«s^jt^. Ans Mehemed Ali's Neich. Dritter Theil. Nubien und Sudan. V o n, Verfnsser l>er Driest cines Verstorl'cncn. ^/^M^ßZr^^y ^&č$^-fJh&'/& r^ Stuttgart. Hallbk r ^ c v' s c!' c V eila q o h a n ^ l u n ^. Aus Mehemed Ali's Neich. Dritter Theil. Nubien und Sndan. ^' o m Verfasser der Driefe eines Verstorbenen. N,m schau dcr <^cis< nicht verwart» nicht struck, Dic Ocqcnw,ivt allcm — sc> iniscr (^luck ' M^th«, Stllttgart. H a I ! b e i q e r' s ch e V e t, < a g o l) ., „ o > u n q. 1 844 «» Nnbien und Sudan. Nitt durch die Wüste nach Pongola. Fortsetzung, Tempel von Phtur, Haffir, Dongola. Die Alterthümer von Scdcnga sind unbedeutend. Nur eine Säule des größeren Tempels steht noch vollständig in einem weiten Trümmerhaufen, und alle dic hcrabgcfallcncn Ornamente des Gebäudes, wie die crhaltnc Säule selbst, sind in schlechtem Styl, und verrathen ein neueres, wahrscheinlich römisches Bauwerk. Etwas weiter abwärts sieht man die Ruinen eines zweiten Tempels mit drn Stummeln zweier Säulen, alles aus gewöhnlichem Kalkstein ,md von gleich geringer Qualität der Arbeit. Ganz audcrs verhält es sich dagegen mit dem vier Stunden von hier, jenseits der Hügelkette von Dschcbel-Dosch, welche die Provinz Sotkot von der von Mahaß trennt, gelegenen, auch in seiner wildesten Mehtinct All's «cich. III. 1 2 Zerstörung noch crstaunungswürdigcn, großen Tcm-pel von Phtur, ein Wcrk dcr Pharaonen, dcm gegenüber in einem lieblichen Haine am Flusse nnscr Lager aufgeschlagen worden war. Wir schoben die Besichtigung dieser großartigen Ruine bis zum Abend auf und wollten uns eben zu Tische setzen, als einer dcr Einwohner des nahen Dörfchens, die uns eben so bereitwillig als die von Dal mit Allem zu versorgen suchten, was sic zu liefern im Stande waren, eilig hcrbeigcsvrungcn kam, um uns zu melden, daß sich nnr einige hundert Schritte weit vom Ufer entfernt ein Nilpferd im Flusse zeige, das sich schon feit mehreren Wochen in dieser Gegend aufhalte. Im schnellsten ^anf eilten wir hinab, und sahen sogleich den ungeheuren Kopf des Uuthiers, wie einen schwarzen Felsen aus dem Wasser schauen, ohne daß es lange Zeit die mindeste Bewegung damit machte. Auf meinen Befehl war untcrdcß dcr gedeckte Tisch herbeigeschafft worden, wir etablirten uns hart am Fluß neben den Resten eines antiken Molo dcr altcu Stadt Phtur, und setzten uns hier unter einem hohen Baume znm behaglichsten Mahle nieder, hinter uns I die Säulenreihen cines Nhamseischen Tempclpallastes, vor uns im Fluß das unterhaltende Natmschauspiel eines der seltsamsten Geschöpfe göttlicher ^aunc. Als willkommene Zugabe zu dieser interessanten Scene bildeten hohe Verge in der Ferne, graziöse Krümmungen des Flusses nach beiden Seiten, dunkle Felsenriffe mit kleinen Wasserfallen dazwischen, und gegenüber grüne User nebst einem großen Erdzicgel-schloß mit Pylonen, das in einem Dattelwaldc stand, eine der reizendsten Landschaften, welche unsre Ncise bisher dargeboten hatte. Das Nilpferd hielt über eine Stunde auf dcr gewählten Stelle aus, und regalirtc uns, bald mehr bald weniger aus dem Wasser hcrvortauchcnd, mit den verschiedensten Evolutionen, bis es sich endlich, auf einer Sandbank augelangt, Plötzlich in voller Höhe aufrichtete, und uns so, wie zum Abschiede, seine ganze Niesenmassc bewundern ließ. Doch verschwand es endlich fast cbcn so jähling unter den Wellen, als es erschienen war, kam erst iu weiter Ferne nur auf wenige Sc-tnndcn wieder zum Vorschein, und ließ sich nachher, zu seinem Crystallvallast desinitiv hinabsteigend, nicht ferner mehr blicken. Zwölf dcr Dorfleutc, meist 4 Jünglinge und Knaben, nur zwei Altc und drei Mädchen, Alle nackt bis auf den Schurz, hatten sich dicht neben uns gelagert und erfreuten sich eben so sehr als wir an dem Hippopotamos. Zuweilen sprangen einige derselben in den Strom, schwammen ihm entgegen, und suchten das impassible Thier zu erzürnen, während die Andern vom Ufer her durch Geschrei und Lärmen zu helfen suchten, wie gestern ihre Landslcute bei der Mondfinsternis Erregte aber das Ungcthüm eben ihre Aufmerksamkeit nicht, so richtete sich diese ausschließlich auf uns. Sie sahen erstaunt auf unsre Perspektive, bewunderten nn't Entzücken ein nut Perlmutter ausgelegtes Messer des Doktors, gerictbcn aber, wie wahre Siidsec-insulancr, in eine halbtollc Freude, als ich ihnen einen Spiegel bringen ließ, dessen gleichen vorher Keiner von ihnen gesehen zu haben schien. Es war auffallend, daß die jungen Männer dabei ungleich mehr Eitelkeit und Behagen am Anblick ihrer eignen Person zeigten, als die Mädchen. Fast Alle trugen eine Art Rosenkranz von Glasperlen um den Hals oder um den Arm geschlungen, an denen ein Lcder-taschchcn mit einem darin verwahrten Amulctc hing, ____5 das ihre Schriftgelehrten, die Fakt, für sic schreiben, und sich gut daft'ir bezahlen lassen. Einige dcr Knaben trugen auch zinnerne Ohrringe, und die Mädchen bunte Glasperlen um Hals und Arme. Ich schenkte diesen letzteren falschen Pariser Schmuck, und gab auch einigen der Knaben, die uns Wasser geholt oder sonst dicnstreiche Hand geleistet hatten, einige Ningc dieser Art, was mit Dank und Vergnügen, aber zugleich mit einer sehr anständigen Ruhe aufgenommen wurde. Um den Zustand ihrer Sitten etwas näher fcnncn ;u lcrncn, gab ich dem einen jungen Manne, dcr uns begreiflich gemacht, ?aß das hübscheste dcr gegenwärtigen Mädchen seine öchwcster scp, dnrch Zeichensprache zu verstehen, c.' möge sie Abends allein zu unseren Zelten schicken, wozu ich die Pantomime deo Schlafens machte. Er mid -das Mädchen lachten, doch nahm er sogleich den Ring, den ich ihm geschenkt, vom Finger, und ich glaubte schou, er wollc ihu mir entrüstet zurückgeben, als er ihn in die Höbe hielt, und so geschickt wie ein Taubstummer dazu ausdrückte, daß, wenn ich noch einen dergleichen hergäbe, seine Schwester kommen werde. Sehr tugendhaft in unserem Sinne scheinen also diese Naturkinder eben nicht zu seyn, und für einen Miffionair hätte dies eine gutc Gelegenheit zu einer Predigt abgegeben. Die beiden Alten waren hö'chst komische Originale. Dcr eine hatte eine ägyptische, durchstochnc Goldmünze (Kari) in ein Papier gewickelt in der Hand, und machte, trotz allein Abweisen, je nach fünf Minuten immer einen neuen Versuch, dieses Goldstück, welches er wahrscheinlich nicht für ächt hielt, uns gegen Silber-Piaster zu verwechseln; dcr andere trug zwei Stücke hier gefertigte grobe Leinwand auf dem Kopfe, und bemühte sich mit gleich unabweisbarer Beharrlichkeit, sie uns zu verkaufen, alles mit einer solchen Geduld, Sanftmuth, Höflichkeit, und dem crnstwürdcvollstcn Benehmen eines Diplomaten, dcr um Provinzen handelt,' daß wir am Ende nicht mehr widerstehen konnten, uns beide Gegenstände aufdringen zu lafftN. Einige aus dem Haufen sprachen etwas arabisch, was unsere Conversation sehr erleichterte, und als wir lurz vor Sonnenuntergang schieden, geschah cs in bester Freundschaft mit Alt und Jung, welche noch dadurch vermehrt wurde, daß wir Münze und Leinwand, obgleich schon bezahlt, als Geschenke 7 zurückließen. Diese Leinwand galt übrigens, beiläufig gesagt, in lauge Strcifeu geschnitten, sonst als Müuzc im Laube der Barabra's, und weit bis nach dem Sudan hinab. Jetzt muß, bei Verlust des Kopfes, überall die Münze des Gouvernements nach dem bestimmten Tarif augcnommeu werden. Ohne diese Strenge würde mau die Eingeborneu nie dazu gebracht haben. Als cm merkwürdiges Zeichen der sorgloscu Indolenz dieser Wilden, muß ich noch Folgendes anführen. Sie erzählten uns, daß dasselbe Nilpferd, welches wir gesehen, ihnen außerordentlichen Schaden zufüge, denn wenn es die Nacht cmsträ'te, um sich zu äßeu, so verheere es gewöhnlich drei bis vier Fcddan Fcldfrüchtc auf einmal. Warum macht Ihr denu nicht Jagd auf das Thier? rug ich. »Ja, wir haben daran schon gedacht,« var die Antwort, „und daher einem Manne in Duadi-Halfa, der sich mit solcher Jagd abac bt, wissen lassen, daß sich jetzt ein Nilpferd ftr aufhalte. Er hat auch geantwortet, daß, sobald e sich eine Harpune verschaffen könue, er kommen wrde."I^Diesc Auskunft ward uns durch einen ägyptischen Soldaten genau verdolmetscht. Seitdem 8 die Leute sich an den Jäger gewendet, ist nun schon ein Monat verflossen, während dem das Nilpferd einige vierzig Feddan verheert haben soll; dennoch hat sich bisher Niemand entschließen können, die Jagd selbst zn unternehmen, obgleich es an Wasscn und Feucrgcwchren nicht fchlt, ja sogar ein Posten Neger Soldaten, mit Allem dergleichen wohl versehen, einc halbe Stunde von hier campirt, also nichts leichter gewesen wäre, als der Sache mit eignen Kräften längst ein Ende zu machen. Eben so denkt aus Indolenz auch hier, wie längs des ganzen Flusses, Niemand daran, den Reichthum des Nils an Fischen zu benutzen, und seit wir Assuan verließen, ist uns keiner jener schmackhaften Bewohner der Tiefe mehr zu Gesicht gekommen, wi selbst aber haben leider weder Netze noch Angcll mit uns genommen. Wir wanderten nun in der Abcndtühlc nah dem Tempel, dessen Säulen, aus röthlich gestreiften, hartem Sandstein, zu den leichtesten und elcgantestn ägyptischer Baukunst gehören. Es gab deren gecn siebcnzig, von denen kanm noch ein Drittheil, nd auch von diesen nur zehn vollständig stehen geblicen 9 sind. Da man die Ningc des Sesostris nebst denen vieler andern der ältesten Pharaonen daranf findet, so darf man nicht zweifeln, daß dieser Ban ans jenen Zeiten herstammt, und seine Zerstörung nur entweder einem Erdbeben, oder dem Weichen des aus Erdziegcln bestehenden Unterbaues zuzuschreiben ist. Das Gebände mit einem großen Vorhof, in dem noch einige verstümmelte Sphynre angetroffen werden, nebst den Spuren einer Prachtvollen Treppe von 57 Fuß Breite, die zum Tempel hinaufführte, scheint aus drei großen Hauptsälcn bestanden zu haben, mit Säulen von verschiedener Verzierung und Form. Da nur wenige der zusammengestürzten Materialien zu andern Zwecken weggeführt worden sind, so hat man Mühe, über die enormen Haufen von Ruinen hinwegzuklcttern, welche alle Theile des Tempels anfüllen. Wir störten hier eine Hpänc auf, die sich aber sogleich wieder unter dem Maucr-wcrk verkroch, ohne dasi wir sie außerhalb desselben fliehen sahen, so daß sie also wahrscheinlich ein festes Malepartus hier hatte, in das sie sich vor uns zurückzog. Der Tempel ist nach seinen genauen Maaßen 10 und andern Partikularitäten von mehreren Reisenden ausführlich beschrieben worden, da er jedoch eine große Menge noch uncntzifferter Hieroglyphen und sehr eigenthümliche Sculptnren enthält, so ist es sehr zu bedauern, daß bisher noch Niemand, mit den Kenntnissen Champollions ausgerüstet, ihn gc-uam-r untersuchte, da er gewiß sehr interessante historische Aufschlüsse zn geben vermag. Viele Säulen desselben sind an ihrer Vast's mit einer Ncihc Figuren umgeben, die Gefangene mit auf den Nucken gcbundnen Händen vorstellen, deren halber Körper aber unten jedesmal durch eine Kartouschc (was wir Ning nennen, ich aber lieber, nach Form und Zweck mit „Wappenschild" bezeichnen möchte) verdeckt ist. Auf diesen Schildern sind, nach Waddington's Angabe, die Namen eroberter Städte und Provinzen verzeichnet, und die Figuren selbst, welche durchgängig Bewohner nördlicher Gegenden anzndeu-ten scheinen, tragen meistens eine Kopfbedeckung, die entweder der persischen Mütze, oder auch einige davon vollkommen dem heutigen ägyptischen Tarbufch glcichcu. Die Arbeit ist höchst sorgfältig, und ganz im einfachen und cdeln Styl der besten Zeit. Das- II selbe gilt von dcn Friesen, Capitalen und andcru Ornamenten, die sich oft griechischer Eleganz nähern, so wie überhaupt der ganze Bau bedeutend von der Schwere und dem finstern Ernst anderer ägyptischer Tempel ans dieser Periode abweicht. Anch ist er nicht ganz so kolossal in scincn Formen. Der erste und größte Saal hat bei 88 Fuß Tiefe, 103 Fnß Breite, die Säulen ') Fuß 7 Zoll Durchmesser, und nicht übcr einige w Fuß Höhc. Die zwei andern Säle verringern sich gradatim und hinter ihnen befand sich, von zwölf Säulen eingefaßt, das ^ci^tum oder Allcrhciligstc. Da die Abbildung des Jupiter Almnon hier einigemal vorkommt, so ist zu vermuthen, daß ihm der Tempel gcwciht war. Auch bemerkten wir Seulpturen, die Eulen nnd Geier, und eine davon dcn Apis darstellten. Die Nnine in ihrem ganzen Umfange am Rande der Wüste an cincn Palmcnwald nnd die Erdhütten des Dorfes Solib gelehnt, gehört durch die rosige Färbung des Steins und die malerische Disposition ihrer Trlim-mcrmassen gewiß zu dcn schönsten in Nubrcn, und muß bei jedem Reisenden, welchcr dergleichen über- 12 Haupt zu schätzen weiß, einen nicht leicht zu verlöschenden Eindruck zurücklassen. Wegen einer großen östlichen Krümmung des Flusses, die er von Solib aus macht, mußten wir in der folgenden Nacht die Wüste quer hindurch acht deutsche Meilen weit durchschneiden. Der Zufall wollte, daß wir, um einen passenden, vor dein kalten Wind geschützten, Fleck zu cim'gcn Stunden Nnhc aufzufinden, einen andern Weg als die Lara-vane einschlugen. Dies rettete einem Matrosen von der Barke, der die Caravane begleitete, wahrscheinlich das Leben; denn auf seinem Thiere eingeschlafen hatte er sich unbemerkt von ihr entfernt, und wir fingen ihn auf, als er in größter Angst, um sie wieder aufzusuchen, grade in voller Eile die falsche Richtung nach dem Innern gewählt hatte. Vcrirrung ist aber hier eine bedenkliche Sache, und cö vergeht kaum ein Jahr, wo nicht Gouvcrncmcntscourierc, oder sonst einzelne Reisende in der Wüste verschwinden, ohne daß man je wieder etwas von ihnen hört. Die Schnelligkeit und Ausdauer, mit der diese Couriere die größten Touren auf so unbequemen Thieren und bei so großer Hitze zurücklegen, geht fast in's 13 Unglaubliche, und wir fanden deren oft in der nächtlichen, schauerlichen Einsamkeit dieser Wüsten, ganz allein neben ihrem Dromedare in dcn Sand gebettet und den Zügel um dcn Arm gewickelt, ausruhen, um Mensch und Thier einige Stunden des erfrischenden Schlafes genießen zu lassen. Erst nach 9 Uhr, bei schon sehr heißer Sonne, erreichten wir Fakir-Vint, wo der vorige Gouverneur von Dongola, als fromme Stiftung, eine Moschee mit einem Khan erbaut bat, in dem jeder Reisende unentgeltlich Obdach und gekühltes Wasser erhält. Zu diesem letztern Zweck sind die durchsickernden Kruge, welche in Khcne gefertigt werden, ein wahrhaft unschätzbares Hülfsmittel in diesen Bändern, und da man sie nicht immer vorräthig findet, so thut jeder Reisende wohl, sich im Voraus mit der größtmöglichsten Quantität derselben zu versehen. Das laucstc Wasser, wenn es dem Luftzuge nur einige Stunden ausgesetzt bleibt, wird kühl darin, und in der'Nacht eiskalt. Nach acht oder vierzehn Tagen aber verstopfen sich die Poren des Kruges, und er thut dann nicht mehr ganz dieselben Diensic; dabei sind diese Geschirre auch so zerbrechlich, daß der geringste Anstoß sie 14 beschädigt oder ganz zerschellt; in der Hand wiegen sic so leicht wie eine Feder. Man hat zwar in mehreren Ländern Gefäße mit ähnlichen Eigenschaften, keine aber, die ich kenne, sind an schneller Wirksamkeit den Krugen von Khenc zn vergleichen. Dank ihnen, fehlte es uns bis jetzt, wo wir unsere Ruheplätze noch meistens am Nil finden, auch in den heißesten Tagen noch nie an gekältetem Waffer. Der wohlthätige Erbauer des Khan's hatte auch Bäume davor pflanzen lassen, die bereits weite Kronen um sich her breiteten, und unter ihrem schattigen Dome nahmen wir unsere einstweilige Wohnung, dicht über dem Fluß, der hier wieder von vielen Felsen durchwirkt erscheint. Vald nach unserer Ankunft besuchte mich der Nazir des Dorfes mit einem kleinen Gefolge. Er war ein Eingcborncr und einer der angesehensten Eigenthümer der Gegend, von sanftem, cinncbmendcm Betragen und scharfer Auffassungsgabe, worin sich die Araber überhaupt schr vou Europäern geringen Standes auszeichnen. Ich benutzte die Gelegenheit, bei diesem glaubwürdigen Manne verschiedene Erkundigungen über die wahren Verhältnisse der Unterthanen zur Regierung 15 einzuziehen, welche ich später durch wohlunterrichtete und unparteiische Leute immer bestätigt fand. Sie lauten freilich sehr verschieden von den Anklagen mehrerer Reisenden, obgleich hier ein als großer Landbesitzer selbst Betheiligter sprach, und ncben dem Lobe auch den Tadel nicht verschwieg. Es wird weiter unten manmchfache Gelegenheit geben, auf diestu Gegenstand wcitläuftiger zurückzukommen. Die folgende Station ist Hafsir, und die Distanz betrug nur fünf deutsche Meilen, oder zehn Stunden. Schon nach der crstcn Hä'lftc des Wcgcs trat die Wüste ganz in den Hintergrund, und die allerdings sehr vernachlä'ßigtcu Ebnen von Dongola begannen sich allmählich vor uns auszubreiten. Wir fanden auf denselben fast eben so viel wieder vcrlaßnes als angebautes Land, weil in den letzten Jahren schwere epidemische Krankheiten eine Menge Menschen hingerafft haben. Auch finden hier wirklich häusige Auswanderungen nach dem Darfur statt, wo jetzt ein sehr unternehmender, fremde Colonicn begünstigender Sultan herrscht, dessen weite Länder sich täglich vergrößern, und von mehreren Sklavenhändlern, mit denen ich mich unterhielt, als ein Paradies 16 der Fülle und des Wohllebens geschildert werden. Auf den vcrlaßnen Feldern, deren künstliche Bewässerung natürlich gleichfalls aufgehört hat, sind neue weite Mimoscndickichtc erwachsen, und der Giftbaum blüht hier in den schönsten Exemplaren. Antilopen sind häufig in diesen Gebüschen, auch sahen wir viele Rebhühner von einer größern Gattung als die unsrigen, und oft umflatterten uns kleinere bunte Vögel vom schönsten Gefieder. Haffir, das über eine Stunde vom Nil entfernt liegt, verrieth schon durch bcssre Häuser, sorgfältigere Cultur, und einen gewissen mehr civilisirtcn Anstrich der Einwohner, wie durch die Anwesenheit ägyptischer Offiziere nut einem Dctachcmcnt von dreißig Mann, die Nähe der Hauptstadt. Auch hier war der Kaschess ein gebildeter Mann, und kein Türke, sondern ein Eingeborncr. In Haffir beginnen die weißen Ameisen, die schrecklichen Thermiten, welche alle Effekten zerstören, ihre Verheerungen. Namentlich lieben sie Bücher so sehr, daß sie einen ganzen Folianten in einer Nacht fast rein aufzufressen im Stande sind, wie ich später ein Beispiel davon beim Doktor Iken in Dongola mit eignen Augen sah. l7 Die Dorfbewohner brachten auch sogleich mehrere Engarcbs, eine Art Sopha's von antiker Form, herbei getragen, auf die sic uns einluden, alle unsere Koffer und übrigen Sachen zu legen, da, was an der Erde bliebe, sonst über Nacht der Ameisen Beute werde. Diese Engarebs sind ein eben so dauerhaftes als bequemes Meubcl, und ich habe eins derselben, das mir abwechselnd als Bett, Sopha ober Gartenbank diente, zwci Jahre lang mit mir geführt, und zuletzt als Modell auch glücklich noch mit nach Europa zurückgebracht. Es besteht aus einem Nahmen von sehr festem Holze mit vier kurzen gedrechselten Füßen. Ein Netz überspannt das Ganze, welches aus in Streifen geschnittncr frischer Ochsenhaut angefertigt ist uud, durch das Trocknen sich eng zusammenziehend, der Lagerstätte eben so viel Dauerhaftigkeit als Elasticität giebt. Das Cngarcb widersteht tagelangcm Ncgcn wie der glühenden Sonnenhitze gleich gut, und man braucht nur einen Teppich darauf zu legen, nm sich den bequemsten, vor Insekten gesicherten Nnhcsitz zu verschaffen, der überdies ein so geringes Gewicht hat, daß er auf das Leichteste iibcrall Inn zu transportiren ist. Man benutzt Mchcmcü Äli'o R^ch- III. 2 18 hier die erwähnten Hautstrcifen auch noch zur Verfertigung mehrerer anderer Gegenstände, nnd sonst dienten sie sogar zu grausamen Erecutioncn, indem man den Dcliquentcn damit fest an einen Baum band, nnd dort der Wirkung der Sonnc so langc überließ, bis dic allgemach znsannncn trocknenden Nicmen ihn langsam zerquetscht hatten. Wir fanden Haffir ebcn von dem dcr Provinz Dongola ganz eigenthümlichen epidemischen Fieber stark inficirt, das mit Nasenbluten und Erbrechen anfängt, uud sich immer in spätestens acht Tagen entscheidet, nach welcher Periode der Tod oder schnelle Besserung erfolgt. Vor drei Monaten wüthete die Krankheit in Dongola selbst, jetzt scheint sie wcitcr nördlich fortzuschreiten. Manche halten sie für ciuc modisicirte Form dcr Cholera und in verschiedenen Symptomen scheint sie in der That viel Aehnlichkeit mit ihr zn haben, doch ist sie in der Regel weniger schmerzhaft. Doktor Koch, ein großer Anticontagio-nist, der Pest und Cholera in Alcrandrien stndirte, bcsnchtc einige dcr Kranken und hinterließ eine Vorschrift für ihre Behandlung, von der er gntcn Erfolg erwartete. Zugleich bedauerte er aber sehr, nicht !9 längere Zeit zur Beobachtung einer, wie er als Arzt sie nannte, »so höchst interessanten" Kranlhcit zu haben. Die Entfernung von hier nach Dongola beträgt noch vierzehn Stunden. Der Charakter der^Gcgend blieb derselbe wie gestern. Eingcgangne Felder zeigten sich noch immer häusig, waren aber seltner mit Bäumen bewachsen, ja Dongola selbst, ein ziemlich ansehnlicher, aber auch nur von rohen, unge-wcißtcn Erdzicgeln, oder mit Stroh geknetetem Lehm aufgeführter Ort, erschien von dicscr Scitt baumlos, und nur nach dem Nil zu mit einigen grünen Fluren umgeben. Die Stadt zerfällt in zwei abgesonderte Theile, wovon der eine mit crenclirten Lclmnnaueru, einigen Thürmen, und zum Theil durch ciuen schwachen Graben befestigt ist, was aber zur Vertheidigung gegen die Eiugcbornen vollkommen hinreicht. Hier rcsidircn alle Beamte des Gouvernements neben den Kasernen der Garnison, die aus einem Bataillon Infanterie (theils ägyptische Invaliden, theils Schwarze) und aus drei- bis vierhundert Pferden unregelmäßiger Kavallerie besteht. Ein großer 2- 20 Waffcnplatz befindet sich in der Mitte des Qnarticrs. Der andere Theil der Stadt, größer und etwas näher am Fluß gelegen, enthält die übrigen Bewohner, ohngcfähr U000 Seelen. Man findet daselbst einen recht gut furninen Bazar und einige wenige ncugcbaute Häuser der Reichsten aus gebrannten Ziegeln mit rcgulairen Fenstcrrcihcn, diese jedoch noch ohne Glas. Der türkische Gouverneur (Mudir) hatte so wenig Anstalten zu meinem Empfang getroffen, und mir ein so schlechtes Haus in der Nähe des Flusses angewiesen, daß ich vorzog, meine Zelte im Felde daneben aufschlagen zu lassen, worauf ich durch meinen Kawaß dem Gouverneur eine sehr harte Votschaft ausrichten ließ. Als er mich darauf am andern Morgen besuchte, empfing ich ihn ohne aufzustehen in meinem Zelte, ließ ihm weder Kaffee noch Pfeife reichen, rcfüsirtc das nun folgende Anerbieten seines eigenen Hauses, und erklärte, daß ich mit ihm durchaus nichts zu schaffen haben wolle, aber Seiner Hoheit dem Vicckönigc die Rüge seines ungeschliffenen Betragens überlassen werde. Wenn man die Mittel hat, es durchzusetzen, d. h. 21 Wenn die Türken gegründete Ursache zu glauben haben, daß man ihnen gefährlich werden könne, ist es gut, mit ihnen so umzugchen und sich nicht das Geringste von ihnen gefallen zu lassen, wie überhaupt cm stolzes und kaltes Benehmen immer weit bessern Erfolg bei ihnen hat, als entgegenkommende Familiarität und viele Höstichkcitsdcmonstrationcn. Der Gouverneur von Dongola und ich wurden nach dieser Scene, von der scin ganzes Gefolge und der ihn begleitende Commandant der Truppen Zeugen gewesen waren, zuletzt dennoch die besten Freunde; denn nachdem er mich durch viele Entschuldigungen beschwichtigt hatte, ließ er mir es an nichts mehr fehlen, und überhäufte mich wirklich mit Artigkeiten sowohl während meines jetzigen Aufenthaltes, als bei meiner Rückkehr nach mehreren Monaten, während welcher Zeit er mir zugleich den Gebrauch seiner eignen zwei Nilbarken für den ganzen Verlauf meiner weitern Reise überließ. Als ich am Abend mein Portefeuille revidirtc, fand ich mit nicht geringem Schrecken, daß der vorletzte Band meines Ncisejournals darin fehlte. Ein Autor hängt an solchen Dingen wie an Schätzen, ^2 obgleich dies nur eine Thorheit seyn wag. Aus der angestellten Untersuchung ging hervor, daß das Buch in Haffir, welches wir mitten in der Nacht, noch im Dunkeln, verließen, im Zelte übersehen und vergessen worden scyn müsse. Ich schickte sogleich einen unsrer arabischen Leute auf dem schnellsten Dromedare darnach ab, der es anch am Morgen darauf glücklich wiederbrachte. Dies war jedoch nur einem günstigen Zufall zu danken, denn schon hatte man unter Anführung des Kaschesi'o alle Hänscr des Dorfes vergebens durchsucht, und mein Araber saß wieder bcrcito auf sciuem Dromedar, um unvcrrich-tctcr Sache zurückzukehren, als ihm einer der Land^ lcute gegen das Versprechen der Verschwiegenheit und eines Backschis verrieth, daß das gesuchte Buch sich zwei Stundcu von hier bei einem Faki befände, der sehr wirksame Amulcte gegen das grassircude Fieber daraus zu schneiden beabsichtige. Zu meiner großen Zufriedenheit hatte diese Illustration meiner unbedeutenden Schriftzügc noch kaum begonnen, als der Araber bei dem Diebe eintraf, und mit Hülfc seines Kurbatsch die schnelle Restitution erzwang. Ich erhielt Alles bis auf ein einziges herausge- 23 schnittenco Blatt, was leicht zu ergänzen war, intakt wieder. Der Glücksfall ward durch die Leerung einer Bouteillc Champagner gefeiert, die mir zwei hier anwesende Europäer mit anstrinkcn halfen, der als Militairarzt angestellte Doktor Ikcn, früher hannovrischer Dfsizicr und der Apotheker......, ehemals französischer Dragonerhauptmann und eine Zeitlang während des Kriegs Commandant von Pirna im vaterländischen Sachsen! Während dieser Libation sah es um uns, unter den Mimosen und Sycomorcn, die um mcin Zelt standen, bei 36 Grad Hitze, wie im Paradiese aus. Mehrere Hunde, die einen Knochen zu erhäschen suchten, in der grünen Gerste gelagerte Pferde und Kamccle, fette Kühe, Schaafe und Ziegen der nahen Meierei, eine junge Giraffe und zwei kleine Gazellen, die mir der Gouverneur geschenkt, und auf welcher ersteren ich bereits nicht besonders gelungene Ncitversuchc angestellt hatte, tummelten sich in friedlicher Eintracht um uns her, während rothe, grüne und blaue Vögel von den Acsten zwitscherten, und im Zelte selbst vcr-schicdnc niedliche Eidechsen mit stahlblauen Schwänzen, so wie einige zwanzig kolossale Spinnen mit 24 mehr als zolllangcn Beinen, an den Wänden hinauf-und hcrabliefen und uns zuweilen mit ihrem Besuch selbst auf dem Tische beehrten. Die plagenden Insekten Aegyptens dagegen: Wanzen, Flöhe, Läuse, und selbst Muskito's, waren zur Seltenheit geworden, und wurden später gar nicht mehr angetroffen. Es muß hier zu heiß für sie seyn. Dafür quälen Einen aber kleine Ameisen, die sich in Kleider und Betten einnisten, und auch vor den Thermiten hat man die Effekten fortwährend in Acht zu nehmen. Alle Lebensmittcl schienen uns in Dongola von besondrer Güte zu seyn, besonders das Schlacht-flcisch, und die Preise blieben noch immer sehr gering. Auch bereitet man hier ciuc Art Bier aus Durra, Bilbil genannt, was bis Kartüm hinauf üblich ist, und leichtem Nachbicr gleicht, das etwas sauer zu werden anfängt. In der Hitze ist co nicht unangenehm, und kühlend, muß aber wenigstens alle zwei Tage frisch gemacht werden. In Gährung übergehend verändert es seinen Geschmack, und wird zu einem sehr berauschenden, der Gesundheit nachteiligen Getränk. Frisch bereitet empfindet jedoch Niemand unter uns üble Folgen davon. 25 Am 24. besuchte ich den Gouverneur in seinem Lchmpallast, wo er außer seinen Weibern auch cinc große Anzahl junget abyssim'schcr und Neger-Knaben unterhält, deren weibische und coquette Manieren einem Europäer nicht wenig sonderbar vorkommen. Die Sklaven sind übrigens hier nicht wohlfeiler als in Kahira, und Doktor Koch mußte einen jungen Burschen von fünfzehn Jahren mit 2000 Piastern (500 Franken) bezahlen. Nachher besahen wir in Begleitung des Mudir's die Indigofabriken, welche Mchemcd Ali angelegt hat, und wclchc jetzt drei Qualitäten Indigo liefern, wovon die erste dem indischen gleichkommt. Die Oka davon kostet der Regierung 24 Piaster, und wird für 80 Piaster verkauft. Man fertigt in: Ganzen jährlich an 50,000 Oka, und kein Europäer ist mehr in den Fabriken angestellt. Der Gouverneur besitzt einige sehr wohl unterhaltene Gärten mit schönen Wcinplantagcn und vielen andern zum Theil aus Kordofan hcrstammen-den Fntchtbäumcn. In einem derselben befand sich cin sehr elegant verzierter Sali — denn man trifft überall in der Nähe von Dongola in mäßiger Tiefe Nilwafser an — der von dem schönsten Nindvieh 20 in Bewegung gesetzt wurde, das ich in meinem Lcbeil gesehen Ha5e. Die hiesigen Ochsen sind wahre PraäMemplare, kolossal mit gradcm Krcuz, von herrlichem Glicdcrbau, und zeichnen sich vor andern ihres Geschlechts noch durch ein sehr hohco Wicde-roß und eine sonderbare Verlängerung der Haut am Halse aus, die anderthalb Fuß tief, wie ein Gewand herabhängt, und ihnen ein majestätisches Nnschn giebt. In einem mehr als gewöhnlich reinlich gchaltnen Stalle daneben, dessen Hof mit Bäumen geziert war, unter denen mit Teppichen belegte Engarebs zur Ruhe einluden, sahen wir einige Dromedare der edelsten Naee, und vier Giraffen von verschiedncr Größe. Die Giraffen sind in der angrenzenden Wüste so häusig bei Dongola, daß man eine derselben für 50 — 69 spanische Thaler kaufen kann. Es gehört aber eine besondere Erlaubniß der Nc-gicrung da;u, um sie zu crportiren. Der Gouverneur passirt für sehr reich, und man vertraute mir unter dem Siegel des Geheimnisses, daß dies daher käme, weil er in der Umgegend eine Diamantengrube entdeckt habe. Nach sicherern Nachrichten jrdoch, die ich einzuziehen Gelegenheit fand, besteht diese Dia- 27 mantengnlbc wohl mehr in einer lukrativen Behandlung der Appalte, welche leider nur zu vielen der hiesigen Machthaber Gelegenheit zn den schamlosesten Betrügereien geben, die sowohl die Einwohner, als Mehcmed Ali selbst treffen, dem doch oberflächliche oder mißwollcndc Berichterstatter allein die Schuld davon bcimcssen wollen. Eo sey hicr genug, nnr cincs dieser Manöver namhaft zu machen, von dem ich die überzeugendsten Beweise erhielt. Alles dem Gouvernement gelieferte Getreide, Ncis u. s. w. muß auch wiederum Allcn, die es verlangen, nach des Viccköm'gs Vorschrift, um jeden Mangel zu vermeiden, für einen festgesetzten, allerdings ctwas erhöhten, aber nicht unbilligen Preis wieder verkauft werden, wenn sie es zum eignen Bedarf brauchen. Um dies zu umgehen, bediente man sich in D'ongola folgenden Mittels. Ein reicher Kaufmann im Ort und ein koptischer Beamter des Gouverneurs, der mit einigen Tansend Piastern Gehalt einen zwanzigmal größcrn Aufwand macht, hatten angeblich, grade in der Zcit, wo ich mich in Dongola befand, bereits alle Vorrä'the der Regierung zn dem bestimmten Preise aufgekauft. Wer nun noch etwas 28 bedürfte, wurde unter diesem Verwand abgewiesen und auf die Zeit vertröstet, wo wieder neue Vor-räche eingegangen wären. Von der Noth gezwungen, die kein Warten zuließ, mußten daher die Leute ihren Bedarf nun zu doppelten und dreifachen Preisen von jenen beiden genannten Herren privatim erkaufen, die den Gewinnst mit dem Mudir theilten. Eben so üben die Militairbeamtcn in diesen vom Sitz der Hauptregicrung zu entfernten Gegenden, theils bei der Nckrutirung, theils bei andern Gelegenheiten, eine drückende Tyrannei ans, von der die betreffenden Individuen sich fortwährend durch Geld loszukaufen gezwungen sind. Diese Mißbrauche mögen allerdings zu den partiellen Auswanderungen beitragen, finden aber ihren Grund nur in der beispiellosen Immoralität der vornehmeren Klassen, und sind nicht anders abzustellen, wenn auch Mche-mcd Ali alle Jahre fünfzig Gouverneuren die Köpft abschlagen ließe — was auch der schlechteste Türke doch mit philosophischer Nnhc nur wie eine unabwendbare Schickung Gottes ansieht — als durch bessere Erziehung einer neuen Generation. Für dieses Ziel arbeitet Mchcmed Ali und scheut, wie 29 wir wissen, keine Kosten zu seinem Zweck. Wenn indessen auch hierbei nicht überall die zweckmäßigsten und sichersten Mittel angewendet wurden, so bedenke man, daß Mchemcd Ali selbst nur ein Türke von der mangelhaftesten Erziehung ist, der sich nur durch die Größe seines eigenen Genie's über die andern so weit erhoben hat, um einzusehen, was sie bedürfen, aber leider, bis auf höchst wenige Ausnahmen, von selbstsüchtigen und unwissenden Nctthgebcrn umgeben ist, die, weit entfernt seinen liberalen Ideen Folge zu geben, sie überall, wo sie es ungestraft und unbemerkt zu thun vermögen, nur zu hintertreiben suchen. Abends machte ich einen Spazierritt nach einem außer der Stadt gelegenen Kirchhofe, wo mehrere berühmte Santon-Monumente stehen, welche man in der Form unsrer Heuschober aufgeführt hat. Vci den andern Gräbern that sich allerlei rohe Phantasie kund. Auf einigen waren Figuren von Thieren und Blumen mit farbigen Kieseln ausgelegt, andere hatten die Gestalt kleiner Häuser, wieder andere die Form von plumpen Gesäßen mit Henkeln u. s. w. Als wir ankamen, ward eben ein erst diesen Morgen 3ft Gestorbner begraben. Er lag, indeß man dic Grub'c machte, Gesicht und Brust nut cincm Tuche umwickelt, und die Beine nackt, auf einer einfachen Bahre neben dem Grabe, während eine Menge Menschen beiderlei Geschlechts umhcrstandcn, und widrige Klagctöne auösticßcn. Die Dongolcser Mädchen passiren für große Schönheiten, und sind in der That hausig schön gewachsen, und von sanften anmuthigen Gesichtszügcn. Auch hier zeichneten sich einige der gegenwärtigen durch diese Vorzüge aus, sie waren aber am ganzen Körper so mit Oel und Fett beschmiert, und il>re Haare so dick damit fcst-gcbackcn, daß sic unserem Geschmack unmöglich zusagen konnten. Nicht für Damen. chaq^l ^uä^ nk luvzvö acho^ ^n^ u^q uogrq olZ u, l1.i^^„t l1«'!it überrascht liatte, Weil er einen seiner Diener, den er mit sciner Weshalb aber erlitt er diese gelinde Strafe? — von seinem Amte snspcndirt und cn'lirt worden war. weil der Besitzer durch den Mudir anf zwei Jahre hatte, nnd das ich nicht annahm, stand deshalb leer, welches, mir der Gonvcrneur anfänglich angewiesen mich noch cm anderes Beispiel. Das elende Haus, und alle Achtung der Mcnschcnrechte stehen, lehrte Auf wie tiefer Stufe hier überhaupt dic Sittlichkeit bestellt sind, verrichten dies kannibalische Geschäft, mals zunähen laßt. Alte Weiber, die eigens dazu wieder aufschneiden, nnd vor seiner Rückkehr abcr-nur aus Interesse, während seiner Abwesenheit sich versichern sncht, diese aber, nicht aus Liebe, sondern das Zunähen seiner Ehehälfte sich ihrer Treue zu Ehemann,- wenn er auf einige Zeit verreist, durch erlitten haben, da es ganz gewöhnlich ist, daß der 13 32 gezeichnet ist. Doktor und Apotheker waren inmicr, von dcr Partie, welche besonders der Letztere, der den sehr eifrig von ihm benutzten Vortheil hatte, seine spiritnösen Getränke sich selbst zu verfertigen, mit unerschöpflichen Anekdoten aus seiner früheren militärischen Carriere erheiterte. Eine seiner Haupt-gcschichten war, daß er dem Kaiser Napoleon im Bivouak vor Mm, wohin er in der Nacht mit einer wichtigen Depesche gesandt und dort in ein Zelt geführt wurde, in dem Alles schlief, unbekannter Weise einen derben Stoß von hinten gegeben habe, in dcr Absicht Jemand zn erwecken, der ihn bei dem Kaiser melden könne. Er behauptete, dcr Kaiser sey sehr zornig geworden (un le »erait ü mmu»), und blos dieser unglückliche Umstand ware daran Schuld, daß er, ohngcachtet aller seiner Verdienste, nie den Orden dcr Ehrenlegion habe erhalten ko'n-ucn. Eine andere Erzählung, die einen größern Charakter dcr Wahrheit an sich trug, fand ich ergötzlich. Als Napoleon von Elba zurückkam und ihm Monsieur entgegenging, diente unser Apotheker in einem Kavallerieregiment, das in Lyon garniso-nirt war, und, dort auf dem Markt aufgestellt, vcr- 33 gebens von Seiner Königlichen Hoheit haranguirt wurde. Da sich kein „vive l« lioi!" hören lassen wollte, befahl der Prinz Geld unter die Soldaten auszutheilen, und ließ namentlich einem der ihm nahe haltenden Unteroffiziere von seinem Adjutanten ein Goldstück reichen, welches Geschenk dieser mit den Worten begleitete: ,M<»,8, mu» enfant, p,enex, von» va^ex, yue le» Loulbnn» «u«t plu» fkl te f. . . . toi, «i litms lui fa>8on8 cröc^lit" — rief der bärtige Krieger entrüstet aus, und ließ, ohne das Goldstück anzunehmen, diesen Worten ein lautes: Viv« l'^mpeieur! folgen, das augenblicklich von dem ganzen Negiment nachhalltc, und Nm>8i6,il- überzeugte, daß es geratheu sey, für diesmal so schnell als möglich nach Paris zurückzukehren. Doktor Ikcn, ein thatkräftiger Mann von robustem Geist und Körper, der die Absicht hat, sein Glück in Darfur zu versuchen, unterhielt uns von der Doktor Francia'schen Politik des dortigen Sultans, der Jeden in sein Land herein-, aber Kcüum wieder hinauöläßt. Zwei Engländer sollen schon seit fünf Jahren bei ihm rcsidircn und sehr gut Mchcmcü All's Rcict, III. I 34 behandelt werden, Alles im Ncberfluß besitzen, aber bis jetzt kein Mittel zur Flucht haben auffinden lön-nen. Doktor Iken will es dennoch darauf wagen, und als geschickter Arzt und unterrichteter Militair glaubt cr Dienste leisten zu können, dic ibm dort ein glänzendes Loos sichern. Gehe es ihm aber wohler in Darfur als in Hannover, sagte cr, so fühle cr gar kein Vcdürfniß in sein Vaterland zurückzukehren. Freilich wußte cr damals noch nicht, daß König Ernst jetzt daselbst regiere, über ein treues Volk, das auch Spaß versteht. Herr Iken ist als Militairarzt der Nachfolger eines Franzosen, Herrn Germain, in Dongola, der von einer Negerin, die er gehcirathct hatte, daselbst vergiftet wurde. Der Apotheker war gegenwärtig, als das Weib ihm die Kaffetasse selbst ganz unbefangen reichte, die ihm dcn Tod brachte. Das Gift, aus dem Safte des gefährlichen Strauches prä'parirt, der hier überall zur Hand ist, war so heftig, daß schon nach wenigen Minuten Erbrochen und Con-vulsi'oncn eintraten, und das unglückliche Opfer noch in derselben Nacht starb, ohne jedoch bis auf den letzten Augenblick die Besinnung zu verlieren. 35 Er vcrzich der Negerin, obgleich oicsc wenig Reue über das Geschehene bezeigte, und die That nur ungeschickt zu läugnen versuchte. Indessen fand sie dennoch für gut, da Herr Germain mit großem Edclmuth ihre Fcstnchmung verhinderte, Alles von Werth, was sie erlangen konnte, zusammenzuraffen, und damit noch vor Anbruch des Tages zu entfliehen. Später kam sie jedoch wieder zurück ohne weiter beunruhigt zu werden, und lebt noch, von Neuem vcrhcirathct, in Dongola. Ein sonderbarer Umstand war es, daß dcn armcn Germain erst wenige Tagc vorher ein Skorpion in die Lippe gestochen hatte, was ihm große Schmerzen verursachte, wovon er aber durch cm Specisikum, das man hier gegen die Bisse dieses Insekts anwendet, und das nur aus dem schnellen Genuß von zwanzig Tropfen Ammouiakgcist, in Wasser aufgelöst, besteht, bald wieder hergestellt worden war. Nach einigen Tagen kam Doktor Veith mit noch einem Mitglicdc der österreichischen naturforschenden Erpcdition, fieberkrank, sehr elend, und höchst melancholisch gestimmt, von Kartum hier an. Da ich beiden Herren gesprächsweise mittheilte, daß 3- 36 ich in ihre Fußstapfcn treten wolle, obgleich ich früher nur die Absicht gehabt, bis Dongola zu gehen, auch meine Provisionen nur für diesen Zeitraum reichlich genug eingerichtet hätte, so ricthen sie mir einstimmig und dringend von der Weiterreise ab, deren Beschwerden und manmchsachc Noth sie mit den trübsten Farben schilderten. Ich hatte mich indeß schon entschlossen, wenigstens bis Dschcbcl-Varkal, so weit als Herr Cadalvöne vorzudringen, und ließ mich nicht mehr irre machen. Nilfahrt nach Meravi. An»bukol, Dschebel - Varkal. Nachdem ich also die wenigen Merkwürdigkeiten, welche Maraka oder Ncu-Dougola auszuweisen hat, welches erst seit Mchcmed Ali's Eroberung des Landes zur Hauptstadt desselben wurde, hinlänglich besichtigt, meme zahlreiche europäische Corrcspondcnz beschickt und meine Tagebücher in Ordnung gebracht, wobei ich dennoch keinen Abend versäumt hatte, des Tages Last und Hitze durch ein kühles Vad im Nil zu erfrischen, schiffte ich mich an: 1. Mai mit gutem Winde nebst meinem kleinen Gefolge auf zwei Barken des Mudirs nach Meravi ein. Die Menge der Saki's, welche von hier an fast ununterbrochen beide Ufer des Nils bekränzen, und deren es im Bereich der Dongola'schcn Statthalterschaft im Ganzen zwischen 4 — 5000 gibt, 38 entfalten einen Reichthum des Anbaus, wie man ihn in diesen entfernten Gegenden gewiß nicht erwarten würde. Auch prangten beide Seiten des Flusses fortwährend im schönsten Grün, häufig mit Baumgruppen untermischt, die jedoch immer vcn derselben Art bleiben, und daher durch ihre Monotonie ermüden, ein Nachtheil, der, wie ich schon früher beklagte, allen diesen Ländern von Alcrandrien an gemein ist, und mir wenigstens einen steten Aufenthalt darin sehr verleiden würde; denn es gibt vielleicht keinen Fluß in der Welt, der bei so langem Laufe in: Ganzen so wenig Abwechslung darböte, als dcr Nil. Dic Abgaben dcr Vcwohucr im Königreich Dongola, nahe bis Shendy hinauf, werden fast durchgängig nur nach Saki's erhoben. Herr Cadal« vl'mc behauptet fälschlich, daß diese Abgaben sehr willkürlich von der Regierung (denn Betrügereien dcr einzelnen Beamten gehören nicht hierher) auferlegt würden und bis zu 22 spanische Thaler für den Sali stiegen, außerdem aber noch eine unbestimmte Menge Naturalien crtra geliefert werdcn müßten, die der Fellah nachher aus Noth dem Gouvernement 39 zu hohen Preisen wieder abzukaufen gezwungen sey. Der größte Saki, welcher vier Feddan (ungefähr cincn Magdeburger Morgen) bewässern kann, die bei der ersten Ernte 40 Ardcp Frucht geben mögen, zahlt nur 15 spanische Thaler, und die kleineren im Verhältnisse. Es cnstircn keine weiten» Natural-Leistungen, wohl aber bleibt es den Vorstehern der Distrikte überlassen, einen Theil (doch gesetzlich nic mehr als fünf Ardep) der obigen Summe in Naturalien zu verlangen, nach einem vom Gouvernement jährlich festgesetzten Tarif, welche Naturalien aber immer vom Ganzen der Abgabe dcdncirt werden müssen. Diese Einrichtnng mag zwar häufig zu Mißbräuchen Gelegenheit geben, dient aber auf der andern Seite bci rechtlichen Vorgesetzten auch oft dazu, dem Fcllcch die Entrichtung seiner Abgaben zu erleichtern, und ich habe davon selbst im Verlauf meiner Ncise mehrere Beispiele gesehen, wo der Randbauer fthr froh war, in Naturalien bezahlen zu dürfen. Es ist ungcgründct, was in mehreren Büchern behauptet wird, daß der Fellah alles von ihm erbaute Getreide dem Gouvernement zu einem niedrigen Preise abliefern und dann zu einem höheren 40 wieder abkaufen müsse, ein Unsinn, der in dic Augen springt, da keine Regierung eine solche gesetzliche Tyrannei auf die Länge durchführen könnte. Der erwähnte Fall kann höchstens nnr für denjenigen Theil seiner Fcldfrüchte vorkommen, den der Fellah in Natura geliefert hat, und der ihm von der Hauptsummc seiner Abgabe, wie schon gesagt, abgerechnet worden ist, wenn nämlich Mißwachs oder schlechte Wirthschaft, oder sonstiges Unglück ihn zwingt, Getreide zur Saat vom Gouvernement einzukaufen, wo er es dann allerdings etwas theurer, aber nach festbestimmt er Norm, wicbcrkaufen muß, als er es geliefert hat. In diesem Jahre waren die Preise dergestalt von der Regierung bestimmt, daß der Unterschied der Liefcrungovcrgü'tung und des der Regierung beim Rücklauf zu zahlenden Preises beim Ardcp Durra nur zwei ägyptische Piaster (16 Groschen preußisch), bei der Gerste drei und beim Waizen zehn Piaster betrugen. Verfällt der Bauer nun in Schulden, es sey durch Betrügerei der Beamten, die gewiß oft stattfindet, oder durch eigne Faulheit und Saumseligkeit, welche nicht weniger häufig ist, so kann seine Lage freilich bald 4l drückend werden. Diejenigen aber, welche der Regierung nichts schulden, behalten durchaus die freie Disposition über alle Produktionen, dic ihnen nach Erlegung der Abgaben übrig bleiben. Die Apvalte, welche nachher noch auf das Getreide gelegt sind, das in den Städten verkauft wirb, treffen nicht mehr den Erbauer, sondern nur dcu Kaufmann, der damit Handel treibt. Ich habe mich auf das Vollkommenste überzeugt, daß bei der außerordentlichen, zehnfachen Fruchtbarkeit des hiesigen Bodens, mit andern Ländern verglichen, die Abgaben, welche das Gouvernement von den Fellah's fordert, nicht im geringsten übertrieben sind, d. h. Jeder kann bei Entrichtung dieser Abgaben mit nur geringer Tüchtigkeit und einigem Fleiß den nöthigen Lebensunterhalt für sich und seine Familie hinreichend gewinnen, ohne jedoch dabei viel zu erübrigen. Wer aber die Bewohner dieser Gegenden kennt und lange beobachtet hat, wird gestchen müssen, daß grade dies der angemessenste Zustand für sie ist, und der einzige, der sie vom Nichtsthun und Verderben abhalten kann, weil er sie zur Arbeit zwingt. Ginge die schlechte Administration, deren Controlle hicr so schwierig 42 ist, gleichen Schritt mit den Forderungen der Regierung, so würde kein Elend unter der Population stattfinden, und man weder Auswanderer noch vcr-laßnc Fluren sehen. Es würde dann in den Staaten Mchcmcd Ali's nur derjenige Zustand der arbeitenden Klaffen eintreten, von dem schon der, jetzt zwar aus der Mode gekommene, deshalb aber nicht minder praktisch philosophische Voltaire in seinem 8l«ele l!« I^0ui8 XIV. sagt: „I^L mllnolliivi'« lloit otl'6 l'l^Iuit au nec688Ä,il'<^ i>!)Ul- tl avnillei'; teile 68t Ia natu»6 6« l'l,c,mmo (und des Fellah mehr als jedes Andern). 1! tllüt <^ue 06 «5>';u!ll uomlii^ «it llli8«!'^lil6.« Dies ist auch die Ansicht Mehemed Ali's, und gewiß ist es eine Narrhcit, alle Leute in Ucberstuß und Lurus leben lassen zu wollen, weil es eben unmöglich ist. Wir eilten mit dem frischen Winde, der uns oft in Staubwolken vom Lande her einhüllte und empfindlich kalt war, schnell bei dem großen Dorfe Hannak wie der alten Festung Handack vorüber, und erreichten schon am ersten Tage Dongola-Aghuß, die ehemalige, jctzt fast ganz zerstörte Hauptstadt des Landes. Auch an den folgenden Tagen, wo die ___43 ^ Fahrt weit langsamer von statten ging, blieb das Wetter trübe und kühl, was uns Alle krank machte. Am 3tcn Mai hatte ich zum erstenmal das Vergnügen, zwei lebende große Krotodillc, wenigstens 18 — 20 Fuß lang, mit Muße zu beobachten. Sie waren von graugclbcr Farbe und kaum vom Sande, auf dem sie lagen, zu unterscheiden. Später fand ich, daß die meisten Krokodillc gelb und schwarz gefleckt sind, ganz verschieden von den ausgestopften, die wir in Europa sehen, da sie nach dem Tode eine allgemein schwärzliche Farbe annehmen. Das größte dieser Thiere lag, den gewaltigen Nachen weit aufgesperrt, lange ganz bewegungslos am Ufer, entweder irgend einen Naub im Auge, oder um sich die Blutegel von dem bekannten kleinen Strandläufcr aus dem Schlundc holen zu lassen, ein Umstand, den man so lange für eine Fabel des Hcrodot hielt, bis neuere Naturforscher die Sache bestätigten, welche zugleich ein hübscher Witz der Natur ist — zu einem Gleichniß, das Jeder selbst supplircn mag. Die Matrosen fingen noch an demselben Tage einen jungen Vogel dieser Art (er ist von grauer Farbe, mit tur'zcm Schnabel und langen Beinen), d.er 44 nachher eine ganze Zeitlang unser possirlicher Schiffs-gcnoffc blieb. Wir steuerten grade auf die Kroko-dille zu, und einige zwanzig Schwarze, die in langer Linie, ganz wie es auf den Bildern in den Kö'm'gs-grä'bcrn dargestellt ist, unser Fahrzeug mitten im Strome am Stricke zogen, watend wo er seicht war, oder auch gelegentlich schwimmend, wo er tiefer wurde — schienen sich wenig vor den Krokodillen zu fürchten, und suchten sie nur durch eine Art von im Takt ausgestoßncm musikalischen Geschrei abzuhalten. Auch eilten die beiden Ungethüme, sobald wir uns ihnen näherten, sich schleunigst im Nasser zu verbergen. Ich bemerkte in dieser Gegend cincn sonderbaren, andauernden Sandsturz, der ganz wic ein Wasserfall, nur in gelber Farbe, sich über ein stcilgs und schwarzes Stück Nilufcr vom Winde getrieben aus der Wüste niedergost, und so lange wir ihn im Auge behalten konnten, in der Heftigkeit seines Sturzes nicht einen Augenblick uachlicß. Nachdem wir Debbch, von wo die Karavanen nach Kordofan abgehen, passirt hatten, konnten wir nur äußerst langsam vorwärts dringen, weil sich der 3kl von Dcbbch an bemal) gegen Norden wendet 45 und der Wind uns grade daher entgegcnblies. Glücklicherweise ist die Einrichtung getroffen, daß bei solcher Gelegenheit die Einwohner allen Gouvernc-mcntsschiffcn hl'ilfrcichc Hand leisten müssen, was ihnen auch wenig Beschwerde macht, da die Schifffahrt im Ganzen sehr gering ist, und sie sich über-dem von Saki zn Saki ablösen, also kaum eine Viertel- oder halbe Stunde mit dem Schissszichcn beschäftigt bleiben. Ein eigenthümliches, gellendes und weithin schallendes Geschrei kündigt die Ankunft jeder Abtheilung beim nächsten Saki an, worauf die Ablösung auch immer so schnell wie auf englischen Poststationen erfolgte. Da wir nur selten auösticgen, so lasse ich jetzt die Orte, an denen wir vorbeifuhren, unberührt, und werde deren, die irgend einiges Interesse darbieten, auf meiner Rückkehr zu erwähnen Gelegenheit sinden. Am 5ten erreichten wir Ambukol, den Sitz eines Kaschcffs, welches auf der Hälfte Weges zwischen Dcbbch und Mcravi liegt, auf den Karten aber ganz falsch vlacirt ist. Es war eben Markt daselbst, der in einem Sandfeldc neben den Lehmhütten des Dorfes abgehalten wurde. Nichts konnte ärmlicher 46 seyn, dennoch bestand die Hälfte dcr Waaren aus europäischen Produkten, als: kleine Spiegel, Glasperlen, geringe Eiscnwaarcn, nnd einige grobe englische Kattune. Das Uebrigc bot nur die ordinair-stcn Landcsproduktc dar, meistens zur Consumtion gehörig, und das einzige mir Neue, was ich antraf, waren ein Paar bunte Sandalen aus dem Hcdschas, die ich ziemlich theuer erkaufte. Dcr Kascheff war ein hübscher, kriegerisch aussehender Mann, dcr mich in seinem Hause mit einer recht guten türkischen Mahlzeit bewirthete, während der Boden des Zimmers (um die Luft darin abzukühlen) außerhalb dcr Matte, auf dcr wir saßen, fortwährend mit Wasser begossen wurde. An dcn uligctünchlen Erdwänden hingen schone Waffen, uud mitten darunter eine altcrthümlichc Cither von wunderlicher Form mit drei Saiten. Der Kaschcff, welcher ein großer Liebhaber dcr Musik zu seyn schien, spielte uns selbst nach Tisch ein ohrzcrrcißcndes Stück darauf vor, welches jedoch bald nachher noch um viele Grade durch die Marktmusik überboten ward, dic unser Amphytrion herbeordert hatte. Sie ward zum Nebcrfluß noch durch den Tanz zweier junger Almeh's 47 begleitet, die auf einer Kunstreise aus Aegpvten nach dem Sudan begriffen waren, und unterwegs ihr Talent mit vielem Succcß leuchten ließen. Es gibt also auch hier reisende Künstlerinnen. Ohngeachtct der lustigen Stimmung des Kaschcffs konnte ich ihn doch weder zum Wein- noch Numtrinkcn bewegen, wovon ich zu diesem Behuf einige Voutcillen vom Schiffe hatte holen lassen. Dagegen war ein Kurde aus seinem Gefolge, der eine auffallend deutsche Physiognomie hatte, weniger gewissenhaft, und leerte die ihm dargcbolnc Numstaschc fast auf einen Zug aus. Nachdem wir des Tanzes und der Musik übergenug hatten, beurlaubte ich mich bei dem Ka-schcff, dcr mich mit allen seinen Leuten zu Pferde bis au die Barken begleitete. Voran ritten zwei Soldaten, mit ganz kleinen Trommeln in Form von Kürbisflaschcn am Sattel gehangen, auf die sie, statt der Klöppel, mit dem dicken Ende des Zügels fortwährend losschlugen, und damit einen Ton hervorbrachten, dcr dem Gehämmer einer entfernten Mühle glich. Sobald wir im Freien waren, begann dcr Kaschcff, uns zu Ehren, mit seinen beuten das Dscheridspicl, worin er selbst eine große Gcschicklich- 48 keit besaß. Er sagte, daß er sich sehr dabei in Acht nehmen müsse, da die Stärke seines Arms so groß sey, daß er schon einmal bei diesem Spiel einen seiner Leute unwillkürlich mit dem kurzen Stock, den sie sich zuschleudcrn, gctödtct habe. In dem Distrikt von Ambukol, der nicht groß ist, zählt man dcmohngcachtct 340 Saki's, und rechnet in der Negcl acht bis zehn Einwohner auf einen Saki. Als ich aus der Barke ankam, meldete man mir, daß der Krokodillvogcl, dem wir die Flügel verschnitten, ins Wasser gefallen und ertrunken sey. Der Name, den die Eingcbornen diesem Vogel geben, bedeutet in unsrer Sprache: »Leibwache des Kroko-dills"; denn sie schwören darauf, es oft gesehen zu haben, daß er das schlafende Krokodil! wecke, um ihm die Nachricht von einer nahenden Gefahr mitzutheilen. Ich führe außerdem noch einige andre Thiere mit mir: eine kleine noch ganz junge Gazelle aus dem Dorfe Solib, bcsscu Namen ich ihr gegeben, und nur durch den Zusatz eines einzigen Buchstabcus in unser deutsches „Solieb" umgewandelt habe, welche Benennung das grazicuse Thicrchcn auch in 49 jeder Hinsicht verdient. Sie ist so zahm, daß sie oft des Nachts, wenn es ihr zu kühl wird, in meitt Bett kommt, um sich neben mir einen wärmern Fleck auszusuchen. Am Tage geht sic am User spazieren und nimmt grünes Futter zu sich, wo sie Susamus tapfer gegen den Angriff fremder Hunde vertheidigt, dennoch aber sehr eifersüchtig wird, wenn man ihr schön thut. Dies gibt der gutmüthige Spartaner auf eine wahrhaft rührende Weise dadurch kund, daß cr zuerst winselnd an mir herausspringt und mir die Hand leckt, dann aber, traurig sich wieder abwendend, die Gazelle auf dieselbe Weise küßt, welche letztere sich ihrerseits alles dies mit größter Sceleuruhc gefallen läßt. Ferner begleitet uns eine Ziege aus Kordofan von erotischer, abenteuerlicher Form und Farbe, welche die ganze Wüste mit uns durchreiste, und täglich ihre Milch zum Thee lieferte. Den Beschluß macht eine Schildkröte von quccksilbcrartigcr Beweglichkeit. Ihre Schale schillert wie Perlmutter in der Sonne; an den Füßen hat sie scharfe Klauen und Schwimmhäute, einen Nüsscl wie ein Igel, und sternklare 50 Augen, dic wie mit einem glänzenden Mctallring umgeben sind. Nachdem wir noch ein Vcgräbniß am Ufer mit angeschen hatten, wo zuerst der Todte von Weibern unter Klagetöncn wild umtanzt und dann auf Cha-rons Nachen zu seiner definitiven Ruhestätte nach Jenseits eingeschifft wurde, fuhren auch wir ab, und langten ohne weitere Begebenheiten am 7tcn in Mcravi an. Hier war abermals Markt, der nicht viel besser als der zu Ambukol furnirt schien, uns abcr zum erstenmal seit Dongola wieder Rindfleisch für unsre Tafel lieferte. Herr Cadalvöne, der einen gleichen Markt in Mcravi beschreibt, entsetzt sich über den Gräucl, daß vor den Vudcn pölo-möle Sklaven und Esel in der Sonne gelegen hätten. Ich sehe jedoch dabei nichts Bcklagcnswcrthcrcs, als wenn bei den Bällen unsrer Hauptstädte Pferde und Kutscher eine ganze Nacht hindurch ^^l^.ml'I^ in der Straße frieren, oder wie in Nußland gar erfrieren müssen. Der Kaschcss von Meravi ward mir durchgängig als ein sehr rechtlicher Mann gerühmt, auch zeichnet sich seine Provinz, welche 12(10 Saki's enthält, durch 5l ein besonders blühendes Ansehen und eine sichtlich größere Wohlhabenheit der Einwohner aus. Die Dörfer waren besser gebaut als bisher, die Felder im schönsten Flor, und zahlreiche Hccrden belebten die Ufer. Mcravi selbst besitzt einige recht stattliche Häuser, unter dencn die neue Indigofabrik den ersten Platz einnimmt. Unsre Hauptaufmerksamkeit blieb jedoch immer auf die isolate, viereckige Gestalt des geheimniß-vollen Dschcbcl-Varkal gerichtet, an dessen Fuß die reiche Stadt Napata stand, wclche die Römer mit ihrem gewöhnlichen Wandalismus zerstörten, um sich an der Königin öandace zu rächen, weil sie die Bildsäulen des Kaisers an dcr Grenze Acthiopicns hatte umwerfen lassen. Dieser heilige Berg, wo sich seit den urä'ltcstcn Zeiten dcr Sitz eines berühmten Orakels befand, war schon mehrere Stunden, bevor wir Mcravi erreichten, scheinbar quer vor dem Nile licgend, der hier einem weiten See gleicht, am Horizonte sichtbar geworden. Unsre Neugierde war zu hoch gespannt, um uns länger, als wir zur Besorgung der nöthigsten Provisionen bedurften, in Mcravi aufzuhalten, und wir setzten daher zeitig 4" 52 genug unsern Weg fort, um noch an zdemftlben Abend eine erste Ansicht dcr Tempclruinen Napata'o, wie seiner Pyramiden, erlangen zu können. Dschebcl-Barkal ist ohngcfähr IV2 Stunden von Meravi entfernt, und die Fahrt dahin weit pittoresker, als sie uns seit geraumer Zeit geboten worden war. Außer dem Dschcbcl-Bartal selbst erheben sich noch zwei andere spitze Verge von bedeutender Höhe aus dcr Wüste, und die häufigen Krümmungen des Flusses nut mehreren Dörfern an seinen Ufern, umschlossen von hellgrünen Hainen und den üppigsten Durrafcldcrn, deren hohe blättcrreiche Stengel an-nntthig im Winde wogten, gewährten uns auch in unmittelbarer Nähc mehr als ein liebliches Vand-schaftsgcmäldc. Erst dicht vor dcm Berge entdeckten wir zwischen den hohen Palmen des Dorfes, welches jetzt die Stelle des ehemaligen Napata einnimmt, in geringer Entfernung landeinwärts die Ppramiden-graber seiner ehemaligen Vcbcrrscher. Hier ist eine Stelle auf dcm Nil, von wo die südliche Seite des Barkalfelscns einen jener täuschenden Effekte hervorbringt, mit bcncn uus Wolkcnbilder und Vergformcn zuweilen äffen. Der Felsen gibt nämlich die genaueste 53 Darstellung eines riesenmäßigen weiblichen Brustbildes, wozu eine ovale Oessnung in demselben, durch welche der Himmel glänzt, auch das helle Auge liefert. Die alten äthiopischen Bildhauer der Königin Candace selbst hätten ein imposantes Götterantlitz nicht besser anfertigen können, als es von diesem Punkte aus gesehen durch ein bloßes Spiel der Natur erscheint, und ich ließ absichtlich meine Barke eine geraume Zeit im Strom sich um sich selbst drehen, um des auffallenden Schauspiels noch länger zu genießen. Wir wurden am Ufer beim Dorfe Varkal von dessen Schech empfangen, einem jungen Manne von großer Schönheit, der kaum 18 Jahre zählen konnte, und den mehrere tiefe Schnitte in die Backen, dic hier üblich zu werden anfangen und als Zierde dienen sollen, nur wenig entstellten. Er war vom Stamme der Schaki-Arabcr, von rothbrauncr Farbe, und verband mit dem fast allen Arabern natürlichen Anstande eine Grazie der Manieren, die in jedem europäischen Salon Beifall erlangt haben würde. Nachdem man die nöthige Anzahl Esel (denn wer nicht muß, geht hier nie zu Fuße) herbeigeschafft 54 hatte, setzten wir uns unter dcr Leitung dcs jungen Schechs sogleich in Marsch nach den Ruinen. So interessant und merkwürdig dicsc nun anch in vieler Hinsicht sind, so haben doch nicht nur Cadalv^ne, sondern auch Herr Rüppcl, der cine ausführliche Beschreibung davon gibt, ihre Schilderung derselben ein wenig zu poetisch eingerichtet, so wie ich denn überhaupt von allen nur belannten Neisebcschrcibun-gcn über diese Bänder hauptsächlich uur Vurkhards, Linant's und Caillaud's Nachrichten als stets vollkommen genau und wahr erfunden habe. Die ganze Masse dcr Tcmpclrninen liegt dicht vor dcr, dem Flusse zugewandten breiten Scitc deS Bcrgco, so daß man si'c mit einem Vlick übersehen kann. Dennoch ist ihr Totaleindruck uichts weniger als imposant, nur die hinter ihnen über 400 Fuß senkrecht emporsteigende, rotbgefärbtc Felscnmassc dcs Barkal ist es, und diese Nachbarschaft verkleinert noch die Ruinen. Auch als wir in die unmittelbare Nähe derselben kamen, uud die Ucberrcstc dcs größten, am weitesten südöstlich zur rechten Seite gelegenen Pallasttcmpcls betraten, fanden wir, obgleich er einen großen Nanm einnahm, nnd seine Längen- 55 achse cinst liber 40l) Fuß betrug, doch dic Proportionen sowohl dcr Pylonen als der Säulen nur von sehr mäßiger Größe. Dic Pploncn, welche Herr Rüppcl „ungeheuer" ncmtt, können, nach bcm zu urtheilen, was noch davon übrig ist, kaum 50 Fuß hoch gewesen seyn, und dic größten Säulen, welche derselbe Reisende alo „Kolossal-Säulen" auffuhrt, habcn nicht viel über drei Fuß im Durchmesser bei einigen und zwanzig Fuß Höhe. Nur eine davon ist und Napata in Bezug bringen — wobei ich es jedoch den Archäologen gern freistelle, mich über diese Hypothese und die neue Art Haidschnucken, welche ich hier im Innern Afrika's aufgefunden zu haben glaube, nach Gefallen zu verspotten oder eines Bessern zu belehren. Dcnn eö ist allerdings möglich, daß sie srnber (ich meine die Schaafc) Hörner von Metall gehabt, doch sind keine hinlänglichen Spuren davon im Stein aufzufinden. Der offne Saal westlich vom Tempel, der früher mit ihm in Verbindung gestanden zn haben scheint, enthält gleichfalls noch dcn von Nuppel bezeichneten Altar von Sandstein, an dessen Fuß zusammengebundene männliche und weibliche Sklaven aus- 60 gehauen smd, woraus jener Reisende folgert, daß dies ohne Zweifel cm zu Menschenopfern bestimmter Altar gewesen scp; ein sehr gewagter Schluß, der sich durch Nichts rechtfertigt, da die Abbildung zusammengebundener Sklaven sich unter verschiedenen Formen in den meisten Tempeln und Gräbern Aegyptens wie Nubicns so äußerst häufig vorfindet, daß, wenn man daraus immer anf Menschenopfer schließen wollte, die ehrwürdigen alten Aegypticr als die größten Kannibalen der Erde erscheinen müßten. Das (immer in der Richtung nach Westen) jetzt folgende Gebäude, welches Herr Nuppel für die Trümmer eines Pallastcs hält, hat die beiden Löwen aus rothem Granit, von denen er eine Ab-bildnng liefert, verloren. Sie sind vom Vicekönig verschenkt worden, und, wenn ich nicht irre, nach England gewandert. Den fiinf Schuh hohen Granitobelisk mit Hieroglyphen, als hier in der Nähe angegeben, konnten wir ebenfalls nicht mehr ans-mittcln, fanden aber dagegen die nicht übel gearbeiteten Torfen zwei weiblicher Figuren, die eine mit einem Löwenkopfc, die andere, welche aus ihrer 61 Brust mit dcr Hand Milch drücken zu wollen scheint, ohne Kopf, ziemlich gut gearbeitet. Die sich nun unmittelbar anreihenden Ucbcrrcstc sind nichts als unförmliche Trümmerhaufen, deren einstige Bestimmung zu errathen unnütze Mühe scheint; der wohlcrhaltcnstc Tempel von allen aber ist das hierauf folgende Typhonium, welches zur Hälfte in den Felsen gehauen ist. Dieser Tempel allein ist im rein ägyptischen Styl, sehr verschieden von den andern, und ich vermuthe daher, daß er sein Daseyn irgend noch einem äthiopischen Könige Aegyptcns oder cincm späteren ägyptischen Eroberer verdanke, vielleicht dem Ptolomäus Ever-getes, der bis hierher und noch weiter gedrungen seyn soll. Die Beschreibung dieses Tempels von Herrn Nuppel ist sehr anschaulich, nur daß er hier wie anderwärts stets Anaglyphcn- wie Hicroglyphcn-schrift unter demselben generellen Namen „hicro-glyphischer Vildhanerarbcit" aufführt, was zuweilen Verwirrung veranlaßt. ') Die Sculpture«, welche ') Kleinere Irtthümcv sind f^cndc- i) dcr '.'^lchte Gott an der reckten Wand dco Adytmnc! v^n, Eingang aus hat nicht bluo «ine Kugel, sondern eine selche mit ylchen Frdevn auf dem ^ auf beiden Seiten im letzten Eaalc des Tpphouiums (dem Adytum) eine Ncihe ägyptischer Gottheiten darstellen, dcncn man Opfer bringt, sind ohne alle Beschädigung geblieben, so wie auch mehrere Hieroglyphen noch gut untcrschcidbar, wogegen die hintere Wand gänzlich zerstört ist, wie cs scheint, um hier Nachgrabungen zu veranstalten. Dieselben Spuren gewaltsamer Eröffnung finden sich in einem Seiten-gemach ohne Verzierung. Ein Theil der bunten Farben in der Cclla wie im Pronaos prangen noch jetzt in alter Frische, und von der Colonnade des letzteren mit ausdrucksvollen Isislöpfcn und Tpphon-Karyatidcn stehen noch die meisten Säulen. Nur im ersten Saal oder Sckos ist durch ein Erdbeben die Decke eingestürzt, ü'bcr deren Trümmerhaufen man jetzt nur mit Mühe in die Cclla und das Allcrhciligste gelangt. Oberhalb des Typhoniums befinden sich zuletzt noch die Rudera eines anderen weit kleineren Felsen- Haupte; 2) der dritte Gott auf der gegenüberstehenden Seite ist kein Horus und hat auch leinen Finger nach dem Mund gerichtet, scndcvn ttä^t in beiden Händen vclschicdeiilntigc Embleme. «3 tempcls, die den Charakter cines höheren Alterthums als alle übrigen tragen, aber zu sehr zerstört sind, um viel daraus ermitteln zu können. Lebhaft zu bedauern bleibt es an allen diesen Orten, daß noch Niemand herkam, welcher die ziemlich zahlreichen Hieroglyphen, die sich in den verschiedenen Ruinen befinden, zu entziffern im Stande gewesen wäre, was allein iibcr das wahre Alter, die Gründer und die Bestimmung der hiesigen Tempel ein größeres Licht zu verbreiten vermöchte.') Wir wandten uns jetzt nach den Pyramidalischen Grabmonumenten, die sich kaum einige Minuten von dem letzterwähnten Tempel entfernt in zwei Gruppen darstellen, wovon die eine nur wenige, die andere mehr als doppelt so viele, meistens sehr wohl con-servirte Pyramiden enthält. Unter den ersten befindet sich eine fast eingestürzte, die großer und in ihrer Form auch abweichend von den andern ist. Sie scheint aus entfernteren Zeiten als diese herzu-siammcn, welche, siebzehn an der Zahl, sämmtlich von der Bauart der ägyptischen ganz verschieden, ') Nun Herrn Professor Lepsius dürfen wir es jetzt mit Zuversicht erwarten. 64 aber gewiß nicht älter, noch überhaupt sehr alt sind, ja die letztere Gruppe möchte ich vcrhältmßmäßig fast modern nennen. Sie sehen zum Theil so glatt und unversehrt aus, als wären sie eben erst fertig geworden, nnd in einer derselben, anf die ich hinaufstieg, was ohne Schwierigkeit bewerkstelligt werden konnte, da jede Steinlage eine bequeme Stufe bildet, und nur die vicr Kanten der Pyramide von oben herab mit einem polirtcn runden Steinwulst ohne Absatz ü'berkleidct sind — fand ich auf der Höhe einen hölzernen Querbalken inwendig eingemauert, der durch das Herabfallen eines Steines sichtbar geworden war, und, obgleich dadurch dem Wind und Wetter ausgesetzt, sich dennoch so frisch und intakt erhalten hatte, als sey er neu. Keine dieser Pyramiden ist über 80 Fuß hoch, und ihre Form weit schmaler in der Vasis und spitzer zulaufend, als die der ägyptischen. Fast alle haben nach Süden zu einen niedrigen tastcnartigcn Vorbau mit einer Thüröffnung, und es scheint, daß hier die Leichen versenkt wurden. Bis jetzt hat noch keine erschöpfende Untersuchung deshalb stattgefunden, wiewohl man sieht, daß öfters dergleichen begonnen wurde. Einige 65 dieser Eingäi/gc sind erst spätcr angesetzt, einige mit den Pyramiden zugleich aufgeführt worden, was man stets scl)r dentlich unterscheiden kann. Nur in wenigen fanden wir Sculpturcn, deren Formen weicher und üppiger waren, als es der ägyptische Styl mit sich bringt. Eino dieser Hautrclicf-Bildcr stellte eine Königin auf it)rem Throne dar, dessen Fllßgcstell auS Löwen bestand, die mit einer reichen Decke behängen waren. Auch diese Thiere waren nicht im ägyptischen Styl, sondern eher persischen Darstellungen dieser Art ähnlich. Hieroglyphen fanden sich hier nicht vor. Auf einem andern Vildc opferte die Königin ägyptischen Gottheiten, unter deren Attributen sich auch der Nilschlüssel mehrmals zeigte, während wieder andere Figuren fremdartige Gegenstände trugen, deren Bedeutung mir nicht klar ward. Wie es häusig hier der Fall ist, haben die Eiu-gcborncn den Platz um die alten Grabmäler auch zum eignen Kirchhof erwäl'lt, und eine Menge von alten Tö'pfcrscherbcn, die um den Berg her liegen, zur Ausschmückung ibrcr modernen Amciscnhä'ufchcn sorgsam benutzt. Mchcincd All's Ncich, III. 5 S5 Mit Sonnenuntergang erstiegen wir den Felsen und sein Plateau, was nur zu Fuß thunlich nnd ziemlich mühsam ist. Von den Geiern, die Herrn Cadalv, so wie die davon gegebene Abbildung, während die Beschreibung des von ihm getadelten öaillaud .ein Muster der gewissenhaftesten Genauigkeit ist — wovon, so wie über Herrn Nuppels gleich ungenaue Notizen, Mcmdcra betreffend, später ein Mchrcrcs. Alo ich in Kartmn mit Herrn Nußeggcr, einem wahren Gelehrten in seinem Fache, zusammentraf, äußerte dieser, daß er Herrn Nuppels lange Liste astronomischer Beobachtungen, seine Messungen und seine geographischen Bestimmungen, so wie mehrere 71 seiner Nachrichten über Kordofan und Nuba, ohne der höchst unzureichenden Karte zu gedenken, dic sein Werk begleitet, nicht weniger mangelhaft nnd unrichtig gefunden habe, eine Ansicht, die Herr Ruß-eggcr seitdem in mehreren deutschen Journalen wiederholt hat. Es möchte daher von dem Nimbus der Untrüglichkcit, den einige lobhudelnde Landsleute um Herrn Nuppels Leistungen zu ziehen versucht haben, nicht mit Unrecht ein guter Theil abzunehmen scyn, wobci jedoch, wenn man die Menge seiner erfolgreichen Forschungen in Anschlag bringt, immer noch bedeutende wahre Verdienste für ihn übrig bleiben werden. Eins der uubcstrcitbarsteu bestand in seinem unermüdlichen Sammeln seltner Thiere und in dem geschickten Ausstopfen derselben. In dieser Hinsicht schulden ihm alle Freunde der Naturwissenschaft, und vor allen seine Vaterstadt Frankfurt, der er diese Sammlungen großmüthig schenkte, gewiß den gerechtesten Dank, selbst wenn er sich nie hätte überwiudcn können, in die Reihen der deutschen Original-Nciscbeschrcibcr einzutreten. Doch drangt sich nur hierbei die Schlußbcmerkuug auf: daß Leute, die von vorn herein mit hochmüthigcr 72___ Geringschätzung Anderer beginnen, um für eavabler als diese zu passircn, nicht die zuverlässigsten sind, so wie man in ähnlicher Hinsicht auch gut thut, Jedem sorgsam aus dcm Wege zu geben, der fortwährend die deutsche Biederkeit aus den Lippen zu führen pflegt. Nur der gedankenlosen Menge im-ponirt man durch Beides. Unser galanter Schech hatte, auf großen Durst nach der ausgestandenen Fatigue rechncud, cin Lieblingsgetränk der hiesigen Einwohner: saure Milch mit zerquetschtem Knoblauch — auf das Plateau 'bringen lassen, und war sehr verwundert, daß wir diesem Labctruuk so wenig Ehre zu erweisen vermochten. Wir begnügten uns mit einer halbstündigen Ruhe, worüber es völlig Nacht geworden war, ehe wir an den Fluß zurückkamen. So erhitzt ich mich fühlte, konnte ich doch der Vcrsuchuug nicht widerstehen, mich sogleich in den Nil zu tauchen, nnd bei der hiesigen Temperatur der Luft, die einem russischen Schwitzbad gleichkommt, mag man dieses auch eben so ohne Gefahr wagen, als man sich in jenem unter die kalte Brause stellt, oder wie die Nusscn in den Schnee wirft. 73 Am nächsten Morgen besuchten wir, nachdem wir über den Fluß gefahren, anf sehr kräftigen Pferden, die uns der Schech geliefert, dic Pyramiden von Nur. Diese halte ich, mindestens zum größten Theil, für die allcrältesten noch vorhandenen äthiopischen Monumente. Ihre Construktion ist weniger spitz als bei den Pyramiden von Varkal, und daher etwas mehr den ägyptischen ähnlich; auch hat keine derselben den eigenthümlichen Vorbau jcucr am Barkal, noch ihren abgestuften Bau. Man kann die Neste von einigen vierzig im Ganzen unterscheiden, sechzehn davon sind aber nur noch leidlich erhalten, obgleich auch diese schon sehr verwittert und verfallen. Sie sind durchgängig aus roh bchauencm Sandstein und einer Art eisenhaltigen Puddingstcin aufgeführt, durch Erde verbunden, und manche der-jelbcn scheinen sogar nur später übermaucrtc Tumuli von Erde gewesen zu seyn. Die Beschaffenheit des inliegenden Terrains gibt der Vermuthung Naum, daß nicht nur diese sämmtlichen Pyramiden einstmals von einem mit dem Nil comnnmicirenden Kanal umgeben waren, sondern selbst mehrere Kanäle den Platz, auf dem sie stehen, durchschnitten. Eins dieser 74 Monumente übertrifft alle übrigen an Umfang, und scine Anßenseiten haben sich so aufgelöst, daß man mit geringer Mühe bis zum Gipfel hinaufllcttcrn kann. Die Form dieses sonderbaren Baues weicht von den übrigen nm ihn her ganz ab, und scheint ans mehreren Etagen von verschiedener Steile der Abdachung bestanden zu haben. Die Behauptung der Reisenden, daß eine kleinere Pyramide dem Ganzen als Kern gedient, und das Ucbrige nur darum her aufgeführt worden sey, wollte sich uns, trotz der sorgfältigsten Untersuchung, nicht bestätigen. Die ganze Höhe der Pyramide beträgt ohngcfähr, wie sic jetzt ist, wo sie einen bedeutenden Theil ihrer Spitze verloren hat, noch gegen 100 Fuß, und ihr Umfang mehr als viermal so viel. Es ist kein Zweifel, daß man hier die älteste Nekropolis der Stadt Napata vor sich hat, die vielleicht später erst zu größerer Bequemlichkeit in die Nähe des Dschcbel-Aarkal verlegt wurde. Vielleicht stand auch die älteste Stadt ganz und gar auf dcmselbeu linken Ufer des Flusses, und es ist zu verwundern, daß gerade an dieser so merkwürdigen Stelle noch Niemand Nachgrabungen veranlaßt hat, die freilich nur 75 mit großem Zeitaufwand, der auch mit nicht geringen Unbequemlichkeiten in diesem Lande verbunden ist, zu bewerkstelligen seyn würden. Nur die Bewohner selbst holen steißig Steine von den Ruinen, theils um in der Nähe bei ihren Santongräbern die fty-ramidalischc Form ungeschickt nachzuahmen, theils nm ihre Felder damit vor dem Sande zu schützen, oder ihre eignen Lehmwohnungen dauerhafter zu machen. Wir selbst fanden heute drei Leute auf der großen Pyramide campirt, welche dcm Geschäfte ihrer Zerstörung mit ungewöhnlichem Fleiße oblagen. Auf dieser Ercnrswn, die während einer furch? terlichcn Hitze uutcrnommen ward, zeigte mein armer Susannis die ersten Symptome der üblen Wirkung des hiesigen Klima's auf Hunde ^ welches, wie ich schou früher gelesen, für alle ausländische Thiere dieses Geschlechts in kurzer Zeit tödtlich werden soll. Auch findet man nnr sehr wenige einheimische Hunde in dieser Gegend. Mein sonst so rüstiger Spartaner warf sich wie vcrzweiflnngsvoll unter jedem kleinen Strauche im Sande nieder, um dort einen Augenblick Schatten zu geuicßcn, und nachdem wir ihn einigemal hinter uns kläglich hatten heulen hören, 7S worauf wir nicht gehörig achteten, blieb er völlig erschöpft liegen, so daß ich ihn erst nach unsrer Rückkunft durch ausgeschickte Voten mit vieler Mühe wieder erhielt. Der Mensch kann mebr aushalten, und so besuchten wir au demselben Abend noch einmal heroisch alle Tempel zu Barkal, worauf wir erst in der Nachtkühlc zu Waffer nach dem Flecken Mcravi zurückkehrten. Wir ruhten hier dcn Mtcn gemächlich aus, an welchem Tage uns der Kascheff ein Gastmahl gab, wo lange dcbattirt wurde, ob wir unsre Neise noch weiter fortsetzen, oder die schon hinlänglich ausgedehnte Expedition hier schließen sollten. Die Ncu-gierdc siegte über alle andern Rücksichten, und nachdem wir festgesetzt, daß die beiden Barken uns bis zu unsrer unbestimmten Rückkehr in Mcravi erwarten sollten, ward auf den nächsten Abend der Vcginn cincr neuen Tour, diesmal mitten durch die Wüste, bis Schcndp beschlossen, während der wir nun leider von dem wohlthätigen Nil auf acht Tage gänzlichen Abschied nehmen mußten. Auch Mcravi hat einige Alterthümer aufzuweisen. Im Divan des Kaschcff stand ein Altar 77 von schwarzem Granit mit dem wohlcrhaltcnen Wappenschild eines alten Herrschers, das ich jedoch auf Champollions Tafcl, meiner einzigen Znflucht bei solchen Gelegenheiten, nicht verzeichnet fand, und daher mit gutcm Gewissen nicht namhaft machen kann, obgleich mir so leicht Niemand das Gegentheil beweisen würde, wenn ich den ersten besten alten Pharao in Requisition setzte. Auf einem Platze nahe beim letzten Dorfhause nach dem Flusse zu zeigte man uns die Reste zweier Statuen von mehr als Lebensgröße, aber nur mittelmäßiger Arbeit. Nach des Kascheffs Versicherung hatte sich vor zwei Jahren ein Engländer, der geläufig arabisch sprach und das öostüm des Bandes trug, vierzig Tage am Dschcbel-Zarkal aufgehalten, während welcher Zeit er im Tpphonmm wohnte und sich fortwährend mit Ausgrabungen beschäftigte. Hierzu wandte er täglich einige dreißig Araber an, schickte sie aber immer Abends nach Hause und setzte die Arbeit nur mit seinen eignen Dienern nächtlich allein fort, wenn er auf etwas gestoßen zu scpn glaubte. Man sah ihn jedoch nichts mit sich fortnehmen, als eine kleine Kiste von schwarzem Granit, 78 die cr auf dcm obern Plateau des Varkalfclfens gefunden zu haben vorgab, und von welcher der Kaschcff behauptete, daß sie mit vielen Buchstaben (also Hieroglyphen) bedeckt gewesen sey, eine Art Schlüsselloch gehabt und oben mit Bändern von grünem Metall versehen gewesen. Dieselbe vor dcm Kascheff zu öffnen hatte jedoch der Fremde verweigert, nnd auch sonst nichts über ihren Inhalt laut werden lassen. Kurz darauf war cr nach Kartmn und Kordofan abgereist, und nach späteren Nachrichten noch weiter gegangen, auf dcm Nil aber nicht wieder zurückgekommen. Seinen Namen hattc cr nie genannt. In Mcroö fand ich die Spuren dieses unternehmenden Reisenden unter ähnlichen, uoch remarkablcrcn Umständen wieder, und wer dic Geist und Kraft tö'dtcndc Abspannung empfunden hat, die sich in diesem entnervenden Klima des Europäers bemächtigt, wird der seltnen Beharrlichkeit des Unbekannten seine Bewunderung nicht versagen können. Es scheint indeß, daß er entweder noch jetzt in Darfur zurückgehalten wird, oder nmgckom-men ist, da Niemand in Acgyvtcn von seiner Zu-rückknnft seitdem etwas vernommen hat, noch selbst 79 sein Name mit Bestimmtheit daselbst auszumittcln war. Man sagt, baß der Dschcbel-Barkal seine Heiligkeit in alter Zeit vorzüglich der Eigenschaft zu verdanken gehabt habe, die Gewitter anzuziehen, was in heißen Ländern immer einen doppelten Werth haben muß. Am heutigen Abend erlebten wir ein solches sehr heftiges" Gewitter mit einem schönen Regenbogen, es blieb aber mir in der Ferne, und ward diesmal nicht vom Verge der Orakel angezogen. Nothgedrungen Polemisches. Die Luft war vom Gewitter keineswegs abgekühlt worden, sondern drückend schwül. Doch ehe ich in dieser schwülen Luft weiter avancire, muß ich cinigc Augenblicke in die nicht minder oppressive Luft litcrarischcr Polemik übergehen, eine leidige Nothwendigkeit, die ich jedoch für mein nachsichtiges kleines Publikum so wenig ungenießbar als möglich einrichten werde. Ich wurde nämlich wegen der in den vorhergehenden Seiten Herren I)>. Nuppel nachgewiesenen Irrthümer von diesem nut einer merkwürdig leidenschaftlichen und nicht wrnig anmaßenden Erwiederung beehrt, auf die ich Folgendes replicirtc, was ich hier für diejenigen meiner Leser 8l wiederhole, welche jener Zcitungslitteratur fremd geblieben sind '). „Ich habe einmal," schrieb ich, »von einem gemeinen Manne erzählen hören, der, mit einem An-fluge prahischer Philosophie begabt, an jedem letzten Tage des Jahres seiner Ehehälfte mit harten Thätlichkeiten so lange zu Leibe ging, bis er von ihr, im Ucbermaaß ihres Zornes, alles herausgebracht hatte, was etwa von isultirenden Persönlichkeiten gegen ihn aufzutreiben möglich war, und wovon er auf andrem Wege bei honnetten Leuten nicht leicht l> Es war weine Absicht, die vorhergehende, wie diese, Herrn Nuppel betreffende, und schon früher in der Augsburger Zeitung abgedruckte Stelle nicht in mein Buch aufzunehmen^ «m so mehr, da ich seitdem im Naturalieneabinet zu Frank-fürt de»? Herrn Doctor persönliche Vckanntschafl gemacht, und ihm gan; herzlich die Hand zum Frieden geboten. Da ich aber seitdem mit Verwunderung sehen mußte, daß derselbe in der Vorrede seines neuen, mit gerechtem Beifall aufgenommenen, Werkes über Abyssinieu mich abermals durch die mir ertheilte, cbcn nicht allzuwitzige, aber m'ch weniger höfliche Qualification eines ihm gänzlich unbekannten Scribenten angegriffen hat, so glaubte ick wenigstens nichts von dem früher über ihn Geschriebenen unterdrücken zu dürfen, welches, wenn nicht schmeichelhaft, doch vollkommen wahr ist, damit das Publikum im Stande bleibe, nach eignem Ermessen über die zwischen uns stattgehabten Differenzen ;u ürlbeil?,,, Mehemcd Ali's Neick, III. 6 82 cine so vollständige Erkenntniß zu verlangen fähig gcwcscn wäre." „Erfahrung lehrte mich seitdem, daß man in einer etwas höheren Sphäre viel leichter, und schon dadurch zu demselben ergötzlichen Resultate gelangen könne, wenn man in unsrer literarischcn Welt einen deutschen Pedanten einiger Irrthümer zeihe. Augenblicklich speit nach solcher Beschwörung ein Vulkan, von denen es bekanntlich (so lange sie noch nicht ausgebrannt) dreierlei Gattungen gibt, nämlich entweder Feuer-, Wasser- oder Schlamm-spcicndc. Oft hat man sogar das Vergnügen, alle drei Elemente zugleich herausfahren zu scheu. Für cin solches interessantes Naturschanspiel nun bin ich eben jetzt dem Herrn Doctor Nuppel wahrhaft verpflichtet, ich, der Tourist, wie er mich nennt — nicht der mit diesem in Verbindung gebrachte Fürst Pück-lcr, der gar nicht hierher gehört, weil er sich nie als den Verfasser jener angefochtenen Berichte bekannt hat, und den folglich nur die irdische Un-bchaglichkeit uud Taktlosigkeit, welche unerzogner Rohhcit stets eigen zu seyn pflegt, in diese Sache, einzumischen sich einfallen lassen konnte. Ich muß 83 cs mir gefallen lassen, daß Herr Nuppel mich bald mit Semilasso, bald mit Tourist, Skribent, oder andern schmeichelhaften Benennungen der letzteren Art bezeichnet, aber mich als Fnrst Pückler aufzuführen, dazu hat er kein Necht, mn so weniger, da cs ganz unnütz für seinen Zweck ist, weil Semilasso und der Verfasser der Vricft eines Verstorbenen zufallig weit bekannter in der Welt geworden sind, als der noch viel unbedeutender als sie sich erkennende Fürst Pückler. Ich bcdaurc übrigens, daß der gütig vermittelnde Redacteur der Augoburgcr allgemeinen Zeitung — wahrscheinlich aus Respekt für sein cigncs Blatt — einen Theil dcr erwähnten Erplosion abgewehrt hat, denn ich bin wirklich stolz genug zu glaubon, daß ich *m meiner geistigen Sphäre zu hoch über Angriffen dieser Art stchc, um verletzend davon berührt werden zu können. Ja, es würde mir sogar leid thun, daß die nichtigen Ausstellungen eines so unwichtigen Touristen, dem nicht einmal ein Begriff von dem tiefsinnigen Geheimniß der Längcnbcstimmmtg eines Orts durch Stcrn-bedeckung oder Meridianhö'hcn zugetraut wird, cincn 6'' 84 sich selbst so viel Gerechtigkeit widerfahren lassenden Gelehrten, wie Herr Doctor Nuppel ist, dermalen in Harnisch bringen konnten, daß lein Unbefangener mehr zweifeln wird, er habe sich wenigstens in einem oder dem andern Punkte schmerzlich getroffen gefühlt— ich würde, sage ich, dies aufrichtig bedauern, wenn es nicht dazu diente, dem ganzen Publikum eine nützliche Wahrheit anschaulich zu machen, und zwar die: daß unter allen Tyranneien unsrer Zeit die der wissenschaftlichen Zünftlcr, die eben weiter nichts als das sind, die schwerfälligste, und darum widerwärtigste und unerlaubteste ist. Der blinde Hochmuth jener (oft nur sogenannten) Gelehrten vom Fache, ämsigcr Saumthicrc des Wissenschafts-quarls nnd Residuums, dio»da glauben, daß nur sie, weil sie die Trcbcrn tragen, auch den Geist nntgcladen haben, und daß daher Niemand etwas wisse, und Niemand etwas schreiben könne und dürfe als sie — dieser albernste Hochmuth kann zum Besten der Gesellschaft weder zu oft noch zu stark ins hellste Licht gescyt werden." „Da ich indeß, wie billig, ungleich mehr Furcht habe, das Publikum zu cnnupircn als Herr Rüppel, 85 so werde ich mich bei meiner anspruchslosen Replik mit folgenden wenigen Bemerkungen begnügen." »1) Es ist interessant, ans Herrn Doetor Nuppels Erklärung zu ersehen, daß die schon früher gegen meine Wenigkeit gerichtete feurige Zurechtweisung, die anonym in der Augsburger allgemeinen Zeitung erschien, und die ich irrigerweise als aus der Feder »»eines lobhudelnden Landsmanncs Hcvren Nuppels"" geflossen ansah — von dem Hcrrn Doctor selbst herrührte. Dieses Irrthums bekenne ich mich schuldig." „2) Hinsichtlich Sati,cl-Abd's und des „„wunderbaren"" Sophismus, dessen ich mich bei dieser Gelegenheit bedient haben soll, muß ich, trotz allcn imposanten Messungen meines gelehrten Gegners, in meiner Verstocktheit bei der einfachen Thatsache stehen bleiben: daß Saki-el-Abb auf Herrn Nuppels Karte vergeblich gesucht wird, so wie viele andere dem Reisenden wesentliche Orte, was mir fortwährend ein Mangel derselben zu seyn scheint. Ambu-kol betreffend mag Herr Nuppel vollkommen Necht haben, aber ich bitte zu bemerken, daß ich seiner hierbei gar nicht geda cht habe. Ich äußerte 86 allerdings, daß Ambukol auf dcu Karten falsch pla-cirt scy, aber als ich dieses an Ort und Stelle schrieb, hatte ich drei bis vier Karten mit mir, und cs ist sehr wohl möglich, daß ich unter diescu die des Herrn Nuppel damals, wie er sagt, »»mir nicht die Mübe uahm anzusehen."" Ich dachte vielleicht, er habe Ambukol wie Saki-el-Abd darauf anzumerken vergessen. Nur da also, wo ich Herrn Nuppel genannt habe, tann ich die Verantwortung des Gesagten aus mich nehmen. Dies ist uun der Fall bei Nummer „3), wo zugcstaudcn wird,' was ich nach Herrn Nuppels Ausdruck »„mit gewaltigem Stolze"" bc-hanptet, daß die Distanz der Pyramiden zu Nur vom Dschcbcl-Barkal, statt der von Herrn Nuppel angegebenen sieben Stunden, nicht mehr als drei betrage, aber — dies ist nur ein Druckfehler, wie mich Hcrr Nuppel belehrt, nnd obgleich in Buchstaben ausgeschrieben, hat der ungeschickte Setzer doch sieben statt drei gelesen. Gleichermaßen wird versichert, daß Capitale für Capitale auch nur ein Druckfehler scy. Hier wäre er allerdings Plausibler, muß aber doch für dcu hartnäckigsten 87 seiner Gattung erklärt werden, da auch nicht ein allereinzigcsmal in dem ganzen Vuchc des Herrn Doctors, das vor mir liegt, der über alle Begriffe im Unrecht verharrende Setzer dies, mehr als fünfzig-mal vorkommende Wort zn entziffern vermochte! Daß ich nun Druckfehler dieser Art falsch beurtheilte, verdient vielleicht um so eher Entschuldigung, da dieselben in dem Vcrzcichniß ihrer Kameraden, welches sich am Ende des Vuchcs befindet, sämmtlich mit Stillschweigen Übergängen worden sind. Wahrscheinlich hat sich aber auch jetzt wieder die Augsburgcr allgemeine Zeitung ncucr Druckfehler schuldig gemacht, indem sie in Herrn Nuppels Erklärung folgende Phrase aufgenommen: »»Das Hauptinteresse der Aussätze des Touristen besteht für den gebildeten („gebildeten" ist hier offenbar ein Druckfehler) Leser nur iu der Art und Weise, wie er (der Tourist) sich selbstcu (zweiter Druckfehler!) Huldigungen darbringt."" Nichts kann in der That meinen schwachen Angriff auf die Schreibart des Herrn Nuppel besser cntkrä'ftigcn, als die E'leganz nnd der geistreiche Sinn dieses Satzes, aber wir wollen hier gleich, zu Nummer 88 »H) fortschreitend, uns über den Styl nicht länger streiten. »I^.« «t)Ie e«t Ilu»mmo," sagt Buffon. Herr Nuppel also schreibt wie Nuppel, der Tourist wie der Tourist, das Urlheil darüber bleibt Geschmackssache." ,>5) Herrn Nusseggcr betreffend, so weiß ich zwar nicht, was derselbe in der Frankfurter Obcr-postamtszcitung publieirt hat, (ein Artikel, der abermals durch viele Druckfehler entstellt worden seyn soll,) daß er sich aber gegen mich mündlich über Herrn Nuppels Nachrichten und Karten als in vieler Hinsicht unzuverlässig und irrthümlich ausgesprochen, muß ich wiederholen. Herrn Nusscggers Werk, von dem ich nach der mit ihm gemachten Bekanntschaft viel erwarte, wird später am besten, durch die Vcrglcichung seiner Angaben mit denen des Herrn Nuppel, darthun, wie es sich hiermit verhält. Selbst seine, nur in diesem Augenblick mitgetheilte Auslassung, im Beiblatt der Augsburgcr allgemeinen Zeitung von: ll>. Januar des laufenden Jahres, gibt davon bereits einen Vorschmack, obgleich das Bestreben, Herrn Nuppel möglichst zu schonen, gleich ersichtlich daraus ist; eine sehr er- 89 klärlichc Nucksicht, da Herr Nusscggcr nach Frankfurt zu reisen im Begriff steht, und daher um so weniger Beruf fühlen mag, sich der Derbheit und dem diktatorischen Ton eines so formidablen Gelehrten in dessen eignem Lager entgegenzustellen. Doch kann ich nicht umhin, hier zu citiren, was Herr Nusseggcr vor einiger Zeit in der Steyermärkischcn Zeitschrift, vierter Jahrgang, zweites Heft, Seite 110, publicirtc." »Nuppel," schreibt hier Herr Nusscggcr, »hat „in seiner Rciscbcschreibung sehr unrichtige Notizen „durch Mittheilungen Anderer über das Land der »Nuba's aufgenommen, welches er selbst nicht gcsc-„hcn hat. Uebcrhauvt bin ich mit seinem „Reiseberichte gar nicht zufrieden, er »ist mir zu oberflächlich, geht zu leicht „über die wichtigsten Gegenstände weg, »und ist zu arm an wirklicher Natur-Mansch au ung." Dies scheint mir außerordentlich deutlich, und ich, der nur einzelne Irrthümer des Herrn Nuppel bcmerklich machte, habe im Allgemeinen ein weniger ungünstiges Urtheil über ihn ausgesprochen, als 90 dieses. Was i ch aber gesagt, glaube ich, und würde dabei verharren, wenn auch noch so viele Autoritäten mir (ohne mich durch Ueberzeugung zu einer andern Meinung zu bekehren) entgegentraten. Ich wurde also auch des Herrn Nusseggcr, dem ich freundschaftlich zugethan bin, uud dcsscu gründliche Gelehrsamkeit ich hoch ehre, hier zum zweitcnmalc gar nicht erwähnt haben, wenn es nicht nöthig gewesen wäre, um zu beweisen: daß ich nicht „»in „„Ermangelung eigner wissenschaftlicher Befähigung „>,zu einem gegründeten Angriff ans Gelehrte (?) „„mich des Namens und angeblicher Ansprüche"" (noch einmal ein Druckfehler! denn um Sinn zu haben, mlißlc es wenigstens Aussprüchc heißen,) bediente, um dic Angaben Herrn Rüppclo zu verdächtigen — ferner, daß es ganz und gar nicht zu meinem Nachtheil gereicht, „»keine Kenntniß von „„dem aus der Frankfurter Oberpostamtszcituug in „»der Augöburger allgemeinen Zcitnng verstümmelt „„abgedruckten Briefe des Herrn Nnsseggcr zu ha-„„beu, in welchem dieser verdienstvolle Reisende „„gegen einen solchen Mißbrauch seines Namens „„ protestirt, und in Vczug ans Herrn Nuppels 9l »„Leistungen grade das Gegentheil von dem, »„was Semilasso ihn sagen läßt, ausspricht."" Wir haben eben gesehen, in wiefern die, in einem amtlichen Berichte des Herrn Nusseggcr an seinen Vorgesetzten befindlichen Aeußerungen, welche in der Steicrmärkischen Zeitschrift abgedruckt und jedenfalls lange vor den nur unbekannten verstümmelten Briefen in der Augöburger allgemeinen Zeitung erschienen sind — wirklich „„grade das Gegentheil meiner Vchaufttun-gcn"" enthalten. „6) Da ich deprecircn muß, jedes triviale Detail wiederzukäuen, welches Herrn Doctor Nuppels weitere Erklärung enthält, so ertheile ich ihm schließlich nur noch die Versicherung, baß ich, ganz unbekannt mit seiner geehrten Person, durchaus kein anderes Motiv gehabt habe, ihn einiger Irrthümer zu zeihen, als das Interesse der Wahrheit und nebenbei vielleicht etwas üble Laune, wie ich nicht läuguen will, über die Anmaaßung, welche sich in seiner Vorrede und in mehreren Stellen seines, in mancher andern Hinsicht dennoch verdienstvollen, Buches auf eine sehr widerliche Weise kund giebt. 92 Ich glaube dennoch in beiderseitiger Hinsicht mit mehr Mäßigung verfahren zu seyn, als in der Entgegnung gefunden werden wird, deren Ton ich mich jetzt nur notgedrungen etwas mehr zu nähern genöthigt war; doch verwahre ich mich gänzlich gegen die lächerliche Voraussetzung Herrn Nuppels: daß ich ihn blos deßhalb einiger Oberflächlichkeit in seinen Reiseberichten beschuldigt, weil — er Mche-mcd Ali als einen Tyrannen geschildert. Ich kann im Gegentheil mit dem besten Gewissen betheuern, es bisher vollständig igüorirt zu habcn, daß den Helden Aegyptcns das Unglück betroffen, in dem Heros des Frankfurter Naturalicnkabinets einen Antagonists zu finden. Aufrichtig gesagt, glaube ich aber, daß Mchemcd Ali nicht viel von diesem Umstand zu befürchten hat, ja, daß alle wissenschaftlichen Kenntnisse Herrn Nuppels, so zahllos sie auch seyn mögen, immer noch nicht hinlänglich sind, das Genie Mchemcd Ali's zu messen, und wenn auch cm nichtsbedcutcndcr Tourist, wie ich es bin, sich gern gefallen läßt, bis in alle Ewigkeit ein Gegenstand Herrn Nuppels höchster Geringschätzung zu bleiben, dieser doch gut thun wird, 93 dem erhabnen Sterne gegenüber — dessen Bedeckung zu observiren er wohl vergeblich hofft — nicht weiter dem Beispiel jener armseligen Kläffer zu folgen, die auch den Glanz des Mondes nicht, ohne unnützes Lautwcrdcn, zu ertragen vermögen. Zweiter Ritt durch die Wüste nach Echendy. Unmittelbar aus einem erfrischenden Bade im Wasser des Nils brach ich am 11. Mai gegen Mitternacht mit meiner Karavanc anf, nachdem ich cincn Theil meiner Effekten und die ganze Schisss-menagcrie, mit einziger Ausnahme des treuen Su-sannis, der Obhut des gefälligen Kaschcss anvertraut hatte. Auch cincn sehr brauchbaren arabischen Diener, den mir der Gouverneur von Docrr mitgegeben hatte, mußte ich zurücklassen, da er fast hoffnungslos an einem bösartigen Fieber daniederlag, an dem er auch, wie ich später erfuhr, einige Wochen darauf starb. Wir marschirtcn langsam, fortwährend auf hartem Sandboden, bis wir am Morgen in ein, mit ft5 vielen halbvertrocknetcn Mimosen waldartig besetztes Felsenthal kamen, wo sich cm tiefer und geräumiger Brunnen mit ziemlich gutem Wasser befindet. <^r heißt Mseali, und seine Umgebung war zum Ziel unseres ersten Nachtlagers bestimmt. Wir hatten in der vergangenen sternhellen Nacht die Wüste voll schwarzer Granitfclsen, und an vielen Stellen Spuren von Vegetation gefunden, was unterirdisches Wasser unter der Oberfläche vermuthen ließ. Ich fand auch später so oft Gelegenheit, diese Bemerkung zu machen, daß ich von der Möglichkeit überzeugt bin, mit Hülfe artesischer Brunnen Tausende von Quadratmeilcn der Wüsten Aethio-piens und des Sudans in fruchtbares Land umzuwandeln. Zwei Stunden seitwärts unsrer Straße in östlicher Richtung soll sich in Vadcn-el-Gasali (dem Tl)alc der Gazellen) ein noch ziemlich wohlcrhal-tcncr Tempel aus rö'thlichem Sandstein befinden, nach der Beschreibung aber nur von geringen Dimensionen seyn. Ich würde die Mübc nicht ge, scheut haben, ihn aufzusuchen, da ilin noch kein europäischer Reisender geschcn, der Führer er- 9ft klärte aber, des Weges nicht recht kundig zu seyn, und besorgte, sich zu verirren, weshalb ich die Sache aufgeben mußte. Wir schliefen bis um fünf Uhr Abends, wo ich aufstand, um die Gegend zu besichtigen. Am Brunnen fand ich mehrere Beduinen, die ihre, meistens schwarze, Kameclc mit Wasser bcluden. Sie waren mit recht eleganten leichten Speeren und schmalen, auf beiden Seiten zugespitzten Schildern aus Hippopotamushaut bewaffnet, die ich ihnen vergebens feil zu machen versuchte. Zwei Mädchen befanden sich bei ihnen, wovon die eine, noch sehr jung, wie uns die Männer sagten, die rcnomirteste Schönheit ihres Dorfes scp, das nur einige Stunden von hier liegen sott. Sic war in der That nicht übel, trotz der breiten Brandnarben in den Backen, schön bemalt, und trug als Schmuck zwei schwere Fuß-schcllcn von Metall, gleich unsern Baugcfangcncn, an den Knöcheln. Sie lächelte uns zuerst sehr freundlich an, doch als ich mich ihr nähern wollte, um sie genaner zu betrachten, entsprang sie, von einem plötzlichen Panik ergrissen, in Begleitung ihrer älteren Gefährtin, wie ein Reh durch den 97 Mimoscnwald nach ben entfernten kahlen Felsbcrgen. Ich nabin mit meinem Dragoman dieselbe Richtung und erstieg die Höhen, konnte aber der beiden Mädchen nicht mehr ansichtig werden; wogegen mich auf dem Gipfel eine weite Anssicht über hügeliges Land hin überraschte, in dessen Thälern mehrere, griinc Oasen verstreut waren. Doch bemerkten wir nirgends Spuren von Wohnungen. Zu Vurkhard's Zeiten war dieser ganze von den Hassanjch-Arabcrn bewohnte Theil der Wüste noch sehr unsicher, seit der neuen Herrschaft hat man nicht das Mindeste ;u befürchten, und mag hier so unbesorgt reisen wic in Aegyptcn. Als wir zurückkehrten, fanden wir den Sklaven des Doetors heftig an einem Sonnenstich erkrankt. Man nnißtc ihm mehreremal zur Ader lassen, und obgleich bald darnach einige Besserung eintrat, so erlangte der Knabe doch während der ganzen Reise nie ganz seine vorige Gesundheit wieder. Beim nächsten Marsch ward die Karavane nach alter Weise vorausgeschickt, und wir folgten ihr um zwei Uhr in der Nacht. Die Distanz war ungefähr dieselbe wic gestern, und auch der Charakter der Mchcmec Ml'Z Rcich. III. 7 98 Gegend blieb sich glcich. Doch hatten wir cine Art Abcntheucr unterwegs. Es war ziemlich dunkel und wir mußten uns cng zusammenhalten, um nicht pom Wege abzukommen, als wir, durch ein vertrocknetes Gebüsch reitend, Plötzlich mitten uutcr uns eine ganz unheimliche und wie verzaubert aussehende Gestalt gewahrten. Es war ein uralter Schwarzer nu't langem weißen Vart, welcher gauz nackt, abcr ,mt einem großen graden Rittcrschwcrt bewaffnet, das er durch einen Riemen an dcr Schulter befestigt, nicht an dcr Seite, sondern über dem Nucken hängend trug. Er ritt auf einem schnellfüßigen Eselzwcrgc, dcr nicht über zwci Fuß hoch war, so daß dcr aujchnlich gewachsene Mann die Kniee hoch ubcr den Sattel erheben mußte, um darauf sitzen zu können, ohne mit den Füßcu die Erde zu berühren. So trabte er dicht neben meinem hohen Dromedare her, untrr dessen Bauch cr füglich hätte hindurchschlnpfcn können ohne anzustoßen. Wir betrachteten il>n Alle sehr verwundert, während cr nicht die geringste Notiz von uns zu nehmen schien. Endlich rief cr unserem Führer — dcr gc wohnlich etwas vorausrcitet, nm uns die, wahrlich nicht leicht aufzufindende, Direction ohne Weg und Steg durch die so wenig Kennzeichen darbietende 22üste anzuzeigen — einige mit der den Negern eigenthümlichen Art' gellend auogcstoßcne Worte zu; doch dieser, welcher noch mehr Scheu als wir vor dem fremdartigen Wesen zu hegen schien, ritt nur um so schneller vorwärts, ohne die Anrede zu beantworten. Der Alte lachte murmelnd in seinen Bart hinein, nnd ehe wir es uns versahen, war er, wie er gekommen, auch eben so schnell hinter den Vä'umcn wieder verschwunden, gleich einem Gespenst der Nacht. Trotz aller unsrer Bemühung konnten wir von dem Führer keine recht genügende Auskunft über das Vorgefallene erhalten. Doch bin ich überzeugt, daß er irgend einen Aberglauben mit d.-r Erscheinung dieses Mannes in Verbindung brachte, denn er war sichtlich betroffen, und sprach nachher viel von einem übelwollenden Geiste, der im schwarzen Gebirge wohne, den alle Welt nmcr dein Namen .,deo Alten v?m Berge" kenne, und dessen Erbli-ckung unter den verschiedenen Formen, die er annähme, meist Unheil bedeute. Doch wollte er es 7- Itttt niemals gradezu auösprechen, daß, was wir gesehen, dieser Geist gewesen sey. Die Wilden haben also, wie es scheint, auch ihren tropischen Rübezahl. Wir rasteten abermals in einem mit laubloscn Mimosen angefüllten Thale. Diese blätterlosen, völlig abgestorben aussehenden Baume schienen den Winterschlaf der unsrigcn hier nicht während der Kälte, sondern während der größten Hitze abzuhalten, nach der Regenzeit sollen sie allc wieder im hellsten Grün erglänzen. Der größte Theil davon gehört einer besondern Varietät an, die man hier Samra nennt. Die Hitze hatten wir in der Nacht fast eben so drückend als am Tage gefunden, weil kein Lüstchen mehr wehte, während am Tage, besonders um die Mittagszeit, der Wind in oft unangenehmen Stößen und fortwährend umspringend, fast aus allen Abtheilungen der Windrose blies. Nicht sehr ermüdet, belustigten wir uuo Nachmittags lange mit der Jagd, die jedoch nur auf Turteltauben und Wüstcnrebhühner stattfindet. Die großen schwarzen und weißen Geier Pflegten, ganz ohne Scheu vor unsern Gewehren, jedesmal, wenn ein Schusi siel, eilig herbeizukommen, um die Vogel, welche 101 ctwa in cinem Vaume hängen blieben, oder angc-schoffen sich zu retten suchten, schnell für sich selbst einzufangen. Ja sie zeigten sogar manchmal Lust, dem Jäger seine Veutc streitig zn machen, und es war lächerlich mit anzusehen, wenn einer der Lctz-tcrn zn Knüppeln nnd Steinen seine Zuflucht nehmen mnßte, um ihrer los zu werden. Einige sehr hübsch gefiederte Singvögel belebten außerdem häufig dic dürren Gebüsche, und nicht selten hörten wir, bei Tag wie bei Nacht, der Schakals heiseres Gebell, ohne jedoch einen derselben erlegen ;u können. Von reißenden Thieren fanden wir leine Spur. Am folgenden Tage erreichte plötzlich die Hitze einen fast unleidlichen Grad. Der Thermometer zeigte um zwei Uhr Nachmittags in meinem Zelte, wo freilich die Reverberation der Sonnenstrahlen die Gluth noch intcnscr macht, am schattigsten 57rte desselben 39 Grad Reaumur, und auf den Sand in die Sonne gelegt 55 Grad, eine Temperatur, die sich uachhcr drei Tage lang um dieselbe Zcit mit wenigem Unterschiede wiederholte. Der Wind kam direkt aus Süden, und glühte, statt Kühlung zu bringen, wic aus einem hohen Tfen. Nicht nur 102 Metall und Glas, sondern auch Papier, Seide, Leinwand, Holz u. st w. war ohne Unterschied als gleich brennend heiß anzufassen. Der einzige küble Gegenstand, den man finden tonnte, war die eigne Haut, weil der Temperaturgrad der Atmosphäre fast höher stand, als der des Blutes. Das Fleisch eines Schaafe^, das mn eilf Uhr Vormittags geschlachtet worden war, mnßle schon mn sechs Mr Abends als ganz unbrauchbar weggeworfen werden, und zwei lebend mitgenommene Schaafc starben über Nacht beim Transport, so wie der gröstte Theil der von Mcravi mitgenommenen Hühner, von denen wir später, bis Karlmn, nns leider leine mehr verschaffen konnten. Anch mein Hnnd war dem Verscheiden nahe, nnd grub sich, kläglich winselnd, einen Fuß tief in die Erde. Fast unbegreiflich ist es, wie trotz dieser Höllcngluth die Eingcborneu ganz nackt, mit einem bloßen schmalen Gürtel angethan, hier auolialten können, den Kopf ohne allen andern Schul) als ihre langen Haare dem fürchterlichen Sonnenbrände, die Füße ohne Sandalen dem kochend heißcn Sande ausgesetzt. Der Schauplatz unsres Bivouaks war diesmal in dcr Nähe einiger Hütten, von den Eingebornen, welche starke Viehzucht, aber wenig Ackerbau treiben, und sich fast mir von Fleisch und Milch nähren, Marna genannt. Ein großer Theil dcr Wüste in dieser Region ist mit Vinsengras und mehreren Akazien wie Mimosenartcn bedeckt, die, wie bereits erwähnt, jetzt abgestorben scheinen, aber mit dcr Regenzeit grün werden, welche dann, außer dieser Vegetation, auch noch viele andere Futtcrkrä'ntcr hervorruft, von denen jetzt keine Spur mehr cn'stirt. In diesem Znstande erhält sich die Vegetation vom Juli bio April. Während dieser Zeit ist Ucberfluß an N'abrllng fiir die Thiere zu sindcn, dcr ohne alle Mühe erlangt wird. Dann aber — denn April, Mai nnd Juni sind hier die heißesten Monate — beginnt schnell das Vertrocknen aller Pflanzen, und in dieser Jahreszeit muß sich das Vieh mit gedörrtem Binsenstroh nnd trocknen Vaumzwcigcn begnügen, wozu gelegentlich etwas dürre Körner kommen. Doch kann hiervon nur zn wenig gebaut werden um irgend darauf zu rechnen. Auch war alles Vieh, was uns in dieser Oase zu Gesichte kam, durchgängig spindeldürr und von dcr elendesten Be- 104 schasscnheit. Wir lagerten etwa hundert Schritte vom Dörfchen in einer weiten, rings von Verg-zügcn umschlossenen Fläche, dicht am Fuß eines iso-lirt aus ihr emporsteigenden Felsens. Ich bestieg diesen Abends, um der Aussicht willen, und fand, daß seine von Sonnenbrand und Ncgen schwarz gefärbten Massen aus dem schönsten stcinkö'rnigcn Marmor bestanden. Wenn man Stücke davon abschlug, zeigte er sich von blendender Weiße, an manchen Orten auch roth, au andern schwarz geädert. Von dem Gipfel dieses Felsens, der an 100 Fnß Höhe haben mochte, bemerkte man deutlich mehrere weithin durch die Baumgruppen gcschlängcltc, zum Theil sehr beträchtliche Flußbetten, wo sich in der Regenzeit das Wasser sammelt, und dann, in großer Fülle hinströmend, die Wüste hier in eine gartcn-ä'hnliche Landschaft umwandeln muß. Kurz nach Sonnenuntergang sprang der Wind nach Norden um, und ward in wenigen Minuten zu einem Orkan, der unsere Zelte widerstandlos niederriß, weil bereits alle Stricke durch die Hitze morsch geworden waren. Ueberhaupt gehen fast alle unsere Effekten nach und nach hier zu Grunde, be- 105 sonders was von Holz ist. Kein Koffer und leine Kiste will mehr zusammenhalten, selbst meine englische Chatoulle, von der besten Arbeit, ist so auseinander gewichen, daß ich mein Geld in einer Serviette transportircn muß. ?lm i^, Mai. Dem gestrigen Sturme war bald wieder eine totale Windstille gefolgt, und die Nacht ohne Thau und Luftzug von der gewöhnlichen Ofcntcmvcratur. Einer nnsrer Dromedare versagte während des Marsches den Dienst, legte sich nieder, und nichts konnte ihn mehr zum Aufstehen bewegen. Es war ein sehr glücklicher Znfall, daß fast in demselben Augenblick zwei Reisende auf guten Kameclen uns entgegen kamen, von denen unser Kawaß sogleich das eine — denn Noth kennt kein Gebot — mit Gewalt, wenn gleich gegen Bezahlung, rcquirirte. Ohnedem weiß ich nicht, wie wir fortgekommen wären, da das krank gewordene Thier grade das des Führers und mit allen unsern nothwendigsten Sachen bepackt war. Es ward sorglos von den IN6 Arabern an dem Fleck, wo es sich niedergelegt, zurückgelassen, in der Ueberzeugung, daß es schon selbst ans irgend eine Art fiir sich Sorge zu tragen wissen, und auf dem Nlickwcg auch dort wiederzufinden seyn werde '). Die Gegenden, welche wir heute beim funkelnden Schein der Sterne durchritten, boten fast nirgends mel>r einen öden, vielmehr einen so heiteren und mannichfalti-gcn Anblick dar, daß man sie füglich die Wüsten-schweiz von Behcda nennen könnte. Beheda ist nämlich der Name des ganzen großen Landstriches, welchen der Nil, glcich einer Halbinsel, zwischen Schcndp, Debbeb und Bcrdcr umschließt. Viele Zügc dunkler, gezackter Berge von 1200 bis I'M) Fuß Höhe, wo sich, über und zwischen Granit und Porphyr, znweilen Urkalkstein in zerrissenen Schichten hinzieht, umschlossen fast fortwährend de-bnschtc Thäler, in denen auch jeyt noch mehrere Vä'ume grünten. Einer dieser Berge, den wir übersteigen mußten, ward sogar oft fiir unsre Bequemlichkeit fast zu pittoresk — denn die Dromedare l) D,'cs geschah a>:ä, nirflich, wie ich l'ci meiner Nücklehr vernahm. IN7 sind schlechte Kletterer. Wir folgten hierauf zwei Stunden lang dcn Windungen einer tiefen Schlucht, nn't dohen und steilen Wänden, auf dem rauhen, kiesigen Vctk eines ausgetrockneten Flusses, bis uns wieder freundlichere kleine Thäler umfingen, deren Vodcn so glatt wie Wasser gccbuet ist, und die auch in der Regenzeit große Seen mit amnuth:-gcn grünen Inseln bilden sollen. Der Untergrund ist überall steinigt oder barter Sand, und untcr den Kieseln findet man häufig schöne Onirc und andere bunte Steine von den verschiedensten. Farben. Es fehlt hier nicht an Brunnen, und obgleich ibr Wasser meistens uur lau und so von Sand geschwängert ist, daß es wie Lchmtunke aussieht, so ist es doch gesund und obue allen unangenehmen Geschmack. Es war uns um so willkommner, da das in vielen ro.bcn Schläucheu mitgenommene Nasser wegen des üblen Geruches in kurzer Zeit beinahe mttriukbar wird, ein böser Umstaud, wcuu man täglich wenigstens fünf bis sechs Flaschen Wassers braucht, um den kaum je aufhörenden Durst nur einigermaßen löschcu zu könucn. Es war ein>höchst wilder Fleck im grandiosesten 108 Style, wo wir am Morgen unsere Zelte aufgeschlagen fanden, cin schwarzblauer Fclseukessel ohne dic geringste Vegetation. Das aus herrlichem Porphyr und gelblichem Granit bestehende Gestein war in Massen der heterogensten Formen, wie durch cin Erdbeben, aufgcthürmt, und viele dieser riesigen Felostt'icke balancirten sich auf eine so unglaubliche Weise übereinander, daß man jeden Augenblick erwartete, eino oder das andere derselben vom Winde hcrabgcschlcudcrt zn sehen. Welch cin Schatz wäre cin solcher Steinbruch in einer Gegend, wo man besseren Nutzen daraus ziehen tonnte! Hier herrschte imr die tiefste Einsamkeit, ein dnrch nichts unterbrochenes Schweigen, selbst der nahe Brunnen schien nichts bebendes an sich zu ziehen, bis gegen Abend doch cin Volk Nebhühucr herbeikam, unter dem unser mörderisches Blei auch sogleich cine bedeutende Verwüstung anrichtete. Ich kletterte eine Stuudc laug auf den Felsen umpcr, konnte jedoch keine entfernte Aussicht erlangen, da immer wieder höhere Berge und Felsen diejenigen umgaben, welche ich im Schweiße meines Angesichts erstiegen -hatte. Der hiesige Brunnen hatte von allen bisher und nachher 109 angetroffnen das klarste und kühlste Wasser. Der Ort ward von unserem Führer Magaga genannt; es befindet sich aber weder ein Dorf noch sonst cinc Wohnung weit umher. Ein scharfer Wind, der durch die schmalen Ocffnungcn der Schlucht sauste, ließ uns etwas weniger von der Hitze leiden als gewöhnlich, entführte aber zum zweitenmal unsere Zelte in demselben Momente, wo sowohl der Doktor als ich, fast nackt anf unseren Betten liegend, mit dem Schreiben unsrer Tagebücher beschäftigt waren, was zwar mehrere kleine Beschädigungen verursachte, aber zugleich eine sehr komische Scene der plötzlichen Aufdeckung und darauf folgenden Verwirrnng aller Art veranlaßte. Da man sich hier nichts verschaffen konnte, nnd Vorrathc sich nicht mehr halten, so hätten wir heute einen gezwungenen Fasttag feiern muffen, wenn nicht die erwähnten Nebhühner und ein halbes Dutzend Tnrteltanben, welche der unermüdliche Ackermann uns nach einer Stunde Abwesenheit zurückbrachte, der Noth abgeholfen. Die letzteren Vögel ist man sicher von Alerandrien bis zur südlichsten Grenze des Sudan fast täglich in beliebiger Quantität erlegen zu kön- na nen, so daß man, mit einem gehörigen Vorrath von Pulver und Vlci versehn, auch in dcr Wüste, wie sie hier beschaffen ist, ohne wcitcrc ^ebcnsmittcl nicht zu verhungern braucht. Schwerer ist es, den Gazellen bcizukommcn, von denen es uns auf dieser Tour bis jetzt noch nicht glückte, einer einzigen habhaft zu werden, obgleich wir eine große'Menge derselben sahen. Inselten erblickt man, außer Spinnen und Heuschrecken, in dieser Jahreszeit fast gar nicht, und ich habe, seit ich Kahira verließ, nur zwei Schmetterlinge gesehen, sie aber nicht gejagt, weil nur dies die englischen Critikcr als kindisch verwiesen haben. Toch fanden wir Abends den Brunnen von cincr prächtigen großen Hornisscnart mit breiton schwarzen und goldgelben Ringen reichlich umschwärmt, deren cinc ich meiner Insekten-sammlung einzuverleiben mich unterstand. Als cinc wohlthätige Notiz für dic Reisenden will ich bicr Folgendes einschalten. Es ist sehr wesentlich, ftinc ^eutc für die Ausschlagung der Zelte an stets zweckmäßigen Orten gnt zu dressircn. Diese letzteren müssen zwar immer möglichst im Schatten, aber noch nöthiger im Luftzuge aufgestellt werden, lli wobei die sich gegenüberstehenden Ocssnungcn des Zeltes schräg gegen den Wind zu richten sind, damit der Luftzug erhalten werde, ohne doch in grader Richtung den Staub hinein zu jagen. Bei zu großer Hitze thut man am besten, die Scitcnwä'nde ganz wegzunehmen, und nur das Dach als Sonnenschirm ausgespannt zn lassen. Die Decke des Zeltes muß stets da, wo die Sonne eben daraus scheint, mit dicken Strohmatten belegt, und diese, wenn Wasser genug da ist, fleißig begossen werden, eben so der Boden um das Zelt. Diese Kleinigkeiten, wenn man sie gut beobachtet, werden gewiß einen Unterschied von 8 bis 10 Grad in der innern Temperatur hervorbringen, was, auch unter den ungünstigsten Umständen, doch einigermaßen soulagirt. Hinsichtlich der Kleidung habe ich, bei der häufigen schnellen Abwechselung von Hitze und Kälte, helle und weite Halbtuch- oder Casinürklcidcr, nnd außerdem eine feine Flanellweste auf dem bloßen Leibe zu tragen, am zweckmäßigsten, und einem zu leichten Leinwandanzuge sehr vorzuziehen gefunden. Die Hauptsache aber ist, den Kopf drei- und vierfach zu bedecken, um ihn vor der Sonne zn schützen, und bei dcm geringsten Frösteln, das man fühlt, muß man 112 sogleich die wollne Vcrnnß odcr einen Tuchmantcl umthun, welche beiden Gegenstände daher immer bei der Hand zu halten sind, denn Verkältung hat hier jedesmal die nachtheiligstcn Folgen. Hinsichtlich der Diät habe ich nie ein bestimmtes System befolgt, sondern stets gegessen und getrunken, so viel odcr so wenig als ich eben hatte, und meinen Bedürfnissen angemessen fand. Wozu ich Lust verspürte, habe ich mir nie versagt. Fleisch, wie reife Früchte, Fettes und Mageres, Süßes und Saures, genoß ich unbedenklich untereinander, jedoch nie im Uebermaße. Bald trank ich Wein, bald süße odcr saure Milch, Vier odcr Branntwein (diese stärkeren Getränke aber meist mit Wasser gemischt), den dolgolcsischen Vilbil, den ägyptischen Mischmisch aus Aprikosen, Mandelmilch (die, beiläufig gesagt, wenn man sich weder Milch noch Eier mehr verschaffen kann, ein vortreffliches Surrogat dafür beim Kaffee und Thee abgibt), gewöhnliche Limonade oder lilnom^i« ^li2el<8o, künstliches Sodawasser mit englischen Pulvern bereitet, oder Sorbet aus Mclouenkerncn u. s. w., ganz nach Laune und Thun-lichkeit, ohne je Nachtheil davon zu verspüren. Nur die Vorsicht gebrauchte ich, fanlcs Wasser vor dem 113 Gebrauche stets abkochen zu lassen, und mich vor kaltem Trinken nach einer innern Erhitzung wohl zu hüten; ferner überhaupt nie mehr zu csscn und zu trinken, als Hunger oder Durst erforderten, doch auch nicht weniger. Vor nichts aber hat man sich in diesen Gimatcn mehr in Acht zu nehmen, als vor unnöthigem Mcdiciniren, denn mehr als Einen habe ich hier durch die bei uns unbedeutendsten, als Präservativ oder gegen nur leichte Unpäßlichkeit angewandten Mittel seine Gesundheit, ja sein Leben verlieren sehen. Ich selbst war so glücklich, bei der angeführten Lebensweise allen Folgen des Clima's und drr lll'ia <'!lttjv:l in den den Europäern nach-thciligsten Bändern, und oft von Epidemicen nmge-ben, stets ohne Fieber noch andere Krankheiten zu entgehen — denn Migraine und ein kurzes Uebel; befinden darf ich dahin nicht rechnen. Die einzige Ausnahme hiervon machte eine gefährliche Dissenterie, die ich mir später während der Regenzeit im Scn-när gan; allein durch das unnütze Nehmen einer Dosis 8«vlNit/ pnvvde»'« zuzog, und unglücklicherweise damals keinen Wein mehr hatte, um dem schädlichen Einflüsse der Medicin wieder entgegen Mcl'cm« Äll's Reich. UI. » 1l4 zu arbeiten. Denn dem Wein räume ich, wie man schon weiß, in heißen Ländern die größte hygia'ische Kraft ein, doch immer nur insofern man selbst Neigung zu seinem Genuß fühlt, und vielleicht auch früher daran gewöhnt gewesen ist. Mein Hauptprincip blieb immer: dem Impuls der Natur zu folgen, und die Lehre: in jedem Lande sich nach der Lebensart der Eingcbornen zu richten — als höchst pcrniciös und abgeschmackt zu betrachten, wcnn man sie nicht wenigstens, sowohl dem ersten Grundsätze, als auch der Rücksicht auf lange Gewohnheit gänzlich unterordnet. So verlangte es wenigstens meine Constitution und jeder ihr gleichenden werden meine Nachschlage gewiß wohlbckommen. Eben so glaube ich auch, daß, wer sich sorgfältig vor Erkältung hütet, möglichst frische und gesunde Nahrung genießt, und seine Augen häufig mit frischein Wasser wäscht, gewiß keine Ofthtalmie in Aegpptcu zu befürchten hat, und schreibe die tödtlichen Fieber während der Regenzeit im tropischen Anna immer nur Vcr-kältung und deren Wirkung auf den Magen, oder dem Genuß giftiger Insekten in faulem Wasser zu. Wie ganz sorglos aber grade die Einwohner dieser N5 Länder, welche man nachahmen soll, gegen Beides sind, hatten wir täglich Gelegenheit zu beobachten. Auch werden sie, so gut als die Europäer, fortwährend die Opfer davon. So wie der Mond über den Fclsenspitzen sichtbar ward, setzten wir unsere Reise fort, inarschirtcn vier Stunden lang über eine weite Plaine, und benutzten dann die Zeit zwischen Mondcsuntcrgang bis Sonnenaufgang zu einigen Stunden Schlafes. Wir hatten nach diesem Nuhcpunkt crst cnn' geringe Strecke von neuem in der Morgenkiihlc zurückgelegt, als wir mit Verwunderung die Kamcele unsrer Caravanc, die nach unsrer Rechnung schon auf der Station angekommen scpn sollten, in der Ferne über einen weiten Raum zerstreut, vor uns erblickten. Vald darauf sahen wir im Sande mehrere einzelne Lagcrsvurcn derselben, nnd daneben Scherben von Glaslaternen und Flaschen, zerbrochenes Por-ccllain, einzelne Kistenbretter u. s. w., die uns das Uebclstc prophczeihtcn, was leider auch bald die vollständigste Bestätigung erhielt. Kurz vor Mitternacht hatten die Karavanm-führcr neben einer Vichheerde naher Dorfbewohner 8" lift angehalten, um etwas zu rasten und sich mit Milch zu erfrischen, als dic Heerdc von einem Löwen, den man uns als von ungeheurer Große schilderte, attakirt wurde. Glücklicherweise zog das Naubchicr einen fetten Esel und eine Kuh der Araber — wovon er den ersten mit hinwegnahm und die zweite nur zerriß — unsern Kamcelen vor, doch diese rannten nun in rasender Furcht davon, viele warfen ihr Gepäck zur Erde, andere stürzten, und es dauerte mehrere Stunden, ehe man sie sämmtlich wieder einsangen, die zerstreuten Kisten und Säcke sammeln, das Zcrbrochne nothdürftig zusammenbinden, und das einzeln auf dem Voden Liegende von nencm einpacken konnte. Unser Verlust an den nöthigsten Dingen, wie an vielen andern, die uns der Lurus fast zugleich nöthigen gemacht, war höchst empfindlich, selbst mehrere der Wassersäcke, die wir mit dem Inhalt des letzten Vrunncns frisch gefüllt hatten, waren zerplatzt, und fast unser ganzer, so sorgsam geschonter Vorrath an Wein, Nqucurcn, Ocl, Essig u. s. w. hatte nutzlos den Wüstensand getränkt. Der Leser mag in seiner behaglichen Nuhe über eine solche Begebenheit nur lächeln, für uno war es beim Il7 Himmel cine tragische Scene, welche hicr so unerwartet die Strahlen der tropischen Sonne beleuchteten, während wir ans den nahen Bergen noch das Gebrüll des Ungeheuers zu vernehmen glaubten, das uns diesen bösen Streich gespielt hatte. Genöthigt jetzt bei der Karavane zu verbleiben, deren Schneckcnschritt weit mehr als das rascheste Reiten ermüdet, erreichten wir erst gegen cilf Uhr während der beschwerlichsten Hitze das Fclsenthal von Iackdull. Herr Nü'ppcl, der es, wie schon erwähnt, mit seiner gewöhnlichen Namcnvcrdrchung „Gckdub" nennt, placirt es anf seiner Karte mehr als einen Tagcmarsch zu weit westlich, was ich in mehreren spätern Karten genau eben so copirt finde. So erbt sich auch der Irrthum „wie einc ew'ge Krankheit fort" und es ist Pflicht, ihn zu berichtigen, selbst für den Ungelchrtcn, der doch an Ort und Stelle durch den Augenschein oft der Gelehrtere wird. Herr Nüppcl, der, glaubeich, nicht selbst hicr war, spricht ferner von einem tiefen See in der Mitte des Thales. Dies müßte in der Regenzeit gewesen seyn. Jetzt befand sich nur am Ende desselben eine sehr merkwürdige Grotte, die zu jeder Zeit mit 1l8 Wasser von beträchtlicher Tiefe angefüllt ist. Wir fanden dies Wasser von lauer Temperatur, und seine Oberfläche ganz mit grünem Schlamm bedeckt. Der sich ^darüber wölbende Theil der Grotte ist prachtvoll, und zugleich eine wahre Natmmcrkwür-digkcit zu nennen, da die untere Hälfte des Gewölbes bis zur Mitte aus Porphyr und die obere, wie abgeschnitten und genau darüber gefügt, aus Granit besteht. Man sieht, daß in den dunkleren Theilen der Höhle noch andere engere Vertiefungen in das Innere des Felsens führen, die sich weit hinein erstrecken sollen. Dieser Felsen, der einige hundert Fuß hoch ist, bildet auch auf seinem durchlöcherten Gipfel verschiedene natürliche Cistcrncn, die uns vortreffliches Trinkwasscr lieferten, und mehrere Spuren an der Grotte selbst zeigten, daß in der Regenzeit ein ansehnlicher Wasserfall sich in sie ergießen muß, durch daS Uebcrschwellcn der obern Cistcrncn veranlaßt, deren Inhalt sich dann am Boden der Grotte in solcher Tiefe sammelt, daß er nie mehr austrocknen kann. Das Thal selbst, rings von Felsen umgeben, ist jetzt ohne Spur eines Wasserbehälters, und mit Steinen von vcrschicdncr Größe übersäet, 119 zwischen denen viele Bäume stehen, die noch jetzt ihr volles 5!aub beibehalten hatten, was es für uns zu einem doppelt angenehmen Lagerplätze machte. Außer mehreren ansehnlichen Ercmplarcn der hier so häusigen Akazien- und Mimosengattungen bemerkte ich auch in großcr Anzahl eine ganz verschiedene Art dcr letzteren, dercn zierliche Gestalt, als sey sie von einem altsranzö'sischcn Gärtner zugeschnitten, vollständig die Form eines ausgeschweiften Kelchglases mit dünnen, Fuße darstellte. Außerdem fand sich cmc schöne Prunuoart vor, die unserem wilden Apfclbaume glich, und die wir auch schon früher cinigemalc in dcr Wüste angetroffen hatten. Nach dem erlittenen Desaster fanden wir es für gut, noch einen Tag länger hier zu verweilen, und erfreuten uns wahrend desselben einer nebligen Witterung, wo dic Sonne den größten Theil des Tages über nicht in rother, sondern blaßblancr Farbe, und ohne Strahlen zu werfen, am Himmel sichtbar blieb. Ein sanfter Ostwind wehte dazu, dcr die angenehme Kühle von 24 Grad Reaumur herbeiführte. Dies stählte unsre Nerven nnd gab neue Kräfte zur Er-tragung fernerer Strapazen. Gegen Abend langten 120 mehrere Reisende aus Kartum mit ihrem Gefolge, so wie eine Kamccl- und eine Nindvichheerde aus dem Sennär an, mn von dem Wasser dcr Grotte ihren Theil zu nehmen. Einige dcr Zuchtochsen dieser Hcerdc waren von der größten Schönheit, besonders zeichnete sich einer derselben, von kohlschwarzer Farbe mit weißer Schwcifspitzc, aus, dcr mir das wahre Modell ciucs göttlichen Apis der Vorzeit verbildlichte. Außerdem kamen auch regelmäßig früh und Abends alle Hccrdcn der Umgegend Zum Tränken nach dem Thalc, so daß es unsrem Lager nicht an mannichfachcr Belebung fehlte. Ich hatte meine Residenz in einer kleinen Höhle aufgeschlagen, die sich in halber Höhe des Fclscnkranzcs befand, welcher das Thal umgibt, uud von wo ich, wie ans einer Theaterlogc, die wechselnden Bilder unsers Bivouaks mit cinemmalc übersehen konnte, ein ganz eignes Schauspiel in dcr seltsamsten Beleuchtung einer himmelblauen Sonne und phantastisch darüber rollender Nebel. Mir gegenüber vertiefte sich bis in undurchdringliche Nacht die mystische Grotte, an deren grasgrüucm Wasserbecken ein großes Feuer emporloderte; unter mir überschaute ich 121 das ganze Steinthal mit seinen eleganten Bechcr-mimosen, zwischen denen alle die verschiedenen hier anwesenden Thiere, Pferde, Kamccle, Esel, Rindvieh, Ziegen und Schaafc, umhcrwandelten ober im Schatten ausgestreckt lagen. Abwechselnd warb ich neben ihnen bald eines nackten Negers, oder eines Arabers in seinem weißen Gewände gcwal)r, die mit Verwunderung die Amciscnthätigkeit unserer Europäer betrachten mochten, von denen der eine eben sich bemühte, einen der großen Adler zu schießen, welche cmf den hiesigen Felsen horsten und viel scheuer als die Gcicr sind, der andere «ans tnym, eine der reisenden Kühe ans dem Scnnär cin-sing, um sie zu unsrem Thee zu melken, ein dritter von Kessel zu Kessel schritt, um, den Kochlöffel gleich einem Scepter in der Hand schwingend, seinen wichtigen Functioncn obzuliegen, und der vierte endlich im grün und gelb vegetirenden Pfuhle der Grotte nmherschwamm, deren kühlendes obgleich schmutziges Bad er, unter dem Schutz ihrer unsichtbaren Nymphen, allem übrigen vorzog. Da wir noch einen Marsch von zwölf deutschen Meilen bis zum nächsten Brunnen zu machen hatten, 122 und daher die Distanz lieber mit abwechselnden kurzen Ruhestunden auf einmal zurücklegen wollten, als einen ganzen Tag lang ohne Wasser unterwegs zu lagern, (denn der größte Theil unserer Schlauche war durch die traurige Avantürc mit dem 5!öwcn zum ferneren Wasscrhalten untauglich geworden), so verließen wir Iackdnll am 46tcn schon um fünf Uhr Nachmittags, und ritten dann in einem Strich sechs Meilen weit durch eine endlose Ebene, die nur hie und da wenige vertrocknete Bäume und Binsen auswies. AIs die Nacht einbrach, stand des Mondes Sichel schon bell am Himmel, und unsre beiden schwarzen Führer begrüßten ihn durch einen recht wohlklingenden Gesang, der mir besonders dadurch auffiel, daß dies die ersten afrikanischen Sänger waren, welche ich nicht durch die Nase, sondern wie Europäer mit voller Bruststimme singen hörte. Die Melodie war heiter, ich möchte sagen tändelnd, und nicht ohne Anmuth. Es wird zum Vehuf eines anschaulichen Lokalbildcs dienen, diese beiden Eingcbornen hier mit wenigen Zügen zu schildern. Der älteste von beiden war ein gedrungen gebauter, kleiner Mann von ohngcfa'hr 35 Jahren, 123 der uns schon von Meravi an begleitet, nnd von uns wegen semer furienartigen CoiMrc den Namen „des Waldteufels" erhalten hatte. Dickes pechschwarzes Haar, das er ohne alle weitere Kopfbedeckung trägt, hängt ihm von allen Seiten bis über die Schultern wie Schlangen herab, und vermischt sich mit einem gleich üppigen und gleich schwarzen Barte, der auch nicht viel weniger lang ist. Schlohweiße große Zahne, die fast immer sichtbar bleiben, und brennende kleine Augen schauen ans dem runden Gesichte hervor, das in seiner Un-gewaschcnheit die Farbe eines von Nuß geschwärzten alten kupfernen Kessels hat. Brust und Schulterblätter sind so hervorstehend und so fleischig, daß sie auf die seltsamste Weise, vorn wie auf dem Rucken, die wiederholte Form eines weiblichen Vu-seus präscntircn; die Veinc dagegen mit den dicken Knieen sind äußerst mager und fast ohne Waden, ein Fehler, der bei den Arabern häusig, bei den Barabra's, Dougolcscn und den hiesigen Einwohnern aber fast allgemein ist. Füße nnd Hände zeigen sich wohlgcformt, wie es ebenfalls bei den meisten der Eingcbornen stattfindet. In jeder Backe sind 124 unsrem Freunde fünf tiefe, parallel laufende Linien eingebrannt, was theils als Zierde, theils als Präservativ gegen Krankheiten dienen soll. Zu diesem letzteren Zwecke trägt er auch noch am rechten Arme ein Bracelet von Leder mit einer Kapsel aus gleichem Stoss, die ein geschriebenes Amulet verschließt. Am linken Arme bildet den Pendant zn diesem Schmuck cm mcfferartiger Dolch, und über der Schulter hängt, so wie wir die Jagdgewehre tragen, an einem kurzen, breiten Niemen ein Schwert mit eisernem Krcuzesgriff. Man versicherte mir in Kartüm, daß diese hier sehr allgemeinen Waffen in Holland verfertigt würden, und einen bedeutenden Handelsartikel fiir die hiesigen Länder ausmachen. Die europäische Arbeit war wenigstens nicht daran zn verkennen. Außer einem kleinen Leinwandschurz um die Lenden geht unser Original, gleich seinen Landslcutcn, völlig nackt, und nur höchst selten schnallt er sich dünne Lcdersandalcn an, oder schlägt ein Tuch um den Kopf. Dafür sind Körper und Haare mit Fett fortwährend wohl eingcschmiert, und er ermangelt nie, nach der Mahlzeit der Diener, an der er sonst nur wenig Theil nimmt, den Nest 525 des Fettes oder der Butter, welcher m der Schüssel zurückbleibt, sorgsam auszukratzen, um ihn als kostbare Salbe für sich zu benutzen. So ekelhaft uns dies erscheinen mag, so befriedigend ist doch das Resultat, denn es hält die Insekten gänzlich ab und gibt der Haut des Körpers die größte Schönheit. Ich sah nie in Europa eine Frau, deren Haut am ganzen Körper einen so wundervollen matten Glanz, eine solche fleckenlose Ebenheit und cinc solche Sammtweiche gehabt hätte, als hier fast allgemein bei Männern und Weibern angetroffen wird. Dazu gestehe ich, daß mir die röthlich schwarzbrauncn Nuancen von allen Mcnschcnfarben als die schönsten erscheinen, weiß dagegen mir jetzt immer wie krankhaft vorkommt, das Negerschwarz aber wie verbrannt. Wenn die Sonne auf den Nacken eines Individuums von jener gerühmten Farbe scheint, so glaubt man einen dunklen Scidenfior über Goldplattcn ausgebreitet zu sehen, und Atlas wie Sammt fassen sich hart dagegen an. Ich für meine Person zweifle daher auch nicht —. da die Bibel sich nicht deutlich darüber ausspricht — daß Adam im Paradiese diese Hautfarbe, als die normale, besessen haben müsse, !2tt und seitdem erst seine nordischen Kinder von Kälte, Kummer, Noth und zn vielem Nachdenken blaß geworden, die südlichen aber von der glühenden Sonne, wie im Ofen, schwarz gebeizt worden sind. Des Habib-Allah (dieser Name ist wörtlich unser deutsches „Gottlieb") Fassungskraft war weit schwächer alo sein Körper, und seine Seele wahrscheinlich auch weniger schön als scinc Haut. Oft war es schwer, nicht ungeduldig über sein Benehmen zu werden. So ist es eine, zwar im Grunde unnütze, aber bei einer beschwerlichen langen Tonr doch gewissermaßen erleichternde Sache, (ohngefahr so wie das Schreien beim Schmerz,) zu fragen: ob man noch weit bis zum Ziele habe, ob die Hälfte, das Drittel des Weges zurückgelegt ftp; wie vicl Stunden uoch durchritten werden müßten u. s. w. Alle diese Fragen konnten Habib - Allah nie verständlich gemacht werden, und seine Antworten blieben immer ganz unbefriedigend, weil er unter „weit" nur das zu verstehen fähig war, was eine ganze Tagereise oder darüber umfaßte; unter »nahe", was keine ganze Tagereise betrug, cinc Sondcrung des Weges aber in verschiedene kleinere Abtheilungen 127 oder gar eine Berechnung nach Stunden durchaus nicht zu begreifen vermochte. Frug man ihn, auf entfernte Verge oder einen andern Gegenstand hinweisend: Liegt der Ort, nach dem wir gehen, vor oder hinter diesem Verge? — so konnte man keine andere Antwort von ihm erhalten als: »Der Ort, wo wir hingehen, liegt vor und nicht hinter uns." Ucbrigens war er stets guter Laune und Alles ihm recht. Indolenz und Heiterkeit scheinen wahrlich die Grundziige des Charakters aller seiner Landsleute zu sepn. Gutmüthig und dienstfertig, mit scharfen Sinnen begabt, fast ohne Bedürfnisse, und gegen Alles abgehärtet gleich den Thieren, mit der kleinsten Gabe begnügt, und die geringste Gunst des Schicksals als ein Glück ansehend, scheinen sie völlig zufrieden zu leben, ja sie genießen vielleicht so die einzig mögliche, wahre Freiheit. Denn nur wer für sich selbst nichts, und folglich auch keinen Andern braucht, mag sich mit Nccht frei nennen — welche Galeerensklaven aber sind wir unglückseligen Europäer in dieser Hinsicht! Wir spürten es in den letzten Tagen dieser Wüsteureise, wo wir sämmtlich auf etwas Ncis 128 ohne Zuthat und verfaultes Wasser reducirt blieben, was uns Herren niedergeschlagen und mißmuthig, alle unsere europäischen Diener aber widerspenstig und nachlässig machte, während diese glücklichen Menschen von alle dem gar nichts bemerkten, da jede Temperatur ihnen gleichgültig, jedes Wasser ihnen recht, und ein Bißchen angefeuchtetes Mct)l zur Nahrung schon ganz hinlänglich war. Habib-Allah'S guter Humor ward dabei oft noch so überfließend, daß er vom Kamecl herabsprang und, ohne unsern Marsch aufzuhalten, in der fürchterlichsten Hitze neben den Thieren herlaufend, zugleich mit gezogenem Schwerte cincn Wasscntanz ausführte, dessen groteske Sprünge und linkische Kö'rpcrvcr-drchungcn auch den Verdrießlichsten zum Lachen bringen mußten. Je mehr wir aber über ihn lachten, desto zufriedner und geschmeichelter fühlte cr sich selbst. Unser zweiter Führer, den wir erst von Magaga aus angenommen hatten, war von etwas vcrschiedncm Schlage, und eine Art Dandy unter seinen Landsleuten, weit aufgeweckter als Habib-Mah, obgleich nicht scharfsichtiger in intellektueller Beziehung, aber 129 gesprächiger, noch mehr zum Scherz geneigt, und besonders viel eitler. Dies zeigte sich schon in seiner Tracht, denn außer seinem weit zierlicheren Schurz, Dolch und Amulet trug er auch noch Glasperlen in vielen Farben um mehrere Theile des Körpers gewunden. Seine Haare waren, wie die der Weiber, in hundert Flechten gedreht, und an der Mitte des Halses in gleicher Länge sehr accurat abgeschnitten. Um diesen sorgfältigen, altägyptischcn Kopfputz fortwährend in bester Ordnung erhalten zu können, stak immer eine starke Binse hinter seinem rechten Ohr, wie bei uns die Comptoirschrcibcr ihre Schrcibfcdcrn zu placircn pflegen. Wenn er nicht sprach, so sang er, trotz dem, daß er fast den ganzen Weg zu Fuß neben uns herlaufen mußte, während Habib-Allah öfters ritt, und ihm nur selten auf eine halbe Stunde lang den Platz auf seinem Dromedare einräumte. Beide vertrugen sich übrigens auf das Beste, obgleich Habib-Mah, wahrscheinlich als der Acltere, immer den Ton einer gewissen Superiority gegen seinen Gefährten beibehielt. Wir konnten erst am 17tcn Nachts um cilf Uhr den ersehnten Brunnen Abadlech erreichen, die Thiere Mcycnied ^U'ö Äcich. Hl, 9 ,30 waren fast erschöpft, und wir selbst todtnmbe. Man nennt bekanntlich das Kamccl „das Schiff dcr Wiiste," und ein berühmter Reisender behauptet, daß anch die Bewegung des Dromedars der eines Schiffes gleiche. Dies finde ich so nngegründct als möglich. Im langsamen Schritt desselben wird man zwar allerdings vorwärts und rückwärts geschaukelt, aber so unsanft, daß es mit dcr Bewegung eines Schisses auch nicht das Mindeste gemein hat. Im Trabe aber stößt das Thier so gewaltig, daß auf langen Touren die Folge dieser anhaltenden Erschütterung bei den Meisten ein permanentes Kopfweh hervorbringt, welches sich erst nach einigen Stunden Nuhe wieder verliert. Für Hppochondristcn mag jedoch die Bewegung heilsam seyn, denn dcr ganze Körper wird durchschüttelt wie ein Mehlbcutel in dcr Mühle. Dazu kommen noch die höchst unregelmäßig construirtcu Sättel, deren üble Wirkung auf die Sitzthcilc man durch alle aufgebundne Kissen und Teppiche doch nicht gänzlich aufbeben kann. Auf meinem Dromedare, einem schönen Thiere, das aber fast einem Elephanten an Größe gleichkam, saß ich über dem Gerüste meiner Kissen gerade so hoch, als 131 auf dem Bocke einer englischen »ta^o c<»«cd. Der Eigenthümer wollte diesen Dromedar, welcher einer besondern Ncnomnwe in der Gegend genießt, durch-ans nicht hergeben, als der Kaschcff die nöthigen Thiere für mich in Mcravi rcqnirircn ließ, (Requisitionen, die nicht verweigert werden dürfen, die aber das Gouvernement bezahlt,) bis eine Votschaft des Kascheff, welche dem Widerspenstigen lakonisch andeutete: in einer Stunde deinen Dromedar, oder deine Ohren und Nase — die Wahl nicht länger zweifelhaft ließ. Man erschrecke nicht zu sehr über diese Tyrannei. Die Redensart des «Ohren- und Nascabschneidens" ist seit Mehemed Ali's Regierung bicr eben so gut nur figürlich geworden, als bei uns etwa die Drohung: Einem das Fell über die Ohren zu ziehen. Die erste Phrase bedeutet hier nur einige Kurbalschhiebe, welche eine Sache kurz abmachen, statt deren dem armen Teufel bei uns vielleicht ein Prozeß an den Hals geworfen wird, der tausendmal länger dauert uud schweres Geld kostet — Beides dem Araber viel empfindlicher als seine Haut. Das Arbitrairc der Ncqmsitionomaß-regel aber selbst betreffend, so haben wir auch dabei 9- 132 in unsrem Vaterlandc nichts voraus; denn wenn man unsern Gutsbesitzern, Pächtern und Bauern ihre Pferde, gegen die schwächste Vcrgütigung, zur Landwehrübung wegnimmt, nachdem man die Menschen schon vorher ohne diese abgeholt hat — was ich übrigens keineswegs tadeln will, da es eines sehr löblichen und gemeinnützigen Zweckes wegen gcschicht — so sehe ich doch in beiden Ländern hinsichtlich des Zwanges wenig Unterschied. Gewalt herrscht im Grunde hier wie dort, nur daß sie bei uns so methodisch organisirt ist, daß selbst der Gedanke eines Widerstandes unmöglich wird, während hier noch häusig ein solcher versucht wird, und nicht selten sogar der Einzelne damit ungestraft durchschlüpft. Welt ist Welt und die Hauptsachen verändern sich überall wenig — das unbestreitbarste Recht wird immer das des Stärkeren bleiben, und eben so wird der alte französische ^pnikcr Recht behalten: „<4u'il ) «uiu w^'onl'8 et partout kelnl-culip l1n Zeitungen „ach hat er sie jetzt verboten, ich zweifle aber ai, dcv Äin'fühning dec> Aefchlö dinch die Untergebnen, und selbst au der ganzen Auftichtigkeit desselben '^>: »bcn. 152 für ihn als Herrn doch direkt jmchr auf scinc Stellvertreter übergeht, dic mehr gefürchtet werden, und von dcncn mehr gehofft wird, ebcn weil sic an Ort und Stelle sind, und Mehcmcd Ali fern. In Kartüm und in Kordosan sind in dieser Hinsicht seine Gouverneure mächtiger als cr, und er muß, so lange sie diese Posten bekleiden, um so behutsamer mit ihnen umgehen, um sich vor ihrem Abfall zu sichern, besonders seit sein Stern durch europäische Einmischung so schr erblichen ist. Hier müssen die Folgen davon doppelt bedauernswert!) werden, da so unendlich viel hier zu thun, so viel Elend und Barbarei hier zu mildern, und so viel neues Glück, Wohlergehen, ja Reichthum geschaffen werden könnte, wenn Volk und Land nur cim'gcr-maßcn eivilisirt würden. Dic gebrochnc Macht Mehemcd Ali's kann d''cs nicht mehr unternehmen. Mein Dragoman war am Abcnd bedeutend krank an cincm entzündlichen Fieber geworden, was mich nöthigte, einige Tage hier zu verweilen, doch haben ihn einige Aderlässe und Senfpflaster schon wieder auf den Weg der Besserung geführt. Während dieser Zeit langte ein Voot unter englischer 153___ Flagge hier an, auf dcm sich Herr Doktor Holroy befand, cin junger Mann, der scit einen: Jahre diese Gegenden bereist, und jetzt aus Kordofan zurückkehrte. Dies war eine angenehme Diversion und mehrere Stunden vergingen mir sehr angenehm in der Unterhaltung mit diesem unternehmenden und gebildeten jungen Mann. Er führte eine sehr vollständige Waffcnsammlung mit sich und erzählte viel Interessantes ans Kordofan. Unter andern von einem freien Stamme der Schallic-Araber zwischen Scnnar und Korbofan, wo die Sitte herrsche, daß sich die meisten Weiber nur mit dcm Beding vcr-hcirathcn, dcu vierten Tag frei zu haben, d. h. an diesem Tage über ihre Person nach Gutdünken verfügen zu dürfen. Sie bekommen in diesem Fall bei der Hochzeit cin förmliches, schriftliches Attest ausgefertigt, das sie demjenigen, den sie an ihrem Frei-Tagc zu begünstigen beschließen, für die Dauer des Tages einhändigen, wodurch er gesetzlich befugt wird, so lange in des Mannes Rechte zu treten. Bei der Hauptstadt Lobcid (nicht Obeid, wie auf den Karten steht) gibt es einen andern seltsamen Gebrauch. Viele Weiber und Mädchen 154 vereinigen sich, um einzelnen Reisenden aufzupassen, und verlangen dann, sie mitten auf der Straße umringend, einen Backschis von ihnen, wogegen dem Reisenden das Recht gestattet wird, sich Eine aus dem Trupp zum Ersatz seiner Spende auszulcsen. Versagt jedoch der Reisende den Handel einzugehen so fallen die Damen gemeinschaftlich über ihn her, und applizircn ihm, statt ihrer süßen Gunst, und nach dem Maßstab ihrer größeren odcr geringeren Irritation, 25» bis 50 sehr ernstliche Argumente a putitei'im'i. Herr Holroy liiclt dies anfänglich für eine bloße Fabel, als er aber eines Tages den Gouverneur auf seinem Landhause besucht hatte, und erst spät Abends mit einem jnngcn Führer, der zu Fuß neben ihm herlief, zurückritt, ward er selbst von dieseu weiblichen Wegelagerern überfallen. Er für seine Person schützte sich leicht, da er zu Pferde war, aber der junge Führer ward gekapert, und da er sich durchschlagen wollte, niedergeworfen, festgehalten, umgedreht, und wäre seinem traurigen Schicksale nicht entgangen, wenn nicht in dem Augenblick ein Trupp Soldaten von Lobeid des Weges angezogen gekommen wäre, bei welchem Anblick die Weiber ihren laut um 155 Hälfe rufenden Gefangenen losließen, und unter Lachen und Schreien in die Gebüsche entflohen. In Lobcid wirb nicht nnr alles todte Vieh, sondern selbst die gestorbenen Sklaven, zum ruhigen Verfaulen in der Luft, auf die Straßen der Stadt geworfen. Der dadurch entstehende gräßliche Gestank scheint fiir die Eingcborncn weniger Unannehmlichkeiten zu haben, als die Mühe, die Cadaver fortzuschaffen. Lobeid ist der ansehnlichste und volkreichste Ort im Sudan unter ägyptischer Hoheit. Es zählte mehr als 20M0 Einwohner, die jedoch meistens nur in Toguls, zeltartigen Rohrhüttcn von eleganter Form, wohnen. Die Vornehmen allein haben Lehmhäuser, wie hier. Das ganze nördliche Kordofan ist eine unabsehbare Savanne, mit Akazien und Mimosen bedeckt, theils vereinzelt, theils zu Wäldern vereinigt, voll Giraffen, Herden von Straußcu und einer Menge sehr verschiedener Antilopen. Alluvialsand mit ergiebigem Hascueiscnstein, den die Einwohner schmelzen und sehr gute Waffen daraus fertigen, deckt überall das Land. Einzclustchcndc Verge lagern 156 sich umLobcid, dcrKurbatsch, elKordofan, Abugher:c. sämmtlich aus jüngerem Granit, dem herrschenden Gestein von Mittcl-Kordofan, der Granwacke parallel. Löwen, Panther nnd Leoparden sind häufig. Den Viehrcichthum ini südlichen Sennär und Kordofan schilderte Herr Holrop als außerordentlich. Picle Einwohner besitzen Hcerden von mehr als 10,000 Stück, welche sich alle auf dcn Savannen nähren, was einen bedeutenden Wasscruutcrgrund beweist. Ucbcrhauvt meinte der Doktor, daß diese Länder zn dcn reichsten Afrika's gehören könnten, wenn nur ein Kanal von Dschebcl-Moigl am Vahr-el-Asrack nach dem weißen Nil gegraben würde, was nicht die mindeste Schwierigkeit hätte. Es würde dann zwischen diesen beiden Flüssen bis Kartnm hin ein Delta, noch üppiger als Itntcrä'gyptcn, gewonnen werden. Hier wäre in der That die wahre Goldgrube für Mehcmed Ali zu finden, wo er durch den Anbau von Baumwolle, Zuckerrohr, Indigo, Senna (die schon jetzt dort überall wild wachse) und der meisten screalien ungeheure Nevenücn für sich hervorrufen könne. 157 Ich selbst überzeugte mich später vielfach von der Wahrheit dieser Behauptung. Ueblc Nachrichten brachte Herr Holrop von der Abvssinischcn Grenze, wo die Truppen des Vice-königs bei der jährlichen Sklavenjagd das fremde Territorium nicht respektirt und große Erccsse begangen hatten. Als nun die Beschwerden der Abys-sinier kein Gehör fanden, und dieses Jahr von neuem 2000 Mann der Trnppcn des Gouverneurs von Kartüm ihr gewöhnliches Geschäft begannen, kam ihnen eine Armee von 30,000 Abyssinicrn entgegen, maffakrirtc 1200 der Aegyptischcn Soldaten, und nahm die übrigen nebst dem Commandircnden und dem Nest der Ofsiciere gefangen. Sie haben jetzt eine Liste aller Gefangenen eingeschickt und den Auslösungspreis für Jeden bestimmt, widrigenfalls sie drohen, in einer angegebenen Zeit die Unglücklichen sämmtlich zu Eunuchen zu machen. Dies ist überhaupt hier sehr Mode. So befindet sich in Folge einer früheren Revolution in Darfnr ein Bruder des dortigen Kaisers als Flüchtling in Lobeid, wo er anf Kosten Mehcmed Ali's zu einer passenden Gelegenheit aufgehoben, und so lange standesmäßig 15s ernährt wird. Außerdem abcr treibt dieser Prinz noch einen sehr einträglichen Handel mit — jungen Eunuchen. Seine Hoheit geruhen sogar, nebst seinem Herrn Sohne, zu ihrem besondern kaiserlichen Zeitvertreib den größten Theil der dazu nöthigen Operationen selbst zu verrichten. Diese Operation findet folgendermaßen statt. Das beklagcnswcrthc Opfer (meistens Kinder) wird in frischen Sand ein-gcgraben. Blos der Kopf und die zu operircnden Theile bleiben frei. Die letztern werden dann durch einen Messerschnitt vollständig vom Körper getrennt, und die Verblutung durch schnell darüber gegossenes — siedendes Blei gestillt. Nach 40 Tagen ist Alles wieder geheilt, und es muß uns fast unbegreiflich scheinen, ist abcr vollkommen wahr, daß trotz dieser barbarischen Behandlungswcise in der Negcl kaum Zwei von zwölfen daran sterben. Noch schauderhafter als dies war es mir, von Herrn Holrop zu hören, dast kürzlich ein Europäer, der den Sklavenhandel dort als Spekulation treibt, dem Sultan fünfzehn von ihm erkaufte Kinder zur Operation mit dem Beding verhandelte, daß ihm, statt des Geldpreises, fünf davon als Eunuchen, gesund und 15» völlig hergestellt zurückgcwährt werden müßten. Auch in Obcrägyptcn gibt es zwei christliche (koptische) Klöster, deren Hciuptrevclmc aus dem Verfertigen von Eunuchen gezogen, und dies so sehr ins Große betrieben wird, daß fast ganz Acgppten und ein Theil der Türkei von dort aus versorgt wird. Im Uebrigcn werden in Kordofan die Sklaven, wie überall im Orient, keineswegs grausam von den Eingcborncn behandelt, doch sah Herr Holroy (aber wiederum bei einem Europäer) zwei Männer, denen, wegen versuchter Flucht, die Nasen abgeschnitten worden waren. Dergleichen ist schrecklich, dehnt sich aber nicht blos auf Sklaven aus, da überhaupt in diesen noch ganz wilden Ländern jeder Besitzer mit seinen Untergebenen fast schalten kann, wie er will. Herr Holrop war noch entzückt von den gemachten Jagden, von denen er mehrere Trophäen mitbrachte. Außerdem führte er auch mehrere Sklaven, ein Mädchen und fünf Knaben, mit sich, so wie sechs merkwürdige Ziegen aus Kordofan, den Stcinböcken ähnlich, und so bunt wie Ostereier, roth, schwarz, weiß und rehfarben gesprenkelt odcr marmorirt, graziöse Thiere, viel hübsckcr in ihrer Art, als ihre 160 menschlichen Kameraden. Auch Herr Holrop beklagte sich über die Unzuverlässigkcit aller in Europa heraus-gekommencn Karten des Nillanbes. Er wär selbst wit der Anfertigung einer neuen beschäftigt, und hatte bereits auf der besten englischen von Arrow-smith über 300 falsche Namen und einige 90 falsche Nilbiegungcn corrigirt. Es war für meinen tranken Dragoman scl)r ersprießlich, daß ihm liier ein europäischer Doktor wie ein Ocnx ev »nn<:l»,'l>l» zu Hülfe üim, sonst hätten wir vielleicht noch lange hier verweilen müssen. Vci dieser Gelegenheit erzählte Herr Hol-roy, daß er selbst am klimatischen Fieber tö'dtlich krank gewesen, sich im Anfang selbst zu curiren versucht, aber vergeblich, bis er sich endlich entschlossen, sich blindlings einem einheimischen Fali zn übergeben, der ihn auch mit einer „Höllcncur," wie er sich ausdrückte, binnen acht Tagen glücklich geheilt. So verging mir die Zeit angenehmer, als ich hoffen dnrftc, durch die reichhaltige Unterhaltung des englischen Doktors, und obgleich ich mich selbst fast eben so unwohl fühlte, als mein Dragoman, besonders aber an einer höchst peinigenden Abge- ___161___ spannthcit des ganzen Nervensystems litt, so benutzte ich doch meine Muße noch anderweitig, namentlich, um Schendy einigemal zu besuchen. Es ist ein trauriger Anblick, den diese Stadt, welche einst an 50,090 Einwohner zählte, in ihrem jetzigen Zustande gewahrt. Noch dehnen sich ihre zerstörten und langst verlassenen Hänser auf allen Seiten gegen die umliegenden Felder aus, welche ebenfalls größ-tcntheils zur Wüste geworden sind. Nur hie und da sieht man noch ein spitzes Strohdach sich erheben, das in der großen Todtcnstadt ein einzelnes bewohntes Hans verkündet, alle übrigen sind dachlos und leer, gleich dem fast in der Mitte des Ganzen stehenden kleinen Lehmpallastcs, in welchem Ismacl-Pascha sein tragisches Ende fand, und wo die vcrräthcrischc Fackel, welche nur die darum her gehäufte Strohbündcl zu ersehnter Nachc anzünden sollte, vom Schicksal bestimmt war, in grauser Folgc eine gan;e große Provinz mit mehr als der Hälfte ihrer Bewohner zu vernichten. Eine eigne Schickung ist es, daß der Schech, welcher die Verschwörung anzettelte und anoführte, mit seinem Sohne aller Straft und Rache gänzlich entging. Mclicmc!) All's Rciä', III. 11 l«2 Er lebt noch unter dcu Arabern dcr Wüste, und Mc-hcmcd Ali hat nic etwas gethan, um seiner habhaft zu werden, ja man versicherte mir, baß sein Sohn schon längst wieder zurückgekehrt scp, und seit Jahren auf einer Insel nicht fern von Mcro« lebe, wo ihn alle seine noch übrigen Anverwandten häusig besuchen, ohne daß die Regierung die mindeste Notiz davon genommen hat. Mchcmed Ali, der ein besserer Politiker ist, als dcr Dcfterdar war, mißbilligte überhaupt dessen Verfahren im höchsten Grade, und hat seitdem Alles gethan, was in seinen Kräften stand, um es vergessen zu machen. Der größte Theil dcr Schechs in dieser Gegend, von denen mehrere zu mir kamen, erhält Iahrgehaltc von ihm ausgezahlt, und dcr Schech Bischir bezicht monatlich 500 Piaster vom Gouvernement, hier eine bedeutende Summe. Daß ich über Ismael-Pascha's Katastrophe nichts weiter erwähne, wird mir hoffentlich Niemand verdenken, da die genauesten Details darüber von jedem seitdem hier Reisenden schon zum Ucberdruß wiederholt worden sind. Die Ruinen von Mesaourat und Gl-Auvatep Es ward mm Zeit, mich zu einer Ercursion nach den Ruinen vou Mesaourat bereit zu machen, obgleich dicsc Tour, weil man sie wegen gänzlichen Wassermangels in der Wüste sehr schnell zurücklegen muß, mit großer Beschwerlichkeit verbunden ist. Zu meiner Sicherheit begleiteten mich, auf Befehl des Gouverneurs, der Emir Bischir selbst, mit acht seiner ausgesuchtesten Leute. Kurz vor Sonnenuntergang verließen wir Kor-schud-Pascha's Pallast, und es war schon dunkel geworden, ehe wir, Schcndy zum letztenmal durchziehend, das Ende dieser traurigen Ruinen erreicht hatten. Bald darauf überzog cin fürchterliches Gewitter den ganzen Himmel mit Rabenschwarze. Von allen 164 Seiten durchkreuzten die Blitze das Firmament, welche dic fahlen Mauern der uns umgebenden Trümmer, von Moment zu Moment mit dem Dunkel abwechselnd, in rothem Feuerschein erglänzen ließen, gleich einer gespenstischen Erscheinung der auflodernden Flammen jenes frühern Brandes, der Schendp für immer verheerte. Uns that jedoch diese Artillerie des Himmels nicht den mindesten Abbruch, da sich aber nachher auch ein heftiger Platzregen zu ihr gesellte, mußten wir im nächsten Dorfe nothgc-drungcn ein Obdach suchen. In den kleinen, wie Backofen heißen, und von Schmutz und Infekten aller Art angefüllten Stuben der Landlcntc war es indeß nicht lange auszuhalten. Ich ließ daher bei einem mühsam angezündeten Feuer, unter dem fortwährenden Rollen des Donners, unsre zwei kleineren Zelte anfschlagcn, die nicht größer als Schilderhäuser sind, und sonst nur den Eingang der größeren bilden. Hier lagerten wir bald ziemlich trocken, während Schech Vischir mit seinen Leuten, Dromedaren und Pferden sich sorglos unter den herabströ-mcndcn Fluthcn im Freien bettete. Dieser mächtige Schech, ein geistvoller und unternehmender Mann, 165 hat cs von Anfang an treu mit dem neuen Gouvcrnc-mcnt gehalten, und ist jetzt cine sciner mächtigsten Stutzen untcr den Arabern, was um so wichtiger ist, da allen übrigen Schechs, die noch immer einige Nancü'ne wegen der Vergangenheit bewahren (und es ist ihnen nicht sehr zu verdenken), ohngeachtct aller scheinbaren Unterwürfigkeit, nicht viel zn trauen scpn soll, eine Verstellung, in der überhaupt alle Orientalen Meister sind. Der Schech Vischir wird, wie ich vom Kaschcff hörte, wegen seiner Anhänglichkeit an die jetzige Negierung, von jenen Häuptlingen bitter angefeindet, und laßt sich daher auch nicht leicht ohne zahlreiche Begleitung untcr ihnen blicken. Nach einigen Stunden hörte der Ncgcn auf und gestattete uns, die Neise fortzusetzen, welche die ganze Nacht hindurch in monotoner Einförmigkeit rastlos vorwärts ging. Gegen Morgen kamen wir, bis jetzt noch immer nicht fern vom Nil geblieben, dnrch einen weitläuftigen Alazicnwald, dessen Väume sich in Folge des fruchtbaren Gewitters der Nacht, wie bei uns im Frühjahr, über und über mit kleinen meergrünen Blättern von einer reizend frischen und glänzenden Farbe bedeckt hatten. Auch die Luft war abgekühlt, I SS ein sanfter Zephyr webte durch die Zweige, und trug duftigen Geruch auf seinen Fittigen. Hier schlugen wir unsern ersten Bivouak in der Nähe eines Dorfes auf. Gleich nach dem Frühstück ging ich mit Ackermann aus die Jagd, nm für weitere Nahrung zu sorgen. Wir erlegten diesmal, außer den so leicht beizukommenden Turteltauben, eine junge wilde Gano für unsere Tafel, und außerdem noch allerlei bunte Vögel, mit der den Menschen erlaubten Grausamkeit, nur um der Schönheit ihres Gefieders willen. Am Nil, dessen Ufer hier ziemlich malerisch und bcbuscht sind, stießen wir in der Nähe von vierzehn gravitätisch fischenden Pelikanen auf ein Krokodil! weiblichen Geschlechts mit seinem, kaum erst drei Fuß langen Sprößling, welcher letztere einen fruchtlosen Schuß erhielt, und dann wie ein Frosch seiner schwerfälligen Mama schleunig ins Wasser nachschlüpfte. Bei unsrer Zurückkunft meldete man mir die Anwesenheit dreier Pilgrimc aus Darfur, die, wie es hieß, auf einer Wallfahrt nach Mctka begriffen sepcn. Es waren sehr gut gewachsene Neger, jeder mit einem langen blauen Hemde nebst Sandalen, die bunte Ledcrricmcn zusammenhielten, bekleidet, und es schienen gewandte Ki7 Leute zu seyn. Sic rühmten einstimmig dic Eigenschaften ihres Sultans, und sagten uns, daß nicht Kobbl- (wie es uns dic geographischen Nachrichten angeben) die Hauptstadt des Ncichs und Residenz des Königs ftp, sondern Tendelti-Tassir, das, auf keiner Karte steht. Kobb«, meinten sie, scp nur die Hauptstadt der Kaufleute, die andere, weit stattlichere und umfangreichere, die Residenz des Herrschers und der Großen. Ihren Aeußerungen nach schien in diesem Lande zwischen Adel nnd Kaufmannschaft eine starke Demarkationslinie gezogen zu seyn. Wahrscheinlich besitzen sie dort noch keine vermittelnden Banquiers. Ihrer Aussage nach ist die Residenz nur eme starke Tagereise von Kobb6 entfernt. Einen großen Fluß, behaupteten sie, gäbe es, so viel ihnen bekannt, in ibrcm ganzen ^ande nicht, aber viel Bache, die in der Regenzeit zu Flüssen würden, und außerdem zahlreiche Brunnen und Zisternen, so daß es nirgends, als in der angrenzenden Wüste, an Wasser fchle. Das ^'and soll reich an Waldungen und fruchtbar seyn. Unter den Gartcnfrüchten nannten sie Orangen, Citronen, Granaten und Melonen nnd andere mir unbekannte Namen, und l«'5 unter den Gemüsen ziemlich die nämlichen, wclchc Sudan nnd Kordofan liefern. Der Sultan habe, fuhren sic fort, seit einigen Jahren, angefangen, den Nizzam einzuführen, welchen cm Weißer befehlige, den der Sultan sehr hoch halte; doch gefalle den Eingebornen dieser Dienst nicht, nnd dic Truppen seyen viel weniger gut drcssirt, als die ägyptischen Soldaten, welche sie in Kordofan und im Sudan gesehen; auch besitze der Sultan einige Kanonen, ohne sie jedoch bis jetzt sehr gebraucht zn haben. Sie hatten sämmtlich viele Amnlctc und Glas-perlcnschnurcn an sich hängen, der Eine aber außerdem noch eine Art Brieftasche, worin sich ein buntes, roh angefertigtes Vild der heiligen Kabba befand, das er zu zeigen anfänglich einige Schwierigkeiten machte. Dieser, welcher der Untcrrichtctstc von den Dreien zu seyn schien, erzählte uns nachher von Vottsstämmen, die in den höchsten Gebirgen ihres Landes wohnten und gar keine Religion hätten, nicht einmal so viel, setzte er hinzu, als ein Dschaur (Christenhunb). Deswegen stellt man auch jährlich regelmäßige Jagden auf sie an, und bedient sich der 169 Gefangenen zu Sklaven, übcr welche, als Kriegsbeute, der Besitzer eine eben so unbeschränkte Herrschaft ausübt, als übcr sein Vieh. Im Ucbrigen scheint die Regierung milde, und nach ihrer Art auch ziemlich gerecht zu seyn. Die Leute lonntcn etwas arabisch reden uud verstanden die Sprache von Kordofan, welche einer der Begleiter des Schech Bischir ebenfalls sprach, der uns daher während der Unterhaltung als genügender Dollmetschcr zu dienen im Stande war. Die Abtheilung der Wüste, in wclchc wir von hicr aus eindringen sollten, und die sich bis zum rothen Meere erstreckt, wird nur von wenigen wandernden Bcduincnstämmcn bewohnt, die blos nominell, und auch dies nur zum Tbcil, unter der Oberherrschaft Mehcmed Ali's stehen, folglich noch alle Reisende als gute Beute ansehen. Die Sicherheit, die man so vollständig in den Staaten des ägyptischen Herrschers genießt, hört also hicr auf, und der Schech Bischir kündigte uns an, daß ein Anfall von Räubern möglich scu, wir daher unsre Waffen in Bereitschaft halten möchten. Zugleich bot er mir an, jetzt meinen Dromedar, auf dem 17U wir Europäer uns immer in einer etwas nnbchülf-lichen Lage befinden, mit seiner, bisher von einem Diener an der Hand geführten, Stute zu vertauschen, was ich dankbar annahm. Gegen fünf Uhr Abends machten wir uns auf den Weg, und erreichten bald eine herrliche Plaine, die, soweit das Auge reichte, mit hohem Vinscngras, nebst Gruppen niedriger Akazien und Mimosenbüschcn bedeckt war; in blauer Feruc vor uns stiegen einzelne, bald spitz, bald tafelförmig, bald gezackt geformte Verge empor, und der Anblick des ganzen Landes bis an ihren Fuß zeigte deutlich, daß einst hier allgemeine Cultur geherrscht haben müsse, deren Spuren, trotz der Austrockuung alter Kanäle und Vcrschüttung der Brunnen, nach Jahrtausenden noch sichtbar blieben. Ich bin daher überzeugt, daß nur ein überall verbreiteter Untergrund von Wasser diese Spuren von Fruchtbarkeit erhalten kann, welche uns noch jetzt umgaben, Sorge und Cultur also dieses weite Land bald wieder von neuem zur Aufnahme einer ansehnlichen Vcvölkeruug tüchtig machen würden. Der Himmel war bewölkt, was die Hitze sehr minderte, dic Nacht aber anch so stockfinster werden ließ, daß I7l nur Araber, nn't ihrem Hundeinstinkt, dcn man füglich ihren sechsten Sinn nennen lönntc, den Weg aufzufinden im Stande waren. Unser Marsch in dieser Dunkelheit, der keiner Karavancnstraßc mehr folgte, sondern quer durch die hohen Binsen ging, hatte bereits einige Stunden angedauert, als unsre Leute plötzlich anhielten, weil jener sechste Sinn — Gott weiß wie — inne geworden wav, daß seitwärts in einem struppigen Gebüsch Menschen lagerten. Der Lieutenant des Schechs rief sie sogleich in die Nacht hinein mit lauter Stimme an, frug, wer sie waren und was sie hier machten? Doch che ich weiter erzähle, muß ich des Schech Vischir's Gefolge kürzlich beschreiben. Es waren ihrer, wie gesagt, nur acht, aber allem Anschein nach höchst zuverlässige Leute, sämmtlich schwarz, wie ihr Herr, stark und mnskulos gebaut, was man nm so leichter beurtheilen konnte, da sie fast nackt waren, und von markanten, aber nicht unangenehmen Gesichtszügen. Eine Binde um dcn Leib, und ein Tuch um dcn Kopf gewickelt, nebst Sandalen an den Füßen, eompo-nirte, außer dcn Waffen, ihren ganzen Anzug. Nur der Lieutenant trug darüber noch eine Art weiter, 172 blauer Blouse, und dcr Schech dcn faltenreichen weißen Mantel mit rothen Streifen eingefaßt, der dcr römischen Toga ganz ähnlich sieht, mit cincm sehr voluminösen Turban von gleicher Farbe auf dem Haupte. Alle ritten weiße Dromedare von dcr ausgezeichneten eignen Zucht des Schechs, dcr scinc größten Besitzungen in Verber hat, wo das Gcbict dcr Tischari-Arabcr beginnt, deren Dromedare an Güte nur denen ans Nedschdi weichen. Sämmtliche Leute waren sehr vollständig nach Lcmdcsart bewaffnet, d. h. Jeder hatte einen Wurfspieß, ein großes ovales Schild aus Krokodill- oder Hippopotamushant, durch das nur eine Vüchsenkugcl dringt, einen Dolch am Oberarm befestigt, und ein langes grades Nittcrschwcrt mit dem Griff in Krcuzcsform über die Schulter gehangen, wie ich es schon früher beschrieb. Flinten scheinen hier nicht üblich, und was davon ehemals etwa cristirt haben mag, ist dcn von Mche-mcd Ali's Truppen untcrworfnen Arabern weggenommen worden. Es gab kein Fcuergewehr unter der ganzen Truppe, als ein Paar altcrthü'mlichc europäische Pistolen, die dem Schech gehörten, und die sein Leibdicncr, nebst einer durch Riemen befestigten 173 kleinen Patrontasche am Gürtel trug. Alle waren vortreffliche Reiter, und wußten ihre Dromedare so geschickt zn regieren, daß die Schnelligkeit und Gewandtheit ihrer Bewegungen denen der Pferde nicht viel nachgab, während dagegen meine Suite nur sehr mühsam mit ihren Thieren zurechtkam, die aber auch von weit schlechterer Beschaffenheit waren. Dies veranlaßte denn häufig unwillkommncn Aufenthalt, um die Traincurs wieder heranzubringen. Kaum also war die vorhin gemeldete Frage an die verdächtigen Fremden ergangen, als von einer tiefen,Stimmc die uns schnell vom Dragoman übersetzte Antwort erschallte: „Kommt nur Hera»,, dann werdet Ihr es erfahren!" Im Nu waren alle Dromedare des Schech-Vischir am Boden, und ihre Reiter schon hcrabgcsprmlgen, von denen jedoch vorsichtig zuerst nur die Hälfte, mit gezognen Schwertern und von ihren Schildern gedeckt, in der Duukclheit nach der Richtung des Schalls der gehörten Stimme vordrangen. Wir blieben ruhig mit gespannten Pistolen halten, und erwarteten den wcitern Verfolg, um nach Umständen mit zu agircn. In wenig Sekunden hörten wir, mit großem gegen- 174 scitigen Kampfgcschrei, mehrere mit den Schildern aufgefangene Schwerthicbc ertönen, und wollten, da es nun Ernst zu werden schien, ebenfalls vorrücken, als der Schech uns bat, dies bis zum höchsten Nochfall zu versparcn, worauf er nun selbst mit seinen übrigen Leuten der me!»>o zueilte. Seine schallenden drohenden Worte, die er dcn Streitenden zudonnertc, schienen sogleich einen Waffenstillstand herbeizuführen (denn da wir nichts sahen, konnten wir uns nur der Ohren als Fühlhörner bedienen). Das Geklirr der Waffen hörte auf, das Geschrei aber verdoppelte sich von beidcn Seiten. Nach ohngefähr fünf Minuten verstummte auch dies plötzlich, alle die Unsrigcn kamen hastig zurück, schwangen sich auf ihre Dromedare und eilten im kurzen Trabe mit uns davon. Auf unsere neugierigen Fragen erhielten wir zur Antwort: die Fremden hätten sich für reisende Dschcllab'o erklärt, und vorgegeben, daß sie uns für Räuber gehalten '). Der Schech setzte hinzu, daß er sich damit beruhigt habe, l) Dschellab bedeutet eigentlich Kaufmann; da aber hierin der Negrl Niemand irist, als um z» handeln, auch einen Reisenden. Am richtigsten nuirdc man c«? mit „wandernder Handelsmann" übersetzen. 175 obgleich das Vorgeben erlogen sey, da hier gar kein Karavancnzug cristire, wo Dschellab's angetroffen werden könnten. Es sey indeß besser, sich zu entfernen, da man nicht wissen könne, ob nicht eine weit stärkere Anzahl in der Nähe sey, von denen jene nnr ein vorgeschobner Posten gewesen. In der That fanden wir, nachdem wir noch nicht tausend Schritte weiter geritten waren, in einer sehr engen und schwierigen Passage durch unebnes, steiniges Terrain voller Dornen, einen zweiten Trupp ähnlicher Dschellab's, der aber wahrscheinlich noch weniger zahlreich war, da er bei dem Anruf unsrer Spitze sogleich die Flucht ergriff. Ich hatte übrigens keinen Augenblick die mindeste Vesorgniß fiir unsre Sicherheit, da wir uns auf die Treue der Eskorte verlassen konnten, und die Menge unsrer Feucrgewehre gewiß, selbst gegen eine fünfmal überlegne Zahl, schnell den Sieg auf unsre Seite gebracht haben würde. Eine Stnnde später, nahe vor Mitternacht, und grade als der Mond riesengroß und fenrig am Horizonte emporstieg, beleuchtete er vor uns die imposanten Ruinen von Mcsaourat, in der Mitte eines geräumigen Thales gelegen, das einzeln stehende ,76 Sandstcinberge von den barokstcn Formen umgaben, in jener häufig vorkommenden Bildung dieser Gc-bürgsart, welche sie wie mit Thürmen, Mauern und Zinnen auf ihren Gipfeln gekrönt erscheinen läßt. Wir waren indeß so ermüdet, daß wir vor der Hand nur wenige Blicke auf alle die Herrlichkeiten unter dem Mondlicht warfen, und nach dem Genuß einer schnell an der Spirituslampe gekochten Tasse Thee die Teppiche auf den Boden unsrer Duobezzeltc breiten ließen, und, den Sattel zum Kopfkissen, so köstlich wie auf Eidcrduncn bis zum Anbruch des Tages schliefen. Die Ruinen von Mcsaourat (jeder Vokal des Worts wird voll ausgesprochen), deren äußerste Um-fangsmaucrn, nach Caillaud, 185 Metres in der Breite, und 248 in der i!ängc messen, sind, meiner Ueberzeugung nach, die Ucbcrreste eines großen königlichen Lustschlosses mit allem nöthigen Zubehör an Wohnungen, Höfen, Ställen u. s. w., denen uoch zwei kleine, höchst zierliche Tempel (ganz in der Art wie bei uns eine Hofcapclle) angehängt worden waren, und welchen gewiß, in dem pittoresken, fruchtbaren Thalc auch einst die umgebenden Gärten nicht 177 fehlten '). Sämmtliche Gebäude ohne Ausnahme sind ans Quadern von mittler Größe aufgeführt, deren schön röthlichen Sandstein die, nahen Verge lieferten, alles ist zierlich und anf die solideste Weise bearbeitet, aber nirgends bemerkt man weder die kolossalen Proportionen, noch die vollendete Kunst der alten Denkmäler Aegpptcns, und es wird vielleicht passend seyn, hier gleich im Voraus zu bemerken, daß alle Nninen, die wir während unsrer diesmaligen Expedition zu sehen bekamen, und von denen gleich weitläuftiger die Rede seyn wird, immcr ganz ein und denselben Charakter trugen, welcher zwar einige Affinität mit den merkwürdigen Ucberrcstcn bei Dsche-bcl-Varkal, so wie zum Theil mit denen bei Meroi; hat, jedoch auch eine decidirt verschiedene Nuance von ihnen zeigt. Diese besteht in der Mischung griechischen oder vielmehr römischen Styls mit dem bereits ganz corrumpirten ägyptischen, der in allen diesen, weit mehr dem blos eleganten nachstrebenden, und eher überladen als erhaben zu nennenden Gebäuden l) Caillaud hält diese Ruinen für eine Erziehungsanstalt der Priester. Ich kann diese Meinung nicht theilen. Eö ist zu viel Prunk und Spielerei in diesen Räumen, alles zu fern von der ernsten Pracht pncsterlicher Etablissements aus jenen Zeiten. Mchcm« Mi'i Reich, lll. 12 173 vorherrscht. Ich halte sic daher auch flir noch neuer als jene Monumente von Dschcbcl-Barkal, und kaum älter als höchstens aus gleicher Zeit mit den letzten Ptolomäcrn, wo nicht ganz gleichzeitig mit der spätern römischen Epoche. Die oft ins Kleinliche gehende Ausschmückung, die offenbar aus griechischem Baustyl entnommenen Zierrathen neben den ägyptischen nnd mit diesen vermischt, die Abwesenheit aller kolossalen Massen nnd daraus hervorgehender großer Effekte — zeugen sämmtlich für diese Meinnng. Aber die weit sorgfältigere Rücksicht anf Bequemlichkeit nnd die größere Menge aneinander stoßender Wohnzimmer, meistens von kleinerer Dimension, als in den alt-ägyptischen Denkmalen angetroffen wird, scheinen abermals das Wirken eines weiblichen Elements zu verrathen, und ich möchte daher der Vermuthung Nanm geben, daß diese Gebäude sich aus den letzten Zeiten jener Königinnen hcrschrciben, die, wie schon bemerkt, Jahrhunderte lang unter demselben, immer fortgesetzten Namen in Acthiopien herrschten, und in vielfachem, kriegerischem und friedlichem Verkehr mit den Römern standen, so daß leicht Baumeister dieser Nation gebraucht worden seyn können, um 17ft den ägyptischen Styl hier, wie in ihrem Vaterlande oft dcn griechischen, zu verballhornen. Der Hypothese einiger Reisenden beipflichten zn wollen, welche schon bei dcn offenbar viel älteren Denkmälern von Meravi und Mero«> als ganz unkritisch erscheint, nämlich: daß die Architektur-Uebcrrcste Aethiopicns älter als die Acgyptcns seyen, wärc hier eine vollständige Absurdität. In allen diesen Bauarten sehen wir ohne Ausnahme lmr einc untergeordnete Nachahmung, keineswegs einen untergeordneten Anfang. Die charakteristischen Zeichen dieser zwei ver-schicdncn Unvollkommcnheiten sind aber zu sehr in die Augen springend, um sich darüber anders, als absichtlich täuschen zu können, vorausgesetzt, daß man überhaupt eines gesunden Urtheils fähig sey. Ich wiederhole jedoch, daß ich durchaus nicht läugncn will, daß Cultur und selbst die ersten Anfänge roher Kunst aus diesen Gegenden in: grausten Alterthum nach Aegyptcn vorgerückt seyn mögen, und die Ansicht, daß das flache, zum Theil erst später angeschwemmte Laub Acgyptens aus den Vcrgplaincn Acthiopiens zuerst bevölkert worden seyn mag, ist gewiß völlig naturgemäß nnd folglich wahrscheinlich — ich behaupte !2" 180 nur, daß dic noch jetzt cristircndcn alten Monumente Aethiopicns, welcheuns bekannt sind, keineswegs aus jener Zcit hcrstammcn und sogar großcntheils wcit jünger, als die ägyptischen Alterthümer aus dcr letzten Periode der Pharaonen, ja zum Theil dcr Ptolomäcr sind. Es ist indeß immer schon interessant genug, sich den hiesigen Ruinen gegenüber zu überzeugen, daß in so großer Entfernung vou der jetzt eivilisirtcn Welt vor wahrscheinlich nicht länger als fünfzehnhundert Jahren hier noch Tausende von Quadrat-mcilen blühender Fluren, voll Städte, Tempel und Pallästc, cristirtcn, wo jetzt nur eine auf ihrer Oberfläche gänzlich wasscrlosc, keine Frucht mehr tragende Wüste, mit bloßem Gestrüpp und wenigen Bäumen in ungeheuren Distanzen, sich ausdehnt, und daß zugleich eine vielfach verfeinerte Cultur des Geistes mit einer immer noch hö'hcrn Stufe der iNlnst (dcr Baukunst wenigstens), als wir selbst einnehmen, da herrschte, wo es in diesem Augenblick nur noch einige umhcrwandcrnde wilde Horden räuberischer Beduinen giebt. Der Gedanke also, mich in einem ehemaligen »81 Lustschloß der gebildeten und lebenslustigen Königin Candacc zu bcsindcn, die ich mir natürlich als eine ungcmcin schöne nnd graziöse Schwarzbraune vorstellte, gab der Vcsichtignng des vor mir liegenden Labyrinths von Gemächern, Treppen, Gängen, Höfen, Säulenhallen, Tempeln und Mauern ein doppeltes Interesse, was einigermaßen der Müdigkeit, welche das beschwerliche Durchirren derselben herbeiführte, und der dumpfen Hiyc, die uns dazu nicht wenig belästigte, die Wage hielt. Auch gab ich mich, ich muß es gestehen, mehr dem egoistischen Genusse als dem Fleiße des Neiscbcschreibers hin, da weder die Zeit, welche wir hier zu verweilen im Stande waren (denn unser mitgenommener Wasscrvorrath reichte kaum auf drei Tage), genügend war, noch meine Abspannung es mö'chlich machte, mich mit detaillirtru Messungen und genauern Untersuchungen dieser Art zu beschäftigen, um einen correkten Plan des Ganzen aufzunehmen, was überdies, wie ich glaube, durch Herrn Linaut, mit der ihm eigenthümlichen Treue, wohl schon geschehen seyn wird. Der Leser möge daher nachsichtig mit folgender kurzen Beschreibung fürlieb nehmen. 182 Es scheint, daß es mehrere Hanpteingängc zu dem Compler der vcrschicdncn Gebäude gegeben hat, welche, alle von einer gemeinschaftlichen Mauer geschützt, den königlichen Pattast in seinem ganzen Umfang bildeten, es ist aber jetzt schwer zu ermitteln, wo sich die eigentlichen Propyläen desselben befanden. Räch meinem Dafürhalten war der Hanptcingang auf derjenigen der schmälern Seiten des großen länglichen Vierecks, welche gegen Nordost liegt. Hier zeigen sich nach Dnrchschrcitnng eines nicht sehr breiten Hofes, auf beiden Seiten lange Reiben von Gemächern, deren Maucrreste sechs Fuß dick sind (das Innere dieser Mancrn mit rohen Eteinstückcn ausgefüllt), und durch welche ein stattlicher Säulengang führte. Die Säulcnschäfte sind glatt, ohne Hieroglyphen noch Bildwerke, stehen auf einem Sockel, haben, einen Fuß über dem Boden, fünf Ellen Umfang, und eine Höhe von höchstens 16 — 17 Fuß, ,«,-e„l!o gewaltet habe. Die Figuren an den vier mittelsten Säulen, dicht neben dem Haupteingang, waren voll zu drei Viertel herausgearbeitet, und bei sehr correktcr Zeichnung mit viel Grazie behandelt, jedoch viel weichlicher ,85 gehalten, als cs der ernste rein ägyptische Styl gestattet. Alle diese Darstellungen sind leider sehr verstümmelt. Im Innern des Tempels, wo, wic bereits erwähnt, sich nur vier Säulen befinden, sind in jeder der beiden lä'ngcrn Seitenwände zwei Fenster angebracht; auf der südlichen bemerkten wir zwischen diesen noch cinc Nische, in der wahrscheinlich die hier verehrte Gottheit stand. Dem großen geschmückten Eingangschorc dieses Tempels gegenüber ist eine kleinere Ausgangspfortc, die durch den hinteren Portikus nach einer nur fünf Fuß breiten Treppe führt, durch dic man in einen Wirrwarr von Räumen gelangt, ohne Zweifel Privatwohnungcu, deren Hauptmauer auf der Südseite in einen sehr großen, weit tiefer liegenden Hof abfällt, so daß sie hier wohl an l8 Fust Höhe haben mag. In der Mitte des besagten Hofes deuten Grundlagen und einzeln umher liegende Fragmente auf das einstige Daseyn zweier Obelisken, und wahrscheinlich eines Kolosses zwischen ihnen. Nirgends konnte ich auf den Außenseiten der Mauern, noch im Innern der Gemächer Spuren anderer Sculpture«, noch eines königlichen Wappens entdecken, nur zwei kleine, sich sehr ät)nlichc, eingemeißelte Bilder grotesker Art fand ich auf, wovon 18« ich die Copie des einen hier beifüge, so wie die Verzierungen einer der Säulen in dcr tlcincn Colonnade. 187 Der Anfang eincr altoricntalischcn Inschrift, die sich auf dcr Hinterwand des Tempels befand, und die ich mühsam copirtc, ist mir leider verloren gegangen. Dcr Nest derselben war gewaltsam zerstört, wogegen viele andere Wände dcstomchr mit rohen Bild- und Schriftversllchcn dcr Araber, oder vielleicht auch einzelner, hierher versprengter, ägyptischer Soldaten verunreinigt waren. Mit größerem Vergnügen entdeckte ich später unter dicscu Allotricn zwei lange, ganz moderne Inschriften von Herren ^inant und Caillaud h.rrührcnd, dcn einzigen Europäern, die bis heute, den 25sten April 1837, bis hierher vorgedrungen sind. Sie lauten folgendermaßen: 1) „Lau (le Jesus 1822 Frederic Caillaud a visite ces mines reiioinees, il y est venu lnaride pai' la France, lavoiise par le prince lsmae'I - Pascha, il a penetie au-delä de Fazule par dix degre\v de latitude, <>ü il a visite des peuples payens," T) „l/nn de Jesus 1822 Louis Liimnt a visite ces vuincs. II y est. vemi maiide par l'Ann-leterre et il u penetie jusqu' au ro-yauine du Senaar grace aux cunquetes dls- 188 mael-Pascha, General des armecs de son pere Mcheined-Ali, vice-roi d'Egypte." Ich glaubte cm Nccht zu haben, als dcr dritte Europäer, dcr Mcsaourat besucht hat, einen Ehrenplatz zwischen diesen beiden Herren einzunehmen, und ließ, da ich nicht so hohe Mandanten als sie aufzuführen habc (denn mein Vaterland, weit entfernt, mir Auftrage zu geben, lehnte sogar meine desfalsigcn Ancrbictungcn ab), nur die nachstehenden Worte durch meinen Dragoman einmeißeln. »Im Jahre 1837 unsrer christlichen Zeitrechnung hat ein deutscher Reisender............ diese Ruinen besucht, gesandt durch seinen »lm'jt,!« l'imliluli-ls, und mit der Absicht so weit vorzudringen, als es ihm Vergnügen machen wird." In einem dcr unzähligen Höfe des Pallastcs steht noch ein besonderer kleiner Tempel frei in dcr Mitte, vielleicht ein Thpphom'um, weil an den Thürpfosten sich gräuliche Schlangen in die Höbe winden. Neben ihnen befinden sich die Neste zweier stehender Kolosse von sehr mittelmäßiger Arbeit, und gleich allem Ucbrigen aus Sandstein. Marmor und Granit 189 sahen wir nirgends angewandt. Auch dieser Tempel besteht nur aus einer Cclla mit zwei umgcworfnen Säulen darin. Dem Eingang gegenüber steht ein einfacher Altar. Andere Ruinen, außer dem Bereich der erwähnten Umfangsmaucrn, sind bis c!»t«, so viel ich weiß, nicht aufgefunden worden, denkt man sich aber das auch jetzt noch durch seine malerischen Formen reizende Thal in blühender Cultur, Ziergärten um das Schloß und Wälder auf den nahen Bergen, so muß es einen höchst wünschcnswerthen Landaufenthalt abgegeben haben, wenn die junge Königin der Aethio-picr irgend eine Privatursache hatte, die Freuden der Einsamkeit den geräuschvolleren ihrer Hauptstädte von Napata und Meroi- vorzuziehen. Nach Mittag setzten wir unsern Ritt nach den Tempeln von El-Anvatep fort. Zwei Stunden lang blieben wir noch in den Bergen, dann öffnete sich eine ungeheure Plainc vor unseren Augen, wieder mit einzeln stehenden Bergen in der weitesten Ferne umgrenzt, während ein schmal auslaufender Ast des eben verlassenen Gebü'rgcs sich allmählich abdachend uns links zur Seite blieb. Diese Ebne war steriler 190 als die früher durchzogene, doch ebenfalls an einigen Orten durch tlcine Haine und Baumgruppen dcr stachlichcu Mimosen einigermaßen bclcbt. Nach vier Stunden scharfen Reitens erreichten wir das Enbc des erwähnten Bergrückens, wo vier Tempel, stufenweis nach dcr Ebne hinabsteigend, erbaut sind, cm Ort, dcr auf Herrn Cadalv«>nc's Karte (wic es scheint nach dcr von Bauland eopirt, da er sclbst nicht hier war) Naga genannt wird. Die uns begleitenden Araber kannten jedoch diesen Namen nicht, sondern nur den von cl-Auvatep. Schon 1000 Schritt vor bcn Tempeln stießen wir anf einen, auf dcn Hinterfüßen hockenden Löwen auö rothem Stein, nur wenig vom Sande verschüttet, und bis auf den abgeschlagenen Kopf ohne Verstümmelung. Wahrscheinlich liegen noch mehrere seiner Kameraden neben ihm vergraben, auch beginnen schon von hier ans die einzelnen Schutthaufen zerstörter Gebäude auf beiden Seiten dcs Weges, so daß man annehmen darf, daß hier im Alterthum eine nicht unbedeutende Stadt gestanden haben muß. Der erste, den höchsten Platz einnehmende Tcm-pcl, östlich von den andern gelegen, trägt auf seinen I9l Quadern noch die Spuren eines ehemaligen Ucbcr-zuges aus feinem und sehr festem Stuck. Seine innern Wände sind mit, auf den freien Stein eingegrabnen, Bildern und Hieroglyphen bedeckt, deren Gegenstände aber nur sehr undeutlich zu erkennen sind. Der Gott mit der Widdermaoke (Ammon) kommt am häusigsten vor, hier aber opfert ihm ein König oder Feldherr, neben welchem auch ein halber Ring noch sichtbar war, den ich abzeichnete, da ich in Champollion und Wilkinson keinen ähnlichen auffinden konnte; es ging dies Alättchen jedoch mit dcr erwähnten Inschrift zugleich verloren, was ich in sofern bedauere, da diese Monumente bis jetzt fast ganz unbekannt sind. Dem Eingang gegenüber steht, wie gewöhnlich, ein ganz einfacher Altar in Form eines Wiirfelo. Die Menge außerhalb aufgehäufter Trümmer deuten auf noch mehrere ansehnliche Gebäude in der Nähe, und ähnliche Steinhaufen ziehen sich gleich einer Straße weit nach der Plainc hinab. Dcr zweite Tempel, ohngefähr zweihundert Schritt von dem ersten abwärts gegen Westen gelegen, war von viel größerem Umfang, so wie auch von höherer Pracht und Zierlichkeit. Sechs auf einander stoßende ,92 Thore desselben, nebst mehreren sie verbindenden Säulenschäften stehen noch aufrecht, alles gedrängt voll sehr nett ausgeführter Skulpturen, doch überall ohne irgend eine Spur von Färbung. Ueber jedem der Thore sieht »ncm die geflügelte Kugel mit Schlangen umgeben, und eine breite Auffahrt aus Westen hat fast alle ihre Sphynrc auf beiden Seiten erhalten, viele davon noch ganz unbeschädigt. Es sind dieselben hier offenbar dickwolligc Schaafc (nicht Widder), wie wahrscheinlich auch die Sphynrc in Mcravi, deren gleichen in Acgypten gewiß sonst nirgends angetroffen werden, und daher auch eine auffallende Eigenthümlichkeit dieses Theiles von Acthiopicn bilden. Fünf- bis sechshundert Schritte weiter iu derselben, sich nach Westen erstreckenden ^inie stößt man auf den dritten und kleinsten Tempel, dcr höchst wahrscheinlich neuer als dcr andere ist, und im ver-dorbcnstcn römischen Styl widerlicher Ucbcrladung den völligen Verfall der Kunst verräth, obgleich auch er zum Theil mit ägyptischen Verzierungen, aber ohne Hieroglyphen und Bildwerken, ausgeschmückt ist, mehr den phantastischen Undingen in einer unsrer 193 älteren Gartcnanlagcn als einem den Göttern geweihten religiösen Gebäude ähnlich. Aus einer viel älteren Epoche und als der edelste von allen erscheint dagegen der nahe dabei liegende vierte Tempel, obgleich er an Größe den lctztbeschricbnen kaum zur Hälfte übertrifft. Sein Eingang ist von Osten, wie bei dem ersten und dritten, denn nur der zweite hat ihn umgekehrt von Westen her. Dieser Eingang hat die Form ägyptischer Pylonen, auf deren schmalen Seiten sich zwei Niesen-schlangcn um den Styl einer kolossalen Vlume in die Höhe winden und in der Figur eines Gottes enden (Osiris), der die Nilschlüsscl in der Hand trägt. Auf der li,nkcn breiten Vorderseite der Pylonen neben dem Thore sieht man das bekannte, sich fast auf jedem ägyptischen Monumente wiederholende Bild des Riesen, gewöhnlich einen Herrscher in der Gestalt des siegenden Osiris darstellend, mit der einen Hand das Schwert erhebend, und in der andern Gefangene am Schöpfe haltend. Hier aber übertrifft die Kollektion von Köpfen, die der Niese gepackt hat, an Quantität alle ägyptischen Darstellungen dieser Art, die ich gesehen habe. Es gleicht dies seltsame Gebilde völlig einem unsrer ^,cl)cm.d '.'lli'5 ^ci,1,'. III. ^I »94 Stammbaumc in Form eines aufsteigenden Kandelabers, und enthält zuerst oben drei gigantische Häupter, die mit langen Hälsen eins aus dem andern hcrvor-wachscn, und von denen sich unförmlich lange Arme nach beiden Seiten horizontal ausstrecken; in den Zwischcnräumen dieser sechs Arme aber finden noch fünfundzwanzig kleinere Köpft Raum, nnd diese ganze Maschine hält der Niese an dem langen Haarbüschel des obersten Koloffalhauptes mit der linken Hand und schwingt in der rechten, statt des Schwertes, hier eine vernichtende Keule. Auf der rechten Seite des Thores ist eine riesenhafte Göttin abgebildet, von ganz gleicher Größe mit ihrem gegenüber stehenden Pendant, nnd in gleicher Stellung, auch dieselbe ungeheure Kopfsammluug in der Hand haltend. Beide Darstellungen sind nicht ohne imposante Wirkung, verrathen aber dennoch in ihrer Gesammtheit nur den Verfall, nicht den rohen Anfang der Kunst, und alle Wysiognomiecn sind weit entfernt von jenem bewunderungswürdig charakteristischen, eben so mannichfachcu, als speziell treuen Ausdruck, den z.B. bei ähnlichen Bildern in Theben und Mambul die Köpfe der Besiegten haben, 195 so daß man aus den Zügen ihres Antlitzes noch hcutc fast mit Bestimmtheit ihr Vaterland errathen kann. Das Innere des Tempels war ganz leer von Sculp-turm und Hieroglyphen und scheint nie fertig geworden zu seyn. Nur kahle, zerbröckelte Wände nnd hohe Steinhaufen boten sich hier dem Auge dar. Dagegen befanden sich auf sämmtlichen Außenwänden sorgsam ausgeführte nnd zum Theil wohlcrhaltnc, riesige Gebilde. Besonders sind die Sculptureu anf der südlichen Seite im besten Znstande, uud führen uns hier ganz dieselbe Proecssion von fünf Gottheiten, eine hinter der andern vor, die man im Thpphonium zu Dschebcl-Varkal und anderwärts abgebildet sieht. Abermals ist es aber eine Königin mit ihrer Gesellschaftsdame, die ihnen hier opfert. Auch die andern Wände scheinen mehrere weibliche Figuren in Verbindung mit den Göttern zu enthalten; sie sind aber zu undeutlich und verwischt, um sich genau davon überzeugen zu können. Der Tempel l)attc wie No. 2 oben eine weit ansgeladnc Krönnng nach allägpvti-schcr Weise, von der jedoch nur noch einige Bruchstücke, und hier zum erstenmal auch noch mit etwas Farbenspurcn verschen, übrig sind. Gewaltsame 13" 196 Zerstörung durch Menschen ist bei allen diesen Monumenten klar ersichtlich, und einige cingcgrabnc Kreuze auf den Mauern lassen leider vermuthen, baß christlicher Fanatismus, selbst bis hierher dringend, thätig fromm zum Ziel der Kunstvcrnichtung mitgewirkt habe. Tödtliche Ermüdung, fünfunddrcißig Grab Hitze im Schatten des Tempels, und ein brennender Kopfschmerz, vou dein ich fast fortwährend geplagt wurde, dazu statt stärkender Nahrung nichts mehr als schwarzes Wasser aus den stinkenden Schläuchen und halb verschimmelter Zwieback, müssen die Magerkeit dieser Beschreibung entschuldige,,, wie die Unmöglichkeit, in der ich mich befand, allein, wie ich war, hinreichende Copiecn von den merkwürdigsten dcr genannten Gegenstände zu nehmen. Ich wage zu behaupten, daß Wenige an meiner Stelle unter solchen Umständen mchr zu unternehmen im Staude gewesen scpn würden. Gegen Abend nach einer kurzen Nuhe mußten wir wieder in den Sattel, um sieben deutsche Meilen weiter während dcr Nacht den dritten Ort aufzusuchen, an dem allein sich noch Ruinen in diesem 197 Theil des Landes befinden. Da indeß, nach fünfstündigem Marsch, des Doktors und meines Kammerdieners Dromedare kaum mehr vorwärts zu bringen waren, das etwas coupirtc Terrain m der ägyptischen Finsterniß immer schwieriger zu passiren wurde, und wir Alle uns vor Mattigkeit kaum mehr auf unsern Thieren zu erhalten vermochten, so beschlossen wir, links ab einem großen Feuer zuzureiten, das, wie nns der Schech versicherte, einem ihm bekannten Beduincnstamm angehöre, um dort den Morgen oder wenigstens den Aufgang des Mondes zu erwarten. Olmgcachtct der uns eben gegebnen Versicherung gebrauchte der Schech-Vischir wiederum alle militairischc Vorsicht. Wir mußten einige hundert Schritte vor dem Feuer, das den Mimosenwald um uns her magisch beleuchtete, halten bleiben, und zwei Leute wurden zum Necognosciren vorausgeschickt. Als sie zur Abstattung ihres Rapports zurückkamen, ward es, ich weiß nicht aus welchen Gründen, nicht für thunlich gefunden, hier die Gastfreundschaft anzusprechen, sondern wir wandten uns von neuem seitwärts, einem weit entfernteren Feuer zu, das am Horizonte aufblitzte. Dort nach einer 198 halben Stunde angelangt, befolgte man dieselbe Taktik, worauf uns endlich gestattet ward, auf einem isolirten Sandhiigcl unser Nachtlager aufzuschlagen, an dessen Fuß sich unsre sämmtlichen Thiere wie ein Bollwerk im Kreise umherreihtcn. Von den Beduinen, welchen nur der Schech-Vischir allein cincn Besuch abstattete, bekamen wir keinen einzigen zu sehen, statt dessen aber, was uns ungleich willkomm-ncr war, brachte uns unscr sorgsamer Schech selbst cine enorme Kürbisftaschc voll vortrefflicher Milch nebst einem Pack arabischer Vrotkuchcn mit, die uns ein köstliches Mahl bereiteten. Einige Stunden tiefen Schlafes, wenn gleich auf hartem ^agcr, erfrischten uns so vollkommen, daß wn Alle mit erneutem Muth und in der besten ^'aune wieder unsre Dromedare bestiegen, um in belebender Morgenfrische der aufgehenden Sonne cntgegcnznrciten. Wir hätten uns jedoch die ganze Beschwerlichkeit der langen heutigen Tour füglich ersparen können, da die Ruinen, um derentwillen wir den großen Umweg unternahmen, ganz unbcdcutcub sind. Sie liegen nal) am Nil und bestehen nur auo großen Schutthaufen, ans dcnm sich noch drvi aufrecht 199 stehende viereckige Pfeiler erheben, durch Isisköpfe mit sehr langen Ohren verziert. Ein italienischer Renegat, Leibarzt des Gouverneurs zu Kartmn, hat hier Nachgrabungen veranstalten lassen, die aber kein anderes Resultat gegeben haben, als einige zerbrochene Saulcnscha'fte und Schlußsteine von Thoren mit dem Symbol dcr geflügelten Kugel aufzudecken, an denen die Arbeit ziemlich roh ist. Es blieb uns jetzt, um unsere Ercursion ganz zu vollenden, nur noch ein zweistündiger Marsch bis Bcni-Naga übrig, in dessen Nähe meine auf der kürzesten Straße vorausgegangene Rcisekaravanc uns am Fluh erwartete. Unser Weg längs des Nils glich, obgleich ohne Anbau, doch völlig einem Garten, durch die Meugc der zierlichen Gesträuch« clumps und malerisch vertheilten Vaumgruppcn, zwischen denen sich die schönste Fernsicht, einerseits auf die eben verlassenen Berge, von dcr andern auf die weilen Windungen des Flusses eröffnete. Wild war hier ziemlich häufig, besonders Hasen, welche die Beduinen durch Eteinwürfc zu todten verstehen. Einmal floh ein Trupp von sechs schlohweißen großen Antilopen an uns vorüber und in 2U0 der Nälic einiger Zelte sahen wir eine sehr eigenthümliche Nacc halbwilder Schaafe, die nicht nur in der Form ganz von den unsrigcn abwichen, sondern auch in ihrer Farbe. Einige warcn rehfarben, dic Wolle anderer von der Farbe eines falben Pferdes, und mehrere auf das Schönste marmorirt, wie ein Osterei. Vald darauf erblickten wir, ohnfcrn Vcni-Naga, einen dichten Hain hoher Palmen, deren gleichen wir lange nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten, und entdeckten zugleich unsre hellgrünen Zelte unter ihrem Schatten aufgeschlagen, neben verschiedenen Saki's, umgeben von den durch sie bewässerten fruchtbaren Fluren. Hier beschloß ich den heutigen Tag zu rasten. Ein Schaaf ward für den Schech und seine Leute geschlachtet, und ganz am Spieße gebraten; ich begnügte mich mit Datteln und Milch, eine Diät, die ich bis Kartum fortsetzte, und dadurch mein hä'usigcs Kopfweh und anderes leichtes Uebelbesinden vollständig beseitigte. Marnat. Wetterphänomene. Ankunft in der Hauptstadt des Tudan. Veni-Naga ist, gleich Schcndp, ein schr großer, aber fast gänzlich zerstörter Ort, dm um- noch zwei bis drei Familien bewohnen. Ohnfcrn der Stadt steht das Grab cincs berühmten muhamcdmn'schcn Heiligen, in Form einer hohen, scharf zugespitzten Pyramide, die hier noch immer für dergleichen Zwecke übliche Bauart. Wir fanden zuweilen diese Denkmäler mich gleich den alten stufenweise emporsteigend, so daß man ihren Gipfel bequem erklettern konnte. Doch sind die muhamedamschcn Pyramiden nie viereckig, sondern immer rund. Zuweilen sind Bruchsteine bei ihnen angewandt, meistens werden sie aber nur aus in der Sonne getrockneten Backsteinen, oder mit Stroh vermischter Erde aufge- 2N2 führt, selten aus gebrannten Zicgcln. Gleich bci unsrer Ankunft erzählte man uns eine traurige Begebenheit, die sich vorgestern neben unsrem Lager-Platze zugetragen. Zwei Löwen hatten sich in die Nähe eines der Saki geschlichen, wo mehrere Stucke Vich eingepfercht standen, von denen das größte der Naubthierc sich eine Kuh znr Beute auscr-wä'hltc. Im Begriff, sie fortzuschleppen, ward es von dem Besitzer, den das Angstgebrüll der Kuh herbeigerufen hatte, kühn angegriffen, ^n Verzweiflung über den Verlust dessen, was vielleicht den größten Theil seines Vermögens ausmachte, stürzte sich der arme Schwarze auf den Löwen, und bohrte ihm seinen Wurfspieß tief in die Brust. Leider war jedoch die Wunde nicht sogleich tödtlich; das gereizte Unthicr ließ augenblicklich seinen Naub los, und mit einem einzigen Satze seinen Feind erreichend, riß es ihm mit der Klaue das Gesicht ad, worauf es ihm noch den rechten Arm fürchterlich nn't den Zähnen zerfleischte. Während dies geschah, waren indeß sämmtliche zum Saki gehörende Leute herbeigekommen, nnd erlegten leicht mit ihren langen Spießen den schon erschöpften Löwen; der 2U.l andere, jüngere, entsprang. Mit der diesen Menschen eignen Apachic ward noch in derselben Nacht das erlegte Thier gebraten, gierig aufgefressen, und am andern Morgen die baut an einen zufällig durchreisenden Dschcllab verkauft. Der Verwundete hatte unter den gräßlichsten Schmerzen noch einen Tag gelebt, und war eben begraben worden, als wir anlangten. Wir hatten Gelegenheit während unsres Aufenthalts in diesem Bivouak, einige den hiesigen Climatcn eigenthümliche Phänomene zu beobachten, denen beizuwohnen zwar merkwürdig, abcr keineswegs angenehm ist. Nach vielem, stcto wechselndem Winde und einer schwülen Gcwittcrhitzc bei sehr bedecktem Himmel schien co uns plötzlich, als komme aus Süden ein dunkler Saudbcrg auf uns zugewandert. Ich bcfalil, sogleich mein Zelt, in welchem ich mich kurz vorher zu Bett gelegt hatte, nach Möglichkeit schließen und dnrch einige Hülfostrickc noch besser an die umstehenden Bäume befestigen zu lassen; auch erhielt es sich glücklich, als die Winds- und Sanbcsbraut nun heulend über uns herflog, aber vor der Erde, die sie mit sich führte, war keine 2N4 Rettung. In weniger als einer Minute war durch die nicht ganz zu schließenden Fugen des Zeltes so viel von diesem Elemente eingedrungen, daß alles darin, wie ich selbst, zolldick mit schwarzem Schmuze aller Art bedeckt war, und ohne das seidnc Tuch, welches ich dicht um mein Gesicht geschlagen hatte, glaube ich, daß ich davon hatte erstickt werden können. Alle Araber hatten sich unter ähnlicher Em-wicklung mit dem Antlitz auf die Erde geworfen, wo sie bewegungslos liegen blieben, bis das Wetter ausgetobt hatte, welches ohngcfähr noch zebn Minuten der Fall war. Am Abend wollte ich, um mich vom Erdbadc abzuwaschcn, ein anderes Vad im Flusse nehmen, kam aber hier recht eigentlich aus dem Regen in die Traufe. Der einzige brauchbare Vadcplcch war eine Viertelstunde von den Zelten entfernt, und schon während des Hingchens bemerkte ich, daß der nördliche Himmel sich seltsam gelbroth färbte, während aus seiner schwarzen Einfassung fernes Wetterleuchten hervorzucktc. Ich verlor daher keinen Augenblick, um ins Wasser zu kommen, hatte aber kaum einige Schwimmübungen versucht, als Tropfen 205 so dick wic Haselnüsse langsam zu fallen ansingen, die Luft sich nächtlich verfinsterte, und mitten in diesem Dunkel eine fcucrrothc Wolke sich uns mit unheimlichem Brausen näherte. Ich sprang jctzt eben so schnell aus dcm Fluß als früher hinein, um wenigstens vor Ausbruch des drohenden Ereignisses in meine Kleider zu kommen. Es war aber schon zu spät, und ich nur erst mit einem Bademantel angethan, als unter unaufhörlichem Krachen des Donners und blendendem Flammen der Blitze ein Wolkcnbruch auf uns herabstürzte, wie ich nie etwas Achuliches erlebt. Hier mußte ich die Geistesgegenwart der drei Neger des Schech-Bischir bewundern, die ich mit mir genommen hatte. Im Nu hatten sie mich nebst den Sachen in den großen Teppich gewickelt, der am Ufer ausgebreitet lag, ihn oben zusammengedreht, und sich alle drei auf der Seite, von wo der Sturm und das Wetter herkam, gleich einem schützenden Gewölbe von Fleisch und Vein über mich hingelegt. So bildeten wir eine zu compaktc Masse, um von dem rasenden Sturm und der strömenden Fluth weggeschwemmt werden zu können, und alles Uebel, was mir wider- 2U6 fuhr, bestand in der That in nichts Anderem, als eine Zeit lang in fluchendem Wasser mit emporgc-strccktem Kopfe zu liegen, und mich später während eines etwas gelinderen Platzregeno anziehen zu müssen, worauf ich nicht crmangelte, im schnellsten Laufe mein sichres Zelt wieder zu gewinnen. Doch dauerte daS Unwetter die ganze Nacht mit abwechselnder Stärke fort, so daß gegen Morgen selbst mein doppeltes Zeltdach das Eindringen des Wassers nicht mehr verhindern konnte. Ich mag immer von Glück sagen, daß dieses kleine Abenteuer mir kein Fieber zuzog, aber da sich die Hitze bei jeder Witterungs-verändcrung fast immer gleich bleibt, so ist man von der Nässe nicht so leicht einer Verlältnng ausgesetzt als in unserem rauheren Norden, Ich verweilte jedoch bis Ein Uhr Nachmittag am andern Tage, um der Sonne völlig Zeit zn lassen, nns und unsre Effekten zu trocknen, ehe wir von neuem aufbrachen. Im Anfang blieb auch heute das Land noch fortwährend dnrch Gesträuch (wenn gleich meistens blätterloses) belebt, und wir begegneten vielen Reisenden zu Kamecl,, zn Pferde, zu Esel und ;u Fuß, alle stets mit Schild und Speer bewaffnet, groß- 207 tentheils hoch gcwachsne schöne Leute aus dcm Sudan, die besonders in dcr Form dcr Bciue und Wadcn sehr die bisher gesehenen Araber übertrafen, welche bei aller ihrer Kräftigkcit doch meistens nur mit Spindelbeinen begabt sind. Sie erwiederten unsern Gruß mit vieler Freundlichkeit, und hatten überhaupt ein freies, gutmüthiges uub im Ganzen gefälligeres, obwohl weniger würdevolles und vornehmes Ansehen als die Schaki- und Dschcchc-liu-Araber. Nach einigen Stunden verschwand alle Vegetation, und dic ebne, leere Fläche bot seitwärts nur ein isolirtcs, wcitläuftiges und niedriges Gramtgebiirgc dar, das den Ruinen einer Stadt glich, und von dem Blendwerk der Wüste mit einem See von täuschender Wahrheit umschlossen ward. Der Vodeu ist hier überall sehr salzhaltig. Die weitere Tour blieb von hier an lange Zeit äußerst einförmig, bis wir am Abend die Region der letzten (sechsten) Katarakte des Nils erreichten, wo von neuem eine frischere Vegetation beginnt und Gramtfclscn aller Formen sich wie bei Assuan, wiewohl mit einem weit amnuthigeren Charakter der Landschaft bis mehrere Stunden vom Nil ab 2N8 quer durch die Gegend ziehen. Der höchste dieser Felsen in der Nähe der Straße bezeichnet, nach der Cinthcilung der Araber, die Grenze zwischen Nubicn und dem Sudan, ein schöner romantischer Fleck, dcm nach dem Flusse zu ein dichter Wald zur Seite liegt, während sich vorn im Süden ein blaues Gebürge erhebt, welches sich dann, östlich wendend, m einer sonderbaren Vcrggruppe endigt. Diese gleicht einem Dutzend in irrcgulairen Haufen nebeneinander aufgestellten, gigantischen Heuschobern oder Santongräbcrn, wenn man lieber will, alle von ganz gleicher Höhe und Gestalt, und einzeln aus der Fläche emporsteigend, ohne daß man, wenigstens von hier aus, irgeud eine Verbindung zwischen ihnen entdecken könnte. Ich erinnerte mich an dieser Stelle des Enthusiasmus, mit dem ich bei Assuan zuerst in Nubien eingeritten war, und wie wenig ich damals träumte, auf der andern Seite wieder hcrauszurcitcn. Doktor Koch, dcm ich diese Bemerkung mittheilte, erwiederte: »Ja, und wie Viele dringen hier aus Nubien weiter, ohne je wieder den Rückweg zu 209 finden.« ") Das freilich, sagte ich, müssen wir dem Schicksal anheimstellen, und ich hoffe für die, welche uns lieben, daß der Himmel es für uns besser wenden wird. Was aber mich selbst betrifft, so kann es meiner durch das Weltall wandernden Seele ziemlich einerlei seyn, wo sie ihren jetzigen Körper, zu noch viel weiterer und interessanterer Wanderung m neuer Gestalt, auf dieser Erde zurückläßt. Ich bin immer zu dieser kleinen Katastrophe fertig und bereit, wiewohl keineswegs pressirt, sie herbeizurufen, am wenigsten durch unnlitze Vcsorgniß; ein so beruhigender Gemüthszustand, daß ich ihn selbst allen meinen frommen Feinden wünsche, nach der schwierigsten Lehre unsrer Religion, die uns vorschreibt: »Segnet die euch fluchen!" Ucbrigcns aber, setzte ich hinzu, haben ein Arzt und ein praltischcr Philosoph, die zusammen reisen, gewiß weniger zu dcsürchtcn als Andere. Sie werden meinen und Ihren Körper curiren, wenn wir krank werden, und i ch werde nie ermangeln, wenn Spleen oder das Heimweh ') Tiefe Worte sind scitdem für deu armen Doktor an seiner zweiten Ncisc nach dem Seimaar prophetisch geworden, de,m er siarb während dieses Jahres 1844 in Kavtum. McheMe '.'llis 3!i!l»Il ) >l' ^lll« 8011 ^It6«8« toll« «t telll?. Die Phrase ist zu schlecht französisch nnd n'bcrdem nicht charakteristisch. Ich würde vielmehr, um dem Hippopotamos, in den der Dämon Immermanns gefahren, meine Unvcrdaulichkcit flir ihn auf der Stelle begreiflich zu machen, ausgerufen haben: ti!l6 l>«t »: »« 8utl)l' Illtl'n, cl^^ii-cil aber dic miä' betreffende Stelle in seinem Münch-hausen verblieben ist, s» „i^ auch incine Nntwmt in den, vorliegenden V»chc sieben bleiben, da sie noch bei seinem Leben geschrieben und dam^l»? auch sch^n in einem Tage^blattc pnbll-cirt wurde. 221 chinesischen Mandarin glich. Nachdem wir ohnge-fähr vier deutsche Mcilcn zurückgelegt hatten, hielt ich um sieben Uhr bei einer Hecrdc Ziegen unter Mimoscngcbüschcn an, um ein wenig auszuruhen und dort eine doppelte Portion meines Milchdcpu-tats zu mir zu nehmen. Dann ward bei Sternenlicht weiter geritten, um wo möglich Kartum schon am frühen Morgen zu erreichen. Der Weg ging jetzt meistens durch unebnes Terrain und dichtes Gebüsch, so daß wir gleich von Anfang an bei der ziemlich dunkeln Nacht Mlil)c hatten, zusammen zu bleiben, und oft an unbemerkten Dorncnzwcigcn hängen blieben. Zuletzt verirrten sich der Doktor und mein Kammerdiener, da sie wegen zu großer Ermüdung ihrer Thiere uno uicht mehr schnell genug hatten folgen können. Ich schickte den Drogoman ab, um sie zu suchen, doch vergeblich, und nachdem wir noch eine geraume Zeit gewartet und nach allen Wcltgcgenden hin gerufen hatten, ohne Antwort zu erhalten, mußten wir sie sich selbst überlassen, was auch ohne große Vcdcnklichkeit geschehen konnte, da wir uns nur eine halbe Stunde von Halfaja, einem ansehnlichen Orte, befanden und dcr Morgen schon 222 nahe war. Wie wir später erfuhren, hatten sich die Verlornen, nach lang' ausgestandncr Angst im Walde, endlich auch glücklich dort ciugcfunden, und nachdem sie den Schech geweckt und von ihm Esel nebst einem Führer rcauirirt, langten sic drci Stunden nach uns in Kartum an. Dicsc Stadt liegt am Beginn der Gabcl, welche durch dic Vereinigung des weißen und blancn Flusses, dic beiden großen Arme des Nils, von dcncn cs noch immer unbestimmt bleibt, welcher von beiden den Namen dieses Flusses zu tragen eigentlich berechtigt ist — gebildet wird. ") Sie nimmt sich mit dem hohen Thurme ihrer Moschee, und den Weithin sich erstreckenden crcnclirten Vefestigungs-mauern in der Ferne recht stattlich aus, doch in der Nahe ist sie, da alle Gebäude darin nur aus Erde ohnc Abputz aufgeführt sind, eben so unscheinbar als allc übrigen Städte dieses Landes. Die Umgegend ist von dieser Seite größtentheils Wüste oder baumlose Fcldflur, nur iu der Nabe befinden sich einige Gärten, wao auch kaum anders zu erwarten ist, da dicsc Hauptstadt des Sudans erst vor zehn *) Nunmehr scheint c^? cntstl'lcdcn ;u sevn. 223 Jahren auf Mchcmcd Ali's Befehl aus der Einöde emporstieg. Noch ehe ich den blauen Fluß passirtc, der dicht vor der Stadt ihrer ganzen Ausdehnung entlang dahinfließt, fand ich am diesseitigen User desselben den Schatzmeister Korschud - Pascha's schon postirt, um mich im Namen seines Herrn zu bckomplimcn-tircn, und mich in der eleganten Barke desselben hinüber in das mir bereitete Haus zu fuhren. Dies producirte wie gewöhnlich ein Muster vom charakteristischen Geschmack der Türken und Orientalen — ich meine jene, ihnen so eigenthümliche Mischung von Pracht, Schmuz und Elend — aber hier, nach den Sitten des Landes, in dreifach gesteigertem Maßstabe. Von außen rohe Lehmwände, durch die ein hohes und verziertes Thor, unter einer Veranda, in einen Saal von ansehnlichen Dimensionen führte, dessen Decke nur aus rohen Balken, und der Boden aus festgestampfter Erde bestand, die alle zwei Stunden von einem Sklaven aus großen Ochsenhaut-schläuchcn übergössen wurde, um den Staub zu löschen. Auch der an drei Seiten des Saales sich umherziehende, einen Fuß erhöhte Divan war ebenfalls 224 nichts als einc zweite Erdtenne mit einer hölzernen Einfassung, abcr mit den schönsten Tcppichen in Profusion und vielen weichen scidnen Kissen aller Farben belegt. Den Boden deckten bis auf eine gewisse Distanz vom Divan kunstreich aus Palmenblättern gewobene Matten, die nirgends schöner als im Sudan verfertigt werden. Die Wände waren zwar, als einc besondere Recherche für diesen Pallast, vor kurzem geweißt worden, hatten abcr bereits die allgemeine Staubfarbe schon wieder angenommen, und alles Amcublcmcnt des Salons bestand aus zwei enormen Fässern aus gebranntem Thon, durch die fortwährend daS öfters darin erneute Nilwasscr in große darunter stehende Becken filtrirte, wo es sich klar wie Krystall und kühl wicBrunnenwasscr erhielt; mchrcrcVardaken (wie man sich wohl erinnert, irdene Kruge, die das Wasser durch das Ausschwitzen uoch kalter machen) standen auf einem in der Wand befestigten Brette zum beliebigen Gebrauch daneben. Ein Dutzend reich gekleideter, abcr barfuß gehender Diener füllten außerdem das Zimmer, und beeifcrtcn sich, mir prächtige Pfeifen ncbst Kaffee und Scherbct in den kostbarsten Gefäßen zu pväsentircn. Die Schlaf- 225 stubcn neben dieser Hauptpicce waren gräulich für alle Sinne, schlechter als der ärmste Vauer in Europa sie würde bewohnen wollen. Ich beschloß daher, mich für mcine Person Tag und Nacht auf dem Divan einzurichten, und bedauerte aufrichtig meine Leute und Sklaven, welche in diesen dumpfigen, schmuzigcn Löchern notgedrungen ihre Woh-nuug aufzuschlagen gezwungen waren. Denn nur dem Doktor hatte man noch außerdem ein eignes kleineres Haus bereitet, das in allem die Diminutivabbildung des mcmigcn rcprä'scntirtt, und ihm an Schnmz und mit Pracht übertünchten, Elend nichts nachgab. M«h«meb Mi's Reich, III. 15 Kartunt. Noch nicht fünf Minuten seit meiner Installirung im Hause waren verflossen, als der Militär-Gouverneur der Stadt und Befehlshaber Mehemcd Ali's regulärer Truppen im Sudan, der General Mustapha Bey, mit einem zahlreichen Gefolge eintrat, und, nachdem er mich zweimal zärtlichst umarmt hatte, auf der mit Teppichen belegten Ottomanne aus getrockneter Erde neben mir Platz nahm. Er soll ciner der besten Offiziere des Vicekönigs scpn, und hatte ein kriegerisches, dccidirtcs Wesen, das ihm wohl anstand. Dcmungcachtet befand er sich jetzt in einer untergeordneten Stellung, da er früher Gouverneur des Königreichs Kordofan gewesen war, wo er indeß, wie man behauptete, sein Amt etwas zu gut genutzt, 227 und sich damit ein großes Vermögen erworben hatte. Eine Viertelstunde später kam Korschnd - Pascha selbst mit noch größerem Pomp als der General, und beehrte mich mit derselben doppelten Umarmung. Wie fast alle ägyptische Große ist auch Korschud-Pascha ein Mann von vornehmen Manieren und gewinnender Höflichkeit, hatte aber, vom ölima leidend, ein sehr hinfälliges und krankes Aussehen. Wie ich später erfuhr, ist cr hier zwar gefürchtet, aber keineswegs geliebt, wegen seines unerbittlichen Geizes, mit dem er in den 10 — 12 Jahren seines Gouvernements über eine Million spanischer Piaster zusammengescharrt haben soll. Man bezeigte ihm indcsi äußerlich fast noch mehr Ehrfurcht als selbst Mehcmed Ali in Kahira, und sein Leibarzt, der schon früher erwähnte italienische Renegat, der Obcrsteu-rang hat, wagte es nie, wenn der Pascha ihm erlaubte zu sitzen, sich anderswo, als aus die Matten des Bodens niederzulassen. Nur der General saß heute auf dem Sopha neben mir und dem Pascha; alle Uebrigcn mußten mit ausgewognen Gchuhcn um uns her stehen, die Vornehmsten oben aufdem Divan, die von minderem Grade auf der Matte, und die 15- 228 Geringsten etwas entfernter auf dem bcgossnen, noch ganz nassen Erdboden. Unsere Untcrhaltnng war nur kurz, und nachdem die Herren mich verlassen, erschien der Haushofmeister des Gouverneurs mit einer langen Reihe Diener, alle mit den verschicdnen Gegenständen einer türkischen Mahlzeit beladen, die zwar sehr copies aber herzlich schlecht war. Zugleich mit ihnen fand sich ein Siei-liam'schcr Jude ein, der mich mit einer schmählichen Sorte sauern Rheinweins versorgte, für den ich ihm 80 Piaster (8 Gulden) siir die Boutcillc bezahlen mußte. Dieser Mann, der mit allem möglichen europäischen Auswurf, aber immer zu ähnlichem Tarif, Handel trieb, war zugleich Gouvernements-Apotheker, und das Loos der armen Saldaten nicht wenig zu beklagen, die im Lazaret!) von den Mcdi-camcnten aus seiner Teufelskliche gczwungncrmaßcn Gebrauch machen mußten. Da er mich ohne Zweifel als eine besonders willkommnc Ertrabcute ansah, ward er später so zudringlich, daß ich ihn zur Thüre hinauswerfen lassen mußte. Es ist leider nur zu wahr, daß Alles, was man in diesen entfernten 229 Ländern von dort ctablirten Europäern antrifft, in der Regel ganz zu demselben Schlage gehört. Gegen Abend machte ich dem Pascha meine Gegenvisilc, und wurde, zwar von ihm mit allem, bci der Gelegenheit aufzubietenden, barbarischen Glanz, aber in keinem bessern, obwohl ungleich größeren, Lokal empfangen, als das mir angewiesene Gebäude war. Sowohl bei dieser Zusammenkunft, als während einiger später gemachten Besuche, theilte mir der Pascha mehrere nicht unwichtige Nöthen über die südlicheren unbekannten Gegenden mit. Besonders interessant war mir die Erzählung eines Streifzugs, den er selbst vor einigen Jahren mit 2000 Mann Truppen, wic er versicherte, bis zwcinnddreißig Tagereisen weit (die Tagereise zu 6—8 Stunden gerechnet), stromaufwärts des Vahr-cl-Abiad (weißen Nils), theils auf dem Flusse, theils längs desselben zn ^andc unternommen hatte. Er fand die Gegenden, durch die sein Weg führte, fast durchgängig von fruchtbarem Boden, voll Wälder mit den höchsten Bäumen (Adansonicn und auch Kokospalmen nach der Beschreibung), und nnr zuweilen von hohen und steilen Bergen eingefaßt, doch überall sehr wenig Cnltur, 23N und je weiter er kam, immer wildere und kriegerischere Bewohner, von denen selbst Lcbcnsnnttcl nie anders als dnrch Kampf und mit Gewalt zu erlangen waren. Er schilderte diese als große, sehr traftige und schön gewachsene kohlschwarze Neger, die ganz nackt gehen, selbst ohne Schnrz, und dnrchaus keine Religion haben sollen, d. h. indeß wahrscheinlich uur: weder Muselmänner, noch Juden oder Christen seien. Männer und Weiber rasircn bei einigen Stämmen ihr Haar, und bcdeckem dennoch den Kopf nicht gegen die gln-hendc Sonne. Wenige hatten einen Vart. Im Winter ist es in den bergigen Landesthcilen sehr kalt, dann pflegen die Eingeb^rnen große Feuer anzn-glindcn und sich rund umher in den gewärmten Sand cinzugraben. „Oft," sagte dcr Pascha lachend, „wenn wir sie unversehens überraschten, sahen wir sie wie Crdmäusc auf allen Seiten sich aus dem Boden l)crauo-. arbeiten." Ihre Waffen und Vcrthcidignngsmittcl bestehen anS Schildern, Bogen, Wurfspießen und Pfeilen, die letzteren zuweilen mit einem so heftigen Gifte versetzt, daß alle Wunden davon sich stets alo töbtlich erwiesen. Keiner ließ sich seine Waffen vor dcm Tode entreißen, und der Pascha konnte nicht 25! genug die heroische Tapferkeit und Todesverachtung rühmen, mit der diese Wilden ihren Grund und Boden vertheidigten. Das Wasser des Flusses fand man, so weit man kam, überall reichlich und meistens tief, ohne sichtliche Minderung, obgleich der Strom sich häusig in viele Arme theilte, die unzählige, zum Theil dicht bewaldete Inseln umstossen. Zweimal traf cs sich jedoch, daß man, einem solchen Arme folgend, ihn so weit in der Plaine ausgetreten fand, daß die Schifffahrt darauf zu ungewiß und gefährlich ward, und mau daher wieder zurückkehren uud einen andern besser begrenzten Arm aufsuchen mußte. Dies hatte die Folge, daß man im Ganzen gegen fünfzig Tage brauchte, cbc man die Rückkehr wieder anirat. Einer dieser Arme oder Zuflüsse des weißen Nils (denn wahrscheinlich sind mehrere der angegebnen Arme das Letztere) hatte ungleich besser cultivirtc Ufer als die übrigen, und eine Menge Dörfer waren zwischen den fruchtbaren Fluren vertheilt, die Einwohner derselben aber eben so wild als die übrigen, weshalb man, wie der Pascha kaltblütig sagte, »sich gezwungen sah," (auf gut Türtisch) den größten 232 Theil dieser Orte zu verbrennen und die Einwohner als Sklaven fortzuführen. Der Gouverneur behauptete, kurz vor dem Punkte, wo er die Rückkehr antrat, Tai'phafan genannt, im Lande der Tcngar oder Tongar, zwei Pyramiden, eine auf jeder Seite des Flusses, angetroffen zu haben, an Bauart gauz denen von Dschisch gleich, wenn auch nicht so hoch, auch weit weniger breit in der Vasio und oben mit stumpfer Spitze, wie zur Aufstellung von Statuen bestimmt. Beide, versicherte er, hätten sich vom Grunde aus bedeutend südlich geneigt, so daß sie dem Auge ganz schief erschienen wären, ohne daß er angeben könne, ob sie absichtlich so gebaut worden, oder durch ein Erdbeben diese Richtung erhalten hätten. Die Blöcke, aus denen sie bestanden, wären von derselben Stcinart als dic umliegenden Berge und stufenwcis über einander gelegt gewesen, so daß man ziemlich bequem hinaufsteigen konnte. Obgleich man auf dergleichen Nachrichten nicht sehr fest bauen kann, so ist es doch kaum wahrscheinlich, daß der gravitätische Türke in seinen Verhältnissen zu mir, und in Gegenwart so vieler Personen — von dcncn mehrere seiner Erpcdition bei- 233 gewohnt hatten, und seine Angaben theils bestätigten, theils häufig berichtigten — mir vor seinem versammelten Hofe ein bloßes Mä'hrchcn aufgebunden haben sollte, noch weniger kann er und seine Begleiter sich, bei so specieller Auskunft über die Natur der Sache, selbst gröblich geirrt haben. Ist seine Nachricht aber gegründet, so muß der Umstand einst, bei näherer Untersuchung, gewiß für die Geschichte dieser Länder und ihrer Vergangenheit wichtige Resultate liefern. Drang vielleicht Nhamses-Scsostris in seinen erobernden Zügen bis dorthin vor, und errichtete daselbst nach seiner Weise als ewige Landmarke der wundervollen Unternehmung jene ungeheuren Monumente an beiden Seiten des gchcimnisivollen Stromes, dessen Quellen unerreichbar schienen — oder lebte im grauen Alterthume hier wirklich ein Volk, dessen noch rohe, aber schon mit dem Kolossalen spielende Kunst die später veredelte Nachahmung in Aegypten fand? deicht mögen diese Bauwerke, wenn sie eine Realität haben, darüber vollkommeneren Aufschluß geben. Von den halb fabelhaften Mondbergen konnte Korschud-Pascha, ohngeachtet er, feiner Beschreibung nach, wenigstens bis über den achten Vreitcgrad 254 vorgedrungen st'yn muß, keine Auskunft geben, er sah und hörte Nichts, was dcrcu Eristcnz in dieser Richtung, wo die Karten sie angeben, vermuthen lassen könnte. Aller Wahrscheinlichkeit nach must dies Gebirge, wenn es ein solches giebt, südlicher und mehr östlich, weit hinter Abpssinicn in Verbindung mit dessen ohnedies schon sehr hohem Verglanbe liegen. Dies Letztere war die Meinung Korschud-Pascha's, und schon Mehcmcb Ali äußerte gegen mich ctwao Aehnlichcs in Kahira, als wir von Vruec sprachen; nämlich daß die wahren Quellen des Nils gewiß ferner als Abpssmien in hohen Gebirgen entsprängen. Obgleich man seit vier Jahrtausenden diese Qncllen des Nils vergeblich gesucht hat, so bin ich doch, nach allen cingczognen Nachrichten, und nach der etwas genauern Bekanntschaft mit diesen Landern überzeugt, daß gerade jetzt dieser Entdeckung durchaus keine so unübcrsteiglichcn Hindernisse entgegenstehen, als man gewöhnlich glaubt, wenn man nur die rechten Mittel dazu anwendet, und hier kann ich mich nicht genug darüber verwundern, daß noch nie wcdcr ein europäisches Gouvernement, noch einer jener vielen überreichen Engländer, die doch in: Allgemeinen so viel 235» Interesse an dergleichen Gegenständen nehmen, und selbst so viel reisen, Leute, denen es nnr eine kleine Entbehrung kosten würde, ein paarmal hunderttausend Thaler oder mehr auf einen solchen Zweck zu verwenden — nie den Gedanken gefaßt haben, sich hier auf so leichte Weise einen unsterblichen Namen zu erwerben. Wenn ein solcher Mann oder eine Regierung sich gegen den Vicekö'nig bereit erklärte, dic Kosten der Expedition tragen zu wollen, und hinlänglich darthäte, daß man nur wissenschaftliche Zwecke im Auge habe, so wurde gewiß, mit nur einigem »avail' filil-e, die reellste Unterstützung dcs ägyptischen Gouvernements leicht erlangt werden, ohne welche allerdings die Ausführung des Unternehmens sehr schwer seyn mochte'). I) Wir lemu-n NIIII mit Gewißheit, wenn auch noch nicht die Quellen, b^l, wenigstens den Lauf deö Vahr-el-Adiad, bis nahe scinrni Ursprung. sli wie die wivkliche Lage der Gchivgc (dic Ml.'ndl'ergc, wenn man sie so nennen will), auö denen der weiße Nil entspringt, nnr fand man diese viel südlicher unb viel wetter östlich, als man sie früher annahm, also ziemlich so, wie cS der Pascha in Kartn«, n„d M-Hcmcd Ali selbst schon voraus setz! en, was merkwürdig gcnug ist. Wem verdankt man es aber nun, daß dies Geheimniß von 4i!c!', nach einander untcrnahin, seine Kosten scheute und nicht eher ruhte, bis er seinen Iwcck erreicht hatte. Ob dies den kopflosen Ekriblcrn geqcn diesen Fürsten nicht ctwas das Handwerk legen wird? Denn sie mögen ilm» Motive unterlegen, welche sie wollen, das Nesnltat tonnen sie ihm nicht wehr abstreite«. Spielend gelingt seiner Energie, was bislnr allen Nationen der Erde unauoführb.n- blieb, und der llngclehrte Türke verdient sich von der Wissenschaft einen unsterblichen Kran;! Cs ist in der That. als hätte daS Schicksal ihn dnrch diesen unerwartete» Nuhm bei der ei^ilisirtesten Wclt Europas f^r alle die Unbill entschädigen wallen, welche ihm von andern Mächten bieseo Welttheils in politischer, oder vielmehr unpolitl'schei Hinsicht angethan worden ist. 237 (nicht Schabun, wic die Karten es nennen), wo sich jetzt die österreichschcn Mineralogen, unter des trefflichen Russcggcr Leitung, mit einer Bedeckung von 400 Mann Infanterie und 200 Reitern, zur Untersuchung der dortigen Goldmincn befinden, aber wegen der schon eintretenden Regenzeit bald hier zurück erwartet werden. Mau hat eine so starke Eskorte zum Schutz der Gelehrten für nöthig erachtet, weil die tapfern und kriegslustigen Neger etwas eifersüchtig auf ihr Gold sind, auch selbst die Sand-wäschcrcicn sehr ämsig, wenn gleich unvollkommen, betreiben, und einen bedeutenden Handel mit diesem Metall nach Kordofan, Sennaar uud auch nach Darfur treiben. Mustapha-Vey hatte kürzlich erst mit ihnen Krieg geführt, und Scheibun verbrannt, auch einige Bcrgdistrikte bezwungen, doch aber, wic es schien, sich nicht bleibend dort behaupten können. Sklaven zu erlangen, war der Hauptzweck der Erpedition, eine Razzia auf Menschen. Zu den merkwürdigsten Produkten Kordofan's rechnete er einen kolossalen Vanm von sehr schwammigem Holze, welcher eine Frucht von der Größe eines Straußcncics trägt, dereu milchartiges Mark wohlschmeckend ist. Derselbe 238 Baum kommt auch, wiewohl selten, in einigen Distrikten des Seminar's vor, wo man ihn Kangulos nennt. In Kordofan heißt cr Homer und anch Tebcld. Mustapha-Vcy versicherte, Stamme dieses Baums gemessen zu haben, die über sicbcnzig Fuß im Umfang gehabt hätten. Seine Höhe, obgleich ansehnlich, steht in keinem Verhältniß zu dieser ungeheuren Dicke des Stammes, doch breiten sich die Aestc sehr weit aus. Das Holz ist übrigens so schlecht, daß es nicht einmal zum Brennen wohl gebraucht werden kann. (Wahrscheinlich eine Adausonienart oder der Sotor). Ich erkundigte mich auch bei ibm, meiner alten Manie getreu, wieder nach dem Einhorn, doch ohne Erfolg. Dagegen ließ cr mir zwei prächtige Eremplarc von Nashornhörncrn holen und machte mir beide zum Geschenk. Das eine mißt genau anderthalb französische Fuß in der Länge, das andere, welches noch dicker in der Wurzel ist, ist einen halben Fuß kürzer. Von den Vulkanen und heißen Quellen, so wie Grotten mit ägyptischen Hieroglyphen, deren Herr Nuppel erwähnt, hatte cr keine Kenntnisse; dagegen erzählte er viel von dem merkwürdigen, reichen und 239 nicht ganz uncivilisirten Berggebiet Ti5gel6, südöstlich von Kordofan. Obgleich zwischen Kordofan und Sennaar mitten innc liegend, ist es so vortrefflich dnrch die Natur vertheidigt, so gut in kriegerischer Hinsicht organisirt, und von so tapfern Leuten bewohnt, daß man es bisher nie mit Erfolg anzugreifen versucht hat. Nur zwei höchst unzugängliche Pässe gewähren den Eingang in das durch uncrsteigliche Porphyr- und Granitfelsen geschützte Land, welches außerdem noch von einem Saum undurchdringlichen Urwaldes stachlicher Mimosen ganz umgürtet ist, der sich l-ii'cll vom 13'2 bis zum Nten GraHe nördlicher Breite erstreckt. Die Regierung ist völlig despotisch. Der jetzige Sultan, ein noch junger Mann, soll von ausgezeichneten Gaben scpn, und an fünfzig-tausend Mann Bewaffnete aufbieten können. Das Land enthält selbst Gold, außerdem aber werden auch die Goldwäschcreien des angrcnzeudcn Schcibun hauptsächlich von Negern im Dienste des Beherrschers von Tl'gele bearbeitet. Die Nation treibt einigen Handel mit den auswärtigen Dschcllabs und ist nicht ohne einen gewissen Lurus, der sich unter anderm am Hofe des Sultans durch eine sehr schmuckvolle 240 Kleidung darthun soll. Alles Land gehört dcm Staatsoberhaupt, un5> jeder Bewohner ist nicht minder sein Eigenthum. Dennoch behauptet man, daß das Ncich mit Milde und Gerechtigkeit regiert werde. Beim Tode des Sultans müssen nach einer seltsamen Sitte alle Männer und Frauen ihr Haar rasiren, das Haupt mit Staub und Asche bedecken, und ein ganzes Jahr lang u« den Verblichenen trauern. Zugleich wirb alles männliche Vieh getödtet, und erst nach der vcrflofsncn Trauer beginnt man Naubzügc in die Umgegend, um sich neue Stammhalter zu verschaffen. Dieser letzte Gebrauch scheint fast unglaublich, Mu-stapha-Pascha versicherte mir aber wiederholt, daß die Sache sich genau so verhielte, wie er sie angegeben, und in Wahrheit — die Thorheiten der Menschen sind zu allen Zeiten so kolossal gewesen, daß man auch die wahnsinnigsten nicht zu bezweifeln braucht. Uebrigcns ließe sich allenfalls ein politischer Grund dabei denken, den kriegerischen Nanbgeist zu erhalten, und dcm Volk sogleich bei Beginn der neuen Regierung eine äußere Beschäftigung zu geben. Der General meinte, daß cm Europäer, der als einfacher Handelsmann aufträte, wenig Schwic- 241 rigkcit finden würde, sich in T^gek; Eingang zu verschaffen, da kein religiöser Fanatismus daselbst herrsche, und er nicht einmal bestimmt wisse, ob alle Einwohner sich zum Islamismus bekennten. Südlicher am Dschebcl-Kadro wohnen die Nuba« Neger, von schönem, nervigem Bau, und wohlge-formtcm Antlitz. Beide Geschlechter gehen ganz nackt. Sie sind pechschwarz, häufig an Armen, Brust und Bauch tätowirt und durch regelmäßige Meffer-schnitte gezeichnet, die Sonne, Mond und Sterne darstellen, gleich den Bewohnern von Darfur und selbst eines Theils des niedern Nubiens. Sie bedienen sich vergifteter Wurflanzcn nut eisernen und hölzernen Spitzen, bemalen zuweilen Theile ihres Körpers mit rother Farbe, und tragen Sandalen aus Elephantenhaut, aus welcher auch ihre Schilde gefertigt sind. Nicht ohne Industrie verfertigen sie höchst künstliche und elegante Arbeiten aus 5?eder und Schilf. Sie sind tapfer, kriegerisch und von wildem Charakter. Mustapha-Pascha, der viel harte Gefechte mit ihnen zu bestehen hatte, fand, wie er mir sagte, nie einen Feigen unter ihnen, und war selten im Stande, andere als Schwcrvcrwundcte zu Ge- Mehnned Ali's Rcich, Ul. 16 242 fangnen zu machen, da sie sich, selbst gegen die größte Uebermacht, stets bis anf den letzten Mann vertheidigten. Auf manchen Bergen, 3. V. am Dschcbcl-Njnckcr und Turban, sollen sie Mcnschenficisch fressen. Delikat sind sie wenigstens in ihrcr Nahrung keineswegs : frisches wie verfaultes Fleisch, Ratten, Schlangen , Kröten und Ungeziefer aller Art wird nie von ihnen verschmäht. Außer den Ringen in Nasen und Ohren, die beide Geschlechter tragen, befestigen sie auch lange Stacheln des pm'c - öpic rechts und links herausragend an ihre Nasen. Was ihnen aber ganz eigenthümlich scheint, ist, baß sie von allen Theilen des Körpers die Genitalien am meisten zu schmücken suchen, und man kaum begreift, wie sie die Masse der dort hängenden Verzierungen ohne Schmerz ertragen können. Ihre Sprache ist der der Schilluk ähnlich, reich und voll mit vielen Gurgeltöncn. Die Beschneidung kennen sie nicht, so wie man überhaupt keine Art von Religionsübung bei ihnen bemerken kann. Dennoch sind sie bei weitem intelligenter als die Schilluknegcr. Vom Dschcbel-Kadro reist man drei Tage im Lande dieser Völker bis zum Dschcbcl-Hödra, wie ich später von Herrn Nussegger erfuhr. 243___ Im Westen passirt man nach der Neide die Verge Mile, Manichcdan, Kulfan und Debri — im Osten Gualih, Dcri, Njucker und Turban. Dcr Hedra steht isolirt, aus Granit geformt. Die Eb,n- besteht aus Thonboden und wird zur Regenzeit ein fast unpassirbarer Sumpf. Wälder von Akazien, Mimosen, Gummi- und Wcihrauchbänmen, Cactussen und giftigen Euphorbicn, deren Saft die Waffen dcr Eingcborncn so tödtlich macht, durchziehen sie. Zibech-fatzen, der braune Tetal und andere sehr große Antilopen, gleich kleinen Pferden, Kopf und Nucken braun, der Nest schlohweiß, wurden hänffg von den Reisenden gesehen. Auch sehr große Schlangen zeigten sich ln'cr bereits, unter andern die Ii<>^ ^»«.-l-<'„»o st'i--,'l!c»i»onx solill'), eine interessante Curiosität flir die Laien. Von Berber sehte cr seine Neisc zu Wasser fort, und litt an der letzten Katarakte Schiffbruch, wo er einen großen Theil seiner Effekten einbüßte, und durchnäßt, ohne Klciderwechscl noch Obdach, cine ganze Nacht im Freien zubringen mußte. Er entging den gefährlichen Folgen dieser Erkältung vielleicht nur dadurch, daß cr die Geistesgegenwart hatte, sich selbst mit einem Federmesser zur Ader zu lassen, in diesem Clima das besti' Mittel bei einem solchen Vorfall. Herr Voreani hatte seinen hiesigen Aufenthalt (wo cr noch auf nähere Instruktion wartet) sehr thätig zu einer Sammlung von ausgestopften Thieren und Vögeln benutzt, und als ich ihn am andern Tage in seiner Wohnung besuchte, war ich wirklich erstaunt über die Menge und vortreffliche Conservation derselben. Hier sah ich auch zum erstenmal den klassischen weißen Ibis, der erst von der 255 letzten Katarakte aus wieder angetroffen wird, weiter nördlich aber ganz ausgestorben ist. Der liebenswürdige Reisende war so gcncreus, mir noch ein vortrefflich erhaltncs Ercmplar dieses Vogels, so wie einiger farbenreichen Colibri's, nebst zwei lebenden Papageien zn schenken, die ich später alle glücklich nach Hause sandte. Er erzählte mir, daß er den größten Theil seiner Sammlung der Gewandtheit und uncrmüdeten Ausdauer eines von Herrn Nuppel dressirten Ncgcrjägcrs danke, den er hier in Dienst genommen. Dieser erlegte die Thiere nicht nur, sondern stopfte sie auch mit seltner Gcschicklichkeit aus. Ich glaube, daß einige dieser Vögel, namentlich eine ganz eigenthümliche, sehr große und prachtvolle Reiher-art, noch unbekannt in Enropa sind, wenigstens sind sie mir in keinem Naturalienkabinct bisher vorgekommen. Da ich wieder viele Krokodille am jenseitigen Ufer schlafen sah, ohne den geheiligten Schech darunter zu erblicken, ließ ich mich hinüberrudern, um wo möglich einen derselben zu erlegen. Die ermüdende Jagd hatte aber kein Resultat, die Thiere waren, trotz ihres anscheinenden Schlafes so wachsam, daß mich keines näher als 200 Schritte herankommen ließ, 25S ohne sich bei Zeiten zu erheben und langsam ins Wasser zu kriechen, wo es bald vor jeder Verfolgung sicher ist. Die Hitze war gräßlich und stieg um zwei Uhr Nachmittags bis 39 Grad Ncaumür im Schatten. Da nun die Krokodillc am Morgen so viel Furcht vor mir bezeigt hatten, so beschloß ich am Abend, nach Kühlung lechzend, mich auch nicht mehr vor ihnen zu fürchten, und unter meinen Fenstern, wo mich übcrdcm mehrere vorgezognc Barkcu einigermaßen schützten, ein Flußbad zu nehmen, obgleich man mir versicherte, daß genau an derselben Stelle erst vor wenigen Wochen einem am Wasserrandc spielenden Knaben dcr Arm abgebissen worden sey. Der Nil war hier unmittelbar am Ufer schon so tief, daß ich mich zum Bade an einen Strick anbinden lassen mußte, der an einer der dort stehenden Barken befestigt wurde, aber die Wollust des verhältnißmäßig kalten Wassers gegen die glühende Temperatur der Atmosphäre war sogroß, daß weder die unbequeme Lage, noch die Gefahr sie schmälern konnten. Auch blieb ich ganz unangefochten über eine Viertelstunde in dem belebenden Element, dessen Werth man erst in diesen Ländern vollständig schätzen lernt. Weitere Tüdfahrt auf dem blaue» Nil. Nachdem ich mich hinlänglich ausgeruht und alles Nöthige vorbereitet, schiffte ich mich am sechsten Mai mit dem Kawasi, drei Dienern und dem in Mandera gewesncn Dschaus in der bequemen, aber etwas dclabrirten Kangschc des Gouverneurs gegen Abend anf dem blauen Flusse ein, um trotz des täglich erwarteten Eintritts der Regenzeit noch etwas weiter vorwärts zu dringen, ein Unternehmen, das für einen Dilettanten, der die Sonnenseite des Bebens schon hinter sich hat, der auch nicht ex ulücw „nilmdl; par 1'^l,«l«t<5l->« l>,i lil l'V:m«l>", wie die Inschriften Linauts nnd Caillauds in Mesaourat lauteten, eben so wenig von seinem Vatcrlcmdc gesandt, sondern aus bloßer Laune in der Welt Mcycmcd '.Ili'c Ncl4. III. 17 258 umherzieht, — immcr genug gethan war; denn das Reisen in der Regenzeit wird hier für Europäer oft tödtlich. Der Doktor folgte mit seinen beiden Sklaven in der zweiten Varkc. Ein heftiger Staubsturm indeß, der im Moment unsrer Abfahrt eintrat, zwang uns, ganz nahe der Stadt, in einer geschützten Vai bis zum nächsten Morgen zu verweilen. Wir hatten dann ziemlich günstigen Wind, wegen der vielen und jählingcn Krümmungen des Flusses diente er jedoch nur theilweise, und die meiste Zeit mußten die an unsre Fahrzeuge angespannten Einwohner zu unsrem Fortkommen das Beste thun. Dennoch ging es im Ganzen nur sehr langsam vorwärts. Drei Stunden von Kartum lamcn wir bei den Ruinen von Soba oder Saba vorbei, was die unwissenden Türken für die Residenz der berühmten Königin ausgeben, die den weisen Soliman (Salomo) besuchte, deren Besichtigung wir aber bis zu unsrer Rückkunft aufschoben, und drei Stunden weiter, ohnfern eines freundlichen Dorfes, für die Nacht ankerten; die Schifffahrt ist hier in der Nacht zu unsicher, und überdies wünschte ich so wenig als möglich von der Gegend ungesehen 259 zu lassen. Als wir zu einer kleinen Excursion ins Innere während der Abcndlulilc ans Land stiegen, fanden wir die Ufer mit einer Menge Pelikane, schwarzer und weißer Ibisse, die zum Theil gleich Störchen auf den Bäumen nisteten, wilden Gänsen, Eutcn und vielen andern Wasservögcln so reichlich bevölkert wic im Paradiese, doch Menschen ließen sich nicht sehen. Endlich stieß uns jedoch ein hübsches junges Mädchen auf, ganz allein in einem Durrafcldc mit ländlicher Arbeit beschäftigt, die, sobald sie uns gewahr ward, sogleich die Flucht zu ergreifen Miene machte. Mit Mühe brachte sie der Dschauo dnrch einige zugerufnc Worte zum Stehen, obgleich sic bei unsrer Annäherung an: ganzen Leibe deftig zitterte. Noch ehe wir sie erreicht hatten, rief sie uns ängstlich zu: >>O, liebe ^eute, wollt Ihr mir gewiß nichts thun — wollt Ihr mich nicht essend" und nur auf die wiederholte Versicherung, daß wir uns blos nach dem Weg bei ihr erkundigen und ihren schönen, bunten Pcrlenschmuck besehen wollten, mit dem sie ganz behängen war, kam sie uns langsam und zögernd ein paar Schritte entgegen, jetzt schon freundlicher lächelnd, aber immer 17" 2"' >'Mm8-^ l'ün-c ll.'m« l^tl« ^ll!^i'6!" Ich ward jedoch uuvcrmuthet in dieser melancholischen Anwandlung durch Abcleng unterbrochen, der ganz unbemerkt von mir auf den Tisch gesprungen war, und nur jetzt 270 sanft dic Feder aus dcr Hand zog, mit der Miene, als wolle cr selbst cm po«t8e!iptl,m hinzusetzen, was allerdings mein Werk zu einer dcr unschätzbarsten Seltenheiten gestempelt haben würde. Dcr Boshafte sah mich aber nur mit unwiderstehlich lomischcm Ernstc an, blinzelte heftig mit den Augen, zerkaute dann hastig die Feder und warf sie in die Ecke dcr Cajü'tc! — wahrlich eine bittre Satyre! Aber Au-torcn sind unverbesserlich, selbst wenn Assen sich die Mühe geben, sie zu recensircn. Und so ward die Zerkaute Feder bald mit einer neuen vertauscht, dcr Himmel gebe mit des Lesers nachsichtiger Genehmigung. Um drei Uhr Nachmittags ließ das Unwetter endlich in so weit nach, daß wir mit großer Anstrengung der requirirten Leute wieder flott wurden. Die Ufer blieben noch stach und unbedeutend, obwohl öfter als gestern mit niedrigem Buschwerk eingefaßt. Doch sah mau über die weißen Sandfiächcn fortwährend tiefe Wälder in der Ferne. Wir bemerkten wenig Dörfer, sahen aber häusig große Hcerdcn von Ziegen, und auch eine Hcerdc von vielen hundert Kameclen zur Tränke an den Fluß kommen, 271 was fortwährend für dic Wohlhabenheit der Einwohner spricht. Mein Kammerdiener Ackermann, der rüstiger als wir geblieben und mehrere Stunden zu Land marschirte, fand viele runde spitze Strohhütten der Neger einzeln im Walde vertheilt. Er sah die Leute dort eine Art Kürbioblatter mit Vergnügen genießen, und die gedörrten Körner der Frucht wurden ihm als eine vorzüglichere Delikatesse gastfrei angeboten, schienen jedoch nicht sehr nach seinem Geschmack gewesen zu seyn. Grüne Papa-gcicu waren sehr häufig im Walde, und er brachte uns einige Ercmplare davon, nebst einem schönen, roth, weiß und grün gestreiften Vogel von bedeutenderer Größe, als Beute zurück. Eiuc Giraffe hatte er vergebens und zum Ruin seiner Kleidung verfolgt, da in der That das stachliche Gebüsch hier nur mit cincr Art zu passircn ist. Die wilden Tauben, die er geschossen hatte, fanden wir noch größer und schmackhafter als in Aegppten und Nubicn. ") Sie *) Die Geographen dehnen zwar anf dcn ineisicn Karten Nubien bis zum Fazol aus, die hiesigen Türken aber lassen es, wie schon erwähnt, bei der letzten Kataralie enden, w» ihr Sudan beginnt. 272 waren uns um so willkommncr, da wir seit Kartmn nur von Hammelfleisch und lauem gelben Wasser lebten, nebst schlechtem Zwieback, den wir in letzterem auflösten. In der folgenden Nacht wurden wir noch harter als bisher geprüft, denn die Gewitter kehrten wieder, und diesmal mit einer Sündfluth, der nichts zu widerstehen vermochte. Von drei bis vier Strömen erwachend, die sich wie Wasserfalle in mein Bett ergossen, langte ich zwar beim Leuchten der Blitze noch nach meinem Regenschirm, doch da anch dieser wenig half und lein Ort in der CaMc .rocken blieb, so ergab ich mich in incin Schicksal, und das mich schon überall umgebende Wasser mit der natürlichen Hitze meines itörpers wärmend beschloß ich, in der innehabenden Position mich bewegungslos dem Elemente hinzugeben. Wirklich schlief ich auch auf diese Weise von neuem ein, und obgleich ich am Morgen mit den steif gcwordnen Gliedern kaum aufstehen konnte, nahmen doch eine starke Motion und Schwitzbad iu der wiedergekehrten Sonnenhitze alle nblcn Folgen hinweg. Mehr litten unsre Effekten, selbst das Mahagoniholz meines letzten größeren 273 Pcrspcltives zerbröckelte wie Schwamm, so daß die Beschläge und Gläser davon abfielen, und nur mühsam konnte ich es zu mangelhaftem Gebrauch mit Leim und Bindfaden wieder einigermaßen znsammen-richten. Tragikomisch war es, daß die bunten Leimfarben, mit denen das Innere der Cajü'te angemalt war, sich theils auf meine Person, theils auf die umherliegenden Kleider, Wäsche u. s. w. übertragen hatten, was mich an die „miillll'ul-» et nvluttm-eg 6'^l'Iehuii," lebhaft erinnerte, dem mein Aeußcres sehr ähnlich geworden war. Am cilftcn hielten wir in einem ganz neu aussehenden, wohlgebauten Dorfe, Ouad-Abiifrönt, wo ein Kaschcff residirtc, an, um unsern Proviant zu erncncrn. Ich stieg ans 5!and und watete durch den Koth, in welchen das viele Wasser den fruchtbaren Boden verwandelt hatte, bis zu des Kaschcff's Wohnung. Im höher gelegnen Dorfe war es etwas trockner, und der Anblick freundlich. T)ie Häuser waren unregelmäßig gruvpirt, aber in gehörig bequemer Entfernung von einander aufgebaut und angenehm mit breiten Dum-Palmcn und hohen Ta-marindcnbäumen, die uns hier zuerst bekannt wurden, Mtheml» Mi'< «eich. IN. 18 274 umpflanzt. Einige der Wohnungen waren viereckig mit einer platten Terrasse darüber, andere rund mit spitzen Rohrdächern so glatt und gut gedeckt als in England, die Mauern aber immer, nach Landeosittc, nur aus Erde und gehacktem Stroh aufgeführt. Man sagte uns, das hiesige Land sey so fruchtbar, daß, wenn es nur in einem Jahre sehr reichlich und vollständig regne, man während diesem im Stande sey, die nöthigen Lebcnsnuttel für sieben folgende erbauen zu tonnen; leider aber habc es jetzt schon seit zehn Jahren keine ganz vollständige Regenzeit mehr gegeben, was thcilweisc große Noth hervorgebracht. Doch hoffe man nun um so mehr auf diesen Segen, da es dicomal den Anschein habe, als beginne die Regenzeit schon vierzehn Tage früher als gewöhnlich, und mit allen Anzeichen großer Nässe. Dies söhnte uns einigermaßen mit dem für uns selbst daraus entstehenden Ungemach aus; denn wo gäbe es ein Gutes, von dem nicht immer Einige leiden müßten! Eine große Menge weiß und schwarze, und auch einige ganz weiße, dem Ibiogcschlccht angchö-rige oder verwandte Vögel hatten die hohen Bäume 275 in dcr Nähe der Hütten zu ihrem Aufenthalt gewählt, in deren Zweigen sie wie Früchte hingen und zum Theil auch dort horsteten; denn die Einwohner scheinen sie von jeher sorgfältig resvektirt zn haben, wenn sie sie auch nicht mehr anbeten. Man nennt sie hier Simbilleh. Ehe ich mich wieder einschiffte, besuchte ich desKascheff's wohlgchalt-ncn Garten, wo ich mit einem Korb sehr wilttomm-ncr Weintrauben und Wassermelonen beschenkt wurde, und, im Schatten der arkadcnartigen Wcinlauben auf einem mit Kissen belegten Engarcb ausgestreckt, behaglich einige Pfeifen einheimischen Tabak rauchte, dessen Farbe hellgn'ingclb und sein Geschmack'sehr milde ist. Es schien, daß wir jetzt erst, nahe dem vierzehnten Brcitegrade, in die wahre tropische Natur eingetreten scpen, und dies vermehrte um Vieles meinen Kummer, drei Monate zu früh oder ;u spät in diese Regionen zu kommen — denn ohne dies wäre ich vielleicht mehr, als irgend ein Reisender vor mir, immer weiter und weiter vorwärts gedrungen, weil mir durch Mchcmcd Ali's Güte allerdings in vieler Hinsicht ungleich mehr Hülfsmittel als 18" 27S meinen Vorgängern zu Gebote stehen. Aber ohne alle nöthige Präparation dieser mörderischen Jahreszeit von Anfang bis zu Ende zu trotzen, hieße den Himmel zu sehr versuchen, abgerechnet, daß man überhaupt nichts übertreiben muß, wenn man Seele und Leib frisch erhalten will. Obgleich mit einer ziemlichen Elasticität in dieser Hinsicht begabt, fühle ich doch, daß cS allgemach Zeit wird, die Dekoration zu verändern, und fürchte manchmal ernstlich, schon jetzt so vcrafrikancrt zu seyn, daß ich bei meiner endlichen Rückkunft mich genöthigt sehen werde, einen ganz neuen Eursus europäischer guter Lebensart durchmachen zu müsscn. Und bei uns, wo Alles der Mode unterworfen ist, Politik wie Kleider, Sitten wie Literatur — während hicr seit Jahrtausenden Alles fast stationair bleibt — wie gothisch-arabisch erscheint vielleicht schon jetzt mein Styl, wie veraltet und fremd wird meine ganze Individualität sich ausnehmcn, wie unbekannt mit allen Interessen der Gegenwart ich selbst mich fühlen gleich dem erwachten Siebenschläfer? „So mögt Ihr mich denn trösten," rief ich jetzt, freudig überrascht von der jeden Augenblick zuneh- 277 mendcn Pracht unsrer Umgebung, aus, »Ihr undurchdringlichen Urwälder, die Ihr heute, während wir so sauft auf dem ruhigen Strome dahingleiten, zum erstenmal mit Euren majestätischen Baumkronen rechts und links bis an das Wasser mcdcrstcigt; Ihr Ungeheuer der Tiefe mit aufgesperrtem Nachen, auf die wir bis jetzt immer vergebens unser Pulver verschossen; Ihr kolossalen Geier, die Ihr, auf den höchsten Spitzen Euch wiegend, verwundert ans unsre Schiffe herabblickt; Ihr buntgefiederten Papageien mit dem krächzenden Willkommen; Ihr fischenden Pelikane, Ihr Elephanten, Girassen und Gazellen, die Ihr den Durst aus den lehmigen Fluthcn des Flusses löscht, und vor Allen Ihr drolliges Völklein schwarzer, grüner und gelblicher Affen,- die Ihr, zu unsrem größten Ergötzen, ganze Familien stark von Ast zu Ast umherspringt, oder posstrlich grimassircnd tanzt, und Euch so unbefangen in Eurem wilden Zustande mit ungestörtester Muße von uns betrachten laßt — Ihr seyd vor der Hand unser einziges Publikum, und wenigstens mit aller Unvcrstellthcit und Grazie der Natur ausgestattet. Wo man sich aber an dieser Mutter Vuscn legt, ist man immer 278 noch in der wahren Heimath, und auch ich fühle hier Etwas von Eurer göttlichen Freiheit, Ihr guten wilden Thiere, das die früheren trüben matthcrzigcn Gedanken heilsam wieder niederschlägt." Mein Freund, ein alter, österreichischer Beamte, hatte Recht, als er mir häufig wiederholte: Es kompcnsirt sich Halter Alles in der Welt, wenn mau es nur recht anzuschauen weiß. — Und als ich nun, meine Bark-verlassend, mitten untcr die plötzlich wie mit einem Zaubcrschlage von allem Bisherigen so vcrschiednc Umgebung trat, boten, vom Land aus gesehn, der majestätische Fluß mit den beiden darauf wogenden geschmückten Kangschen und den langen Reihen nackter Neger, die sie im Wasser wandelnd zogen, ein fast nicht weniger originelles Schauspiel dar, das noch heute täuschend den Vilderu gleicht, welche Thebens Königsgräbcr uns vorführen. An diesen Negern, im Durchschnitt schöne Leute, ist besonders Etwas ganz ungcinein auffallend, das ich mir, aus Furcht vor Skandal, von einem gelehrten Gönner erst chalbä'isch übersetzen lassen müßte, ehe ich es drucken zn lassen wagen dürfte. u,ion)I uzpqunkBuv qun u^nlp^vuPlZ n^chfiqoßaZa uZp:a hivu ^3 qun 'Znrtj i,i.n.na qvys) .^q jnv chi>j Him Ul>qanm ^or nur dic Apothckcnkräntcr studirt hat) erhoben sich einzelne prachtvolle Grnppcn von Tamarinden'bäumcn, unsern höchsten Eichen nichts nachgebend, und eine halbc Stunde weiter hatte ich die Freude, endlich zwei Exemplare jener gigantischen Adansonicn anzutreffen, von denen mir Mustapha Bey erzählte, die aber hier den Namen Kongnlos führen. Der Stamm des größten maß, eine Elle über dem Boden, noch fünf und fünfzig Fuß im Umfang. Die Blätter scineVweit 281 gebreiteten Zweige glichen denen unsrer Nußbäume, aber von dunklerem Grün, sein Holz war schwammig wie Kork, und der Anblick der ganzen ungeheuren Masse in hohem Grade imposant. Ich glaube, daß es derselbe Baum ist, der auch in Südamerika vorkommt, wo man ihn „Voabab" nennt (^lllmlmml» ^ltata habe ich seitdem gehört). Das erwähnte Waldindividuum mochte kaum 80 — 90 Fuß hoch seyn, die andern waren bedeutend kleiner, und alle schienen nicht ganz ge-suud, wenigstens wurden sie von den ihncn an Höhe gleichen Tamarindcnbäumen an Fülle und saftiger Frische sehr übertreffen. Ihr eigentliches Clima mag c-rst noch südlicher beginnen. Nur selten ward dieser schöne Wald von einzelnen Dickungen unterbrochen, so daß man auf dem jungen, in der jetzigen nassen Zeit schon üppig sprossenden Gras im dichten Schatten der Bäume ohne alle Schwierigkeit fortschritt. Fast durchgängig fauden wir den Boden mit einem schönen Insekt von brcnnendrother Kokliko-farbe bedeckt, dessen Oberfläche dem weichsten Sammte glich. Dies wunderlich rothgcscheckte Grün hätte man mit einem Fußboden aus Vwtjaspis vergleichen lö'nncn, und dies um so mehr, da auch nicht eine 282 einzige Blume durch ,andre Farben das Grün und Roth desselbeir unterbrach. Das Insclt war von der Größe eines Nosenkäfcrs, und hielt in seiner Conformation die Mitte zwischen Wanze und Spinne. Ich zerquetschte einige der Thicrchen auf Papier, das sogleich davon in gesättigter Fülle gelbroth gefärbt wurde, und ich zweifle nicht, daß mau, bei der zahllosen Menge dieser Thiere iu der jetzigen Jahreszeit, aus ihucn einen neuen Farbenstoss von Wichtigkeit für den Handel ziehen könnte. Auch einige Schmetterlinge, doch von keiner neuen Species, zeigten sich, und eine ausgezeichnet schöne, sehr große Heuschreckeuart von hellgelber Farbe mit glänzend blau und rothen Flecken gesprenkelt, das Innere der Flügel dunkel feucrfarbcn. Vögel sahen wir nnr wenig, und vicrsü'ßigc Thiere diesmal gar uicht, doch verfolgten wir eine Weile die Spur eines Elephanten, und trafen später auch die eines Löwen nebst eiuer von ihm zerrissenen Ziege, deren Leichnam mir auf auffallende Weise eine Behauptung Korschud-Pascha's bestätigte, die ich früher für eine Fabel hielt, nämlich, daß der afrikanische Löwe, wenn er am Fraß keinen Mangel leidet, als ein wahrer 2HH Feinzüngler nur Kopf, Leber und Herz der gewürgten Thiere zu sich nimmt. Gcnan dicsc Theile fehlten auch der sonst nicht weiter angefrcssuen Ziege. Nachdem meine Promenade ohngefähr zwei Stunden gedauert hatte, sah ich mich während der, trotz des Schattens, später außerordentlich drückend ge-wordnen Hitze, und in Folge mcincr gänzlichen Entkräftung genöthigt, die Varkc, welche uns auf dem Flusse gefolgt war, wieder aufzusuchen, obgleich ich gern den ganzen Tag auf Entdeckungen umhergezogen wäre. Jedem rüstigen Reisenden ricth ich deshalb schon wiederholt, so oft cr kann, den Landweg vorzuziehen, der übcrdcm weit weniger Zeit wegnimmt, als hier die Flußfahrt wegen dcr ewigen Krümmungen. Nachmittag erreichten wir die Stadt Abu-Haraß am rechten Flußufcr. Da dcr Kaschcff abwesend war, empfingen mich sein Bruder nebst dem Kommandanten dcr irrcgulairen Kavallerie am Landungsplätze, und ich begleitete sie nachher zur Einnahme einiger Erfrischungen in das Haus des Kascheffs. Der genannte Offizier war erst seit vierzehn Tagen von der Sllavenjagd zurückgekehrt, die cr fast bis 284 zum Gebiet der Tenga's c>m wcißcn Flusse ausgedehnt hatte, und mit dcm erlangten Resultat sehr zufrieden schien. Auch er sagte aus, daß der Vahr-cl-Abiad, so weit er hinaufgekommen, nie eine verminderte Wasscrmasse zeige, während der blaue Fluß schon im Fazoli, während des Frühjahrs und vor dcm Beginn seines Steigens, kaum mehr drei Fuß Wasscrtiefc habe. beider gelangte er nicht so weit als Korschud Pascha, und konnte mir daher über die famosen Pyramiden von Taipha-Fan keine fernere Auskunft geben ') Unter der um uns versammelten Gesellschaft befand sich auch der Kaschef von Ouad-Mcdina, dem Hauptort der Provinz, und Alle drangen in mich, bis morgen hiev zu bleiben, weil die Nacht zu dunkel, und nach südwärts viele Klippen im Flusse seyen. Da ich aber auf der Rückreise Zeit genug übrig behalten werde, mich hier länger aufzuhalten, und ich überdcm wußte, wie gut meine beiden Kawaß', gleich dcm Naiß der Tahabia, Vor- ') Obgleich nun tic neusten Grpeditimien Mehemed Ali's nichts von solchen Pyramide« erwähnen, so kann man doch, U'tnn man die Mcn^e der Arme und die Zuflüsse des Aahr-el-Abiad in Betracht zieht, sie noch immer nicht mit Bestimmtheit in daö Ncich der Fabel» versetzen. 285 wände zu erfinden wußten, um länger an einem Orte zu verweilen, wo sie gut traktirt wurden — so bestand ich auf der Abfahrt, obgleich der Himmel selbst gegen mich Partei zu nehmen schien, mehrere Gewitter wieder in der Ferne drohten und ein starker Südwind uns entgcgenblies. Ich war indeß noch keine halbe Stunde weit vorgedrungen, immer zwischen engem, von Felsen sehr obstruirtcm Wasser, wo sich die Barken mehrmals, ohngeachtct aller Gc-schicklichleit der Ziehenden, um und um drehten, und nicht selten heftig an die Klippen stießen, als es dunkel zu werden anfing, und endlich eine ächte ägyptische Finsterniß uns anzulegen zwang. Es war hohe Zeit, denn die Gewitter brachen jetzt mit noch mehr als gewöhnlicher Wuth über uns los. Mein Erstaunen war nicht gering, als ich trotz diesem schrecklichen Wetter am Ufer große Laternen, von schnell laufenden Negern getragen, erblickte, die gleich Irrlichtern hcranzuhüpfen schienen. Es waren die Vorläufer der eben vcrlassuen Türken, die nut .großer (lourtoisic zu Pferde gefolgt waren, um mich abzuholen und in Sicherheit zu bringen. In Gefälligkeiten dieser Art sind die Muselmänner cxem- H»e plansch und scheuen keine eigne Beschwerlichkeit dabei, vorausgesetzt immer, daß sie ein gewichtiges Motiv dazu haben, wie jetzt die dringende Empfehlung des gefürchtctcn Korschud-Pascha's, welche hier natürlich bei den ihm Untergeordneten noch mehr gilt, als die selbst Mcbcmed Ali's. Ich lehnte jedoch das mir gemachte Anerbieten dankbarst ab. Meine Cajütc ist nun durch eine dritte Auflage von vortrefflichen hier gefertigten Matten, und andere gründliche Reparaturen so ziemlich wasserdicht geworden, wenigstens fähig, dem Negcn einige Stunden lang zu widerstehen — wer weiß, ob ich es nn Pallast des Kaschcss's so gut angetroffen hätte — und zugleich wünschte ich nicht verhindert zn werden, am andern Morgen den ersten günstigen Augenblick zur Weiterreise benutzen zu können. Nachdem ich auch recht gut und ziemlich trocken geschlafen, erweckte mich früh eine glänzende Sonne und beleuchtete in waldiger Umgebung die Vereinigung des Nahad mit dem blauen Flusse. Der Ncchad zeigte hohe abschüssige Ufer bei einigen hundert Fuß Breite, hatte aber noch gar lein eignes, sondern nur aus dem Bahr-cl-Asract (blauen Nil) zurückgc- 287 stautes Wasser. Fortwährende jählinge Biegungen des Stromes und contrairer Wind hielten uns mehr als den halben Tag auf, um die Distanz bis Ouad-Mcdina, die in grader Richtung kaum drei Stunden beträgt, zurückzulegen. Die uns umringenden Wälder blieben gleich reich und mcmnichfaltig, gaben aber heute der Scene fast das Anschn eines europäischen Sommers. Denn Alles war bereits saftig grün geworden, Laub wie Gras, und unter den Bäumen wurden auch jetzt viel Weiden- und Pap-pclartcn, so wie den Tuja's und Nothcedern ähnliche Väume häusig, selbst die Akazien und Mimosen, aus denen immcr die Hauptmassen bestehen, haben für uns nichts Ausländisches, und Palmen nebst andern erotischen Vä'umcn, deren Anblick von den unsern so auffallend abweicht, kamen hier nicht mehr vor. Alles dies gilt jedoch, nur aus dem entfernteren Gesichtspunkte, denn mitten darunter gestaltet sich allerdings Vieles wiederum weniger vaterländisch. Immer aber, finde ich, erfreut man sich in fernen Landen solcher Achnlichkeiten, die wie ein herzlicher Freundcsgruß aus der Heimath uns entgegenwinken. 288 Ich glaubte nur eine halbe Stunde iu Ouad-Mebina zu verweilen, und dann so schleunig als möglich meinen Weg weiter fortzusetzen. Es kommt aber fast immer anders in der Welt, als man denkt, weshalb ich es schon längst aufgegeben habe, feste Pläne für irgend etwas zu machen, und meine jetzige langwierige Neise giebt davon das beste Zeugniß, da ich, als ich sie begann, nur eine Ercursion von drei Monaten beabsichtigte, und jetzt bereits im vierten Jahre in zwei Welttheilcn umherirre. Auf ähnliche Weise ward Ouad-Medina, grade am Beginn des dreizehnten Vrcitegradcs, (bis auf eine später unternommene kurze Ausflucht zu Lande bis zum Zusammenfluß des Dcndcr mit dem blauen Flusse in der alten Provinz Seunar) der lctztc Hauptpunkt, bis zu dem ich dieomal vordrang. Doktor Koch, der schon seit einigen Tagen über Unwohlsepn klagte, bekam am Abend das Fieber des Landes mit den bedenklichsten Symptomen, was ihn zwang, sich zu einem hiesigen italienischen Apotheker, mit Namen Bartolo, bringen zu lassen, um dort wo möglich Hülfe und Pflege zu finden. Ich mochte ohne ihn nicht gern allein weiter gehen, und da mir ohnedem 289 der Apotheker, der das Land bis zum Fazoli genau kennt, so wie der Kascheff und der Befehlshaber der Truppen versicherten, daß bei dcr schon cingctrctnen Regenzeit ich diese jetzt mit jedem Tage weiteren Vordringens immer unerträglicher fmden würde, so daß selbst Eingcborne während derselben keine Reise Zu unternehmen wagten, übcrdem aber bis weit über die Stadt Sennaar hinaus ich genau nur die stete Wiedcrholnng dessen sehen könne, was ich bereits hicr vor mir hätte — so ergab ich mich um so leichter darein, das lange impromptu von Ouadi-Halfa aus hier zu schließen. Ich beschloß nun, die mir übrig bleibende Zeit, bis zur Wiederherstellung des Doktors, wo möglich zu dcr schwierigen Expedition nach Man-dcra zu benutzen, über welches bis jetzt immer noch die an verschicducn Orten cingczogncn Nachrichten sehr dunkel geblieben waren, und sich meistens widersprachen. Ein wahrer Hemmschuh blieb es indeß in jeder Hinsicht für mich, in dieser unglücklichsten Jahreszeit hicr angekommen zu seyn. Allen hier Reisenden ist cs dringend zu empfehlen, sich so einzurichten, daß sie im November in Kartum eintreffen. Dann hat Mchcmcd '.'M'ö Ncich, III. 19 29N man dm ganzen Winter vor sich, der hier cin Frühling ist. Dcr Mangel an Wasser in dcr Wüste zwingt in dieser Jahreszeit auch alle die für einen Europäer so interessanten Thiere, als Elephanten, Löwen, Panther, Giraffen, Antclopcn aller Art u. s. w., selbst einen großen Theil dcr unzähligen Vögclsortcn, sich in Masse ganz in die Nähe des Flnsses zu ziehen, um dort täglich ihren Durst ohne Mühe löschen zu können. Jetzt wo schon überall in dcr Wüste wie in den Wäldern und Bergen Negcnwasscr sich in allen Vertiefungen zu sammeln anfängt, werden sic immer seltner gesehen, und etwas später erscheinen selbst die dichtesten Wälder am Fluß wie ausgestorbcn. Der Hauptgrund davon ist, wie man mich hier belehrte, eine sehr giftige Fliege, die um diese Zeit des Jahres im Innern dieser Wälder cristirt, und besonders von den Elephanten außerordentlich gefürchtet wird. Ich hatte dcmohngcachtct noch das gute Glück, in dcr Nähe von Ouad-Medina einen Trupp dieser Niesenthicrc, die vielleicht eben im Begriff abzureisen waren, von fern mit dem Per-spektiv betrachten zu können, was man hier allgemein für eine große Seltenheit in dcr schon so vorgerückten 291 Jahreszeit erklärte. Im Winter dagegen ist nichts gewöhnlicher, als ihnen in Trupps von 5)0 — 60, ja Hunderten zu begegnen, von denen mehrere eine fast unglaubliche Größe erreichen sollen. Der Pascha in Karlum besitzt zwei Zähne, die... Oka (... Pfund)') wiegen, und viele Personen bestätigten die Erzählung des hiesigen Kaschcss's, daß man vor drei Jahren einen Elephanten bei Ouad-Medina sing, in dessen ausgeweidetem Leibe ein Mann zu Pferde ungcbückt Platz fand. Die Art, wie man desselben habhaft wurde, war ebenfalls originell. Das gewaltige Thier war absichtlich in ein Durrafeld hineingelassen worden, wo es sich die Licblingsfrucht so gut schmecken ließ, daß man acht Ardcp (dcr Ardcp ist ziemlich unserm Scheffel gleich) Körner, meistens noch unverdaut, in seinem Magen fand, und war gleich darauf, wie man voraussah, an dcn Fluß gegangen, um zu saufen. Dcr Durra schwoll davon so auf, daß sich das Thier kaum mehr zu rühren vermochte, und ihm kurz nach der begangnen Verfolgung der Magen platzte. Die Elephanten sind hier in der Negcl fast ') Die Zahlen sind in meinem Tagebuch so verwischt, daß ich sie, um nicht ;u lügen, unausgefüllt lassen muß. 19" 292 eben so friedlich gesinnt als die Nilpferde, aber desto furchtbarer, wenn sie sich verwundet fühlen, und schon mancher Reiter auf gutem Pferde, der die Geistesgegenwart verlor, um mit Gewandhcit in fortwährenden Windungen der Gefahr zu entfliehen, ward von ihnen eingeholt und vernichtet. Korschud-Pascha selbst befand sich einmal auf diese Weise in der drohendsten Lebensgefahr, aus der ihn nur der vcrzwciflungsvollc Sprung über eine breite Erdspalte rettete. Zwei seiner Mamlucken, deren Pferde dem seim'gcn nicht folgen konnten, und die während der vergeblichen Bemühung dazu von dem sie verfolgenden, und sich schon in der vollkommensten Vcr-scrkcrwuth befindenden Elephanten eingeholt worden waren, wurden beide von diesem mit sammt den Pferden in die Luft geschleudert und bcim Niederstürzen zn unförmlichen Massen zerstampft. Das Thier war so wüthend, daß es selbst nach dem Tode seiner Gegner noch ihre Waffen und Lanzen mit dem Nüssel in lauter kleine Stücke zerbrach. Dcmohngeachtct giebt es einen Mann im Scnnaar, von allen Einwohnern wohlgetamtt, und seines Muthes Wie seiner Kraft wegen „Tor" (Stier) genannt, der 293 seit vielen Jahren kein andres Geschäft, als die Jagd der Elephanten, Krokodille und Nilpferde betreibt; und obgleich er sie stets allein bekämpft, gehört es doch zu den Seltenheiten, daß ihm eins dieser Ungeheuer entgeht, sobald er dessen Jagd einmal unternommen hat. Er ist dazu mit nichts als einem gewichtigen Speer und einem kurzen, wohlgcschärftcn, zweischneidigen Schwerte versehen, welche Waffcn er auf folgende Weise gebrancht. Dem Elephanten schleicht er, wie ein Reptil ans der Erde kriechend, so lange nach, bis er ihn fast zu berühren im Stande ist. Dann haut er ihm schnell dic Sehnen eines der Hinterfüße durch, worauf er sich augenblicklich von nenem im Laube versteckt. Der Elephant, der nicht weist, wie ihm geschehen, da er keines Feindes ansichtig geworden, sucht auf drei Beinen so Mennig als möglich fortzuhinkcn, bald aberzwingt ihn Blutverlust und Mattigkeit, sich niederzulegen. Diesen Augenblick benntzcnd springt der Jäger, der ihn nie aus den Augen gelassen, herbei und stößt behend seine Lanze in einen Theil des Körpers, dessen Verwundung einen schnellen Tod herbeiführt. Um das Krokodill zu erlegen, nimmt cr ein paar Hunde, und 294 wie man mir versicherte, in Ermangelung dieser, gelegentlich auch kleine Kinder mit sich, die er dicht am Ufer anbindet, und sich neben ihnen unter einem Haufen Zweige verbirgt. So wie der Krotodill nabt, und sich dreht, mn mit dem Schweif den ihn lockenden Gegenstand ins Wasser zu streifen, erhält er schon die Lanze des geübten Jägers ins Genick, der ihm dann schwimmend folgt, bis er verblutend wieder an die Oberfläche des Waffers kommt. Dann schwingt sich Tor anf seinen Nncken, und dergestalt auf ihm reitend, giebt er ihm mit Bequemlichkeit den Nest. Das Nilpferd wird anf fast ähnliche Weise seine Bcnte. Er gräbt sich an einem Orte, wo er weiß, daß es znr Weide auszutrctcn pflegt, ein Loch in den Sand, worin er sich durch deckendes Reisig noch besser verbirgt, und während das Thier sorglos und langsam bei ihm vorbeigeht, bohrt er ihm seitwärts die Lanze in die Weichen, was dem Leben desselben ein schleuniges Ende macht. Wie viel Muth und Geschicklichkcit zn einer solchen Iagdart gehört, ist nicht schwer zu ermessen; wo aber diese beiden Eigenschaften einmal in Vollkommenheit 295 eristiren, wird endlich durch die lange Uebung der Erfolg fast sicher und die Ausführung sogar leicht. Fazoli und die bergigen, noch nie von Europäern besuchten Gegenden, östlich des blauen Flusses, scheinen noch manche uns unbekannte Naturmerkwür-digkcit zu bergen. So sprachen die angesehensten Personen hier, von denen mehrere schon sehr lange sich in diesen Ländern aufhalten, von einem braunroth und schwarz gefärbten Vogel, etwas größer als eine Taube, dessen Flügelcnden so seltsam getrennt sind, daß er, wenn er sie ausbreitet, wie der Schmetterling vier Flügel zu haben scheint. Man sieht ihn nur gegen Abend fliegen und er ist sehr selten. Sowohl der hiesige Militärarzt, ein Franzose, als der italienische Naturforscher Votta, der eine Zeitlang im Scnnaar zubrachte, gaben sich 59s Viele Mühe, ihn aufzufinden, jedoch vergeblich. Dennoch ist an seiner Existenz kaum zu zweifeln, da so viele der Eingebornen ganz einstimmig in dessen Beschreibung sind, und so unzuverläßig sich auch die Aussagen dieser Leute meistens über Alterthümer erweisen, weil sie von diesen einen zu unvollkonnnncn Begriff haben, so fand ich doch ihre Notizen über Thiere und Pflanzen fast immer ganz richtig. Ich habe schon erwähnt, bei wie Vielen ich mich nach dem Einhorn erkundigte, und immer die genaue Beschreibung des Nashorns erhielt, was zugleich beweist, daß sie nicht absichtlich falsch, blos nach dcm ersichtlichen Wunsche des Fragcrs berichteten. Der Kascheff, ein Tscherkeß, und früher Sklave Korschud-Pascha's (wic jetzt die meisten Kaschcss's im Sudan), war von sehr gesellschaftlichem Humor, und überhäufte mich mit Attcntionen aller Art. Auch brachte ich, so lange ich in Ouad-Medina verblieb, den größten Theil meines Tages bei ihm zu, unzählige Pfeifen rauchend und unzählige Tassen Kaffee und Scherbct trinkend, welche Einförmigkeit noch durch vortreffliche Compots, aus Feigen, Melonen, Weinbeeren, Aprikosen und Kirschen bestehend, unter- 297 brochen wurde, die man dcm Kaschcss täglich aus seinem Harem zuschickte. Gewöhnlich war der Befehlshaber der regulären Truppen, ein ebenfalls lcbclustigcr Mann, und der Mclck-Kcnbal, der 1000 freie Araber befehligt, nebst mehreren Hausoffizicrcn des Kaschcffs gegenwärtig. Der Melck, obgleich schwarz wie Kohle, war einer der hübschesten jungen Männer, dabei von höchster Eleganz und Recherche, ja selbst von scrupulöscr Reinlichkeit in seinem Anzüge (was bei einem Orientalen nicht sehr häufig angetroffen wird), mit einem Benehmen, das ganz dazu geschaffen gewesen wäre, den meisten unsrer Damen die Köpft zu verdrehen. Er erinnerte mich auf das Lebhafteste an Iuffuf iu Algier, und hat auch gleich ihm die Reputation großer persönlicher Tapferkeit. Eben kam cr von einer Expedition nach Takka zurück, um dort Tribut einzuziehen, ein den Europäern ziemlich unbekanntes Land, welches auf Eaillaud's Karte ohne Grenzen und gcwißcrmaßcn nur aufs Gcrathcwohl zwischen Goß - Nedschab mit dcm Flnß Atbarrah, dcm rothen Meere und Abyssinicn verzeichnet ist. Ein Theil des zahlreichen Volkes, welches dort wohnt, zahlt jetzt dem Vicckönig Tribut, dieser 298 muß jedoch stets mit den Waffen in dcr Hand eingetrieben werden. Dcr Mclek berichtete uns, daß das Land Takka in seinen weiten Kamen änßcrst volkreich und wohl angebaut sey, und dic Hauptstadt gleichen Namens Kartum an Größe wohl sechsmal übertreffe. Eine Tagereise von Takka entfernt, dicht am Fuß einer langen Bergkette, sollen, wie er sagte, weitläuftige Ruinen einer alten Stadt mit vielen Säulen, mit Reihen von Sphpnrcn (Schaafcn, wie er sie nannte) und Niesen zu Pferde (also Kolossen), die letzten: stark beschädigt, aber Alles ans hartem Stein (Granit wahrscheinlich) gebildet, sich befinden. Obgleich ich die Genauigkeit dieser Nachricht dahingestellt seyn lasse, besonders was die Kolosse zu Pferde betrifft, so halte ich es doch der Mühe werth, Reisende darauf aufmerksam zu machen, und da jetzt in jedem Jahre, und dies zwar während dcr ersten Monate desselben, Truppen in diese Gegenden gesandt werden, so kann es nicht schwer fallen, sich, wenn man die rechte Zeit wahrnimmt, ihnen anzuschließen. Auch in dieser nicht so entfernten Region ist ein noch ganz jungfräulicher Boden zu crploriren. Einmal kamen wir — und zwar über meinen 2«»!1 Hund Susannis, den man aus Rücksicht für mich im Zimmer duldete, obgleich er in den Augen der Muselmänner ein unreines Thier ist — grade dieses Umstandes wegen, auf Religion zu sprechen, und ich glaubte mich angenehm zu machen, indem ich einige Stellen aus dem Koran citirtc, und meine gerechte Bewunderung derselben aussprach. Die Türken daben aber, wenigstens in Mehemed Ali's Reich, jetzt ihre Voltaire'fche Epoche, und scheinen ziemlich nahe daran zu seyn, den bisherigen blinden Glauben mit einem vielleicht eben so blinden Unglauben zu vertauschen. Man nahm mein enthusiastisches Lob halblächelnd auf, und ließ den Gegenstand bald daranf fallen. Ich war im Anfang der Meinung, dies geschähe aus Bigotterie, weil mau es unschicklich fände, daß ein Dschanr sich anmaße, den heiligen Koran zu loben, der nächste Tag aber überzeugte mich vom Gegentheil. Ich saß allein mit dem Gouverneur, bequem auf seinem Divan gelagert, während mein Dragoman znm Dolmetschen vor uns stand, als Sclim-Kascheff mit satyrischcr Miene begann: „Sie haben gestern unsern Koran so gelobt; ich will Ihnen nun auch etwas zu seinem Lobe erzählen. 3 on Ein hiesiger sehr frommer Mann sas den Koran Tag und Nacht, und ward nach kurzer Zeit närrisch darüber, eine Folge, die ich von derselben zn angestrengten Beschäftigung schon mehreremal auch an Andern erlebt habe, obgleich ich selbst in dem Buchc ebenfalls ganz gut bewandert bin. Unser Heiliger — denn mit der Einbildung dies zu seyn, pflegt die Koran-verrü'ckthcit immer verbunden zu seyn — kam eines Tages zu mir, um mir ohne Umstände anzukündigen, der Koran befehle ihm, mir und allen Kascheff's, die ihre Gewalt hier nur mißbrauchten, das Leben zu nehmen, und sich zugleich unsers Geldes zu bemächtigen, um es zu frömmeren Zwecken zu verwenden. Ich suchte anfänglich den guten Manu mit aller Milde zu besänftigen/ und bot ihm versuchsweise meine Gcldkisten an, im Falle er mir nur das Leben schenken wolle. Er bestand aber in seinem frommen Eifer darauf, Beides haben zn müssen. Da siel mir cin, daß es anßcr dem Koran noch ein anderes sehr mächtiges Mittel giebt, die Menschen zu regieren, nämlich den Kurbatsch. Demzufolge ließ ich meinem guten Freunde, der mir, aller Bitten ohngcachtet, weder Leben noch Vermögen lassen wollte, sofort in 3e ^ c>'l,^i'5, öle «rx /?e^o^ cc?'«^.- „/^ Xac?^,- ftl,^ l,v /^leö5v om's /5^ sl!^» Xlk^c^> k^vt^ /illvs c7/s>c^v, öllc,' 1//^ ^ll^) lfl. ^o klpe 305 so^o^cic^i.' >tlv ^l)^>?t'oD^ ^ov /!l«^cv, sew «XXe x«l'/< ^k//c>, twl'F «^ i^>k oli^/llT-T-kX/^cc^e^ ^Vclr//i- /^55- i^i' sie ^cve^ev ^k^tv o^«(» l^ ^«^oX^t^lovg se^-nu kn>e/t O^^e OovAKsk^ söc7c7k^/3e^ ^kli3e^>v, ttiifl. ^ltlicm^ '.'Ill's Rcich, lll. 2l) Fernerer Aufenthalt im Sudan. Mandera. Nachdem meine Reisegesellschaft durch einen neuen hier gekauften, oder vielmehr losgekauften Sklaven und einen lebendigen Strauß vermehrt worden war, wandte ich am 45. Mai mein Segel vorläufig wieder dem Norden zu. Ein deftiger cou-trairer Wind zwang uns, den größten Theil der Fahrt bis Abu-Haraß zu kreuzen, was uns den Vortheil, nun mit dem Strome zu schwimmen, wenig genießen ließ, aber das Gute hatte, mir endlich eine glückliche Krokodilljagd zu verschaffen. Die Sonne war schon ihrem Untergänge nahe und Abu-Haraß im Angesicht, als einer der Matrosen mir meldete, 307 daß vier Krokodillc nicht fünfzig Schritte von uns entfernt auf einer Sandinscl lagen. Ich eilte schleunigst aufs Verdeck, und sah nut Verwunderung, daß kcins dieser bisher so scheuen Thiere sich bei unsrer Annäherung regte, sondern alle wie erstarrt, bewegungslos mit offnem Nachen liegen blieben. Sogleich ergriff ich die geladnc Muskete eines der uns begleitenden Soldaten, und feuerte auf das nächste, welches ohngefähr 12 Fuß in der Länge maß, traf es auch unter dem Panzer, aber doch nicht hinlänglich, um es zu todten. Es fuhr erschrocken auf und sprang mit der blitzschnellen Behendigkeit einer Eidechse ins Wasser, das es mit seinem Blute röthetc, ohne daß die andern sich weder durch dies Schauspiel, noch den Knall des Schusses stören ließen. Der Kawaß fehlte das zweite, und da die Kugel unmittelbar vor dem Thiere in den Boden fnhr, daß der Sand aufsprühte, so schob es sich, jedoch nur langsam, und anscheinend mit Schwerfälligkeit ins Wasser, wohin ihm leider das bei weitem größte der vier, das dicht neben ihm lag, folgte. Jetzt reichte mir Ackermann mein Gewehr, das ich ohne Zeitverlust auf das letzte und kleinste abdrückte und es glücklich erlegte, da die Kugel grade 20" 308 in seinen aufgesperrten Nachen fuhr uud so mehrere edle Theile nach einander verletzte. Das noch junge Krokodill blieb, fast ohne zn zucken, wie schon todt ausgestreckt liegen. Als wir aber eilig aufs Land sprangen und uns Alle darüber herwarfcn, um uns seiner ohne Zeitverlust zu bemächtigen, raffte es sich noch einmal aus und kroch ziemlich schnell dem Flusse zu, erhielt aber auf dem kurzen Wege von den Negern so viel furchtbare Keulenschläge auf Hals und Kopf, daß es, mit Blut überströmt, bald regungslos und nun, allem Anschein nach, auch wirklich todt, von neuem liegen blieb. Es war aber noch keineswegs so weit mit ihm gekommen, denn nach wenig Sekunden gab es mit großcr Gewalt einen perfiden Schlag mit seinem Schweif, der mich selbst beinah getroffen hätte, und eincn der Matrosen so heftig in den Sand warf, daß seine Pfeife mehrere Ellen hoch gen Himmel flog. Wirklich, dic Lcbenszähigtcit bei diesen Thieren geht fast ins Unglaubliche. Als diesem von uns erlegten schon die Haut größtenthcils abgezogen war, sowie alle Eingeweide ausgenommen, und man sich eben damit beschäftigte, zum Behuf des Ausstopfens die Knochen aus den Beinen zu 3U9 lösen, gab es noch einen letzten galvanischen Schweifschlag , der im Augenblick den darum formirten dichten Menschenkreis wie Spreu anscinander fegte, obgleich sich die Erschrockenen schnell wieder lachend und jubelnd darum hcrreihtcn. Denn sie freuten sich auf die leckere Mahlzeit, nnd in der That ward wahrend der Nacht der ganze Vorrach von dem stark nach Moschus duftenden Fleische mit großem Gcnnß von den afrikanischen Gourmands verzehrt. 'NZUlchZI! U3H3H SVq Utch o^j och) 'U3MPX5 Nk u2lpa:oW uZquoöoWi^ uuq uv Mqoza.iU ZZq 8i»3> v Aq chau H3ch.^a mn ^U3stnuoq o:V.ivchpz o^zq aZL^^ tzvq ^uüoa uvM 'mchl3zL uoch'i^uom u?q qn.M^nv mao§ ul ^:a< o^a.W m 3iq ^Ll?k3ö Iiuij^ilp)ji^3O U3^^q snn num onv^ ^Ilutpj.jnv chnvss; mq mIi»M- llomu» Kamfa, mit fortgeführt worden war, die Ursache zu der (andern Orts schon erwähnten) Niederlage der Aegyptier gegeben hatte. Er mußte jetzt zur Verantwortung schweren Herzens, und wahrscheinlich auch schweren Beutels (das sicherste Entschuldigungsmittcl im türkischen Ncich) sich nach Kartum zum Gouverneur begeben, und hielt hier vorher mit seinen Collegcn Nach. Nun fanden seine keute hier zufällig einen ihm früher entlaufnen Deserteur seiner Leibwache. Man brachte diesen in den Hof des Hauses, wo alle drei Kaschcffs (der von Duad-Medina war auch mit herübergekommen) mit ihrem umhcrstehcndcn Gefolge auf Engarebs gravitätisch den Dampf ihrer Pfeifen in die kühle Abcndluft bliesen. Selim-Kascheff ließ den Gefangnen sogleich 344 mit harten Worten an, was A eben aus den Fenstern meiner Stube hinaussehend, mit anhörte. Plötzlich ergriff der schuldige Türke die Pistole eines neben ihm stehenden Kawaß, riß sie ihm aus dem Gürtel und drückte sie mit Blitzes Schnelle anf seine eigne Brust ab. Ich sah das Feuer, hörte aber keinen Knall. Das Pistol schien versagt zu haben, wenigstens blieb der Mann unversehrt. Dennoch rührte die That seinen Herrn so sehr, daß er ihn wieder zu Gnaden annahm. Abends ' '^' ich aber von meinem eignen Kawaß, daß das Ganze nur eine von den Kameraden des Gefangnen abgeredete Sccnc, und das Pistol gar nicht geladen gewesen war. In der Wcrthcr'schcn Periode mag mancher Liebhaber seine Schöne aus ähnliche Weise gewonnen haben. — Ende des dritten Theils, Aus den Papieren deS Verstorbenen sind bis jetzt in unserem Verlage erschienen, und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Briefe eines Verstorbenen. Ein fragmentarisches Tagebuch aus England, Wales, Irland, Frankreich, Deutschland und Holland, geschrieben in den Jahren 1826. 1827. 1828. und 1829. Erster und zweiter Theil, dritte Auflage; dritter und vierter Theil, zweite Auflage. Mit Stahlstichen und Lithographien. 8. br. 9 Thlr. — oder fl. 15. — Tutti Frutti. 5 Bände, (ltcr und 2tcr zweite Auflage) 8. br. 10 Thlr. — oder fl. 17. 30. Iugendwanderun^cn. Aus meinen Tagebüchern für mich und Andere. 8. br. 2 Thlr. — oder fl. 3. 36. Semilaslp's vorletzter Welt»,ang. Traum und Wachen. Erster Theil: In Europa. Drei Abtheilungen. 8. br. 7 Thlr. — odtt' fl. 12. — Hemilaßo in Afrika. 5 Bände. 8. br. 10 Thlr. — vdcr fl. 17. 30. Atlas hiezu, schwarz 1 Thlr. 18 gr. - oder fl. 3. - col. 3 Thlr. 6 gr. - ft. 5. 24. Der Vorläufer. 8. br. 3 Thlr. 6 gr< — orer ft. 5. 24. Südöstlicher Vildersaal. 3 Bände, ltcr Band: der Vergnügling; 2ter und 3ter Band: Leiden in Griechenland. Mit vielen Lithographien. 8. br. 10 Thlr. 21 gr. - oder fl. 18. -- Stuttgart Halll'crger'sche Verlagshandlung.