Deutsches Kulturschaffen in Krain vor dem Ersten Weltkrieg Das Thema meines Referates ist in der bisherigen Literatur kaum erörtert worden. Dem von Deutschen im ehemaligen Krain verwirklichten Kulturschaffen wurde seitens der slowenischen kulturpolitischen Autoren keine besondere Aufmerksamkeit zuteil, desgleichen hat es auch bei den deutschen Historikern kein Interesse geweckt. Es gibt dafür ohne Zweifel mehrere Gründe. Slowenischerseits war größtenteils die nationale Frage ausschlaggebend. Aus dieser Sicht war das deutsche Kulturschaffen ein Fremdkörper, der anderen Interessen diente, die den slowenischen schädlich waren. Die Deutschen andererseits widmeten ihm offenbar deshalb keine größere Aufmerksamkeit, weil sie nach dem ersten Weltkrieg zum Großteil Krain verlassen haben; und diejenigen, die es vorgezogen hatten zu bleiben, konnten unter den neuen politischen Umständen ihr Schaffen im bisher gewohnten Umfange nicht mehr fortsetzen. Die slowenisch-deutschen Beziehungen waren in Slowenien kein Tabu-Thema und schon öfters Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Es entstand eine umfangreiche Literatur, sowohl auf deutscher als auch auf slowenischer Seite. Aus den letzten Jahren darf ich ein Symposion erwähnen, welches in Ljubljana im Jahre 1982 stattfand mit dem Thema: Die Deutschen in Slowenien 1848-1941. Es war die Fortsetzung einer Klagenfurter Veranstaltung über Kärntens Volksabstimmung im Jahre 1920. Das österreichische Ost- und Südosteuropa-Institut in Wien hat einen Sammelband mit den Referaten dieses Symposions herausgegeben.1 Wie es in der Einleitung von Helmut Rumpler und Arnold Suppan zu diesem Sammelband heißt, ist »die Geschichte des Deutschtums in Osteuropa im allgemeinen, die Rolle der Deutschen im südöstlichen Mitteleuropa durchaus ein Prüfstein für die Konsensfähigkeit neuer europäischer Partner im Rückblick auf eine Konfliktgeschichte. Das gilt sowohl für Österreich wie für die Republik Slowenien«. Die beiden Autoren betonen, daß für die slowenische Geschichtswissenschaft das österreichische Deutschtum mit seinem tief im 19. Jahrhundert wurzelnden programmatischen Südostexpansionismus (Kulturträgertheorie) der Hauptgegner der gesellschaftlichen und politischen Entfaltung des Slowenentums bleibt.2 Nur wenig historiographischer Spielraum bleibt da für die Berucksichtigung anderer Elemente, daß z.B. die Deutschen des slowenischen Raumes vom politischen Ursprung her weniger irredentistisch waren, vielmehr bereit, einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung und zur Festigung einer slowenischen Gesellschaft und Kultur zu leisten – nationalstaatlich, nicht im volks-, wohl aber im staatsnationalen Sinn. Auch ist festzuhalten, was die österreichischen Zentralstellen gerade in südslawischer Politik verfolgten. Der Krieg in Slowenien im Jahre 1991 hat diese Aspekte erneut hervorgehoben. Gerade Österreich und Deutschland haben als die ersten Staaten Europas die historischen Ereignisse in Slowenien begriffen. Erlauben Sie mir, zuerst einige historische Fakten über die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Krain vor dem ersten Weltkrieg vorzustellen. Die 236 PRIMO KURET (1935) 1 Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien 1848-1941, hrsg. v. Helmut Rumpler und Arnold Suppan, Wien/München 1988. 2 Ebd., S. 215. Geschichte der Deutschen im slowenisch-deutschen Siedlungsgebiet steht ja im engen Konnex mit der Geschichte der Slowenen, insbesondere mit der Geschichte der gesellschaftlichen und kulturellen Emanzipation der Slowenen seit dem Jahre 1848, sowie auch mit der Entwicklung des slowenischen Bürgertums, mit der Ausprägung slowenischer Massenbewegungen und schließlich mit der politischen Machtübernahme durch die slowenische Mittelschicht. Es ist aber auch wichtig zu betonen, daß die Orientierung der innerösterreichischen Deutschen 1848 nach Frankfurt hin, die Vorstellung einer »Brücke zur Adria« vor dem Ersten Weltkrieg und die Verhaftungswellen gegen angeblich »panslawistische« slowenische Intellektuelle im Herbst 1914 den Graben zu den slowenischen Nachbarn vertieften. Die Geschichte der Deutschen in Krain ist also von Phänomenen des modernen Nationalismus geprägt. Bald nach dem Jahre 1848 hatten die Patrioten beider Nationen ihre ersten Organisationen gegründet. Das waren gesellschaftliche Zirkel, literarische Kreise und national-patriotische Vereine. Sie gaben patriotische Zeitschriften und Zeitungen heraus, formulierten nationale Programme und organisierten erste Wahlbewegungen. Hier wirkten in erster Linie Juristen, Lehrer, Pfarrer, Schriftsteller und Redakteure, aber auch Künstler mit, im Hintergrund aber standen Wirtschaftstreibende als tatkräftige Spender. Nach 1880 vollzog sich ein Übergang von der Agitations- zur Massenbewegung. Dazu trug auch die Erweiterung der politischen Partizipation durch Herabsetzung des Wahlzensus (1882) und Schaffung einer allgemeinen Wahlkurie (1896) bei. Nun setzte der Nationalitätenkampf bis hin zur Auseinandersetzung um jede topographische Aufschrift voll ein. Dieser Kampf – geführt von nationalen Schutzvereinen – verschärfte sich in den außenpolitischen Krisen zwischen 1908 und 1914. Die wechselseitigen Hochverratsvorwürfe bald nach Kriegsbeginn stellten einen ersten Höhepunkt der Konfrontation dar, der 1917/18 in einem ersten Bruch zwischen Deutschen und Slowenen kulminierte. Dazu haben aber auch Vereine wie z. B. die 1889 in Graz gegründete „Südmark“ verholfen. Der von Lehrern, Anwälten, Ärzten, Beamten und höheren Industrieangestellten geführte Verein gewährte Wirtschaftshilfe für die Ansiedlung »deutschstämmiger« Personen an der Sprachgrenze, errichtete Schulen und Volksbüchereien, unterstützte Kindergärten und Schulhorte, beteiligte sich an Geldinstituten und betrieb als »nach dem Südosten vorgeschobener deutscher Vorposten« eine nationalistische Abgrenzungspolitik gegenüber Slowenen. Slowenischerseits hatte schon der Kreis um den Dichter France Prešeren (1800-1849) in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts ein Nationalprogramm ausgearbeitet, dessen Endziel die vollkommene Unabhängigkeit und Selbständigkeit des slowenischen Volkes war. Gleichzeitig setzte bei den Slowenen der sogenannte Illyrismus ein, eine Bewegung, welche zwar die Ausbreitung des Nationalbewußtseins anstrebte, jedoch das Slowenische als Schriftsprache ablehnte. Den Illyrismus bekämpfte schon Prešeren, weil er die Einsicht gewonnen hatte, daß eine Entscheidung für den Illyrismus für die Slowenen verderblich wäre. Er stimmte der Zusammenarbeit der slawischen Völker zu, jedoch nur auf der Basis der Gleichberechtigung aller. Die slowenische Nationalfrage erschien unmittelbar nach den revolutionären Ereignissen im März 1848 in Wien auf der Bildfläche. Die hauptsächliche Forderung war 237 Deutsches Kulturschaffen in Krain vor dem Ersten Weltkrieg der Zusammenschluß aller Slowenen, die in den verschiedenen österreichischen Kronländern lebten, zu einem selbständigen Königreich, dem Vereinten Slowenien unter habsburgischem Zepter und mit eigenem Landtag. Die Verwirklichung dieser Forderung haben die Slowenen im alten Österreich nie erreicht. Die Einführung des Absolutismus machte es sogar unmöglich, eine selbst nur zeitweilige Annahme der Punkte ihres Nationalprogramms zu erzielen. Deutscherseits verschaffte sich der nationalistische Teil immer stärkere Geltung, was mit einer ähnlichen Bewegung in Deutschland selbst im Zusammenhang stand und mit der Parole der »Verteidigung des Deutschtums« um sich griff. Krain galt als zweisprachiges Land, und man verlangte ausnahmslos das Deutsche als Unterrichtssprache. Gemäß der Volkszählung des Jahres 1880 lebten in Krain in diesem Jahr 29 392 Deutsche (6,15 % der Gesamtbevölkerung von Krain), davon zwei Drittel in der Gottschee und in der Gemeinde Weissenfels/Bela peè (jetzt zu Italien). Die Stadt Laibach war im Hinblick auf die Zahl der deutschen Bevölkerung erst an zweiter Stelle (im Jahre 1880 wurden 5967 Deutsche gezählt, das waren 20 % der Stadtbevölkerung), während in allen anderen Gemeinden Krains im selben Jahr alles in allem 3897 Personen mit deutscher Umgangssprache lebten.3 Die absolute Zahl der Deutschen blieb bis 1910 relativ konstant, doch stellten sie damit nur mehr 14,7 % der Bevölkerung.4 Kernpunkt der Streitigkeiten bei der Volkszählung im Jahre 1880 war die Priorität der Umgangssprache, wie es die Deutschen verlangten, und nicht der Muttersprache, wie es von den Slowenen gefordert wurde. Viele wohlhabende Bürger bedienten sich der deutschen Sprache, obwohl sie gar nicht deutscher Abstammung waren. Das Deutsche war ihnen ein wesentliches Zeichen ihrer gehobenen sozialen Stellung. Dasselbe war später bei der Beamtenschaft und bei verschiedenen intellektuellen Berufen festzustellen. Trotzdem stellte die deutsche und germanisierte Schicht in den Städten einen zahlenmäßig kleinen Teil der gesamten Einwohnerschaft des Landes dar.5 Ich möchte erwähnen, daß in der historischen Literatur oft der Begriff »nemškutar« oder »nemèur« (Deutschtümler) auftaucht für Personen, die geborene Slowenen waren und deren Muttersprache slowenisch war, die aber dann aus irgendwelchen Gründen ins deutsche Lager überwechselten und daher von den Slowenen als eine Art nationaler Verräter angesehen wurden.6 Interessant ist die Analyse der ethnischen Struktur der Laibacher Bevölkerung nach der Volkszählung 1880 von Vlado Valenèiè. Ich entnehme ihr einige Angaben. Die Bevölkerung war in Berufsgruppen eingeteilt. Darunter sind auch Sprach- und Musiklehrer und -lehrerinnen. Differenziert und zahlreich ist die Gruppe der Schauspieler, Sänger, Musiker usw., einbezogen sind auch die in Wirtshäusern spielenden Musikanten und die Artisten. In diesen Gruppen haben 32 Lehrer und 51 Schauspieler, 238 PRIMO KURET (1935) 3 Vasilij Melik, „Über die Entwicklung des slowenischen nationalpolitischen Bewußtseins in den Jahren 1861 bis 1918“, in: Zgodovinski èasopis 24 (1970), S. 43; Peter Vodopivec, „Über die sozialen und wirtschaftlichen Ansichten des deutschen Bürgertums in Krain vom Ende der sechziger bis zum Beginn der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts“, in: Geschichte, S. 88ff. 4 E. Brix, „Die zahlenmäßige Präsenz des Deutschtums in den südslawischen Kronländern Cisleithaniens 1848-1918“, in: Geschichte, S. 54ff. 5 F. Zwitter, „Nemci na Slovenskem“ [Die Deutschen in Slowenien], in: Sodobnost 6 (1938), S. 43ff. 6 V. Rajšp, „Die slowenische Geschichtsschreibung nach dem Jahre 1918 über die Deutschen in Slowenien im Zeitraum 1848 bis 1941“, in: Geschichte, S. 308ff. Sänger und Musiker die deutsche Umgangssprache angegeben. Nach einer eingehenden Analyse auch anderer Gruppen kommt Valenèiè zu bestimmten Resultaten. Danach war die ethnische Struktur der Laibacher Bevölkerung, den statistischen Resultaten zufolge, der Umgangssprache nach: Slowenen 80,8 % Deutsche 16,4 % andere 2,8 %. Von den anderen Nationalitäten waren die zahlreichsten die Italiener, es folgten Tschechen usw.7 Ungeachtet dieser Lage aber war der deutsche Druck außerordentlich stark. Unterstützung fand er durch das deutsche Kapital und in den Schulen. Deshalb galt ein großer Teil des slowenischen Nationalkampfes der Gleichberechtigung der slowenischen Sprache in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Etwas erfreulicher war die Lage im kulturellen Bereich, wo die verschiedensten Vereine das Nationalbewußtsein festigten und gleichzeitig das allgemeine Kulturniveau hoben. In einer solchen Atmosphäre entstand als musikalische Anstalt die „Glasbena matica“ im Jahre 1872, die allmählich mit der alten „Philharmonischen Gesellschaft“ zu konkurrieren begann. Sie wurde die Trägerin der slowenischen musikalischen Entfaltung in allen Bereichen: im Konzertwesen, im Schulwesen, im Verlagswesen usw. Die Konkurrenz zwischen ihr und der Philharmonischen Gesellschaft brachte den Laibacher Musikliebhabern relativ reiche musikalische Spielzeiten und die Kenntnis der besten Errungenschaften der zeitgenössischen Musik, wobei aber auch das Nationalbewußtsein gefördert wurde. In diesem Kontext steht auch die Tätigkeit einiger deutscher Künstler, die ihr Leben und ihr Schaffen der Laibacher Philharmonischen Gesellschaft gewidmet hatten und von denen ich im Weiteren etwas mehr berichten darf. Zunächst jedoch lassen Sie mich einen kurzen Blick auf die deutsche Sprachinsel Gottschee (slowenisch: Koèevje) im einstigen Krain werfen. Deutsche Kolonisten hatten sich hier schon im 14. Jahrhundert angesiedelt. Um das Jahr 1850 waren es etwa 23000, 1910 rund 16000 Einwohner. Das Gebiet, welches durch sechs Jahrhunderte von den Gottscheer Deutschen besiedelt war, umfaßt etwa 800 km2. Die Beziehungen zwischen der deutschen und der slowenischen Bevölkerung waren bis zu den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts größtenteils gut, bis dann mit der lebhaften Tätigkeit des deutschen Schulvereins und der „Südmark“ die Germanisierung der Slowenen in jenen Randteilen einsetzte, in denen die Bevölkerung gemischt war. Der Zerfall der Monarchie war ein harter Schlag für die Gottscheer Deutschen. Das deutsche Gymnasium wurde abgeschafft, die deutschen Vereine aufgehoben. Dies alles verursachte große Unzufriedenheit. Dadurch wurden Bedingungen geschaffen, die in den 1930er Jahren die Gottscheer so rasch und massenhaft in den Nazismus trieben. Die italienische Okkupation des Gottscheerlandes im April 1941 brachte den Deutschen eine neue Enttäuschung. Im selben Monat vereinbarten nämlich die italienischen Vertreter mit den deutschen die Übersiedlung der Gottscheer ins Deutsche Reich. Deutschland und Italien schlossen 239 Deutsches Kulturschaffen in Krain vor dem Ersten Weltkrieg 7 Vlado Valenèiè, „Etnièna struktura ljubljanskega prebivalstva po ljudskem štetju 1880“ [Die ethnische Struktur der Bevölkerung von Ljubljana nach den Volkszählungsergebnissen 1880], in: Zgodovinski èasopis 28 (1974), H. 3/4, S. 287ff. darüber am 31. August 1941 einen zwischenstaatlichen Vertrag. Damit begann eigentlich die Tragödie der Gottscheer Deutschen. Im Winter 1941/42 begann die Umsiedlung in den Bereich zwischen Sava und Sotla, wo die Nazis zuvor rund 37 000 Slowenen vertrieben hatten. In die neue Heimat übersiedelten ca. 11 500 Personen. Ihre Immobilien und etwa zwei Drittel des Viehbestandes wurden von den Italienem gekauft. Die Italiener hatten die Absicht, die verlassenen Dörfer mit Italienern zu besiedeln. Inzwischen aber wurden von der italienischen Armee während der großen Offensive im Sommer und im Herbst 1942 rund hundert leere Dörfer im Gottscheerland total zerstört. Nach dem Zerfall des Deutschen Reiches blieben die Gottscheer schließlich ohne Heim und Vaterland. Sofern sie sich nicht selbst nach Österreich zurückgezogen hatten, wurden sie von den jugoslawischen Behörden dahin deportiert. Nach dem Krieg wurden die abgebrannten Ortschaften in der ehemaligen Gottschee aus wirtschaftlichen und nationalen Gründen nicht mehr erneuert. Die Gottscheer Deutschen bildete nach dem Ersten Weltkrieg die einzige deutsche Sprachinsel auf slowenischem Gebiet. Sie waren eine der ältesten deutschen nationalen Gruppen außerhalb Deutschlands und Österreichs. In der Gottschee verbrachten sie über 600 Jahre in mehr oder weniger engem Zusammenleben mit der benachbarten slowenischen Bevölkerung. Aus ihrer einstigen Heimat hatten sie neben ihrem deutschen Dialekt auch weitere kulturelle Elemente bewahrt, die sie pflegten, in erster Linie ihre Tracht und ihre Lieder. Heute zeugen nur noch die Ortsnamen von den einstigen Bewohnern, und dort, wo einst blühende Dörfer standen, sind meist nur noch Trümmer übrig.8 Ein ähnliches Geschick traf auch eine Reihe deutscher Künstler und Kulturschaffender, die Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts in Krain tätig waren. Der Kreis deutscher Komponisten hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Vergleich zu früheren Dezennien allerdings beträchtlich verringert. Ich führe nur einige Namen an. Zu den Älteren gehört Philipp Jacob Rechfeld (1797-1862) aus Burbach/Nassau, von dem sich die Kantate Auswanderungs-Scene aus dem Jahre 1847 erhalten hat; weiter Theodor Elze (1823-1900) aus Altenbei/Dessau, der vorwiegend für die Laibacher evangelische Gemeinde komponierte, aber auch mehrere Chöre auf deutsche (und slowenische) Texte hinterlassen hat. Aus Aufzeichnungen geht hervor, daß er auch Streichquartette und Symphonien komponiert hat, die aber nicht erhalten sind. Elzes Schaffen gehört den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts an. Eine Reihe von Musikern, die im Theater oder bei der Philharmonischen Gesellschaft tätig war, trat auch als Komponisten hervor, so: Alfred Khom, Johann N. Köck, Ludwig Klerr, Joseph Leitermayer, Fanny Stewart von Sternegg. Die deutschen Musiker konnten allerdings neben den tschechischen Musikern, die im 19. Jahrhundert nach Laibach gekommen waren, nicht voll zur Geltung kommen. Der größere Anteil ihres Schaffens verblieb im Rahmen der Philharmonischen Gesellschaft; er bereicherte allerdings wesentlich das musikalische Leben in Laibach, allen voran der Dirigent und Komponist Josef Zöhrer, der Violinist Hans Gerstner und der Maler und Liebhaber-Cellist Heinrich Wettach. Die Philharmonische Gesellschaft war die älteste Anstalt ihrer Art in der alten Monarchie. Sie ist 1794, ihre Vorgängerin, die Academia philharmonicorum aber schon 240 PRIMO KURET (1935) 8 Vgl. M. Kundegraber, „Koèevje-nemški jezikovni otok v 19. stoletju (engl. Koèevje-German linguistic island in the l9th century), in: Etnolog 1 (52), Ljubljana 1991, S. 105ff. 1701 gegründet worden. Die Philharmonische Gesellschaft entwickelte sich zur zentralen musikalischen Anstalt Laibachs und Krains. Trotz der napoleonischen Kriege und der damaligen Besetzung Laibachs harrte die Philharmonische Gesellschaft aus in ihrer musikalischen Tätigkeit und veranstaltete weiterhin Konzerte. Es existierte auch ein Chor und es gastierten prominente Künstler. Schon im Jahre 1800 gelang es der Philharmonischen Gesellschaft, Joseph Haydn als Ehrenmitglied zu gewinnen, später auch Ludwig van Beethoven (1819) und Niccolo Paganini (1824), um nur einige der bedeutendsten Namen jener Zeit anzuführen.9 In der Geschichte der Philharmonischen Gesellschaft wechselten mehr oder weniger erfolgreiche Perioden. Es wirkten verschiedene künstlerische Leiter wie z.B. Albert Hölbling, Leopold Ledenik, Johann Pradatsch, Wilhelm Jetmar, Anton Schoeppl und der Tscheche Anton Nedved (1858-1883). Besonders die letzte Periode mit Nedved war für die Philharmonische Gesellschaft sehr erfolgreich. Nedved gründete wieder einen Chor und führte in Konzerten mehrere größere Werke auf, so: Cherubinis Requiem, viele Werke von Mendelssohn wie Die erste Walpurgisnacht, Oedipus in Kolonos, Antigone, Paulus, Athalie, Schumanns Das Paradies und die Peri und Der Rose Pilgerfahrt, beide Oratorien von Haydn usw. Die Philharmonische Gesellschaft erlebte eine Wiedergeburt. So wurde das 100jährige Geburtstagsjubiläum Beethovens mit zwei Festkonzerten gefeiert. Es kamen Künstler aus dem Ausland, so der Violinvirtuose Pablo de Sarasate u. a. Nedved leitete die Philharmonische Gesellschaft durch 26 Jahre. Er machte sich auch als Gründer des Lesevereins von Laibach 1861 und der Glasbena Matica 1872 verdient. Als Komponist gesellte er sich zur slowenischen nationalen Musikbewegung. Unter Nedveds Führung gedieh merklich auch die Musikschule (gegründet im 1815). Anerkennung als Pädagogen verschafften sich neben ihm rasch zwei junge, fähige Musiker: der Wiener Josef Zöhrer und Hans Gerstner aus Luditz. Schon im Jahre 1862 aber trat Friedrich Keesbacher (1831-1901) aus Schwaz in Tirol (von Beruf Arzt und Primarius am Laibacher Krankenhaus) der Philharmonischen Gesellschaft bei. Im Jahre 1881 wurde er Direktor der Philharmonischen Gesellschaft. Zu seinen Verdiensten gehört die regelmäßige Herausgabe von Jahresberichten, die Einführung regelmäßiger Kammerkonzerte und vor allem der Bau des Gebäudes der Philharmonischen Gesellschaft, der sog. Tonhalle, im Jahre 1891. Zu jener Zeit war dies das erste Konzerthaus in den Provinzstädten der Monarchie. Keesbacher veröffentlichte im Jahre 1862 auch die bis jetzt einzige Geschichte der Philharmonischen Gesellschaft von ihren Anfängen bis zum Jahre 1862. Nach Nedveds Rücktritt im Jahre 1883 wurde Josef Zöhrer (1841-1916) Musikdirektor der Gesellschaft. Als Dirigent der meisten Konzerte brachte er in Laibach eine Reihe zeitgenössischer Werke zum ersten Mal zur Ausführung. Darunter waren die Symphonien von Johannes Brahms, Anton Bruckner, Antonín Dvoøák, Peter Iljitsch Tschaikowsky u. a. Im Jahre 1885 gab er die Anregung, Johannes Brahms, den er überaus schätzte, zum Ehrenmitglied der Philharmonischen Gesellschaft zu ernennen. Bei seiner langjährigen Tätigkeit als Lehrer und Musikdirektor hatte Zöhrer eine der führenden Rollen im Laibacher Musikleben eingenommen. Als Komponist kam er relativ spät zur 241 Deutsches Kulturschaffen in Krain vor dem Ersten Weltkrieg 9 Primo Kuret, „Die Rolle und die Tätigkeit der Philharmonischen Gesellschaft in Ljubljana“, in: Festschrift Rudolf Bockholdt, München 1990, S. XXX. Geltung. Eine Reihe seiner Werke (vor allem Kompositionen für Klavier) erschien im Leipziger Musikverlag Friedrich Kistner. Zöhrer leitete die Philharmonische Gesellschaft bis 1912, dann ging er in den Ruhestand. Er trat jedoch noch nach seiner Pensionierung auf, weil sein Nachfolger Rudolf von Weiss-Ostborn aus Knittelfeld erst am 1. Januar 1913 die Stellung antrat. Zöhrer wirkte auch als Pianist. Er war aus Wien gebürtig, wo er Musik bei E. Pirkert, Julius Epstein und Simon Sechter studierte. Er starb in Laibach im November 1916. Sein engster Mitarbeiter war Hans Gerstner (1851-1939) aus Luditz. Er studierte sechs Jahre am Prager Konservatorium, wo seine Geigenlehrer Moritz Mildner, Anton Sitt und Anton Bennewitz waren. Im Jahre 1870/71 war Gerstner Mitglied des Prager deutschen Opernorchesters und zweiter Geiger im Prager Streichquartett, dem Bennewitz-Quartett. Dabei lernte er Antonín Dvoøák kennen. Ab 1. September 1871 wurde Gerstner Orchesterdirektor am Landschaftlichen Theater in Laibach, Geigenlehrer an der Philharmonischen Gesellschaft und Hilfslehrer an der Musikschule. Der Regens chori der Domkirche, Anton Foerster, ein Tscheche, gewann Gerstner als Solo-Spieler für die Sonntagsmessen, was Gerstner dann durch 44 Jahre fortsetzte. Das erste Mal trat Gerstner am 12. November 1871 in Laibach öffentlich auf: In einem Konzert der Philharmonischen Gesellschaft unter Nedveds Leitung erzielte er mit dem Violinkonzert von Bazzini großen Beifall. Gerstner war dann an verschiedenen Schulanstalten in Laibach tätig, gab Privatunterricht und unterrichtete in der Philharmonischen Gesellschaft. Er spielte als Solist mit dem Orchester der Philharmonischen Gesellschaft 28 verschiedene Violinkonzerte und leitete als Primgeiger von 1873/74 die Kammerkonzerte. Gerstner wirkte auch in Konzerten außerhalb Laibachs mit, so in Gottschee, Idrija, Maribor, Triest, Veldes und Villach. Er nahm des weiteren an auswärtigen Musikfesten und musikpädagogischen Tagungen teil (Graz, Wien, Salzburg, München, Mannheim und Köln).10 Als Gustav Mahler in der Saison 1881/82 Theaterkapellmeister in Laibach war,11 fanden beide bald freundschaftlich zueinander. Beide waren Schüler des Prager Konservatoriums, nun traten sie gemeinsam in Konzerten auf, Mahler als Begleiter am Klavier. Von den vielen hundert Schülern Gerstners war Leo Funtek (1865-1985) der bedeutendste. Er nahm später eine leitende Rolle in Finnlands Musikleben ein. Die schwerste Zeit für Gerstner brach mit dem Kriegsausbruch 1914 an. Gerstner wurde Leiter der Musikschule und der Konzerte, was im Krieg eine schwere Aufgabe war. Nach Kriegsende 1918 wurde er zum Musikdirektor der Philharmonischen Gesellschaft ernannt, wurde aber bald pensioniert. Gerstner setzte seine private Unterrichtstätigkeit bis zu seinem 83. Lebensjahr fort und trat zum letztenmal am 17. November 1928 aus Anlaß des 100. Todestages von Franz Schubert auf, er spielte noch eine Sonate und zwei Quartettstücke mit. Er starb am 9. Januar 1939 in Laibach. 242 PRIMO KURET (1935) 10 Primo Kuret, Glasbena Ljubljana 1899-1919 [dt. Das Musikleben in Laibach 1899-1919], Ljubljana 1985; Primo Kuret, „Jubilejna sezona 1901-1902 ljubljanske Filharmoniène drube“ [engl. The 1901-1902 Jubilee Concert Season of the Ljubljana Philharmonic Society], in: Muzikološki zbornik (Musicological Annual) 19 (1983), S. 4lff. 11 Primo Kuret, „Mahler in Ljubljana“, in: Das Gustav-Mahler-Fest Hamburg 1989, Kassel usw. 1991. Heinrich Wettach war als Mahler und Bratschist in Laibach tätig. Geboren am 12.6.1858 in Wien, kam er 1885 nach Laibach als freier Maler und Hilfslehrer. In seinem Atelier hatte er zwischen 1896 in 1914 seine Malerschule. Als guter Bratschist (und auch Pianist) wirkte er oft bei Kammerkonzerten der Philharmonischen Gesellschaft mit. Einige seiner Bilder befinden sich in der Laibacher Nationalgalerie und im Stadtmuseum; sehr bekannt sind seine vier Genien im großen Saal der ehemaligen Philharmonischen Gesellschaft und jetzigen Slowenischen Philharmonie. Wettach starb 1929 in Kärnten.12 Das gesamte kulturelle Schaffen der Deutschen war in ein breit angelegtes Konzept eingegliedert, wonach dem Charakter der Kunst in Krain wesentliche deutsche Merkmale eingeprägt werden sollten. Daß die Slowenen die Philharmonische Gesellschaft als Fremdkörper in Ljubljana empfanden, zeigt z.B. ein Artikel in der Laibacher Zeitung. Da liest man unter anderem: »Die Erhaltung der deutschen Kunstanstalten ist aber in Laibach, diesem weit vorgeschobenen Posten des Deutschtums, von einschneidendem Anstoße auf die Erhaltung des Deutschtums selbst. Sie bilden, nachdem die Deutschen vom politischen Schauplatz verdrängt wurden, die wichtigsten Bollwerke deutscher Cultur sie sind nicht nur der geistige, sondern auch der soziale Mittelpunkt der deutschen Gesellschaft.«13 Noch intensiver waren diese Bestrebungen in der Südsteiermark und in Kärnten. In den Landesteilen, die im Jahre 1918 dem neuen Staate, dem Königreich der Slowenen, Kroaten und Serben, zufielen, das heißt in Krain und in der Südsteiermark, ließ die Intensität der deutschen Bestrebungen merklich nach, so in der Steiermark, in Maribor (Marburg) – anderswo, zunächst in Krain (mit Ausnahme Gottschee), hörte sie allmählich ganz auf. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verschwanden auch die letzten Überreste. Die geschaffenen kulturellen Güter in der Begegnung zwischen Slowenen und Deutschen haben im Laufe der Geschichte ihre nationalen, zuweilen sogar nationalistischen Attribute verloren. Sie sind es auf jeden Fall wert, dem Vergessen entrissen zu werden, denn sie sind ein spezifischer Beitrag zur musikalischen Kultur dieses Raumes. Objavljeno v: Die Musik der Deutschen im Osten und ihre Wechselwirkung mit den Nachbarn, Ostseeraum - Schlesien - Böhmen/Mähren - Donauraum vom 23. bis 26. September 1992 in Köln. Str. 533–541. 243 Deutsches Kulturschaffen in Krain vor dem Ersten Weltkrieg 12 Vgl. Slovenski biografski leksikon [dt. Slowenisches biographisches Lexikon], Ljubljana 1986, S. 689. 13 Laibacher Zeitung vom 16. November 1902. Povzetek Nemška kultura na Kranjskem pred prvo vojno Prizadevanja za drubeno in kulturno emancipacijo, ki so od leta 1848 zdruevala Slovence v narodnih društvih, so konec 19. stoletja prerasla v mnoièno gibanje in na Kranjskem pridobila politièen znaèaj. Konec 19. in na zaèetku 20. stoletja so se hkrati s konfliktom politiènih interesov med Slovenci zaostrili tudi slovensko-nemški odnosi. Leta 1880 je na Kranjskem ivelo 6,15% Nemcev, njihov dele v glavnem mestu deele Kranjske – v Ljubljani je bil takrat 20%. Dejavnost glasbenikov in skladateljev nemškega porekla je v tem mestu pred prvo vojno pustila pomemben kulturni peèat. Med njimi je potrebno omeniti Jacoba Rechfelda in Theodorja Elzeja, ki sta v Ljubljani delovala e v prvi polovici 19. stoletja ter vrsto glasbenikov, ki so delovali v gledališèu in pri Filharmonièni drubi: Alfreda Khoma, Johanna N. Köcka, Ludwiga Klerra, Josepha Leitermayerja, Fanny Stewart von Sternegg, Gustava Mahlerja (sezona 1881/82) in Fritza Reinerja (sezona 1910/11). Še posebej pa je potrebno izpostaviti pedagoški, poustvarjalni in ustvarjalni prispevek glasbenikov, ki so zaznamovali delovanje ljubljanske Filharmoniène drube v desetletjih pred prvo vojno: dirigenta skladatelja in pianista Josefa Zöhrerja ter violinista Hansa Gerstnerja, pa tudi ljubiteljskega èelista Heinricha Wettacha, sicer slikarja in avtorja stenske poslikave v stavbi nekdanje Fiharmoniène drube (danes Slovenske filharmonije). Od konca 19. stoletja je bila Filharmonièna druba v oèeh Slovencev ne le glasbeno ampak tudi drubeno središèe Nemcev, zato so jo po razpadu Avstroogrske reorganizirali in pridruili slovenskemu društvu Glasbena matica. (Nataša Cigoj Krstuloviæ) 244 PRIMO KURET (1935)