//// -L Leitfad en bei dem Unterrichte in der vergleichenden Erdbeschreibung für die untern und Mittlern Klaffen höherer Lehranstalten. Von Wilhelm Püß, Oberlehrer am katholischen Gymnasium zu Köln. Zweite, verbesserte Auflage. Freiburg im Breisgau. Herder'sche Verlagshandlung. 1857. Buchdruckerei der Hcrber'sche» Verlagshandlung in Freiburg. Der vorliegende Leitfaden für den geographischen Unterricht unterscheidet sich von den meisten ähnlichen Hülfsmitteln eben so wohl durch die Beschränkung des Stoffes auf das Unentbehr¬ lichste mit Vermeidung des unnöthigen Details, welches in der Regel nur für ein baldiges Vergessen erlernt wird, als durch die Hervorhebung des wirklich Bedeutungsvollen, dessen Eigenthümlichkeit durch fortwährende Vergleichung mit ähnlichen Erscheinungen zur klaren Anschauung gebracht werden soll. Es wird daher hier, vielleicht zum ersten Male, der Versuch gemacht, die vergleichende Behandlungsweise, welche in der jüngsten Zeit fast allgemein als die fruchtbarste und am meisten von nach¬ haltigem Erfolge begleitete anerkannt worden ist, auch schon auf der untern und Mittlern Bildungsstufe in Anwendung zu bringen. Durch Hinzufügung einer „ersten Lehrstufe", welche das Allgemeinste aus der Oceanographie und eine gedrängte Uebersicht der Bodenformen und Wassersysteme der fünf Erdtheile enthält, ist für das Bedürfniß auch der untersten Klasse Sorge getragen. — Bei der nie zu ver¬ mittelnden Verschiedenheit der Ansichten über das Zuviel und Zu¬ wenig erschien es zweckmäßig, die Unterscheidung des mehr oder minder Wichtigen im Druck durch Anwendung (vier) verschiedener Schriftgattungen zu erleichtern, namentlich für den Fall, daß bei einer Wiederholung des ersten Unterrichts der Stoff desselben er¬ weitert werden soll. Eben so wenig, wie an die Quantität des Stoffes, ist der Lehrer an die hier befolgte systematische Anordnung gebunden, vielmehr wird er nach der „ersten Lehrstufe" (welche in der untersten Klasse recht bequem vollendet und vielfach wiederholt werden kann) in der zweiten Klasse (Quinta) z. B. Mitteleuropa, etwa mit vorläufigem Ausschluß der Topographie, wählen können, IV worauf dann in den mittleren Klassen das Uebrige folgen und der vierjährige Cursus durch rasche Wiederholung des Ganzen mit Hinzu¬ ziehung der Topographie einen angemessenen Abschluß erhalten würde. Dieser Gang entspricht im Wesentlichen auch den von den Be¬ hörden einzelner deutschen Staaten speziell gegebenen Anordnungen. Uebrigens bedarf es wohl kaum der Bemerkung, daß bei einer Methode, welche auf die Kenntniß der Bodenformen das entschiedenste Gewicht legt, der Gebrauch guter Wandkarten (z. B. der von Sydow'schen, namentlich in den neuesten Auflagen), welche ein klar hervortretendes Bild der plastischen Gliederung der einzelnen Länder¬ räume geben, um so unentbehrlicher ist, je weniger noch bisher die meisten Schulatlanten in dieser Beziehung den Anforderungen ge¬ nügen. — Dem Lehrer wird mein größeres „Lehrbuch der ver¬ gleichenden Erdbeschreibung für die obern Klassen und zum Selbst¬ unterricht" (2. Aufl. 1856), an dessen Fassung sich der Leitfaden im Allgemeinen genau anschließt, hinlängliches Material zur Er¬ läuterung darbieten. Bei dieser zweiten Auflage sind nicht nur die Verbesserungen der zweiten Auflage des Lehrbuches, so weit sie in den Umfang dieses Auszuges fallen, benutzt worden, sondern auch die Darstellung ist, um einem mehrfach geäußerten Wunsche zu entsprechen, noch mehr der Faffungsgabe jüngerer Schüler angepaßt, ohne dadurch das Eigenthümliche der befolgten Methode aufzugeben. Möge denn dieser Versuch, dem geographischen Unterrichte von Anfang an eine sichere, nicht blos auf das Gedächtniß berechnete Grundlage zu verschaffen, eine eben so günstige Aufnahme finden, wie sie dem „Lehrbuche" bereits in weiten Kreisen zu Theil ge¬ worden ist. Köln, im October 1857. W. Pütz UeberlW des Inhaltes. Erste Lehrstufe. Einleitung. Die nothwendigsten Erläuterungen aus der mathemati- schen und physikalischen Geographie. Seite 8. 1. Die Stellung der Erde im Weltall ...... 1 8. 2. Gestalt, Größe und Einteilung der Erdoberfläche . 2 8. 3. Bestandteile der Erde .......... 3 Erste Abthcilung. Beschreibung des Weltmeeres (des Oceans) und seiner Theile oder Oceanographie. 8. 4. Das nördliche Eismeer .......... 6 8. 5. Das südliche Eismeer .......... 7 8. 6. Der atlantische Ocean .......... 7 8. 7. Der indische Ocean ........... 10 8. 8. Der große oder stille Ocean ........ 1t Lweitc Abteilung. Beschreibung der fünf Erdtheile im Allgemeinen. 1. Asien. 8. 9. Die wagerechte Gestaltung Asiens ...... 12 8. 10. Die senkrechte Gestaltung Asiens ....... 12 8. 11. Uebersicht der Stromsysteme Asiens ...... 14 VI H. Afrika. §. 12. Die wagcrechte Gestaltung Afrikas ...... 15 §. 13. Die senkrechte Gestaltung und die Ströme Afrikas . 15 III. Europa. §. 14. Die wagerechte Gestaltung Europas ...... 16 8. 15. Die senkrechte Gestaltung Europas ...... 17 8. 16. Uebersicht der Waffcrsysteme Europas ..... 19 IV. Amerika. §. 17. Die wagcrechte Gestaltung Amerikas ...... 21 8. 18. Die senkrechte Gestaltung Amerikas ...... 21 8. 19. Die Waffcrsysteme Amerikas ........ 24 V. Australien. 8. 20. Horizontale Gestaltung Australiens ...... 26 8. 21. Die senkrechte Gestaltung und die Gewässer Australiens 27 Zweite Lehrstufe. Dritte Äbtheilung. Länder- und Völkerkunde. Erster Abschnitt. Allgemeine Völkerkunde. 8. 22. Eintheilung dcS Menschengeschlechtes nach den Verschie¬ denheiten in der körperlichen Beschaffenheit ... 28 8. 23. Eintheilung des Menschengeschlechtes nach Sprachstämmen 29 8. 24. Eintheilung des Menschengeschlechtes nach den Religionen 30 8. 25. Eintheilung der Völker »ach den Nahrungszweigen und nach Staaten ............ 31 Zweiter Abschnitt. Der Continent der alten Welt. I. Asien. 8. 26. Die Bevölkerung Astens ......... 32 8. 27. Ueberstcht der Staaten Astens ........ 33 Ost- oder Hinterasien. 8. 28. Das chinesische Reich .......... 34 8. 29. Das Jnsclreich Japan .......... 38 VII Seite L. Südasien. §. 30. Hinterivdien ............. 39 §. 31. Vorderindien ............. 40 §. 32. Der indische Archipel .......... 43 0. Westasien. 8. 33. Das Hochland von Iran ......... 44 8. 34. Turkestan (Turan) ........... 45 8. 35. Die Halbinsel Arabien und die Sinai-Halbinsel . . 46 8. 36. Das türkische Asien ........... 48 §. 37. Das russische Transcaucasicn ........ 53 0. Nordasien. 38. Sibirien .. 54 II. Afrika. 8. 39. Die Bevölkerung Afrikas ......... 56 8. 40. Politischer Zustand ........... 56 8. 41. Hoch-Afrika ... . 57 8. 42. Die UebergangSfvrmen vom Hochlande zum Tieflande Afrikas.60 8. 43. Die getrennten Gebirgsglieder in Afrika .... 64 8. 44. Das Tiefland von Afrika ......... 65 8. 45. Die afrikanischen Inseln .. 65 III. Europa. 8. 46. Die Bevölkerung Europas ......... 67 8. 47. Uebersicht der europäische» Staaten ...... 69 Südeuropa. 8. 48. Die griechische Halbinsel .. 71 8- 49. Die italische Halbinsel .......... 76 8. 50. Die iberische oder pyrenäische Halbinsel ..... 83 L. Mitteleuropa. 8. 51. Das Hochgebirgsland der Alpen ....... 89 8. 52. Die Mittelgebirge von Centraleuropa ..... 95 8. 53. Die Tiefländer von Centraleuropa ...... 99 8. 54. Die Waffersysteme von Mitteleuropa ..... 101 8. 55. Frankreich .............. 113 VIII Skite 8. 56. Die Schwerz ............. 119 8- 57. Belgien .............. 124 8. 58. Das Königreich der Niederlande (Holland) .... 125 8. 59. Deutschland ............. 128 8. 60. Die preußische Monarchie ......... 138 8. 61. Die österreichische Monarchie ........ 144 V. Osteuropa. 8. 62. Rußland.150 v. Nordwesteuropa. 8. 63. Schweden und Norwegen ......... 157 8. 64. Dänemark .............. 159 8. 65. Großbritannien ............ 162 Dritter Abschnitt. Die neue Welt. I. Amerika. 8. 66. Die Bevölkerung Amerikas . ..168 8. 67. Politische Einteilung Amerikas ....... 169 8. 68. Nordamerika ............. 170 8. 69. Mittelamerika.173 8. 70. Südamerika ............. 175 Ik. Australien. 8. 71. Die Bevölkerung Australiens ........ 177 8. 72. Das Festland von Australien ........ 178 8. 73. Die drei größeren australischen Inseln ..... 178 8. 74. Die Inselgruppen Australiens ........ 179 Erste Lehrstufe Einleitung. Die nothwendigften Erläuterungen aus der mathema¬ tischen und physikalischen Geographie. 8. 1. Die Stellung der Erde im Weltall. Die Erde ist einer der 8 größeren Planeten, welche die Sonne umkreisen. Sie nimmt unter diesen in Hinsicht der Entfernung von der Sonne die dritte Stelle ein; nur Merkur und Venus stehen der Sonne näher, denn jener ist nur 8, die Venus 15 Millionen Meilen von der Sonne entfernt, während der Abstand der Erde fast 21 Millionen Meilen beträgt; der Mars steht schon weiter (32 Mil¬ lionen Meilen), der Jupiter aber mehr als fünfmal (108 Mill. M.), der Saturn beinahe zehnmal (198 Mill. M.), der Uranus neunzehnmal (397 Mill. M.), der (erst 1846 entdeckte) Neptun gar dreißigmal (über 600 Mill. M.) so weit von der Sonne ab. Daher ist auch die Zeit des Umlaufs der Erde um die Sonne (— ein Jahr) eine verhältnißmäßig kurze. Außer der Bewegung um die Sonne hat die Erde, wie alle Planeten, noch eine zweite, die Umdrehung um ihre Achse. Diese geschieht in 24 Stunden und bewirkt den Unterschied von Tag und Nacht. Ein Nebenplanet oder Trabant ist der Erde zugetheilt, der Mond. Pütz, Leitfaden. 2 Aufl. 1 2 Gestalt, Größe und Eintheilung der Erde. 8. I. §. 2. 8. 2. Gestalt, Größe und Eintheilung der Erdoberfläche. Die Erde hat die Gestalt einer Kugel, welche aber an den Polen, d. h. an den beiden äußersten Punkten der Erdachse, unbe¬ deutend abgeplattet ist. Die Hauptgründe für die Kugelgestalt der Erde sind: 1) weil der Horizont kreisförmig erscheint, 2) weil der Schatten der Erde im Monde kreisförmig erscheint, 3) weil der Gesichtskreis bei erhöhtem Standpunkte erweitert wird; so werden die Bergspitzen am frühesten und am längsten erleuchtet, 4) weil herannahende Gegenstände (Schiffe) allmählig sichtbar werden und umgekehrt sich entfernende Gegenstände allmählig verschwinden, 5) weil die Gestirne im Osten früher auf¬ gehen als im Westen, 6) weil man bei der Umsegelung der Erde in der Verfolgung derselben Richtung wieder zum Ausgangspunkte zurück¬ kömmt. Die Größe der Erde oder der Inhalt ihrer Oberfläche wird mit Rücksicht auf die Abplattung auf 9^ Mill. ÜMeilen berechnet. Zur Eintheilung der Erdoberfläche dienen: 1) der Ae qua- tor, 2) die Parallelkreise, 3) die Meridiane. Der Aequator, d. h. die Kreislinie auf der Erdkugel, welche von beiden Polen gleich weit entfernt ist, scheidet sie in eine nördliche und eine südliche Hemisphäre. Er wird, wie jeder Kreis, in 360 gleiche Theile getheilt, welche Grade heißen; der 15. Theil eines solchen Grades ist eine geographische Meile. Die Parallelkreise sind Kreislinien, welche mit dem Aequator parallel laufen und nach den Polen hin an Umfang abnehmen, die Meridiane hingegen Kreislinien, welche durch beide Pole gehen, daher den Aequator und die Parallelkreise (rechtwinkelig) durchschneiden. Unter den Parallel¬ kreisen heißt derjenige auf jeder der beiden durch den Aequator ge¬ schiedenen Halbkugeln der Wendekreis, welcher 23Hz" nördlich oder südlich vom Aequator entfernt ist, und derjenige auf jeder der beiden Halbkugeln der Polarkreis, welcher 23H/ vom Nord¬ oder Südpole absteht. Die beiden Wendekreise sind die Grenzen der heißen Zone. Die beiden Polarkreise begrenzen die Regionen um den Nordpol oder Südpol, oder die kalten Zonen. Zwischen den Wendekreisen und den Polarkreisen liegen die beiden gemäßigten Zonen. Nach den Parallelkreisen rechnet man die geographische Breite (nördliche und südliche) oder die Entfernung eines Ortes von dem Aequator nach den Polen hin; die geographische Länge (östliche und westliche) oder die Entfernung eines Ortes vom ersten Meridian bestimmt man durch Bogen auf dem Aequator. Als erster Meridian wird von den deutschen Geographen derjenige angenom- Der Luftkreis. §. 3. 3 men, der 20° westlich von der Pariser Sternwarte (östlich von der Insel Ferro) liegt. Er Heilt die Erdkugel in eine östliche und in eine westliche Hemisphäre. 8. 3. Bestandtheile der Erde. Dreierlei Formen bilden die Hülle des Erdkörpers: die luft¬ förmige, die tropfbar-flüssige und die starre. Die erste, der Luftkreis, umgibt das Ganze, die tropfbar-flüssige Form oder das Wasser umgibt den größten Tbeil ('°/iog), die starre Form oder das feste Land den kleinsten Theil (^Vivo) der Erdoberfläche. 1. Der Luftkreis füllt alle Th eile der Erdkugel aus, welche die beiden andern Bestandtheile nicht einnehmen, und umgibt, wie eine Hohlkugel, die Erdoberfläche bis zur Höhe von 9—10 Meilen. Sein unterer, den beiden andern Hüllen zugekehrter Theil heißt der Dunstkreis oder die Atmosphäre. Die Atmosphäre ist der Schauplatz der sogenannten Meteore, deren man dreierlei unterscheidet: ». wässerige oder solche Erscheinungen im Luftkreise, welche durch Verdunstung des die Oberfläche der Erde bedeckenden Wassers entstehen, als: Thau und Reif, Nebel und Wolken, Regen, Schnee und Hagel; d. elektrische, wie die Gewitter; v. optische, wie Regenbogen, Höfe (Helle, zuweilen farbige Ringe um Sonne und Mond), Nebensonnen und Nebenmonde, Nordlicht, Abend- röthe, Morgenröthe, Dämmerungslicht. Durch Störung des Gleichgewichtes der Atmosphäre vermöge der Wärmeunterschiede in verschiedenen Gegenden entstehen die Be¬ wegungen der Luft, welche wir Winde nennen. Sie werden mit besonder» Namen bezeichnet: 1) nach ihrer Richtung (Darstellung durch die Windrose); 2) nach ihrer Stärke (Winde, Stürme, Orkane); 3) nach ihrer Regelmäßigkeit (s. Land-und Seewinde; b. Strich¬ oder Paffatwinde, welche in den Tropengegenden, namentlich auf dem Meere, das ganze Jahr hindurch aus einer und derselben Himmelsgegend wehen; e. Monsuns oder Wechselwinde, welche im indischen Ocean ein halbes Jahr aus derselben und das andere Halbjahr aus der entgegengesetzten Richtung wehen); 4) nach ihrer Wirkung (Samum, Sirocco, Chamsin u. s. w.). Von der Erwärmung der Atmosphäre durch die Sonnenstrahlen hängt das Klima, und somit der Zustand der Vegetation einer Gegend ab. Diese Wirkung der Sonnenstrahlen ist desto geringer, 1« 4 Das Wasser. §. 3. /e höher ein Ort über dem Meeresspiegel liegt; man nennt dies die absolute Höhe. Auch die größere oder geringere Entfernung vom Meere, die Richtung und Höhe der Gebirgszüge, welche kalte oder warme Winde abhalten oder zulassen, trägt wesentlich zur Be¬ schaffenheit des Klimas bei. 2. Das Wasser ist theils fließendes in Quellen, Bächen, Flüssen, Strömen, theils stehendes in den Seen und dem Meere. s. Das Weltmeer oder der Ocean ist die zusammenhängende Wassermaffe, welche die tiefsten Einsenkungen der Erdrinde ausfüllt und das feste Land (Continente, wie Inseln) allenthalben umgibt. Die Oberfläche des festen Landes, welche das Meer begrenzt, heißt Ufer, Küste oder Gestade. Das Meer hat vielfache Einschnitte in das Land gebildet, welche Buchten oder, wenn sie etwas größer sind, Baien heißen. Große Einbiegungen des Meeres ins Land nennt man Meerbusen (Golfe). Auch hat dasselbe vermittelst zahlreicher Durchbrüche oder Meerengen, Straßen, Sunde große Strecken Landes in Binnenmeere verwandelt. Von den Gewässern auf dem festen Lande unterscheidet sich das Meer wesentlich: 1) durch den Salzgehalt; 2) durch seine eigenthümlichen Bewegungen, insbesondere durch das (nur an den Küsten des Landes bemerkbare) regelmäßige Steigen und Fallen des Oceans (nicht der Binnenmeere), welches wir Ebbe und Flut nennen; 3) durch eine größere Tiefe, die an einzelnen Stellen den höchsten Berggipfeln auf dem Festlande (26,000') gleichkommt, ja nach den neuesten Beobachtungen diese weit übersteigt (im südatlantischen Ocean 43,380'?); 4) durch ein eigenthümliches (phosphorescirendes) Leuchten der Oberfläche desselben bei dunkler Nacht, welches durch eine unzählige Menge von Jnfusionsthieren verursacht wird. b. Die Gewässer auf dem festen Lande. Das unter der Erdoberfläche befindliche Wasser tritt zunächst als Quelle hervor und sammelt sich in Bächen, Flüssen und Strö¬ men. Die sämmtlichen zu einem Strome vereinigten Gewässer bilden ein Stromsystem, die von diesem eingeschlossene Fläche ein Stromgebiet. Bei jedem Flusse oder Strome heißt die Vertie¬ fung, worin er fließt, das Bett oder der Thalweg, dessen Seiten¬ wände die Ufer (rechtes und linkes), der Ausfluß die Mündung. Bei den bedeutendern Flüssen unterscheidet man einen obern, Mitt¬ lern und untern Lauf. Der obere Lauf hat in der Regel das stärkste Gefälle, d. h. Neigung des Bettes oder Thalweges, und deshalb die größte Geschwindigkeit der Strömung; mit dem mitt¬ ler» Laufe beginnt gewöhnlich die Schiffbarkeit des Flusses, im Das Land. §. 3. S untern Laufe ist das Gefälle am geringsten, die Wassermasse am größten, die sich nicht selten in mehrere Arme Heilt. Durch plötz¬ liche Abstufungen in dem Strombette entstehen Wasserfälle oder Katarakten. Die Seen oder Landseen sind Wassermassen, welche an allen Seiten vom Lande eingeschlossen werden, theils mit, theils ohne sicht¬ baren Zu- und Abfluß (Beispiele von jeder der vier Arten!). Alle Seen, die einen Abfluß haben, find Süßwasserseen; zu denen ohne Abfluß gehören die Salzseen (das todte Meer, viele im inner» Asien), die Sümpfe und Moräste, deren Wasser stark mit fremdartigen (erdhaltigen oder vegetabilischen) Bestandteilen vermischt ist. 3. Das Land (Continente und Inseln) nimmt etwas mehr als ein Viertel der Erdoberfläche (^Vio«) ein und liegt vorzugs¬ weise auf deren nördlicher Hälfte. Es bildet theils eine große zu¬ sammenhängende Masse und heißt dann Continent oder Fest¬ land, theils ist es durch das Meer in kleinere Massen zerrissen, die, je nachdem sie durch Meerestheile vom Festlande nur aus drei Seiten, oder ganz getrennt sind, Halbinseln oder Inseln heißen. Kleinere schmale Halbinseln nennt man Erd- oder Landzungen, eine einzelne ins Meer hervorragende Spitze des Landes Vorge¬ birge oder Cap. Ein schmaler Strich Landes, welcher die Ver¬ bindung zwischen zwei Landmassen (Continenten oder Halbinseln) herstcllt, heißt Landenge oder Isthmus. Die Inseln werden unterschieden in kontinentale (Gestadeinseln) und oceanische, je nachdem sie in der Nähe der Continente liegen oder nicht. Die Landmasse ist unter die fünf Erdtheile also vertheilt: Australien . . 160,000 ss) Meilen Europa . . . 180,000 „ „ Afrika . . . 545,000 „ „ Amerika . . . 668,000 „ „ Asien . . . 880,000 „ „ Erhöhungen der Erdoberfläche, in sofern sie von einem nied¬ rigem Standpunkte aus gesehen werden können, nennt man Hügel und Berge, wobei man Fuß, Abhang und Gipfel unterscheidet. Die Vertiefungen zwischen den Bergen sind die Thäler und zwar theils Hauptthäler, theils Neben- oder Seitenthäler, die, wenn sie mit den einschließenden Bergen parallel laufen, Längen- thäler, wenn sie eine Bergkette durchbrechen, Querthäler heißen. Eine Reihe zusammenhängender Berge von bedeutender Länge, aber verhältnißmäßig geringer Breite, bildet eine Gebirgskette, deren oberster, oft sehr schmaler Theil, der Kamm, hin und wieder Ein¬ senkungen oder Einsattlungen hat, die zu Pässen benutzt werden. Zusammenhängende, nach allen Richtungen hin weit verbreitete Er- 6 Das nördliche Eismeer- §. 4. Hebungen der Erdrinde werden Hochländer genannt, sie können wiederum aus ihnen sich erhebende Gebirge tragen oder völlige Hochflächen (Tafelländer, plateaux) sein, zuweilen sind sie von Randgebirgen umgeben. Den Gegensatz zum Hochlande bildet das Tiefland mit einer gleichförmigen, bis zu höchstens 500' absoluter Höhe sich erhebenden Oberfläche, die manchmal durch niedrige Hügel ein wellenförmiges Ansehen hat. Wenn das Flachland durch die felsige Beschaffenheit seines Bodens oder durch Mangel an Bewässerung nicht anbaufähig ist, so heißt es Steppe oder Wüste, einzelne inselartig in den¬ selben liegende, fruchtbare Stellen aber Oasen. — Die Hoch¬ länder fallen nicht immer unmittelbar, sondern gewöhnlich vermittelst Stufen- oder Terrassenländern in die Tiefebene ab. Erste Abheilung. Beschreibung des Weltmeeres (des Oceans) und seiner Theile oder Oceanographie. Man theilt das Weltmeer oder die große Wasserfläche, welche die fünf Erdtheile umfließt, in fünf Hauptmeere: 1) das nörd¬ liche Eismeer und 2) das südliche Eismeer, beide sind auf die beiden kalten Zonen beschränkt, 3) das atlantische Meer und 4) den großen (oder stillen) Ocean, welche sich durch die beiden gemäßigten Zonen und durch die heiße Zone in der ganzen Ausdehnung derselben von N. nach S. erstrecken, 5) den indischen Ocean, ein Verbindungsglied zwischen den beiden vorhergehenden. 4. Das nördliche Eismeer. Die Grenzen des nördlichen Eismeeres gegen S. bil¬ den die nördlichen Küsten von Europa, Asien und Amerika und, wo die Landgrenzen aufhören, der atlantische und der große Ocean. Theile des nördlichen Eismeeres: u. An der europäischen Küste hat es einen bedeutenden Ein¬ schnitt gebildet, das weiße Meer. Von seinen Inseln werden Das südliche Eismeer und der atlantische Ocean. §. 5. §. 6. 7 zu. Europa gerechnet die beiden Inselgruppen Spitzbergen und Nowaja Semlfa. b. An der asiatischen Küste erweitert sich die Mündung des Ob zu einem gleichnamigen Meerbusen. Der Küste gegenüber liegt die Inselgruppe Neu-Sibirien. e. An der amerikanischen Küste, welche von der asiatischen durch die in den großen Ocean führende (7—14 M. breite) Behrings¬ straße (zwischen dem äußersten nordöstlichen Punkte der alten und dem äußersten nordwestlichen der neuen Welt) getrennt wird, führt das Eismeer in seiner westlichen Hälfte den Namen: das Meer der nördlichen Durchfahrten, welches die Inselgruppe Nord- Georgien oder die Parry-Inseln enthält. Der östliche Theil be¬ grenzt wahrscheinlich die noch ganz unbekannte Nordküste von Grön¬ land, welches im W. durch die Baffinsbai von der Insel (oder Inselgruppe?) Baffinsland getrennt ist. Die Baffinsbai steht mit dem Meer der nördlichen Durchfahrten durch den Lancaster- Sund und dessen Fortsetzung, die Barrowstraße, in Verbindung. Das Eismeer ist zur Schifffahrt wenig geeignet wegen der aus den Polargegenden nach S. strömenden inselartigen Eismafsen von coloffaler Ausdehnung und Höhe, die oft urplötzlich und in großer Anzahl die Schiffe umringen und cinschließen. Diese Eisberge, welche sich von den großen Eisfeldern des hohen Nordens ablösen oder auch durch das Zusammenfriercn abgclöster Eisschollen entstehen, haben die größte Mannichfaltigkcit in der Bildung ihrer Oberfläche, find belebt von einer Menge Eis- und Sturm¬ vögel, und ihre Felder, Höhlen und Hügel dienen den Seehunden und Eisbären im Winter zum Aufenthalte. 8. 5. Das südliche Eismeer. Das südliche Eismeer innerhalb des südlichen Polarkreises hat gegen N. keine Land-, sondern nur Waffergrenzen: den atlanti¬ schen, indischen und großen Ocean. Ob die jüngst in demselben entdeckten, unbewohnten Küsten (das Südpolarland mit einem 12,000' hohen Vulkane) einzelnen Inseln oder einem großen Contincnt angehören, ist noch zweifelhaft; die Eismafsen treiben hier weiter über die Grenzen des Eismeeres hinaus, als im nörd¬ lichen, weshalb das Vordringen in die südlichen Polargegenden schwieriger ist. 8. 6. Der atlantische Ocean. Der atlantische Ocean hat im N. und S. Waffergrenzen: die beiden Eismeere, im W. und O. vorzugsweise feste und be- 8 Theilc des atlantischen Occans. 6. stimmte Landgrenzen: auf der einen Seite die Ostküsten Amerikas, auf der andern die Westküsten Europas und Afrikas, und nur im südlichen Tbeile minder bestimmte Wassergrenzen, den indischen und den großen (stillen) Ocean. Bei weitem der größere Th eil des¬ selben liegt auf der westlichen Hemisphäre. Theile des atlantischen Oceans: a. Auf der östlichen Hemisphäre oder an den Küsten der alten Welt. 1. Die irische See zwischen den Inseln Irland und Gro߬ britannien. Sie steht mit dem atlantischen Ocean im N. durch den Nordcanal, im S. durch den St. Georgs-Canal in Verbindung. 2. Das deutsche Meer oder die Nordsee wird an drei Seiten von Küstenländern (welchen?) begrenzt, und ist an der vierten (nördlichen) zwar nicht geschlossen, aber durch die Orkneys- Inseln und den Shetländischen Archipel merkbar abgegrenzt. Auch im S. steht es mit dem atlantischen Ocean in Verbindung durch die schmale Straße von Calais. Die bedeutendsten Busen find: so. im S. die Zuyder-See, der Dollart und der Jahde-Busen, die sämmtlich im 13. Jahrhundert durch hohe Fluten, gegen welche die Küste noch nicht durch Dämme geschützt war, ihre heutige Gestalt erhielten, bb. Im N.-O. das Skager-Rak an der Südküste Norwegens. Durch diesen letztem Busen steht die Nordsee mit dem Kattegat und vermittelst drei sehr schmaler Meerengen, des kleinen und großen Belt und des (vorzugsweise für die Schifffahrt benutzten) Sund, mit der Ostsee in Verbindung. 3. Die Ostsee oder das baltische Meer, gleichsam das mittelländische Meer Nordeuropas (zwischen welchen Ländern?), jedoch mit der Hauptausdehnung von S. nach N. Die nördliche Hälfte der Ostsee heißt der bothnische Busen; außerdem bildet fie an der Ostküste den finnischen und den rigaischen Busen. 4. Der Canal la Manche oder das Aermel-Meer zwischen der Südküste von England und der Nordwestküste Frankreichs. 5. Der Meerbusen von Biscaya oder Gascogne zwi¬ schen der Westküste Frankreichs und der Nordküste Spaniens und bis zu den nordwestlichsten Spitzen beider Länder. b. Durch die Straße von Gibraltar ergießt sich das atlantische Meer in das große, zwischen den drei Erdtheilen der alten Welt in der Richtung von W. nach O. ausgebreitete mittel¬ ländische Meer, dessen Küstensaum zur Hälfte Europa angehört, Das Mittelmeer. tz. 6. 9 während die andere Hälfte sich ziemlich gleichmäßig auf Afrika und Asien vertheilt. Die europäische Küste hat die reichere Gliederung sowohl im Großen durch die drei aus ihr hervorspringenden Halbinseln Südeuropas, als im Einzelnen durch die Bildung von Doppelgvlfen vermittelst einer hervortretenden kleinern Halbinsel (die Golfe von Lion und Genua, ge¬ bildet durch den Vorsprung der Meeralpen, von Triest und Quarnero neben der Halbinsel Istrien, das todte und azow'schc Meer, geschieden durch die Halbinsel Krim). Wie das Mittelmeer überhaupt seine Entstehung einem ge¬ waltigen Mceresdurchbruch von W. her verdankt, so auch wahr¬ scheinlich seine allmählige Erweiterung gegen O. Noch in der jetzigen Gestalt zeigt es die Spuren einer Unterabtheilung in drei abge¬ schlossene Becken: ss. Ein westliches Becken von der Straße von Gibraltar bis zur Westspitze von Sicilien, welche sich der gegenüberliegenden Küste von Afrika (auf 15 M.) nähert. Dieses Becken zerfällt wieder in zwei durch die Inseln Sardinien und Corstca getrennte Hälften, von denen die östliche den besondern Namen tyrrhenisches oder toskanisches Meer führt. Die schmale Straße St. Bonifacio trennt Sardinien von Corstca, die noch engere von Mesflna (karo cke Messina) Sicilien von Italien. bd. Ein östliches Becken von Sicilien bis zur syrischen Küste, in welchem das adriatische und jonische Meer durch die griechische Halbinsel von dem ägäischen Meere oder dem Archi¬ pel agus getrennt werden. Die bedeutendsten der zahlreichen Inseln in diesem östlichen Becken sind: Candia, welche den Archipelagus gleichsam abschließt und Cypern; die ansehnlichsten Meerbusen der von Tarent und an der afrikanischen Küste der von Sydra (große Sprte). vv. Ein nördliches Becken, das schwarzeMeer, mit einem Vormeer im S. und einer seichten Fortsetzung im N. Die Straße der Dardanellen (Hellespont) führt aus dem ägäischen in jene Propontis (Vormeer) oder Marmora-Meer, die von Con- stantinopel (der thracische Bosporus) aus diesem ins schwarze, und die. Straße von Jenikale aus dem schwarzen in dessen nörd¬ liche Fortsetzung, das azow'sche Meer. 7. Der Meerbusen von Guinea an der Westküste Afrikas. d. Auf der westlichen Hemisphäre oder ander Ostküste Amerikas. 1. Die Labrador-See zwischen Grönland und Labrador mit der Hudsons-Bai, zu welcher die Hudsons-Straße führt. 10 Der indische Ocean. 8. 7. 2. Der St. Lorenz-Busen zwischen der Mündung des Lorenzstromes und der dieser gegenüber liegenden Insel Neu- foundland. 3. Der Golf von Merico östlich durch den Florida-Canal mit dem Ocean und südlich durch die breite Straße von Ducatan mit 4. der caraibischen See oder dem Antillen-Meer ver¬ bunden. Beide zusammen trennen Nord- und Südamerika, welche aus der Westseite nur durch eine schmale Landzunge in unmittel¬ barer Verbindung bleiben, während im O. eine lange Jnselreibe (die Antillen) die Vermittlung beider Hälften bildet und zugleich die beiden Meerestheile vom offenen Ocean scheidet. Im Süden steht der atlantische Ocean sowohl unmittelbar, als durch die Magellansstraße (zwischen Südamerika und Feuerland) mit dem großen (oder stillen) Ocean in Verbindung. . §. 7. Der indische Ocean. Der indische Ocean, auf der südlichen Halbkugel, erstreckt sich von der Südküste Asiens bis zum Südpolar-Land; im W. bildet die Ostküste von Afrika, im O. der indische Archipel und das Fest¬ land von Australien die Grenze, im S.-W. und S.-O. reicht sein Gebiet bis zu den Meridianen des Vorgebirges der guten Hoffnung und der Spitze von Vandiemcns-Land. Er bespült also die Küsten von drei Erdtheilen, wie in größerm Maßstabe der atlantische und der große (stille) Ocean. Theile des indischen Oceans: 1. Der lange und breite Canal von Mozambique zwi¬ schen der Küste von Mozambique (Ostafrika) und der großen Insel Madagaskar. 2. Das persische oder arabische Meer zwischen der Süd- und Südostküste Arabiens und der Westküste Vorderindiens mit dem langgestreckten, aber schmalen arabischen Meerbusen oder rothen Meere und dem schlauchförmigen persischen-Meer¬ busen. Zu jenem bildet die Straße von Bab-el-Mandeb, zu diesem die von Ormns den schmalen Eingang. In seinem nördlichen Theile ist das rothe Meer voll von Korallen¬ bänken, die man bei ganz stillem Wasser bis zu einer Tiefe von 70 bis 90' unter der Oberfläche in den verschiedenartigsten Farben und Gestalten er¬ blickt: man glaubt Blumen, Bäume, Wälder mit den schönsten Edelsteinen Der große (stille) Ocean, tz. 8. 1t übersäet zu sehen, und wenn man sie pflückt, so hat man nur Thiere, die außerhalb des Mecrwaffers sofort ersterben. 3. Der bengalische Meerbusen, welcher Vorder- und Hinterindien trennt, hat von allen Becken des indischen Occans am wenigsten die Form eines abgeschlossenen Binnenmeeres. 8. 8. Der große oder stille Ocean. Der große Ocean hat von N. nach S. genau dieselbe Aus¬ dehnung, wie der atlantische, indem er, wie dieser, von den Polar¬ kreisen begrenzt wird. Dagegen ist die Breite von den Ostküsten Asiens und Neuhollands bis zu den Westküsten Amerikas mehr als die doppelte des atlantischen und beträgt unter dem Aequator ?/s des Erdumfangs (2250 Meilen). Der Flächeninhalt (3 Hz Mill. IHM.) übersteigt den eines Drittheils der Erdoberfläche und kömmt dem doppelten des atlantischen ziemlich gleich. Daher heißt er auch mit Recht vorzugsweise der große Ocean, während die Benennung stiller Ocean, die der erste Entdecker des¬ selben , Ferd. Magellan , ihm gab, in der Folge als keineswegs ge¬ rechtfertigt erschienen ist, namentlich erlebte Cook auf seinen Weltreisen gerade an der Ostküste Neu-Seelands die heftigsten Stürme. Die Th ei le des großen Oceans sind vorzugsweise solche Meere, welche einerseits vom Festlande, andrerseits von Inselketten umschlossen werden. Man pflegt denselben nach den drei Zonen, welchen er angehört, in die Nordsee, das stille Meer (im engern Sinne) und die Südsee zu unterscheiden. r». Von den Theilen der Nordsee bespült das Behrings¬ meer oder Meer von Kamtschatka die Küsten der beiden grö߬ ten Erdtheile, da wo sie sich am meisten einander nähern, das ochotskische, das japanische und das nordchinesische Meer (mit dem gelben Meer) die Ostküste Asiens, der Busen von Californien bildet dagegen einen nordwestlichen Einschnitt in den Continent von Nordamerika. Sie enthält die chinesischen, die ja¬ panischen Inseln, die Kurilen, die Aleutischen Inseln. Aus dem japanischen Meere, einem durch vorgelagerte Inseln von dem Ocean getrennten Binnenmeere, führt nordöstlich die Straße la Perouse in das ochotskische, südlich die Straße von Korea in die ostchincsische See. b. Das stille Meer oder der tropische große Ocean umfaßt das süd chinesische Meer mit den Golfen von Tonking und Siam, die Celebes- (oder Solo-) See, aus welcher die IS Bodengestaltung Asiens. Z. 9. Straße von Macassar in die S n n d a - S e e führt, ferner die Banda- See mit dem Golf von Carpentaria, die Korallen-See an der Nvrdoftküfte Australiens und die zahlreichen Archipele, aus welchen Polynesien besteht. An der Westküste Mittel-Amerikas sind die Golfe von Tehuantepek und von Panama. v. Die Südsee enthält nur einen bedeutenderen Busen: den Austral-Golf an der Südküfte Australiens. Zweite Abteilung. Beschreibung der fünf Erdtheile im Allgemeinen. I. Asten. 8. 9. Die wagerechte Gestaltung Asiens. Die wagerechte Gestaltung Asiens ist bei weitem am stärksten im Süden, und zwar sowohl durch drei große Halbinseln (wie bei Europa): Arabien, Vorderindien und Hinterindien, als durch die reichste Jnselbildung; hier findet sich die größte Insel¬ gruppe der Erde (Borneo, Sumatra, Celebes, Java). Im Osten ist die Halbinselbildung (Korea, Kamtschatka) schon weit geringer als im S., während die Jnselbildung (die chinesischen, die japani¬ schen Inseln, die Kurilen) noch bedeutend ist. Der Westen hat eine einzige große Halbinsel, Kleinasien, eine größere Insel (Cypern) und zahlreiche kleinere Inseln. Im Norden entsteht die Gliederung vorzugsweise durch erweiterte Flußmündungen. §. 10. Die senkrechte Gestaltung Asiens. In Asien ist die Form des Hochlandes vorherrschend, wie in Amerika die Form des Tieflandes. Das asiatische Hochland be¬ steht aus zwei an Ausdehnung und Höhe sehr verschiedenen Ter- Das centrale Hochland Asiens. §. 10. 13 rassen (dem Hochland von Hinterasien und dem Hochland von Vorderasien) und zwei isolirten Tafelländern. Beide Hochländer Asiens sind Heils von Randketten, Heils von isolirten Ge¬ birgsgruppen umgeben und jenseits dieser von ausgedehnten Tiefländern, zu denen Stufenländer mit weit verzweigten Waffersystemen den Uebergang bilden. 1. Das centrale Hochland, welches den Stamm Asiens bildet, erstreckt sich in einer nach O. hin an Breite zunehmenden Masse durch den ganzen Continent von den Küsten des ägäischen und schwarzen Meeres bis zu denen des großen Oceanö. Die zwei Terrassen desselben sind sowohl an horizontaler Ausdehnung als an senkrechter Erhebung sehr verschieden. s. Die größere und höhere östliche Terrasse, oder das Hoch¬ land von Hinterasien, hat eine durchschnittliche Höhe von 8000—10,000' über dem Meere. Seine Ausdehnung kommt einem Drittel des gesammten Erdtheiles gleich. Die Randgebirge sind: im N. das Altaispstem mit dem da-urischen Alpenland, im O. das mandschurische uud das chinesische Alpenland, im S. der Himalaya, im W. das turkestanische Alpenland; die bedeutendsten Verzweigungen im N.-O. das kamtschatkische Berg¬ land, im S. das hinterindische Gebirgsland. b. Die kleinere und niedere westliche Terrasse, oder das Hochland von Vorderasien, hat nur 4000' mittlerer Er¬ hebung über das Meer und zerfällt wieder in zwei ungleiche Hälf¬ ten: das Plateau von Iran und die Hochfläche von Klein¬ asien, welche durch das armenische Hochland verbunden sind. Auch von ihm geht eine nördliche und eine südliche Verzweigung aus: der Caucasus und das syrische Hochland. Beide Terrassen werden durch das Alpengebirgsland des indi¬ schen Caucasus oder Hindu-Khu, gleichsam einen Gebirgsisthmus, verbunden. 2. Die beiden isolirten Hochländer: das Plateau von Dekan und das arabische Hochland sind von geringerer Aus¬ dehnung und Höhe. Sie umgeben das centrale Hochland im Süden, sind aber durch Tiefländer von demselben getrennt und bilden zwei große Halbinseln. 3. Den Uebergang von dem centralen Hochlande in die ver¬ schiedenen Tiefländer bilden vierzehn Stufenländer mit eben so vielen großen Stromsystemen (s. §. 11), die strahlenförmig nach allen Richtungen sich wenden. 4. Das Tiefland, welches mehr als Vz des Erdtheils aus¬ füllt und den untern Lauf der großen Ströme enthält, zerfällt in 6 Theile: 1 im N., das sibirische; 1 im O., das chinesische; 14 Ueberficht der Stromsysteme Astens. §. 1t. 3 im S., das indochinesische, das indische und das syrisch¬ arabische; 1 im W., das turanische (mit dem Aralsee). 8. 11. Uebersicht der Strvmsysteme Asiens. Seine reichhaltige und nach allen Seiten hin verbreitete Be¬ wässerung verdankt Asien 1) der centralen Stellung des Hochlandes, namentlich des östlichen, 2) der bedeutenden (absoluten) Höhe der Randgebirge, die auch in den wärmeren Gegenden noch in die Re¬ gion des ewigen Schnees hinein ragen, und 3) der Umgebung des Hochlandes mit geräumigen Tiefländern, welche die Stromsysteme zu einer bedeutenden Entwickelung gelangen lassen. Nur Mittel¬ europa hat durch die centrale Stellung seines Alpensystems ähnliche Verhältnisse in der Vertheilung der Bewässerung, natürlich in weit kleinerm Maßstabe. Eine Erscheinung aber, welche den asiatischen Wassersystemen eigenthümlich ist, sind die großen Doppel- oder Zwillingsströme, welche von derselben Höhe aus benachbarten Quellgebieten kommen, Anfangs nach entgegengesetzten Richtungen sich trennen, dann aber plötzlich sich wieder nähern, um entweder als Parallelftröme (wie Gihon und Sirr, die beiden chinesischen, annähernd auch Ob und Jenisei), oder zuletzt mit einander vereinigt (wie Ganges und Brahmaputra, Euphrat und Tigris, Ob und Jrtisch) sich ins Meer zu ergießen. Von den 14 großen Stromsystemen solgen s. vier der nördlichen und nordöstlichen Richtung: Ob, Jenisei, Lena und Amur, alle mit einer Stromentwickelung von 410—460 Meilen. Ihr oberer Lauf gehört dem Hochlande an, der mittlere zieht sich durch Urwälder, der untere ist einen großen Theil des Jahres mit Eis bedeckt. l>. Zwei der östlichen Richtung: Hoangho (570 M.) und Jantse-Kiang (650 M.),,beide an Stromentwickelung größer, aber an Stromgebiet geringer als feder der nördlichen Flüsse. Sie nähern sich einander sowohl an der Quelle als an der Mündung und stehen vor letzterer durch den Kaiserkanal mit einander in Ver¬ bindung. o. Sechs der südlichen Richtung und zwar in drei Gruppen: na. der Jrawaddi, der wasserreichste (wenn auch nicht der längste?) unter den parallelfließenden, aber durch Kettengebirge ge¬ trennten hinterindischen Strömen; bb. die drei vorderindischen: der Ganges, der Brahmaputra und der Indus, alle drei mit benachbartem Quellgebiet. Die beiden ersteren schließen in ihrem vbern und Mittlern Laufe das höchste Gebirge der Erde, den Hima- Bodengestaltung und Ströme Afrikas. §. 12. tz. 13. 15 laya, ein; vor der Mündung vereinigen sie sich zu einem Strome, ev. die Zwillingsströme Tigris und Euphrat, welche sich eben¬ falls vor der Mündung zu einem Strome unter dem Namen Schat el Arab vereinigen. tl. Zwei continentale Ströme der westlichen Richtung: Gi- hon oder Amu (Orus) und Sirr (Jarartes), welche aus gleichem Quellgebiete dem Aralsee zufließen. II. Afrika. §. 12. Die wagerechte Gestaltung Afrikas. Afrika hat von allen Erdtheilen die einfachste horizontale Glie¬ derung, es ist ein Stamm ohne Glieder, dessen Längendurchmesser (von der Nordspitze oder dem Cap Blanco bis zur Südspitze oder der Nadelspitze) dem Breitedurchmesser (vom westlichsten Punkte oder dem grünen Vorgebirge bis zum östlichsten, dem Cap Guarda- fui) fast gleich ist. Bei dem Mangel an tieferen Meereseinschuitten ist seine Umsäumung die einförmigste, und trotz der insularen Lage hat das Binnenland die geringste Berührung mit dem Ocean, da¬ gegen die größte Unzugänglichkeit erhalten. Ebenso entbehrt dieser Continent der Jnselbildung. Er hat fast gar keine irgend bedeu¬ tende Gestadeinseln, denn die einzige größere benachbarte Insel, Ma¬ dagaskar, ist wegen der trennenden Meeresströmungen fast als eine oceanische zu betrachten. 8. 13. Die senkrechte Gestaltung und die Ströme Afrikas. Die Form deö Flachlandes (theils Tiefland, theils Hochland) ist in Afrika bei weitem überwiegend; aber dieses ist keineswegs (wie man bisher annahm) ohne alle Gliederung und Unterbrechung. Das massenhafte Tiefland in der nördlichen Hälfte, welches durch das tropische Klima und den Mangel an Regen größtentheils zur ewigen Wüste bestimmt ist, hat einzelne Bergzüge. Mehr noch ist das Hochland in der südlichen Hälfte des Continents von Berggruppen durchschnitten, theilweise von Randgebirgen umgeben und läuft in vorspringende Gebirgszüge aus, wie im N.-O. das habessinische Terrassenland und im N.-W. Hoch-Sudan. 16 Die wagerechte Gestaltung Europas. 8. 14. Den Uebergang von dem Hochlande zum Niederlande (nament¬ lich auch zu den schmalen Küstensäumen) bilden Stufenländer mit Waffersystemen und zwar: s. in Südafrika das des Oranjestromes, b. in Nordwestafrika: die des Niger, Gambia und Senegal, v. in Nordostafrika: das des Nils. Nur die Stromsysteme des Nils und des Nigers sind mit den großen asiatischen zu vergleichen. Im Norden des Tieflandes liegen zwei getrennte Gebirgs¬ länder: s. das Hochland der Berberei mit dem Randgebirge des Atlas, und b. das Plateau von Barka, welche durch den Busen von Spdra und die hier bis ans Meer reichende Wüste von einander getrennt werden. III. Europa. 8. 14. Die wagerechte Gestaltung Europas. Die äußere Form keines Erdtheils ist so unregelmäßig, wie die des unsrigen. Die Nordscite Europas hat durch die Bildung zweier Bin¬ nenmeere, der Nord- und Ostsee, sowie des tief einschneidenden weißen Meeres, einen wesentlichen Vorzug vor der wenig geglieder¬ ten Nordseite Asiens. Der schmale Ausgang des weißen Meeres trennt die beiden Halbinseln Kola und Kanin. Die scandina- vische Halbinsel zwischen Ost- und Nordsee übertrifft an Größe alle europäischen. Ihr gegenüber liegt zwischen denselben Meeren die kleine Halbinsel Jütland. — Die Westseite Europas ist arm an Halbinseln (nur die der Bretagne tritt entschieden aus dem Continent hervor), hat aber dafür die größten Inseln: Großbri¬ tannien und Irland. — Wie Asien seine reichste Gliederung im S. durch drei weit ins Meer hineinragende Halbinseln erhält, so auch Europa. Denn das Festland von Südeuropa besteht ebenfalls aus drei großen Halbinseln, der iberischen, italischen und griechischen, die sich alle in gleicher Hauptrichtung in das mittelländische Meer erstrecken. Dazu kommen noch zwei kleinere (schon S. 8 genannte): Istrien und die Krim. Auch hat Süd¬ europa die reichste Jnselbildung. Vgl. S. 7 ff. Die senkrechte Gestaltung Europas. Gebirgsland. 15. 17 Die europäischen Inseln find — mit Ausnahme Islands — keine isolirte, schwer zugängliche, dem Ackerbau hinderliche Felsenklippen, sondern abgesprengte Glieder des Continents, in dessen Bereich fie liegen, und Stationen für den Verkehr und die Ausbreitung der Cultur. Solche den Continent gleichsam trabantenarttg umgebende Inseln fehlen Afrika fast gänzlich. Der Süden Asiens hat zwar die größte Inselgruppe der Erde, aber fie steht mit dem Continent in keiner bedeutenden Wechselwirkung, son¬ dern bildet eine Welt für sich. 8. 15. Die senkrechte Gestaltung Europas. Eine noch größere Mannichfaltigkcit als in der horizontalen Bildung der Oberfläche Europas zeigt sich in der senkrechten Gliederung derselben. Wie dort die vielseitigste Berührung von Land und Meer, so erscheint hier die größte Abwechslung aller Hauptformen der Bodenbtldung (von Hochgebirgsland, Mittelgebirge, Tiefebene, Tafelland, Stufenland) als das Charakteristische von Europa. Vorherrschend ist die Form des Mittelgebirges im W., S. und Norden Europas und zwar nicht blos auf dem Continente, sondern auch auf den Halbinseln und Inseln, dagegen die des Tief¬ landes im O. Die Einförmigkeit dieses Tieflandes wird dadurch vermindert, daß es keine ununterbrochene, horizontale Ebene bildet, sondern mit Hügelgruppen und Landrücken abwechselt. Die Form des Tafellandes kömmt nur in geringem Umfange vor, und das Hochgebirgsland steht sowohl an Ausdehnung als an Höhe dem Asiens und Amerikas weit nach. a. Uebersicht des Gebirgslandes. Der Continent Europas enthält, außer den beiden Grenzge¬ birgen gegen Asien: dem Ural und Caucasus, in seinem südwest¬ lichen Theile ein Hochgebirge, die Alpen, welches im W., N. und O. von einem Kranze von Mittelgebirgen umschlossen ist, nämlich im W. von dem westlichen oder französischen Mittel¬ gebirge zwischen Rhein und Garonne, im N. von dem centralen oder deutschen Mittelgebirge von dem Nordfuße der Alpen bis zur germanischen Ebene, im O. von dem östlichen oder karpa¬ thischen Mittelgebirge zwischen der ungarischen und sarmatischen Tiefebene. Nur das deutsche Mittelgebirge hängt unmittelbar mit den Alpen zu¬ sammen, während der westliche und östliche Flügel des europäischen Mittel- Pütz, Leitfaden. 2- Aufl. 2 18 Das Tiefland von Europa. §. 15. gebirges sowohl von den Alpen als von dem centralen (deutschen) Mittel- gebirgslande durch Tiefebenen getrennt sind. Mit diesem Hochgebirgskern Europas hängen auch die Gebirge zusammen, welche die italische und griechische Halbinsel ausfüllen: die Apenninen als Fortsetzung der Westalpen und das griechisch- maeedonische Gebirge nebst dem Hämus oder Balkan als Fortsetzung der Ostalpen. Dagegen stehen die Pyrenäen, welche sich im W. als Grenzgebirge zwischen dem Cvntinent und der ibe¬ rischen Halbinsel erheben, weder mit dem Hochgebirge der Alpen, noch mit dem französischen Mittelgebirge in Zusammenhang, und eben so wenig mit den Pyrenäen das Hochland der iberischen Halb¬ insel.— Das skandinavische Hochland (wovon die eigentlichen Kjölen nur einen Theil ausmachen) füllt den größten Theil der gleichnamigen Halbinsel. Großbritannien und Irland haben vor¬ zugsweise in ihrem westlichen und nördlichen Theile die Form des Mittelgebirges. b. Uebersicht des Tieflandes. Um das Gebirgsland von Mitteleuropa zieht sich ein zusam¬ menhängendes Tiefland von dem Fuße der Westpyrenäen bis zum Caucasus nnd dem nördlichen Eismeere. Dieses steht mit dem kolossalen Tieflande des nördlichen Astens in Verbindung (zwischen dem Ural und dem caspischen Meere) und bildet mit diesem eine (nur von niedrigen Höhen unterbrochene) Tiefebene von den Pyre¬ näen bis fast zur Nordoftspitze Asiens. Der europäische Antheil derselben zerfällt durch die Weichsel in eine größere östliche und eine kleinere westliche Hälfte, jene heißt gewöhnlich die sarmatische, diese die nordeuropäische Tiefebene. Die sarmatische wird von vier Meeren (welchen?), vor¬ zugsweise Binnenmeeren, und drei Gebirgsketten, dem Ural, Cau¬ casus und den Karpathen, begrenzt und geht im S.-W. in die wa- lachische Tiefebene auf dem linken Ufer der untern Donau über. Die nordenropäische Tiefebene erstreckt sich vom Nordfuße des deut¬ schen Mittelgebirges und vom Westfuße des französischen Mittelge¬ birges bis zur Ost- und Nordsee und bis zum atlantischen Ocean. Außer diesem großen zusammenhängenden Tieflande. welches den Ge¬ birgskern von Mitteleuropa umkränzt, liegen noch innerhalb des Ge- birgslandes von Mitteleuropa: 1. die Rhone-Ebene zwischen den West¬ alpen (und zum Theil dem Jura) und dem französischen Mittelgebirge, 2. die oberrheinische Tiefebene zwischen dem deutschen und französischen Mittelgebirge, 3. und 4. die kleine und große ungarische Ebene zwischen den Alpen und den Karpathen. Am Südrande der Alpen breitet sich die lombardische oder Po-Ebene bis zum Nordrande der Apenninen aus. Uebersicht der Waffersysteme Europas. Z. 16. 19 8. 16. Uebersicht der Wassersysteme Europas. Wie in der Gliederung des Bodens, so zeichnet sich auch in dessen Bewässerung Europa durch Reichthum und Mannichfaltigkeit aus. Zwar hat es weder die kolossalen Stromsysteme Amerikas und Asiens, noch die Asien eigcnthümlichcn großen Zwillingsströme, auch sind die größten Ströme Europas (Wolga, Donau, Dniepr, Ural, Don) keine oceanische, sondern münden in Binnenmeere, wie der größte Strom Afrikas; aber sein Wasserreichthum ist sehr gleich¬ mäßig nach allen Richtungen vertheilt. Denn wie Asien seine nach allen Seiten hin verbreitete, reichhaltige Bewässerung der centralen Stellung seines Hochlandes verdankt, so gibt es auf dem Continente Europas zwei solcher Centra, welche nach allen Rich¬ tungen ihre Wasseradern aussenden: das eine liegt fast in der Mitte des großen osteuropäischen Tieflandes (auf und an dem nordrussi¬ schen Landrücken), das andere ist das Hochgebirge der Alpen. Jenes tiefländische Centrum sendet nicht weniger als sechs große Stromläufe in verschiedenen Richtungen vier Binnenmeeren, zu: dem weißen: die Dwina, dem caspischen: die Wolga, Europas größten Strom, dem schwarzen: den Don und Dniepr, dem baltischen: die Düna und den Riemen. Der Ural entspringt dem gleichnamigen Grenzgebirge. Das Alpengebirge und die ihm vorgelagerten Mittelge¬ birge geben sämmtlichen übrigen Hauptströmen des eigentlichen Continents ihren Ursprung (der Garonne wenigstens ihre Hauptwaffer- masse) und vertheilen diese zwölf Flüsse auf sechs verschiedene Meere (darunter fünf Binnenmeere). Das Alpengebirge selbst sendet der Nordsee den Rhein, dem Mittelmeere die Rhone, dem adriatischen Meere den Po, dem schwarzen Meere die Donau, denn diese, wiewohl sie selbst in dem deutschen Mittelgebirge ihren Ursprung hat, kann als ein Alpenstrom angesehen werden, da sie von den Alpen den bei weitem größten Theil ihrer Wassermasse erhält. Das französische Mittelgebirge liefert dem Ocean die Loire, die Seine und die bedeutendsten Nebenflüsse der (den Pyrenäen entspringenden) Garonne, das deutsche Mittelgebirge dem baltischen Meere die Oder, der Nordsee die Elbe und Weser, das kar¬ pathische Mittelgebirge dem baltischen Meere die Weichsel, dem schwarzen den Dniestr. Alle fließen mit ihrem untern, einige (Po, 2* 20 Die Flüsse und Seen Europas. §. 16. Loire, Seine, Garonne, Weichsel) schon von dem mittleren Laufe an durch das Tiefland. Stromentwickelung der Hauptslüsse des europäische» Continents. 1. Die Wolga 430 M. 2. Die Donau 365 „ 3. Der Dniepr 240 „ 4. Der Ural 230 „ 5. Der Don 195 „ 6. Die Dwina 160 ,, 7. Die Elbe 8. Der Rhein 9. Die Düna 10. Die Loire 11. Die Weichsel 155 M. 150 140 130 130 n n Von den Halbinseln hat nur die iberische Hauptströme, und unter diesen stießen vier: der Duero, Tajo, Guadiana und Guadalquivir dem Ocean, der Ebro dem Mittelmeere zu. Von den europäischen Seen sind, abgesehen von dem caspi- schen, dem größten Landsee der Erde, nur wenige Steppenseen, wie der Neusiedler- und der Plattensee; die große Mehrzahl sind Flußseen und diese vertheilen sich auf drei verschiedene Gebiete: 1. Die Ostsee bildet den Mittelpunkt eines fast vollständig ge¬ schloffenen Kranzes von Seen, deren Abflüsse sie mit wenigen Aus¬ nahmen (Havel, Spree) aufnimmt. Sie liegen theils auf der Ost¬ seite des scandinavischen Gebirges (der Wener-, Wettern- und Mä- larsee), theils auf der finnischen Seenplatte und an deren östlichem Fuße (der Ladoga- und Onegasee), theils auf dem nördlichen Land¬ rücken und an dessen Fuße bis nach Holstein hin. 2. Das Alpengebirge bildet ebenfalls den Mittelpunkt eines Kranzes von Flußseen, deren Abflüsse nach allen Seiten auseinander¬ gehen, während die der vorher genannten Seegruppen in einem ein¬ zigen Wasserbecken (der Ostsee) zusammenlaufen. Die auf der Süd¬ seite an dem Ausgange der Alpenthäler liegenden: der Lago maggiore, der Corner- und Garda-See führen dem Po Al¬ penzuflüsse zu; der am Nordwestfuße gelegene Genfersee ist ein erweitertes Becken der Rhone; im Norden gehören der Vierwald¬ stätter-, Züricher- und Bodensee, der Neuenburger u. s. w. dem Gebiete des Rheines, die Seen auf dem baierischen Hochlande und die im Salzkammergute dem Gebiete der Donau an. 3. Die Flußseen im schottischen Hochland haben alpini- schen Charakter, die in Irland mehr den der Steppenseen. Bodengestaltung Amerikas. §. 17. §. 18. 21 IV. Amerika. 8. 17. Die wagerechte Gestaltung Amerikas. Das Verhältnis! der Ausdehnung in der Länge zu dem in der Breite ist bei keinem Erdtheile so ungleichartig, wie bei Amerika. Denn es erstreckt sich von allen Erdtheilen am weitesten gegen den Nordpol, wie gegen den Südpol hin. Daher hat es die größte Ausdehnung (2000 M.) in der Richtung von N. nach S., wogegen seine zweimal wechselnde Breite, zwischen dem atlantischen und dem großen Ocean, von 6 bis 1800 Meilen steigt. Denn der Isthmus, wodurch Amerika in zwei an Gestaltung und Flächeninhalt fast gleiche Hälften zerfällt, ist nur 6 M. breit. Die Ostseite Nordamerikas theilt die Mannichfaltigkeit der Küstenbildung Europas, denn sie hat vier bedeutende Halbinseln: Labrador, Neu-Schottland (oder Arabien), Florida und Jucatan, die Westseite dagegen nur die Halbinsel Californien; Südamerika entbehrt ganz der Halbinseln. Die Nordseitc hat die bedeutendste Jnfelbildung, vgl. S. 6 f. Ungleich wichtiger aber sind die Inseln an der Ostseite und zwar weniger die an der Nord- vstseite, unter denen Neufoundland die größte ist, als die Inseln Westindiens. Diese Gruppen größerer und kleinerer Inseln bilden zwischen den beiden Continenten Amerikas gleichsam einen zweiten, einen insularischen Isthmus, in ähnlicher Weise, wie die Gruppe der Sundainseln einen Uebergang zwischen Asien und Neuholland. Es sind die Bahama-Jnseln und die großen und kleinen Antillen. Südamerika hat nur eine einzige, von seinem Südende abgerissene, bedeutendere Insel: Feuerland. 8. 18. Die senkrechte Gestaltung Amerikas. In seiner senkrechten Gestaltung bildet Amerika einen Gegen¬ satz zu Asien, insofern die Form des Tieflandes vorherrscht, wie in Asien die des Hochlandes, und die Erhebung des Bodens nicht als massenhaftes Hochland, wie dort, sondern als das größte System der Kettengebirge auftritt. I. Das Hochland. Amerika hat ein Hauptgebirge, die Cordilleren oder Anden und mehrere isolirte Gebirgsgruppen. 2L Die Cordilleren und die isolirten Gebtrgsgruppen Amerikas. 18. 1. Die Cordilleren oder die Anden sind merkwürdig durch ihre riesenhafte Ausdehnung, durch ihre bedeutende Erhebung, durch ihren steilen Abfall nach den Ebenen und den noch steilern nach dem Meere, durch die Menge der Vulkane (besonders in der Nähe des Meeres) und den Reichthum an Metallen. Sie durch¬ ziehen den ganzen Erdtheil in seiner längsten Ausdehnung, vom nördlichen Polarkreise bis zur Südspitze an der Magellansstraße. Ihre Länge (1900 M.) kömmt daher der des Erdtheils sehr nahe, ihre Breite beträgt in der Hauptkette nur 10—20 M., erweitert sich aber durch die Verzweigungen in Südamerika bis zu 100, in Nordamerika gar bis zu 340 M. Daher übertreffen sie an wage¬ rechter Ausdehnung (fast Vg Amerikas) bei weitem sämmtliche Ge¬ birgsketten der Erde, an Erhebung (über 21,000') stehen sie nur dem Himalaya nach. Durch die tiefe Einsenkung der Landenge von Panama (nur 500' hoch) werden sie, wie der Erdtheil selbst, in zwei an Länge ziemlich gleiche, an Breite und Höhe sehr verschie¬ dene Hälften getrennt. s. Die Cordilleren von Süd ameri k a werden nach den Ländern, welche sie ausfüllen, unterschieden in die patagonischen Cordil¬ leren, die von Chile, von Peru, von Quito und von Neu-Gra¬ nada. Die höchste Erhebung erreichen die mittleren Ketten, namentlich die von Quito, wogegen die Höhe gegen S. und N. bedeutend abnimmt. Nach den neuesten Bestimmungen enthält die Cordillere von Quito den höchsten Gipfel der Anden in dem Vulkan Aconcagua (unterm 32." s. Br.) im Nordosten von Valparaiso (seine Höhe, 21,767", übertrifft die des Chimborazo um 1667'). b. Die Cordilleren von Nordamerika beginnen, wie die von Südamerika, ebenfalls im S. mit einer schmalen Kette, den Cordil¬ leren von Guatemala oder von Centralamerika, erreichen im Pla¬ teau von Mexiko ihre höchste Erhebung (bis 16,600') und in den Ket¬ ten der nordamerikanischen Cordillere ihre bedeutendste Breite. 2. Die isolirteu Gebirgsgruppeu. s. In Südamerika: su. das brasilische GebirgSland, der Ausdehnung nach die größte der isolirten Gruppen, zwischen der Tiefebene des Ama¬ zonenstroms im N., den Pampas des la Plata im W., der Küste des atlantischen Oceans im S. und O. bl). Das Hochland von Guyana, zwischen den Ebenen des Amazonenstroms und denen des Orinoko, besteht aus Parallel¬ ketten in der Hauptrichtung von O. nach W. vv. Das Küstengebirge von Venezuela, zwischen der caraibischen See und den Ebenen des Orinoko, löst sich von dem östlichen Zweige der Cordilleren von Neu-Granada ab. Das Tiefland Amerikas, tz. 18. 23 d. In Nordamerika: sa. das Alleghani-Gebirge, ein niedriges Kettengebirge (3000' mittlerer Höhe), welches die Ostküste Nordamerikas in der Richtung von S.-W. nach N.-O. begleitet und sich im N. (jenseits des Hudsonflusses) an das höhere (bis 6000') Bergland von Neu-England anreiht. bb. Die Höhenzüge von Canada (Albany-Gebirge) und von Labrador sind noch wenig bekannt. Vereinzelte Gebirgsmassen finden sich außerdem an der West- und Ostküste Grönlands und in Westinbien aus den großen und den zum Theil vulkanischen kleinen Antillen. II. Das Tiefland. In Folge der Lage des amerikanischen Gebirgssystems am äußersten Westrande des Erdtheiles bleibt, mehr als in irgend einem andern Erdtheile, ein großer Raum (Vz des ganzen Continents) für das Tiefland übrig. Dieses dehnt sich im O. jenes Ketten¬ gebirges und in gleicher Länge (vom nördlichen bis zum südlichen Eismeere) aus, nur unterbrochen durch das westindische Meeres¬ becken. Aber nicht blos in der Länge, sondern auch in der Breite hat die Tiefebene eine ungemeine Ausdehnung, da sie bis zum at¬ lantischen Ocean reicht. Dadurch gelangen die Ströme zu einer sehr umfangreichen Entwickelung. 1. In Südamerika zerfällt das Tiefland in drei Niederungen oder Flußgebiete: die des Rio de la Plata, die des Amazonenstromes und die des Orinoko (im untern Laufe), die nördliche und südliche sind Steppen oder Grasfluren, die mittlere eine Waldebene. s. Die patagonische Steppe, östlich von der gleichnamigen Cor- dillcre, ist eine äußerst unwirthbare, spärlich bewohnte Kalkebene. Ihre Fortsetzung bilden die Pampas des Rio de la Plata, welche mit der patagonischen Ebene beinahe halb so groß sind (76,000 O.-M.) als das Festland von Europa, daher sie auf der nördlichen Seite durch Palmgebüsche begrenzt werden, während sie auf der südlichen fast mit ewigem Eise bedeckt find. Es ist eine unabsehbare, von Heerden wilder Pferde und Rinder be¬ lebte, hohe Grasfläche mit wenigen menschlichen Ansiedlungen. b. Die Llanos (spr. Lranos) des Amazonenstromes (145,000 Q.-M.) sind fast in der ganzen Breite des Continents (— der Breite Europas) ausgedehnt. Sie bestehen größtentheils in undurchdringlichen, sumpfigen Urwäldern von riesenhaften Schlingpflanzen, wo die zahlreichen Wasseradern die einzigen Straßen bilden, aber ein (in Folge der tropischen Hitze) äußerst ungesundes Klima bisher alle menschlichen Ansiedlungen fern gehalten hat. Im S. gehen sie in die Pampas des Rio de la Plata über, im N. in 24 Das Tiefland und die Waffersysteme Amerikas. Z. 18. §.19. e. die Llanos des Orinoko, eine öde Steppe, die fich aber nach der tropischen Regenzeit schnell in ein „Kräuiermeer", wie die Anwohner es nennen, d. h. in Fluren mit mannshohen Gräsern, verwandelt. 2. In Nordamerika erstreckt sich zwischen den Cordilleren im W. und dem Allegbanigcbirge im O. eine einzige Niederung vom Golf von Merico bis an das arktische Meer. Die südliche Hälfte derselben ist die reich bewässerte, fruchtbare und stark be¬ wohnte Mississippi-Niederung (400—600' hoch), die nörd¬ liche die arktische oder canadische. Die südliche Hälfte enthält jenseits des Mississippi unermeßliche Grasfluren (Savannen), in denen die größten Thiere der neuen Welt, die Büffelochsen, weiden und im Winter in Heerden von mehreren Tausenden in südlichere Nachbarländer wandern, um ein milderes Klima aufzusuchen. Von den nomadischen Indianern werden sie in künstlichen Gehegen ein¬ gefangen. Die nördliche Hälfte dehnt sich bis zum atlantischen Ocean aus und wird unterbrochen durch den bedeutenden Einschnitt der Hudsonsbai, welche sämmtliche Waffersysteme dieser Tiefebene aufnimmt. Die nördliche Lage und die vorherrschende Felsbildung des Bodens erschweren den Anbau des ungeheuren Länderraumes, in welchem, wie in den Gras- und Wald¬ flächen Südamerikas, die Ströme die einzigen Straßen bilden. 8- 19. Die Waffersysteme Amerikas. Kein Erdtheil besitzt einen solchen Wasserreichthum, wie Amerika. Seine Ströme sind die längsten, wasserreichsten und am meisten verzweigten auf der ganzen Erde, und die kolossalen Süßwasserseen Nordamerikas enthalten mehr als die Hälfte alles süßen Wassers auf dem Festlande. Da aber die Vermittlung zwischen Hochge¬ birgsland und Tiefland durch Stufenländer in weit geringerem Grade vorhanden ist, als in der alten Welt, und namentlich in Südamerika fast gänzlich fehlt, so ist die Entwicklung der ameri¬ kanischen Stromsysteme eine sehr einförmige. In Ermangelung der Mittelgebirgslandschaften gehört bei weitem der größte Theil ihres Laufes der Ebene an. Oft, besonders in Südamerika, bildet eine beinahe unmerkbare Bodenanschwellung die Wasserscheide, ja zu¬ weilen fehlt diese ganz, und große Ströme, wie der Orinoko und Amazonenftrom, verschwimmen, namentlich bei höherm Wasser¬ stande, förmlich ineinander. Da die Cordilleren ein Küstengebirge des großen Oceans sind, so gewinnen im Allgemeinen nur die an ihrer Ostseite entspringenden Ströme eine größere Entwickelung, und Die Wafferspsteme Nordamerikas. 8. 19. 25 die Abdachung nach dem atlantischen Ocean ist in Südamerika die einzige, in Nordamerika die vorherrschende. Stromentwickelung der Hauptflüsse Amerikas. Der Mackenzie . . . 450 M. Entwickelung. Der St. Lorenzo . . 460 „ » Der Mississippi ... 730 „ Der Orinoko . . . 320 „ » Der Amazonenfluß . . 730 „ „ Der La Plata ... 470 „ Sämmtliche Ströme der nördlichen und nordöstlichen Abdachung Nordamerikas sind Wassersysteme, die aus einem Gemisch von Fluß und See bestehen. So entströmt der Macken¬ zie, der bedeutendste Fluß, welcher sich unmittelbar in das Eismeer ergießt, dem großen Sclavensee und nimmt in seinem untern Laufe noch einen Abfluß des großen Bärensees auf. Auch die in die Hudsonsbai sich ergießenden sind theils Abflüsse des Winipegsees, theils anderer Seen. Die größte Ausdehnung des Stromgebietes mittelst Landseen erhält aber der Lorenz ström, der daher am wenigsten den Charakter eines Stromes trägt. Sein ganzer oberer und mittlerer Lauf wird aus fünf großen, terrassenförmig über ein¬ ander liegenden und mittelst Stromschnellen in Verbindung stehenden Seen gebildet, dem obern See, dem Huronen-, Michigan-, Erie- und Ontario-See. Der Erie-See ergießt sich vermit¬ telst des 16G hohen Niagarafalls in den Ontario-See. Der breite und tiefe untere Lauf des St. Lorenzo nimmt in seiner zweiten Hälfte einen golfartigeu Charakter an und geht (in einer Breite von 20 M.) in den gleichnamigen Busen über. Die südliche Abdachung Nordamerikas ist von der nördlichen nur durch mäßige Hügel und zum Theil so wenig ge¬ trennt, daß der Illinois (spr. Jllincus) mit dem Michigan-See periodisch in Verbindung steht; ihre Gewässer sammeln sich fast alle in dem Bette des Mississippi. Dieser wird gebildet aus dem eigentlichen Mississippi und dem größern, wasserreichem Missouri, welcher die Savannen durchströmt und sich (bei St. Louis) mit dem Mississippi vereinigt, da wo dieser zugleich auf seiner linken Seite den Illinois aufnimmt. In dem hier beginnenden untern Laufe wird die kolossale Wassermasse noch verstärkt (rechts durch den Arkansas und den rothen Fluß, links) durch den Ohio. Kein Land der Welt hat ein so ausgedehntes Canalspstem, als der Continent Nordamerikas, wodurch namentlich seine beiden größten Stromge- 26 Wagerechte Gestaltung Australiens. 20. biete, das des Misstsfippi und des St. Lorenzo, mit einander in Verbindung gesetzt werden. Die Stromsysteme Südamerikas sind großartiger und doch weit einfacher als die Nordamerikas. Die eigentliche Seenbildnng fehlt hier fast gänzlich. Die großen Flüsse haben ihren Ursprung vorzugsweise auf den Cordilleren, ganz in der Nähe des Oceans, und suchen doch stets die entfernteste Küste. Sie gehören sämmtlich mit ihrem mittler« und untern Laufe der Tiefebene an und fließen alle dem atlantischen Ocean zu, jedoch in verschiedenen Richtungen. 1. Gegen N. der Magdalenen-Fluß. 2. Gegen O. der Orinoko und der Amazonenstrom oder Maranhon, das umfangreichste Stromsystem der Erde, dessen größter Nebenfluß (im obern Lauf Rio grande, im untern Madeira genannt) noch alle Flüsse Europas übertrifft. 3. Gegen S. der aus dem Paraguay, dem Parana und dem Uruguay gebildete Rio de la Plata, welcher diesen Namen erst in seinem Mündungsgebiete (nach der Aufnahme des Uruguay) mit dem des Parana vertauscht. Unter den Kustenflüffen ist der St. Francisco auf der Hochebene des brasilischen Gebirgslandes der bedeutendste. Canalsysteme gibt es nicht in Südamerika, wo selbst die Hauptströme nicht zu großen Schifffahrtslinien benutzt werden und die Natur teilweise schon Verbindungen zwischen diesen hergestellt hat oder doch periodisch herstellt. V. Australien. 8. 20. Die wagerechte Gestaltung Australiens. Aus dem größten Wasserbecken der Erde, dem großen Ocean, ragt der kleinste, zuletzt entdeckte, Erdtheil hervor. Er heißt Australien, weil er fast nur der südlichen Halbkugel der Erde an¬ gehört. Durch die große Trennung seiner Bestandtheile hat er eine unverhältnißmäßig weite Ausdehnung (über 120 Längen- und 80 Breitegradey erhalten. Er besteht nämlich aus u. dem Festlande von Neuholland oder Australien im engern Sinne, dem westlichsten Theile des Ganzen, welcher zwar auch eine Insel ist, aber wegen seiner Größe (140,000 slM.) als Continent angesehen wird; Senkrechte Gestaltung und Gewässer Australiens. §. 21. 27 d. drei größer» Inseln: Neu-Guinea, Neu-Seeland und Vandiemensland, von denen die zweite (eine Doppelinsel) in größerer Entfernung vom Continente liegt, während die beiden andern als von demselben abgesprengt erscheinen, die erstere von der Nordseite, die letztere von der Südseite; v. unzähligen kleinern Inseln und Inselgruppen, welche gewöhnlich in eine innere australische Jnselreihe und in eine äußere australische Jnselreihe unterschieden werden. Der Continent von Australien bildet eine viereckige Erdmasse, in deren Küstensaum der Australgolf im S. einen sehr flachen und nur der Carpentariagolf im N. einen tiefern Einschnitt macht, jedoch mit öden flachen, einförmigen Ufern. Dagegen hat die Südostküste (Neu-Süd- Wales) in Verbindung mit dem gegenüberliegenden Vandiemensland im kleinsten Umkreise den größten Hafenreichthum der Erde und ist daher Mittelpunkt der die Südhemisphäre belebenden Schifffahrt und der britischen Colonisation Australiens geworden. 8. 21. Die senkrechte Gestaltung und die Gewässer Australiens. Das Innere des Continents von Australien, sofern uns der¬ selbe bekannt geworden ist, scheint ein hügelloses Flachland zu sein, welches sich bald in einen großen Sumpf verwandelt, bald eine wasserlose Wüste bildet; Hochgebirge, wie Neu-Guinea und Neu- Seeland sie haben, fehlen gänzlich, eben so bedeutende Tafelländer, wovon eine weitere Folge der Mangel an Stufenländern und an Flußspftemen ist. Auch in dieser Beziehung ist der südöstliche Theil des Continents der bevorzugte, denn hier breitet sich ein, freilich schmales, Gebirgsland unter dem Namen der blauen Berge (2000—3000' hoch) aus, mit der Küste fast parallel laufend. Noch höher (mit Gipfeln bis 8000') erhebt sich in der südöstlichsten Ecke des Continents ein zweites Küftengebirge, die weißen Berge oder die Auftralalpen. Den Gewässern fehlt es an bestimmt abgegrenzten Betten, weshalb sie stehende werden müssen, namentlich da ihre Läufe häufig nach dem Innern gekehrt sind, statt nach dem Meere. Sie dienen daher eher zur Zerstörung der Landschaft, welche sie durchlaufen, als zur Befruchtung derselben. Selbst der größte Fluß des Conti¬ nents, der Murray, geht in seinem untern Laufe in Versumpfungen über, so daß nur ein versandeter Arm bis zum Meere gelangt. Zweite Lehrstufe Dritte Abteilung. Länder- und Völkerkunde. Erster Abschnitt. Allgemeine Völkerkunde. K. 22. Eintheilung des Menschengeschlechtes nach de» Verschie¬ denheiten in der körperlichen Beschaffenheit. Die mehr als 1000 Mill. Menschen, welche über die Oberfläche der Erde sehr ungleichmäßig verbreitet sind, bieten in körperlicher und geistiger Beziehung außerordentliche Verschiedenheiten dar. In körperlicher Beziehung unterscheidet man mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Form des Schädels, der Gesichtsbildung, der Hautfarbe und der Farbe des Haares drei Hauptrassen: eine weiße (kaukasische), eine braune (mongolische) und eine schwarze (äthiopische oder Negerrasse), und zwei U ebergangsrassen, eine malaiische (oder australische) und eine amerikanische, welche beide vielleicht durch Vermischung von zwei oder drei Haupt¬ rassen entstanden sind. Die kaukasische (indo-europäische) Rasse ist durch weiße Hautfarbe, gerade Augen- und Gesichtslinien ausgezeichnet. Ihr gehört fast die Hälfte des Menschengeschlechtes (über 500 Mill.), namentlich die meisten civilisirten Völker, an, denn sie ist über ganz Die Menschenrassen und Sprachstämme. Z. 22. 8- 23. 29 Europa, den Süden und Südwesten von Asten und den Norden von Afrika ausgebreitet und selbst in Amerika die vorherrschende. Die mongolische Rasse (300—400 Mill.) hat stark ent¬ wickelte Backenknochen und daher kleine tiefliegende Augen, die Haut¬ farbe ist olivengelb, das Haupthaar dick, straff und schwarz. Sie be¬ wohnt den Nordosten und die Mitte Asiens. Außerdem findet sich eine kleine Anzahl in Europa (in Ungarn und dem nordwestlichen Rußland). Die äthiopische Rasse (etwa 100 Mill.) unterscheidet sich von den übrigen durch ein plattgedrücktes, längeres und schmäleres Ge¬ sicht, eine beinahe schwarze Hautfarbe, kurzes, wolliges, krauses Haar und stark aufgeworfene dicke Lippen. Sie ist von der Westküste Afrikas bis zur Ostküste Neuhollands ausgebreitet und durch gewaltsame Ver¬ pflanzung auch in Amerika. Die amerikanische Rasse (nur 13 Mill.) steht in der Mitte zwischen der kaukasischen und mongolischen, ist aber der letztem am meisten verwandt. Sie ist auf Amerika beschränkt. Die malaiische Rasse (20 Mill.) hat von allen drei Haupt¬ rassen einige Merkmale in sich ausgenommen: die kaukasische Schädel- und Augenbildung, das straffe, grobe, schwarze Haar der Mongolen, die platte Gesichtsform der Neger. Sie bewohnt die weit zerstreute Inselwelt von Madagaskar bis zur östlichsten Insel Polynesiens (Osterinsel). 8. 23. Eintheilung des Menschengeschlechtes nach Sprachstämmen. Weit bedeutender als die körperlichen Verschiedenheiten unter den Bewohnern der Erde sind die geistigen, welche sich in ihren Sprachen, Religionen, Beschäftigungen, Nahrungszwei¬ gen und Verfassungen kund geben. Unter allen Sprachstämmen auf der Erde sind zwei so vor¬ herrschend, daß diese beiden zusammen von mehr als zwei Drittel aller Menschen gesprochen werden: 1. der ostasiatische (von mehr als 300 Mill. M.) in China, Japan und dem größten Theile Hinterindiens; 2. der indisch-europäische (von beinahe 500 Mill. M.) oder der Sprachstamm der kaukasischen Nasse. Er umfaßt alle Länder von der Gangesmündung bis zu den Küsten des atlantischen Oceans und in Amerika die cultivirtesten Völkerstämme. Er hat zwei große Zweige: den indisch-germanischen und den ägyp¬ tisch-semitischen. Der erstere hat die größte Ausbreitung er¬ langt und sich wieder in mehrere Familien oder Grundsprachen ver¬ zweigt, die sich später wieder ein- oder zweimal theilten. 30 Die Religionen. §. 24. So trennten sich von dem indo-germanischen Stamme: s. die Arier, und zerfielen später in die Inder (Sanskrit) und Perser. b. Die Pelasger, die sich schon früh in Griechen und Lateiner theilten. o. Die Slavo-Germanen, von denen sich die Deutschen früh los- rifsen, während der Rest erst später in Letten und Slaven zerfiel. , S. und O. von Theilen des mittelländischen Meeres (welchen?) umgeben, während sie, wie jene, durch ihre breite Nordseite mit dem euro¬ päischen Festlande zusammenhängt. Horizontale Gestaltung. Die nördliche Hälfte der Halbinsel bildet die breite kontinentale Basis der gejammten Halbinsel mit einer sehr einförmigen Küsten¬ bildung am schwarzen Meere und einer mehr gegliederten am ägäi¬ schen und am adriatischen Meere. Die kleinere südliche Hälfte da¬ gegen, „die Halbinsel der Halbinsel", gliedert sich durch eine zwei¬ malige isthmische Verengung in eine Folge von drei Halbinseln, wie Schottland, so daß die östliche der drei südeuropäischen Halb¬ inseln, so wenig sie auch halbiuselartig beginnt, sich doch am voll¬ ständigsten als solche entwickelt. Auch die reiche Umgürtung der zerrissenen Küsten des adriati¬ schen, jonischen und ägäischen Meeres mit Inselgruppen, den jonischen Inseln im W., den Cycladen und den entfernteren Spo- raden im O., erinnert an Schottland, nur sind die Inseln größer und besser angebaut, jedoch weniger zahlreich als die schottischen. Vertikale Gestaltung. Die Gebirgszüge dieser Halbinsel haben nicht, wie der Apenni- nus, eine, sondern zwei Hauptrichtungen: die eine, der Hauptrich¬ tung des Apenninus parallel, von N.-W. nach S.-O., die andere (der Balkan oder Hämus) von W. nach O. Die erstere Gruppe bildet die Wasserscheide zwischen dem adriatischen und dem ägäischen Meere, die andere zwischen diesem und der Donau. Jene wird unterschieden in: s. die dalmatischen oder dinarischen Alpen, 72 Das osmanische Reich, tz. 48. b. den Skardus (Tschar-Dagh), wahrscheinlich den höchsten Gebirgs- theil (5000—80000 der ganzen Halbinsel, e. den östlichen Grenzwall Albaniens, der im N. Bor-Dagh, weiter südlich Pindus heißt. Die Flüsse sind mit Ausnahme der auf der Südseite des Balkan entspringenden, des Strymon (Karasu) und der Ma¬ rtz za, unbedeutend; namentlich erhalten die in dem eigentlichen Griechenland bei dem allseitigen Eindringen des Meeres und der dadurch bedingten geringen Breite des Landes nur einen kurzen Lauf. Während sie im Winter und Frühjahre oft einen so wilden und regel¬ losen Charakter annehmen, daß sie durch Kanäle und Eindämmungen ge¬ regelt und gezähmt werden müssen, um den Culturzwecken des Menschen zu dienen, sind sie im Sommer so wasserarm, daß sie zum großen Theil aus¬ trocknen. Das osmanische Reich. Das osmanische Reich besteht aus Theilen des südöstlichen Europas, des südwestlichen Asiens und des nördlichen Afrikas. Die Bevölkerung beträgt in Europa mit Einschluß der 3 tributären Provinzen 15^ Mill. „ Asien ............. 16 „ „ Afrika ............. 5 „ 36 Vr Mill. Von der europäischen Bevölkerung kommt ein Drittel auf die drei tributären Provinzen Moldau, Walachei und Serbien. Die Volksdichtigkeit ist am größten in Europa und in Aegypten. Das osmanische Reich ist eine absolute Erb-Monarchie, in welcher der Monarch die höchste weltliche Macht (als Sultan) und zugleich die höchste geistliche (als Imam) ausübt. Eintheilung und Topographie der europäischen Türkei. 1. Rum elien oder Thracien ist die südöstlichste der europäischen Provinzen, zwischen dem Balkan, dem ägäischen, Marmora- und schwar¬ zen Meere, mit der Hauptstadt Constantinvpel (800,000 E.), von den Türken Stambul genannt. Constantinopel, an reizender Lage mit Neapel und Lissabon wett¬ eifernd, erhebt sich auf 7 Hügeln (nova Koma) an der Grenze von Eu¬ ropa und Asien und wird an drei Seiten von den Meeresfluten bespült, im S. von der Propontis, im O. vom Bosporus, im N. von dem „goldenen Horn", einem Meerbusen des Bosporus. Im N. jenseits des goldenen Horn liegt die Vorstadt Galata am Abhänge eines Hügels, auf welchem eine zweite Vorstadt Pera sich erhebt. Die bedeutendste und durch die asiatischen Karawanen lebhafteste Vorstadt ist Skutari auf der asiatischen Seite, vgl. S. 53. Topographie der europäischen Türkei, tz. 48. 73 Außer der Hauptstadt coucentrirt sich die Bevölkerung theils in der Ebene der Marizza, wo sich ein nicht unbedeutender Gewerbfleiß gebildet hat und die Städte Philip popel und tiefer Adrian opel (mit 150,000 E.) liege», theils an den Gestaden des Marmora-Meeres, wo Gallipoli (80,000 E.) am nördlichen Ausgange des Helles- ponts als zweiter Hafen einer fruchtbaren Provinz, die zwischen drei Meeren liegt, einen ansehnlichen Handel vermittelt. 2. Macedo nie» ist die reichste und gewerbsamste Provinz der europäischen Türkei, deren zweite Handelsstadt, Salonichi (70,000 E), sie enthält. 3. Thessalien bildet ein kesselartiges, an allen Seiten durch steile, hohe Gebirgsmauern geschütztes Becken, welches ehemals ein See gewesen sein soll, bis eins der in Griechenland nicht seltenen, gewalt¬ samen Erdbeben den Ossa vom Olympus trennte und der, alle Ge¬ wässer des Landes in sich ausnehmenden Salambria (Peneus) durch das enge, malerische Thal Tempe einen Ausgang verschaffte In die¬ sem Flußthale liegt Larissa, die wichtigste Stadt dieser wohlange¬ bauten und zugleich durch überseeischen Handel wie durch Industrie blü¬ henden Landschaft. 4. Albanien wird bewohnt von dem halbcivilisirten, kriegerischen Volke der Arnauten, welche ihre fast vollständige Unabhängigkeit der erschwerten Zugänglichkeit ihrer Heimath verdanken; denn diese ist an drei Seiten von hohen Gebirgen umwallt, und an der vierten, der Seeseite, bilden theils seichte Gewässer, theils steile, klippenreiche Kü¬ sten ebenfalls natürliche Schutzwehren. Die Hauptstadt Janina liegt in der Nähe eines Sees, der keinen sichtbaren Abfluß hat. 5. Bosnien bildet ein schützendes Vorland der Türkei (gegen Oesterreich) durch die Anhäufung vielfach verzweigter Bergmaffen. Die Hauptstadt Bosna Serai oder Sarajewo (70,000 E.), der Mittelpunkt des Karawanenhandels mit Spalato, Salonichi und Con- stantinopel, ist 1852 fast ganz abgebrannt. — Seit 1851 ist die Her¬ zegowina oder das türkische Dalmatien Bosnien einverleibt. 6. Bulgarien, der Nordabfall des Balkan, enthält eine Reihe von Festungen, theils an der Donau, wie Widdin, Nico poli, Rust- schuk, Silistria, theils am schwarzen Meere, wie Varna, theils im Innern: Schumla, an der Hauptstraße, welche über den Balkan nach Constantinopel führt. Die Residenz des Paschas ist Sophia (50,000 E.) auf dem Balkan. 7. Die drei Schutzstaaten. s. Serbien oder das Gebiet der Morava, zwischen Bosnien und Bulgarien, im N. von der Sau und Donau begrenzt, hat seine eigene Landesverwaltung unter einem einheimischen, erblichen Fürsten; die Türkei bezieht nur eine» Tribut und hat das Besatzungsrecht in den 74 Topographie Griechenlands. §. 48. (6) Festungen, unter denen Belgrad an der durch ihre drei größten Nebenflüsse verstärkten Donau die bedeutendste ist. b. Die beiden Donaufürstenthümer Moldau und Walachei, unter tributpflichtigen, vom einheimischen Adel (den Bojaren) gewählten Hospodaren, gehören nicht zur griechischen Halbinsel, sondern zur wa- lachischen Tiefebene, welche, von zahlreichen Flüssen bewässert, mit üppigen Wiesen, fruchtbarem Ackerland, Obstbäumen und Rebenhügeln prangt. Die Hauptstadt der Moldau ist Jassy, die der Walachei Bucharest (80,000 E.). Unter den zur europäischen Türkei gehörenden Inseln ist bei weitem die bedeutendste Creta oder Candia mit der Hauptstadt glei¬ chen Namens. Sie schließt den Archipelagus im S. ab und wird noch zu Europa gerechnet, nicht blos wegen der größer» Nähe, sondern auch weil ihre Nordseite buchtenreich, die Südseite dagegen znm Theil unzu¬ gänglich und die Insel deshalb aus Europa hingewiesen ist. Die asiatischen Länder s. S. 48 ff. Die afrikanischen S. 64. L. Das Königreich Griechenland. Das heutige Königreich Griechenland reicht im N. nur bis an die Golfe von Volo und Arta und umfaßt also vom ehemaligen Nordgriechenland nur das Thal des Spercheus. Die Regierung ist eine constitutionelle Erb-Monarchie. Topographie. a. Liv «dien, oder das ehemalige Mittelgriechenland, mit etwas nach Norden vorgeschobener Grenze. Außer der Hauptstadt Athen (50,000 E.?) ist bemerkenöwerth: Lepanto mit befestigtem Hasen, der den Eingang in den Busen von Korinth schützt. b. Morea hat im N.-W. den befestigten Hafen von Patras am Golf gleichen Namens, den Mittelpunkt des griechischen Handels mit dem übrigen Europa, im S.-O. den zweiten befestigten Hasen von Nauplia oder Napoli di Romani. o. Euböa oder Negroponte, eine lang gestreckte Insel an der Ostküste von Livadien, dem sie sich am Euripus bis auf 100 Schritte nähert. Ihre spärliche Bevölkerung lebt von Raub und Viehzucht. ü. Die Cycladen, südlich von Euböa und Attika, ragen zum Theil hoch (1200—30000 über den Meeresspiegel empor, und ihr meist vulkanischer Boden nährt durch den Neichthum und die Mannich- faltigkeit seiner Erzeugnisse eine weit dichtere Bevölkerung als das Fest¬ land, namentlich Hydra, welche Insel auf kaum 2 (üM. wehr als 20,000 E. zählt. Die ionischen Inseln, Dalmatien, Montenegro, tz. 48. 75 6. Die Republik der jonischen Inseln. Die Republik der jonischen Inseln, welche dem jonischen Meere ihren Namen verdankt, umfaßt sieben größere Inseln: Corfu, Paro, St. Maura, Ithaka, Cefalonia, Zante, Cerigo (im S. von Morea) und mehrere kleinere, welche zum Theil ganz dicht der West- und Südwestküste von Griechenland vorgelagert sind. Wahrscheinlich durch gewaltsame Naturereignisse theils vom festen Lande, theils von einander getrennt oder auch aus dem Meere ge¬ hoben, sind sie reich an Vorgebirgen, guten Häfen, Rheden und Ankerplätzen und trotz der geringen Bewässerung und des felsigen, dürren Bodens mit Wein- (Rosinen, Korinthen) und Oliveupflan- zungen bedeckt. Daher haben sie namentlich an den Küsten eine starke Bevölkerung. Sie bilden einen unabhängigen Bundesstaat unter dem Schutze Großbritanniens, welches das Besatzungsrecht in den Festungen (auf Corfu, S. Maura, Zante, Cefalonia) ausübt und einen in Corfu residirenden Lord-Ober-Commiffär als Regenten ernennt. 0. Das (österreichische) Königreich Dalmatien. Dalmatien heißt das schmale, in der Richtung von N.M. nach S.-O. lang gestreckte Küstenland au der Ostseite des adriati- schen Meeres. Eine Reihe hoher (1800—2000') Felseninseln, welche durch schmale, aber tiefe Meeresstraßen von dem Festlande getrennt sind, ziehen sich im nördlichen Theile parallel mit der steilen Küste, im südlichen von O. nach W. Die wichtigeren, meist befestigten Küstenorte (welche alle unter 7000 E. haben) sind, in der Folge von N. nach S., die Hauptstadt Zara, das alte Spa lato (einst Residenz Diocletians), Nagusa und Cattaro, der Hauptmarktplatz für die Montenegriner. L. Das Fürstenthum Montenegro (Zernagora). Die fast unzugängliche Berglandschaft Montenegro zwischen Albanien, Bosnien und Dalmatien hat seit zweihundert Jahren ihre Unabhängigkeit in den hartnäckigsten wiederholten Kämpfen gegen die Türken behauptet. Das weltliche und geistliche Oberhaupt ist der Vladika (Bischof). Die (etwa 100) Ortschaften sind zum Theil um stark befestigte Klöster erbaut. 76 Horizontale und vertikale Gestaltung Italiens. §. 49. §. 49. Die italische Halbinsel. Lage und horizontale Gestaltung. Italien dringt mit seiner größten Breite (im Norden) tiefer in den Continent von Europa ein, als eine der beiden andern süd¬ lichen Halbinseln und ist auch mit der Südspitze seines Festlandes am weitesten (80 M.) von dem gegenüberliegenden Continent Afrikas entfernt, nähert sich jedoch durch seine südwestliche Fort¬ setzung, Sicilien, der nordwärts vorspringenden Küste Afrikas (auf 15 M. Entfernung), und mittelst seines schmalen Südostendes der griechischen Halbinsel (auf 5—6 M.). Die lang gestreckte, zungen- artige eigentliche Halbinsel spaltet sich durch das tiefe Eindringen des tarentinischen Meerbusens im S. in zwei kleinere Halbinseln. Vertikale Gestaltung. Italien enthält zwei Hauptgebirge: die Alpen (s. §. 51) und die Apenninen, eine große Tiefebene und mehrere kleine Kü¬ stenebenen (die toscanische, römische, campanische, apulische). Die Plateauform, welche auf der iberischen Halbinsel vorwiegend ist, er¬ scheint in Italien gar nicht. s. Das italische Tiesland oder die Po-Ebene (vielleicht einst ein Seebecke») ist an drei Seiten von hohen Gebirgen umgeben, im W. und N. von den Alpen, im S. vom nördlichen Apenninus, an der vierten Seite, im O., gegen ein viel besuchtes Binnenmeer ge¬ öffnet, jedoch mit einer verhältnißmäßig kurzen, wegen ihrer Sumpf- landschasten säst unbewohnbaren Küste. Kaum ein anderes Land der Erde hat eine reichlichere, durch natürliche und künstliche Rinnen für die Schifffahrt und Landwirthschaft zweckmäßiger vertheilte Bewäs¬ serung, als das italische Niederland. Ueber die beiden größeren und die kleineren Alpenfiröme, welche die lombardische Ebene bewässern, s. 8. 54. b. Die apenninische Halbinsel. Die italische Halbinsel erhält ihre lang gestreckte Gestalt sowie ihre Hauptrichtung von N.-W. gegen S.-O. durch die Apenninen, eine im Ganzen einfache Kette mit kurzen Zweigen auf beiden Seiten, welche, wie die Alpen, in drei Theile zerfällt: den nördlichen, Mittlern und südlichen Apenninus. sa. Der nördliche Apenninus steht durch den Col di Tenda mit den Meeralpen in Zusammenhang und zieht sich in einem Bogen längs der Meeres¬ küste, dann im Norden des breiten Arno-Thales bis zur Tiber-Quelle. bb. Der mittlere Apenninus zieht sich in südlicher Richtung, der Küste des adriatischen Meeres nahe und parallel, von der Tiber-Quelle bis Die Apenninenflüffe. §. 49. 77 zur Volturno-Quelle, hat im W. einige Vorketten, und theilt sich gegen S. in zwei Ketten, welche das Hochland der Abruzzen umschließen und sich dann wieder zu einem Hauptriicken vereinigen. Er ist vom tyrrheni¬ schen Meere durch die Tiefebene der Campagna von Rom und die Küsten¬ fläche der pontinischen Sümpfe getrennt. ee. Der südliche Apenninus beginnt bei der Volturno-Quelle, ent¬ fernt sich immer mehr von der Ostküste und erstreckt sich als Hauptkctte durch die südwestliche Landzunge, während die südöstliche Landzunge von niedrigen, isolirten Bergen und Hügeln durchzogen wird, die nur einen geringen Zu¬ sammenhang mit den Apenninen haben. Zu beiden Seiten der Hauptkette ist sowohl im W. als im O. eine ansehnliche Tiefebene, im W. die cam- panische am Golf von Neapel, aus welcher der rings freistehende vulka¬ nische Kegel des Vesuv (35100 hervorragt, und im O- die apulische. Die Apenninenflüsse. Da der Apenninus sich nicht bis in die Region des ewigen Schnees erhebt, auch keine Gletscher und Eisfelder hat, so sind die auf demselben entspringenden Flüsse einen großen Theil des Jahres hindurch sehr wasserarm und trocknen bei der geringen zu dieser Jahreszeit fallenden Regenmenge im Sommer zum Theil aus. Die auf der Oftseite fließen meist durch stark abfallende Querthäler und erreichen nach kurzem, aber schnellem, oft reißendem Laufe das Meer. Die Flüsse an der Westseite, namentlich der Arno und die Tiber, erhalten dagegen einen langem Lauf und deshalb zugleich einen ansehnlichem Wasserschatz, indem sie meist erst durch Langenthaler fließen und dann vermittelst Querthäler die Vorketten durchbrechen, um die Küste zu erreichen. Die untern Flußgebiete haben in den Küstenlandschaften Ver¬ sumpfungen (Maremmen), entstanden durch Ablagerungen von Schlamm und Schuttmafsen, welche den Ausfluß der zahlreichen kleinen Berg¬ wasser gehemmt oder abgeschnitten haben. Es sind öde und menschen¬ leere Ebenen, in welche nur wenige Hirten mit ihren zahlreichen Heer- den aus den Hoch-Apenninen herabsteigen, um während des Winters Futter und mildere Luft zu finden. Die Bevölkerung von ganz Italien beträgt 25'/2 Mill, auf 5610 lUM., die Volksdichtigkeit also beinahe 4400 auf 1 ElM.; sie ist am stärksten in dem kleinen Staate S. Marino und in dem österreichischen Italien (6000), am geringsten auf der Insel Sar¬ dinien (kaum 1300). Italien hat verhältnißmäßig viele Concentrationspunkte einer be- deutenden Bevölkerung in großen und Mittlern Städten, was zum Theil als Folge der zahlreichen kleinen Staaten in früheren Zeiten angesehen Werden muß. Es gibt, ungeachtet der heutigen Verödung mancher 78 Das österreichische Italien. Sardinien. 8- 49. größer» Städte Mittel- und Süditaliens, noch immer nicht weniger als 8 Städte von 100,000 E. und mehr, so daß Italien in dieser Be¬ ziehung nur von Großbritannien übertroffen wird. Die einzelnen Staaten Italiens. In Oberitalien. 1. Das österreichische Italien oder das lombardisch- ven etia nische Königreich ist unter allen Kronländern der öster¬ reichischen Monarchie das am reichsten angebaute und am dichtesten bevölkerte. Denn hier vereinigen sich alle Eleinente, welche eine starke Physische und technische Cultur Hervorrufen: günstige Lage, milder Himmelsstrich, herrliche Bewässerung (vgl. S. 76), frucht¬ barer Boden, treffliche, das Land in allen Richtungen durchkreuzende Straßen, eine thätige Bevölkerung. Auch hat kein Kronland der Monarchie so zahlreiche Mittelpunkte einer ansehnlichen städtischen Bevölkerung; denn außer den beiden Hauptstädten Mailand (180,000 E.) und Venedig (128,000 E.) gibt es hier noch 10 Städte mittleren Ranges (20,000—60,000 E.), während sämmt- liche deutsch-österreichische Kronländer zusammen nur fünf theils ersten, theils zweiten Ranges haben. a. Im Kronlande der Lombardei ist Mailand die Hauptstadt und zugleich eine der reichsten Handels- und Manufacturstädte Italiens. Brescia und Bergamo befassen sich mit der Seidencultur; Man¬ tua, in einem vom Mincio gebildeten See oder Sumpf, ist die wich¬ tigste Festung, Pavia am Tessino die Universitätsstadt. b. Das Kronland Venedig mit der Jnselstadt Venedig, auf mehr als 70 Znseln, die durch (400) Canäle (die Hauptstraßen) getrennt und durch zahlreiche (450) Brücken verbunden sind. Der Lsnslo Ki'snäv durchströmt in Form eines lateinischen 8 die ganze Stadt. Auf dem Festlande Padua (Universität) und Verona (Festung an der Etsch). 2. Das Königreich Sardinien enthält sehr verschieden¬ artige Bestandtheile: einen Theil der Weftalpen und die höchste Kette der Centralalpen, den nördlichen Apenninus, den obersten Theil der Po-Ebene, eine schon Mittelitalien angehörende und dieses teil¬ weise an Milde des Klimas noch übertreffende Küstenlandschaft und eine große Insel, welche nur zum Theil angebaut ist und die ge¬ ringste Bevölkerung hat. Sardinien ist die einzige constitutionelle Monarchie Italiens und wird eingetheilt in: a. Savoyen mit der Hauptstadt Chambery gehört physisch eben so wenig zu Italien, als ethnographisch (wegen der französisch Parma. Modena. Toscana, tz. 49. 79 redenden Bevölkerung). Viele Bewohner dieses höchsten Alpenlandes suchen ihren Erwerb im Auslande. b. Piemont, an zwei Seiten von den Alpen, im S. von den Apenninen, im O. meist vom Tessino und dem von ihm gebildeten See (Lago maggiore) begrenzt. Am obern Po liegt die prächtige Haupt- und Universitätsstadt Turin (160,000 E.), welche sich von den übri¬ gen Städten Italiens durch ihre schnurgeraden, breiten Straßen unter¬ scheidet. Alessandria ist jetzt die Hauptfestung des Königreiches. o. Nizza, am Fuße der Seealpen, mit der gleichnamigen See¬ stadt, die wegen ihres vorzüglich milden Klimas im Winter der Sam¬ melplatz für Genesung Suchende ist. ä. Das Herzogthum Genua, auf der Südseite der Apenninen und am ligurischen Meer, ist der nördlichste Theil von Mittelitalien. Das Land, wie der Meerbusen, verdankt seine Benennung der am Ab¬ hange einer Hügelkette sich amphitheatralisch erhebenden Stadt Genua (140,000 E.) mit geräumigem Seehafen. 6. Die Insel Sardinien, die von allen italischen Inseln am meisten vom Fefilande entfernte, hat diesem ihre unzugängliche und hafenlose Ostküste zugekehrt, wo ihre Hauptgebirgskette steil ins Meer abfällt. Die Hauptstadt Cagliari an der Südküste, und Sassari an der Nordseite, sind beide Handels- und Universitätsstädte. 3. Das Herzogthum Parma, welches sich vom Po bis auf den Kamm der Apenninen erstreckt, besteht aus (den ehemaligen Fürstenthümeru) Parma und Piacenza mit den gleichnamigen Hauptstädten. 4. Das Herzogthum Modena mit der Hauptstadt gleichen Namens berührt im S.-W. auf wenige Meilen das ligurische Meer und erstreckt sich im N. fast bis zum Po. II. In Mittclitalien. 5. Das Großherzogthum Toscana, welches zugleich.das frühere Herzogthum Lucca, die eisenreiche Insel Elba und 5 klei¬ nere Inseln umfaßt, hat nächst der Lombardei und Sicilien die dich¬ teste Bevölkerung (fast 4600 auf 1 E?M.) unter den italischen Staaten. Diese ist hauptsächlich in dem Flußgebiet des Arno con- centrirt. Die Hauptstadt Florenz (115,000 E.) liegt in einem überaus fruchtbaren Bergkessel (daher „la della" genannt), zu beiden Seiten des Arno. Livorno (mit 90,000, darunter viele jüdische E.) verdankt die heutige Bedeutung seinem Freihafen, dem ersten am Mittelmeere. Pisa, zu beiden Seiten des Arno, wird jetzt noch als Universität sowie wegen des milden Klimas und der benachbarten Heilquellen besucht. 80 Kirchenstaat. S. Marino. §. 49. 6. Der Kirchenstaat wird durch den Kamm des Apenninus in eine südwestliche und in eine nordöstliche Halste getheilt. Jene, breitere Hälfte enthält den Abfall zum Mittelmeere und vorzugs¬ weise das Stromgebiet der Tiber; die schmalere, nordöstliche Hälfte bildet den Ostabfall der Apenninen zum adriatischen Meere und reicht nördlich bis zum Po. Der Antheil des Kirchenstaates an der Poebene ist der bevölkertste und wohlhabendste Theil des Staates, während die großen Ebenen auf der Westseite durch die ungesunde Lust zum Theil unbewohnbar sind. Als getrennte Enclaven liegen im Königreich Neapel: Pontecorvo und Benevento. Die Verfassung ist eine Wahlmonarchie: der Papst wird im „Conclave" von den in Nom anwesenden Cardinälen aus den wenigstens 55 Jahre alten Cardinälen gewählt. Die Hauptstadt Nom (178,000 E.) liegt zu beiden Seiten der Tiber in einer von weiten Rasenflächen bedeckten Steppe auf 11 Hügeln. Roms Merkwürdigkeiten bestehen theils in den Ueberresten der vorchristlichen Zeit, theils in den Kirchen und den Palästen mit ihren reichen Kunstsammlungen. Die ersteren finden sich hauptsächlich in dem Umfange des alten Noms jenseits der Tiber, die Denkmäler aus der christlichen Zeit sowohl diesseits als jenseits der Tiber. Unter den Kirchen ist die Peterskirche die erste nicht blos Roms, sondern der ganzen Erde. Sie erhebt sich in italienischem Stil auf dem Petersplatz, dessen Seiten mit Säulengängen und dessen Mitte mit einem ägyptischen Obelisk geschmückt ist. Ueber der Vorhalle befindet sich eine Ga¬ lerie, welche zur Segenspendung und zur Krönung des Papstes bestimmt ist. Ueber dem Hauptaltar, an welchem nur der Papst zu Weihnachten, Ostern und am St. Peterstage, sowie bei jeder Heiligsprechung das Hochamt hält, erhebt sich die große (413' hohe) Kuppel, mit coloffalen Mosaiken verziert, der vorzüglichste Theil des ganzen Gebäudes. — Ebenso nimmt unter den Palästen der Vatikan die erste Stelle ein, der an Umfang einer ansehn¬ lichen Stadt entspricht und 11,000 Säle, Zimmer, Kapellen und andere Ge¬ mächer umfassen soll. Der einzige römische Seehafen der Westküste ist Civita-Vecchia. Am Ostabfall der Apenninen liegen größere Orte: Bologna (70,000 E.) am Fuße des Gebirges und die Festung Ferrara an einem Arme des Po, Ravenna in der Nähe des Meeres. Am Meere selbst liegen: Rimini und Ancona, welches letztere den besten Hafen an der Westseite des adriatischen Meeres har. 7. Die Republik San Marino, der kleinste und zugleich älteste Staat Europas, verdankt die Erhaltung seiner politischen Selbständigkeit seiner Unbedeutendheit und der isolirten Lage auf einer steilen Anhöhe unweit Rimini. Der Ursprung desselben verliert sich in die Legende von einem Einsiedler Marinus, der im Anfang des 4. Jahrhunderts den Anbau dieser Anhöhe veranlaßt haben soll. Neapel. Sicilien. 49. 81 L, Zn Süditalien. 8. Das Königreich Neapel oder beider Sicilien, der größte Staat Italiens, umfaßt außer der Insel Sicilien und einigen kleineren Inseln ganz Süditalien von Terracina an und von Mittel¬ italien den südöstlichen Thcil, welcher die höchsten Gegenden des Apenninus (die Abruzzen) enthält. s. Neapel. In der osmpsgns kolioo erhebt sich die Hauptstadt Neapel (450,000 E.) amphitheatralisch über dem gleichnamigen Golf, der von zwei Vorgebirgen und drei Inseln, Ischia und Procida im N., Capri im S., gegen die Brandungen des Meeres geschützt wird. Nicht die Kirche» und Paläste, sondern die herrliche Lage (voäi Mpoli 6 poi mori), das eigenthümliche Volksleben und namentlich die Umgegend, wo die Natur zugleich ihre Pracht und ihre furchtbarsten Erscheinungen entfaltet, locken Schaaren von Reisenden nach Neapel. Am Golf von Neapel liegt Portici (und Resina) über dem verschütteten Herculanum, das beim Ausbruche des Vesuvs (79 n. Chr.) unter der Asche begraben wurde; dasselbe Schicksal hatte gleichzeitig das seit 100 Jahren zum Theil wieder ausgegrabene Pom¬ peji, welches die beste Vorstellung von der Anlage und Einrichtung einer altrömischen Stadt gibt. Im Hintergründe erhebt sich der Vesuv selbst (351G hoch) als eine isvlirte Masse ohne Zusammenhang mit den benachbarten Bergen, dessen Lavafiröme sich nicht blos verheerend, sondern auch befruchtend für die Umgebung erwiesen haben: in der Asche wächst der treffliche Wein „InMims Lkristi". Sorrents mit dem herrlichsten Klima und der üppigsten Vegetation schließt im S. das wundervolle Panorama des Golfs von Neapel. — Auch der Busen von Salerno mit seinen schroffen Felsenküsten entfaltet den südlichen Charakter mit außerordentlicher Pracht. b. Sicilien. Die Insel Sicilien bildet die Fortsetzung Italiens, von welchem sie nur durch die schmale Meerenge von Messina getrennt ist, und das vermittelnde Glied zwischen Europa und dem nahen Afrika. Sie ist an drei Seiten von Gruppen kleinerer Inseln umgeben: im N. von den liparischen Inseln, im W. von den ägatischen, im S. von der den Engländern gehörenden Maltagruppe. Nur an der Nordseite Siciliens entlang zieht sich eine zusammen¬ hängende Gebirgskette ohne einen Gesammtnamen, welche gegen N. unmittelbar und steil zum Meere absällt, während sich im S. hügelige Hochflächen anschließen, die fast den ganzen übrigen Theil der Insel eivnehmcn und sich gegen die Süd- und Ostküste allmählig abdachen. Pütz, Leitfaden 2. Anfl. g 82 Sicilien und die Maltagruppe. 49. Die Ostseite ist vulkanischer Natur, der riesenhafte Kegel des Aetna oder Monte Gibello (vom arabischen „Dschibel" — Berg) erhebt sich in die Region des ewigen Schnees (10,200' hoch, mit einer Basis von 17 —18 Meilen im Umfange), ohne Zusammenhang mit der be¬ nachbarten Gebirgskette, sondern isolirt, wie der Vesuv. Man zählt an 40 Krater, unter denen der größte '/z Stunde in der Peripherie hat. Auch hier, wie beim Vesuv, bewährt sich der mit vulkani¬ scher Asche gedüngte Boden als vorzüglich fruchtbar, weshalb auch die Ge¬ genden am Fuße des Aetna, namentlich die Ebene von Catania, neben den kleinen Küstenebenen an der Nordseite (bei Messina, Palermo) zu den am besten angebauten und bevölkerten der Insel gehören, wogegen das Plateau im Innern durch seine dürre, steppenartige Beschaffenheit an die Hochflächen Castiliens erinnert. Die wichtigeren Städte Siciliens sind: s. an der Nord feite: die Haupt- und Universitätsstadt Palermo (200,000 E.), welche durch die Vegetation (hier und da Palmen) und den saracenischen Stil ihrer Gebäude fast ein orientalisches Ansehen'hat, mit trefflichem Ha¬ fen; d. an der Ostseite das durch Erdbeben (1783) fast ganz zer¬ störte, aber schöner wiederhergestellte Messina, die aus Lava gebaute Universitätsstadt Catania am Fuße des Aetna, das fetzige (unbedeu¬ tende) Siragosa in einiger Entfernung von der ehemals größten und bevölkertsten Stadt Siciliens (Syrakus); o. an der Südseite: Gir- genti mit sehr bedeutenden Ueberreste» altgriechischer Tempel. 9. Die Malta-Gruppe. Die drei kleinen Inseln Malta, Comino und Gozzo, (seit 1800) eine britische Besitzung, ver¬ danken ihre Bedeutung ihrer Lage in der Mitte zwischen den civili- sirten und nicht civilisirte» Küstenländern des Mittelmeeres, sowie zwischen dem Abendland und der Levante. In gleicher Entfernung von Afrika und Europa, werden sie zu letzter«: gerechnet, weil sie, wie Candia, ihre buchten- und hafenreiche Seite im N. haben und dadurch auf Europa hingewiesen sind. Die hohe Wichtigkeit Maltas in Bezug aus Handel und Kriegs¬ führung hat dessen Anbau trotz der ungünstigsten natürlichen Verhält¬ nisse (die Dammerde soll aus Sicilien herübergeschafft worden sein) veranlaßt und nach diesen kahlen Kalkfelsplatten eine sehr starke Be¬ völkerung (15,000 auf 1 OM.) herbeigezogen. Die stark befestigte Hauptstadt la Valetta (50,000 E.) an der Ostküste ist sowohl eine große Waffenniederlage Englands im Mittelmeer, als ein Hauptmarkt für den Verkehr mit Nordasrika und dem östlichen Becken des mittel¬ ländischen Meeres. Horizontale u. vertikale Gliederung der iberischen Halbinsel, ß. 50. 83 8. 50. Die iberische oder pyrenäische Halbinsel. Horizontale Gliederung. Die iberische Halbinsel hat, wie Afrika, einen fast inselartrgen Charakter, ja sie würde eine völlige Insel sein, wenn die Ober¬ fläche des Meeres 50G höher wäre und die Tiefebene am Nord¬ fuße der Pyrenäen zu einem zweiten Aermel-Meere machte. Der Mangel an tieferen Meereseinschnitten und daher an Halbinseln gibt der Küstengestaltung eine große Einförmigkeit. Nur die Ostküste ist einigermaßen eingebogen und zugleich mit Jnselbildung ausgestattet. Vertikale Gliederung. Die iberische Halbinsel hat eine höchst symmetrische vertikale Gliederung; denn sie besteht aus zwei Hochebenen als Hauptmasse, welche durch zwei Tiefebenen von zwei Hochgebirgen getrennt, von zwei Randgebirgen begrenzt und durch ein Scheidegebirge von einander gesondert werden. Die drei letzteren Bergketten stehen auf dem Rücken der Plateau¬ landschaft. u. Die beiden Hochgebirge sind die Pyrenäen im N. und das noch höhere Gebirge von Granada im Süden. ss. Die Pyrenäen, welche in keiner Verbindung mit den Alpen flehen, bilden eine schmale Gebirgskette zwischen dem atlantischen Ocean und dem Mittelmeer, zwischen der Tiefebene Südfrankreichs und dem Ebro-Thale. Sie bestehen aus zwei Hauptketten: einer südlichen (spanischen) und einer nördlichen (französischen) Kette, die 3—4 Meilen von einander abstehen und beide in der Hauptrichtung von W. nach O. streichen; erstere ist die östliche Fortsetzung des cantabrischcn Gebirgs¬ zuges. Nur in der Mitte ziehen beide Ketten neben einander fort, da¬ her sind auch die Mittelpyrenäen am breitesten (15 M.). Vergleicht man die Pyrenäen mit den Alpen, so ergeben sich wesent¬ liche Unterschiede nicht blos in der Breite der ganzen Kette, sondern auch in der Höhe der Gipfel, denn der Montperdu (10,4820 und die Maladetta (10,7220 bleiben hinter den höchsten Alpenspitzen um 4000' zurück. Die mittlere Kammhöhe (80000 ist ungefähr dieselbe. Ferner stehen die Pyre¬ näen durch den Mangel an Längenthälern, an Gebirgsseen und an tief in die Culturthäler herabhängenden Gletschern den Alpen an Mannichfaltigkeit, Schönheit und Pracht nach. In Folge der geringeren Höhe und Breite in Verbindung mit der südlicheren Lage haben die Pyrenäen eine geringere 6* 84 Vertikale Gliederung und Flüsse der iberischen Halbinsel. 8. 50. Masse Schnee und Eis, weshalb die hier entspringenden Gewässer weniger stark find, als die Alpenflüffe. t>b. Das Gebirge von Granada oder von Hochandalusien. So wie die Halbinsel im N.-O. durch ein Hochgebirge abgeschlossen wird, so auch im S.-O., dort gegen den Cvntinent, hier gegen das Meer. Der Mittelpunkt dieses südlichen Hochgebirges oder die Sierra Nevada übertrifft die Pyrenäen noch an vertikaler Erhebung sowohl der Gipsel (der Mulhacen säst 11,0000, als der Mittlern Kammhöhe. d. Zwei Tiefebenen trennen die beiden Hochgebirge von dem centralen Hochland, nämlich die des Ebro oder die a ra go¬ ni sch e die Pyrenäen und die des Guadalquivir oder die andalu¬ sische Granadas Gebirge von demselben. c. Ein centrales Hochland bildet die Hauptmasse der Halb¬ insel und besteht aus zwei Stufen von ungleicher absoluter Höhe: einer nördlichen, höhern (2560'), oder der Hochebene von Alt- Castilien und Leon, und einer südlichen, nieder» (2480'), der Hochebene von Neu-Castilien und Estremadura. 6. Das castilische Scheidegebirge umfaßt nicht allein den Gebirgszug, welcher die beiden Hochflächen Alt- und Neu-Castiliens von einander scheidet, sondern auch die mehrfach unterbrochene Reihe von Gebirgen, welche sich vom untern Ebro bis zur Mündung des Tajo durch die ganze Halbinsel zieht (und im W. ins Cap la Noca ausläuft). s. Zwei Randgebirge umwallen das centrale Hochland: im N. der cantabrische Gebirgszug oder die westliche Hälfte des Nordrandes der Halbinsel, dessen östliche Hälfte die Pyrenäen bilden; im S. das andalusische Scheidegebirge, dessen mitt¬ lerer Theil die Sierra Morena heißt. Wie folgen die Hauptformen der vertikalen Gliederung in der Richtung von N. nach S.? Flüsse. Die Hauptströme entspringen weder auf den Hochgebirgen noch auf einem der beiden (im N. und S.) die Hochebene abschließenden Randgebirge, sondern der Ostrand des Hochlandes ist ihr gemein¬ sames Quellgebiet und zugleich die schmale Wasserscheide zwischen dem Mittelmeere und dem Ocean. Wegen der geringen absoluten Höhe dieses gemeinsamen Quellbezirkes erhalten die Ströme aus demselben keine fortwährende Nahrung von schmelzendem Schnee. Dazu fließen drei der oceanischen Ströme: der Duero, Tajo und Guadiana über die steppenartige, regenlose Hochebene, der einzigen Abdachung derselben (nach W.) folgend. Daher trocknen sie im Sommer stellenweise ganz aus, während im Winter ihre reißenden Bevölkerung der iberischen Halbinsel. Spanien. §. 50. 85 Fluten Überschwemmungen veranlassen; sie sind deshalb nicht schiff¬ bar, auch wenn sie keine Stromschnellen hätten. Der vierte ocea- nische Strom, der Guadalquivir, erhält von den Schneevorräthen sowohl des südlichen Randgebirges als des südlichen Hochgebirges hinlängliche Nahrung und wird von kleineren Seeschiffen bis Se¬ villa, von Flußschiffen bis Cordova befahren. Ebenso erhält der einzige bedeutende mediterrane Strom, der Ebro, von dem nörd¬ lichen Hochgebirge ansehnliche Zuflüsse, ist jedoch erst durch den seinem Mittellauf parallel angelegten Kaiserkanal schiffbar geworden. Bevölkerung. Die Anzahl ist in Spanien (ohne die canarischen Inseln) 14 Mill, auf 8450 EM. " P ortugal 3Vz „ „ 1650 „ im Ganzen 17 Vr „ „ 10,100 lüM. also in Spanien etwa 1650, in Portugal 2100 auf IlüM. Am schwächsten sind die inneren Provinzen bevölkert, am besten die nördlichen und nordöstlichen, in der Mitte stehen die südlichen. Die pyrenäische Halbinsel ist sehr ungleich auf zwei Staaten vertheilt: Spanien und Portugal. Beide bilden eine in männ¬ licher und weiblicher Linie erbliche konstitutionelle Monarchie. I. Das Königreich Spanien. Die alte historische Eintheilung des Landes in s. die Länder der Krone Castilien (1—7), b. die Länder der Krone Aragonien (8—11), o. das Königreich Navarra, ä. die Herrschaft Vis caya, ist zwar mit einer modernen, der franzö¬ sischen Departementaleintheilung nachgebildeten in (51, später in) 49 meist nach Städten benannte Provinzen vertauscht worden. Doch hat sich jene historische Eintheilung um so mehr im Andenken und im nicht offiziellen Gebrauche des Volkes erhalten, als sie auf einer noch heute geltenden Verschiedenheit in den politischen Rechten und in der Verwaltung beruht. Das centrale Hochland. 1. Die beiden Hochebenen von Alt- und Neu-Castilien über¬ treffen an trauriger Einförmigkeit bei weitem die baierische Hochebene; man erblickt fast nur schlecht beackerte Weizen- und Gerstenfelder und öde Haiden mit spärlichem Futter für die genügsamen, braunwolligen Schafe. In Neu-Castilien liegt(241B hoch) Madrid (280,000 E.), am Manzanarez, trotz seiner heißen Sommer und seiner kalten Winter, seit Philipp ll. der Königssitz. Die Sommerresidenz Aranjuez liegt 86 Spanien, tz. 50. im Thale des Tajo, und in demselben Thale die alte Hauptstadt Spa¬ niens, Toledo. Alt-Castilien berührt im N. das Meer und hat hier die bedeutendste Stadt, den Hasenplatz Santander. Die ehe¬ malige Residenz Valladolid ist, seit Verlegung des Königssitzes nach Madrid, verfallen, und doch außer Madrid die einzige Stadt der Hoch¬ ebene, welche über 20,000 E. zählt. 2. Leon theilt die Natur der Hochfläche von Alt-Castilien. Die alte Universitätsstadt Salamanca ist sehr verödet. 3. In Estremadura, welches den Uebergang vom castilischen Hochlande zum andalusischen Tieflande bildet, liegt die starke Grenz¬ festung Badajoz am Guadiana. L. Die Stufen- und Küstenländer. s. Im Norden. 4. Asturien mit der Hauptstadt Oviedo hat durch seine ge¬ birgige, abgeschlossene Lage den römischen und maurischen Eroberungen den wirksamsten Widerstand entgegengesetzt und ist der Ausgangspunkt der neuern spanischen Monarchie geworden. 5. Galizien erinnert durch seine lieblichen Thäler, seine üppigen Wiesen und seine Erzeugnisse an die Schweiz, und seine kräftigen, un¬ verdrossenen, zuverlässigen Bewohner ziehen, wie die Bewohner einzelner Thäler der Schweiz, in andere Provinzen, um dort einträgliche Arbeiten zu verrichten und nach einer Reihe von Jahren mit dem ersparten Lohn in die Heimat zurückzukehren. Die bedeutendste Stadt ist der berühmte Wallfahrtsort Santiago (28,000 E.) mit dem Grabe des Apostels Jakob (St. Jago). 6. Navarra mit der stark befestigten Hauptstadt Pampluna. 7. Die baskischen Provinzen Viscaya, Guipuzcoa und Alava am Meerbusen von ViScaya. Die Bewohner dieser Provinzen, welche sich selbst die ältesten und ächtesten Spanier nennen, gehören wahrscheinlich den Ueberrestcn der Nation der Celten an. Wie ihre Sprache, so haben sie auch ihre Sitten, Gesetze und einige ihrer poli¬ tischen Rechte, trotz aller Umwälzungen, welche die Halbinsel seit zwei Jahrtausenden erlebte, unversehrt erhalten. b. Im Osten (einschließlich der Inseln). 8. Aragon (benannt von einem Nebenflüsse des Ebro) mit der Festung Zaragoza. 9. Catalonien (koillolunis), eine Vorstufe der Pyrenäen, ver¬ mag bei der steinigten Beschaffenheit des Bodens seine Bewohner nicht von dessen mühsam gewonnenem Ertrage zu ernähren. Deshalb waren diese von jeher aus Seefahrt, Handel und Industrie angewiesen. Bar¬ celona (121,000 E.) mit seinem trefflichen, selbst den größten Han- Spanien, tz. 50. 87 verschiffen zugänglichen Hafen, behauptet nächst Cadiz den Rang des wichtigsten und besuchtesten Handelsplatzes von Spanien, wiewohl der durch Bergströme und Wellen fortwährend herbeigeführte Sand die Zu¬ gänglichkeit des Hafens vermindert hat. Zugleich ist diese volkreichste Provinzialstadt der Hauptsitz der spanischen Industrie. Zu den berühmtesten Merkwürdigkeiten Cataloniens gehört die fast isolirte Gipfelmaffe des Monserrat (d. h. der zersägte Berg, 3800" hoch), von den zahlreichen zahnförmigen Spitzen so benannt, von welchen die weicheren Theile des Felsens in Folge der Verwitterung sich abgelöst haben, während die härteren und festeren Theile sich erhielten und dem Scheitel des Berges seine wunderlich zersplitterte Gestalt gaben. Zwischen nackten Fels¬ pyramiden (etwa 2600" hoch) liegt ein Benediktinerkloster, der besuchteste Wallfahrtsort des nordöstlichen Spaniens. 10. Valencia verdankt seine außerordentliche Fruchtbarkeit (des¬ halb das „maurische Paradies" genannt) theils der natürlichen Be¬ wässerung, theils den wundervollen Canalanlagen, welche der aus¬ dauernde Fleiß der Bewohner geschaffen hat. Hauptstadt Valencia (67,000 E.). Hafenstadt Alicante. 11. Murcia mit der gleichnamigen Hauptstadt (35,000 E.) und dem Kriegshafen Cartagena (von den Carthagern gegründet). 12. Mallorca umfaßt die der Ostküste Spaniens gegenüber¬ liegende Inselgruppe, welche bei den Geographen in die Pityusen und Balearen unterschieden wird. Die Pityusen bestehen aus den nur durch einen schmalen Canal getrennten Hauptinseln Jviza und Form entera und aus einer großen Anzahl kleiner unbewohnter In¬ selchen. Die beiden Balearen sind n. Mallorca mit dem Hasen von Palma; b. Menorca mit dem Hafen von Mahon. o. Im Süden. 13. Andalusien (von den Vandalen benannt), die größte und südlichste Landschaft. Das Thal des Guadalquivir entfaltet nur in seinem ober» Theile die Pracht südlicher Natur, namentlich hat Cordova eine reizende Lage, dagegen ist die kornreiche Niederung, welche Sevilla (100,000 E.) umgibt, flach, baumlos und daher sehr einförmig. In dem Mündungsgebiete liegt die Hafenstadt Xeres und weiter südlich auf einer schmalen, sandigen Landzunge die Festung Cad ir (62,000 E.), die reichste Stadt Spaniens. Auf der fruchtbaren Hoch¬ ebene von Granada lagert sich die Stadt Granada (70,000 E.) mit ihren maurischen Bauten um eine Höhe, auf deren Gipfel die wun¬ dervollen Reste der Alhambra, des Palastes der früheren maurischen Könige, thronen. Die steile Südküste besteht zum Theil aus dem (wie am Rhein) dem Weinbau günstigen Thvnschiefer, auf welchem noch in der Höhe bis zu 3000' Rebenpflanzungen gedeihen, deren Er¬ trag das Hauptprodukt für den bedeutenden Handelsverkehr von Ma¬ laga (74,000 E.) liefert. — An der südlichsten Bucht dieser Küste, 88 Portugal und dessen auswärtige Besitzungen. Z. SO. am Eingänge der gewaltigen Pforte, wo zwei so verschiedenartige Erd- theile sich einst berührten, erhebt sich ungemein schroff der völlig isolirte (140G hohe) Felsencoloß von Gibraltar (16,000 E. außer der englischen Garnison), nur durch eine schmale, sandige Landenge mit dem Continente zusammenhängend und vielleicht durch eine gewaltige Katastrophe von diesem losgeriffen. Der kühnen Naturbildung ent¬ spricht die menschliche Kühnheit, welche hier auf fremdem Boden eine Niederlassung gründete und so befestigte, daß der Eigenthümer der¬ selben (seit 1704 England) in ihr den Schlüssel zum mittelländischen Meere besitzt. 14. Die Canarischen Inseln s. K. 45. 15. Die vier festen Plätze auf der Nordküste Afrikas und den in der Nähe derselben gelegenen Inseln, welche als Verbannungsorte für Verbrecher dienen. Der bedeutendste ist Ceuta, Gibraltar gegenüber. 16. Die spanischen Colonien (5000 ()M. mit 5 Mill. E.): a. Afrikanische: Die Guinea-Inseln s. S. 57. b. Die beiden westindischen Inseln Cuba und Porto-Rico, s. §. 69. o. Das Generalcapitanat der Philippinen in Asien. II- Das Königreich Portugal. Portugal ist gebildet aus den beiden Königreichen Portugal und Algarve; ersteres zerfiel ehemals in 5 Provinzen: Entre Minho e Douro, Traz os Montes, Beira, Estremadura und Alen-Tejo. Im Jahr 1835 wurden die beiden volkreichsten Provinzen Entre Minho e Douro und Beira in je zwei Statt¬ halterschaften zerlegt, die erstere in Minho (nördlicher Theil) und Douro (südlicher Theil), die letztere in Ober- und Unter-Beira (westlicher und östlicher Theil). So besteht also Portugal nebst Algarve gegenwärtig aus 8 Gouvernements. Die Hauptstadt Lissabon (275,000 E.) an der erweiterten Mündung des Tajo und die Hafenstadt Oporto (80,000 E.) an der Mündung des Douro (portugiesische Schreibart) sind die einzigen be¬ deutenden Handelsstädte. Der übrige Theil der Westküste ist meist sandig, voll Untiefen und daher für größere Schiffe unzugänglich. Auswärtige Besitzungen (19,624 H)M.mitfast5 Mill. E.?) 1. Die Azoren nebst Madera und Porto Santo werden von den Portugiesen zu Europa gerechnet, vgl. Z. 45. 2. Afrikanische Inseln und Küstenstriche, s. S. 66. 3. In Asien: s. Das Gouvernement Goa auf der Westküste Vorderindiens. Horizontale Gliederung der Alpen. §. 51. 89 d. Das Gouvernement Macao auf der gleichnamigen Halbinsel an der chinesischen Küste, vgl. S. 37. o. Der nordwestliche Theil der übrigens niederländischen Sunda- insel Timor u. s. w. L. Mitteleuropa In Mitteleuropa ist die Form des Gebirgslaudes vorherrschend, dagegen in Osteuropa die des Tieflandes. Die Vertheilung beider Formen ist so, daß in Osteuropa das Tiefland die Mitte eiunimmt und die Gebirge nur als Grenzsteine dienen, in Mitteleuropa da¬ gegen ein Hochgebirge den Mittlern Kern bildet, um welches sich an drei Seiten Mittelgebirgslandschaften lagern, und das Tiefland meistens den äußersten Saum ausmacht. 8. 51. Das Hochgebirgsland der Alpen. Der mächtige Gebirgsgürtel der Alpen zieht sich zwischen Mittel- und Südeuropa halbkreisförmig in einer Länge von 150 M. und einer von W. nach O. ebenso zunehmenden Breite (20—50 M.) als abnehmenden Höhe. Die Alpenmauer, „die Krone Europas", welche auf dem kleinsten Raume die größte Mannichfaltigkeit der Bodenformen und die schärfsten physischen Contraste entfaltet, theilt unfern Erdtheil in zwei ungleiche, durch Klima, Vegetation, wie durch ihre Bevölkerung wesentlich verschiedene Hälften. Sie unterscheidet sich von andern Hochgebirgen (dem Caucasus, den Cor- dilleren, dem Himalaja) durch ihre große Zugänglichkeit, Anbaufähigkeit und Bewohnbarkeit. I. Horizontale Gliederung der Alpen. Die Alpen werden im W. vom Tieflande der Rhone, im N. von der schweizerischen Hochebene (vom Genfer- bis zum Bodensee), der bäurischen Hochebene, der Donau, im O. von der ungarischen Tiefebene, im S. vom adriatischen Meere, der Po-Ebene und dem mittelländischen Meere begrenzt. Sie sind nicht das ausgedehnteste i) Um ein anschauliches Gesammtbild von der Oberflächenbildung Mitteleuropas zu geben, wird hier das orographische und hydro¬ graphische System desselben im Zusammenhänge, ohne Rücksicht auf die die Raturformen vielfach durchkreuzenden politischen Grenzen, dargestellt, und zwar nach den drei Gliederungen: das Hochge- birgsland, die Mittelgebirge, die Tiefebene. 90 Vertikale Gliederung der Alpen. Z. 51. Hochgebirge Europas, denn die Karpathen nehmen einen wenigstens ebenso großen, das scandinavische Gebirge und der Ural einen großem Raum ein. Der ganze Alpengürtel zerfällt nach seinen Hauptrichtungen in zwei an Ausdehnung sehr verschiedene Arme: einen kürzern (40 M.) und schmälern, die Westalpen, in der Richtung von S. nach N. (vom Mittelmeer bis zum Montblanc), und einen längern (110 M.) und zugleich breitem, die Central- und die Ost alp en, in der Richtung von S.-W. nach N.-O. (von dem Rhonethal bis zur ungarischen Tiefebene). II. Vertikale Gliederung der Alpen. In Bezug auf die absolute Erhebung der Alpen über den Meeresspiegel unterscheidet man eine dreifache Abstufung: Vor¬ alpen, Mittelalpen und Hochalpen. a. Die Voralpen finden fich fast ausschließlich auf der Nordseite, welche weit weniger steil abfällt als die Südseite. Ihr Fuß ruht manch¬ mal schon auf einer Hochebene von 2000 Höhe. Sie erstrecken fich bis zur Grenze des Baumwuchses hinauf, oder von 2000—5000) übertreffen also an Höhe schon alle mitteldeutschen Gebirge. Sie enthalten einen Reichthum an Wäldern und die Frllhlingsweiden, bevölkerte Thäler mit Dörfern, Flecken und Städten. b. Die Mittelalpcn bilden ebenfalls eine Zone von 3000 senk¬ rechter Erhebung (5000—80000, von der Grenze des Baumwnchses bis zu der des ewigen Schnees. Sie enthalten die Almen oder Alpen, d. h. Triften, welche mit Gras, Blumen, Kräutern bedeckt und im Sommer von zahlreichen Heerden belebt sind, wo der Senne seine „Alpenwirth- schaft" treibt. e. Die Hochalpen oder die Region des ewigen Schnees und Eises, welche an der Nordseite der Alpen bei etwa 8000) aus der Südseite bei 8800 Höhe beginnt. Sie ist die Wohnung eines ewigen Winters, wo weite Schneefelder und Eismaffen eine Oberfläche von mehr als 100 Quadrat- mcilen bedecken, und nur an Felswänden, die zu steil sind, um dauernden Schnee zu tragen, ragt das graue, nackte Gestein hervor. Die Gletscher (in Tirol Ferner genannt), welche einen dem eu¬ ropäischen Alpenlande vorzugsweise eigenthümlichen Schmuck bilden, sind riesenhafte Eismaffen, 600—800 dick und zuweilen 6—10 Stunden lang (sel¬ ten weniger als 1 Stunde im Umfang), welche die Abhänge der Berge und die größten Einsenkungen bedecken. Sie senken sich stromartig in die Cul- turthäler hinab, wo sie ihren Fuß dicht an blühende Bäume und grünende Saaten anlehnen. So steigen von dem Montblanc 23 Gletscherarme herab, unter denen mehrere 5—6 Stunden lang sind und in die angebauten Thäler hinabstarren. Fast nur auf der Nordseite der Alpen finden sich Gletscher, weil die Südabdachung zu sehr der Sonne ausgesetzt und in der Regel zu steil ist. Die an ihrem Fuße hervorfließenden wilden, trüben Gletscher- Die Westalpcn. §. 51. 91 bäche bilden mit ihren reichen Wafferschätzen die nie versiegende Quelle der schiffbarsten Ströme Mitteleuropas, welche im heißen Sommer daher ihre reichsten Spenden erhalten, zum Ersatz für das, was die niedrigen Berge und Hügel alsdann versagen, wodurch eine fortwährende Gleichmäßigkeit der Wafferfülle entsteht. Die längsten und bedeutendsten Thäler folgen der Richtung der Hauptketten von S.-W. nach N.-O., so die großen Langen¬ thaler der obern Rhone, des obern Rheins, des Inns, der Drau, Sau. Hier sammeln sich die Alpengewässer nicht blos aus den Hauptthälern, sondern auch aus den engen, oft wilden Seiten- thälern oder Querthälern, um sich in vier großen Strömen: Rhein, Rhone, Po, Donau und einem von mittlerer Größe, der Etsch, außerhalb des Alpensystems dem Meere zuzuwcnden. Die (etwa 40) großen Alpenthäler sind ebenso viele an Naturformen, Produkten und Bewohnern von einander verschiedene Gaue und zugleich die großen Heer- und Völkerstraßen, an denen zahlreiche Ortschaften liegen. Den Uebergang der Straße aus einem Hauptthale in ein anderes auf dem entgegengesetzten Alpenabhange bilden die tiefsten Einsenkungen des Kammes oder die Alpenpässe, theils Saumpfade, theils die großartigsten Wunder¬ werke des Wegebaus. Die Pässe sind in den Alpen, im Vergleich mit an¬ dern Hochgebirgen, am zahlreichsten (mehr als 30) und bequemsten (am niedrigsten in den Ostalpen). Kunststraßen über solche Alpenpäffe erfordern ausgedehnte Fcls- sprengungeu, hoch aufgethürmtc Terrassen, zahlreiche Brücken, welche den Weg bald auf dieses, bald auf jenes Ufer hinüberleiten, hohe Dämme, lange Felsgalerien (eine Art Tunnels) zum Schutz gegen Lawinen und vom Winde sortgeschleuderte Stcinmassen, Zufluchtshäuser für Reisende und Fracht¬ wagen bei stürmischem Wetter oder wenn Lawinen Tage lang die Straße sperren. Auf der Paßhöhc bieten einzelne Häuser oder größere Hospize (auf dem Gr. Bernhard, dem Simplon, dem Cönis) Schutz- und Ruhe¬ stätten. — Die meisten Pässe liegen in einer Höhe von 6000—7000' über dem Meere; die höchste Kunststraße oder die über das Stilfsser Joch 8600', der Brennerpaß in Tirol nur 4500', der Sömmering 3200', daher über den letztem auch der erste Uebergang vermittelst einer Eisenbahn hergestellt worden ist. III. Beschreibung der Hauptketten. 1. Die Westalpen, von dem Mütelmeere zwischen den Gol¬ fen von Genua und Lyon bis zum Montblanc, ziehen sich in der Richtung von S. nach N. mit zunehmender mittlerer Kammhöhe (von 6000 — WOG) und einer Gipfelhöhe von 7000—13000'. Der Westabhang ist bei weitem breiter als der weit steilere Ost¬ abhang. Dieser kleinste Hauptflügel der Alpen zerfällt wieder in drei Glieder: u. Die Meeralpen vom Meere bis zum Monte Viso oder zur Quelle des Po. 92 Die westliche Hälfte der Centralalpcn. Z. 51. b. Die cottischen Alpen (nach einem Alpenfürsten Cottius, einem Freunde des Augustus, benannt) vom Monte Viso bis zum Mont Cenis oder von der' Quelle des Po bis zu der Durance. Ueber den Mont Cönis (86700 führt ein schon im Mittelalter be¬ rühmter, jetzt als Kunststraße ausgebauter Weg aus Frankreich nach Italien (Paßhöhe 6300) unterhalb derselben ein Hospiz). e. Die grafischen Alpen nördlich bis zum Montblanc, in denen die tiefe Einsenkung des kleinen Bernhard den ältesten Weg zwischen Italien und Gallien (auch HannibalS?) bildet. 2. Die Central alpen vom Montblanc bis zur Dreiherren¬ spitze (50 M. lang, 20—36 M. breit) bilden den eigentlichen Kern des Alpengebirges, denn sie vereinigen die größte Erhebung mit einer bedeutenden horizontalen Ausdehnung, da sie in ihrer kleinern westlichen Hälfte aus zwei, in der großem östlichen Hälfte aus 3—4 Parallelketten und Gruppen bestehen. s. Die westliche Hälste enthält ua. die penninischen oder Walliser Alpen vom Mont¬ blanc bis zum Simplon. An ihren beiden Enden erheben sich die höchsten Gipfel unseres Erdtheiles, der Montblanc (14,770) und der Monte Rosa (14,2840, von welchen stundenlange Gletscher bis in die bewohnten Thäler herabhangen. Der Montblanc sowohl als der Monte Rosa bieten einen un¬ gleich großartigem Anblick dar, als die höhern Gipfel in Amerika und Asien, da jener 11,500) dieser etwa 10,00(N über seinem Fuße emporragt. Ersterer ist im Jahre 1786, die höchste Spitze des letztem erst 1851 erstie¬ gen worden. Der häufigste Uebergangspunkt über die penninischen Alpen ist die tiefe Einsenkung des großen Bernhard. Eine Menge Seitenthäler an der Nord-, Süd- und Ostseite führen die Gewässer dieser mit ewigem Schnee und Eis bedeckten Kette theils der Rhone, thcils dem Po zu. Ihren Ab¬ schluß erhält dieselbe im N.-O. durch den Simplon, über welchen Na¬ poleon l. die erste Alpenheerstraße erbaute (in den Jahren 1801—1805), die aus dem Wallis nach dem Lago maggiore führt. dd. Die Berner-Alpen, eine mit den penninischen Alpen in der Hauptrichtung parallel laufende Kette, im S. und W. von der Rhone, im N. von der Hochebene der Aar, im O. vom Reußthal (einschließlich des Vierwaldstättersees) begrenzt. Die Berner-Alpen stehen den penninischen an Höhe wenig, an Mannichfaltigkeit und Schönheit der Formen gar nicht nach und find daher ein Hauptziel der jährlich nach der Schweiz strömenden Schaaren von Rei¬ senden. Auch hier bedeckt die ganze Kammhöhe ewiger Schnee oder ewiges Eis; die größte Anhäufung weiter Eisfelder, massenhafter Gletscher und hoch Die östliche Hälfte der Centralalpen. 51. 93 emporragcnder Felsspitzen (Jungfrau, Mönch, Eiger, Schreckhörner, alle über 12,000', das Finsteraarhorn sogar über 13,0000 findet sich aber in der Mitte (dem sog. Berner-Oberlande). Eine Kunststraße führt nicht über die Berner-Alpen, aber.zwei stark besuchte Saumpfade (über die Gemmi und über die Grimsel) nach dem Wallis. d. Die östliche Hälfte der Centralalpen beginnt mit den sog. Apolitischen Alpen nicht als Kettengebirge, sondern als ein mächtiger, weitverzweigter, centraler Gebirgsstock zwischen dem ober¬ sten Rhonethal und dem des Hinterrcheins. Die Gebirgsgruppe des Gotthard ist das Quellgebiet von vier Flüssen, die nach vier verschiedenen Richtungen dieser centralen Plateaumasse entströmen: die oberen Rheinthäler und das Rhonethal bilden zu beiden Seiten Langenthaler in der allgemeinen Richtung des Alpengebirges von S.-W. nach N.-O.; in der entgegengesetzten Richtung (nach S. und N.) entströmen die Reuß und der Tessino kleinen Seen auf der Paßhöhe, jene fließt nach dem Vierwaldstätter-See, dieser nach dem Lago maggiore. Diese beiden Thäler sind zu einer trefflichen Kunststraße zwischen beiden Seen benutzt worden. Oestlich vom Hmterrhein nehmen die Centralalpen wieder den Charakter von Kettengebirgen an; sie bestehen aus au. einer nördlichen Kette, den baierischen (auch Algauer) Alpen (vom Rhein bis zur Salza); bd. drei mittleren Ketten: den Graubündner Alpen (vom Hinterrhein bis zum obern Inn), den rhätischen Alpen (zwischen dem ober» Lauf des Inn, der Etsch und der Adda), den Tiroler Alpen (zwischen Inn, Etsch und Eisack) mit mehreren südlichen Ver¬ zweigungen. Die Tiroler Alpen enthalten den furchtbaren, bis zu 12,000' sich erhebenden Alpenstock der Oetzthaler Ferner, in deren engen Thälern die höchsten Dörfer Europas (Fend und Gurgl, 6000' hoch) liegen. Ihr höchster Punkt, die Ortlerspitze (12,184'), ist tausend Fuß niedriger als der Großglockner in den norischen Alpen. Die tiefste Einsenkung ist die des Brenner-Passes (nur 4500' absol. Höhe), welche wegen ihrer ge¬ ringen relativen Höhe von alten Zeiten her als der bequemste Uebergang über die Alpen, als die gewöhnlichste Verbindungsstraße zwischen Süd und Nord benutzt wurde. 3. Die Oftalpen, von der Dreiherrenspitze bis zu der unga¬ rischen Tiefebene, nehmen nach O. hin an Höhe stets ab, so daß sie bald den Alpencharakter verlieren, während sie an Breite zu¬ nehmen und den ganzen Raum zwischen der Donau und dem adria- tischen Meere ausfüllen. Sie theilen sich in zwei durch das Drau- thal geschiedene Hauptflügel, von denen der eine, die nori sch en Alpen, sich nordostwärts bis zur Donau erstreckt, der andere sich nach Südosten zum adriatischen Meere hinzieht und in zwei Haupt- 94 Die Ostalpen, h. 51. massen: die karnischen und die julischen Alpen zerfällt, welche letztere durch die dinarischen Alpen mit dem Gebirgssystem der griechischen Halbinsel zusammenhangen. u. Die norischen Alpen bestehen wieder aus drei Parallelketten, von denen die nördliche (die Salzburger und die österreichischen Alpen) mit der Mittlern (der Tauernkette), wie im W. (der Dreiherrenspitze) so auch im O. (durch den Sömmering) in Verbindung steht, die süd¬ liche (die steierischen Alpen) sich erst bei der Murquelle von der Mitt¬ lern abtrennt. Die Salzburger Alpen bilden noch ein sehr romantisches, mit zahlreichen kleineren Alpenseen geschmücktes Gebirgsland, welches zu beiden Seiten der durchbrechenden Mittlern Salza den Charakter der Hochalpen trägt und Gipfel von 9000—10,000" hat („der ewige Schnee" oder die übergossene Alp bei Berchtesgaden, der große Waßmann, der Dachstein oder Thorstein beim Hallstadter-See u. s. w.). Dagegen erlangen die öster¬ reichischen Alpen, welche in dem sog. Wiener-Walde mit dem Kahlen¬ berge auslaufen und hier den nördlichsten Punkt der Alpen bilden, nur die Höhe der Voralpcn, jedoch erhebt sich im N.-O. der Schneeberg (6580") aus einer fast isolirten Bergmasse in die Region der Mittelalpen. Die Tauernkette (die norischcn Alpen im engem Sinne) bildet eine bis auf wenige beschwerliche Pfade undurchbrochene, mit zahlreichen Schneefeldern und Gletschermaffen bedeckte Bergmauer, aus welcher die Gruppe des Venediger (11,622") und die des Großglockner (13,300"?) als höchste Felsenppramiden der Ostalpen hervorragcn. Die steierischen Alpen senken sich jenseits der Mur in einen öst¬ lichen Voralpenzug, der noch zwei niedere Vorhöhen gegen N.-W. bis zur Donau vorschiebt: das Leithagebirge und den Bakonywald, welche die oberungarische Ebene rechts von der Donau einschließen. b. Die karnischen Alpen erstrecken sich anfangs noch als Mit¬ telalpen zwischen der obern Drau und der Friaul'schen Ebene bis zum Terglou, wo sich die julischen Alpen abzweigen, verlieren dann aber zwischen Drau und Sau bei stets abnehmender Höhe den Alpencharakter. e. Die julischen Alpen (angeblich nach Julius Cäsar benannt) beginnen mit dem Terglou, wo sich noch einmal die Majestät der Alpennatur in Gletschern und diese überragenden Felsengipfeln (von mehr als 10,000" Höhe) entfaltet. Weiter gegen S.-O. verliert sich die Kettensorm und an ihre Stelle tritt die Form der Karste, Hoch¬ ebenen mit vcgetationsleeren Kalksteinzüge» (3000—4000"), zwischen denen sich fruchtbare Flächen finden. Große Höhlen (wie die Adels¬ berger Grotte) und Bergseen mit unterirdische» Abflüsse» (wie der Zirknitzer, der sich jährlich entleert und alsdann noch eine Heu- und Hirscnernte liefert) sind diesem Kreidegebirge eigenthümlich. Die Karpathen und deren einzelne Gruppen. 52. 95 ä. Die dinar ischen Alpen, benannt nach dem Dinari, der höchsten (7000') unter den einzelnen nackten Bergkuppen, aus welchen das ganze System besteht, das bei der Kulpaquelle als Fortsetzung der Mischen Alpen beginnt und das östliche Küstenland deS adriatischen Meeres ausfüllt. §. 52. Die Mittelgebirge von Centraleuropa. Das östliche Mittelgebirge oder die Karpathen. Das karpathische Mittelgebirge bildet einen gegen S.-W. geöffneten Bogen, welcher sich von der walachischen Tiefebene bis zu der österreichischen Ebene bei der Marchmündnng zieht, als Wasser¬ scheide zwischen dem Stromgebiete der Ostsee und des schwarzen Meeres. Es umgibt an drei Seiten die große ungarische Tiefebene als eine Art Wall (bis 4000' Höhe), aus welchem sich einzelne Berggruppen erheben. Man unterscheidet folgende Gruppen dieses Gebirgssystems: 1. Das Hochland von Siebenbürgen (Erdely), welches von zwei hohen Randgebirge» umgeben ist, nämlich: s. von de» trans- silvanischen Alpen im S. und O., welche sich in dem südöstlichen Winkel bis zu 9000' erheben und de» Alpencharakter (aber keine Gletscher) haben; b. dem siebenbürgischen Erzgebirge im N. und W. 2. Das karpathische Waldgebirge, das Verbindungsglied zwischen Siebenbürgen und den Centralkarpatheri, von geringer, nach N. hin abnehmender Höhe. 3. Die Centralkarpathen, deren mittlererTheil,das Tatra- gebirge, die höchsten Spitzen des ganzen Gebirges (die Lomnitzer- Spitze 8370'?) enthält. Der Südabfall der Centralkarpathen ist das metallreiche ungarische Erzgebirge, der steile Nordabfall heißt die Beskiden. 4. Die kleinen Karpathen, eine westliche Parallelkette des ungarischen Erzgebirges, zwischen Waag und March, von mittlerer Höhe, reichen bis zur Donau bei Preßburg. 8. Die deutsche oder centrale Mittelgebirgslandschaft. Die deutsche Mittelgebirgslandschaft dehnt sich vom Nordfuße der Alpen bis zum gemanischen Tieflande aus und wird begrenzt im W. vom Jura, der oberrheinischen Tiefebene, dem Rheine selbst und der niederrheinischen Tiefebene, im O. von der March und 96 Das süddeutsche Mittelgebirge. §. 52. der Oder. Dieselbe zerfällt in eine südliche, eine mittlere und eine nördliche Zone, von denen die beiden ersteren durch die Donau, die beiden letzteren durch die Main-, Eger- und obere Elbe-Linie getrennt werden. I. Das süddeutsche Mittelgebirge bildet einen langen Gürtel von zwei durch den Bodensee getrennten Plateaulan ti¬ sch asten, welche sich um den Nordfuß der Alpen als deren nörd¬ liche Vorstufe lagern von Genf bis nach Passau. Im W. und N. werden dieselben vom schweizerischen und deutschen Jura und einem Theile des Böhmerwaldes (dem baierischen Wald) begrenzt. s. Die Plateaulandschaften: ss. Die schweizerische Hochebene oder das Hochland der Aar, bildet ein von der Natur rings abgeschlossenes Gebiet zwischen den Alpen und dem Jura. bb. Die schwäbisch-baierische Hochebene zwischen dem Bodensee und dem Inn senkt sich vom Fuße der Algauer- und baieri¬ schen Alpen allmählig (1600—100G) nach der Donau, von deren Seitenthälern sie durchzogen wird. Sie trägt im S. noch mäßige Bergrücken, die um den Ammer- und Wurmsee am entschiedensten her¬ vortreten, enthält dagegen besonders im N. weite sumpfige Strecken an den Usern der Flüsse, welche Moose oder Riede genannt werden. b. Randgebirge. Der Jura im engern Sinne ist das Gebirge, welches sich von der Rhone unterhalb Genf bis zum Rhein bei Schaffhausen (40 M. lang), parallel mit dem Nordsuße der Alpen und die schweizerische Hoch¬ ebene umwallend, erstreckt, daher auch Schweizer-Jura genannt. Man nennt aber wegen der ähnlichen Bildung aus Kalkmaffen auch die Ketten Jura, welche sich jenseits des Rheines durch Schwaben und Franken bis zum Fichtelgebirge, also bis in die Mitte von Deutschland ziehen. Dieser deutsche Jura zerfällt in den schwäbischen Jura von der Donauquelle bis zur Altmühl, in der Hauptrichtung von S.-W. nach N.-O, und den fränkischen Jura zwischen der Donau und dem Main, also in der Richtung von S. nach N. SS. Der schweizerische Jura, den die Natur gleichsam als Schau¬ gerüste vor die Alpenwelt hingestellt zu haben scheint, bildet einen hohen, undurchbrochenen Gebirgswall zwischen Rhone und Rhein, geeignet, nicht blos eine Wasserscheide zu sein, sondern auch Völker und Staaten abzu¬ grenzen. bb. Der schwäbische Jura begleitet als hoher Nordrand die Donau (von ihrem Quellgebiet bis zum Einfluß der Altmühl) und heißt in seinem höchsten Theile (zwischen dem obern Neckar und der obern Donau) die rauhe oder schwäbische Alp. Vor seinem nordwestlichen Fuße liegt eine Das centrale deutsche Mittelgebirge. §. 52. 97 lange Reihe isolirter, abgestumpfter Bergkegel, wie der Hohenzollcrn (26600, der hohe Staufen (21400- vo. Der fränkische Jura, s. unten. II. Das centrale deutsche Mittelgebirge, im S. von der Donau, im N. vom Main, der Eger und der obern Elbe be¬ grenzt, umfaßt drei Plateaulandschaften mit ihren Rand- und Scheidegebirgen: s. Die fränkisch-schwäbische Hochebene, an drei Seiten von Randgebirgen eingeschlossen, nämlich im W. vom Schwarzwald und Odenwald, im S. vom schwäbischen Jura, im O. vom fränkischen Jura, gegen N. geöffnet. d. Das Plateau der Oberpfalz, ebenfalls an drei Seiten eingeschloffen, von dem fränkischen Jura, dem Fichtelgebirge und dem Böhmerwald-Gebirge, aber gegen S. geöffnet. e. Die Terrasse von Böhmen und Mähren zwischen dem Böhmerwald und dem mährischen Gebirge, welche sich im S. fast in einem rechten Winkel berühren. Unter den Randgebirgen ist der fränkische Jura ein wenig be¬ merkbares Scheidegebirge zwischen zwei Plateaus. Den eigentlichen Gc- birgscharakter tragen der Schwarzwald und der Böhmerwald; beide haben freilich nur eine mittlere Breite von 4 M., aber eine Länge von etwa 25 M. und erreichen in ihrem südlichen Therle eine Höhe von 4500' (der Feldberg im Schwarzwalde sogar 46000- (Eine Parallele zwischen dem Schwarzwalde und den Vogesen s. S. 99.) HI. Das norddeutsche Mittelgebirge wird begrenzt im S. von jener durch den Main, die Eger, obere Elbe und Oder gebildeten Linie, im O. durch die Oder, im N.-O. und N. durch die germanische Tiefebene, im W. durch den Rhein und die nieder¬ rheinische Tiefebene. Es umfaßt außer der isolirten Gruppe des Fichtelgebirges (Schneeberg 330G, Ochsenkopf 32000, welche im Centrum Deutschlands 4 Flüsse (Main, Naab, Eger, Saale) nach vier verschiedenen Gegenden aussendet (wie der Gotthard), eine Menge meist kleinerer, durch die Thäler der Haupt- und Ne¬ benflüsse von einander geschiedener Gebirgszüge, nämlich 1. zwischen Oder, Elbe und March das sudetische Berg¬ system. Dieses zerfällt wieder in s. die eigentlichen Sudeten im S.-O. mit dem Altvater (4500'). d. Den Glatzer Gebirgskessel mit seinen Randgebirgen, aus welchem die Neiße hervorbricht. o. Das Riesengebirge (mit dem Jserkamm) zwischen den Quellen Plitz, Leitfaden. L. Aufl. 7 98 Das norddeutsche Mittelgebirge. 8. 52. des Bober und der Lausitzer Neiße, die höchste Kette mit der Schnee- oder Riesenkoppe (4955'). ä. Das Lausitzer Gebirge mit dem von der Elbe durchbrochenen Elb-Sandsteingebirge, welches wegen seiner schroffen Formen auch die sächsische Schweiz heißt. 2. Zwischen Elbe und Weser das sächsische Erzgebirge, der Thüringerwald und der Harz mit dem Brocken (35000- 3. Zu beiden Seiten der Weser das Weser-Bergland, vom nordwestlichen Fuße des Harz bis zum Teutoburgerwalde, gegen N. am weitesten in das germanische Tiefland hineinragend. Der Durch¬ bruch der Weser bildet die westphälische Pforte. 4. Zwischen Weser und Rhein: u. Das hessische Bergland: Dieses besteht aus ss. dem Rhönegebirge zwischen Werra und Fulda, bb. dem Vogelsgebirge, westlich vom Rhönegebirge und der Fuldaquelle, eo. dem Spessart, einer Fortsetzung des Odenwaldes, welche sich im N. an das Rhönegebirge anschließt. j,. Das vstniederrheinische Bcrgland, auf dem rechte» Rheinufer zwischen Main und Lippe, bildet eine gleichartige Plateau¬ masse mit Gipfeln von nicht bedeutender relativer Höhe und wird von den rechten Nebenflüssen des Niederrheins, welche sämmtlich in der Richtung von O. nach W. fließen, in vier einzelne Massen getheilt: aa. den Taunus oder die Höhe zwischen Main und Lahn (großer Feldberg 2600'), db. den Wester-Wald zwischen Lahn und Sieg, dessen Nordwestende das Siebengebirge heißt, oe. das sauerländische Gebirge zwischen Sieg und Ruhr mit dem Rothhaar- oder Rothlager-Gebirge zwischen den Quel¬ len der beiden genannten Flüsse, ä). Verstärkt durch die von dem Fichtelgebirge entsendete Eger, durchbricht sie das Elbsandsteinge- birge der sächsischen Schweiz in engem Thale. Unterhalb Meißen tritt sie in die norddeutsche Tiefebene, welche sie in vorherrschend nordwestlicher Richtung durchströmt, zum Theil in merkwürdigem Parallcliömuö mit der Oder, der sich nicht nur in den Krümmun¬ gen, sondern auch in den Nebenflüssen zu erkennen gibt. Wie die Oder, so erhält auch die Elbe bei ihrer entschiedenste» Wendung gegen W. ansehnliche Zuflüsse: links vom Erzgebirge die Mulde und vom Fichtelgebirge die Saale, dann aber auf dieser Seite keinen irgend erheblichen Zuwachs mehr, dagegen nun auf der rechten Seite einen zweiarmigen, größtentheils der Niederung ange¬ hörenden Strom, die Havel mit der Spree. Auch die Elbe hat in Mxm Mündungslande Stromspaltungen und erweitert sich zu einem MWvbrer'tcn) Meerbusen, jedoch ohne Haffbildung, wie die Oder. 112 Die Weser. Die Seine. Die Loire. Die Garonne. Z. 54. 3. Die Weser entsteht aus der Vereinigung der Werra und Fulda. Jene kömmt vom Thüringerwalde, diese vom Rhöne- gebirge. Der vereinigte Strom durchfurcht das von ihm benannte Weser-Bergland in ziemlich engem Thale und durchbricht die Weser¬ kette mittelst einer engen Pforte (porta ^Vestxdalios), um durch die germanische Tiefebene die Nordsee zu erreichen. Auch hier wiederholt sich die Erscheinung, wie bei der Oder und Elbe, daß nämlich die Nebenflüsse Anfangs nur auf linker Seite sich finden (die Diemel), und daß im untern Laufe ein einziger, aber ansehnlicher und schon durch Zuflüsse verstärkter Niederungsfluß auf der rechten Seite hinzutritt: die Aller mit der Leine und der Ocker. In ihrer eben¬ falls zum Meerbusen erweiterten Mündung strömt ihr noch links die Hunte zu. v. Die Flüsse des westlichen oder französischen Mit¬ telgebirges. Das französische Mittelgebirge sendet seine Gewässer dem Ocean unmittelbar in zwei Hauptströmen zu: Seine und Loire, mittelbar durch eine Menge von Nebenflüssen, die sich theils in jene beiden ergießen, theils in die Garonne, welche selbst den Pyrenäen entspringt. Alle drei Hauptströme haben golfartige Mün¬ dungen, wodurch die Seeschiffe eine ansehnliche Strecke aufwärts ge¬ langen können. 1. Die Seine tritt bald nach ihrem Ursprünge am Nord¬ abhange des Goldhügelgebirges in das französische Tiefland und empfängt in ihrem obern Laufe die beiden mit ihr parallel fließen¬ den Wasserläufe der Aube (rechts) und der Nonne (links), in ihrem Mittlern Laufe die Marne und die Oise. 2. Die Loire entsteht aus zwei auf dem Hochplateau der Sevennen entspringenden und parallel laufenden Armen: der eigent¬ lichen Loire und dem Allier, beide von gleich langer Strom¬ entwickelung. Vor ihrem Austritte aus dem Gebirgslande vereini¬ gen sie sich zu einem Strome, der in der Tiefebene die nordwest¬ liche Richtung bis Orleans beibehält, sich dann nach S.-W., und zuletzt gegen W. zum Ocean wendet. Die bis Nantes aufwärts steigende Meeresflut führt selbst größere Schiffe bis dahin, wogegen im klebrigen die Schifffahrt durch Inseln und Sandbänke, im Som¬ mer auch durch Wassermangel gehemmt ist. 3. Der Garonne (natürlich auf deren rechtem Ufer) strömen aus dem französischen Mittelgebirge: Tarn, Lot, Dordogne in vorherrschend westlicher Richtung zu. Nach der Aufnahme der Dordogne (bei Bordeaux) nimmt der zum Busen erweiterte Haupt¬ fluß den Namen Gironde an, welche sich in den Biscayschen Golf ergießt. Horizontale Gliederung Frankreichs. 8. 55. 113 III. Die Flüsse der Tiefebene. Von den der Ostsee vorgelagerten Landrücken fließen ihr eine Menge kurzer Küstenflüsse zu, die für die Schifffahrt keine Bedeu¬ tung haben. Ungleich wichtiger sind die in die Nordsee mündenden Flüsse der germanischen Tiefebene: 1. Die Eider, welche vermittelst eines Canales die Nord- und Ostsee in Verbindung setzt. 2. Die Ems» entspringt am südwestlichen Abhange des Teuto¬ burger-Waldes und fließt in westlicher, dann nördlicher Richtung in den Dollart. 3. Die Schelde, der westlichste Strom des niederrheinischen Tieflandes, erhält in ihrem untern Laufe durch das Aufsteigen der Meeresflut eine ansehnliche Schiffbarkeit. An der Mündung theilt sie sich in die Oster- und Westerschelde, welche die Inseln Beveland und Wcilcheren einschließen. 8. 55. Frankreich. Grenzen. Frankreich hat zu natürlichen Grenzen Europas die beiden wichtigsten Meere und die beiden bedeutendsten Hochgebirge, und wo die Westalpen aufhören (am Genfer-See), da setzt der Jura die natürliche Grenze fort bis zum Nheinknie bei Basel. In der nörd¬ lichen Hälfte der Ostgrenze überschreitet das französische Gebiet die Naturgrenze (der Vogesen und Ardennen) bedeutend und ist sogar theilweise bis an den Rhein vorgerückt. Horizontale Gliederung. Frankreich hat eine beinahe quadratförmige Gestalt, da die größte Ausdehnung von N. nach S. (135 M.) die von O. nach W. (125 M.) nur um 10 M. übertrifft. Die Küstenentwickelung ist nicht bedeutend; denn es hat nur zwei Halbinseln, die der Bretagne und die der Normandie. Jnselbildung fehlt fast gänzlich, da Corsica physisch eher zu Italien gehört. Gute Häfen bietet die Küste nur am Fuß der Alpen (Toulon und Marseille), am Canal (Havre, Dieppe, Boulogne, Calais, Dünkirchen) und an der felsigen Halbinsel Bretagne (Brest, L'Orient) dar, am wenig¬ sten am biscayschen Meerbusen, wo die Küste aus Dünen oder Sumpfboden besteht. Pütz, Leitfaden, 2 Aust. tz 114 Flüsse, Canäle und Bevölkerung Frankreichs. Z. 55. Vertikale Gestaltung. Die vertikale Erhebung des Bodens beschränkt sich auf die Grenzgebirge (Pyrenäen s. S. 83, Westalpen s. S. 91, Jura s. S. 96, Vogesen s. S. 99), ein centrales Gebirgsland (s. S. 100) und die hügelförmige Halbinsel der Bretagne. Flüsse und Canäle. Neichthum, zweckmäßige Vertheilung und vielfache künstliche Verbindung der natürlichen Wafserschätze sind wohl in keinem euro¬ päischen Lande in so vortheilhaftem Maße vereinigt, wie hier. Von seinen beiden höchsten Grenzgebirgen erhält Frankreich se einen Hauptstrom, die Rhone (s. S. 108) von den Alpen, und die Ga- ronne (s. S. 112) von den Pyrenäen, die beiden andern Haupt¬ ströme (s. S. 112) haben ihren Ursprung in dem centralen Ge¬ birgslande: die Loire in den Sevennen und die Seine im Gold¬ hügelgebirge. Der erste nimmt seinen Lauf zum Mittelmeere, die drei anderen sind oceanische Ströme. Die Flüsse des oceanischen Gebietes, welche nur zum gerin¬ ge rn Theile Frankreich angehören, sind: der Rhein mit der (ganz französischen) Jll und der Mosel, die Maas und die Schelde (mit der Lys). Die Verbindung der Flüsse unter einander, oder mit dem Meere, oder eines Meeres mit dem andern vermittelst (86) Canäle wird durch das Vorherrschen der ebenen Bodenform, sowie durch die Richtung der Hauptströme selbst ungemein erleichtert. Canäle, welche die ent¬ gegengesetzten Meere verbinden, führen aus der Rhone einerseits in die Seine oder Loire, andererseits in den Rhein, einer (Osiml du Midi) aus der Garonne direct ins mittelländische Meer. Bevölkerung. Frankreich zählt a. in Europa 36 Mill, aus 9748 lDM. oder 3690 auf 1 IHM. b. in den Colonien „ 5691 „ 36^ Mill. „ 15,439 (UM. Es steht demnach Oesterreich (mit 40 Mill.) an absoluter Bevölkerung am nächsten, nimmt aber in Bezug auf Volksdichtigkeit die zweite Stelle unter den fünf Hauptmächten Europas ein. Im All¬ gemeinen ist der Nordosten, namentlich das französische Flandern (1 l,000 auf 1 lDM.) am besten, der Südwesten und zum Theil der Südosten, sowie die Insel Corsica, am schwächsten bevölkert. Die Hauptstadt Paris hat fast ebenso viel Einwohner, als die bestbevölkerte Provinz Nordfrankreich. Z. 55. 115 (Flandern) des ganzen Landes. Außer Paris gibt es noch vier Städte mit mehr als 100,000 E. Die Staatsvcrsassung ist constitutionel-monarchisch. Neben dem Kaiser und seinem Ministerium besteht ein vom Kaiser er¬ nannter Staatsrath, ein Senat und ein gesetzgebender Kör¬ per, letzterer auf 6 Jahre gewählt. In keinem europäischen Staate hat die Kunst die natürliche Ver- theidigungsfähigkeit des Landes in solchem Grade gesteigert, denn nir¬ gendwo sind die Grenzen mit einem so dichten Gürtel von größere» und kleineren Festungen (im Ganzen 60) geschützt, als in Frankreich, und zwar vorzugsweise in den gegen die germanische Tiefebene geöff¬ neten Gegenden (des Nordens und Nordostens), wo hinter den Grcnz- festungeu noch eine Reihe fester Plätze in zweiter und dritter Linie liegt. Eintheilung und Topographie. Statt der altern Eintheilung Frankreichs, welche noch in der Erinnerung des Volkes geblieben ist, schuf die constituirende Ver¬ sammlung (1789) eine neue Eintheilung nach oro- und hydro¬ graphischen Grenzen in 83 Departements von ziemlich gleichem Um¬ fange, welche später auf 86 vermehrt wurden, und diese Eintheilung hat seitdem die Grundlage für die Verwaltung gebildet. I. Nordfrankreich. 1. Die französischen Niederlande oder Flandern, mit einer Reihe von Festungen ausgestattet, unter denen Lille oder Ryssel (Vauban'S Meisterwerk, mit 75,000 E.) und der Kriegshafen von Dünkirchen die wichtigsten sind. 2. Artois, mit der Festung Arras und den beiden der englischen Küste gegenüberliegenden Hafenstädten Boulogne und Calais. 3. Die Picardie, mit der Hauptstadt Amiens (50,000 E.), an der Somme. 4. Die Normandie, mit der alten Hauptstadt Rouen (100,000 E.), bis zu welcher die Seeschiffe die Seine hinaufgeheu, und den befestigten Häfen: Dieppe, Havre (regelmäßige Schiff¬ fahrt nach Nordamerika und Australien) und Cherbourg, (durch Kunst geschaffener Kriegshafen). Die Hauptstadt der untern Normandie ist Caön. 5. Jsle de France, benannt von den vielen Flüssen, welche sie umgeben. In dem Departement der Seine, dem kleinsten, aber be¬ völkertsten von allen (l i/z Mill. E.), liegt zu beiden Seiten der Seine Paris (1,174,000 E.), der politische, mercantile und wissenschaftliche Mittelpunkt des ganzen Landes. In der nächsten Umgebung von Paris liegt die Residenz St. Cloud mit Wasserkünsten, und Ver¬ sailles, dessen großartiges Schloß setzt daS historische Museum und 8* 116 West- und Südfrankreich. §. 55. dessen weitläufiger Park die berühmten Wasserkünste enthält. St. Ger¬ main en Laye an der Seine und Fontainebleau (südlich von Paris) dienen zeitweise als Residenzen. II. Westfrankreich. 6. Die Bretagne, eine weit ins Meer vorspringende, mit Hai¬ den bedeckte Hochebene zwischen den Mündungen der Seine und Loire. Zwei Kriegshäfen: Brest (61,000 E.) und L' Orient, und zwei Handelshäfen: Saint Malo und Nantes (95,000 E.) gewähren Schutz gegen die heftigen Stürme, welche an dieser aus Granit gebil¬ deten Küste fast beständig toben. 7. Poitou nebst den ebenen Landschaften zu beiden Seiten der Charente (l'Angoumais, Saintonge und Aunis). Die Umgebung der Stadt Poitiers war nicht minder der Schauplatz von entscheidenden Völkerschlachten (732, 1356), wie die Champagne. La Rochelle und Rochefort sind Seefestungen. III. Südfrankreich. 8. Guyenne und Gascogne mit der Stadt Bordeaux (131,000 E.) an der Garonne, der Mittelpunkt des Wein- und Brannt¬ weinhandels für das ganze südwestliche Frankreich. 9. Die Pyrenäenlandschaften, und zwar s. in den Westpyrenäen das französische Navarra (und Bearn) mit der befestigten Hafenstadt Bayonne (an der Mündung des Adour). b. In den Ostpyrenäen die ehemaligen Grafschaften Foix und Roussillon mit der festen Stadt Perpignan. Der Fuß der Mittelpyrenäen mit den viel besuchten Bädern wird zu Gascogne (als Departement Oberpyrenäen) gerechnet. 10. Languedoc, diejenige Provinz, welche das südwestliche Tief¬ land mit dem südöstlichen, das Gebiet der Garonne mit dem der Rhone verbindet. Nimes (54,000 E.) bekundet noch durch die Ueberreste römischer Bauwerke (Amphitheater, Wasserleitung) seine ehemalige Größe. Im Mittelalter blühte Toulouse (94,000 E.) an der Ga- rvnne als Residenz der westgothischen Könige und. später der mächtigen Grafen von Toulouse. Heute hat Montpellier als medicinische Facultät und Cette als künstlich angelegter Hafen Bedeutung. 11. Provence (die krovineis der Römer) oder die Landschaft der Meeralpen zwischen der Rhone und dem Grenzfluß Var. Die Städte liegen entweder am Süd- oder am Westfuße der Alpen, und zwar jene an dem Meere (Busen von Lyon): das uralte Marseille (195,000 E.), jetzt die größte Seestadt Frankreichs, und Toulon, der wichtigste (durch Natur und Kunst geschaffene) Kriegshafen Frank¬ reichs; diese am Ausgange des Rhonethales: Arles, einst die Nesi- Ostfrankreich. Z. 55. 117 denz der burgundischen Könige, und Avignon, Besitztum der Päpste bis zur französischen Revolution und einige Zeit lang Sitz der Päpste. Nur Air, welches von seinen schon den Römern bekannten Heil¬ quellen Oquas Ssxtius) benannt ist, liegt von der Rhone entfernt, am Westabhange der Meeralpen. IV. Ostfrankreich. 12. Die Dauphins oder das französische Alpcnland, nördlich von der Provence bis zur Vereinigung der Rhone und Saone, mit der befestigten Hauptstadt Grenoble an der Iss re. 13. Burgund, zu beiden Seiten der Saone, aus deren rechter Seite die rebenreiche Gvldhügelkette liegt. Die Hauptstadt Dijon am Canal von Burgund ist der Mittelpunkt des Handels mit Burgun¬ derwein. 14. Franche-Comts oder die Freigrasschaft Burgund, auch Hochburgund wegen seiner Lage in und am Jura, mit der Haupt¬ stadt Besannen (das Vesontio der Sequaner) aus einer Halbinsel, die der DoubS bildet, dem Stapelplatz des Handels zwischen dem Süd- osten und Nvrdosten. 15. Elsaß, im O. der nach dem Rheinthale steil abfallenden Vo¬ gesen, mit deutsch redender Bevölkerung, die sich mehr an der auch zu Fabrikanlagen geeigneten Jll als am Rheine unmittelbar angesiedelt hat, weshalb auch die Provinz ihren Namen trägt von den „Sassen an der Jll (früher: Ell)«. Die Hauptstadt Straßburg (75,000 E.) an der Jll, Stunde vom Rhein, ist als die bedeutendste Stadt in der oberrheinischen Tiefebene und zugleich als Station der großen euro¬ päischen Heerstraße von der Donau zur Seine, von Wien nach Paris, von großer militärischer (deshalb stark befestigt) und commercieller Wich¬ tigkeit. In Ober- Elsaß sind Colmar und Mühlhausen Hauptorte der Manufacturen, beide ebenfalls an der Jll. 16. Lothringen (Is llorrsins), ein Plateau zu beiden Seiten der Maas und der Mosel. An der Mosel liegen die Grenzsestungen: To ul an dem Punkte, wo sich die Mosel der Maas auf wenige Meilen nähert und zugleich schiffbar wird, Metz (57,000 E.) in dem am meisten an¬ gebauten und bevölkerten Striche des ganzen Mosellandes; an einem ihrer Nebenflüsse, der Meurthe, die Hauptstadt Nancy; an der Maas: die Festung Verdun. 17. Die Champagne trägt ihren Namen von den weiten Fel¬ dern, die der Schauplatz entscheidender Kämpfe (451, 1542, 1792, 1814) gewesen sind. Rheims, die ehemalige Krönungsstadt, sowie CHLlons für Marne (Lutulsunum) betreiben neben dem Weinhandel Manufacturen, welche in den von der Weincultur entfernteren Gegen¬ den die Hauptbeschäftigung der städtischen Bevölkerung ausmachen. 118 Mittelfrankreich. Corsica. Französische Colonien. §. 55. V. Mitt elfrank reich enthält 11 kleinere Landschaften. 18. Orlsanais, zu beiden Seiten der Mittlern Loire, mit den Städten Orleans und Blois, beide an der Loire. 19. Anjou, Maine, auf der rechten Seite der Loire, mit der Stadt Angers, und Touraine, zu beiden Seiten dieses Flusses, der Garten Frankreichs, mit Tours aus dem linken Ufer. 20. Auvergne (nebst Limousin und Marche), in dem Gebirgs¬ lande zwischen Loire und Garonne, mit den Städten Clermont und Limoges. 21. Lyonnais, aus der rechtenSaonc-Rhone-Seite, mit den bei¬ den bedeutenden Fabrikstädten Lyon (292,000 E.), an dem Zusam¬ menfluß der Rhone und Saone, und St. Etienne. 22. Berry, zu beiden Seiten des Cher, eines Nebenflusses der Loire, mit der Stadt Bourges. 23. Bourbonnais und Nivernais, jenes links, dieses rechts von der ober» Loire. VI. Auf der Insel Corsica hat theils der häufige Wechsel der Beherrscher, theils die rauhe Natur der die Insel größtentheils erfül¬ lenden Gebirge das Eindringen der Cultur erschwert. Die befestigte Stadt Bastia an der fruchtbaren Nordostseite und Ajaccio an der buchtenreichen Westküste, Napoleons Geburtsort, sind die bedeutenderen Häfen der Insel. VII. Die französischen Colonien. Sowohl in Nordamerika als in Westindien und Ostindien hat Frankreich seine ehemals zum Theil bedeutenden Besitzungen (grö߬ tentheils an England) verloren, so daß es in Nordamerika nur drei kleine Fischerinseln bei Neufoundland, in Westindien nur einige der klei¬ nen Antillen (Guadeloupe, Martinique u. s. w.), in Ostindien nur noch einige vereinzelte Städte (Pondichery aus der Küste von Coromandel u. s. w.) und Factoreien besitzt. Auf dem Festlande von Südamerika gehört ihm ein Theil von Guyana mit der Verbrecher - Celome Cayenne. In Afrika besaßen die Franzosen schon längst einige kleine Inseln und Forts in Senegambien, einige Factoreien auf Ma¬ dagaskar und die Insel kömiion (einst Bourbon). Dazu habe» sie 1830 Algier erobert, welches mit seinem stets erweiterten Gebiete jetzt die bedeutendste außereuropäische Besitzung der Franzosen ist, vgl. S. 64. In Australien wurden jüngst die Marque sas-Jnselrr gewonnen und das Protektorat über die G e sellsch asts-Inseln be¬ ansprucht. Bodengestaltung und Bevölkerung der Schweiz. K. 56. 119 Z. 56. Die Schweiz. Die natürliche Grenze der Schweiz bilden Heils Gebirge: im S. die penninischen und lepontischen Alpen, im W. der französische oder schweizerische Jura, Heils die größten Alpen-Seen: der Bodensee im N.-O., der Genfersee im S.-W., der Lago maggiore im S., Heils die Stromlinie des Rheines sowohl im N.-O. (gegen Lichtenstein und Tirol), als im N.-W. (gegen Baden). An allen Seiten liegen einzelne Gebietstheile über diese natürlichen Grenzen hinaus. — Die politische Grenze wird gebildet durch Frank¬ reich, Deutschland und Italien. Die horizontale Gliederung der Schweiz ist eine sehr unregelmäßige, namentlich im S., wo Theile Italiens dreimal in halbinselartigen Einschnitten gegen N. vordringen: Savoyen bis zum Genfersee, Piemont bis fast auf den Gipfel des Gotthard und die Lombardei bis auf die Höhe des Splügen. Vertikale Gliederung und Gewässer. Die größere Hälfte des Ganzen gehört dem Alpenlande und zwar dem westlichen Theile der Centralalpen, das übrige der Hoch¬ ebene und dem Jura an; die Form des Tieflandes fehlt diesem höchsten Lande unseres Erdtheiles gänzlich. Sämmtliche Gewässer der Hochebene und der ihr zugewandten Abdachung des Jura ge¬ hören dem Gebiete des Rheines an, die des Alpenlandes vertheilen sich auf die Gebiete des Rheines, der Rhone, des Po und zum geringern Theile der Donau, welche letztere nur den Inn aus der Schweiz empfängt. So sendet also die Schweiz ihren reichhaltigen Wasserschatz vier verschiedenen Meeren, vorzugsweise aber der Nord¬ see zu. Bevölkerung. Die Bevölkerung, welche im Ganzen 2sz Mill, übersteigt (über 3000 auf 1 ElM.), ist sehr verschieden vertheilt, am dichtesten in der ebenen Schweiz, wo der Ackerbau mit Erfolg betrieben wird und die Industrie eine größere Concentration der Bevölkerung in mittlere und kleinere Städte veranlaßt; am schwächsten ist die Volksdichtigkeit in den eigentlichen Alpenlandschaften, in denen der urbare Boden fast nur Weiden- und Wiesencultur zuläßt, ein großer Thcil aber gänzlich unbewohnbar ist. Daher find die Contraste zwischen einzelnen Cantonen so bedeutend, daß z. B. im Canton Genf 15,000, in Basel fast 10,000, in Zürich 8000, dagegen in Uri nur 700, in Graubünden nur 650 E. auf 1 Q.M. leben. Der Abstammung nach ist die deutsche Bevölkerung so über- 120 Die Wald-Cantone der Schweiz, tz. 56. wiegend, daß ihr der Gesammteinwohnerzahl angehört, der fran¬ zösischen nur 1/5 und der geringe Ueberrest der italienischen und romanischen. Die Schweiz bildet einen Bundesstaat von 22 Cantone», von denen Basel, Appenzell und Unterwalden in je zwei Halbcantone mit völlig selbständiger Leitung ihrer innern Angelegenheiten zersallen. Eintheilung und Topographie. Den Grund zur schweizerischen Eidgenossensch ast legte (1307) die Verbindung der drei Landschaften an der obern Reuß: Uri, Schwyz und Unterwalden, zu einem Ganzen. Luzern, am Ausflusse der Reuß aus dem Vierwaldstätter-See, trat als vierter Wald- canton zu der Verbindung, der sich im nächsten halben Jahrhundert (bis 1353) noch vier benachbarte Cantone: im N. Zürich und Zug, im O. Glarus, im W. Bern anschloffen. Diese 8 Cantone bilden den historischen Mittelpunkt der Schweiz, um welchen sich gegen Ende des 15. und im Anfang des 16. Jahrhunderts im W. Freiburg, im N. Basel, Solothurn und Schaffhausen, im O. das isolirte Ap¬ penzell anreihten, so daß 13 Cantone, welche sämmtlich zwischen der nördlichen Kette der Alpen und dem Rhein liegen, bis zum Einfall der Franzosen, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, die Eidgenossenschaft ausmachten. Diese können als die alten Cantone bezeichnet werden im Gegensätze zu den 9 neuen, welche seit dem Anfänge des 19. Jahr¬ hunderts hinzukamen und sich sämmtlich als Grenzcantone dem alten Kerne anfügten: im W. Genf, Waadt und Neuenburg, im N. Aargau und Thurgau, im O. St. Gallen und Graubünden, im S. Tessin und Wallis. I. Die 4 Wald - Can tone. Die 3 Urcantone gehören dem Flußgebiete und dem Secbecken der Reuß an. 1. In Uri, welcher Canton sich auf das obere Reußthal beschränkt, ist Altvrf der Hauptort und Flüelen dessen Hafen am Südende des Sees! auf dem Grütli, einer einsamen Wiese am Westufer des Sees, entstand die Eidgenossenschaft. 2. Schwyz, mit der Hauptstadt gleichen Namens, dehnt sich vom Vierwaldstätter- bis zum Zürchersee aus. Auf der Hochebene zwischen beiden Seen liegt Ein siedeln, einer der berühmtesten Wallfahrtsorte Europas; am Fuße des Rigi Küß nacht (in der Nähe der hohlen Gasse) und das (1806) durch einen Bergsturz verschüttete Gold au. 3. In Unterwalden ist Sarnen der Hauptort desHalbcantons Ob dem Wald, und Stanz von Nid dem Wald. 4. Luzern umfaßt, wie Zug und Zürich, die Landschaft nördlich um den gleichnamigen See. Die ebenfalls gleichnamige Hauptstadt theilt sich mit dem (durch seine Lage ähnlichen) Zürich in den Verkehr Die übrigen alten Cantone. Z. 56. 121 zwischen dem Rhcingebicte und Italien. Sempach am gleichnamigen See erinnert an die heldenmüthige Verteidigung der Unabhängigkeit des Vaterlandes durch Arnold von Winkelried. II. Die 9 übrigen alten Cantone sind sämmtlich nach ihren Hauptstädten benannt. 5. Der Canto« Zürich zeichnet sich durch trefflichen Anbau, be¬ sonders an den beiden Ufern des Sees (vgl. S. 104), durch blühende» Gewerbfleiß und durch wissenschaftliche Bildung seiner Bewohner aus; die Hauptstadt Zürich (17,000 E.), „das schweizerische Athen", ist nicht allein (durch ihre Lage am nördlichsten Punkte des umfassen¬ den Limmatseebcckens) ein Hauptort für den Handelsverkehr nach Italien, wie Luzern, sondern auch der geistige Mittelpunkt der deutschen Schweiz. 6. Zug ist der kleinste aller Cantone, aber der Schlüssel zu den Waldstätten, die hier bei Morgarten den ersten Kampf gegen Oester¬ reich glücklich bestanden. 7. Glarus besteht aus dem nur gegen N. geöffneten, im S. durch den Dödi abgeschlossenen Linththale (und zwei einsamen Neben- thälern), in welches am meisten unter allen Thälern der Hochalpen die Industrie aus der Ebene vorgedrungen ist. 8. Bern, der zweitgrößte aller Cantone, mit der stärksten Be¬ völkerung (beinahe Mill.), der einzige von den älteren Cantone», der sowohl den Alpen, als der Ebene und dem Jura angehört, trägt seinen Namen von der ehemals, wie jetzt politisch bedeutendsten Stadt (27,500 E.) der ganzen Schweiz. Sein Hauptkörper wird durch das System der obern Aar gebildet. Das Berner Oberland, für dessen Erzeugnisse Thun am Abflüsse der Aar aus dem Thunersce den Stapelplatz bildet, ist (nächst dem Rigi) das Hauptziel der meisten Reisenden in die Alpenwelt; Interlaken (inter Iseus), zwischen dem Thuner- und Brienzersee, dient als Haupt¬ sammelplatz derselben. Auch das größte und merkwürdigste Thal des Jura, das Münster- thal, welches die Birs durchströmt, gehört fast ganz zu dem Canton Bern. Am Siidfuße des Jura liegt Biel, am Abflüsse (der Zihl) des Bielersees nach der Aar. 9. Der Canton Freiburg besteht vorzugsweise aus dem Thale der Saane und dessen Nebenthälern. 10. Solothurn, in dem fruchtbarsten Thcile der schweizerischen Ebene. Die Hauptstadt Solothurn liegt an der Aar und am Fuße des Weißenstein, welcher den vollständigste» und umfassendsten Ueber- blick sowohl über die Hochebene, als über die ganze im Hintergründe derselben sich erstreckende Kette der Hochalpen, von der Grenze Tirols bis zum Montblanc, gewährt. 122 Die neuen Cantone. tz. 56. 11. Basel am Nordabhange des Jura und im Rheinthale mit der Stadt Basel (28,000 EI, der einzigen zu beiden Seiten des Rheines an dessen ganzem Laufe, welche der Lage am Durchbruche des Rheines zwischen Jura und Schwarzwald und auf dem Berührungs¬ punkte dreier Länder, am Knotenpunkte dreier Eisenbahnen ihre Bedeu¬ tung, sowie ihren sprüchwörtlich gewordenen Wohlstand verdankt. Die Hauptstadt des (seit 1832 abgetrennten) Halbcantons Baselland¬ schaft ist Liestal. 12. Schaffhausen liegt in drei Theilen zerstreut außerhalb der natürlichen Grenze der Schweiz, auf der rechten Seite des Rheines. Ein Haupterwerbszweig der am Ende der Schiffbarkeit des obern Rheins liegenden Stadt Schaffhausen ist die Ausladung und Fortschaffung der Maaren oberhalb des Rheinfalles bei Laufen. 13. Appenzell aus dem nordöstlichsten Theile des schweizerischen Alpenlandes ward durch die Reformation in zwei unabhängige Staa¬ ten getrennt: das südliche (katholische) Appenzell Inner-Rhoden mit dem gleichnamigen, dorfähnlichen Hauptorte und das nördliche (protestantische) Appenzell Außer-Rhoden, wo eine sehr dichte Bevölkerung (über 10,000 aus 1 OM.) sich von einer lohnenden In¬ dustrie (Baumwollenzeuge, feine Musseline) nährt; Herisau ist hier der bedeutendste Ort. III. Die neuen Cantone vertheilen sich auf die französische, deutsche und wälsche (italienisch-romanische) Schweiz so, daß den beiden ersteren Theilen drei angehören, während von den drei übrigen einer (Graubünden) theils deutsche, theils romanische, einer (Tessin) italie¬ nische und der dritte (Wallis) zur Hälfte deutsche und zur Hälfte fran¬ zösische Bevölkerung enthält. 14. — 16. Von den drei neuen Cantonen der französischen Schweiz gehört Neuenburg (Neufchatel) dem Jura, Genf der Ebene, Waadt, als der einzige unter den süngern Cantonen, sowohl der Ebene und den Alpen, als dem Jura an. Die beiden ersteren haben ihren Namen dem See mitgetheilt, an dessen Westseite ihre Hauptstädte liegen, Waadt dehnt sich zwischen diesen zwei Seen aus, sie beide berührend. Der Gewerbfleiß (besonders Uhrmacherei) blüht in den beiden ersteren, Waadt hat an den Ufern des Genfersees die vorzüglichste Weincultur der Schweiz. In Neuenburg wird die Hauptstadt Neuenburg sowohl von Locle, als ins Besondere von dem in einem hohen Thale (3000^ über dem Meere) gelegenen la Chaur de Fonds (15,000 E.) au Bevölkerung und gewerblicher Thätigkeit übertroffen. — Die Haupt¬ stadt von Waadt, Lausanne (18,000 E.), erhebt sich über dem Genfersee, an herrlicher Lage mit Vevay, dem zweiten Ort des Clin¬ tons, wetteifernd. — Der Canton Genf, der kleinste nach Zug, enthält die größte, bevölkertste (40,000 E.) und reichste Stadt der Schweiz, Die neuen Cantone. 8. 56. 123 welche zugleich in geistiger Beziehung allen Städten der französischen Schweiz weit überlegen ist und dem „gelehrten Zürich" an wissenschaft¬ licher Bildung nicht nachsteht. 17.—19. Die drei neuen Cantone der deutschen Schweiz haben das Gemeinschaftliche, daß sie alle drei aus bedeutende Strecken vom Rheine (einschließlich des Bodensees) begrenzt werden. Aargau um¬ faßt das Gebiet des Zusammenflusses sämmtlicher Aar-, Reuß-, Lim¬ mat- und Rheingewässer, in welchem außer der wenig bedeutenden Hauptstadt Aarau der älteste und besuchteste Badeort der Schweiz, Baden (von der Limmat durchströmt), liegt. In einiger Entfernung von dem Einflüsse der Reuß und Limmat erheben sich über der Aar die Trümmer der Habsburg. — Die hügclförmige Landschaft des Thur¬ gau, zu beiden Seiten der Thur und östlich bis zum Bodensee, hat keine irgend bedeutende Stadt (Hauptstadt Frauenfeld, mit nur 2500 E.). — Im Canton St. Gallen, welcher sich vom Zürcher- und Wallenstätter- bis zum Bodensee und Rhein ausdehnt, ist die gleichnamige Hauptstadt (11,000 E.) durch Fabrikflciß, Rorschach, als Hafenvrt am Bodensee, und Rapperschwyl, als Hafen am Zürchersee (der Brücke gegenüber) wichtig. 20.—22. Die drei südlichen und südöstlichen Cantone ge¬ hören sämmtlich dem Alpenlande an. Graubünden, der größte (140 OM., also beinahe */g der Schweiz) und zugleich der am schwächsten bevölkerte von allen Cantone», gibt durch seine schroffen Gegensätze in der Gestaltung des Bodens, in der Vegetation und in der Bevölkerung nach Abstammung, Sprache, Religion und Sitten (i/z deutsch, romanisch) ein Bild der Alpenwelt im Kleinen. Die Hauptstadt Chur am Rhein und am Ausgange mehrerer Thäler, ward die Vermittlerin des Verkehrs zwischen dem Bodensee und Zürchersee einerseits, dem Comer- und Langensee (über den Splügen und den Bernhard«'«) andererseits. Unter den (etwa 150) Thälern Graubündens ist das Engadin oder obere Innthal das bevölkertste und wohlhabendste, obgleich die höchste (im obersten Theile 5700^ ü. d. M.) angebaute Gegend Europas. Der italienische Canton Tessin besteht aus mehreren, von N. nach S. parallel laufenden Querthälern, die ihre Gewässer dem Lago maggiore zusenden und reicht von der Höhe des Gotthard bis in die lombardische Ebene. Der Sitz der Regierung ist abwechselnd in den drei Hauptorten: Bellinzona (am Tessino), Locarno (am Lago maggiore) und Lugano (am Luganersee). Wallis oder das nach allen Seiten durch die höchsten Gebirgs¬ mauern fast gänzlich abgeschlossene obere Rhonethal mit dessen Neben- thälcrn. Der Hauptort ist Sion oder Sitten in der Nähe der Rhone; bei Brieg beginnt die Simplonstraße, die älteste unter den 124 Das vlämische Belgien. §. 57. großen Kunststraßen, welche über die Alpen führen, von Napoleon I. mit einem Kvstenaufwande von 18 Mill. Frs. in sechs Jahren aus¬ geführt. Wiederholung der Cantone nach den Fluß- und Seegebieten! 8. 57. Belgien. Zwischen Frankreich, Deutschland, Holland und der Nordsee liegend, hat Belgien nur in seiner kurzen Küstenlinie eine natürliche Grenze. Der nördliche und westliche Theil gehört der Ebene, der südliche und östliche dem Hügellande an. Ohne Antheil an einem Hauptstrome Mitteleuropas besitzt Belgien nur einen Küstenfluß, die Schelde, und einen Nebenfluß des Rheines, die Maas, von bei¬ den aber weder den obern Lauf, noch die Mündungen; die Schelde erhält indessen durch das weite Eindringen der Meeresflut eine höhere Bedeutung für die Seeschifffahrt, als der Belgien angehörende mittlere Lauf der Maas. Den Hauptverkehr vermittelt jetzt das dichte Eisenbahnennetz. Unter allen größeren und mittleren Staaten Europas hat Bel¬ gien die verhältnißmäßig stärkste Bevölkerung (mehr als 8500 auf 1 Ol M.), die Unterschiede zwischen einzelnen Provinzen sind sehr be¬ deutend (in Ostflanderu wohnen 14,500, in Luremburg dagegen nur 2400 auf 1 lüM.). Der Abstammung nach sind der Einwohner germanischer, 3/g (Franzosen und Wallonen) romanischer Abkunft; jene bewohnen die Ebene, diese das Hügelland. — DieStaatsverfassung ist beschränkt monarchisch, für die Gesetzgebung ist die Zustimmung der beiden Kam¬ mern (der Senatoren und der Repräsentanten) erforderlich. Nirgendwo findet sich auf so beschränktem Raume eine so dichte Reihe von Festun¬ gen ersten (Antwerpen, Namur, Mons, Lüttich) und zweiten Ranges, als in Belgien (12) und in dem angrenzenden nördlichen Frankreich. Eiutheilung und Topographie. I. Das vlämische Belgien enthält fünf Provinzen. 1. und 2. Die beiden Flandern, oder Ost-und Westflandern, enthalten der Bevölkerung des ganzen Staates in Folge des treff¬ lichen Anbaus des Bodens, welchen der ausdauernde Fleiß der Bewohner aus Sümpfen und Wäldern in einen Garten umgeschaffen hat, und zu¬ gleich in Folge der zahlreichen großen Fabrikstädte, unter denen Gent (116,000 E.) und Brügge (50,000 E.) noch immer den ersten Rang Das französisch-wallonische Belgien. §. 57. Holland. §. 58. 125 behaupten. Ostende (15,000 E.) ist der einzige bedeutende Hafen Belgiens unmittelbar am Meere. 3. Die Provinz Antwerpen mit der gleichnamigen Hauptstadt an der Schelde (90,000 E.), der ersten Handelsstadt Belgiens. Me¬ chel« (30,000 E.) bildet den Knotenpunkt des belgischen Eisenbahn¬ netzes , ohne an dem großen Verkehr auf demselben einen irgend erheb¬ lichen Anthcil zu nehmen. 4. Die Provinz Brabant, nach Ostflandern die am dichtesten bevölkerte (12,000 E. auf 1 jDM.), enthält die Hauptstadt Brüssel (mit den Vorstädten 251,000 E.), die Universität Löwen (ehemals 100,000, jetzt kaum 30,000 E.) und in dem südlichen, schon franzö¬ sischen Theile der Provinz das Schlachtfeld von Waterloo. 5. Belgisch-Limburg (mit den Städten Tongern und S. Trond). II. Das französisch-wallonische Belgien. 6. Hennegau (vom Flüßchen Henne benannt), dessen nordwest¬ licher Theil noch der vlämischen Bevölkerung angehört, mit den Städten Mons (deutsch Bergen) und Tournay (deutsch Dörnick). 7. Namur mit der Hauptstadt gleichen Namens an dem Einflüsse der Sambre in die Maas. 8. Lüttich (lliögo) mit der gleichnamigen Hauptstadt (90,000 E.), in dem Centralgebiete der Maas und am Einflüsse der Ourte, dessen Bevölkerung vorzugsweise mit der Gewinnung von Kohlen und Eisen, sowie mit der Bearbeitung deS Eisens beschäftigt ist, namentlich besteht Sera ing aus einem Compler von Kohlenwerken, Eisengießereien und Maschinenwerkstätten, der das großartigste Bild continentaler Gewerb- thätigkeit gewährt. Auch Vervierö (27,000E.) ist durchaus Fabrik- vrt (Tuchfabriken). 9. Belgisch-Luxemburg (mit Arlon und Bouillon). 8. 58. Das Königreich der Niederlande (Holland). Das Königreich der Niederlande besteht aus zwei getrennten Ge- bietstheilen: aus Holland, dem sich im S.-O. das zum deutschen Bunde gehörende Herzogthum Limburg unmittelbar anschließt, und aus dem ebenfalls diesem Bunde einverleibten, aber von Holland getrennt liegenden Großherzogthum Luxemburg. Nur diese Pro¬ vinz gehört dem Mittelgebirgölande (Ardennen) an, die Hauptmasse bildet den niedrigsten Theil des niederrheinischen Tieflandes und er¬ hält durch den bedeutenden Einschnitt der stürmischen und gefähr¬ lichen Zuidersee (zwischen den nordwestlichen und nordöstlichen Pro¬ vinzen) eine ansehnliche Steigerung seiner Küstenlänge und somit seiner 126 Der Süden, Osten und Westen von Holland. §. 58. Zugänglichkeit von der Seeseite. Diese ist um so wichtiger, als an der Nordwestküste ein langer Dünengürtel von der nördlichsten Spitze Nordhollands (dem Helder) bis zu den Mündungen der Maas das Land von dieser Seite her unzugänglich macht. An Flächeninhalt (640 IHM.) übertrifft Holland den süd¬ lichen Nachbarstaat, steht ihm aber an absoluter (3VZ Mill.) und daher noch mehr an relativer Bevölkerung (5000 auf 1 UM.) nach, wiewohl es noch immer zu den am dichtesten bewohnten Län¬ dern Europas gehört. Die Provinzen Nord- und Südholland erreichen fast die Volksdichtig¬ keit (10,000—11,000) der am besten bevölkerten Provinzen Belgiens (mit Ausnahme Ostflanderns), wogegen Drenihe (mit 1800 aus 1 Q.-M.) noch weit hinter dem belgischen Luxemburg zurückbleibt. Die Staatsverfassung ist beschränkt monarchisch, indem der König das Recht der Gesetzgebung mit den aus zwei Kammern be¬ stehenden „Generalstaaten" theilt. Eintheilung und Topographie. 3. Im Süden. 1. Nordbrabant oder der südliche Theil des Hauptlandes, von dem großen Maaswinkel im O. bis zu den Mündungen der Schelde, mit den Grenzfestungen Herzogenbusch (unweit der Maas), Breda, Bergen vp Zoom (an der Osterschelde). b. Im Osten. 2. Geldern, an der Spitze des Rheindelta und an der Issel, enthält ebenfalls befestigte Plätze: Nywegen an der Waal, Arn¬ heim, wo Drusus einen Canal zur Verbindung des Rheines mit der Issel und der Zuidersee anlegte. 3. Over-Issel, d. h. fenseits der Issel, welche, seitdem sie ein Rheinarm geworden, mehrere kleinere Städte (Zwolle, Deventer u. s w.) an ihren Ufern aufblühen sah. 4. Drenthe. 5. Friesland hat, wie seinen alten Namen, so auch Sprache, Sitten und Tracht der Bewohner von allen Provinzen am treuesten be¬ wahrt. Hauptstadt: Leeuwarden (24,000 E.). 6. Gröningen mit der gleichnamigen Haupt- und Universitäts¬ stadt (36,000 E.), der bedeutendsten Stadt im nördlichen Holland. o. Im Westen. 7. Seeland oder die (9) Inseln an den Mündungen der Schelde und Maas, unter welchen die Insel Walch er en mit der Hauptstadt Middelburg und dem befestigten Kriegshascn Vlissingen am be- merkenswerthesten ist. Holland und seine Colonien. 8. 58. 127 8. Südholland hat (wie Nordholland) an verflachen, von einem Dünengürtel (s. S. 126) umgebenen Küste nur Fischerdörfer (wie Scheveningen, zugleich Badeort), landeinwärts aber die bedeutend¬ sten holländischen Städte zweiten Ranges: Rotterdam (83,000 E.), welche durch ihre Lage an den vereinigten Gewässern des Leck, der Waal und Maas gleichsam die Rheinmündungsstadt und das Haupt¬ emporium für den nieder- und mittelrheinischen Handel geworden ist; die Residenzstadt Haag oder 's Gravenhage (64,000 E.), die Universität Leyden am alten Rhein (40,000 E.). Auch Dortrecht ist als Maas-Waalmündungshafen eine ansehnliche Handelsstadt. 9. Nordholland steht mit Südholland in Verbindung durch einen langen, schmalen Isthmus zwischen dem Ocean und dem (jetzt trocken gelegten) Haarlemer Meer. An dem Nordende liegt Haar¬ lem, berühmt durch seine Blumencultur. Die Hauptstadt Amster¬ dam (225,000 E.) hat eine fast versteckte Lage am A (Ei), einem Arme der Zuidersee. Während sie früher nur durch die Umseglung der gan¬ zen Halbinsel Nordholland und die von vielerlei Winden abhängige Fahrt auf einem Binnenmeere voll Untiefen mit dem offenen Ocean in Verbindung stand, können jetzt die größten Seeschiffe ohne Aufenthalt durch den breiten und tiefen Nordcanal bis Amsterdam geschleppt wer¬ den. Gegenüber aus der Halbinsel liegt Zaandam, wo Peter d. Gr. den Schiffbau erlernte. 10. Utrecht mit der gleichnamigen Stadt (50,000 E.), wo sich die Vecht vom Rheine abzweigt. ct. Die beiden zum deutschen Bunde gehörigen Provinzen: 11. Limburg an der untern Maas mit den Maasfestungen Maestricht und Venloo, welche nicht zum deutschen Bunde ge¬ hören, und der Stadt Rvermonde am Einflüsse der Roer in die Maas. 12. Luxemburg mit der deutschen Bundesfestung Luxemburg. Außerdem besitzt Holland Colonien in allen außereuropäischen Erdtheilen. Die wichtigsten derselben liegen im ostindischen Archipel und werden unter der gemeinsamen Benennung niederländisch Ostindien begriffen (29,000 sliM. mit 16^ Mill. E.). Die Insel Zava (s. S. 43) besitzen die Holländer zum größten Theile und haben hier durch eine Bevölkerung von 10 Mill. E., die zu harter Arbeit gegen einen äußerst geringen Lohn angehalten wird, dem Anbau tropischer Erzeugnisse (Kaffee, Zucker, Reis, Indigo) eine rie¬ senhafte Ausdehnung gegeben. Von den übrigen großen Sunda- inseln (s. S. 43) sind nur Küstenstriche im Besitze der Holländer, außerdem mehrere kleinere Sundainseln und die Molukken: ihre Nieder¬ lassung auf Neu-Guinea ist noch von geringer Bedeutung. In den 128 Horizontale und vertikale Gliederung Deutschlands. Z. 59. übrigen überseeischen Besitzungen, auf den westindischen Inseln (Curapao, St. Eustache), auf der südamerikanischen Küste von Guy a n a (gewöhnlich nach dem Hauptflusse Surinam benannt) und auf der afri¬ kanischen Goldküste von Guinea, haben »och fortwährend die Aus¬ gaben die Einnahmen überstiegen, und der Ausfall wird durch den Ueberschuß aus den ostindischen Besitzungen gedeckt. 8. 59. Deutschland. Grenzen und Bestandtheile. Deutschlands politische Grenzen (Angabe derselben nach der Karte!) schließen sowohl eine große Anzahl rein deutscher Bevölke¬ rung (in Ost- und Westpreußen, in der Schweiz, in den russischen Ostseeprovinzen u. s. w.) von sich aus, als sie einen bedeutenden Theil fremder, meist slavischer, Bevölkerung in sich einschließen. Innerhalb dieser Grenzen, welche eine Oberfläche von 11,510 OM. umfassen, liegen 35 souveraine Staaten, und zwar 31 vollständig, die 4 übrigen bilden Antheile solcher Staaten, deren geringere oder größere Ländermasse außerhalb Deutschland liegt; so hat Preußen die Hauptmasse seines Gebietes, Oesterreich die geringere, Däne¬ mark und Holland nur einzelne Provinzen innerhalb des deutschen Bundes. Von den deutschen Staaten haben 23 einen Flächenraum von nicht einmal 100 OlM. (darunter 19 weniger als 50, 9 we¬ niger als 10), und die Theilung vermehrt sich noch bedeutend da¬ durch, daß viele Staaten aus mehreren, von einander gesonderten Massen bestehen. Die horizontale Gestaltung unseres Vaterlandes kommt Ver¬ eines Vierecks am nächsten, die größte Ausdehnung von N. nach S. (150 M.) ist der von W. nach O. (140 M.) fast gleich. Die Halbinselbildung und daher auch die Küstenentwicklung sind sehr- unbedeutend, ebenso die Jnselbildung (außer den beiden durch die Ausflüsse der Oder gebildeten, Usedom und Wollin, verdient nur Rügen genannt zu werden). Der vertikalen Gliederung zufolge zerfällt Deutschland nach den drei Bodenformen Mitteleuropas in drei Theile: a. Alpen¬ land und zwar die östliche Hälfte der Centralalpen und fast die gejammten Ostalpen, d. das deutsche Mittelgebirge mit den beiden Tiefebenen an seiner Ost- und Westseite: dem Marchfelde und dem größten Theile der oberrheinischen Tiefebene, v. die ger¬ manische Tiefebene (einschließlich der nieder-rheinischen). Von den Alpenströmen gehört ihm der größte Theil des Rheingebietes Bevölkerung und Verfassung Deutschlands, tz. 59. 129 an (mit Ausnahme seines Ouellgebietes nnd seines Deltalandes, sowie theilweise der westlichen Zuflüsse des Ober- und Mittelrheins), das Gebiet der obern Dona» nebst dem einiger westlichen Zuflüsse des mittler» Donaulaufs und das Gebiet der obern Etsch. Von den Strömen des deutschen Mittelgebirges haben die Weser und Elbe ganz, die Oder größtentheils ihr Stromgebiet auf deutschem Boden. Unter den deutschen Küstenflüssen ist die Ems der bedeu¬ tendste. Welchen Meeresgebieten gehören die deutschen Flüsse an? Bevölkerung. Innerhalb der Grenzen des deutschen Bundes leben etwa 44 Mill. E. oder 3900 auf 1 OM., die sieben größten Staaten haben jeder über 1 Mill., die 14 kleinsten zusammen nur 1 Mill, (so viel wie Paris). Am stärksten ist die Bevölkerung im Mittlern Deutschland (im König¬ reich Sachsen 7400 auf 1 Q.-M.) und im westlichen (in Heffcndarmstadt 5500, in der baierischen Pfalz 5800, in der preußischen Rheinprovinz 6100 auf 1 Q.-M.), am schwächsten im nördlichen (in der preußischen Provinz Pommern kaum 2100 auf 1 Q.-M.) und den höchsten Alpenlandschaften im Süden (Salzburg 1240, Tirol 1900). Der Abstammung nach bilden die Deutschen die Hauptmasse, nämlich 4/z, die Slaven fast , der geringe Ueberrest (^ Mill.) vertheilt sich auf die französisch-wallonische (^/z desselben) in den west¬ lichen und die italienische (^ des Restes) in den südlichen Grenz¬ ländern. In Bezug auf die Religion bekennen sich die Bewohner Deutschlands — mit Ausnahme von 400,000 über alle Staaten zerstreuten Inden — ausschließlich zum Christenthum, ohne daß, wie in den meisten größeren Staaten Europas, eine christliche Con- fession im Allgemeinen die vorherrschende ist; der Anzahl nach sind sie fast gleich: 23 Mill. Katholiken, 20 Mill. Protestanten. Im Einzelnen bilden die Katholiken im südlichen, die Protestanten im Mittlern und nördlichen Deutschland die Mehrzahl, im W. stehen sich beide Confesflonen fast gleich, ebenso im N.-O., wogegen der (österreichische) S.-O. vorherrschend katholisch ist. Verfassung. Die 35 souverainen Staaten Deutschlands (31 mit monarchischer Verfassung und 4 Republiken) bilden den deutschen Bund. Die oberste Behörde des Bundes ist der Bundestag oder die Bundes¬ versammlung in Frankfurt am Main, bestehend aus den bevoll¬ mächtigten Gesandten der einzelnen Bundesstaaten, welche über alle Pütz, Leitfadrn. 2. Aiifl. g 130 Ueberficht der einzelnen Bundesstaaten. Baiern. §. 59. inneren und äußeren Bundesangelegenheiten für alle Mitglieder ver¬ bindliche Beschlüsse faßt. Der Bund wacht über die Erhaltung der innern und äußern Sicherheit sowohl Deutschlands als jedes einzelnen Bundesstaates. Zu diesem Zwecke muß jeder Theilhaber ein bestimm¬ tes Contingent zu dem (in 10 Armeecorps gecheckten) Bundesheere stellen. Die Zahl der Bundesfestungen ist von drei (Mainz, Luxem¬ burg und Landau) auf 5 (durch die Befestigung von Ulm und Rastatt) erhöht worden. Ueberficht der einzelnen Bundesstaaten. 1 Kaiserthum: Oesterreich mit beinahe 12 Mill. E. in den Bundesprovinzen. 5 Königreiche: Preußen, Baiern, Sachsen, Hanno¬ ver, Württemberg. Das erste hat über 12 Mill. E. (also die meisten von allen Staaten) im Bundesgebiete. 1 Kurfürstenthum: Hessen-Cassel. 7 Großherzogthümer: Baden, Hessen-Darmstadt, Luremburg-Limburg, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen- Weimar, Oldenburg, Mecklenburg-Strelitz. 8 Herzogtümer: Holstein nebst Lauenburg, Braun¬ schweig, Nassau, die drei sächsischen (Coburg-Gotha, Mei¬ ningen, Altenburg), die beiden anhattischen (Dessau-Cöthen, Bernburg). 8 Fürstentümer: die beiden Schwarzburg (Sonders¬ hausen, Rudolstadt), Lichtenstein, Waldeck, die beiden Reuß (ältere und jüngere Linie), die beiden Lippe (Schaumburg, Detmold). 1 Landgrafschaft: Hessen-Homburg. 4 freie Städte mit Gebiet: Hamburg, Bremen, Frank¬ furt, Lübeck. Im Ganzen 35 Staaten. Einteilung und Topographie der 33 mittleren und kleineren Staaten Deutschlands. I. Im südlichen und südwestlichen Deutschland liegen, außer den jetzt preußischen Fürstenthümern Hohenzollern (Hechingen und Sigmaringen), die drei (mittleren) Staaten, welche zugleich dem Donau- und dem Rheingebiete angehören: Baiern, Württem¬ berg und Baden; außerdem das kleine Lichtenstein. 1. Das Königreich Baiern (mit 4^ Mill. E., worunter 3/4 Katholiken, Protestanten) besteht aus zwei sehr ungleichen, ge¬ sonderten Massen, deren größere zu beiven Seiten der obern Donau sowie des obern und Mittlern Mains, die kleinere auf der linken Seite des Oberrheins liegt. Baiern. 59. 131 Wiederhole die Beschreibung des Donau- und Rhein- (namentlich des Main-) Gebietes, insofern sie Baier» angehören, vgl. S. 104 f. und 107. In wiefern gehört Baiern auch dem Elbegebiete au? Die neueste Eintheilung des Königreichs Baiern ist die iu 8 Kreise mit historischen Benennungen: g. Ober-Baiern, der südöstliche und zugleich der größte, mit der Hauptstadt München an der Isar (mit den Vorstädten 132,000 E.), höher liegend (160(0 ü. d. M), als irgend eine der größern Städte Mitteleuropas. Wie wenig auch München von der Natur begünstigt ist, so hat es sich doch durch den Kunstsinn des Königs Ludwig I- in ungemein kurzer Zeit zu einer der schönsten und merkwürdigsten Städte Europas erhoben. Seine neuen Bauwerke sind nicht nur vollendete Denkmäler der wichtigsten Stil¬ arten (griechisch, romanisch, gothisch, italienisch u. s. w.), sondern auch mit Werken der Sculptur und Malerei (insbesondere Freskomalerei) aufs reichste geschmückt. Die öffentlichen Sammlungen (Bibliothek, Glyptothek, die Pi¬ nakothek, die „vereinigten Sammlungen" im Residenzschloffe) gehören durch Anzahl und Werth ihrer wissenschaftlichen und Kunstschätze zu den ersten der Welt. In der Umgebung Münchens sind die Ruhmeshalle (mit Bildnissen berühmter Baiern) mit der coloffalen Erzstatue der Bavaria (54/ hoch) und die königlichen Lustschlösser Nymphenburg und Schleißheim bemerkens- werth. Tegernsee (am Tegernsee) liegt in größerer Entfernung. Zn dem baierischen Antheil der Salzburger Alpen befin¬ den sich reichhaltige Lager von Steinsalz, mit dessen Gewinnung und Zubereitung Berchtesgaden (in der Nähe des herrlichen Königs¬ sees), Reichenhall (Mittelpunkt der vier durch lange Soolenleitungen verbundenen baierischen Salinen), Traunstein und Rosenheim be¬ schäftigt sind. Nordwärts erstreckt sich Oberbaiern aufs linke Donau-Ufer mit der Donaufestung Ingolstadt. b. Niederbaiern umfaßt das untere Jsarland und die Land¬ schaften am untern Laufe der baierischen Donau, ist daher überhaupt der östlichste Kreis, mit Lands Hut an der Isar und der Grenzfestung Passau (12,000 E.) am Einflüsse des Inns in die Donau, also am Vereinigungspunkte drei schiffbarer Flüsse (einschließlich der Salza). o. Schwaben und Neuburg, der südwestlichste Kreis der Hauptmasse (größtentheils zwischen Iller und Lech) mit den Städten: Augsburg am Lech (40,000 E.), am Ende des Mittelalters Stapel¬ platz zwischen dem nördlichen Europa, Italien und der Levante, jetzt Knotenpunkt der baierischen Eisenbahnen, Donauwörth an der Do¬ nau, Anfangspunkt der Donaudampfschifffahrt, die Jnselstadt Lindau im Bodensee, der südlichste Ausgangspunkt der baierischen Staatsbahuen. ä. Oberpfalz (auf dem linken Dvnauufer) und Regensburg (auf dem rechten Donauufer) mit der Stadt Regensburg (24,000 E.) am nördlichsten Donauwinkel (welche drei Nebenflüsse münden iu die- 9* 132 Baiern. Z. 59. sen?), daher ehemals der Hauptflußhafen Deutschlands für den Ver¬ kehr nach dem Orient, und damals die blühendste Stadt des südlichen Deutschlands, später I V2 Jahrhundert hindurch der permanente Sitz des deutschen Reichstages. In der Nähe die Walhalla (ein Marmor¬ tempel mit den Büsten berühmter Deutschen). 6. Oberfranken zu beiden Seiten des ober» Mains, der nordöstlichste Kreis, mit den Städten: Baireuth (am rothen Main), Hof (an der Saale), dem nördlichen Endpunkte des baierischen Eisen¬ bahnensystems, und Bamberg (an der Regnitz), in einem weiten Lhalkeffel, wo die dem Main von allen Richtungen zuströmenden Ge¬ wässer, besonders der Regnitz, dessen Schiffbarkeit so erhöhen, daß hier der Ausgangspunkt einer directen Schifffahrt nach dem Niederrhein und daher der Hauptstapelplatz für den Obermain ist. k. Mittelfrankcn umfaßt einen Theil des fränkischen Jura und der fränkischen Hochebene. Die wichtigeren Städte dieses Kreises ge¬ hören alle dem Gebiete der Regnitz an, so ss) das alterthümliche Nürnberg (54,000 E.) an der Pegnitz, in Folge der Lage im Mit¬ telpunkte des deutschen Handelsgebietes (zwischen Hamburg und Ve¬ nedig, zwischen Köln und Wien) im später» Mittelalter nächst Regens¬ burg die wichtigste Vermittlerin des Donau-, Elbe- und Rheinverkehrs, zugleich der Hauptsttz des deutschen Meistergesanges und bald nachher der deutschen Malerei und Erzgießerei; noch heute hat sie vor allen deutschen Städten in ihrem Aeußern den mittelalterlichen Charakter am treuesten bewahrt, bb) Fürth, einer der bedeutendsten Fabrikorte Deutschlands, eo) Erlangen, die protestantische Universität Baierns, äM. mit 195 Mill. E. Es beherrscht also das Stammland ein mehr als füufzigmal größeres Gebiet. Das Ganze wird an Flächeninhalt nur von dem russischen Reiche, an Bevölkerung nur von dem chinesischen über¬ troffen, und diese beträgt über Vz der Bevölkerung Europas und i/g der Bevölkerung der ganzen Erde. Horizontale Gliederung. Großbritannien sowohl als Irland hat eine größere Ausdeh¬ nung von N. nach S. als, von O. nach W. Irland hat eine ziem¬ lich gleichmäßige Breite, dagegen Großbritannien wegen der tief einschneidenden Meeresbuchten eine sehr verschiedene (15—65 M.). Das Charakteristische der horizontalen Gliederung ist bei dem nord¬ westlichsten Theile Europas, wie bei dem südöstlichsten, im Allge¬ meinen eine bedeutende Küftencntwickelung, eine Menge von sichern Buchten und guten Häfen, eine reiche Jnselbildung, ins Besondere aber eine mehrmalige isthmische Verengung durch von beiden Seiten tief einschneidende Meerbusen und zwar eine zweimalige in England und eine zweimalige, weit stärkere in Schottland. Inseln finden sich hier, wie an den Küsten Griechenlands, in Menge und zum Theil in Gruppen, jedoch — mit Ausnahme der Insel Wight an der Südküste — nur auf der Nord- und Westseite Schottlands und zwischen England und Irland (Benennung der wichtigsten nach der Karte!); dagegen hat die Ostseite Großbritan¬ niens und die Westseite Irlands keine Insel von Bedeutung. Die Vertikale Gliederung und Gewässer Großbritanniens. §. 65. igz normannischen Inseln, die Ueberreste der ehemaligen englischen Besitzungen in Frankreich, sind durch England von dem Conti- nente, dem sie natürlich angehören, in politischer Beziehung abge¬ löst worden. Die vertikale.Gliederung zeigt nicht einen Gebirgsknoten in dem Innern des Landes, von welchem Querriegel ausgehen, wie in Griechenland, sondern die Gebirge liegen vorzugsweise im W. und nehmen in der Richtung gegen N.-O. an Breite zu, weshalb in England die Ebene, in Schottland das Gebirge überwiegende Bodensorm ist. In England liegen die Gebirge fast ausschließlich auf der Westseite und zwar in vier Gruppen, von denen drei die von S. nach N. einander folgenden Halbinseln von Cornwallis, Wales und Cumberland bilden, die durch tief einschneidende Meerbusen von ein¬ ander getrennt werden; die vierte, die penninische Kette, gewöhnlich von ihren vielen Spitzen das Peak-Gebirge genannt, ist eine iso- lirte binnenländische Bergkette. Die größere südöstliche Hälfte des eigentlichen England ist ein theils ebenes, theils hügelförmiges Land. In Schottland wiederholt sich die Eintheilung in einen gebirgi¬ gen nordwestlichen und einen ebenen südöstlichen Theil, jedoch mjt dem wesentlichen Unterschiede, daß hier nicht die Ebene (wie in England), sondern das sog. schottische Hochland die bei weitem größere Hälfte ausmacht. Diese schottischen Gebirge bedecken die ganze Breite der Halbinsel von Meer zu Meer. In Irland ist die Form des Tieflandes noch mehr vorherrschend als in England, namentlich hat das Innere des Landes nur Ebene und unbedeutende Hügel nebst ansehnlichen Landseen, dagegen finden sich an den Küsten, besonders im W. und S.-W., wenig zusammenhängende Bergmaffen, welche an Höhe den englischen und noch mehr den schotti¬ schen Gebirgen nachstchen, daher auch fast bis zum Gipfel ange¬ baut sind. Gewässer. Da die Gebirge in England hauptsächlich auf der Westseite liegen, so erhalten nur die auf der Ostseite derselben entspringenden Flüsse einen längern Lauf und fließen der Nordsee zu, so: Themse, Trent, Tpnc; die Severn mündet zwar auf der Westseite in den Canal von Bristol, aber auch sie entspringt auf dem Ostabhang (der Gebirge von Wales). Die Flüsse Großbritanniens (selbst die Themse) verdanken ihre Schiffbarkeit nicht der Nahrung von den Gebirgen her, sondern dem weiten Hinaufsteigen der Meeresflut, welche selbst kleine Küstenflüsse periodisch in ansehnliche Ströme und ihre Mündungen in Meerbusen 11* 164 Bevölkerung und Staatsverfassung Großbritanniens. §. 65. umwandelt. Daraus folgte die Anlage bedeutender Handelsstädte an de» Flußmündungen, wie von Liverpool am Mersey, von Bristol an der Severn, von Hüll am Trent, von Newcastle am Tyne, von Glas¬ gow am Clyde, von Limmerick am Shannon u. s. w., während man die Buchten, welche keine oder nur unbedeutende Flüsse aufnehmen und da¬ her weniger der Versandung ausgesetzt stud, vorzugsweise für Kriegs¬ häfen auswählte, so namentlich an der Südküste, welche keinen Fluß, aber viele tiefe Buchten aufzuweisen hat. Durch ein großes Netz von Canälen (mit einer Gesammt- länge von 800 deutschen Meilen) werden alle schiffbaren Flüsse, alle Haupthandelsplätze und die entgegengesetzten Meere mit einander ver¬ bunden. Bevölkerung. Während Großbritannien (ohne die Nebenländer in und außer Europa) an absoluter Bevölkerung (27^/z Mill.) unter den Haupt¬ mächten Europas die vierte Stelle einnimmt, behauptet es in Hin¬ sicht auf relative Bevölkerung die erste, und kein europäisches Land hat so viele Concentrationspunkte großer städtischer Bevölkerung. Der Abstammung nach zerfällt die Bevölkerung von Gro߬ britannien und Irland in zwei Hauptstämme: den keltischen oder gaeli scheu (lO Mill.) in Wales, dem schottischen Hochlande und Ir¬ land, und den germanischen (17 Mill.). Der größte Theil der Bevölkerung Englands bekennt sich zur anglikanischen oder Episcopalkirche, welche zugleich hier und in Irland als Staatskirche gilt, in Schottland ist die presbyteria¬ nische die Landeskirche, in Irland gehört die große Mehrzahl, etwa 4/g der Bevölkerung, der römisch-katholischen Kirche an. Staatöverfassung. Das „vereinigte Königreich Großbritannien und Irland" bildet eine beschränkte Monarchie, in welcher der König die vollziehende Gewalt und das Aussichtsrecht in allen kirchlichen Angelegenheiten hat, die gesetzgebende aber mit dem Parlamente (Oberhaus und Unterhaus) theilt und in allen finanziellen Angelegenheiten von der Genehmigung des Unterhauses abhängig ist. Die vereinigten Königreiche zerfallen für die Verwaltung in Grafschaften (England in 40, Wales in 12, Schottland in 33, Irland in 32). Topographie. I. Das eigentliche England zerfällt in ein ackerbauendes und ein gewerbliches; jene größere Hälfte umfaßt den Osten und Südosten, diese den Westen und Norden, zum Theil auch den Nord- England. Wales, tz. 65. 165 osten des Landes. Das erstere enthält die Hauptstadt London (2 */2 Mill. E.), im Mittelpunkte der reichsten und fruchtbarsten Provinzen, an dem größten Strome des Landes und zwar an dem Punkte desselben, wohin die Meeresflut noch die größten Schiffe hinaufführt, daher in unmittelbarer Verbindung mit dem nahen gegenüberliegenden Conti- nente und alle» Inseln und Küstenländern der Erde. Außer der uner¬ meßlichen Hauptstadt sind hier die älteren Universitäten Orford und Cambridge, die Sitze des reich dotirten Clerus (die Cathedralstädte, wie Canterbury), des hohen Adels (stattliche Schlösser mit reichen Kunstsammlungen und von weitläufigen Parks umgeben) und der Acker¬ bau treibenden Bevölkerung (reinliche Dörfer, zahlreiche Landhäuser kleinerer Gutsbesitzer), endlich die besten Kriegshäfen, wie Ports¬ mouth, Southampton, Plymouth u. s. w. Dagegen enthält das gewerbliche England die reichhaltigen Kohlengruben, die ergiebigsten Metalllager, die großen und kleineren Fabrikstädte nebst ihren durch Wasser- und Eisenstraßen benachbarten Stapelplätzen an der Küste zur Einfuhr von Rohstoffen und Ausfuhr von Kunstprodukten. Die Fabrikstädte, schon von ferne durch eine Reihe thurmähnlicher Schornsteine sich ankündigend, im Innern mit ihren düstern, von kasernenartigen Steinmasscn eingeschloffenen Straßen, sind stets in dichte, schwarze Rauchwolken gehüllt und von dem unauf¬ hörlichen Getöse zahlloser Werkstätten, Hüttenwerke u. s. w. belebt, daher der reiche Fabrikherr sie jeden Abend verläßt, um auf seinem be¬ nachbarten Landsitze reine Luft zu athmen. Jede dieser Städte hat ihre besondere Industrie: Birmingham (210,000 E.), in der Mitte Englands, erzeugt die verschiedenartigsten Metallarbeiter:, Manchester (450,000 E.) verarbeitet Baumwolle, Leeds (170,000 E.) Schaf¬ wolle, Sheffield liefert Messer und Scheeren. Die Hafenstädte des gewerblichen Englands sind: Liverpool (420,000 E.) im W. (am Mersey) mit Hafenanlagen, welche die der Hauptstadt noch überbiete» und zu denen die Schienenwege mittelst unter der Stadt angelegter Tunnels führen, Hüll imO. (am Humber) und Newcastle (90,000 Einw.) im N. II. Das Fürstenthum Wales hat, wie die schottischen Hoch¬ lande, keine großen Städte, sondern hier wie dort sind die öden Berge und Haiden von magern Schafheerden bevölkert. Nur im S. gibt es zahlreiche Hüttenwerke, welche vermittelst der einheimischen Kohlenschätze die Metallausbeute an Kupfer, Zinn, Zink, Blei aus den Bergbau- bczirken des gegenüberliegenden Cvrnwallis ausschmelzen. — Mit der Küste von Wales ist die Insel Ang lese« durch eine aus hohlen Eisen¬ röhren bestehende Brücke (in einer Höhe von 1000 verbunden, welche schwerbeladene Eiscnbahnzüge trägt und unzweifelhaft die größte Lei¬ stung der Brückenbaukunst ist. Vor derselben liegt die kleine Insel Holyhead mit dem Hafen gleichen Namens, von wo die kürzeste 166 Schottland. Irland. Die übrigen europäischen Besitzungen, tz. 65. Ueberfahrt nach dem (13 M. entfernten) gegenüberliegenden Irland (Dublin) Statt findet, weshalb auch die Eisenbahn vom Festlande bis zu diesem Hafen sortgeführt ist. III. Schottland hat in seinem südlichen Theile sowohl n. die Hauptstadt Edinburgh (200,000 E.) mit königlichem Schloß, Uni¬ versität und dem Hafenorte Leith (jene dem Westende, dieser der City von London entsprechend), als b. Glasgow (370,000 E.) in der Nähe der reichsten Steinkohlenlager, die erste Fabrikstadt und zugleich die erste Hafenstadt Schottlands, daher auch stärker bevölkert als die Hauptstadt. Die klippenreiche, der Schifffahrt gefährliche Küstenbildung hat eine Fortsetzung in drei Inselgruppen, einer westlichen, den Hebriden, und zwei nördlichen, den Orkaden oder Orkneys-Inseln und den Shetlands-Inseln. IV. In Irland hat das Meer, besonders bei Stürmen und hoher Flut, zahlreiche Einschnitte ins Land gemacht und dadurch sichere und tiefe Häfen gebildet, namentlich an der Süd- und Südwestküste. Die Hauptstadt des ganzen Landes Dublin (280,000 E.) ist zugleich Uni- versitäts-, Handels- und Fabrikstadt. Belfast, ebenfalls an der Ost¬ küste, ist der belebteste Hafen des Königreiches. An der Nordküste liegt der von Londonderry. An der Westküste hat der Hafen von Gal- way eine höhere Bedeutung gewonnen durch die Vollendung der Eisen¬ bahn nach Dublin. Unter den zahlreichen Häfen an der Südküste ist Cork (120,000 E.) der belebteste. V. Die übrigen europäischen Besitzungen. 1. Helgoland, die spärlichen Ueberreste einer unfruchtbaren Fel¬ seninsel in der Nordsee mit zwei von der Natur gebildeten Häfen. Die Einwohner sind Friesen, welche noch Charakter, Sitten und Gebräuche der Vorfahren treu bewahrt haben und ihr Altfriesisch reden. Sie leben vom Fischfang, vom Lovtsendienst und von den jährlich sich einfindenden, Nervenstärkung suchenden Badegästen. 2. Gibraltar s. S. 88. 3. Die Malta-Gruppe s. S. 82. VI. Colonien. 1. Amerikanische. Von Nordamerika besitzt England auch jetzt noch die Hälfte, aber gerade die wegen ihrer nördlichen Lage (nördlich von den fünf großen Seen) am wenigsten angebauten und bevölkerten Länder; in Mittelamerika: Jamaika, die meisten der kleinen Antillen, die Bahamainseln und den Holzdistrict an der Hondurasbai, woher Mahagoni, Acajou und andere kostbare Holzarten ausgesührt Die englischen Colonien, tz. 85. 167 werden; in Südamerika die Hälfte des Küstenlandes von Guyana und die von wenigen Fischern bewohnten Falklandsinscln. 2. Afrikanische. s. An der Westküste vermittelt eine Reihe von Niederlassungen in Guinea und Senegambien den britischen Handel mit dem In¬ nern Afrikas. Mitten im Ocean dienen die vereinzelten Inseln Ascen¬ sion und St. Helena (s. S. 66) als Stationen für die Schifffahrt nach Ostindien, ebenso b. an der Südküfie das Capland und die Colom'e Natal s. S. 58, und zuletzt o. an der Ostküste die Insel Mauritius und die beiden Grup¬ pen der Amiranten und Seychellen (s. S. 66). 3. Zn Asien beschränken sich die unmittelbaren Besitzungen der Krone auf die Insel Ceylon (s. S. 42) und Hong-Kong an der chinesischen Küste (s. S. 37). Mittelbar aber beherrscht England das mächtigste Reich Asiens, das indo-britische, bestehend aus fast ganz Vorderindien und einem ansehnlichen Thcile Hinterindiens (s. S. 41 f.). An der Südwestküste Arabiens dient Aden theils als Kohlenniederlage, LheilS als Mittelpunkt des Verkehrs zwischen Habessinien und Arabien. 4. In Australien haben die Engländer Anfangs Verbpecher¬ depots angelegt, aus welchen in der Folge blühende Colonien hervor¬ gegangen sind, so in Neu-Süd-Wales und auf der sehr fruchtbaren Insel Van Diemensland. Später sind auch freie Niederlassungen mit britischer, irischer, zum Theil auch deutscher Bevölkerung gegründet worden in West-, Süd- und Nordaustralien sowie auf der Dop¬ pelinsel Neu-Seeland. 168 Bevölkerung Amerikas. Z. 66. Dritter Abschnitt. Die neue Welt. I Amerika. 8. 66. Die Bevölkerung Amerikas. Die Bevölkerung Amerikas (etwa 54 Mill.) ist, mit Aus¬ nahme Australiens, die geringste von allen Erdtheilen. Da Amerika den drei Theilen der alten Welt gleich zugänglich ist, so finden sich hier 4 verschiedene Rassen in der Bevölkerung: Ureinwohner von amerikanischer Rasse, Eingewanderte sowohl von der kaukasischen als von der äthiopischen Rasse, also Weiße und Schwarze, und we¬ nige von der mongolischen Raffe (Eskimos, Grönländer); nirgendwo aber ist die Vermischung der Nassen so stark, wie hier, vgl. S. 29. '1. Die Ureinwohner (18 Mill.?) theilen sich wieder in mehrere hundert verschiedene Stämme. 2. Die Europäer oder die Weißen (26 Mill.) sind nicht nur durch ihre Anzahl (Vz der Gesammtbevölkerung), sondern ins Besondere durch ihre überlegene Kriegskunst und Bildung fast allent¬ halben der herrschende Bestandtheil der Bevölkerung geworden. Die beiden westlichsten Glieder Europas, die iberische Halbinsel und die britischen Inseln, welche der neuen Welt am meisten benachbart sind, haben die Unterwerfung, die Civilisation und die Bekehrung derselben zum Chriftenthume vorzugsweise übernommen. Daher ist in Süd- und Mittelamerika das romanische (vorzugsweise das spanische, in Brasilien das portugiesische), in Nordamerika das germanische (vorzugsweise das britische, isolirt auch das deutsche) Sprachelement durchgedrungen. Dieser nationalen Theilung entspricht auch die kirchliche, indem in Mittel- und Südamerika die katholische, in Nord¬ amerika die protestantische Kirche die vorherrschende geworden ist, wiewohl in Nordamerika die verschiedensten christlichen Confessionen angetroffen werden; die Religionen der Eingebornen sind durch die europäischen fast allenthalben verdrängt worden. 3. Die aus Afrika eingeführten Neger und die von ihnen abstammende, theils ungemischte, theils gemischte (Mulatten) Be- Culturverhältniffe u. politische Einteilung Amerikas, tz. 66. §. 67. 169 völkerung (10 Mill.) befindet sich zum großem Theile (?/g) noch im Zustande der Sklaverei. Der Süden der vereinigten Staaten von Nordamerika, die Antillen, Guyana und Brasilien sind haupt¬ sächlich diejenigen Länder, in welchen die Sklaverei noch fortbesteht. Durch ihren starken Körperbau vorzugsweise geeignet, in dem hei߬ feuchten Klima auszudauern und den Kampf mit der tropischen Natur zu bestehen, werden die Neger seit dreihundert Jahren zum Anbau des Bodens verwendet. Nur unter den Ureinwohnern gibt es große Verschiedenheiten in Hinsicht auf die Gesittungsverhältniffe und die Nahrungs¬ zweige, wogegen die Eingewanderten, sowohl die Weißen als die Schwarzen, wenigstens alle zu festen Wohnsitzen gelangt sind. Auf der niedrigsten Culturstuse (des Jäger- und Fischerlebens) stehen die in den tropischen Urwäldern und Steppen, sowie in den Sa¬ vannen des Missouri herumstreifenden, von dem Ertrage-der Jagd lebenden Ureinwohner und die an den beiden äußersten Enden des Erd- theils wohnenden Stämme der Eingebornen (die Eskimos u. s. w. im Norden, die Patagonen und Pescheräs im Süden). Dagegen hat ein großer Theil der Ureinwohner, namentlich in den vereinigten Staaten von Nordamerika, in Mittelamerika und im nördlichen Südamerika seine eigcnthümlichen Sitten mit europäischen vertauscht, wie denn überhaupt die europäische Cultur, sowohl in ihrer Ausbreitung als in ihrer Ver¬ vollkommnung , überraschende Fortschritte macht, namentlich in den ver¬ einigten Staaten von Nordamerika. Weniger ist dieselbe in Süd¬ amerika über die Küstenstriche hinaus vorgedrungen, und hier liegt noch ein unermeßlicher Reichthum an Bodenschätzen über und unter der Erde unbenutzt, ja unbeachtet. In Beziehung auf die Staatsv erfassung gibt es unter sämmtlichen unabhängigen Staaten Amerikas nur zwei Monarchien, die jedoch V» der Bevölkerung umfassen. 8. 67. Politische Eintheilung Amerikas. 170 Politische Einlheilung Amerikas. Nordamerika, tz. 67. tz. 68. 8. 68. Nordamerika. Mit Ausnahme der russischen Niederlassungen an der unwirthbaren Nordwestküste nnd auf den Aleutischen Inseln und der dänischen an der Westküste Grönlands zerfällt Nordamerika in Das britische Norsamcrika. §. 68. 171 zwei, durch die große Seengruppe getrennte Hälften, von denen die nördliche Großbritannien angehört, die südliche dagegen einen unab¬ hängigen Föderativstaat bildet. I. Das britische Nordamerika. Das britische Nordamerika, zwischen dem atlantischen und dem großen Ocean, steht zwar an Umfang Europa wenig nach, hat aber wegen seiner nördlichen Lage noch nicht 4 Mill. E., die im Pelz- nnd Wallfischhandel ihre Haupterwerbsquelle finden. Es umfaßt: a. die Hudsonsbailänder (einschließlich Labrador), welche nur mittelbar der Krone gehören, indem die (unter Karl II. gestiftete) Hud¬ sonsbaicompagnie nicht nur den einträglichen Pelzhandcl, sondern auch die Herrschaft in Händen hat und diese durch angelegte Forts und Factoreien behauptet. d. Canada mit der Hauptstadt Kingston (10,000 E.) am Ausfluß des Lorenzostroms aus dem Ontariosee und den Hasenstädten Montreal (60,000 E.) und Quebec (40,000 E.) an demselben Strome. o. Die durch einen schmalen Isthmus mit einander verbundenen Halbinseln Neu-Braunschweig (beinahe ein einziger Wald) und Neu-Schottland (früher Acadien) mit dem Hafen Halifax (30,000 E.). Zu letzterm gehört auch die (an Steinkohlen reiche) Insel Cap-Breton. ä. Die Insel Neufoundland und Prinz Eduards- Insel. o. Die kleinen, aber stark bevölkerten Bermudas-Inseln im O. der Küste von Nordcarolina. II. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Dieser gebildetste, bevölkertste und mächtigste Staat der west¬ lichen Hemisphäre, dessen Küsten von den beiden größten Oceanen bespült werden, besteht gegenwärtig aus 31 Staaten, 1 District und 7 Territorien, welche, wie die Schweiz, einen Bund mit einer gemein¬ schaftlichen Verfassung ausmachen, während feder einzelne Staat wieder seine besondere Verfassung hat. Die Gesammtheit wird vertreten durch den „Congreß" der ge¬ wählten Abgeordneten der einzelnen Staaten, welcher aus zwei Häusern, dem der Senatoren und Repräsentanten, besteht, sich in Washington versammelt und für allgemeine Angelegenheiten Gesetze gibt. Die voll¬ ziehende Gewalt übt ein auf vier Jahre erwählter Präsident. — Die Territorien, d. h. neue Provinzen, welche durch Eroberung, Kauf oder Abtretung in den Besitz deö nordamerikanischen Freistaates gelangt sind, 172 Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, tz. 68. schicken bis zu ihrer Aufnahme in den Staatenbund (welche geschieht, sobald sie 60,000 freie Einwohner haben) Abgeordnete ohne Stimm¬ recht zur Volksrepräsentation. Das Gebiet der Union zerfällt in „freie" Staaten und in solche, welche Sclaven halten. Topographie. 1. Die 6 östlichen (freien) Staaten oder Neu-England (Maine, New-Hampshire, Vermont, Massachusetts, Connecticut und Rhode-Island) mit Boston (160,000 E.), der Wiege der Union. 2. Die 5 mittleren Staaten (New-Jork, durch Volkszahl, Handel und Wohlstand der erste unter sämmtlichcn Staaten, New- Jersey, Pennsylvania, Delaware, Maryland) enthalten die drei be¬ deutendsten Städte der Union: n. New-Jork (750,000 E.) an der Mündung des (durch den Erie-Canal mit den großen Seen in Verbindung stehenden) Hudson, die erste Handelsstadt Amerikas und nach London die erste der Welt (ihr gegenüber auf Lvng-Jsland liegt Brooklyn mit WilliamShaven 200,000 E.), b. Philadelphia (550,000 E.), am Delawarefluß unweit dessen Mündung, die zweite Stadt Amerikas, durch einen tiefen und geräumigen Hafen, sowie durch Manufacturen, literarische und Wohlthätigkeitsanstalten ausgezeichnet, o. die Handels¬ und Universitätsstadt Baltimore (225,000 E.), unweit der Chesa- peakebai, zugleich Sitz des katholischen Erzbischofs für die Union. 3. Der Bundes-istrict Columbia (nur 3 OM. groß) steht unter der unmittelbaren Regierung des Congreffes und enthält Wash¬ ington (40,000 E.), die Hauptstadt der Union und den Sitz der Re¬ gierung (auf dem Capitol). 4. Die 9 südlichen (Sclaven-) Staaten, von denen vier (Virginicn, Nord- und Süd-Carolina, Georgien) an der Ostküste (am atlantischen Ocean), vier andere (Alabama, Mississippi, Louisiana, Texas) am Golf von Mexico liegen; ein mittlerer f Florida) bildet eine zwischen diesem Golf und dem atlantischen Ocean weit vorspringende Halbinsel. Sie betreiben vorzugsweise Plantagenwirthschaft, aber keine Industrie und wenig Handel. New-Orleans am Mississippi, unweit dessen Mündung, ist die volkreichste Stadt (119,000 E.) im Süden der Union, da sie der Ausfuhrhafen der Erzeugnisse des größten nord- amerikanischen Stromgebietes ist. 5. Die 10 westlichen Staate» (Arkansas, Tennessee, Kentucky, Ohio, Michigan, Indiana, Illinois, Wisconsin, Iowa, Missouri, Cali- formen), von denen nur Californien das Meer (den großen Ocean) berührt. Ohio (2 Mill. E.) ist der bevölkertste aller Staaten westlich vom Alleghanigebirge mit der Stadt Cincinnati (175,000 E.), we¬ gen der wissenschaftlichen und Wohlthätigkeitsanstalten das „westliche Philadelphia" genannt. Die Städte des Westens, welche in jüngster Merico. §. 69. 173 Zeit einen raschen Aufschwung genommen haben, sind: s. Chicago (90,000 E.) am Michigan-See und an der Haupthandelsstraße nach dem Westen Amerikas; durch vier Eisenbahnen mit New-Jork verbun¬ den, wird es bald sein Schienengeleise auch nach dem großen Ocean vollendet sehen; b. Milwaukee (30,000 zum Theil deutsche Einw.); v. St. Louis (144,000 E.) in der Nähe des Zusammenstusses von Missouri und Mississippi, daher der Mittelpunkt einer außerordentlichen Binnenschifffahrt;