L uth e r. Aer Wann und das Werk. Laibach, 28. Oktober 1906. Lntwvrt: «Ich sah einen Engel fliegen, mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evange¬ lium zu verkündigen Denen, die auf Erden sitzen, und sprach mit grvßcr Stimme: Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre.» Offenbarung Johannes 14, 6 und 7. «Männer machen die Geschichte», dies Wort steht geschrieben atu Denkmal eines der größten deutschen Geschichtschreiber. Alle großen Um¬ wälzungen nnd Fortschritte der Weltgeschichte ans allen Gebieten des Geisteslebens sind bedingt vom Auftreten großer schöpferischer Persön¬ lichkeiten. Gewiß sind auch diese Persönlichkeiten wiederum bedingt von Strömungen, die Unzählige erfaßt haben; Strömungen, durch die sie emporgetragen werden mußten, um ihren Beruf erfüllen zu können. Aber um das gesteckte Ziel zu erreichen, bedurften diese Strömungen eines Organs, einer persönlichen Verkörperung, wie sie nur iu großen Gestalten, iu Helden der Weltgeschichte, möglich ist. Und es läßt sich urteilen: ebenso wie jene großen Männer bedingt sind durch die hinter ihnen stehenden Geistesströmungen, so siiid doch wiederum die Wirkungen, die von diesen Geistesströmnngen ausgehen, bedingt von der schöpferischen Gestalt, in denen eine jede ihr Organ finden muß, um nicht wirkungslos zu zerschellen. Gewiß, das ist heute eine altmodische Weisheit. Die größte Massen¬ bewegung aller Zeiten, die heute durch alle Kulturländer hindurchgehende proletarische Klassenbewegung, stützt sich auf die sog. «materialistische Ge¬ schichtsauffassung», wonach alle großen Veränderungen der Weltgeschichte lediglich durch wirtschaftliche, rein materielle Vorgänge bedingt seien. Die Männer, die sich dabei an die Spitze stellen, aber seien nur die rein zu¬ fälligen Vollstrecker des übermächtig wirkenden Willens der unpersönlichen Verhältnisse. In bestrickender Form ist diese Lehre für die verschiedenen Gebiete menschlichen Schaffens von bedeutenden Forschern nachgewiesen worden. Dem Diener Jesu Christi aber muß es gestattet seiu, die alte Lehre: «Männer machen die Geschichte», noch immer festzuhalten. Noch immer sandte Gott, wenn eine Zeit sich erfüllt hatte, seine Diener, die > r. «. e, allbeherrschend in das Chaos der Ereignisse eingriffen, damit nene Bildungen anftauchten. Der eine Mann ist's, mag er nun Bnddha oder Jesus oder Mohammed, Napoleon oder Bismarck heißen, der die neue Welt schafft, nicht die übermächtigen Verhältnisse. Das gilt auch von der größten Umwälzung der neueren Geschichte, der Reformation des 16. Jahrhunderts. Die Kirchentrennung des 16. Jahr¬ hunderts bedeutete die Zerreißung eines umfassenden Zusammenhanges, der anderthalb Jahrtausende bestanden hatte, und sie ist insofern eine Tatsache, die an grundlegender Bedeutung nur mit einer einzigen anderen Tatsache verglichen werden kann, nämlich mit der Begründung dieses Zu¬ sammenhanges. Danach wären es drei Grundtatsachen, auf denen unsere ganze neuere Geschichte fußt: Römisches Weltreich, das Christen¬ tum, das in diesem Weltreich das Gefäß fand, nm der Welt sich mit¬ teilen zu können, die Reformation, die das Gefäß zerbrach, als es seinen Dienst getan, damit nun erst wahrhaft der innere Gehalt dieses Gefäßes der Welt erschlossen werden könne. Der Manu aber, der dies Werk vollbrachte, war Luther. Die Ge¬ walt der von ihm ausgegangenen Bewegung war eine so mächtige, daß sie trotz der mannigfachsten und schwersten Hindernisse unaufhaltsam fort¬ schritt, einem Meere gleich, das sich bis an die Alpen und über die Alpen ergoß, bis dann die Gegenbewegung kam, die von der einen großen Persönlichkeit des Ignatius von Loyola ansging, eine Zeitlang das ganze Lebenswerk Luthers in Frage stellend, bis dann offenbar wurde, daß dies Werk in seinem Kern doch nie mehr zu vernichten war. Heute zum Gedächtnis der Reformation haben wir darum zu be¬ trachten 1. den Mann, 2. das Werk. 1. Den Mann! Es war ein Manu, der vor vier Jahrhunderten lebte. Das allein sollte uns, wenn wir anders etwas von Geschichte wissen, in der Betrachtung dieses Mannes vorsichtig und umsichtig machen. Denken wir an unsere eigenen Großeltern. Wie so ganz anders waren schon bei ihnen die Anschauungen, Urteile, der ganze Geschmack. Wie so ganz anders war das, was die Menschen vor fünfzig Jahren lasen und dachten, womit sie sich vergnügten, wie sie sich ausdrückten, als das, was uns beschäftigt. Wenn sie heute unter uns träten, sie würden uns erscheinen wie Gestalten aus einer fremden Welt. Und nun eine Gestalt, die volle vier Jahrhunderte hinter uns steht! Und was für eine Gestalt! Man mag Luther flucheu oder segnen, das kann man nicht wohl leugnen, daß man von ihm reden wird in Liebe und Haß, in Verachtung oder Bewunderung, solange dieser Weltlauf währt, solange als der Erdball Menschen tragen wird. Als einer der ragenden Gipfel der Welt wird er hinüberragen über die Jahrhunderte und Jahrtausende! Daraus schon sollte für jeden, der guten Willens ist, die Pflicht sich ergeben, an einen Luther einen anderen Maßstab nnzulegen, wie an irgend einen Durchschnittsmenschen nuferer Tage. Wer überhaupt mit irgend einem großen Geiste in irgend einem .Gebiet der Kunst oder Z — Wissenschaft sich beschäftigt, sollte von vornherein sich klarmachen, daß es sich nicht dämm handelt, höhnisch über einen solchen großen Mann abzusprechen, sondern ihn in seiner besonderen Stilweise zn verstehen. Nicht das ist unsere Aufgabe, einzelne Äußerungen eines übergewaltigen Temperaments zusammenzustellen und daraus ein Zerrbild zu gestalten, sondern zunächst in liebevoller Versenkung die Persönlichkeit in ihrem innersten Kern zn erfassen, die ganz veränderten Anschauungen und Aus- drncksweisen zu erkennen und erst von da aus die einzelnen Äußerungen zn beurteilen. Gerade bei Luther haben wir zu berücksichtigen, daß die Ausdruck- und Denkweise seiner Zeit eine von der unser» völlig ver¬ schiedene war, daß Zeiten schwersten Kampfes und großer Neubildungen anders zu beurteilen sind, wie Zeiten des Friedens. Und wenn von irgend einen: Mann, dann gilt für Luther das Dichterwort: «Nehmt alles nur in allen:, er war ein Mann.» Worin aber besteht der innerste Kern dieser großen Persönlichkeit? Mit einem Bilde möchte ich versuchen, dies klarznlegen. Versetzen wir uns im Geiste in einen jener erhabenen mittelalterlichen Dome, jenen wunderbaren Schöpfungen germanisch-christlichen Geistes. Wohl der ein¬ drucksvollste ist der Dom zn Köln. Auch uns überzeugte Protestanten überkommt hier ein Verständnis dafür, daß man hier stolz darauf sein kann, katholisch zu sein. Hier fügen sich Tausende und Tausende von Steinen zu einem Ganzen, gewaltig scheinen die himmelstrebenden Pfeiler, die hohen Gewölbe den erdgebundcncn Geist himmelwärts zn ziehen. Gewiß, für den mystischer Erhebung zugänglichen Geist hat die Suggestion des römischen Kultus, wie sie hier überwältigend sich entfaltet, etwas Hin¬ reißendes. Und doch, was bedeutet diese ganze Suggestion gegenüber der Suggestion, die von einer tiefen und frommen, dabei wahrhaftigen, lebendigen Persönlichkeit ansgeht? Dort sind ja nur tote Steine, hier aber das wirkende Leben Gottes. Eine solche Persönlichkeit aber war dem deutschen Volke'Martin Luther. In einer tiefen, gottinnigen Seele hatte er anfgesaugt alles Echte und Wahre der mittelalterlichen Frömmigkeit, jener Vermählung deutschen und christlichen Geistes; in sich ausgenommen hatte er die andächtige Wirkung gotischer Kathedralen, wie er sie in Magdeburg und Erfurt sah, brausender Orgeltöue, qualmender Weihrauchsäulen, alle Schauer des Meßopfers. Was er da in sich ausgenommen, voll mystischer Versenkung in die Tiefen der Gottheit, das äugt und strahlt uns nun entgegen in der wunderbaren Innigkeit und Gewalt seiner Schriften, aus denen jeder, der unvoreingenommen ist, den Mann lieb gewinnen muß. Das hat Anastasius Grün, unser Laibacher Dichter, in die Worte gefaßt: «Ein neuer Dom steigt herrlich in Deutschland nun empor. Da wacht mit Lichteswaffen der heit'gen Streiter Chor. Au seinen Pforten möge der Spruch des Weisen stehen: Jst'S Gottes Werk, sotl's bleiben, wo nicht, selbst untergeh'u.» Das ist das wunderbare an Luthers Gestalt, daß er nicht bloß zerstörte, sondern auch aufbaute, weil er die Geistesheimat, die das deutsche Volk im Dom des Mittelalters gesunden, hinübertrug in den neuen Dom, 4 den sein Schöpfergeist ihm nufrichtete. Das, was ein Ulrich von Hutten, der kühne kampfesfrvhe Ritter, was ein Desiderius Erasmus, der um¬ fassende, feinsinnige Gelehrte, dem deutschen Volke nicht zu bieten ver¬ mochten, weil sie die tiefste Gemütssehnsucht dieses Volkes nicht verstanden, das bot ihm Martin Luther, dessen Geist alle Schätze des Gemüts in verschwenderischer Fülle umfaßte, indem er sein Volk aufrief zum Kampf gegen Rom: «Tief Gedenken, froh Vertrauen, Trost und Weisheit nimmer alt, deutsche Zucht und deutsche.Sitte und ein ewiger Gehalt.» Gewiß, sie haben es dann von je verstanden: -Das, was der Zorn und was der frohe Mut Ihn sprechen lies; im Überfluß des Herzens, Zu künstlichem Gewebe zu vereinen Und eine Klage furchtbar zu bereiten. Dagegen er verstummen soll.» Es ist wahrlich nicht schwer, aus Luthers eigenen Worten ein Zerr¬ bild seiner Person zu zeichnen, davor wir heute uns entsetzen. Wir aber wollen um das Einzelne nicht streiten. Mag er in Worten zu weit gegangen sein als ein Mann voll Laune, Witz und Ironie, derb und polternd bei innerer Gutmütigkeit und Gleichmut. Im Grunde aber wollen wir alle, ob Protestanten oder ehrliche, denkende Katholiken, nur eines: Wir wollen frei sein, wollen -Los von Rom-, los von wälscher Tücke und Herrschsucht, los von priesterlicher Bevormundung und Volks- Vergiftung. Das aber hat Luther erreicht, unendlich weit mehr wie je irgend einer vor ihm oder nach ihm. Und weil er es erreichte, weil sein Weg zum Ziele führte, wird es der rechte Weg gewesen sein und der Mann, der ihn gegangen ist, war der rechte Mann. Gewiß, kein glatt Polierter Obelisk, au dem nirgends ein Riß war oder eine Unebenheit, wie der große Antiluther Ignatius vou Loyola, aber groß wie ein Alpengebirg, weit und fern in den Himmel ragend, mit schauerlichen Abgründen und wilden, zackigen Klüften, aber auch mit > rauschenden Quellen, grünen Matten, schattigen Wäldern, holdseligen Tälern voll Blnmenschmelz. Leidenschaftlich bewegt, in Liebe und Zorn reizbar, melancholisch in schweren Anfechtungen, aber in Lust und Leid ein echter Mensch. Und wenn eine neueste Schmähschrift schreibt: -Die Sprache St. Pauli ist immer anständig, heilig und erhaben, jene Luthers öfters frivol und bodenlos gemein, im Schimpfen, Lästern und Schmähen unerschöpflich,- so ist das eben nicht richtig. Auch aus dem Munde Jesu und des Paulus besitzen wir viele Worte, Worte des Kampfes und der Übertreibung, vor denen sich die Kinder unserer Zeit entsetzen würden, wenn sie in unseren Tagen fallen würden. Denn noch heute kämpft man ebenso wie in alten Tagen, aber die Worte sind heute, heuchlerisch genug, viel gemäßigter. Und dann ist zu bedenken, daß wir vou jenen nur wenige Aussprüche besitzen, die auf einigen Seilen Platz finden, von Luther aber besitzen wir eine unermeßliche Fülle von Äußerungen, aus fast zahllosen Schriften, Predigten, Gutachten, Briefen, Tischgesprächen, 5 Äußerungen ost ungezwungenster, vertrautester Art eines gebannten und geächteten Mannes, der sein Leben hindurch mit rücksichtslosester Offen¬ heit den Kampf führte ans Leben und Tod gegen eine Welt der Hindernisse. Daß ans dieser unübersehbaren Fülle von Äußerungen einer sinnlich-derben, wilden Zeit sieh gar manches Zusammentragen läßt, was uns heute befremdet, das leugnen wir nicht, weisen aber auch darauf hin, daß seine Gegner allezeit an tückischer Entstellung und gewissenloser Verleumdung das Äußerste getan haben. Was tut es, wenn sie diesem Manne das Werk, welches er voll¬ brachte, doch nicht Hinwegstreiten können. 2. Der wohl bedeutendste Polemiker gegen Luther, der katholische Theologe Döllinger, hat vom Werke Luthers geurteilt: «Er hat seinem Volke mehr gegeben, als jemals ein christlicher Manu seinem Volke gegeben hat: Sprache, Volkslehrbuch, Bibel, Kirchenlied.» Gewiß, seine Verdienste nm die neuhochdeutsche Sprache, um Übersetzung der Bibel, um deutsche Volkserziehuug und deutsches Geistesleben sind nie genug zu preisen. Der eigentliche Herzpunkt seines Werkes ist ein anderer. Das Zauberwort, welches Luther gesprochen hat, hieß: «Allein durch den Glauben!» In Luthers Rechtfertigungslehre haben wir den Mittelpunkt seiner Lehre und seines Werkes. Damit erschütterte er stoßweise alle Kirchen Europas, und die Predigt Zwinglis, die «Jnstitutio» Calvins, die Artikelakte des Englandkönigs Eduard VI., das Wirkeu des John Knox in Schottland, die Reformpredigt des Kapuzinergeuerals Oechiuo in Italien wie die Arbeit des päpstlichen Nuntius und Bischofs Vergerio in Istrien sind nur das Echo dieses Evangeliums, mit dem Luther die Welt überfallen hatte und das die Gestalt der Kirche veränderte. Gewiß, unserer Zeit ist dies erlösende Wort Luthers: «der Gerechte wird seines Glaubens leben,» wiederum zur unverständlichen Hieroglyphe geworden! Unsere Zeit vermag ebensowenig wie im Me߬ buch der Römischen im Bekenntnisbuch des Luthertums die Antwort aus ihr Suchen nach Gott zu finden. Dazu war eben Luther gesandt, daß er für seine Zeit das lösende Wort sprach, kommende Zeiten bedurften kommender Männer. Es ist ja ein Gesetz der Religionsgeschichte, daß Altes nur überwunden wird, indem das Neue mit den Begriffen der Vergangenheit ausgeprägt wird. So hat Paulus den Opfergedankeu des Alten Testaments überwunden, indem er den Opferbegriff auf das neue ihm aufgegangene Leben anwandte, so hat Luther das Gesetzeschristen- tum der mittelalterlichen Kirche überwunden, indem er mit Begriffen des Rechts das neue Leben, das ihm aufgegangen war, auszudrücken ver¬ suchte. Unsere Zeit sucht nicht mehr den gnädigen Gott, der die Sün¬ den der Menschen übersieht, sondern sie sucht Gott selbst. Daß dem so ist, ist, wie wir glauben, eine Furcht christlich-evangelischer Einflüsse. Es ist den Menschen unserer Zeit in Fleisch und Blut übergegangeu, daß Gott gnädig ist. Darum ist es ihnen selbstverständlich geworden, sowie es dem Heiland selbstverständlich war. 6 Seiner Zeit aber brachte Luther das lösende Wort, als er ihr auf Grund seiner eigenen innersten Erfahrung predigte: -Gerecht nicht durch des Gesetzes Werk, sondern durch den Glauben.» -Die ganze Frömmigkeit von dem ersten Horaläuten bis zur Mitternachtsmessc, vom Paternoster am Morgen bis zum Ave am Abend, das Fasten und Geißeln, Kirchenlaufen und Wallfahren, Kreuzschlagen und Kirchenknien, die neun Gebetstnnden, die Festtage und Fasttage und Karenzzeiten» und die Ab¬ lässe und Vollmachten aller Art, das alles war nun abgetan und damit unerträglicher Geistes- und Gelddruck. Gewiß, es gibt Unzählige, denen alles das Frieden bringt, was Luther beseitigt hat. Unzählige wollen nichts anderes, als kleine Befriedigungen, kleine Ablässe, kleine Tröstungen. Die Gesetzesreligion, die ihnen tausend kleine Opfer auferlegt, aber sie verschont mit dem einen großen Opfer, vor dein sie zurückscheuen, der vollen Hingabe des Herzens an Gott, ist wie für sie geschaffen. Es gibt aber auch andere und sie sind die wahrhaft religiösen Naturen, denen ist nicht genug getan mit einzelnen abgeleiteten Bächlein, nur mit dem vollen Strom der Gewißheit, — nicht Stücke wollen sie, sondern das Ganze, nicht allerlei fromme Dinge, sondern Gott selbst. Ein solcher war Luther, einer der Patriarchen des Menschen¬ geschlechts, die getrunken haben von den ewigen Quellen des Lebens. In ihm war das Doppelte: das Gefühl der Nichtigkeit, der Schwachheit, Unvollkommenheit alles Menschenwesens, ans dem heraus seine Worte stammen: «Ein Christ wird gerecht genannt, nicht weil er es ist, sondern weil er es wird-; «Der Christ ist nicht im Wordensein, sondern im Werden»; aber mitten in dieser Schwäche und Sünde die felsenfeste Ge¬ wißheit in Gottes Hand so fest geborgen zu sein, daß nichts, nichts ihn von ihm reißen könne. In dieser Gewißheit ist er aufrechtgestanden ein langes stürmisches Leben hindurch, bis er verhauchend noch auf die Frage: «Ehrwürdiger Vater, wollet Ihr auf Christus und die Lehre, wie Ihr gepredigt, beständig bleiben?» sein «Ja- antwortete. Und darin liegt der - ewige Gehalt- seines Evangeliums. Auch wir wollen frei sein von allem religiösen Werkdienst. Wir wollen eine Ge¬ wißheit haben, aus uns selbst, die kein Priester uns geben und kein Priester uns nehmen kann. Stehen »vollen wir wie Luther mit beiden Füßen auf Gottes Erde, die Bedingungen der Wirklichkeit nicht aus den Augen verlieren, das Schwache, Sündige, Unvollkommene, das uns immer¬ dar anklebt, nie ablengnen, da keiner von uns je auf Erden ein «Heiliger - wird oder werden kann, aber daneben soll unser Hanpt doch enipor- schaueu zum Himmel, Sterne spähen, Gedanken säen-. Sv, Ivie es das andere Geburtstagskind des 10.Novembers, Schiller, ausgesprochen: -Werft die Angst des Irdischen von euch, fliehet aus dem engen, dumpfen Leben in des Ideales Reich.» Im Bewußtsein unserer Geisteswürde, fest ge¬ gründet in ewigem, unzerstörbarem Leben, wollen wir mitkämpfen im großen Kampf der Menschen, äußerlich gebunden durch die mannigfachen Pflichten der Liebe, im Innersten doch frei und niemand untertan. So hat Luther den großen Kampf seines Lebens geführt, gegen die Schwärmer, die Aufrührer, die alles verspottenden Gelehrten zur Linken, wie gegen das ganze Heer der Finsterlinge zur Rechten, gegen die alle. 7 Vergangenheit Leugnenden hier, wie gegen die Macht des ewig Gestrigen dort. Von ihm wollen wir lernen, nicht das, was er im einzelnen ge¬ lehrt, sondern wie er es gelehrt, nicht seinen Buchstaben, sondern seinen Geist. Auch die, die sich nm Luther geschart haben im Lauf der Jahr¬ hunderte, sind oft genug in die Fehler verfallen, gegen die Luthers Werk gerichtet war. Sie haben von ihm das Wort gebraucht: «Gottes Wort und Luthers Lehr', Vergehen nun und nimmermehr», als wenn der Buchstabe an Luthers Lehre so unantastbar sei, wie die Lehre des Papstes, die Luther abgetan hat. Wir aber wollen dies Wort deuten auf seinen Geist, sowie es manchmal geschah von seinen begeisterten Anhängern, die in ihm den Engel der Offenbarung erkannten, der für alle Menschen ein ewiges Evangelium hatte, das Gottes Ehre verkündete. Lnther verkündete Gottes Lehre und darum heißt es in Wahrheit: «Gottes Wort ist Luthers Lehr, Darum vergeht sie nun und nimmermehr.» Amen. Dr. Ottmar Hcgemann, Pfarrer. Jin Berlage der Evangelischen Kirchengemeinde in Laibach. —Druck von Kleinmayr L Bamberg in Laibach. cosiss s