fur die kauf- mannisehe Welt h at sie gi-oBe Bedeutung durch Besorgung des Geldverkehrs erlangt, indem sie eingezahlte Gelder an den Adressaten leitet (Scheckverkehr), der bei der Postsparkasse eine bestimmte Summe als Depot erliegen hat (Konto), teils Geldbetriige im Auftrage der Handelsivelt von einem Konto auf das andere tibertragt (Clearingverkehrj. Durch tlbersendung von Kontoausziigen veratan- digt die Postsparkasse beide Kontoinhaber von der tlbertragung und deni Stande ihres Guthabens. Die Produktion oder Giiterbeschaffung sclieidet sich in die Urproduhtion oder Stoffgewinnung nnd in die Fabrikation oder Stoffverwandlung. Die TJrproduktion liefert uns die pflanzliohen, Der Staat und die Bevolkerung. . 249 tieriselien und mineralischen Kahrungs- und GenuBmittel und die Rohstoffe fiir die Industrie und gliedert sicli in die Land- und Forstivirtschaft, den Bergbau- und Hiitteiibetrieb. Die Land- und Forstwirtschaft. Nacli der Berufszaldung von 1900 entfallen in Osterreieli (Ungarn s. S. 234) von der Gesamt- bevolkerang auf die einzelnen Berufszweige folgende Prozent- ziffern: Land- und Forstwirtschaft 52 • 4%, Industrie 26 • 8 %, Handel und Verkelir 10 %, dffentliclier Dienst und freie Berufe 4 ■ 7 %, Eentner, Anstaltsbevolkerung 1 6 * 1 %. Mehr als die ILalfte •der Bevolkerung gehort also nock immer der Landwirtschaft an (von den wirklich Berufstatigen sogar 58 • 2 %), aber die agrarische Bevolkerung ist, wie iiberall in Mittel- und Westeuropa, zugunsten der industriellen in štetem Riickgang. 2 Den stiirksten Anteil an der agrarischen Bevolkerung haben die Karpathen- und Karst- lander, dann die Alpenlander, den geringsten (rund 40 %) Schle- sien, Bolnnen, Vorarlberg, dann V iederosterreicl l (24%) und Triest (6%). Von der Placlie Osterreichs sind 5'8% unpro- duktives Odland. Das Kultur land verteilt sicli folgendermaBen: 35 • 4 % Acker nebst 1*2% Garten und 0*8% Weingarten, 32*6% Wald, 10*2% Wiese, 8*9% Weide, 4*7% Al pen, •0*4% Seen, Teiche und Siimpfe. Das Ackerland liat die groBte Ausdehnung in den Sudetenliindern und in Galizien; der Wald stelit an erster Stelle in den Alpenlandern und in der Bukovina, das Grasland in den Karstlandern. Den veitaus bedeutendsten Zweig des Ackerbaues bildet der •Getreidebau. Im Durchsehnitte erzeugten die Bander der ungari- scben Krone etv*a dreieinhalbm&l soviel Weizen und etwa nemima! soviel M ais als Osterreieli, aber iveniger Boggen, Gerste und H afer. Der Gesamtwert der Getreideernte an Weizen, Roggen, Gerste, Ilafer und Mais betrug im Jahre 1900, einem besonders giinstigen Erntejalir, in Osterreieli 1120*5, in Ungarn 1664*8, zusammen 2785*3 Millionen Kronen, docb zeigen die Emteertrage, dem Witterungsverlauf entsprechend, groBe 8chwankungen und ihr Wert andert sicli von Jabr zu Jahr oft um Hunderte von Millionen 1 In Kranken-, Versorgungahausern, Gefangnissen. 2 Im .Jahre 1880 gehSrten noeh 60-7% der land- und forstwirtschaftlichen, 24-fi°/ 0 dei* industriellen und 0-5 % der im Iiandel und Verkelir tiitigen Be¬ volkerung an. 250 Siebenter Absdhnitt. Kronen. 1 Gute Erutejahre mit ihren gesteigerten Einnalimen kom- men sofort im gesamten Wirtschaftsleben des Staates zur Geltung; sie aubern sich in gesteigertem Absatze von Industrieartikeln, gewaltigem Aufschwunge des In- und Auslandsverkehrs, er- hohten Ziffern der Eisenbahnen- und Schiffabrtseinnahmen und des Aubenhandels. Eriiher vermochte Osterr eich-Ungarn viel Ge- treide an das Ausland abzugeben. Die rasehe Vermehrung der Be- volkerung und der gesteigerte Verbrauch machen Osterreich-lTngarn immer mehr zu einem Getreideimporčland, das bereits bedeutende Mengen Getreide zur Deckung des heimischen Bedarfes einfiihren mulj. Kur in Gerste, deren feine Qualitaten von der auslandiscben Brauerei (besonders in Deutschland und England) stark begehrt \verden, baben wir grobe Ausfubr (60 bis 10 Millionen Kronen). Am meisten muJ3 Mais eingefuhrt werden, 2 Eeis wird in der Mon- archie nur wenig gebaut (im Isonzo-Tiefland und im Banat) ; es werden jabrlich Mengen im Werte von 20 bis 24 Millionen Kronen eingefuhrt. Bei weiterer Ausgestaltung und Vervollkoinmnung des Be- triebes konnte zweifellos die Landwirtscbaft mebr produzieren, den Bodenertrag nocb gewaltig steigern. Wahrend z. B. an Weizen Deutschland durchschnittlich 19 q pro Hektar ern.tet, gewinnt Oster- reicli nur 11 ■ 4 q, 3 Ungarn 10 • 8 q. Eine grobe Rolle spielt das aus Gerste erzeugte Mah. Die heimischen Malzereien decken nicht blob vollstandig den Bedarf der inlandischen Brauereien, sondern vermogen noch jahrlich Malz im Werte von liber 50 Millionen Kronen an das Ausland (vor- nehmlich nachDeutschland, der Schweiz, aber auch nach Mittel- und Siidamerika, Japan) abzugeben. Auch an Mehl iindet eine Ausfubr von liber 20 Millionen Kronen statt. Der Hulsenfriichtebau wird in groberem IJnifange besonders in den Sudetenlandern und in Galizien betrieben und ermoglicht eine bedeutende Ausfubr (15 bis 20 Millionen Kronen) neben geringer Einfuhr aus Rubland. Der Kartoffelbau, der auf den mageren, fiir bessere Kulturen nicht 1 So betrug in dem Jahrzehnt 1897 bis 1906 dei' Wert der schleehtesten Ernte in Osterreich, d. i. im Jahre 1900, nur 756 Millionen Kronen, was gegen- iiber dem giin&tigsten Erntejahr (1906 1120-5 Millionen Kronen) einen Fehl- betrag von nicht Veniger als 364 Millionen Kronen fiir Osterreich allein ausmacht. 2 1905 fiir 60-6, 1906 fiir 20-6 Millionen Kronen. 3 Am meisten Niederosterreich, Bohmen und Mahren (iiber 14 bis 15 q), am venigsten das Kiistenland und Dalmatien (5 x / 2 q). Dev Staat umi die Bevolkerung. 251 geeigneten Boden immer mehr Ausbreitung gewinnt (namentlich in Bohmen, Mahren, Galizien und Oberungarn), deckt den heimischen Bedarf trotz des groben Verbrauches der Kartoffel als menscliliclies X ahrungsmittel, als Viehmast und als Kohstoff fiir die Spiritus- brennerei. Die Z uckerrube wird besonders in Bohmen und Mahren, weniger in Galizien und Ungarn angebaut und die Produktion kornrnt vollstandig fiir den riesigen Verbraucli unserer liochent- wickelten Zuckerindustrie auf. Gemusebau wird in der Kahe der groben Stadte, dann um Znairn, Božen, Leitmeritz betrieben. Ein- fuhr findet statt von feinem Tafelgemiise aus dem Siiden und von Zwiebeln (vornehmlieh aus Agypten). Der Obstbau ist allgemein verbreitet, liefert aber erstldassige Erzeugnisse, die aucli zur Ausfuhr kommen, nur um Božen und Leitmeritz. Auberordent- lich grob ist die Ernte von Pflciumen in Slawonien (Svrmien) und noch mehr in Bosnien. Getrocknete Pflanmen und Pflaumen- mus werden fiir rund 5 Millionen Kronen ausgefiihrt. Sudfriichte (Orangen, Zitronen, 'Feigen) kommen im Siiden vor, doch ist noch eine Einfuhr von 30 bis 37 Millionen Kronen notivendig. Die OKvenkultur in Siidtirol, Dalmatien, Istrien zeigt sehr schwankende Ertrage und es mub noch eine Oleinfuhr von 2 bis 4 Millionen Kronen stattfinden. Flachs wird besonders in Bohmen und Mahren gebaut, Hanf mehr in IJngarn, doch beide nicht in geniigenden Mengen; jahrlich miissen von diesen Gespinst- stoffen fiir iiber 40 Millionen Kronen eingefiihrt werden (zumeist aus Rubland). Im Tabakbau (vornehmlieh in Ungarn) wird unsere Monarchie von keinem europaischen Staate iibertroffen, aber trotz riesiger Produktion (durchschnittlich 600.000 q jahrlich) wird noch Tabak fiir rund 50 Millionen Kronen eingefiihrt (zumeist aus iiberseeischen Landern). Der Hopfenbau hat seine Hauptgebiete in Bohmen; jahrlich wird fiir 25 Millionen Kronen Hopfen an das Ausland abgegeben. Der Weinbau bleibt nur Schle- sien und den auberkarpathischen Landern fern, er erzeugt in Oster- reich rund 4% bis 5 Mili. hi, in Ungarn 2% bis 4% Mili. lil. Aus- und Einfuhr von Wein halten sich so ziemlich die Wage. Das 17 aldland, das in den Alpen, in Oberungarn, Siebenbiirgen und Bosnien vorherrscht, ermoglicht grobe Ausbeute. llolz ist unser vjichiigster Ausfuhrartikel; wir fiihren davon fiir rund 250 Mil¬ lionen Kronen jahrlich aus, besonders nacli Deutschland und Italien, aber audi nach den iibrigen Mittelmeerlandern, nach Rub- 252 Siebenter Abschnitt. land, der Schweiz usw. Audi Einde, G erbstoff extr akt e, Harz uud Terpentin konnen ausgefiihrt werden. Die Jagd findet in Osterreich-Ungarn noch reiehen Wildstand. Im Vergleieh zu dem groben Geld- und Zeitaufwand, vrelclier mit der Jagdpflege und Jagdaus- iibung verbunden ist, und mit Riicksieht auf den an manehen Orten dureh einen ubermiifiigen Wildstand hervorgerufenen Sehaden 1 fstllt der Jagdertrag wirt- schaftiich nieht ins Gewicht. Immerhin spielt die Jagd als Einkommenquelle in sorust selil' ivenig Ertrag bietenden Gegenden einige Rolle. In Osterreich wird (1900) ein Jagdpaclitertrag von 3-6 Millionen Kronen, in Ungarn ein solcber von 1-3 Millionen Kronen ausgewiesen. Erlegt wurden in Osterreich (1900) 3,660.400 Stiick niitzliches und schiidliches Wild, in Ungarn im Durchschnitte der Jahre 1885 bis 1894 im ganzen 1,238.800 Stiick. Statistische Daten liber die Binnenfisclierei liegen nicbt vor, wohl aber hinsiehtlich der Kiisten- und Seefischerei in Osterreich (vgl. S. 189). Sie vermag nieht f tir den heimischen Bedarf aufzukommen. Die Einfuhr (Heringe, Stock- fische, Kaviar usw.) iibertrifft die Ausfuhr um uber 20 Millionen Kronen. Die Viehzucht. Ein widitiger Zweig der 1 an dw i rt sc 1 1 a f tl i die n Betatigung (in den Alpenlandern der Hauptzweig) ist die Vieli- zucht. Sie wird in allen Landesteilen betrieben 7 bleibt aber in ihrer Zunabme hinter dem rasdi steigenden Fleisebverbrauch zurucle, wes- balb aucb die friiher selir bedeutende Ausfubr von Schlacht- und Zugvieh sich immer mehr vermindert. 1906 betrug der tJbersdiuB der Ausfubr liber die Einfuhr mir mehr 57 Millionen Kronen. Der Viehstand Osterreich-Ungams stellt sieh folgendermaBen: 2 1 Der Jagdbesitzer muB fiir die Sehaden dureh die Wildschadenvergiitungen aufkommen. - Auf je 1000 Eimvohner kommen in: Der Staat und die Bevolkerung. 253 Die Zunahme (-|-) oder Abnahme (—) de-s Viehstandes in Osterreich be- trug in dem Jahraehnt 1891 bis 1900: Pferde -(- 10-5°/ 0 , Kinder -j-10%, Maul- tiere, Esel und Maulesel -j- 23 - 8 °/ 0 (am meisten in der Bukowina und Dalmatien), Ziegen — 1 ■ 9% (Zunahme bloB in Istrien, Mahren, Schlesien), Seliafe — 17 3 /*°/o (Zunahme nnr in Dalmatien), Schvreine -j-31-9%, Bienenstocke -j-S-1%. Am auffallendsten ist die starke Abnahme der Schafzucht (begriindet durch das Sinken der Wollpreise und durch die Abnahme der Schafausfuhr nach Frank- reieh usw.) und die riesige Zunahme der Schweinezueht. Unser Hauptabsatzgebiet fiir Schlackt- und Zugviek ist Deutschland. Die Mast wird besonders in Bolmien, Ungarn und Galizien betrieben, wo vielfach die Abfalle der landwirtschaftlichen Industrien zur Viehfiitterung verwendet werden. Starke Ausfulir haben wir an Butter (8 Millionen Kronen), dagegen Kaseeinfulir (5 bis 6 Millionen Kronen) vornelimlich aus der Sekroeiz und Italien. Die SchaiVollproduktion ist ungeniigend, die Einfnkr iibertrifft die Ausfuhr um iiber 100 Millionen Kronen. Die friiher bedeutende Ausfulir von Schiveinen (und Speck) ist infolge des Auftretens der Schweinepest in Ungarn einer (wohl nur voriiber- gehenden) groBeren Einfuhr gewicken. Die liochentivickelte Ge- fkigelzucbt vermag neben Federn und Gefliigel namentlicli Eier auszufiihren; der Wert der Ausfulir von Eiern iibertrifft den der Einfuhr (vornelnnlicli aus KuBland) um 50 bis 60 Millionen Kronen. Der Fiirderung der Land- und Forstivirtschaft dienen in Osterreich eine lteihe staatiicher und privater Institute und MaBnahmen, namentlicli die land- und forstivirtschaftlichen Schulen aller Stufen, der Wanderunterrieht, land- ivirtschaftliehe Veredne und Kreditgenossenschaften (Kaiffeisen-Darlehenskassen, die billigen und langfristigen Kredit beivilligen), Musterwirtschaften, landivirt- sehaftliclie Versuchs- und Kontrollstationen, Ausstellungen und Pramiierungen. In den einzelnen Dandern besteht ein Landeskulturrat fiir den Verkelir mit dem Ackerbauministerium und zur Berichterstattung und dem Ministerium selbst ist ein in mehrere Sektionen gegliederter La/ndivirtschaftsrat beigegeben. Der Bergbau. Am reiclisten anBergbauschatzen sindBolunen und die Alpenlander sowie die innere und auBere Zone der Karpathen. Das Bergbau- und Hiittenwesen haben sich ganz zn GroBbetrieben umgestaltet, welche die kleinen Betriebe bereits vollig aufgesaugt liaben (neben staatlichen Betrieben die Alpine Montangesellscliaft, die Bohmiscbe Montangesellscliaft, die Prager Eisenindustriegesell- schaft, die Witkowitzer Bergbau- und Hiittengewerkschaft, die Osterreicbische Berg- und Huttemverksgesellscliaft, vormals Erz- 254 Siebenter Abschnitt. lierzog Eriedrich-Montan- und Hiittemverke in Teschen u. a.). Kohle, Eisen und Salz iiberragen an Bedeutung \veit alle iibrigeu Mineralien. Der Gesamtvvert der reinen Bergiuerhsproduhtion 1 betragt in Osterreich (1904) 279% Millionen Kronen, wovon auf .Bohmen fast die Halfte entfallt. 2 Dazu kommt noch der Wert des gewonnenen Salzes mit 52 Millionen Kronen und von Petroleum und Kaphtha mit 21 Millionen Kronen, in Summa also fiir Oster¬ reich liber 350 Millionen Kronen. In Ungarn erreicht die Bergbau- und Hiittenproduktion einschliefilich der Salzproduktion einen Wert von 130 Millionen Kronen. Wir haben die wichtigsten Bergbau- und Hiittenbezirke der Monarchie nach Art und Menge der Produktion bereits kennen gelernt. Mit Ausnahme von Quecksilber und Blei ist in fast allen Edel- und unedlen Metallen noch eine Einfuhr notvrendig (Gold, Silber, Zink, Kupfer, Zinn, Antimon usw.), dagegen findet man mit der Menge der geforderten Eisenerze (in Osterreich 17Mili. q, inlTngarn 14 bis 16Mili. q) sowie auch mit dem erzeugten Roheisen (Osterreich 9'9 Mili. q, Ungarn 4 bis 4% Mili. q) das Auskommen und vermag sogar schon kleine Mengen von Erz und Roheisen an das Ausland abzugeben. Die Ausfuhr an Eisenerzen iibertrifft die Einfuhr um fast 2 Millionen Kronen, von Roheisen um ungefahr denselben Betrag. Die bsterreichischen Hiittemverke beziehen namhafte Mengen Erz aus Oberungarn. 3 An Steinlcohle werden in Osterreich 110 bis 120 Mili. q im Werte von 95 bis 100 Millionen Kronen, in Ungarn 11 bis 12 Mili. q im Werte von 12 bis 14 Millionen Kronen gefordert und die Monarchie bedarf noch einer sehr bedeutenden Einfuhr. 1906 betrug der UberschuB der Einfuhr an Steinkohle und Koks iiber die Ausfuhr 100 Millionen Kronen. Die Einfuhr von Steinkohle erfolgt zmn allergroBten Teile aus Deutschland, weniger aus Eng- land und RuBland. Dagegen vermag die Monarchie jahrlich groBe 1 Vgl. FuBnote S. 211. 2 Bohmen 48-04%, Sehlesien 16-89%, Steiermark 13-42%, Mahren 10-88%, Galizien 3-40%> Karaten 2-0%, Krain 1-54%, Oberosterreich 0 • 96 % , Triest 0 • 85 % , Salzburg 0 ■ 54 % , Tirol 0 ■ 51 % ; Niederosterreich, Iatrien, Dalmatien und die Bukowina mit zusammen nur 0-97%. 8 1904 wurden in Osterreich filr 6-1 Millionen Kronen Erze aus Ungarn hezogen, uberdies fiir 439.000 Kronen aus Bosnien, 2-8 Millionen Kronen aus Schweden, 443.000 Kronen aus RuBland, 190.000 Kronen aus Amerika usw r . Der Sta,at und die Bevolkerung. 255 Mengen von BraunJcohlen (1906 fiir 72 Millionen Kronen) ab- zugeben, und zwar vorwiegend nach Deutschland. Die Braunkolilen- forderung belauft sicli in Osterreich auf rund 220 Mili. q im Werte von 95 bis 100 Millionen 'Kronen, in TTngarn auf 50 bis 55 Mili. q im Werte von 35 bis 37 Millionen Kronen. In Salz findet keine Ausfuhr statt, dagegen wird an Minerahvassern fiir liber 11 Mili. Kronen jahrlich ausgefiilirt. Im Bergbau und Huttenwesen sind in Osterreich an 150.000, in Ungarn iiber 70.000 Arbeiter besehaftigt. Mit Riicksieht auf die mit dem Bergbau ver- bundenen Gefahren schreibt der Staat die niitigen SicherheitsmaBregeln vor und iiberwaeht deren strenge Handhabung durch eigene Bergbauinspektoren. Die 1889 dureh Gesetz eingefiihrten : ,Bruderla.den“, zu denen aueh die Grubenbesitzer beisteuern miissen, sichern den verungliickten oder durch Alter arbeitsunfaliig gewordenen Bergleuten Unterstiitzungen und Pensionen. Die Industrie. Eine, ganz auBerordentliche Entwieklung hat in den letzten Jalirzehnten in Osterreich die Industrie genommen, eine weit starkere als die L and wirtsSi af t, der Bergbau und Hiitten- betrieb. Im auswartigen Handel iiberfliigelt die Einfuhr von Roh- stoffen der Landwirtschaft, des Bergbaues und IIuttenwesens die Ausfuhr bereits um 450 bis 470 Millionen Kronen; dagegen ist in HaTbfabrihaten (Malz, Watte, Garn, Seide, Papierstoffe, Wolle usw.) und in Fabrihaten unsere Ausfuhr um 500 bis 530 Millionen Kronen groBer als die Einfuhr. Koch viel groBer ist der durch Zolle gesicherte Absatz und Verbrauch der Eabrikate im Inlande, wo die Artikel keine so scharfe Konkurrenz wie im Aus- lande finden. In den letzten J ahren hatte die Industrie mit einer ganz auJBerordentliclien Verteuerung der Bolistoffe und mit er- hohten Arbeitslohnen zu rechnen, tvas wieder zu einer allgemeinen Steigerung des Preises der Industrieartikel fiihrte. Kacli der gewerblichen Betriebszahlung vom Jahre 1902 waren in Osterreich in Industrie und Ilandel 3,586.000 Personen und 1,772.000 Pferde- krafte tatig. Die Ilauptgebiete der GroBindustrie (3100 GroB- betriebe [je liber 100 Arbeiter] und 901.000 Arbeiter) liegen zu- meist dort, wo Kohle oder bestandige Wasserkriifte vorhanden sind, 1 'Ornehmlich in den nordlichen Teilen der Sudetenlander, auf dem osterreichischen Alpenvorlande, in Steiermark und Vorarlberg; iveniger in Galizien. In den iibrigen Reichsteilen herrschen Klein- gewerbe und Hausindustrie vor. In Ungarn sind neben der alteren Miihlenindustrie dureh die Eorderung der Regierung einige In- dustriezweige (Eisen-, Spi rit,us- und Zuckerindustrie) anfgebliiht. 256 Siebenter Abschnitt. Die Industrie gliedert sich in das Handiverl: (Geioerbe oder Kleingeioerbe), das oh ne Zuhilfenahme von Masehinen und mit wenig Arbeitskraften Artikel nur in bescbranktem AusmaBe herstellt, und in die Grofttndustrie, die mit zahl- reichen Arbeitskraften, weitgehender Arbeitsteilung und mit Masehinen in eigenen groBeren Betriebsstatten (Fabriken) gi'oBe Mengen von Artikeln zu erzeugen vermag. Von Beimarbeit spricht man dann, ivenn Arbeiter fiir ein industrielles Unternehmen bed sich zu Hause arbeiten. In neuerer Zeit sehenkt man von staatlieher Seite der Forderung und Erhaltung des Kleingewerbes be- sondere Aufmerksamkeit. Beim osterreiehischen Handelsministerium besteht ein eigener Geicerbefbrderungsbeirat. Der Forderung von Industrie und Gewerbe im allgemeinen dienen zahlreiche niedere mid hohere Gewerbe- und Fachschulen (Kunstgewerbeschulen in Wien und Prag), Gewerbemuseen (in Wien, Briinn, Reichenberg), gevverblicher Wan- derunterricht und Meisterkurse, gewerbliche und kunstge\verbliche Ausstellungen, Musterlager us\v. Ferner Vereinigungen von Gewerbetreibenden, die auf freien Beitritt der Mitglieder beruhen (in Osterreich der Bund der osterreiehischen Industriellen und der Niederosterreichische Gewerbeverein in Wien, die Gewerbe- vereine in Prag, Briinn, Graz, Linz und Reichenberg; in Ungarn der Landes- industrieverein und der Landesgewerbebund in Budapest). Die rvichtigsten Kor- porationen zur Forderung von Industrie und Handel sind aber die Handels- und Geioerbekammern, die als Vertreter der industriellen und handeltreibenden Be- volkerung deren Interessen der Eegierung gegeniiber zu wahren haben. Sie geben iiber Fragen des Gevrerbes und Handels, namentlich iiber Gesetzentwiirfe und VenvaltungsmaBregeln ihr Gutachten ab, fungieren als Schiedsgericht und be- sorgen die Registrierung von Mustern und Schutzmarken. Durch das Muster- schutz- und das Patentgesetz wird dem Industriellen das alleinige Beniitzungs- reeht der von ihm erfundenen Muster und der von ihm gewahlten Bezeiehnungs- marke seiner Artikel gesichert und geschutzt. In Osterreich beatehen an gesetzlich bestimmten Standorten 29 Handels- und Geverbekammern, 1 in Ungarn 20. Die letzten zwei Jahrzehnte haben Osterreich eine Arbeiterschutzgesetz- gebung gebracht; in Ungarn ist sie noch \venig entrvickelt. Neben Regelung und Besehrankung der Frauen- und Kinderarbeit, Festsetzung einer Maximal- arbeitszeit und der 24stiindigen Sonntagsruhe \vurden betreffs Unfallverhlitung Schutzvorrichtungen bei Masehinen, Kesseln usw. vorgeschrieben und die Arbeits- riiume sollen den sanitaren Anforderungen entsprechen. Der ganze Betrieb wird zeitweilig von staatlichen Geioerbeinspelčtoren liontrolliert. Durch das TJn- fallversicherungsgesetz besteht ein Zwang zur Versicherung der Beta-iebstatigen 1 In Wien; Linz; Salzburg; Graz, Lcoben; Klagenfurt; Laibach; Triest, G5rz, Rovigno; Innsbruck, Božen, Rovereto, Feldkirch; Prag, Budweis, Eger, Pilsen, Reichenberg; Briinn, Olmiitz; Troppau; Lemberg, Krakau, Brody; Czer- nowitz; Žara, Spalato, Ragusa. Der Staat und die Bevolkerung. 257 gegen Unfall; die Beiti age mlissen groBtenteils von den Unternehmern geleistet werden. Kine obligatorische Krankenversicherung (Krankenkassen) geivalfrt iirztliche Hilfe und Heilmittel, Krankengeld und im Todesfalle Erstattung der Begrabniskosten. Den Unternelimern gegeniiber vereinigen sieli die Arbeiter immer mehi’ z ur Geltungmaehung ihrer Forderungen (Gerverksehaftsorganisationen), die auf Bes- serung ihrer materiellen Lage hinzielen. Gegensatze zwisehen Arbeitgebern und Arbeitern fiihren zu Ausstandsbeweyungen, Streiks, deren Zahl in Zunahme be- griffen ist; zumeist dreht es sieh hiebei um Lohnfragen und Abkiirzung der Arbeitszeit. 1 2 Der bedeutendste Industriezweig von Osterreich ist die Textil- industrie (Weberei, Spinnerei, Farberei und Druekerei) f sie ver- mag den heimischen Markt und Ungarn (wo sie nocli wenig ent- \vickelt ist) zum groBten Teile zu versorgen und iiberdies nicht unbedeutende Mengen in das Ansland, namentlich in den Orient, auszufiihren. Sowohl in Baurawollwaren,Geweben aus Flaclis,Hanf, Jutewaren wie aueh in Kleidung, Wasche, Hiiten und Putzwaren iibertrifft die Ausfuhr betrachtlich die Einfuhr , in Wollwaren lialten sieli beide so ziemlich die Wage, in Seidemvaren aber ist eine die Ausfuhr um 20 bis 25 Millionen Kronen iibertreffende Einfuhr notwendig. Audi Baumwoll- ude Wollgarne werden mehr ein- als ausgefiihrt. Nieht zu vergessen ist, daB die Rohstoffe ftir die Textilindustrie entweder ganz oder dooh zu einem groBen Teile aus dem Auslande kommen; so Baumwolle fiir iiber 200 Millionen Kronen ( vornelimlich aus den Vereinigten Staaten, Agypten und Indien), Jute fiir 22 Millionen Kronen, Sehafwolle um 100 Mili. Kronen mehr als Ausfuhr, Seide um 50, Hanf und Flaclis um 44 Millionen Kronen. Der Textilindustrie steht zunachst an Wichtigkeit die Metall- industrib 3 , \velche aber in der Ausfuhr keine groBe Kolle spielt. Der Export an Eisemvaren iibertrifft den Import nur um etwa 15 Mili. Kronen. Steigende Bedeutung gewinnt die Industrie mit anderen unedlen Metallen und Legierungen (Kupfer, Messing, Kickel, Oliinasilber und Blei), fiir welche das Bolimaterial zumeist ein* 1 Im Jahre 1904 hatten in Osterreich 101 Streiks mit 11.925 Arbeitern vollen Erfolg, 156 Streiks mit 23.338 Arbeitern teilweisen und 129 Streiks mit 25.739 Arbeitern keinen Erfolg. 2 1902 in Osterreich 340.000 Arbeiter in den Betrieben und 210.000 Heim- arbeiter; in Ungarn nui' etwa 14.000 Arbeiter. 3 1902 in Osterreich 260.000 Personen, in Ungarn in der Metali- und Maschinenindustrie 201.000 Personen. Zeehe-Heiderlch, Osterr. Vaterlandskunde. 17 258 Siebenter Abschnitt. gefiihrt werden muB. Die Industrie in Edelmetallwaren geniigt nicht dem Bedarf. Auch di eMaschinenindustrie 1 vermag noch nicht den heimischen Markt ganz zu befriedigen. Keben einer Ausfubr von 10 bis 20 Millionen Kronen (nacli Rumanien, RuBland usav.) ist eine Einfuhr von 40 bis 50 Millionen Kronen (vonviegend aus Deutschland, GroBbritannien und der Schrveiz) not-Avendig. Hohe Bedeutung hat in der Monarcliie die mannigfaltige Industrie in Steinen, Ton und Glas. 2 3 4 5 Unsere Ausfuhr an Tomvaren, Glas und Glasiuaren (Deutschland, Vereinigte Staaten, Indien usw.) iiber- trifft die Einfuhr um rund 100 Millionen Kronen. In der Leder- und Lederivarenindustrie 3 wird dieEinfuhr (1906 65 Millionen Kronen) nur AVenig von der Ausfuhr (10% Millionen Kronen) iibertroffen. Wichtige Ausfuhr artikel der Monarchie sind namentlichSchuliwaren (23 Millionen Kronen) und Handschuhe (24% Millionen Kronen). Von hoher Bedeutung ist die Industrie in Iiolz- und Schnitzwaren i I in Avelchen der Export den Import um fast 40 Millionen Kronen ubertrifft, darunter fiir etwa 15 Millionen Kronen Mobel aus ge- bogenem TIolz. Bekannt ist die Leistungsfahigkeit Osterreichs in der Herstellung von Drechsler- und Schnitzwaren. SteinnuBknopfe erzeugt namentlich Kordbohmen, Perlmutterknopfe Wien und Bolrmen, Korbwaren das Erzgebirge, Krain, Galizien usw. Die Papierinduslrie 5 exportiert (nach dem Orient, Ostasien und Ame¬ rika) fiir et\va 10 bis 15 Millionen Kronen mehr, als importiert Avird. Die Miihlenindustrie ist in TJngarn groBer als in Osterreich 6 7 und exportiert fiir iiber 20 Millionen Kronen Mehi (vorAviegend nach GroBbritannien). Alle bislier genannten Industrien iibertrifft in den AusfuhrAverten die Rubenzuckerindustrie. L Zucker ist nachst Holz unser Avichtigster Ausfuhr artikel (150 bis 195 Millionen Kronen). Er geht nach GroBbritannien, der Schweiz, Italien, dem 1 In Osterreich 167.000 Arbeiter. 2 In Osterreich 236.000 Arbeiter, in Ungarn 45.000. 3 In Osterreich samt der Industrie in Boršte n und Haaren 44.000, in Ungarn liber 17.000 Personen. 4 In Osterreich 240.000 Arbeiter, in Ungarn 96.000. 5 In Osterreich 55.000 Arbeiter, in Ungarn 7800. 0 In Osterreich 1897 25.600 Miihlen, viele kleine; in Ungarn 20.000 Muhlen (vgl. S. 238). 7 In Osterreich 1904 209 Fabriken mit 70.000 Arbeitern, in Ungarn 21 Fa- briken mit 14.000 Arbeitern. Der Staat und die Bevolkerung. 259 Orient, in tJbersee, besonclers nacli Indien. Die Bierbrauerei er- zeugt in Osterreicli 19 bis 20 Mili. hi, in Ungam IV 2 Mili. hi jalvr- lieh nnd vermag fiir 15 bis 16 Millionen Kronen Bier auszu- fiihren. Die bliihende Malzfabrikation in Osterreicli exportiert fiir Liber 50 Millionen Kronen. Audi die allgemein verbreitete Spiritus- brennerei vermag um 3 bis 5 Millionen Kronen nielir Spirituosen auszufiihren, als eingefuhrt wird. Die als Staatsmonopol betrie- bene Tabalcfabrikation 1 2 verkaufte 1904 im Inlande fiir 335 Mili. Kronen Tabakfabrikate. Die chemische Industrie 2 in Osterreich- Ungarn erzeugt namen tlich Soda, Sehivefelsaure, Ziindwaren, Kunstdiinger, Seifen, Farben, Lacke usw. und vermag nur in ein- zelnen Zweigen auszufiihren, besonders in Zundtvaren {I bis 10 Millionen Kronen). Verkehr und Handel. Der Austausch der Produkte der ver- scliieden ausgestatteten Landesteile von Osterreich-Ungarn soivie die Lage der Monarchie zwischen den Tndustriestaaten im Westen und Korchvesten und den Agrarstaaten im Osten und Siidosten haben die Entwicklung eines groben Handels und Verkehr s be- giinstigt. Hinsichtlich seiner Kaehbarn liat Osterreicli-L T ngarn im Avirtschaftlichen Sinne ein Janusgesicht; es fiihrt nacli den In- dustriestaaten Kohstoffe aus und fiihrt dafiir Industrieartikel ein, \vahrend es nacli den Agrarstaaten Industrialien aus- und Koh¬ stoffe einfiihrt. Durch seinen Anteil am Adriatischen Meere hat Osterreich-TJngarn auch im Seehandel steigende Bedeutung ge- Avonnen, namentlich seit Durchstechung der Landenge von Suez. Ungefahr ein Sechstel des gesamten AuBenhandels vollzieht sich zur See, fiinf Sechstel zu Lande. Von dem innerhalb der Grenzen eines einheitlichen AVirtschaftsgebietes (Zollgebietes) sich vollziehenden Binnenhandel seheidet sich der iiber diese Grenze hinausgehende Auftenhandel (Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr). Die Handels¬ bilanz ist das Verhaltnis des Wertes der AVarenausfuhr eines S-taates zum AVerte der Wareneinfuha'. Sie ist alctiv, \venn der AVert der Ausfuhr den der Ein¬ fuhr, passiv, Avenn die Einfuhr die Ausfuhr iibersteagt. Doch bedeutet passive Handelsbilanz noch kedneswegs cine ungiinstige Avirtschaftliche Lage. Hat doch gerade da® reichste Land der Erde, England, passive Handelsbilanz, desgleiehen Deutschland, Erankreich, Holland und die Sehweiz. Es kann der Ertrag von Kapitalien, die im Auslande geivinnhringend angelegt sind, den Eehlbetrag der Handelsbilanz weit iibertreffen. 1 In Osterreicli 30 Tabakfabriken mit 40.000 Arbeitern, in Ungarn 21 Eabri- ken mit 19.300 Arbeitern. 2 In Osterreicli 56.000, in Ungarn 15.000 Arbeiter. 260 Siebenter Absehnitt. Die Handelspolitik cines Staates strebt die planmiiBige Forderung der ge- samten heimisehen Wirtsehaft gegenuber dem Auslande an und sucht dies durcli geeignete Zbile und Handelsvertrage zu erreichen. Neben den Schutzssollen, die den Wettbewerb der auslimdischen Waren zugunsten der heimisclien ersclnveren oder ganz verhindern (Prohibitivzolle), verfolgt auch der St-aat durch Einhebung von Abgaben ffir Einfuhrwaren eine Erhohung seiner Einnahmen (Finanzzolle). Staatsgebiet und Zollgebiet fallen nieht immer zusammen. Das bislierige oster- reichische und unt/ariscJie Zollgebiet umfaBt neben den osterreichischen und ungarischen Landern auch das Okkupationsgebiet und das Fiirstentum Liechten¬ stein. Ausgesclilossen sind die kleinen FreiliafCnhezirlce von Triest und Fiume, in ivelche die Einfuhr fremder Waren keinen Ziillen unterliegt, und die vom bayer'ischen Staatsgebiete umsehlossenen Gemeinden Jungholz (Tirol) und Mittelberg (Vorarlberg), ivelche dem deutschen Zollgebiet einverleibt sind. Das Reinertrilgnis des Zollgef&lles von Osterreich und Ungarn wird zur Deckung der gemeinsamen Ausgaben der Monarehie verivendet. Die Zollgesetzgebung wird vielfach geandert und eingeschriinkt durch die Handelsvertrage , die zwischen den vertragschlieBenden Teilen neben Herab- minderung der Zollsatze auch verschiedene andere, die Handelsbeziehungen regelnde Abmachungen enthalten. Eine groBe Eolle spielt hiebei die Meist- begunstigungsMausel, ivelche bestimmt, daB jeder der vertragschlieBenden Staaten dem anderen jene Eechte und Begiinstigungen zugesteht, die er anderen Staaten bereits eingeriiumt hat und noch ednraumen wird. Die innere Handelspolitik befaBt sich mit der Handelsgesetzgebung, der Fachausbildung (Exportakademie, zalilreiche holiere und niedere Handelsschulen), der Fiirsorge fiir die Handels- angestellten us\v. und iiberwacht den Klein- und Hausierhandel. Den Handels- und Gewerbekammem (s. S. 256) als Vertretungen der Handelsinteressen und als Hilfsorganen der Staatsverwaltung cntspricht im Auslande das Konsulatsioesen, dem neben der diplomatisch-politischen Vertretung auch die Wahmehmung der kommerziellen und wirtscha.ftlichen Verhaltnisse des Staates iibertragen ist. Die nachdriicklichste Forderung erhalt der Handel durcli natur liche und kiinstliche Verkehrstvege; des groBen Verkehrs auf den \VasserstraBen 1 , auf der Donau und der Elbe, wurde bereits gedacbt (s. S. 180, 205 und 231). Das LandstraBennetz ist in Oster- reich dichter gestaltet als in Ungarn und auch die Qualitat der StraBen isti in Osterreich besser. 2 Der Ban von Eisenbahnen setzte in Osterreich im Jahre 1837 an, bat aber erst seit 1867 groBe Aus- dehnung gewonnen (1865 erst 3698 km in Osterreich, in Ungarn 2160 km) und verbindet jetzt alle Landschaftsgebiete und groBeren Orte der Monarehie. 1 In Osterreich gibt es 6573 km sehiff- und floBbare Strecken und 1317 km von Dampfschiffen befahrbare Strecken. 2 In Osterreich 115.000 km, in Ungarn 58.300 km Landstrafien. Der Staat und die Bevolkerung. 261 Die Lange und der Verkehr der Eisenbahnen stellt sicli 1905 wie folgt: In Osterreich sind Staatsbalmen und im Betriebe des Staates gefiihrte Privatbahnen 10.200 km, in Ungarn sind nur 1800 km Bahnen nocli im Privat- betrieb. Die wichtigsten Privatbahnen (s. Eisenbahnkarte) in Osterreich sind die Siidbahngesellsohaft, die osterreichische Nord.westbahn und die osterreichisch- ungarische Staatseisenbalmgesellsehaft, ferner die Busehtehrader Eisenbahn, die bohmisehe Nordbahn und die Aussig-Teplitzer Bahn; in Ungarn die Kasehau- Oderberger Bahn, die Arad-Csanader Eisenbahnen und die Raab-Odenburg-Eben- furter Bahn. In Osterreich ist eine groBe Eisenbahnverstaatlichungsaktion im Gange; die Kaiser Ferdinands-Nerdbalm wurde bereits verstaatlicht, die Staats- cisenbalingesellschaft und die Nordwestbabn sollen folgen. Von allen Verkehrseinrichtungen ist die Post am tiefsten in das Volk ein- gedrungen, bis in entlegene Dorfer reicht ihr Dienst. Telegraphen- und TelepUon- linien vermitteln den besehleunigten Nachrichtendienst. In Osterreich-Ungarn gab es 1904 14.073 Postamter und 104.819 km Telegraphenlinien. Der Handel zwischen Osterreich und Ungarn. Fiir die Beurtei- limg der ivirtschaftliclien Beziehungen von Osterreich und Ungarn ist die Kenntnis der GroBe des Verkehrs zwischen beiden von ent- sdieidender Bedeutung. Von dem Gesamthandel Osterreictis mit dem Zollauslande und mit Ungarn (liber 5% Milliarden Kronen) entfallen in der Ein- wie in der Ausfuhr durchschnittlich je 65% auf das Zollausland und 35 % 'auf Ungarn. Von der Ge- samtausfuhr Ungarns aber mit dem Zollauslande und mit Oster- reicli (liber 2% Milliarden Kronen) entfallen auf das Zollausland in Einfuhr wie in Ausfuhr nur rund 25 %, auf Osterreich aber 75 %. Osterreich verkaufte nach Ungarn 1905 fiir 1003 Millionen Kronen Waren und bezog von diesem fast ebensoviel, 989 Mili. Kronen. Die Hauptartikel der Einfuhr von Ungarn zu uns sind Getreide, Mehi, Hiilsenfriichte usw. (376 Millionen Kronen),. Schlacht- und Zugvieh (195 Millionen Kronen), Sclnveinefett, Speek, Butter, Eier, Wein usw., also Kahrungs- und GemiBmittel; dagegen sind die Hauptartikel der Ausfuhr nach Ungarn aus- schlieBlich Industrialien, vor allem Erzeugnisse der Textilindustrie 262 Siebenter Abschnitt. (357 Millionen Kremen), der Bekleidungs- und Putzwarenindustrie (67 Millionen Kroneu), Papier und Papienvaren, Mascliinen, Apparate, Falirzeuge, Instrumente, Ledenvaren, Pelzwerk usw. Der AuBenhandel. Der Aufienhandel der gesamten Monarcbie ist im Aufschmmge begriffen und gewinnt imrner grollere raumliclie Ausdehnung. Seit 1885 liat er sieh in seinem Werte fast verdoppelt. In den letzten J a hren erreichte er folgende Betrage: Osterreicli-Ungarn zeigt also nocli eine aktive Handelsbilanz. Die Hauptartikel der Ausfuhr sind (in Millionen Kronen im Jahre 1905): Holz (252-5), Zueker (189-2), Vieh (149-1), Getreide (98• G), Eier (97-1), Kohlen (8G), Wollwaren (63-3), Haute und Felle (59-8), Glas (59-7), Malz (53-4), Lederwaren (51-6), Holzwaren (47-8), Schmuckwaren (41-8), Eisen- ■vvaren (41), Chemikalien (39-1), Papier (38-2), Kleidung und Putzwaren (36-0), Baumwollwaren (36-5), Hopfen (35-7), Wolle (34), Tonwaren (29-9), feine Metalhvaren (25-9), Federn (23-5), Masohinen (23-3) usw. Die Hauptartikel der Eirtfuhr sind: Baumvvolle (196), Wolle (129-9), Kohle (105-8), Getreide (97-4), Maschinen (63-4), Chemikalien (01-3), Haute und Felle (57), Vieh (52-5), Biicher und Landkarten (52-3), Siimereien (51-2), Kaffee (50-4), Eier (48-6), Seide (46-4), Tabak (45-5), Leder (40-5), Kupfer (39-6), Wollgarn (39-6), Seidenwaren (34-1), Papier (33-5), Flachs (31'4), Siidfruehte (30-9), Fische (30), Wollwaren (29-5), Eisenwaren (28-2), Edel- steine, Korallen und Perlen (24-2), Instrumente (23-7), Schmuckwaren (23), Baumwollgarn (20-7). Unser Haupthandelsgebiet ist das Deutsche Iteich; auf dieses entfallen (1905) 50% unserer gesamten Ausfuhr und 37-6% unserer Einfuhr. In unserer Ausfuhr folgen dem Deutschen Reiche GroBbritannien (8-9%), Italien (7-2%), Tlirkei (4-2%), Schweiz (3-9%), Rumanien (3-6%), Frankreich (3-4%), Indien (3%), RuBland (2-8%), Vereinigte Staaten von Amerika (2-3%), Agjpten (1-8%), Holland (1-5 °/ 0 ), Bulgarien (1-2%), ferner Belgien (0-9°/„) und die iibrigen Staaten mit weniger als je 1 %. In der Einfuhr stehen an zweiter Stelle, unmittelbar nach Deutsehland, die Vereinigten Staaten mit 9-3% (namentlieh Baumwolle), dann folgen GroBbritan- nien (7-2%), Indien (6-7%), RuBland (6-3%), Italien (4-9%), Frankreich (4-2%), Serbien (3-2%), Schrveiz (2-6%), Tlirkei (2-1%), Argentinien Del' Staat und die Bevolkerung. 263 (2-1%), Rumanien (1*9 °/ 0 ) j Agypten (1-3%), Holland l-l°/o), ferner Griechenland (0-95 °/ 0 ) und alle iibrigen Gebiete mit weniger als je 1 “/o- 1 Die Handelsflotte zahlt in Osterreich (ohne Fischerfahrzeuge us\v.) 1721 Sehiffe mit 291.000 Tonnengehalt (darunter 243 Dampfschiffe mit 262.000 Ton- nen), Ungarn 191 Sehiffe mit 91.500 Tonnen (darunter 90 Dampfer mit 86.000 Tonnen), insgesamt also 1912 Sehiffe mit 382.500 Tonnengehalt. = Verfassimg' und Verivaltuiig. Der Dualismus. Xacli dem auf Grundlage der Pragmatischen Sanktion aufgebauten Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 zerfallt die osterreichisch-ungarische Monarchie in zwei, in Ver- fassung, Gesetzgebung und Yerwaltung getrennte Staaten: „die im Reichsrate vertretenen Konigreiche und Lander“ und ,.die Lunder der ungarischen Krone“. Beide sind untrennbar verbunden durch die gemeinsame Djnastie (des Ilauses Habsburg-.Lotliringen; der Thron erblicli nach dem Kechte der Erstgeburt im Manns- stamme; nach dessen Aussterben in der weiblichen Nachkommen- 1 Die absoluten Wertmengen des Auslandsverkehrs von Osterreich-Ungarn betrugen 1905 in Tausenden Kronen: 2 GroBer sind die Handelsflotten folgender Staaten: Britisches Reich (12,156.0001), Vereinigte Staaten (6,457.0001), Deutsches Reich (2,353.0001), Nonvegen (1,484.0001), Frankreich (1,349.0001), Italien (l,019.000t), RuBland und Finnland (1,005.0001), Japan (990.0001), Spanien (775.0001), Sch\veden (648.000t), Danemark (473.000t), Holland (395.000t). Osterreich-Ungarn steht also erst an dreizehnter Stelle. 264 Siebenter Abschnitt. schaft). Der Herrscher (,,Kaiser von Osterreich“ und „K6nig von Ungarn“) halt abtvechselnd Hof in den beiden Haupt>- und Residenzstadten Wien und Budapest. Gemeinsam sind den beiden Staaten aucb die auswartigen Angelegenheiten, das Kriegstvesen, die Finanzgebarung beziiglich der gemeinsam zu bestreitenden Auslagen sotvie die Verwaltung des Okkupations- gebietes. Eine Reihe anderer Angelegenheiten (Zollgesetzgebung der beiden Staaten, die Regelung der indirekten Steuern, die Festsetzung des Muinztvesens und das Wehrsystem) werden von zebn zu zehn .Jahren im Einvernehmen der beiderseitigen Regie- rungen durch den „Ausgleicli n geregelt. Das Staatsoberhaupt und die gemeinsame Verfassung und Ver- waltung. Der Herrscher mufi sich zur rbmisch-katbolischen Kirche bekennen, wird mit dem vollendeten 18. Lebensjahre grofijahvig, diihrt das Pradikat „kaiserliche und konigliche Apostolische Majestat“ und bat in beiden Staaten einen besonderen Hofstaat; seine Person ist geheiligt, unverletzlicb und unverautuvortlieh. Der Herrscher ist der Trager der Regienmgsgewalt, namlicli der gesetz- gebenden (legislativen), richterlichen und vollziehenden (exeku- tiven) Geivalt, fiilirt den Oberbefehl iiber die bewaffnete Macht, erklart Krieg und Frieden, schlieBt die Staatsvertrage ab und iibt das Mlinzrecht aus. Osterreich und Ungar n sind konstitutionell regierte Staaten, d. h. der Herrscher teilt die gesetzgebende Geivalt mit dem Volke, beziehungsiveise mit den von diesem gewahlten Volks- vertretungen (Reiclisrat und Landtage), docli erlialten deren Be- schliisse erst durch seine Bestatigung(Sanktion) Gesetzeskraft. Beim Regierungsantritte leistet der Herrscher das eidliche Gelobnis, ver- fassungsmafiig zu regieren. Die Regierungsge\valt iibt er durch die Minister aus, die den Kronrat bilden und verantivortlich sind; sie miissen deshalb alle Regierungsakte mitunterfertigen (kontra- signieren). Die lichterliche Gewalt wird durch die gesetzlich be- stellten Gerichte ausgeiibt. Die Urteile werden „im Namen Seiner Majestat“ gefallt; der Kaiser kann begnadigen (Amnestie) sowie die Nichteinleitung oder die Einstellung eines Strafverfahrens an- ordnen (Abolition). Zur Gesetzgebung und Behandlung der beiden Staaten gemeinsamen Angelegenheiten treten alljahrlich, ab- ■vvechselnd in Wien und Budapest, die Delegationen zusammen. 1 Die letzten schivierigen Ausgleiehšverhandlungen valuten voin September .1906 bis Oktober 1907. Der Staat und die Bevolkerung. 265 Sie bestelien aus 120 Mitgliedern, je 60 von jedem Staate (daven ein Drittel aus dem Herrenhause, bezieliungsrveise der Magnaten- tafel, z\vei Drittel aus dem Abgeor dnetenhause, bezieliungsiveise der Reprasentantentaf el 1 ) und tagen miter selbstgewahlten Prasidenten nebeneinander und unabhangig voneinander und treten nur, wenn keine Einigung erfolgt, zu einer gemeinsamen Abstimmung (ohne Debatte) zusammen. Die oberste gemeinsame Verwaltung fiiliren die drei k. u. k. gemeinsamen Ministerien (in Wien) 2 : 1.) das Ministerium des kaiserlichen und koniglichen Hauses und des AuBern; 2.) das Reichskriegsministerium; 8.) das Reichsfinanzministerium. Dem Ministerium (les Aufiern obliegt die Leitung der aus- \vartigen Angelegenheiten. Ihm unterstehen die diplomatiscken Agenten im Auslande (Botschafter, Gesandte und Ministerresi- denten), welclie Aaehrichten politischer Aatur dem Ministerium zukommen lassen*sowie die Konsulate, ivelchen zumeist ein koinmer- zieller Aachrichtendienst zufallt, aber aucli der Sclmtz der oster- reichisch-ungarischen Untertanen im Auslande, zmveilen aueli die Gerichtsbarkeit (Konsulargericht) iiber sie iibertragen ist. Die Heranbildung geeigneter Krafte fiir den auswartigen Dienst besorgt eine besondere Hochschule, die k. u. k. Konsularakademie in \Vien. Dem gemeinsamen (Reichs-) Kriegsministerium ist die Be- sorgung der das gesamte Kriegsivesen betreffenden Angelegenheiten iibertragen, mit Ausnakme jener, ivelche den Landesverteidigungs- ministerien zugewiesen sind (vgl. S. 274). Die bewaffnete Macht gliedert sich in Osterreicli-Ungarn in das stehende Heer (Linie), die Kriegsmarine, die Landwehr und den Landsturm. Heer und Landwehr haben je eine Ersatzreserve, die nur im Kriegsfalle zur Erganzung der Abgange einberufen wird. Aur das stehende Heer und die Marine sind gemeinsam. Die Land- wehr (in Ungarn ITonved), im Kriege zur Hnterstiitzung des Heeres und zur inneren Verteidigung dienend, ist in beiden Staaten ge- sondert. Der Landsturm wird nur in Zeiten groJBter Gefalir zur Unterstiitzung des Heeres und der Landwehr einberufen. Die Kriegsstarke der gesamten Streitmacht betragt (olme Landsturm) 1,872.000 Mann; die Kriegsflotte zalilt 115 Scliiffe (darunter 7 Turmscliifte) mit 13.400 Mann. 1 Vgl. S. 267 und 274. 2 Die Behiirden, Amter, \velclie beiden Keicbsteilen gemeinsam sind, lieiBen „kaiserlich und koniglieh" (k. u. k.), die, \velche nur fiir Osterreich ffeltung haben, „kaiserlieh-k6niglieh“ (k. k.), die ungarischen „koniglieh“ (k.). 266 Siebenter Abschnitt. In beiden Staatsgebieten der Monarchie besteht seit 1868 die allgemeine inid persiinliche Wehrpflicht (auBer fiir die Geistliehen der anerkannten Religions- gesellschaften). Die Stellungspfiicht beginnt am l.Janner des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 21. Lebensjahr vollendet. Die Dienstpflicht dauert 12 Jahre, und zwar 1.) im stehenden Heere drei Jahre in der Linie, sieben Jahre in der Reserve nnd zwei Jahre in der Landwehr; 2.) in der Kriegsmarine vier Jahre in der Linie, fiinf Jahre in der Reserve und drei Jahre in der Seewehr; 3.) fiir die unmittelbar in die Landwehr Eingereihten zwei Jahre im Aktivstande und zehn Jahre im nicht aktiven Stande; 4.) fiir die zur Ersatzreserve des Heeres oder der Landwehr Assentierten, die bloB acht Wochen militarisch ausgebildet werden, im Iieere zehn und in der Landwehr z\vei Jahre, beziehungsiveise in der letzteren zvvolf Jahre. Dienstpilichtige, \velche eine oftentliehe Mittelschule mit Erfolg absolviert oder eine Intelligenzpriifung abgelegt haben, dienen aktiv nur ein Jahr (wenn sie die Offizierspriifung nieht bestehen, noeh ein zweites Jahr). Die zum Militardienst Untaiiglichen haben fiir die Dauer der Wehrpflichtdienst- jahre eine Militiirtaxe (bis zu 200K jahrlich) zu zahlen. Das zur Erhaltung des Heeres und der Kriegsmarine jahrlich erforderliche Rekrutenkonfingent wird stets auf die Dauer von zehn Jahren und zwisehen den beiden Reiehsteilen naeh der Bevolkerungszahl, und zwar stets auf Grund der letzten Volksziihlung, festgesetzt. Das Rekrutenkontingent betragt gegenwartig 103.000 Mann fiir das stehende Heer und die Marine und rund 27.000 Mann fiir beide Landvvehren. Der Gesamtfriedensstand stellt sich, einbeztiglich der Landwehren, auf 380.000 Mann. Fiir die Ausbildung von Offizieren bestehen die Kriegsschule in Wien, die Theresianische Militarakademie in Wiener-Neustadt und die technische Militar- akademie in Modling, die Ludovika-Akademie in Budapest (fiir die Honved- truppe), die Marineakademie in Eiume, ferner Militarrealsehulen, Kadetten- sehulen usw. Dem Kriegsministerium untersteht audi das Militargeographische Institut in Wien, das Militar-Tierarzneiinstitut und die tierarztliche Hochschule in Wien. Festungen gibt es 11 (4 in Osterreicli: Kralcau, Przemysi, Lemberg, Trient; 3 in Ungar n: Komora, Peterwardein, Esseg; 4 im Okkupationsgebiete), auBer- dem zahlreiche Sperrforts. Seefestungen und zugleieh lvriegshafen sind Pola und Cattaro. Das gemeinsame (Reichs-) Finanzministerium besorgt die gemeinsame Finanzgebariuig und die Verwaltung der gemein- samen Staatsschnld. tTberdies ist ihm die oberste Leitung der Ver- waltung des Okkupationsgebietes iibertragen. Die Kontrolle iiber die Gebarung der gemeinsamen Ministerien bat der k. u. k. ge¬ meinsame Oberste Rechnungshof in Wien. Die gemeinsamen Aus- lagen betrugen 1903 396 Millionen Kronen, 1904 404 Millionen Kronen. Der Voransehlag (Budget) fiir die Ausgaben der Gesamtmonarchie im Jahre 1906 betrug 354-7 Millionen Kronen, da von fiir das Heer und die Marine Der Staat und die Bevolkerung. 267 allein 337 Millionen Kronen (ohne das mit 7-7 Millionen Kronen festgesetzte aufierordentliche Heereserfordernis fiir die Truppen im Okkupationsgebiete), 12-7 Millionen Kronen fiir das Ministerium des AuBern und 4-4 Millionen Kronen fiir das gemeinsame Finanzministerium. Die Deckung- dieser Auslagen erfolgt fast ausschlieBlich dureh die Zbile und die Beitrage der beiden Staaten (Matrikularbeitrage), deren Verhaltnis ( „Qnote “) dureh besondere Deputationen der beiden Reichsvertretungen, bei mangelnder Einigung dureh den Monarclien, festgesetzt ivird (gegemvartig 65-6°/ 0 fiir Osterreich und 34-4°/ 0 fiir Ungarn: jiaeli den letzten Ausgleichsverhandlungen soli die ungarische Quote eine kleine ErhOhung erfahren). Der Stand der allgemeinen Staatsschuld (bis zum Jalrre 1868 aufgelaufen) betragt 5384 Millionen Kronen, zu deren Verzinsung und Tilgung Ungarn etwa 30 °/ 0 (1906 60-6 Millionen Kronen), Osterreich das iibrige (176-9 Millionen Kronen) beitragt. Seitdein ist in Osterreich die besondere Staatsschuld auf 4030 Millionen Kronen, in Ungarn auf 5432 Millionen Kronen angewachsen. Die Verfassung und Verwaltung in Osterreich. Der Staats- burger hat clas Recht, von dem Staate den Sclmtz seiner Person und seines Vermogens sowie die Forderung seiner Wohlfahrt zu fordern, wie ihm anderseits Trene und Gehorsam, gegen den Staat obliegt. Zu beson derem personlichen Dienste verhalten die Wehr- pfliclit, Zeugen- und Geschwornenpflicht usw.; zu personlichen Leistungen die Steuerpflicht usw. Die staatsgrundgesetzlich gewahrleisteten Redite sind: Gleichhe.it aller Staatsbiirger vor dem Gesetze, die Zuganglichkeit aller offentlichen Amter, die Freiziigigkeit und Freiheit der Person (Freiheit der Auswanderung), Unver- letzliehkeit des Eigentums, Schutz des Hausrechtes und Briefgeheimnisses (auBer im Falle eines richterlichen Befehles), die volle Glaubens- und Gewissens- freiheit, Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehrie, Berufsfreiheit und Gleicli- berechtigung aller Nationalitaten und Sprachen im Staate, in Selrale, Amt und offentliehem Leben, das Petitions-, Vereins- und Versammlungsrecht, das lleeht der freien Meinungis&uBerung. AuBerclem der Anspruch auf volkerrecht- lichen Schutz gegeniiber fremden Staaten, auf Schutz dureh Gesetz und Sicher- lieitspolizei, auf Beniitzung bffentlicber Anstalten und des Offentlichen Gutes und auf Armenversorgung. I)ie VoTksvertretu/mg ist eine dreifache: der Reichsrat, die Landtage und die Gemeindeausscliiisse. Der Reiehsrat ist zur gemeiusamen Vertretung aller ošter- reichischen Lander berufen. Er setzt sicli aus dem Herrenhause und dem Abgeordnetenhause zusammen und wird vom Kaiser alljahrlicli, womoglich in den Wintermonaten, zu seiner Tatigkeit einberufen. Mitglieder des Ilerrenhauses sind: die groBjahrigen Prinzen des kaiserlichen Hauses, die groBjahrigen Haupter jeher inlandischen Adelsgeschlechter, \velche dureh ansgedehnten Grundbesitz hervor- ragen und welchen der Kaiser die erbliclie Reichsratsudirde ver- liehen hat; allo Erzbischofe und jene Bischofe, rvelchen furstlioher 268 Siebenter Abschnitt. Rang zukommt; clie mn Staat oder Kirche, Wissenseliaft oder Kunst verdienten Manner, welelie der Kaiser als Mitglieder auf Lebens- dauer in. das Herrenhaus berufen bat. Kach dem neuen Wahlgesetz voni 26. Janner 1907 darf die Zalil der Herrenliausmitglieder 170 nicht iibersteigen und nicht nnter 1501rerabsinken.DasAbgeordneten- haus setzt sicli nacli dem genannten Gesetz aus 516 durch gleicbe und direkte Wahl geivablten Mitgliedern zusammen. Auf die einzelnen Kronl&nder entfiillt folgende Anzahl von Abgeordneten: Niederosterreich 64, OberSsterreich 22, Salzburg 7, Steiermark 30, Karaten 10, Krain 12, Tirol 25, Vorarlberg 4, Istrien 6, Giirz und Gradišča 6, Triest 5, Dal- matien 11, Bohmen 130, Mahren 49, Galizien 106, Bukovvina 14. Wa.hlberechtigt zur Wahl eines Abgeordneten (aktives Wahlrecht) ist. jede Person miinnlichen Geschlechtes, die das 24. Lebensjabr zuriickgelegt hat,. im Vollbesitz der burgerlichen Ehrenrechte ist und in der Gemeinde (Gut-sgebiet),. in vvelcher das Wahlrecb.t auszuiiben ist, am Tage der Aussehreibung der Wahl seit mindestens einem Jahr iliren Wohnsitz hat. 1 Wahlbar (passives Wahlrecht) ist jede Person mannlichen Geschlechtes,. rvelche die osterreichisehe Staatsbiirgerschaft seit mindestens drei Jahren besitzt,. das 30. Lebensjahr zuriickgelegt hat und im Besitze des aktiven Wahlrechtes ist. Der Kaiser ernennt den Prilsidenten und den Vizeprasidenten des Herren- liauses aus dessen Mitgliedern fiir die Dauer der Session. Das Abgeordnetenhaus. vvahlt aus seiner Mitte den Prilsidenten und den Vizepriisadenten. Audi die iibrigen Funktionare hat jedes Ha.us selbst zu wahlen. Die Mitglieder des Ab- geordnetenhauses iverden auf die Dauer von sechs Jahren gewahlt. Sie konnen wegen der in Ausiibung dieses Berufes gesehehenen Abstimuiungen niemals,. \vegen der in diesern Berufe gemaehten AuBerungen nur von dem Abgeordneten- liause zur Verantwortung gezogen werden. Gleiches gilt von den Herrenhaus- mitgliedern. Kein Mitglied des Reichsrates darf \vahrend der Dauer der Session wegen einer strafbaren Haudlung — den Fali der Brgreifung auf friseher Tat. ausgenommen — ohne Zustimmung des Hauses verhaftet oder geriohtlieh ver- folgt iverden. Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses beziehen fiir die Dauer der Verhandlungen ein Taggeld (Diiiten) von 20 Kronen und iiberdies erhalten die nicht in Wien ivolmenden eine Beisekostenentschadigung. Zum Wirkungskredse des Reiehsrates gehoren: die Priifung und Genehmi- gung der Handelsvertriige (und auch einzelner Staatsvertršige), die Feststellung; der Voransehliige des Staatshauslialtes und die Priifung der Staatsreclinungs- abscliliisse, die Ordnung und Dauer der Militarpflioht uud insbesondere die jiilir- liclie Beivilligung der Anzahl der auszuhebenden Mannschaft, die Regelung des. Geld- und Miinzwesens, der Zoll- .und Handelsangelegenheiten sowie des Tele- 1 Ausgeschlossen sind die in aktiver Dienstleistung stehenden Militar- personen, die Personen, welche unter Vormundschaft oder Kuratel stehen und die Personen, \velche eine Armenversorgung aus offentlichen oder Gemeinde- mitteln besitzen oder \velclie iiberhaupt der offentlichen Mildtatigkeit zur Last. fallen. Del' Staat und die Bevblkerung. 269 graphen-, Post-, Eisenbalm-, Scliiffahrts- und sonstigen Heicliskommunikations- \vesens, die Medizinalgesetzgebung, die Strafjustiz- und Zivilreelitsgesetzgebung usw. Eine Eeihe anderei’ Gegenstande der Gesetzgebung, welche nicht dem Eeiclisrate vorbehalten sind, gehoren in d en Wirkungs- kreis der Landtage der einzelnen Ivronlander (Landesfinanzen, Besoldung der Lelirkrafte an Volksscliulen und Landesmittel- scliulen, die Aufsicht iiber die Bezirksvertretungen und Gemeinden, Bealscliuhvesen, Landeskulturangelegenbeiten, Wolilfalirtseinrich- tungen usw.). Die Walil fiir den Landtag erfolgt auf seclis Jahre nacli den Interessengruppen des Grofigrundbesitzes (in Tirol des adligen GroBgrundbesitzes, in Dalmatien der Hochstbesteuerten), der Stddte, Mtirlde und Industriegemeinden , der Handels - und Gc- werbekammern und der Landgemeinden in vier Wahlerklassen, und zwar in den ersten drei Gruppen direkt, in der vierten Gruppe in- direkt durch Walilmanner (in Miederosterreicli wablen auch die Landgemeinden direkt). Dazu kommen noch die Virilstimmen der Erzbischofe und Biscliofe und TJniversitatsrektoren. Die Abgeordneten \verden auf sechs Jalire gewahlt. Das Wahlrecht ist an die osterreichische Staatsbiirgerschaft, an eine bestimmte Steuerleistung (direkte Steuer), an das Alter von 24 Jaliren, die Wahlbarkeit an ein Alter von 30 Jaliren gekniipft. Die Leitung des Landtages obliegt einem yom Kaiser aus den Landtags- mitgiiedern ernannten Vorsitzenden, der in Niederosterreich und Galizien Land- marschall, in Bohmen Oberstlandmarschall, in Dalmatien Prdsident, in den anderen Landern Landeshauptmann lieiBt. In Triest vertritt der dortige Stadtrat den Landtag. Aus seiner Mitte lieraus wahlt der Landtag den aus vier bis acht Mitgliedern bestehenden LandesausscliufS, der die Venvaltung des Landesver- mogens und die Vollstreckung der Landtagsbeschliisse zu besorgen hat. Der Landtag liat das Redit, behufs Bestreitung der Landesbediirfnisse Zusehlage (LandesumlagenJ bis zu 10% zu den direkten Steuern einzuheben. Die Gemeinden, die kleinsten staatlichen Gebilde, sind in der Entscheidung iiber ihre Angelegenheiten selbstandig (autonom) und konnen zur Bestreitung von Auslagen sogar Steuern ausschreiben (Gemeindeumlagen). Zur Besorgung der Gemeindeangelegenheiten wird aus der Mitte der Gemeinde eine Gemeindevertretung gewalilt, die aus dem GemeindeausschuB und dem Gemeindevorstand (Biirger- meister) besteht. Fiir die Venvaltung bestelien in Osterreich acht Ministerien: das Ministerium des Innern, fiir Kultus und Unterricht, das Han¬ dels-, Eisenbalm-, Ackerbau-, .Tustiz-, Finanz- und Landesver- teidigungsministerium. Die Chefs dieser Ministerien, die Minister, 270 Siebenter Absehnitt. bilden tl en Ministerrat miter dem Vorsitze des Ministerprdsidenten. Gegemvartig gibt es noch drei Minister zur Vertretung der deutschen, tschechischen und pohiischen Kationalinteressen („Mi- nister ohne Portefeuille“). Das Ministerium des Innern. Dieses Ministerium besorgt aufier der sogenannten politischen Vertvaltung der eigentlichen in- neren Angelegenheiten (Gemeinde-, Vereins- und IVahlangelegen- heiten usw.) das Sanitats- und Armemvesen, die Sicherheitspolrzei, die Staatsbauten und das Versicherungsvvesen. Ihm untersteben in den einzelnen Kronlandem die Statthaltereien (oder Landesregie- rungen ) mit dem StaUhalter (oder Landesprdsidenten 1 ) an der Spitze; den Statthaltereien \vieder sind die BezirJcshauptmann- schaften und die Stddte mit eigenem Statut untergeordnet. Die Stadte mit eigenem Statut (im ganzen 33) versehen die Gesehdfte der Bezirkshauptmannschaften. Ihr Biirgermeister bedarf der kaiserlichen Be- statigung. Der Beamtenkorper bildet den Magistrat. I)as Ministerium fiir Kultus und Unterrieht. Diesem Mini¬ sterium obliegt die Oberaufsicht iiber die anerkannten Kirchen und die Religionsgesellschaften, iiber das Unterrichtsvvesen sowie iiber die Kunst- und vvissenschaftlichen Institute. Ihm unterstehen die Landesschutrdte mit den Landesschulinspektoren und die Bezirks- schulinspektoren. Unterrichtswesen: Die Schulpflicht beginnt in Osterreich mit dem vollendeten 6. und dauert bis zrrm vollendeten 14. Jahre (in Galizien, Bukowina, Istrien ist diese allgemeine Schulpflicht auf sechs Jahre herabgesetzt 2 ). Die allgemeine Volksbildung liiBt nocli manches zu tviinschen iibrig. Von der iiber sechs Jahre alten Be- volkerung Osterreichs konnten 1900 weder lesen nocli schreiben (Analphabeten) 23’8%. 3 Ani schlechtesten steht es in dieser Beziehung in Dalmatien (72' 6 %), in der Bukovina (64%), in Galizien (56-1 %), im Kiistenland (35- 5 %), dann folgen Krain (21-7%), Karnten (20-6%) und Steiermark (14-3%), Weit besser ist es in den iibrigen Banderu: Bohmen (4 • 1 %), Oberoster- reich (4-5%), Tirol und Vorarlberg (4- 7 %),. Miederosterreich (5 ’1%), Mahren (5 ‘1%), Salzburg (6 • 6 %), Schlesien (7 • 2 %). 1 In Salzburg, Karaten, Krain, Schlesien, Bukovina so genannt. 2 In Ungarn besteht die sechsjahrige Schulpflicht mit dreijahrigem Wieder- holungsunterriclit. 8 In Ungarn gar 59-3 %. Der Staat und die Bevolkerung. 271 Der Unterricht tvird in drei Stnfen ( Schulkategorien) er- teilt, den Volks- und Blirgerschulen, den Mittel- und den Hoch- schulen. Der Besucli der Volksschule ist obligatorisch, die Eltern konnen audi durcli Zwangsmittel dazu verhalten werden, ilire Kinder in die Volksschule zu schicken. Im Jahre 1901 gab es in Osterreicli 19.800 allgemeine Volks- und Biirgerschulen , die von 3,780.000 Schlilern besuclit wurden. Zur Ausbildung von Lehr- personen flir den niederen Unterricht hestehen 54 Lehrer- und 42 Lehrerinnenbildungsanstalten. Die allgemeinen -Mittelschulen gliedern sich in Gymnasien (200), Realgymnasien (18) und Realschulen (110). Den Rang von Mittelschulen hat auch eine Reihe hoherer Fachsckulen, \vie die hoheren Ilandelsschulen oder Handelsakademien (22), die hoheren Gewerbeschulen (25), die land- und forstwirtschaftlichen Mittelschulen (15). Daneben gibt es noch eine grolle Zahl niederer Ilandels-, Gewerbe-, land- und forstwirtschaftlicher Schulen. (Das land- und forstwirtschaftliche Schuhvesen untersteht der Aufsicht des Ackerbauministeriums.) Hochschulen: Die altesten Ilochschulen sind die Universitaten mit vier Fakultaten: der theologischen, juridischen, medizinisclien und philosophischen. Osterreich hat sieben Universitaten: in Wien, Innsbruck, Graz, Prag (eine deutsche und eine tschechische), Lem¬ berg, Krakau und Czernowitiz (wo die medizinische Pakultat noch fehlt). Sie wurden 1904 von rund 20.000 Ilorern besucht, am stark- sten die Wiener Universitat (im AVintersemester von 7700 Ilorern), am schivachsten die Czemowitzer (700 Horer). 1 Die technischen Ilochschulen setzen sich aus fiinf Abteilungen zusammen: der allgemeinen, der Ingenieur-, Architekt-en-, Masclii- nenbau- und chemischen Fachsehule. Teehnische Ilochschulen be- stehen in AA 7 ien, Graz, Prag (eine deutsche und eine tschechische), Briinn (eine deutsche und eine tschechische) , Lemberg. 2 * * Die Gesamtzahl der Studierenden betrug 1904 7000; am st-arksten ist die Wiener Technik (2400 Ilorer), am schivachsten die tschechische Technik in Briinn (280 Ilorer) besucht. Auherdem bestehen in Osterreich die Hochsclvule fur Bodenkultur in Wien mit land-, 1 Ungarn hat drei Universitaten, eine vollstandige in Budapest, ferner eine in Klausenbnrg ohne die theologische und eine in Agram ohne die medizinische Fakultat. - In Ungarn nur eine (Budapest). 272 Siebenter Absehnitt. forstwirtscliaftlicher und kul tu r techn ischer Studienrichtung (1904 415 Horer), die Leiden montanistischen Hochschulen in Leoben und Pribram (unter dem Ackerbauministerium stehend), die Kunst- akademien in Wien, Prag, Krakau, die Exporiakademie des oster- reichischen Handelsmuseums in Wien, die k. u. k. Konsidarakademie in Wien. AuBerdem gibt es 49 theologische Lehranstcdten, darunter die k. k. theologischen Fakultaten in Salzburg und Oliniitz und die k. k. evangelische Fakultat in Wien. Dem Unterrichtsniinisterium unterstehen die Akademien der IVisaenscliaften (in Wien, Prag und Krakau), die Geologisehe Reichsanstalt, die Zentralanstalt fiir Meteorologie und Geodyna.mik, die Statistisclie Zentralkommission, die Zentralkommission fiir Erforsehung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, die Sternwarte zu Wien usw. Der geistigen Bildung dienen aueh die zahlreiehen, jedermann zuganglichen Museen, Sammlungen und Bibliotheken, die tei-ls vom Staate', teils von Privaten errichtet und erhalten \verden. Besonders-sind zu nennen: die k. u. k. Hofmuseen (kunst- und naturliistorisches), das osterreiehische Museum fiir Kunst und Industrie, das teelinologische Geiverbemuseum, die Hofbibliotliek, samtlielie in Wien, die Universitats- und Studienbibliotheken ustv. 1 Das Justizministerium hat die Bechtspflege zu bcsorgen, \velche von der Vervvaltung streng getrennt ist. Man unterscheidet Zivilgerichtsbarhe/it (in biirgerlichen Eeehtsstreitigkeiten) und Strafgerichtsbarkeit (iiber Handlungen, die mit Todes-, Freiheits- oder Geldstrafen belegt werden). Bei Verbrechen, die mit min- destens fiinfj ahrigem Kerker bestraft werden, sotvie bei allen poli- tischen und Prefivergehen haben Geschmornengerichte iiber Scliuld und Fnschuld, nicht aber iiber das StrafausmaB zu entsclieiden (Schivurgericht). Das Anit der Gesclmomen ist ein unbesoldetes Elirenamt. Die Gerichte unterster Instanz sind die Bezirksgeri.ehte, die nur iiber ge- ringere strafbare Handlungen ((jbertretungen) sowie iiber Rechtssacben von nicht iiber 1000 K, liber Lohnstreitigkeiten ušiv. urteilen. tlber diesen stelien Gericlitshiife, welehe in den Landeshauptstlidten Landesgerichte, in anderen Orten Kreisgericlite genannt iverden. Bei ihnen kann gegen Erkenntnisse und Urteile der Bezirksgericbte Berufung eingelegt werden. Fiir alle Streitigkeiten von iiber 1000 K sowie fiir alle Verbrechen sind sie erste Instanz. In zweiter Instanz entsclieiden die neun Oberlandesgerichte (Wien, Prag, Briinn, Graz, Innsbruck, Triest, Žara, Krakau und Lemberg), ivelche aucli die Aufsielit iiber die Gerichte ihres Amtsbezirkes ausiiben. Die hochste Instanz in allen Živil- und Straf- sachen ist der Oberste Gerichts- und Kassationshof in Wien. Die Anklage erhebt im strafgerichtliehen Verfahren die Staatsamoaltschaft; sie ist jedeni Landes- In Ungarn die Bibliothek des Nationalmuseums in Budapest us\v. Der Staat und die BevBlkerung. 273 gericht beigegeben und unterateht den Obersiaatsaimaltschaften der Oberlandes- geriehte, diese wieder dem Generalprokurator beim Obersten Geriehtshofe in Wien. Neben diesen ordentliehen Geriehten bestehen aufSerordentliche Gerichte, wie die Handelsgerichte in Wien, Prag und Triest (Handels- und Seegericht). Fiir Beschwerden gegen Verfiigungen der Yerwaltungsbehbrden besteht ala oberste Instanz der Verivaltungsgerichtshof in Wien. In Kompetenzstreitigkeiten zvvisehen Geriehts- und Vervraltungsbehorden, zwischen Landes- und Regierungs- behiirden sowie iiber Beschvcrden wegen Verletzung der verfassungsmaBig ge- wahrleisteten Staatsbiirgerrechte usw. entscheidet das Reichsgericht in Wien. Das Finanzministerium kat die F inanzwirtschaft Osterreichs zu besorgen. Die gesamten Ausgaben Osterreichs stellen sich naek dem Budget von 1906 auf 1819 Millionen Kronen, die Einnakmen auf 1822 Millionen Kronen. 1 Die Einnakmen des Staates setzen sick zusammen aus: 1.) dem Ertrag vom Staatsvermogen, das in Domanen, Forsten, Bergwerken, Eisenbahnen oder Gewerbsunter- nekmungen bestekt; 2.) dem Salz- und Tabakmonopol, durch das sick der Staat das ansschlieBliche Beckt der Produktion nnd des Verkaufes von Salz und Tabak sichert; 3.) dem Lotioregal , d. i. dem ausschlieBlichen Rechte des Staates zum gewerbsmiiBigen Betriebe von Gliicksspielen; 4.) den Zollen, Verzehrungssteuern, Gebiihren von Rechtsgeschaften, der Eahrkartensteuer usw. Die Einnahmsquellen unter 3. und 4. konnen als indirekte Steuern zu- sammengefaBt werden; 5.) den direkten Steuern (Grund-, Gebiiude-, Ervverbs-, Renten-, Personaleinkommen-, Besoldungssteuer, Exe- kutionsgebiikren). Die direkten Steuern sind also jene, welche unmittelbar von der Person des Steuerpflichtigen eingehoben werden. Viel tiefer schneiden in das wirtschaft- liehe Leben des einzelnen wie der Familie die indirekten Steuern ein, welehe Artikel des taglicben Gebrauches, wie Zucker, Spiritus, Bier, Wein, Petroleum, in Stadten auch Fleisch, ganz auBerordentlieh verteuern. Dem Finanzministerium unterstehen die Finanzlandesdirektionen und die Finanzdirektionen mit den Finanzbezirksdirektionen und die Steueramter. tlber- dies sind ihm untergeordnet die Zentraldirektion der Tabakregie, die Salinen- direktionen, die Lottodirektion, die Direktion der Staatsschuld, das Haupt- punzierungs- und das Hauptmiinzamt, die Staatszentral- und die Staatsschulden- kasse, das Ministerialzalilamt u. a. Dem Aekerbauministerium ist die Pflege der Land- und Forstwirtschaft, der Eischerei, des Veterinarvvesens und des Berg- baues iibertragen. Ihm unterstehen die Bergbaudirektionen in Idria und Pribram und die Bergbaubehorden sowie die landwirtschaft- lichen Versuchsstationen und die Samenkontrollstation. 1 In TJngarn: Ausgaben I295*/ 2 Mili. K, Einnalimen 1290 4 / 2 Mili. K. 274 Siebenter Abschnitt. Das Handelsininisterium ist die oberste Behorde fiir alle Angelegenheiten des Handels, Gewerbes und des Verkehrsvresens, mit Ausnahme der Eisenbabnen. Audi Zoll- und Marktwesen, die MaBnahmen fiir Arbeiterhjgiene, die Handhabung der MaB- und Gewichtsordnung sind ihm iibertragen. Das Eisenbahnministerium hat die oberste Leitung und Beaufsichtigung des gesamten Eisenbabnwesens. Ihm sind die Generalinspektionen der osterreichischen Eisenbahnen und die neun bsterreicliischen Staatsbahndirektionen untergeordnet. Das Landesverteidigungsministerium hat die Venvaltung aller die Ileereserganzung, Einquartierung und Verpflegung der Truppen betreffenden Angelegenheiten, ferner die Landwehr, den Landsturm und die Gendarmerie zur Aufgabe. Im IConigreich Ungarn wird die Volksvertretung durch den Reiclistag ge- bildet, der aus der Magnatentafel und der Reprdsentantmtafel besteht. Letztere setzt sich aus 453 direkt auf fiinf Jahve gewahlten Abgeordneten zusammen. Die Wahlbenechtigung hat jeder zwanzigjahrige, selbstandige Landesangehorige mit bestimmtem Grundbesitze, Jahreeeinkommen oder von bestimmtem Bildungs- gi-ade. Zur Wahlbarkeit sind 24 Lebensjahre und die Kenntnis der ungarischen Sprache erforderlich. Einen Landtag hat nur Kroatien-Slawonien (mit einem Banus an der Spitze). Die Venvaltung besorgen wie in Osterreieh die Ministerien des Innern, fiir Kultus und Unterricht, Justiz, Finanzen, Aekerbau, Handel, Hon- v6d, das kroatisch-slawonische Ministerium. Daa Ministerium am Allerhochaten Hoflager (a latere) in Wien dient zur Vermittlung zwisehen dem Monarchen und der ungarischen Reglerang. Fiir die politisclie Yerwaltung ist Ungarn mit Rroatien-Slawonien in 72 Komitate und 30 Munizipalstddte eingeteilt. An der Spitze dieser Verwaltungsbezirke stehen die vom Konig ernannten Obergespane, unter diesen wieder die Stuhlrichter. JL^jL JL h J.. S L l 4 I » <» i|. n" ; ' ^ ■ }t»» ' Kv , i ■J £ /$ *4- J? -Ji i /. Ut ~ 2 / ^ ^ y $? 1&- 7?w'^w * - y-f // - 1 n. . t r /i J ti -v? : ; //^y e d J'tf d/r f &*r. o otf /a, ^ i *T l czj ^L) *■■ ^ * / /•• (V 7 . /;:/.• - ; . > ( ^ ,,/ ■ - ^ tAJft A') -//A I f /V -#C-£- fjf " 49 ^? ," 6 -P A yo~ w ,v *' J J -v / , Sta ni m t a f e 1 n. 1. Die Babenberger. Leopold I., Markgraf v. Osterreich, f 994 Heinrich I. Ernst, Herzog v. Schwaben, f 1018 t 1015 Ernst f 1030 (Stiefsohn Konrads II.) Adalbert f 1055 Ernst f 1075 _I_ Leopold II. f 1095 Die steirischeti Otakare (sichere Keihe). Otakar II. f 1122 (Gemahlin: Elisabeth, Tochter Leopolds II. v. Osterreich) Leopold der Starke f 1129 4. Die Arpaden. Geisa Stephan I. der Heilige t 1038 Otakar III. -f- 1164 Otakar IV. f 1192 Die Habsburger. 1 Guntram der Reiche (um 950) Landolt (Lanzelin) Emmerich f 1031 Maria (Gemahl: der Doge Otto) Peter der Venetianer f 1046 Geisas Urenkel Leopold III. f 1136 (Gemahlin: Agnes, die Witwe Friedrichs v. Staufen) Radeboto (Radbot) Graf im Klettgau f vor 1045 Rudolf I. (starb kinderlos) Andreas I. f 1061 Salomon bis 1074 Bela I. f 1083 Heinrich II. Jasomirgott, erster Herzog, f 1177 Leopold V. f 1194 Leopold IV. f 1141 Otto, Bischof v. Freising, f 1158 Otto I. Albrecht I. Wernher (VVerner) I f 1096 Geisa I. t 1077 Ladislaus I. der Heilige f 1095 Friedrich I. f 1198 Leopold VI. f 1230 Margareta Heinrich (erster Gemahl: Heinrich, f 1228 Sohn Friedrichs II.; zvveiter Gemahl: Ottokar II.) f 1267 Friedrich II. f 1246 Otto II., zuerst sicher als Graf v. Habsburg bezeichnet, t 1111 Wernher II., erscheint im Besitze der Landgrafschaft OberclsaB, t 1167 Albrecht II. f um 1141 Koloman f 1114 Stephan II. t 1131 Almos Geisa II. f 1161 Ladislaus II. f 1162 Stephan IV. (vertrieben) Gertrud (Gemahl: Hermann, Markgraf v. Baden, f 1250) f 1288 Albrecht III. der Reiche, Graf im Ziirichgau, t um 1200 Rudolf II. f 1232 (Thronkampfe im elften und zvvolften Stephan III. Jahrhundert) (1161—1173) Bela III. f 1196 Emmerich f 1204 Andreas II. f 1235 Friedrich v. Baden (v. Osterreich) f 1268 Al ter e Linie: Albrecht IV. der Weise f 1239 (1240), vermahlt mit Heilwig v. Kiburg Rudolf I. (IV.) der Konig t 1291 Laufenburger Linie: Rudolf III. der Schweigsame f 1249 (erloschen 1408) Bela IV. f 1270 Stephan V. f 1272 Albrecht I. f 1308 / (Gemahlin: Elisabeth, Tochter Meinhirds von Karnten) Rudolf III., Konig von Bohmen, t 1307 Friedrich I. der Schone 1 1330 _j,_ Friedrich f 1322 Leopold I. t 1326 Albrecht II. der Weise f 1358 Otto der Frohliche f 1339 I Rudolf II. (Gemahlin: Agnes von Bohmen) Johann Parricida t 1313 Ladislaus IV. der Kumane, ermordet 1290 (kinderlos) Maria (Gemahl: Karlll. v. Neapel) Anna Kunigunde (Gemabl: Ottokar II/ Andreas III. der Venetianer f 1301 Rudolf IV. der S ti f ter f 1365 Friedrich III. \ 1362 Albrecht III., Grunder der Albertinischen Linie, t 1395 Albrecht IV. f 1404 Leopold III., Grunder der Leopoldinischen Linie, t 1386 Friedrich II. f 1344 Leopold II. t 1344 Wilhelm t 1406 Leopold IV. t 1411 Ernst der Eiserne f 1424 _1_ Friedrich IV. (mit der leeren Tasche) t 1439 Albrecht V. (II.) (Gemahlin: Elisabeth von Luxemburg) t 1439 Friedrich V. (III.) f 1493 Albrecht VI. f 1463 Siegmund der Miinzreiche f 1496 Eleonore (Gemahl: Emanuel, Konig v. Portugal) Spanische Linie: Karl V. (I.) f 1558 (Gemahlin: Isabella v. Portugal, Tochter Emanuels des Grofien) Isabella (Gemahl: Christian II., Konig v. Danemark) Deutsche Linie: Ferdinand I. f 1564 (Gemahlin: Anna v. Bohmen u. Ungarn) Maria (Gemahl: Ludvvig II. v. Bohmen u. Ungarn f 1526) Margarete t 1586, Statthalterin in den Niedeilanden (Gemahl: Ottavio Farnese, Herzog v. Parma) / _i_ Alexander Farnese f 1592 Philipp II. f 1598 Maria Don Juan d’Austria (erste Gemahlin: Maria v. Portugal, Enkelin Emanuels des Grofien; (Gemahl: Maximilian II.) f 1578 zvveite Gemahlin: Maria v. England; dritte Gemahlin: Isabella v...Frankreich, Tochter Heinncns II.; vierte Gemahlin: Anna v. Osterreich, Tochter Maximilians II.) Maximilian II. f 1576 (Gemahlin: Maria v. Spanien) Anna (Gemahl: Albrecht V. v. Bayern) Ferdinand v. Tirol f 1595 (Gemahlin: Philippine Welser) Katharina (Gemahl: Siegmund August, Konig v. Polen, f 1572) Karl v. Steiermark f 1590 (1.) Don Carlos f 1568 (3.) Clara Eugenia (4.) Philipp III. f 1621 Rudolf II. f 1612 Ernst, Matthias Statlhalter in den Niederlanden, f 1619 f 1595 Maximilian, I-Ioch- u. Deutschmeister, f 1618 Albrecht, Statthalter in den Niederlanden (Gemahlin: Clara Eugenia v. Spanien) f 1621 Maria Christine Ferdinand II. (Gemahl: Siegmund Bathory f 1637 v. Siebenbiirgen) i Leopold, Bischof v. Passau, Graf v. Tirol, t 1632 1 Anna Maria (Gemahl: Ludvvig XIII. v. Frankreich) Philipp IV. f 1665 Maria Anna (Gemahl: Ferdinand III.) Ferdinand III. f 1657 (erste Gemahlin : Maria Anna v. Spanien) Leopold Wilhelm, Bischof v. Breslau, f 1662 Ferdinand Karl f 1662 Siegmund Franz f 1665 Maria Theresia Margareta Theresia (Gemahl: Ludvvig XIV.) (Gemahl: Leopoldi.) Karl II. f 1700 Ferdinand t 1654 'Maria Anna Leopold I. f 1705 (Gemahl: Philipp IV. (erste Gemahlin: Margareta Theresia v. Spanien; v. Spanien) dritte Gemahlin: Eleonore v. d. Pfalz-Neuburg) Eleonore (Gemahl: Karl Leopold, Herzog v. Lothringen) 1 . Marie Antonie (Gemahl: Max Emanuel v. Bayern) 3. Borivvoj I f 894 Die Premjsliden. Josef Ferdinand t 1699 2. Josef I. f 1711 _J_ Marie Josepha (Gemahl: August III. v. Sachsen u. Polen) Marie Amalie (Gemahl: Karl Albert v. Bayern Karl VII. f 1745) 3. Karl VI. f 1740 Maria Theresia f 1780 Spitignievv f um 912 Wralislaw I. f 926 Wenzel I. der Heilige t 935 Boleslavv I. der Grausame f 967 Boleslaw II. der Fromme f 999 Boleslavv III. Jaromir f 1037 (Thronkampfe) Udalrich Dabrawka (Gemahl: Mieciszlaw v. Polen) Boleslaw Ghabri G. Das Haus Habsburg-Lothringen. Karl VI. f 1710 Karl Leopold, Herzog v. Lothringen (Gemahlin: Eleonore, Schvvester Leopolds I.) Leopold Josef Bretislavv I. (1037—1055) Maria Theresia f 1780 Franz Stephan f 1765 (Franz I.) Karl, Prinz v. Lothringen Spitigniew II. f 1061 Wratislaw II. f 1092 Konrad Bretislavv II. f 1100 Borivvoj II. f 1124 Wladislavv I. t 1125 Wladislaw II. (Konig) f 1173 Friedrich f 1189 Ottokar I. f 1230 (Thronkampfe von Spitigniew II. bis Ottokar I.) ji Wenzel I. f 1253 Ottokar II. f 1278 Jul ta (Gemahl: Bernhard II v. Karnten) Ulrich III. f 1269 Napoleon(IL), Herzog v. Reichstadt, f 1832 Franz Josef I. geb. 1830 (Gemahlin: Elisabeth, Herzogin v. Bayern, f 1898) Maximilian, Kaiser v. Mexiko Karl Ludvvig t 1867 ’ t 189(i (Gemahlin: Gharlotte v. Belgien) | Ludvvig Viktor Ferdinand IV. (verliert 1860 Toskana an Sardinien) Karl Salvator (der letzte des Mannsstammes) Agnes (Gem.ahl: Rudolf v. Osterreich) Wenzel II. f 1305 Gisela (Gemahl: Leopold v. Bayern) Wenzel III. f 1306 Anna (Gemahl: Heinrich v. Karnten) Elisabeth (Gemahl: Johann v. Luxemburg) Rudolf t 1889 (Gemahlin: Stephanie v. Belgien) _I_ Elisabeth Marie Valerie (Gemahl: Erzherzog Franz Salvator) Franz Ferdinand v. Este geb. 1863 Otto (Gemahlin: Maria Josepha v. Sachsen) f 1906 Ferdinand Karl Franz Josef geb. 1887 Maximilian geb. 1895 1 H. SteinacJcer in Zeitschrift fur Gesehichte des Oberrheins 1904. Regesta Habsburgih, herausgegeben vom Institute fur osterreichische Geschichtsforschung. I. Band (bis 1281). Innsbruck 1905 . 2 Parma fiel nach Maria Luise an einen spanisch-bourbonischen Prinzen. '&> i- i "y . /■ y i 5 r..-’. r -p- y č^’< 44, .3 ' 'JfsO . . j y ■ -^'W. „ ^ ■ ^ „ t/ ,. 9 'f (J? eOf/ (w -^Či' - *sbaA*‘l ^ */*Wt 9 f . v •ts&liCMAJ - ‘$s 4 /i( *«£*■*■ v ■> O? .c^mi * >( S * 2 / 0 ' f 3 ' /O // ’ -V # /^Y k ^-^^Yy^- y^J)j ~ ^d fnj ^ -e 7 > xr 1 ^ ^ ■* rW . / /VVj /v <£\ ^/- \ /* 'V ^ /'V / ^—' * K> y^, {., 4 . "■ J . ^/t, 9^ 7? v. 6 y/:jf. zr v