^ , ,5 ^»»» ^ ^» / F. W. S i e b e r 's R e is e n. Erste Lieferung. Reise nach der Insel Kreta in zwey Bänden. teipzig und So rau bey Friedrich Fleischer. 16 2^. Reise nach der Insel Kreta im griechischen Archipelagus im Jahre i«l? von F. W. Sieber der NegenSburger botan. Gesellschaft, der könlgl. Akademle . zu Münäien/ der naturforschenden Gesellschaft zu Paris corre» spondirendem und der russisch fais. Akad.' zu Moskau ordentlichem Mltgliede. Erster Band. Mit Kupfern und Karlen. ieipzig und Sorau bey Friedrich Fleischer. 18 2 3. .... i-uox relicit rate* qua.mas, iiulocili« panpcrieiii pati. II () R A T. Seiner Hochgeboren Herrn Vinzenz Grafen von Kauniß Herrn der Herrschaften Neuschloß, Hauska, Br/cziw ?c. ic. Hochgeborncr Herr Gnadigster Herr 3l.ur die innigste Verehrung und die herzlichste Dankbar« keit konnten in mir den Gedanken erwecken, EuerHoch^ geboren Namen der Beschreibung meiner vor drey Jahren durch die Insel Kreta unternommenen Reise vorzusetzen. Können Cw. Hochgeboren meinen gewagt ten Schritt, durch gegenwärtige von Ihnen nicht vorher wohlwollend genehmigte Zueignung eines seiner Bestim« numg noch so wenig entsprechenden Werkes die anerkannte Bescheidenheit und ausgezeichnete Würde Ihrer Person verletzt zu haben, verzeihen, so wird dieses meine un-begränzte Hochachtung und die großen Verpflichtungen eines seiner Bahn Zurückgegebenen nur noch mehr erhöhen. An das seltene Glück vcrchrcnzu dürfen, reicht wohl nur das noch seltenere, die Gelegenheit, dies auch öffentlich sagen zu können. Durch Ew. Hochgeboren günstige Verfügungen ist mir das Glück zu Thcil geworden, eine ncuc Reise nach den wichtigsten Gegenden der alten Welt mit Erfolg und Ausdauer unternehmen zu können und ich halte mich verpflichtet, in Verfolgung dicscr so rühmlich dargebotenen Gelegenheit durch die größten Anstrengungen und den entschiedensten Eifer das ehrenvolle Vertrauen und die wis-scnschaftlicbende Großmuth zu verdienen. Wie sehr ich mich auch gedrungen fühlte, den geringen Erfolg meiner ersten Ncise Dero wohlgcwogeuen Annahme und nachsichtsvollen Beurtheilung vorzulegen, noch mehr cr< kenne ich die ncucn Begünstigungen Ew. Hochgeboren im Voraus als einen Beweis Ihrer fortwährenden Huld an. Nur Ew. Hochgeboren, Ihren ausgebreiteten und tiefen Kenntnissen in Physik, Astronomie und in vielen andern Fächern, und Ihrer Zuneigung für jedcn andern Zweig des nützlichen Wissens wird, nach meiner zweyten beendigten Reift, die Wclt jene große Wohlthat zu verdanken haben, die ich, nur um eine geringe Unterstützung vergeblich bittend, ihr nicht vorenthalten härte — die Wohlthat, zum ersten Male einen furcht" baren, seit zwey ta,uscnd Jahren vergeblich angegriffenen Feind dcS menschlichen Geschlechts glücklich bekämpft zu sehen. Ein wohlwollendes Herz und ein Menschenfreund-licher Charakter vermag über den Ew. Hochgeboren Verpflichteten Alles, und die Welt mag ihm jeden andern Vorwurf, nur den einer Schmeichelcy kann sie ihm nicht machen. In unbegränzter Hochachtung und mit tiefster Ehrfurcht Euer Hochgeboren ieipzig den 2I. März , g 2 2. ergebenster F. W. S i e b e r. Vorrede. 38er als Reistbcschreiber vor dem Publikum auftritt, hat das schwere Geschäft übernommen, zu unterhalten und zugleich das nützliche Wissen zu fördern. Von die' scr Obliegenheit durchdrungen und fühlend, wie wenig meine ungeübte Feder geeignet sey, jenen Erwartungen zu entsprechen, konnte ich nur nach langem Zögern und durch dringendes Aneifern meiner Gönner und Freunde vermocht werden, meinen ersten schriftstellerischen Versuch, eine Beschreibung der Insel Kreta, eines in vieler Hinsicht merkwürdigen, zur Urgeschichte Europa's gehö< rigen, seit Tournefort von allen Reisenden nach Griechenland fast gänzlich vernachlässigten landcs, herauszu« geben, weil der Inhalt dieser Reise nach allen seinen Einzelnheiten und selbst mit den individuellen Ansichten einiges Interesse verspreche und den Mangel einer ge« wandten Bearbeitung decken werde. Meine Freunde mögen mich nun auch vertreten, und da ich weder auf Erschöpfung der Materie noch gewandte Darstellung An« v«»t spruch mache, ersuche ich meine teser in jeder HinsiÄ)t um eine nachsichtsvolle Aufnahme und schonende Beurtheilung; um so mehr, da ich mich wahrend des Entwurfs äußerer Verhältnisse wegen in einer fortwährenden nichr dazu geeigneten Stimmung befand. Der erste Theil enthalt meine Reise durch die Insel Kreta. Da ein unvollständiger Ferman mir die Bereifung der Insel erschwerte, mußte ich mir wider meine Absicht als Arzt Gefälligkeiten erwerben, um entweder Hindernisse wegzuschaffen oder mein Vorhaben zu erleichtern. Daher kommt es, daß der Faden der Erzählung mit durchaus unvermeidlichen Knoten — mit den teser minder anziehenden Krankheitsgeschichten — ver-webt ist. Des Zusammenhangs wegen und weil oft eben diese Krankenbesuche mir zu mancher Beobachtung Gelegenheit gaben, die nur dem Arzt zu machen verstattet ist, konnte ich sie nicht übergehen. Ohne in dieser Kunst ganz taye zu seyn, maße ich mir jedoch nicht an, meine Bemerkungen und mein Verfahren als Beytrag zur Kenntniß der dortigen Krankheiten angesehen wissen zu wollen. Meinem Plane nach habe ich bey Bereifung der Insel alle sich mir aufgedrungene Bemerkungen, z. B. antiquarische über tage uav Namcn alter Ort-schaften, Flüsse und Berge, physikalische, ökono« mische und ethnographische, in der Reihe aufge, nommen, wie sie gemacht wurden und mit jenem Interesse, das sie zufallig in mir erregten, ohne alle Rück- IX siche auf Ordnung, Stellung und Verbindung, oft wohl sogar nach iaune. Auf mich selbst habe ich wenig Rück^ sicht genommen, und man wird daher oft finden, daß ich nichts zu verdecken gesucht habc, was mir etwa zum Nachtheile gereichen oder eine ungünstige Beurtheilung veranlassen kann: und dies blos darum, um für meine Wahrheitsliebe, die erste Psticht eincs Rcisebeschreibers, ein günstiges Vorurthcil zu erwecken und dagegen den Vorwurf absichtlicher Vcrrückung des wahren Gesichtspunktes zu entfernen. Jedermann weiß, wie sehr der gegenwärtige Gemüthszustand, die nöthigen Vorkenntnisft und der auch nicht immer günstige Standpunkt die Form, Haltung und das Kolorit des Bildes verandern. Der Faden der Erzählung windet sich durch die ganze Insel, und endet bey dem gortynischen labyrinths wo er auch gerade am'wenigstcn nothwendig war. Die Aufnahme des Plans vom iabyrinthe hatte'weniger Schwierigkeiten, als die nicht vorherzusehcnden Vorbereitungen dazu. Ich hoffe, daß nun dic verschiedenen Urtheils vollständig berichtigt, und der Strcit darüber als beendigt angesehen werden kann. Man muß keiner Sache eine größere Wichtigkeit einräumen, als sie verdient. Die von mir aufgenommene Karte betreffend, be-daurc ich, derselben wegen ft mannigfaltiger, in der Rei-sebeschrcibung mehrmals bemerkten Hindernisse nicht eine größere Vollständigkeit haben geben zu können. Jeder Schritt wurde beobachtet, und Verzeichnungen zu ma« X chen, setzt bey den mistrauischcn Türken sogar in iebens« gefahr. Die Materialien zu einer großen Karte der Insel in ihrem jetzigen Zustande hätten also zum Theil von den vorhandenen mangelhaften Karten entlehnt werden müssen. Vorzüglich suchte ich die Handlungsweise der Ein« wohner, ihre Sitten, Gewohnheiten, Vorurthcile, Trachten, ihr Betragen und den verschiedenen National-charaktcr koutrastirend darzustellen. Hierin war mir oft der Zufall sehr günstig, der mich in Begebenheiten ver« focht, in denen sich Pascha, Consul, Geistlichkeit, Aerzte, griechische und türkische Beamten, der gemeine Mann, kurz jede Klaffe der Einwohner in ihrem wahren Uchte zcigtm, und mir das Treiben und Wirken derselben ganz unverstellt vor Augen legten. Alles Verhaßte, worüber der gebildete Europäer dort klagt, rührt her von der Religion, dem Islamismus, der Kraftlosigkeit des Oberhauptes, der gesetzlosen Willkühr des einzelnen Vor-gesetzten; von der Unfähigkeit der Türken bcy der ihnen eigenthümlichen Richtung eine Kultur, wie jene der ge< lehrten Araber oder der kuustliebcnden Perser, anzuneh» men; endlich von dem Beysammenleben zweyer sich so ganz unähnlichen Nationen, deren Eigenthümlichkeiten die Reibungspunkte gerade auf die höchste Spitze stellen. Alles war übrigens geschrieben, ehe die gegenwartigen Feindseligkeiten in Griechenland begonnen hatten. Den Schluß meiner Reisebcschreibung macht meine XI Abreise nach Aegypten und meine iandung in Alexan^ drien. Der zweyte Theil handelt zuvörderst von den phy« sikalischen, geographischen und produktiven Merkwürdig« ketten Kretas. Bey Vorlegung dieser und der übri< gen Materien spreche ich die Kenner um gefällige Nachsicht an. Ueber meine aufgestellte neue Ansicht des so sehr vernachlässigten Aussatzes, der I^oziri,, welche bisher ganz falsch beurtheilt wurde, be« merke ich blos, daß man mir jetzt noch gar keinen Ein« wurf machen kann, weil die Krankheit in Europa der Beobachtung entzogen ist, und weil Hensler selbst fein von Andern unsterblich genanntes Werk für un-zulänglich erklärt. Ucbrigens konnte ich diesen Gegen« stand des Raumes wegen hier nur gleichsam berühren.— In der alten Geographie maße ich mir kein anderes Verdienst an, als die ehemaligen Zweifel über die läge verschiedener Städte Kretas von neuem aufgeregt und die Möglichkeit verschiedener einzelnen Berichtigungen wahr« fcheinlich gemacht zu habcn. Für Wissenschaft und Kunst hätte ich mehr leisten können, allein man lasse nicht aus den Augen, daß, da ich diese Reise ganz allcin mit meinen: Vermögen bestritt, ich zum Ersatz meiner Anstrengungen bedeutende Sammlungen von Naturalien zusammen bringen mußte, wo« durch ich ungemcin vicl Zeit nothwendigen Untcrsuchun. gen und Beobachtungen zu entziehen genöthigt war. XII Man stelle mich also nicht auf gleiche iinie mit jenen, welche durch höhere Begünstigung in ihren Unternehmungen unterstütze wurden, und keine iähnnmg zu fernern Unternehmungen zu fürchten hatten. Zur Widerlegung verschiedener öffentlichen Nachrichten, namentlich des Obersten Fitz-Clarence, dem ich in Oberägypten begegnete, und der vielleicht auf Veranlassung der braslliani" schen Expedition sich veranlaßt fand, in seiner Reise» beschrcibung zu äußern: ich reiste aufKosten des Staates, mußte ich hier erklären, daß ich diese Reise ganz auf meine Kosten gemacht habe. Die großen Begünstigungen, welche andre beglückt haben, mußte ich nicht zu meinem, sondern der Menschheit Wohl entbehren! Der Verfasser. Reise nach der Insel K r e r a im griechischen Archipel. Endlich brach der sehnlichst erwartete Tag meiner Abreise ausTriesi, der 22. December i8i6, an. Die ganze Nacht hatte die Bora, ein diesem Küsicnlandc eigenthümlicher, in den Wintermonatcn herrschender Nordwind gewüthet, der dcn Anschein längerer Dancr an sich hatte, als er plötzlich um 7 Uhr des Morgens sich zu legen begann. Eine znr Abfahrt günstige Vurinc (der Name eines sanften Nordwindes, welchen die Schiffe nach einer heftigen Bora zn crwar-ten pflegen) trat ein, indem sie durch die flatternden Flaggen, Wimpeln und Fahnen, welche diese herrliche Seestadt an Fcycr- und Sonntagen zieren, rauschend hindurchglitt. Wir wurden aufgesucht, um unsere Habseligkcitcn an Bord bringen zu lassen, und eilten daher mit denselben in's Sanitätsgcbäude, um durch dasselbe zu unscrm Schisse, wcl-< ches vor Beendigung seiner Kontmnazzeit, neuerdings bcla. den, zu einer ncncn Abreise bereit war, eingelassen z>.« wer. Crstcr Thcll. A 2 den. Sogleich kam auf den Nuf unserer Träger ein Guar, bian — so nennt man hicr im Italiänischen einen Lazareth-aufschcr — mit eincr finstern Miene herbey, öffnete die Thür zu den Magazinen, wo eine Menge Waaren umher lagen, und schloß sic vorsichtig hinter uns wieder ab. Wir gingen schweigend bis an eine Gitterthür, durch welche wir unsern Kapitän nebst seinen Leuten, zu unserm Empfange bereit, an der Terrasse erblickten. Als sie aufgeschlossen war, winkte der Aufseher den Matrosen, sich zu entfernen; unsere Effekten setzten die Träger nieder, und als sie zurückgetreten waren, übernahmen die Matrosen dicftlbcu, und führten sie auf Booten nach dem Schisse. Noch konnten wir zurücktreten; als uns aber der Kapitän die Hand bot, hatte er uns berühret; wir wurden daher nach den strengen Contumaz-undSanitatsgcsttzcn pcsivcrdächtig und von der Gemeinschaft mit Unberührten ausgeschlossen. Die Gittcrthür schwirrte, schloß sich zu, und unsere frühere Wahl wurde nun zum Zwange, dessen Unannehmlichkeit eigener Entschluß und dic Erfüllung harrender Wünsche erleichterte. Unsere übrigen Rcisebcdürfnisse, deren wir nicht immer nöthig hatten, waren früher schon auf'sEchiss E. Georg — so hieß dasjenige, mit welchem wir abfuhren — geschasst worden, nur diejenigen Effekten, welche man stets bey sich führen musi, wurden zuletzt mit auf dasselbe gebracht. Cm schaukelnder Kahn, nicht, so wie unsere Flußschiffe, mit ebenem Boden, sondern mit einem halbkugelförmigcn versehen, um den in einander verschmelzenden Wellen des bewegten Meeres leichter nachzugeben, nabm uns auf und wiegte uns dem Schisse zn, indem wir, wie über Berg uub Thal auf, und abwärts getragen, im Takte der gcschwunge, ncn Nuder dahin glitten. Neu und eigenthümlich ist der Eindruck, den der Mastenwald eines mit Schissen dicht be« setzten Hafens dem vom Meere entfernten Landbewohner vcr« 5 ursacht, noch anziehender und herrlicher, wenn man sich in demselben befindet- Bald fährt man zwischen den aufge« blähten Echiffsbäuchcn zweyer entfrachteten Kauffahrer, bald unter dcni hohen Borde eines andern hindurch, bald fährt man untcr der hangenden Kajüte des Hintcrthcils von einem andern, oder windet sich zwischen schenkeldicken Seilen und Ankcttaucn dcr festgebundenen Schisse nach dem scinigen. Hier sind einige Eegel eingezogen, dort laßt man schlaff her-abhängend andere lüften; das Klimmen dcr Matrosen an den Strickleitern und Masten, das ruhige Heradblickcn an-dcrcr in ihren Sountagsröcken, das rauschende Flattern aller dieser buntscheckigen Fahnen, von so viclcrley Nationen, unterbrochen von dcm Nverschlage der unter einander wimmelnden Kahne und den abwechselnden Salven aus verschie, denen Gegenden erhöhten das Vergnügen, eine Seefahrt zu beginnen, und selbst dcr Umstand, wenn wl'r jetzt auch wollten, der Contumaz wegen uns abgehalten zu seyn, wieder auf das Land zu.begeben, welches wir so gern verließen. Aus einigen bekannten Physiognomien, die wir früher gesehen hatten, nahmen wir wahr, in dcr Nähe des Schiffes zu seyn, welches unser Bell crop hon scyn sollte. Glückliches Cxil, wenn man sich selbst verbannt! Wir klimm» ten uuu beym Schaukel:: unseres Kahnes an dcr Strickleiter an Bord, um von da die Entfernung zu betrachten, welche wir bereits zurückgelegt hatten, denn mau pflegt jene Schisse, welche beladen, zum Auslaufen bestimmt sind, an das äußere Ende des Hafens herauszuführen. Ich fand sie aber noch immer sehr klein und unbedeutend. Wir übersahen nochmals die ganze amphithcatralisch ausgebreitete Stadt, deren Hanstr und Paläste zwischen den zahllosen Masten grosser und kleiner Fahrzeuge, dem Tauwcrk, Segeln und Flaggen entzogen, hindurch schimmerten, und bey dem Ablösen der Taue, mit dcncn unser Schiff an verschiedenen cingcramm- A 2 ten Elchcnpfählcn und Pfeilern gebunden war, sahen wir dem Auslaufen ungeduldig entgegen. Die Anker wurden unter dem einförmigen Laute der kcu< chcndcn Schiffslcutc und dem Knarren der Hcbezcuge heraus^-gezogen, nächst dem Schnabel des Schisses befestigt, die nn« tern Scgcl fielen m'cdcr, dic Boote und Kahne, welche zum Schisse gehörten, wurden mit Kloben aus's Verdeck gehobelt, und der Steuermann griff nach dem Steuerruder. Nach lang« sanien Aufblähen dcr sich entfaltenden Scgcltücher ciltc mit zunehmender Geschwindigkeit das Schiff aus dem Haftn an dem Molo vorbey, wo ich noch zuletzt die Wache erblickte, und trug uns aus dem Gcwühle des oscillirendcn Masicnwal' des in die freye See. Von allerley Schiffen erschallten ein-zeluc Rufe, welche für Abschieosgrüsic gelten sollten, die unsere Matrosen so lange mit einem Gcgmrufe beantworteten, bis das immer starker und starker wogende Mccr unser Schiff mit vermehrtem Schwanken und Schaukeln ihren Blicken entzog. — Um 3 Uhr Nachmittags waren wir flott geworden, und jetzt erst zeigte.sich in znuchmcndcr Weite dic malerisch aus-gegossene Stadt. Ic mehr wir uns von dem Hafen entfern« ten, um so kleiner wurden zwar alle Gegenstände, aber um so freyer dcr ganze Gesichtskreis. Die unfruchtbaren, trok. kenen und sicinichtcn Berge von Trie st, welche diese lachende Stadt umschlossen hielten, senkten sich immer mehr, und die Häuser bildeten an einander geschlossene Gruppen, dic sich «n die malerisch zerstreuten Landhäuser ihrer reichen Besitzer zu verlieren schienen. Der dichte Masicnwald, dcr hervortretende kostbare Molo, das Gubcr n i algcb äui. de, der Carciottischc Palast, endlich das in der Höhe mit der östreichischen Flagge prangende Kastell, nebst den mannigfaltigen Vorsprüngen, Fclsm, Bergen des sammt!,'« chrn Gestades, gewährten ein so angenehmes Schauspiel, 4 5 daß cS nur allein von der Aussicht an, höchsten Punkte d« Landstraße bey Obschina überwogen werden konnte. In steter Bewunderung des herrlichen Schauspiels cnt« rückte mich das i,n vollen Winde enteilende Schiff diesem allmahlig entschwindenden Genusse. Die Schisse längs dem Gestade schimmerten noch mit den Gipfeln ihrcr Masten her-vor, die höchsten Häuser, Thürme, selbst das Kastell wurden niedriger. Die Hügel ebneten die Berge, verflachten sich und entfernte Gebirge kamen mit ihren beschneiten Gipfeln zum Vorschein. Immer blieb ich starr auf dem Verdecke hinwärts gerichtet, und nur die nach prachtvoll untergegangen ncr Sonne eingebrochene Abenddämmerung erpreßte von mir das letzte Lebewohl an Deutschlands Boden, und Oestreichs Tyrus entzog mir die sinkende Nacht. Noch einmal rief ich das Vergangene lebhaft zurück, bis die Schiffsglockc ertönte, uud ich mich in die Kajüte herabzog, Ich konnte, als ich mich wieder im Schiffsräume befand, dessen ungewohnt, von dem angenehmen Bilde nicht trennen. Rückerinncrung führte mich jetzt auf Personen, welche mir nun um so achtnngswctthcr wurden, je weniger ich in ihrcr Gegenwart mir das Gefühl ihres Verlustes vorstellen konnte. Ich hatte die ehrenvolle Bekanntschaft mit Hrn. vonRo setti, einem berühmten Nechtsgelchrtcn und Gründer des wissenschaftlichen Vereins der Minerva, gemacht, der eben so, vielseitig gebildet als liebevoll im Um-gange, selbst unternehmend und thatig, wissenschaftlich^ Zwecke jeder Art befördert uud alle, seinen mannigfaltigen Kenntnissen und Verbindungen zu Gebote stehende Mittel anwandte, um meine Rciscuntcrnchmnngcn auf jede Weift zu erleichtern, wofür ich diesem Wufenfrcunde meinen wärm. sienDank abstatte. W in k c lmaun's ausgezeichnete Verdienste — welcher in dieser Stadt cm unglückliches Ende nahm — und ihn selbst durch ein herrliches Monument zu vcmviaM^ e gilt für den sichersten Beweis seines veredelten Sinnes für Kunst und Wissenschaft. Der einer besondern Achtung und Verehrung so würdige Joseph von Volpi, Direktor der neugcgründctcn nauti« schen Akademie daselbst, ein mit so mannigfaltigen, und in einem so vorzüglichen Grade mit den vielseitigsten Kenntnis-« sen ausgerüsteter Mann, verdient hier nicht minder zugleich meine öffentliche Anerkennung und Dank für seine thätigen Freundschaftsbeweise. Der meisten europäischen Sprachen vollkommen mächtig, waren, bey der diplomatischen Anstellung als c^lungS ä'aMlii-s in vcrschicdncn Seestädten Europcns, Physik, Naturgeschichte und Mathematik die Licblingsfachcr seiner Erholungssiun. den, und mit einem praktischen Blicke vereinigt er alle Scharfe der Theorie und Bclescnheit. Ueber Nautik, Ha». , dclsvcrhältl'.isse, statistische Wichtigkeit der Länder und ihrer Produkte i über Chemie, Fabrikwcsen, Mechanik gründlich zu urtheilen und sie angenehm belehrend vorzutragen, ist die ftl-tene Gabc eines mit Kunst und Wissenschaft vertrauten, schaz« zcnswcrthcn Mannes, und es ist gar nicht daran zu zwei« ftln, daß es für diesen würdevollen, und auf die Bildung der sich nun auszeichnenden Jugend von Trie st einwirkenden Posten in unsern weitläuftigen östreichische!: Staaten wohl kaum einen Mann gcbcn dürfte, welcher mit so ausge« zeichnctcm Verdienste, und durch cinc so alnckliche Vereinigung aller der dazu nothwendigen Kenntnisse, ganz für dcn< selben geschaffen, ihn mit mehr Thätigkeit, Rastlosigkeit und Eifer zu versehen im Stande ware. Ein Schreiben, welches mir Herr I o h an n, Graf von Cho tek in Prag, ein Freund der Naturgeschichte und ed. ler Beförderer jedes wissenschaftlichen Bestrebens, an Se. Cx-ccllcnz, den Herrn Karl, Grafen von Chotek, damaligen Gouverneur von Tricsi gefälligst milgegcbcn hatte, vcr- 7 schaffte mir die huldvolle Theilnahme Sr. Excellenz an mel« ncm Reistvcrsilchc, indem er mit besonderer Gewogenheit mir ein Empfehlungsschreiben an die östreichischen Konsulate mitgab, wodurch ich mich in betreffenden Fallen der mir ft nöthigen Aushülse sthon im Voraus zu crftcncn hatte. Es war Nacht geworden, als wir noch immer das Licht im Hafen von Pirano im Gesichte behielten; der Wind hatte sich ctwas gelegt, und wir machten die Nacht hindurch nur wenige Seemeilen. 'Am audern Morgen befanden wir uns bey Pola, der Südspitze Istriens gerade gegenüber. Heiter war der anbrechende Tag, und bald hob sich der schleyerartige Nebel, welcher uns das nun in seiner Pracht dastchcnde, zu den Zeiten des Augustus erbaute Amphi« theater enthüllte. Gute Fernrohre vermehrten unser Vergnügen, alle einzelne Theile desselben, und andere in der Nahe liegende Ruinen unterscheiden zu können. Allein bald erhob sich ein heftiger Wind aus dem Meerbusen von Guar« nero, und nöthigte uns, indcm er heftig von der Seite blies, und das Schiff immer auf eine Seite neigte, uns auf unsere Ruheplätze zu begeben. Dieses waren an den beyden Seiten der Kajüte des Kapitäns schmale und niedrige Wandschränke, welche uns vor jedem gewaltsamen Herumwerfen sicherten, indcm wir uns mit Armcn und Füßen an die Sei« tenwandc anstemmen konnten. Alles fing nun an, in der Kajüte uutcr einander zu fallen, denn die See ging hoch, und das nur mit Ballast befrachtete Schiff schwankte wic ein Pendel hin und her. In den Schränken fiel Alles bunt durch einander. Die Teller, Tassen, die Schüsseln, das sämmtliche Tischgerath geriethen in Bewegung, und gaben mit den Flaschen und Glasern ein eigenes Küchcnkonzcrt. Alle leblose Dinge wurden beweglich, alles stürzte über ein. ander, selbst die Koffer sielen herab. Indem ich nun ans meinem Schranke hervorblickte, lagen alle Mobilien, der 8 Tisch ausgenommen, welcher immer angeschraubt ist, am Boden zerstreut, der Lärm und das Ecpolter nahmen zu, das Knarren und Prasseln der Schiffswändc ertönte von allen Seiten, so daß nur die zunehmenden Uebclkcitcn als Folgen der Seekrankheit diesem komischen Auftritte jenen Reiz benahmen, welcher bey dcr ersten Seereise der Neuheit wegen mir so interessant vorkam. Plötzlich kam der Schiffsjunge, welcher bey der all, gemeinen Verwirrung Ordnung stiften wollte, und selbst noch eine größcrc verursachte. Er fiel nach allen Scittn, wurde überall bcw ill kommt, und zerbrach, was cr retten wollte. Er konnte endlich nichts anders thun, als unser kostbares Eßgeschirr vor dem Untergänge sichern, um, da die Kapitäustaftl ohnehin schlecht bestellt war, zuletzt noch wenigstens das Stcmgut zu retten, damit sie nicht gar lccr stünde. — Das Schiff cxttmporirtc ein wcm'g bis zum nächsten Wind-und Wellcnsiostc, und so blieben auch noch für den sauren Wein einige Gläser ganz. Jetzt wurden auch die Koffer und Sessel gcbunocu, welche man, am Verdeck beschäftigt, vcrgcsscn hatte. Endlich hob der liebe Schiffsjunge auch die Karten auf, nagelte sie an, worüber sich nun unser maltesischer Kapitän, als cr später herab kam, auf das heftigste ereiferte z ich sah dieser Manipulation frü. her zu, weiß aber in dcr That nicht, woher cr bey dieser Verwirrung in der Geschwindigkeit Nagel uud Hammer bekam, um seinen Zweck auf so sinnreiche Weist auszuführen. Der Wind erhol' sich noch stärker, kein Abendessen konnte aufgetragen, ja uiclit einmal gekocht werden. In solchen Fallen musi alles auf dem Schiffe, wenn besondere Eiurich-tungcn fehlcn, sich zu kalter Küche oder trockncr Kost bcque» men, denn der Schiffskoch ist nicht im Stande, Feuer auzu. »uachen. Unser Schiff wurde um so heftiger von dcr stürm,-sckcn See herumgeworfen, da es ausicr unbedeutenden Waa- 9 ren nur den nothbürftigcn Ballast (Savorna) aufgcnom« men hatte. Der Wind blics von der Seite und drückte die Masten auf die andere m'cdcr. Auf dem Verdecke wurde mit den Kanonen gerollt, alles auf sorgsamste festgebunden, und der Lärm mit der Arbeit nahm kein Ende. Wir machten nur wenig Seeweges, und doch schien es, als ob das Schiff mit dem Winde um die Wette dahin flöge. Die Seekrankheit meldete sich starker, und heftiger wurden die Ucbclkciten. Man kann sich gegen solche sehr wenig schüz« zen, und nur durch eine eigene körperliche Beschaffenheit davon bcfrcyt bleiben. Durch längere Gewohnheit und öftere Seereisen verlieren sich die Anfalle, die sich jetzt um so schneller einstellten, je weniger wir Zeit gehabt hatten, uns allmälig an die Folgen der Mcercsbcwcgung zu gewöhnen. Jenen Menschen, welche leicht erbrechen, ist sie nicht anstrengend, allein sie leiden dennoch mehr als Robuste. Hört die See nicht in einiger Zeit auf, gewöhnt sich der Kranke nicht an dieselbe, oder wirken bey ihm keine Linderungsmittel, so muß er ausgesetzt werden, oder es tritt der wiewohl sehr seltene Fall ein, daß wegen fortwährender Ncizung des Magens zum heftigsten Erbrechen der Tod erfolgen kaun. Von der Seekrankheit pflegt man sich gewöhnlich einen unrichtigen Begriff zu machen, und ist der Meinung, als ob es ciuc wirkliche und eigenthümliche Krankheit Ware, die den Menschen zur See befiele. Sie besieht in nichts anderem, als anfänglich in einem Schwindel, Flimmern vor den Augen, und dann in einer fortwährenden Neigung zum Erbrechen. So wie bey dem Schaukeln auf Maschinen, die im Kreise hcrumgeschwungen werden, den Ungewohnten oder Empfindlichen ein Schwindel oder Uebclkcit befallt, so ent-steht es auf dem Schisse von der wankenden Bewegung desselben nach allen Seiten, wodurch die Eingeweide in Uu. l« ordnung gerathen, der dadurch erregte Schwindel auf den Magen zurückwirkt und zum Erbrechen reizt. Dieses halt so lange an, als sich noch etwas im Magen befindet, und kehrt wieder zurück, wenn sich wieder etwas Schleim gesam« melt hat, oder wenn man etwas zu sich nahm. Gebraucht man Mittel, besonders jene, zu welchen man wahrend der Ucdclkcit keinen Widerwillen besitzt, als: schwarzen Kaffee, Punsch, Limonade, leichte Suppen oder starke Liqucurc, so kann man seinen Zustand erleichtern. Legt sich das Sturmwcttcr, geht die Fahrt bald zu Ende, ge< wöhnt sich die körperliche Beschaffenheit daran, so nimmt auch dieser Anfall ab. Selbst alte Seeleute bekommen An« Wandlungen davon, wenn der Sturm mehrere Tage dauert. Ucbrigcns kann der Reisende sehr zweckmäßig die bekannten Luftpnlvcr, aus gleichen Theilen mildem Kali, Magnesia, l»nd etwas Wcinstemsaure gemischt, mitnehmen und sie m Nothfällen gebrauchen; das gewöhnliche, was man am Schiffe mit Erfolg anzurathcn pflegt, ist: am Verüeck zu verweilen, sich niederzulegen, und die aufrechte Stellung zu vermeiden: Häringc mit Knoblanch, Zwiebel und Essig ist für Matrosen die empfehlend stc Arzney i>: dergleichen Fallen. Ich muß gestehen, daß sie mir Verweichlichten: schr gut an< schlug. Die Vorsicht rath indeß, sich sogleich, wenn man auf's Schiff kommt, es mag eine noch so sanfte Bewegung haben, sich niederzulegen und nicht erst abzuwarten, ob das Meer einen Einfluß aufsein Befinden austere; dcun alsdann jst es schon zn spat, um sich liegend crsi die Bewegungen des Schiffes anzugewöhnen, welche man sonst in kurzer Zeit stehend um so bcffcr vertragt. Diese Affektion verliert sich, wenn das Wetter ruhiger wird, tritt aber bey hoher See und ungünstiger Richtung des Windes wieder ein. Manche gewöhnen sich leicht an dicsc Bewcguug, manche aber schwerer. Es ist keine Krankheit, ta:m aber, wenn 1» dieses Erbrechen von der ungewöhnlichen Bewegung der Eingeweide lange dauert, an sich oder durch Ncbenumstande gefährlich werden. Im Gegentheile sind aber heilsame Erfolge bekannt; dcnn langwierige, eingewurzelte Krankheiten, Verhärtungen, Körpcrschwachcn, Ncrvcnzufäll:, Epilepsie, Hypochondrie, der schwarze Staar wurden durch diese Krank« heit geheilt; ich selbst überzeugte mich, daß Seefahrten ge« gen das kalte Fieber in den meisten Fallen vortrefflich wirk, ten, besonders bey jenen, welche leicht krank werden, und sich an diese Bewegung noch nicht gewöhnt haben; inzwischen kommen auch früher übel behandelte oder verborgene Krank-heilen oft dadurch zu einem eben so plötzlichen und gefährlichen Ausbrnche. Daß die Bewegung des Schiffes die nächste und gewöhnlichste Ursache der Seekrankheit sey, ist daraus klar, daß man sich endlich, nach, und besonders auf langen Seereisen, ganz an die Bewegung des Schif« fcs, so wie der Anfänger in der Reitkunst an jene des Pferdes unvermerkt gewöhnt, mib ihnen nachkömmt. So wird man auch bey plötzlichem Tritt auf das Land auf die entgegengesetzte Weise aus Mangel der ange« wohnten Bewegung taumelnd, schwindlich, und wegen un< gewissen Trittes anf dem ebensten Boden der Gefahr des Falles ausgesetzt, welches oft mehrere Tage dauert und mor< ge»,s öfter wiederkehrt, bis man sich neuerdings an den sichern Tritt des festen Bodens gewöhnt hat. Die ungestüme See wurde nun um so tobender, je langer der Wmd anhielt, sich sogar verstärkte, und die anfänglich trage See, durch denselben um somchr in Bewegung gebracht, zu mächtigen Wellen heranwuchs, welche zugleich mit dem Winde üt die Flanke des südwärts steuernden Schiffes fielen. Den, dumpfen Toben der herangedrungenen Welle, welche sich am Bord hörbar zerschlug, folgte das Sausen und Zischen ihrer Strahlen, indem sie dadurch nach allen Richtun- »H geil zerschellt, umherspritzte, und mit dem knisternden Schau« me alles bcdcckte. Jedesmal folgte ein nachgeholtes Krachen der Seiten» theile des Schiffes und der Gebälke im innern Raume, die Masten kamcu jcltt nicht mehr in die senkrechte Lage, und die hangende Kajüte schien das einstürzende Zimmer eines durch Erdbeben zusammengefallenen Gebäudes zu seyn. Um das Ungewöhnliche dieser Situation, und die aus Unwissenheit des Erfolgs genährte Furcht zu vergrößern, kam der Schiffsjunge mit einer brennenden Lampe herciugctaumelt, und hing sie vor dem Maricnbilde auf, licsi die äußern Fcn-stcrbrctchcn, au welche die Wellen hinaurcichtcn, nieder, und trug dafür zwey in Laternen brennende Lichter aufs Verdeck, worauf eine disharmonische Litancy in italiänischer Sprache und sehr durchdriugcnbcn Klagetöncn erfolgte, welche in einem fortwährte, und mit andern Gebeten abwechselnd, uns unsere abgeschiedene Lage uoch fühlbarer vorhielt. Aufzustehen und bey diesem Unwetter sich von dem Sturm und dem Toben der Elemente sichtbar zu überzeugen, wäre von geringem Nutzen, und sich bey diesem Herumwerfen aufrecht zu erhalten und fortzukommen, nicht leicht ausführbar gewesen. Die Seekrankheit nahm übcrdieß zu, hi'emit auch die Schwache, daher auch eine stille Hingebung in den ungewissen Er» folg. Der Schiffsjunge kam wieder, die Klagelieder hatten aufgehört, allein noch heftiger schäumte das Meer,- ich nahm mir endlich den Muth zu fragen, wie es stünde, uud gewahrte zu meiuem Vcrdrussc, dasi der Schiffsjunge nur die maltesische,Sprache verstand, nämlich das mit dem Ita« licm'schen vermischte und verdorbene Arabische; denn seine Aeußerung auf gebrochen italiänisch: „k eine GefaH r", konnte uns unsere gegründeten Besorgnisse eben nicht ver» scheuchen. Endlich kam der Kapitän, welcher uns dieselben ganz bcnchm, indem cr wünschte, oicß Unwetter möchte. ,3 rccht lange anhalten, wenn nur dcr Wind um ein halbes Vicrtcl (moxio tzuarto) nördlicher blasen wollte, um den Lauf nach Süden mchr zu begünstigen, Dcr verrufene Guarncro war passitt, dcr Wind schien des Kapitäns Beifall erringen zn wollen, und benahm sich nach Wunsche. Wir traten allmälig aus den aufgeregten Wellen in cinel ruhigere See, und die Nacht verstoß, indem uns dcr Morgen i vor. bcygcscgclt, unterschieden die Stadt Nagnsa, und d!^ aus dcm Innern des Landes sich an die Sceküsic drängenden Bcrgrcihcn. Diese mit Schnee beladen, und steil und schroff sich in das Meer hcrabscnkcnd, schlössen den interessantenGc, sichtskrcis. Der Montenegro bcy Bocche di Cattaro verflachte sich schon gegen den ersten türkischen Ort Anti-vari, in dessen Nahe Dalmatiens südlichste Spitze mit jenem Gebiete ihr Ende erreicht, als sich wieder der Horizont trübte und die See unruhig zu werden begann. Ein eigener unbestimmter Wind, der bald die Segel von vorn, bald rückwärts blähte, und sich durch ein cigcncS Gefühl als ungewöhnlich verkündigte, verlor sich abwechselnd bis zur Wind« stille, kam wieder, und brachte kleine Regenschauer in Absätzen auf uns herbey. Dcr Horizont war ringsherum wie im Zwielichte, und schweres düsteres Gewölk, an seinem Umfange mit scharfem Rande wie abgeschnitten, senkte sich immer tiefer, und schien wie aufgehangen über uns zn schweben. Es war gegen Mittag und doch ungemein finster, als auf einmal sich aus dcr Wolke eine Spitze nach der andern, ,4 .5 wie ein herabhängender Dolch zu bilden ansing, und alle don verschiedener Größe, Dicke und Länge, mehr ober weniger tiefer hcrabrcichcnd, wohl 2a an der Zahl auf dem Meere selbst eine sonderbare Erscheinung verursachten. Wo die scharfen Wolkcnspl'tzcn tiefer herabrcichtcn, da war das Wasser bewegter, cm Dampf schien zuerst vom Mccrc aufzusteigen, der plötzlich in eiueu Kreis sich aufwärts, so wie ein Wir« bclwinb den Staub zu ergreifen pflegt, zu drehen begann. Dieser Wirbel, anfanglich durchsichtig, baun solid, wurde nach unten zu breiter, je höher er stieg. Durch Fernröhre beob' achtet, schäumte und kochte das Wasser auf der Oberfläche, und bewegte sich, immer noch mehr Wasser aus dem Grunde an sich reißend, mit einer unglaublichen Schnelligkeit spiral« förmig in die Höhe, aber um so mehr verdickte sich auch die schwarze Woltenspihe, und vereinigte sich zuletzt, wie zwey mit den Spitzen einander zugewendete Kegel, mit der untern Wassersäule. Unser Sckiff stand also mitten unter so viclcn — Was« ser hosen — deren Name schon den Seefahrern ein Grauet ist; die Windstille blieb j die Wasserhosen rückten heran, uud schlössen immer enger und enger den Kreis. Der Kapitän runzelte die Stirn, uud wagte nicht auf gut maltesisch zu fiuchen. In dieser amüsautcu Lage, welche mir anfänglich so interessant schien, schlüpfte auf einmal der Steuermann, em junger wohlgebildeter Istricr, in die Kajüte herab, und holte ein Buch. Die Matrosen lehnten sich au die Stricklei, tern und die Masibäumc, und wir, begierig der Dinge, die da kommen sollten, blickten wechsclswcisc den Kapitän und den Steuermann an. Letzterer schlug das Buch auf, wende-te sich gca.cn die nächste Wasserhose, las stillschweigend für sich aus dem Buche einige Formeln, indes; ihn kein anderer Laut unterbrach. Der Kapitän zeigte auf das Gewölk und bemerkte, daß sich jetzt die Wasserhose zu zertheilen anfange, ,6 und in der That glaubte ich cine Abnahme derselben bemerkt zu haben, indeß der Scrivano — so nennt man ihn auch anders — den Johannes-Segen einigemal wiederholte. — In weniger als einer halben Stunde hatte sich ein Wind erhoben, die sanfte Auscinandcrschmelzung der Wasserhosen, die sich noch nicht vollständig gebildet hatten, gewahrte ein sehr anziehendes Schauspiel: eine lösic sich nach der andern auf, bis das schwer?, finstre Gewölk am Ende selbst zerriß, aus einander floß, und bey einem heftigen Regen der Wind uns wieder schneller von bannen hob. Die Küste von Dalmatien bietet wegen der mannigfaltigen Inselgruppen, welche sich in der Gegend von Spa-latro in zwey große Abtheilungen trennen, und aus schma, len, langen und parallelen Inseln bestehen, einen schr inter« essanten Anblick. Zwar sind wenige dieser Inseln mit Holz bewachsen, und nur Sträucher und Gebüsche bedecken siel allein eben deshalb, weil man in stets sich verändernder Ansicht alle dahintcrlicgcndcn gewahr wird, bietet ihr Ucbcrblick cincn eigenthümlichen Reiz. Zuletzt sieht man die schroffen Gebirge Dalmaticns im Lauft des forteilenden Schisses stets den Reisenden begleiten, bis sie sich im türkischen Gebiete cndcn, und das ihnen treu folgende Küstenland vor den Gewaltthätigkeiten der Osmancn schützen. Bevölkerter sollten wohl diese Inseln seyn, allein man findet die meisten öde und verlassen, eine Folge der großen Unsicherheit durch ehemalige Corsarcn und Seeräuber; überall, wo man ein artiges Landhaus erblicken sslltc, sieht man ein kasiellärtigcs Gebäude. Die Reise auf Dalmaticns Küsten ist des felsigen Bo. bens wegen sehr beschwerlich, und die Landstraße» wegen der leichten Communication zu Wasser vernachlässigt. Der Boden ist ungemcin fruchtbar, und das Klima, besonders jenes von Nagusa und Cattaro, sehr mild und trefflich. Die Dalmatiner sind längs ihrem schmalen Küsten' und »7 Insellanbe alle geborne Seeleute,- alle grössere Städte ber< selben habe» der Schiffahrt ihren vormaligen und jetzigen Glanz zu verdanken, besonders Ragusa, die ehemalige Re-publik, und jetzt dieBocchc di Cattaro. Eine der größten Flotten sogleich mit dcn geschicktesten Matrosen zu versehen, wäre für Dalmatien eben so leicht, wie die Aushebung eines Armcccorps am festen Lande. Der gemeine Dalmatiner ist ctwas roh, allein da die meisten gcrciset sind, gilt dieses blos von dem einwärts lebenden Gebirgsbewohner. Sie sind starke und wohlgebaute Männer, besitzen viel Patriotismus und sind ruhige und biedere Leute. Die jetzigen Ansialten und andere Einrichtungen sind ganj dafür geeignet, sie in kurzer Zeit dcn naher der Hauptstadt liegenden Provinzen in der Kultur naher zu bringen und die Nation zu bilden. Das Gebiet von Cattaro liegt in ?2° nördlicher Breite, und ist in jeder Hinsicht eben so interessant, als es noch sehr wenig untersucht ist. Mein Schiffspatron hatte eine Freude, daß wlr am Montenegro unserm drohenden schwarzen Schicksale entgangen waren, und er fing an, seine Kanonen — armselige, aus schlechtem Eisen gegossene Büchsen — zu rcparircn, um, wie er sagte, sich bey irgend einem Anfalle auf dieser türki» schen Küste gegen Korsaren vertheidigen zu können. Alle verrostete Flinten, wosil schwerlich seit der Zeit der ottomani« schcn Belagerung von Malta im Gebrauch gewesen, und ei» nige Eäbel sollten geübten und kühnen Seeräubern Ehrfurcht einstoßen. Die Kajüte, wo eine stille und eingesperrte Luft war, der Geruch von Schiffsthcer, Thran, Haringen und Pökelfleisch, der aus der nahen Speisekammer sich dahin zog, zwang mich, obwohl sie übrigens ungcmcm niedlich war, den ganzen Tag auf dem Verdecke zuzubringen. Langeweile war gleich da, denn die rege Phantasie mußte, durch die wachsende Hoffnung zwar immer genährt, doch am Ende Erster Theil. V ,8 mit ihren angenehmen Bildern und Traumen erlöschen: auö langer Wcilc zeichnete ,'ch also das Schiff von der Puppe nach dem Vordcrtheilc hin mit den Masten, Seilwcrk, Sc« geltüchcrn, Pinasscn, Matrosen und dergl. ab. Sogleich fiel es dem Hrn. Kapitän, den wir indessen blos Schiffspa« tron nennen wollen, auch ein, mich zu ersuchen, ob ich ihn nicht abzeichnen wolle. Ich bejahte cs, postirte ihn auf eine der Kanonen, und zeichnete ihn so ab, wie er war. Seine Physiognomic glich, da er als cingcborncr Malteser mau« rischcr Abkunft zu seyn schien, dem trotzigen Gesichte eines Tunesiers; er sah ungeduldig dem Zeitpunkt entgegen, sich auf dem Papier zu erblicken, konnte cs gar nicht erwarten, und als er endlich das Papier in die Hände bekam, beklagte ivatagcntcn derselben cri< B » 2t> siirtcn, ans Mangel einer thätigen Hülfsleisiung, seine be« trügerischen Absichten zu begünstigen schien. — Immer mit dem Steuermann wegen Direktion des Schiffes, Polhöhc, des zurückgelegten Weges in Streit, zog er dennoch stets den kürzern j bemühe jeden Tag machte er seine Kassen auf, zahlte mlt frohem Blicke seine Geldsacke, machte jene mit den ncugcpragtcn Thcresicnthalcrn, die er immer wieder überzählte, auf, und den Beschluß machte eine Drthorgcl, an welcher er den ganzen Cylinder cm paar Mal bis zum größten Ucberdrusse ableierte. Uebrlgens war er ein guter Mensch, wenn Meld nicht im Spiel war, nnd nach Art roher Menschen auch ziemlich leicht zu lenken. Einige Zeit waren wir uutcr mäßigem Winde fortgcsegelt, ohne weder an der Küste von Epirus, dem jetzigen Albanien, noch auch an Italiens, Großgricchcnlands Küste, noch an irgend einer Stelle Gebirge entdecken zu können. Doch in kurzer Zeit erhob sich gerade vor uns ein Gebirg aus den Wellen empor, und unsere Charten überzeugten uns, daß wir dem schon vor Alters so verrufenem Acroccrauni« schen Vorgebirge nahe waren. Auch diesmal log der böse Ruf nicht: <)ui viäit «2l« turZläuln et inlame» Leopul«« Xoraeerauni». Uns hatte ein heftiger Nordwind vonDurazzo in die Mündung des Adriatischen Golf's getrieben, vor welcher aber die Schiffe, so wie beyTenedos, durch die periods schen Winde zurückgehalten, lange warten müssen, bevor sie aus- oder einlaufen können. Brundusium, wo Au, gusius verschied, war wegen der allzu niedrigen Küste von Italien nicht wahrzunehmen, die himmelhohen steilen Felswände dieses in das Meer sich einsenkenden acroceraunischen Vorgebirges hingegen standen als furchtbarer Contrast uns gegenüber. 21 Hart a» ihnen vorüblir ging unsere Fahrt, und die über. standenc Gefahr vergaßen wir cbcn so schnell bey dem An« blick von Corfu, welches am Horizont mit seinen zwey gleich hohen, kegelförmigen, durch einen Bergrücken verbundenen Hügeln kcnnbar, uns die glückliche Ankunft in an« dcrn Meeren verkündigte. Die Wellen gingen sehr hoch, bald fand sich unser Schiff auf der Spitze einer derselben, welche mit ihrer heranbringenden schiefen Fläche sich gleichsam wie em Keil unter das Schiff zu drangen schien, und sich dann wieder zu cbnen und zu verflachen begann. Hierdurch entstand auf demselben Orte eine tiefe kcssclförmige Vertic« fung, in welche das Schiff versank. Ohne jetzt im minde. sicn Land mehr zn erblicken, sahen wir uns von einem Kranz von Wellen ringsherum umgeben, welche an Höhe unser Verdeck übertrafen, und mit stetem Schäumen und Brausen über uns zusammen zu stürzen drohten. Eine von ihnen nä< herte sich gewöhnlich mehr als die andere, drang auf uns ein, und hob mit ihrer schiefen Lehne das seitwärts gewcn« bete Schiff, dessen Masten sich niederbeugten und wo alles vom Verdecke herabzustürzen schien, wieder so sehr in die Höhe, daß wir das ganze tobende Meer überblickten, und Land, Gebirge und Inseln wieder ansichtig wurden l das Schiff richtete fich auf, bis uns die Wellen sanft wieder iy den Grund hinabgleiten ließen, mch dem wl'llkührlichc.n Spie-« le einer zweyten uns oahingabcn. Der Kapitän ließ, als wir in ein stilleres Mccr überzugehen anfingen, einige Segel kappen und zusammenziehen, und so cbcn stieg ein Matrost auf das äußerste Endc einer Segclstangc, als hinter mir ei« Schrei entstand und alles in die See rückwärts zu blicken anfing; -— eine Mütze, welche dieser Matrose verloren hat-tc, und die ihm von oben herabgefallen war, klärte den Irrthum der Meisten auf, daß cs nicht der Matrose selbst, der diesen Schrey veranlaßt hatte, gewesen sey. Dieß führte 22 mich auf dic Frage, was man in dcm Fall wohl machen würde, wcun der Matrose selbst herabgefallen wäre? Ach« scljuckcnd antwortete der Echissspatron, daß man ihm nicht helfen würde, nnd dieß die Strafe seiner Ungeschicklichkeit Ware, — dcrm, bevor wir mit eigener Gefahr das Schiff Wenden, nnd ihm bey cntgcgcngefttztcm Winde nacheilen wollen, ist er langst von den Wellen verschlungen, darum lassen wir nns in solchen Fallen nicht stören, nnd fahren in Gottes Namen fort.---------Er sagte aber dieses so gleich. gültig, daß man sah, cr habe nur die Matrosen gedungen und nicht gekauft. Wie vortrefflich ist der Sklavenhandel! In solchen Fällen wird sogleich anf dcm Schiffe ein Protokoll aufgenommen, von alien unterschrieben, und im ersten Haftn, wo man einläuft, im Abgang eines eigenen, einem Consulate von was immer für einer Nation, welches dort rcsldirt, übergeben, worauf eine nochmalige Untersuchung, Confrontationcn, Eidschwüre nnd dcrgl. zu folgcu pflegen, um den möglichen Fallen von Gewaltthätigkeiten auf Schiffen strenge Grenzen zu setzen. Vor dcm Auslaufen müssen alle Personen, welche sich auf das Schiff begeben, sich vor die Sanität stellen, und zwar jedesmal wo angehalten wird, oder werden muß; selbst kleine Barken von wenigen Personen werden von den Consulatspcrsoncn untersucht, um sich von der persönlichen Gegenwart aller Individuen zu überzeugen, welches in vielen Fällen dcm Reisenden ungcm^'n lästig wird. Man kann aber auch vor ihnen alle ftinc Beschwerden anbringen, und auf Erleichterung, Abstellung oder Bcfrcynng dringen. So groß und unumschränkt das Ansehen jedes Padrone di Barca (Schiffspatrons), jedes Lieutenants oderCapitans zur See ist, eben so gering ist dasselbe auf dcm Lande, wo cr selbst gegen seine Matrosen den rauhen Ton verliert, der ihn zur Cce wie einen Murrkopf charaktcrisirt; es ist daher nothwendig, wcnn Nciscudc, dafcrn sic in sel- 33 teilen Fallen auf dergleichen Bramarbas gerathen, von den guten Verhältnissen, in welchen sie mit den Behörden stehen, ein Wörtchen fallen lassen. Der Matrose ist aber in der That das unbegreifliche Opfer einer ftcywilligen Wahl. Wo es am tollsten, am siürmischtcn zugeht, da ist er im wahren Sinne des Wottcs am liebsten. Das Gehen auf den Bram- und Scgclstangcn, das Klettern auf den Strickleitern bis an die höchste Spitze zu dem Sopra-papafigo — dem kleinsten und obersten Segel des mittlern Mastes; das Herablassen an einem Strit« ke von dieser erstaunlichen Höhe, scheint ihm ein Scherz zu seyn. Eines jcoen Befehls vom Kapitän gewärtig, unterwirft er sich der Ausführung der gefährlichsten Anordnungen und Geschäfte mit einer natürlichen, unbedingten Zolgclei« siung. Die Zahlung ist diesem beschwerlichen Dienste inch? angemessen, und nur der natürliche angcborne Tricb kann dazu verleiten. Der Matrose muß geboren werden, der Flachländer ist dazu schlechterdings nicht geeignet. Die Zahlung darf aber in der That nicht beträchtlich seyn, da» mit die Unordnungen, denen sich die Matrosen ausschwci, fend zu überlassen vfiegcn, wenn sie das feste Land erreicht haben, auch nicht lange anhalten mögen. Oft hatte ich das scharfe Gesicht der Seeleute zu bewundern Gelegenheit ge-habt, jetzt wurde ich aber davon völlig überzeugt. Wir sahen uns in der Nähe der kleinen Insel F a no zunächst Corfu nach Italiens niedrigem Küsicnlandc um, als der Schiffs^ patron plötzlich auf der Schärft des Scchorizonts ein Schiff gesehen haben wollte; er fasitc es ins Auge, und sogleich erklärte er es nicht nur für eine Bombarda (einmastiges Schiff), sondern wußte schon, wem sie angehören müsse, wer sie beladen, wober sie komme, und hundert andere Bc< merfungen. Ich- der ich mich cbeu über Kurzsichtigkeit nicht zu beklagen hatte, konnte kaum eine Spur von der »4 Splhe des Mastbaums entdecken; bald stimmten aber auch bic übrigen damit übercin, und je naher dieses Fahrzeug kam, um so mehr beschäftigten die Schicksale dieser Vom-barda alle Schiffsleute vom Patron bis zu unserm maltest' schen Schiffsjungen. Bald darauf wurden wir noch 3 an< dcre Spitzen gewahr, wobey es der Versicherungen bedürfte, sie für Fahrzeuge zu halten, 2 davon waren unserm Matro-scnpersonale vollkommen bekannt, nur das dritte, hieß es, wisse man nicht, was, und woher es sey. Alles dieses bestätigte sich in kurzer Ait, M der Steuermann mit dem Fernrohre sich 10 Sprossen an der Strickleiter aufwärts be. mühte. — Da wo nichts zu seyn scheint, schcn sie genau; nichts entgeht ihrem Blicke, Land scheinen sie, wie die Ka« mccle in der Wüste das Wasser, zu riechen, und Meilen legt der Reisende oft zurück, ehe er ihre Versicherung bestätigt sieht. Uebung ihrer Sinne in dieser Hinsicht ist die Ursache ihrer Gcsichtsschärfc, uud sie ahnen sogar aus dem Dunstkreise, der über einem Lande schwebt, das noch unter dem Horizonte ruht, dessen Nähe, ungerechnet, daß der öfters gemachte Weg sie über die Nähe der Gegenstände belehrt. Wir lagen in der Nähe von Corcyra, und machten in der Stunde kaum eine halbe Seemeile, denn der Wind hatte sich gelegt. Corfu heißt nun diese berühmte Insel, welche stets die wichtigste dieser Reihe gewesen ist, und die zusammengenommen jetzt den Namen der Republik der 7 Inseln führen. Das feste Land ringsum gehört der Pforte; die Inseln sind aber das Eigenthum der Vcnctianer schon durch Jahrhunderte gewesen. Durch die Bemühungen der Fran< zosen, denen mit dem Venctianischcn Staate die Republik der 7 Inseln nach dem Prcsburger Frieden 1806 zufiel, soll die Stadt Corfu, auf dieser Insel gleiches Namens, als Festung unüberwindlich geworden seyn; wenigstens ist bekannt, daß die Franzosen während ihres kurzen Besitzes viel u5 darauf zu verwenden genöthigt waren, .um sich derselben zu versichern. Corfu ist ganz von Griechen bewohnt, jetzt unter Englands Regierung, ziemlich bevölkert und frucht« bar: die prachtvollen Gärten des Alcinous wurden wahrscheinlich dahin versetzt, weil sie von dem griechischen Staa. tenbunde etwas entfernter lag; hier scheinen die nach Athen reisenden Römer aus Brundusium, an der apulischcn Kü< sie, zuerst gelandet zu haben, indem der Weg der kürzeste ist, auch spielt Ho raz darauf an, indem er das Acrocerau« nische Vorgebirg mit seinen Felsenriffen ein schandliches nennt. Die nächste südliche Spitze Italiens ist das gegenüberliegen, de Promontorium Iavygium, welches zur Vcrsinnli« chung des Weges von ihm durch den daselbst herrschenden Wind bezeichnet ist. Unterhalb Corfu, dem jetzigen Par, ga und Prevesa gegenüber, wo jetzt Vomitzo oder auch Vaniza liegt, sieht man das Vorgebirge Actium, jetzt Azia genannt, berühmt durch die Seeschlacht gegen An to« nil» s und Cleopatra, welche den A ugustus zum Allein« Herrscher machte. Die von ihm zum Andenken dieses Sieges erbaute Stadt Nicopolis liegt jetzt in Trümmern. Daß Fano dic Insel der Calypso sey, wäre bey ihrer fabelhaften Existenz selbst bann nicht wahrscheinlich, wenn auch ihre Form und Gestalt — cin nnförmlicher in die See hin« ausgeschobncr Fclsblock — die herrlichen Garten jener Göttin aufzunehmen im Stande wäre; indem Telemachs Vaterland, die Insel Ithaka, jetzt Theaky genannt, ganz außer der Richtung sich befindet, welche er, um seinen Va< tcr Ulysses aufzusuchen, hatte nehmen müssen / und im Sturm war er wohl nicht ausgelaufen, und Mentor dürfte wohl den Weg nach Lemnos nicht in nördlicher Richtung eingeschlagen haben; wahrscheinlich ist die Lage der Insel Ealypso südlich zu suchen, indem die Mythe wohl eine Verirrung vom Wege, abcr nicht die widersinnig entgegen» «s gesetzte Ricbtnng erlaubt. Durch das Wort Calypso zcigic übrigens sicholl an sich dcr Dichter an, baß cr von einer verborgen lebende», unbekannten Göttin und Insel sprechen wolle. Ich machte an diesem Tage eine interessante Bcobach. tung. Als ich des Mo: gcnS, zur Ersparniß des süßm Was. strs, bey kaltem Winde, :,m Gesicht nnd Hände zn wasclicn, etwas Eccwassc" begehrte, tauchic mir ein Matrose den an einem Stricke befestigten Kübel über Bord, und hob mir Sccwasscr hcrcnlf. Es befremdete mich mm ungemcin, als ich ins Wasser griff, und dasselbe nicht etwa tan, son-dcrn wirtlich so warm fand, als ob es aus einer warmen Quelle gekommen ware; ich überzeugte mich mm, daß diese Wärme auf dcr ganzen Mccrcsflache, wo wir fuhren, verbreitet, nicht etwa blos von dcr Kälte in dcr Luft, als rcla« tiv wärmer, herrührte, sondern nur wenn heftiger Wellen« scklag sich zeigte. Der Matrose sagte mir, daß das Schiffs-volt sich sicts nach einem heftigen Sturme vorzugsweise zwischen tlippigcn, Gestade zn baden pflege, weil dann daselbst das Wasser wärmer sey, als auf der freyen See. Di'csi bc. statigtc meine, in kcmcr Cchrift erwähnte, sogar öfttr noch widcrsprochcnc Thatsache, daß sich das Wasser durch Bewegung und den Wellenschlag wirklich erhitze, nnd daß oie< se Temperatur-Zunahme blos von dcr Reibung des Wassers herrühre, denn kurz nach einem Sturme findet man die Warme des Sccwasscrs von dcr an rnhigcn Tagen oft um 3—4 Grade verschieden. Dieses gilt jedoch nur bis auf eine gewisse Tieft, denn unter 45 Fuß ist das Meer auch bey den größten Ctürmcn, wie es Taucher, Perlenfischer, und Versuche unstrcitbar dargcthan haben, völlig ruhig, es kann daher nicht in Bewegung gerathen und sich auch nicht erhitzen, dagegen abcr die Wasscrmasse an dcr Oberfläche, besonders durch das Verdunsten, seinen Wa'rmcgchalt leicht 2? wieder einbüßt, denn in der That ist an, andern Morgen das Wasser wieder so kalt als vorher, n:id gscich nach dem Sturme ruht die See. Vey ruhigem Wcittc ist dagegen der Unterschied der Wärme-Grade des Wassers auf der Oberfläche und in der Tiefe unbedeutend, und di'c Warme fast dieselbe. Ich holte schnell ein Thermometer und fand hie Lust ,25° R., die des Sccwasftrs »45", also um 2° wärmer als die Luft; auch machte ich die Bemerkung, daß bey scbarfem schneidenden Winde die feuchtgcmachte Ther» momctcrlugcl sogleich nach ocm Abtrocknen durch die Lust, tiefer ficl, als wenn sie trocken derselben ausgesetzt wurde, und daher kurz darauf wieder stieg. Dieses Phänomen ist wieder allein dem schnellen Verdunsten der Feuchtigkeit an der Queasilbenugel zuzuschreiben; so wie durch die freie Verdampfung eines Tropfen Aethers das Thermometer, be« sonders im Sommer, noch um 2—3° tiefer fallt. Es ist unglaublich, wie sehr das Wasser durch den Wellenschlag in Erhitzung Versetzt wird, denn statt daß der taltc heftige Nordwind Bora in Trieft, welcher in einer Sekunde wenigstens 4o Fn5 zurücklegt — vermöge der Schätzung eines cntris. senen Hutes durch Zahlung der Sekunden und Abschreitmig der Distanz — und daher nach dem Gcsctzc der Verdunstung das in die heftigste Brandung und Schäumen der Wellen versetzte Meer um so mehr abkühlen müsste, findet man im Gegentheil das Wa,7cr um so erhitzter, jc länger der Sturm gedauert hat. Von der Luft kaim hier die Mittheilung der Warme an die Masse des Wassers ,m'cht geschehen, und daher der Capa^ eitat nach nur unbedeutend seyn, diese Tempcralnr > El> höbung des Wassers bcmi Wellenschlag ist daher sowohl der Reibung dei-Wassertheile unter sich, als auch den mmmigfal-tigca Hindernissen dcr E^adc, nicht minder der Friktion des Schlages der Wellen, und dem Ucbcrstürzm der schäu» Hg menben Wcllcngipfcl zuzuschreiben. Es dürfte daher nicht minder der Fall seyn, daß der größere Salzgehalt des Meer. Wassers das größere spezifische Gewicht desselben, und folg. lich die geringere Beweglichkeit und Vcrschicbbarkeit der Wasscrtheile, die Friktion und daher die Folgen derselben — größere Wärme — begünstigen müssen. Nähere Untersuchungen über die Zunahme der Warme des Seewasscrs nach Stürmen, und das Abnehmen derselben gegen die Tiefe zu, ferner über das Verhältniß zur Warme der ruhigverbliebe« ncn Wasserfläche und mehr entfernt vom Lande, hatte ich weiterhin anzustellen leider keine schickliche Gelegenheit, da in der Turkey dergleichen Versuche Aufsehen erregen. — Cine herrliche Nacht, wahrend welcher ich durch das angenehme Schaukeln des sanft bewegten Schisses in die lieblichsten Traume, als die Folge heiterer Erinnerungen ei« ncs genußreich verlebten Tages, eingewiegt worden war, verband nun das scheidende Jahr voll Ereignisse mit einem kommenden, schwanger von Hoffnungen, deren frohe Er« süllung iedcr enteilende Tag begünstigen sollte, als ich von einem Halbschlummcr erwachte und das zum ersiemnal auf meine Schlafstattc fallende Sonnenlicht mit dem neu ange« kommnen Iahrstagc freudig begrüßte. Bald war ich ango kleidet, und eilte auf das Verdeck. Hatte mich je etwas überrascht, so war es die Ccene, .welche mich erwartete, und mich jetzt in ihrer vollsten Wir« kung traf. Die Sonne war so eben in gewohnter Pracht aufgegangen, und eine Morgenröthe so schön, als sie nur immer das Ziel der Wünsche irgend einer begünstigten Gegend des nördlichen Europcns seyn kann, war ihr vorangc-eilt. Kein Wölkchen belastete den azurnen Himmel, und kein Nebel trübte ihn. Ausgebreitet lagen vor unscrn Blicken die hohen nun mit Schnee bedeckten Gebirge Griechenlands vom Pino us bis an den fernen Taygctus. Lange, 2g schroffe Bcrgreihen zogen sich in parallelen Linien nach Sü. den in ununterbrochener Folge herab. Hin und wieder trat ein Seitcnasi ab, zertheilte sich wieder, und senkte sich als Vorgcbirg sieil und vordringend in das die Küsten um« schweifende Meer; ich überzeugte mich, indem ich schnell einige Chattcn des alten Griechenlands heraufholte, daß jenes, was unser Blick übersah, das feste Griechenland ganz umfaßte: Achaja und Elis, Naupactus und Phocis — Olympias Gegend, welche der Alp Heus durchströmt, und Arcadiens Gebirge, wo"'cr entspringt, sahen wir mit frohem Erstaunen. Links begrenzte die Insel Cephalonia, rechts die Insel Zante (Zacynth us) dieß einzige Bild; endlich gewahrten wir auch den Parnassus, dessen Lage auf dcr Charte sich so leicht bestimmen ließ, und ein maßiger Nordwind gönnte uns längere Zeit dieß so seltene, vielleicht nie wiederkehrende Schauspiel zu genießen. Je weiter die Insel zurückwich, um so zackiger entfaltete sich das Gestade, um so schöner breitete sich das viclarmigc Gcbirg des Pelo-ponncsus aus. Naher kam uns dcr Taygetns, höher hob sich das Pcntedactylon, sich nach Mcsscnicn und Sparta herabsenkcnd, empor, und schenkte uns die Ueberzeugung seiner richtigen Benennung. Dcr Berg Pylus erschien bey Methone und immer tiefer tauchten sich Thessaliens und Böoticns hochbeschncitc Alpen in den lichtbeweg« ten Scehorizont. Lange dauerte dieses Schauspiel, bis endlich die Sonne selbst, welche es so majestätisch beleuchtet hatte, durch die Mittagswarme die Nebel verdünnte, und sie wieder in den Dunstkreis hob, welcher uns die Reinheit und Scharfe dcr Formen lieblicher Gegenstände entzog. Eigenthümlich ist es unserer psychischen Natur, von angenehmen schnell zu traurigen Gefühlen überzugehen; es scheint, als ob da, wo der Zeitpunkt einer völligen Beruhigung des Gemüths durch die Freude eintritt, sie abzunehmen beginne, 5«, nnd die 'Abnahme derselben cine schmerzliche Stimmung erregen müsse, die zur Wchmuth stimmt, so daß die Freude dcn Menschen auch erschöpft und seine Reactionen zu be« schwichtigen lm Stande sty. Die Vergangenheit hatte derEr^ ,'nncrung Völker, Begebenheiten, Personen und Thaten geliehen, die Phantasie solches geordnet, sich an der Mannigfaltigkeit der vorübcreilendcn Bilder ergötzt, nnd nun rückte sie unvermerkt den Zeiten der Gegenwart näher. Dieß bcl'.ahm leider diesen Scenen, da sich die stets verjün< gendc Natur mit dem Ernste der immer mehr alternden Zeit zu einem ästhetischen Contrasie paarte, dcn Nciz, wcl« chcn die Gegenwart der fortschreitenden Cultur und Glückst« ligkeit dieser Völker erheben sollte. Die gemachten Erfahrungen waren weder dazu geeignet, sich dem Glauben einer Tauschung, noch dcn Ueberrc-düngen der Hoffnung hinzugeben. Barbarcy folgt auf Cultur, Völkerwanderungen auf Eroberungen, Sklavercy auf eine gute Leitung der Rechte der Menschheit. Die Folge gab mir die Gelegenheit, die Beweise für anerkannte Thatsachen zu sammeln, und ihren Zusammenhang zu überblicken.--------- Wir hatten uns schon dcn Tag vorher vergeblich bemüht, einige Fische, welche stets an dcn, Vorocrthcile dcs Schiffes demselben voraneiltcn und im Wicdcrschcinc mit ihren breiten silbernen Qucrstreifcn glänzten, zu fangen, al-lein immer wollte es nicht gelingen, heute sammelten sich wieder einige solche Fische am Vordcrthcil desselben, und schwammen genau so schnell, als dasselbe segelte. Dein Steuermann gelang es zuerst, mit einer zackigen Gabel, welche er von oben senkrecht über sie hielt, dcn größten dcrscl« ben zu spießen und glücklich herauf zu ziehen. Er hatte im» gefähr iz Pf. an Gewicht, war silbcrgrau, und besaß quer über den Leib schwarz violette breite Streifen, man nannte H» ihn von Seite der Matroftn Fanfano- Sein verglichenes Ansehen unter den Fischen, ist wie jenes des Or-md^x üllliln,« nlttcr den Insekten. Er zeichnet sich durch die be. sondere, keinem andern Fische zukommend? Eigenthümlich» kett aus, überall, wo er cin Schiff erblickt, sich vorn an den Schnabel desselben zu begeben, siets voranzucilcn und ihm sogar in andere Meere zu folgen; eine Eigenschaft, wel< che in der That überrascht und ihn gleichsam zum Hunde unter den Fischen macht. Er wird aus Aberglauben von den Schissslcntcn gern gesehen, man spießt ihn aber doch immer, wenn cr sich zeigt, und hat man mchrmal vergeblich nach ihm gezielt, so kommt er wieder, bevor er sich durch wiederholte Angriffe verscheuchen läsit. Betrachtet man ihn anhaltend und genau, so scheint sich bey seinen Anstrengung gen und Bemühungen der Glaube aufzudringen, als ob die» sts Thier l'n seiner rastlosen Geschäftigkeit wirklich glaube, der Führer des Schiffs zu seyn. Sein gestreifter Körper, vierkantiger Schweif, dessen ScitLükaltten in die Mittclnaht übergehen, die 4 Stacheln vor den Rückcnfiossm, und die weißen Spitzen aller übrigen Flossen zeichnen ihn vor alle« Fischen aus, ich bestimmte seinen systematischen Namcn, und fand baß es der 6a«tero«teuz vliclor des LinnL sl'y. Er liebt den Schalten und folgt ihm; sogar unter schwimmenden Brctcrn und schlafenden Seeschildkröte« sollen sie sich im Frühlinge sammeln. Eben als ich ihn gezeichnet hatte, und man ihn dann zum Zurichten übergab, näherte es sich der Mittagsstunde j der Steuermann brachte seinen SpiegclseMnten und nahm die Sonnenhöhe. Ein äußerst sanfter Wind schien in eine völlige Luftstl'llc übe: zugchen, ich lehnte mich an die Zug« welle des Ankers und sah auf das herrlich ausgebreitete Laud, als plötzlich das Schiff heftig erzitterte und ein dumpfer Ton aus dcm Innern desselben nachhalltc. Der Schiffspa. Z5' tron, der neben mir stand, wurde verlegen, erschrack und wuß-tc nicht, was er vermuthen sollte; mir kam dagegen vor, als ob irgend eine kleine Quantität Pulver, etwa ein Gewehr .im Schiffsräume losgcgangcn ware; diesem folgte schnell ein zweyter, und cm schwächerer dritter Stoß, welcher unser Stillschweigen endigte, indem die Matrosen versicherten, daß es ein bloßes — Erbeben — wäre, und wir gar nichts zu fürchten hatten. Weit waren wir ohnehin vom Lande, um etwa eine Klippe oder eine Sandbank befürchten zu können, und kaum war dieses Ercigniß vorüber, als sich der Wind sichtbar verstärkte, ein Beweis, daß selbst dieser kleine Erdstoß auf die übrige Atmosphäre nicht ohne Einfluß geblieben war. Dieß veranlaßte auf dem Schisse verschie» dcnc Aeußerungen und rief die mir bekannten Ereignisse dieser Art auf dem mittelländischen Meere ins Gedächtniß zu» rück. Seit Jahrtausenden sind Vulkane und Erdbeben, Zerstörungen ganzer Strecken Landes von Kleinasiens Küsten bis nach Portugal, nichts Ungewöhnliches, und aus der Geschichte die Ausbrüche der in der Mitte dieser Lander liegenden Vulkane, so wie die furchtbaren Erdbeben, welche die Küsten von Kleinasien, des Archipelagus, Athen, Korinth und Epirus, in neuern Zeiten Calabricn, Sicilien, Messina und Lissabon betrafen, noch in frischem Andenken. Die Instl Milo kannte man vor Pli-nius nicht, sie soll unter schrecklichen Naturcrcigm'sscn entstanden seyn. Tourncfort, welcher 1699 den Archipelagus besuchte, sah die Insel Kaimeni bey Sant or in gleichfalls noch nicht, welche einige Jahre spater, mehrere Meilen im Umfange bei schrecklichem Erdbeben, aus dem Meere sich emporhob, worüber sich um so weniger zweifeln läßt, als der Monte nuovo ohnwcit Pozzuoli bey Neapel auf gleiche Art in einer einzigen Nacht entstand Und auf mehrere loo Fuß sich erhob. 22 Dicscs gab Veranlassung folgern zu können, baß, da man sich allgemein über dic Abnahme dcs Meeres beklagt, hie Erdbeben die relative Ursache davon ftyn dürften/ indem dic verschiedenen Angaben ohnehin im Widersprüche mit einander stehen, und jetzt einige Küsten ganz unvcran« dcrt, andere abcr erniedrigt, noch andere dagegen erhöht er. scheinen. — Die Erhöhung des Landes, besonders der flachen Küstenländer, wo viele Flüsse sich ausmünden, kann zwiefach seyn. Entweder sind es die Flüsse, welche nach einem kurven kauft aus hohen Alpcngcbirgcn, hie mit sehr reißend 'cy den wiederholten Schnee-und Rcgcnfluthen im Jahre, Steine, Schutt, Kies und Sand daher rollen, solches nach und nach ins Mccr tragen, dcu Grund ausfüllen, und end« lich allmählig über dem Wasser emporkommen; oder es sind partielle Erhebungen von Küstenländern durch Erbbeben. Beweise vom ersten geöen dic Stadt Aquilcja bey'Tricst, welche zn den Zeiten der Römer au der Sec lag, einenge« raumigcn Haftn hatte, und jetzt i-i Slundc von der See entfernt liegt; wer cmc gcuaue Charte dieser Gegend betracht tct, wird keinen Anstand nehmen können, diesen Zuwachs an Land den zu beiden Seiten von Aquilcja herabstürzenden Gcbirgsflüsscn Lisouzo und Tagliamento vcnuitttlst Auschöttcruug dcs Flußmatcrials zuzuschreiben, um so mehr, da sich bey Grao selbst nach dem Icuguissc älterer Leute stets Land ansetzt. An der Mündung dcs Tagliamento liegen 2 beträchtliche Untiefen, welche sich in einigen Jahr. zehnden zu Inseln erheben werden. Jetzt schon fahren die bcladcncn Schisse von Truest nicht direkt nach Venedig ab, sondern zuvor nach Pirano, um vou da erst direkt und in gerader Linie abzusegeln, blos ans Furcht vor den beiden Sandbänken des Tagliamento. Ein paar neue Iahrta«. 'ende schlicsicn den Golf von Trieft und bilden einen See. Erster Thtil. , C Z4 An de? Küste von Isirien und Dalmalien sieht man we» gcn Mangel an Strömen keiue Spuren ähnlicher Vorgänge, hingeben bieten die Mündungen des Po, bey welchem nian weit ins Meer hinaus seinen Unicftn ausweichen muß, cm eben so sicheres Beispiel. Das Wirthshaus an seiner Mündung, welches vor einigen Iahrzchnden noch am Strande lag, isi jetzt schon eine Viertelstunde davon entfernt. Ostia tcrsucht und geprüft habe, lassen keinen Zweifel übrig, daß sich, weil sich diese Bader jetzt genau so, wie vor uoao I.,h< rett zur Fluthzcit mit Seewasser füllen, wahrend dcr Ebbe aber wieder vollkommen leer werden, dieselben in ihrer ur« sprünglichen Lage erhalten haben, und also keine Senkung dcr Meeresfiache und Abnahme der Wasscrmcngc erfolgt sey. Hatten Erdbeben auf den Boden von Alcrandrien Einfluß gehabt, so müssten dicsc Bader entweder tiefer odt? höher als die Mecreofiachc liegen, und hiemit in beyden Fällen unbrauchbar seyn, welches bis jetzt nicht der Fall ist. Hat sich demnach das mittelländische Meer bcy Ale. xandrien weder erhöht noch erniedrigt, so kann dies auch bey keinem andern Punkte de? europäischen oder asiatischen Küsten dcr Fall seyn. Andere Erfahrungen belehren lms, daß in andern Ec< gcndcn verschiedene Strecken und Platze eingesunken sind: hcdcn, dc« Durchbruch der Dardanellen vernrsacht haben mag. 5? Der olympische Jupiter hatte uns vo», seinem berühm« testen Wohnschc, dem nahcn Olympia, auf griechischem Bo« den salutirt und wir fuhren weiter. Die önusischcn Inseln, jetzt Lc-Sapienze, hatte« wir in, Gesicht und gewahrten die südlichste Spitze Curopcns, das Cap Matapan oder l'i-yn». 1'„m. Eine ganz einfache Bergkette im't fast gleiche,« Nucke,», sonderte sich vom Taygetus ab, welcher in Nordost schimmerte, und vcr« lor sich unmcrklich m diese Spitze, hinter welcher die Insel Cythera, jetzt in Ccrigo umgctMft, liegt. Die Mainottc», ein, rohes händelsüchtiges Volk griechischer Abkunft, wechselseitig stets, in kleine« Fehden be« griffen, bey gemeinschaftlicher Gcfah? in der engsten Vcrci« uigung, sitts bewaffnet, raubsnchtig, bey Windstillen nahenden Kauffarthey schiffen gefährlich,, sollen die einzigen ecl,s ten (?) Abkömmlinge der alte.« Spartaner seyn, welches sich jedoch in Hinsicht auf persönliche Abkunft bezweifeln, auf d e moralische aber fast ganz ablällg>;cn läßt. Unversöhnliche Feinde der Türken, sind sie in ihren Gobirgsschlupfwinkel« des Taygetus noch nie unterjocht worden und zahlen auch keinen Tribut. Rfiftndc, welche in ihrer Gegend sich anfhiclten, r5)» men jedoch ihre Gasifreyheit und manche ihrer einzelnen rühmlichen Seim,. Von dcn übrigen Griechen werden sie verabschcnt, diese aber von den Mainottcn verspottet. Die mittlere Warme am Mittage war ft it der Zeit nn» screr Abreise von Trieft stets ,4° R. im Schatten, in dcn Morgenstunden nie untcr-l- ^", am Abend beinahe immer die Mittagswäline. Die nachfolgenden Tage in diesem Monate waren regnerisch, die Nachte windstill, wenig Sonnenschein, das Regcnwasscr, welches gesammelt würbe, aber ungemein warm mit ^. , ,^ R. — Merkwürdig ist cs, daß die Schiffslcute gewisse Punttc im mittelländischen Meere 29 kennen, welche ick Wind knoten nennen möchte; cS si„b solche Punttc, in welchen nur Extreme von Luftbcwegungcn, entweder heftiger Wind odcr gänzliche Windstille, henschen: so wie man aus denselben heraustritt, findet man entgegen-gescytt Winde in Thätigkeit. Tage lang kann man an sol< chen Gegenden sich verweilen, und kommt nicht fort, oder das Schiff läuft daselbst die größte Gefahr; doch ist das er. sicrc gewöhnlicher als das letztere. Zwey solche Pnnktc sind in der Gegend der dalmati« schcn Inscl Lagossa und bey Modon an den önusischcn Inseln, Lc«Sapienze genannt; sowohl auf der Hin - als Rückfahrt sprachen die Kapitäns immer von diesen beide« Punkten unzähligcmal, und ich fand es auch beiderseits je« desmal bestätigt; denn nirgends traf sich Windstille, als eben dort, wo es die Schiffsmannschaft befürchtet hatte. Auf dem Schisse hört man selten von etwas Solidem, sondern immer nur vom Winde sprechen, ein jeder prophezeiet vom Winde, und gewöhnlich alle in den Wind; nichts mtcrcssist zur See als dcr Wolkenzug, auf den man auf dem festen Lan« dc gar nicht Rücksicht nimmt, wo man vielmehr auf Grä<. bcu und fahrende Chaisen wcit mehr Acht hat, und auf den Wind nur m so fern achtet, als man seine Augen vor Staub zu sichern genöthigt ist. Ein jeder prophezeiet auf dem Schifft guten Wind, und jeder führt Gründe seiner Behauptung an; je besser der Wein ist, dcn die Mannschaft bekommt, um so fester ist ihr Zutrauen auf guten Wind; wird aber der Windprophct zu Schanden, so ist er mit der Vertheidigung schnell zu Ende, indem er alles auf die Veränderlichkeit des Windes schiebt. Die Ursachen Vieser W indtnotcn, wo die Thätigkeit der Winde gehemmt ist, ausier wclcbcn sie aber herrschen, lass'n sich aus der Richtung der Gebirgsketten, nach denen gewöhnlich Winde wehen, die sich in diesem Punkte vcrdrük. -I fcn, bann von den durch eigenthümliche Veranlassung Herr» schcudcn Winden einer Gegend, welche mit andern in einem bestimmten Punkte in Conflict gerathen, soust aber nicht an-ders enlaren, als daß solchen Plätzen dic uns noch unbe« kanatcn Ursachen der Luftbcwcgung und des Durchgangs der Winde fehlen, welche, bevor sie dahin gelange«,, aufhören, oder von ihrer Richtung abweichen müssen. Als Mr nun dies Vorgebirge, CapoGallo genannt, und Coron im Nucken hatten, kam auf kurze Zeit ein Nordwind, welcher beinahe ganz nack der Richtung des Schiffes blies. In solchen Fällen ist dic Bewcguug des Schiffes ganz anders, nub dies wirkt anfänglich unbcwusit auf das Gefühl auf ein« nicht unangenehme Wcise. Das Schiff wird nicht so her« umgeworfen, sondern wie auf dem Meere fortgcschobcn, und ist für jene, die der Seekrankheit unterworfen sind, weit angenehmer. Die Echiffslcute nennen einen solchen Win'», dcr nach derselben Richtung blast, wohin man steuert, den Wind im Hmtcrchcil: Vema in ^u^; deshalb pflegt man dem Cccmaun statt: «Kon viagZw, glückliche Reise" — „venw in ^nppa, Wind im Rücken^ zu» zuruftn. Bald schlüpften wir mit unserm Schisse unterhalb dcr <5üdspitze Europ^ns dem Cap, Malayan durch, und, blickten auf das flache Ccrigo, das ehemalige Cythera, hin, welches die lctztt nnd südlichste der europäischen Inseln ist. Ein warmer Regen unterhielt eine gemäßigte Tempera tur, und wir bcfanocu uns schon fast im 36" der Breite, welches durch die zunehmende Warme der Tage und die Kür« zc der Nächte um so merklicher wurde. Am Lande ist es je< doch vcrhaltnißmWg warmer als zur See, hingegen der Unterschied der Temperatur bey Tag und Nacht weit geringer; daher sind am Lande zwar die Tage warmer, weil die Scrah. lcn a-^f den trockenen Boocn fallen, die Nächte aber dagc« gcgcn rcchältnihmäßiZ weit kühler. Ho Man kaun daher zur Sec dieser gleichförmigen Tempe« ratur wegen auch weit leichter am Pcrdccke schlafen, als am Lande, wo der Körper an die Hitze dcs Tages gewöhnt, die Kalte um so mchr empfindet. Inseln haben daher das angenehmste Klima, welches wegen seiner Gleichförmigkeit am meisten zu schätzen ist. Ge-gen Wcnd, der fthr heiter und warm geworden war, zeigten sich mehrere Schisse in der Entfernung: jedes stgeltc mit einem andern Winde, d. h., jcocs hatte bey eben derselben Reise ^Richtung dennoch einen andern Wind, welches man HN der Lage der Segel bemerkte, ein Beweis, wie mauuig« faltig si'l, die Luft kreuzt, streicht, drückt und ablenkt. Der Schars^.,!' der Seeleute, cutferutt Gegenstände, die für Ungeüdtc schlechterdings nicht zu entdecke« sind, richtig auf. zufassen, wahrzunehmen und zu bestimmen, die Größe, Richtung, Beschaffenheit aller Fahrzeuge, mit einer Menge später richtig eintreffender Umstände anzugeben, erregte neuerdings, wie billig, meine Verwunderung. Von allen diesen Schiffen sah man anfänglich in Süd-ost am fernen Horizont ein kleineS Stäbchen nach dem andern hervorkommen; sogleich wnßtc der Kapitän, daß es Schisse von dicscr und jcncr Größc sind, wie viel Segel und Masten sie hätten. Wir konnten indeß Segel von Masten und vom Körper nicht unterscheiden. So zeigte er dem Steuermann eins dieser Schiffe mit den Worten-, „seht jenes dort, es hat sich an's Land gewendet, ist in einen andern Windstrich gerathen." Es ist einem geübten Seemann ein Leichtes, ein Fahrzeug, wenn es auch, so zu sagen, im Gesichtskreis verschwindet, anzugeben und, zu behaupten, daß es eine Fregatte, eine Nave, Brigg, Palaka, Piclego, Scuna, Pombarda, Parca, Traba-colo und dergl, sey, wclchc Arten von Schiffen selbst in der Nahc, und für cincu noch Ungeübten schr wenig Unter. 4i schieb in der Bauart, Form, Grösse und Masscnanzahl bar« bitten. Dcr Wind war uns wiedcr nicht günstig« und l>'^ fich Nachlnittags vollends. In der Dämmerung, als wir al-lc noch auf dcm Verdecke standen, und der Schiffspatron über Pona;;a oder Calma (Windstille) sich beklagt hatte, und sehr uiisinntthig auf« und abging, machte, das Schiffs« volk einen freudigen Lärm, Kaum hatte, cr aufgeblickt, so gab cr das Commando. Wort, und alles flog herbey, klct« tcrte und zerrte an den Tauen, Stricken und Segeln, und gab dcm Schiff? eine solche Einrichtung, als ob der Wind im Rücke,« ware, da doch qllgcmcine Windstille und völlige Ruhe herrschte, Mit heiterer Miene zeigte mir nun der Echlsssvatron «ine längs der Eeefiächc von N. W, hcranstrcichcndc, fast violette Ncbenwolke mit dcn Worten? der Wind isi da! Ich trat mm auf den Hintcrtkcil des Schisses, sah dieselbe wie einen schwarzen Kreis iimncr naher herbeieilen; das M(<;r" wurde vor derselben unruhig, warf kleine Wellen« die im« n,cr größer wurden, und bevor sie noch, das Schiff ereilten, blies ein günstiger Wind schon in die vorgerichteten Segel. Dieser Wind dauerte jedoch nicht lange, sondern legte sich sehr bald, Die Nacht blieb still. Früh um 5 Uhr verstärkte sich erst der Wind, so daß man für die Stunde etwa 3 Mglien, H deutschen Meilen, rechnen konnte, allein es war ein Südostwind (Scirocco), welcher nur in einer sehr schicfcn Richtung in unsere Segel blies: hatte indeß dieser die ganze Nacht angehalten, so hatten wir an diesem schönen Morgen Kreta's hohe Gebirge gewiß schon wahrgenommen. Ich blickte noch einmal auf Methones Berg, dcn Pylus, den hohen und, bcschneyten Taygctus, auf die Eüdspitze von Europa, das Cap Mat a pan, sah noch cinmal auf das schöne Cythera hin, und nahm vom festen Lande Europa's Abschied, um auf einer Insel zu landc«^ «H welche mlt ihren fruchtbaren und angenehmen Gefilden schon von den Alten Macaroncsos, „die Glückselige" ge. .nannt worden war. Hicr erneuerte man wieder die Vorsich« ten gegen die nahen Main orten, welche mitNccht das unterste Ende Europens bewohnen, denen zwar dcr ersie Strahl dcr Morgensonne, aber der letzte dcr Bildung und Aufklärung leuchtet nnd sic begrüßt. Um nicht unvorbereitet angegriffen zu werden, mußte am Schiffe doppelte Wache bleiben, und einer von .*,)ncn im-wer auf dem Verdecke auf- und abgehen, damit der Schiffspatron versichert sey — dasi die Wache ihre Schuldigkeit verrichte — ohne selbst nachsehen zu müssen. Wenn es zu emcm Angriff kommen sollte, so bot ich mich an, mich an die Sandkörbe zu stellen, indem ich bewies, daß ,uit dem Streuen des Sandes in die Augen man bcsscr als mit vcrro« steten Säbeln und Flinten sich aus dem schlimmsten Handel zu ziehen im Stande sey.--------- Kurz darauf brachte ein sanfter Wind verschiedene Gc< gcnsiande zum Vorschein, welche mcinc Aufmerksamkeit reiz« l- ,4° R., die des Negenwasscss ^ n° R. von angenehmer Warme; als ich so mit dem Thermometer manipulirtc, und es wieder in den kühlen Seewind hielt, stieg es neuerdings auf ^- »4° R. Mein Finger aber, der von dem durchdringenden kalten Seewinde, so wie mein ganzer Körper erkühlt worden war, bewirkte dagegen durch Berührung dcr Kugel eine Senkung des Quecksilbers bis auf 4-125°, so wie ich aber losließ, stieg das Thermometer wieder empor; dieß ist ein Pewcis, daß der Wind wohl auf den feuchten Körper des Menschen, aber nicht auf das trockne Instrument kühlend wirken könne, und daß ich hicmit jene Warme, welche mir dcr Wind durch die ucrmchrtc Ausdünstung entzog, von der Quccksilberkugcl 45 wieder erhielt, indem ich ste berührte, und welche bcftuchttt, beym Verdunsten des Tropfens, ebenfalls, doch nicht so merklich, dieselbe Temperatur«Erniedrigung zeigte. Alles hellte sich auf, der HoriMt wurdc licht, Nn Klaftern mir bekannt war, niedriger konnte dcr Ida wohl auch nicht seyn. So war nun das Räthst! gelöst, warum Kreta so Pflanzenreich sey; denn seine Gebirge übertrafen alle griechi, schcn, welche wir bisher gesehen hatten, bey weitem att Höhe. Ihr Effekt ist noch weit größer, als sie selbst, denn am festen Lande ruhen Gebirge von gleicher Elevation übet der See auf einem hohen Terrain, und auf Vorgebirgen aufgesetzt, hier erhebt sich aber diese Fclstnmasse gerade aus der Fläche des Meeres empor. Die spätern Barometcrmcsi sungcn entsprachen auch ganz dcr vorhergegangenen Echäz, zung. Eben so einleuchtend war mir, daß Kreta bey dcr Ansicht dcr Charte des Archipelagus zwar zu dem dnrch Erdbeben untergesunkenen nun zu einem Instlmccrc zertrümmerten 4? lande gehören, abcr wegm der besonders großen Masscngebt'r« ge diesen Revolutionen widerstanden habe, und als eine Fort« setzung dcr pcloponncsischcn Gebirge im Zusammenhange mit den asiatischen durch ihre gemeinschaftliche Lage zur BeHerr-' scherin beyder bestimmt sty. Vermittelst des Eccoktanten nahm ich den Gesichtswinkel, unter welchem ich beyde Ber. gc erblickte, suchte auf dcr Charte die Entfernung zn messen, und bestimmte nach den kleinen Vlacquischcn Sinnsta« feln beyläufig seine Höhe auf 780a Fuß. W^ näherten uns dcm Cap Grabusa, dann dem Cap Spoda. Ich war der Meinung, dcr Kapitän würde ln den Haftn von Canea dennoch einlaufen, so wie es'nach unserer Verabredung styn sollte, allein er suchte Handel, um nn't mir zn schmollen, und mir etwas wcgtrotzen oder vcr< weigern zu können, zu dem er sich doch verpflichtet fühlte. Allein ungeachtet des ungesitteten Betragens dieses Ignoranten wollte ich nicht darauf dringen, dort einzulaufen, weil lch bemerkte, daß es ihm 2—3 Tage Zeitverlust losten, und ihn von seinen Geschäften in Candia abhalten könnte; mir war es im Grunde nicht unangenehm, zuvor den größten Theil dcr Insel vom Schiffe aus zu überblicken, mich zu orientircn, und meine Rciseentwürft ins Klare zn setzen. Ich nahm daher die Homanmschc Charte, die vollständigste, welche wir bis jcftt besitzen, (die mcinigc kam mannigfaltiger Verzögerungen wcgcn nicht zu Standc, und folgt cmst nach), zur Hand, blätterte in Tournefort's Reise, und nahm durchs Fernrohr mit Vergnügen die grünenden Platze wahr, die überall auf dcn Vorgebirgen unfern frohen Blik« ken begegneten. Langsam fuhren wir längs der Nordküstc dcr Insel einher, die Insel Theodoro und Canea, tief im Grunde des Mecrbnscns, waren freudige Gegenstände, deren Nähe uns für ihre Gegenwart entschädigte. DaS kolbenförmige «8 CapMaleca, welches dcn einzigen natürlichen und vor» trefflichen 5?aftn, bi: Seebucht voü Suda, verbirgt und bil-bet, und welches zuerst auf beiliegender antiquarischer Chat-tc von Kreta richtig gezeichnet ist, versprach mir viele an» gcnelMe Genüsse, b.ftndcts weil bourne fort es so stht 7Ühmt. Rcttimo, ^ic dritte Ctadt der Insel, das chcma. lige Rithywna, z.igte sich Mit ihrem niedlichen Kastell, und dee Olympische Ida schien sie zu beschützen, der sich übet demselben in dcn Himmel emporhob.' Die obcrc Hälfte sei-ner Höhe war ganz mit Schnee bedeckt, und bildete mit dem lebendigen Grün der Orangen« und Limouicn. Garten einen eigenem Contrast, da der Europäer, der beyde einzeln und von. einander getrennt zu schen gewohnt, ihr Beysam-mcnscyN um so interessanter finden muß. Ich zweifelte nun keinen Augenblick, daß dic altc Mythc dcn Ursprung der Götter, und den Erzichungsort des Jupiter wohl nur auf den majestätischen Ida, den höchsten Berg des gesammten Griechenlands, konnte vcrscht, und daß man ohne Anstand denselben seines imposanten Ansehens wcgtn zu einer solchen erhabenen Bestimmung mochte gewählt haben. In der That nehmen sich auch Gebirge zur See ungc-mein schön und pnmkvoll aus, wenn dic gewählte Entfernung von ihrcm Fuße mit ihrer Höhe im Verhältniß stehet, und der Seefahrer wird selbst bey seiner Fühllosigkcit für die Windstillen entschädigt, indem die Winde in der Nähe sol. chcr Kolosse aus Ehrfurcht vor ihnen zu schweigen pflegen; er bewundert unwillkürlich und ««chanisch aus langer Weile, um wiederholen zu können, was Anderen rühmcnswcrth vorgekommen war. Der bcschncytc Gipfel dcs Ida rief mir dic kurzvorher gesehenen Gebirge Süd-Deutschlands ins Ncdachtniß zurück. Das Interesse würde erschöpft, denn )ic Erinnerung trat mit der Gegenwart ln einen Bildcrkamps, >« die Phantasie m ihren freyen Wirkungskreis versetzte. 59 Schiller, den ich in der Hand hiclt, gab mit semen „Flüssen" Anlaß, Berge" zu versuchen; ich bemühte mich, vorübergehende Eindrücke festzuhalten. Griechen, lands berühmteste Höhen hatte ich erblickt, und vom Mont-blank bis zum Libanon noch Manches zu sehen, lächel-tc mir die Hoffnung zu. . Die Berge. Der Pa rn a si. Steit ist mein Abhang, rauh die gipfelführenben Pfade, Doch auf dem Fittich des Aar's schwingt sich der Genius empor! Der Helikon. Canst entquoll mcmcm Gipfel Hippocrenc, der Durstigen Labung, Doch sie ist versiegt ^- seitdem die Musen mich ftichn! DcrIda, itzt Psiloriti genannt. Vertilgt ist durch die entarteten Aare das Geschlecht A malt h ecus, Die einst meinen Liebling schützend zum Doim'rcr erzog, Der Olymp raubte zuerst nur den Stolz eines gerechten Besitzes, Und nun ist sogar mein guter Name dahin. Der Olymp. Ach wie erfreut' ich mich des Besitzes dcr Unsterblich-Cr» habcücn, Bis sie entsetzt über das Wort „eines Sterbenden" fioh'N' Der Pindus. 3« mir schickten die Dichter ihre vertriebenen Götter, Allein — auf meinen klippigen Höhen mit was bewirth' ich sie denn? Ersicr 3hetl. .. D 5« Der Kapitolinlls. Erloschen sind meine Vulkane, die einst den Erbkreis erschüttert, Matt sinken nun auch meine Blitze — hingcschlcudert zurück! Der Aetna. Als ich noch Götter in meinem Innern beehrte, Schoß feurig der Strahl durch die gelichtete Nacht: Itzt ergreift mich sclt'ncr der Zorn frecher Entwendung, Und starrendes Eis hat meinen Scheitel ergraut. Der Vesuv. Was ich mit Mühe durch Asche und Lavasiröme bedeckte, Entreißt mir ein neugierig Volk trotzig mit wühlender Hand! Der Berg des Klosters Camaldoli bey Neapel. Auch ich muß ein Wort hier verlieren, denn ich sehe — Jahrtausende schon, den schönsten Busen der Welt'. Der Hetla. Der Geiser liefert meines Grames heißeste Zähren, Daß mich das finstere Loos unter die Eisberge warf. Der Strombolj. Brüderchen, gib dich zufrieden, du schmelzest, wenn's dir gefallt, Des Eises berstende Rinde, und im Winter wird ja uns Beyden nie kalt! Der Montblanc. Kühn erhebt sich mein eisiger Scheitel über die Brüder, Doch erblicken wir alle freyer Stamme fröhliches Glück. — Der Ortcls und der Glockner. Mit emporgerichtetem Haupt bewachen wir unsere Gebiete, Die noch kein Feind uugcrochcn betrat, Und wahrhafte Zeugen alles dessen sind wir, Was ein edles Volk für seinen Fürsien gethan. — Hl Der Kb nig stein in Eachse^ Standhaft und keusch, wie cs der edlen Jungfrau geziemet-" Gehorch' ich allcin nur dcs Ehemanns befehlendem Ruf Die Hügel bey B*". Umgeben uns gleich dcs Sandes endlose Steppen, seh'n wir — Was endloser Fleiß der kargen Natur kühn entriß. Hngcl nm London. Suchen wir gleich die platten Scheitel zu heben Drückt uns dennoch die Last der weltumgreifenden Stadt. Montmartre bey Paris. Mein Name erinnert an die Bußc dcs Mcernmflossencn Landes, Mein die Wallfahrt zu mir — tilgte die Folgen bitterer ReuV D^r Pic von Teneriffa. Stolz beschütz' ich Herakl'es Säulen, die Pforten Cur«. pens, wenn dcr Pilot Vom sprühenden Gipfel mißt dcr Entfernung Ziel. Der Baldo. Pflanzenreich sind meine Höhe», doch lobt sich der lüsterne Wanderer auch meinen fruchtbringenden Fuß. Der Libanon. Meine Zedern entwandte man mir, einst zum Bau de» Palläsie. Sie sind dahin — und meine Zierde sieht noch. Der Sinai. Unter Donner und Blitz gab ich der Menschheit Gesetze, Aber der Jude verehrt noch immer das goldene Kalb! Der Kalvarienbcrg. An Höhe mit andern zu eifern — verzicht ich, Doch mich nur allein nennet mit Ehrfurcht die Weltl 52 Der Oelberg. An meinem Fuße prangt die höchste Zierde der Schöpfung, Zwey Jahrtausende schon pflanzt durch die Welt sie sich fort. — Der Grabeshüqcl. Gehaust aus gelockerten Echrollcn, über frisch gcwühlctcm Grunde, Berg'ich sorgsam, was mir das Schicksal auf wuchernde Zinsen verlieh. Dsch cb b cl et Ma , ut bey Theben. So wie ihr mir es gabt, licf'rc ich es euch wieder, doch Leichen allein! Denn durch das Gebot dcr Natur bin ich cS selbst. Die N icsenkuppe. Zufrieden mit der Benennung erlaub' ich, daß man Mit Barometern mich mißt — und droben sein Frühstück verzehrt. Der Blocksberg. Ehedem war der crsie Maytag mein Fest, Itzt führet der sehnliche Wunsch manch' liebendes Braut. ^ paar herbey. Der Chimbora sso. Eue Häuser umhüllenden Ctadtbunst rag-ten blos die Minarets und die einzelnen hohen Dattelbaumc hervor; rechts an unserer Seite röthctc sich ocr Gipfel deS Ida, itztPsiloriti, der hohe Berg, genannt, jedoch links der hohe Dikra, Lassiti heut zu Tage, schim« merte noch nicht; ein Beweis, daß der Ida höher ist, indem der Dikta noch übcrbicß mehr gegen Morgen liegt, seinen Gipfel daher der Sonnenstrahl früher ereilen müßte. — Die Insel Dia lag vor uns. Man nennt sic Stan« dia; wir gewannen ihre Nahe in kurzem, fuhren sie um, und suchten die heiterste, aber bequemste Bucht derselben auf, unsere Brigg umfuhr daher ihre ganze Südseite, und warf an dcm sichersten Orte und bequemsten Platze die Anker in den Grund. Eonst ware dieser Lärm auf dcm Verdecke, das donncrahnlichc Rollen der Taue, das Werfen mit Seilen und Stricken, die allgemeine Bewegung auf dem Schisse bey seinem plötzlichen Stillstand, welches ich so eben wahrnahm, nur sthr unangenehm gewesen,- allein itzt wurde sie die Losung zu einem unnennbaren Vergnügen, ich kleidete mich schnell an, schloß alles ein, und wartete ab, bis man am Verdecke die nöthigsten Arbeiten beendet hatte, um herauszutreten. Die Segel wurden ganz eingezogen und fest ge, bunden, alles kroch auf den Ecgelsiangcn umher, um bald zu Worte zu kommen, auszuplaudern, sich ein den veuuto zuzurufen und auszuruhen! Unser augenblicklicher Ausfiug ging auf die herrliche Insel, welche scheinbar öd und wüste, über und über begrünt war. Unsere Ausbeule war trefflich, besonders zeichneten sich 2 F.urcnkräntcr aus, wovon das cme mit einer seidenartigen Wolle ganz eingehüllt war, nämlich Dcssol'.taincs ä«ro5iiclmm lanußwo.^m, Der Oelbaum, die Fcigc, der I 0 hann > sbr 0 tbaum wa« -en hier wild; ungeheure Meerzwiebeln lagen hier zu Tau« 53 senden, und würben eine ganze Schiffsladung in einem Ta< fic geliefert haben. Außer diesem fand ich noch viele andere sclrcilc Gewächse") während der drcy Tagc, V0M7 —9ten Jänner, welche in dieser noch frühen Iahrszcit, theils vom vorigen Jahre rückständig, zu erkennen waren. Der plötzliche Stillstand dcs Schisses «nd vollends der Antritt anf die Insel verursachte einen Taumel nnd eincUn« sichcrhcit im Tritt ::nd in dem Gange. Die Gewohnheit, bey al, len Bewegungen und Schwankungen des Schisses durch eine unwillkührlich fortgesetzte Biegung im Gleichgewichte zu bleiben, den Körper durch das Vortreten jenes Fußes, wo« hin die Schwankung gcricl'ttt ist, zu unterstützen, oder durch bloßes Vor« nnd Nnckwartsbiegen dcs Körpers sich stehend zu crhalttn, bringt den Menschen, der nach längern See« fahrten plötzlich das Land betritt, in eine Verwirrung, •) Acrostichum lanuginosum. Clieilanthes odora. Euphorbia laeta, — Cliavaci.is, — Paralia's. Smymiiun Olusatium. Medicago «irborea, — »an ber Stliyye jDvo. Alysjiun croticum. — Siixatilc. Cctoi-.icli Ofliciiiarum,' Adiaiuluun Capillus. Gvammitis leptophylla. Lycopodinm denticulatum. Atropa Man du gor a. Origanum crcticum. —SmynKunn. Atbanasia maritiina. Scrophulari.i filicifolia. Mairitbimn P»eiido-dictamnus. Satureja capitals. Ecliinm italicum, Borngo cietica. Salviii triloba, Seriola crctcnsis. Vorbascum undulaturn, Phyreuma pinnatum, Eroflimu malacoid«!, — cicutariunit Asparagus aphylliu, Cotyledon serrata. — Umbilicus. Acarna gummifera. Carihamu» leucocaulos, Stnchelina arborc«ceii8, Cistus cveticu». Bellis Jimua, Carex Bertoloni. Anemone horteuäis. W. f I». 56 Welch« von dem beeinträchtigten Gemelngefühle und der den Muskeln und durch diese dem Nervensysteme eingeprägten, mm gestörten Association der Bewegungen herrühret, und eben so unangenehm ist, als jede plötzliche Entwöhnung von irgend einem andern gewohnten Gegenstand. Ich war in der That froh, auf dem Schiffe wieder zu seyn, dem ich doch vorher mit dem größten Vergnügen enteilt war. Hieraus erkläre ich mir auch den Abscheu alter Seeleute vor jedem langcrn Aufenthalt zu Lande, und ihre besondere Vorliebe zur See, sowie die Macht der Krankheit, besonders ncrvö. ser, acutcr, auf die Umsiimmung der Leidenschaften und Ab-lcgung von eingewurzelten Gewohnheiten. Dic Insel Dia, itzt allgemein Standia genannt, von ^,c ?i^ H,,«, scheint von jcher, anch in den ältesten Zcitcn, unbewohnt gewesen zu seyn, weil sich wegen ihrer Abgele. gcuhcit doch einige Spuren von Gebäuden erhalten haben würden. Es ist ungewiß, ob These us die Ariadne nicht vielmehr daselbst, als auf dem entfernten Naxos vcr, ließ, oder sie ihm von einem andern geraubt wurde. Die Inscl ist von der Nordftitc mit senkrechten unzugänglichen Felswänden umgeben, ftnkt sich aber dagegen südlich sanfter bis an dic Vorgebirge hcrab, und blMt sicmichte Flachen, welche von Schichten durchschnitten sind, die sich all,» südlich herabziehen. Dicsc Flachen bcsichcil nicht aus lokkern Steinen, sondern sind ftstcr Flötzkall'siein, welcher durch Verwitterung Vertiefungen bildet, in welchen sich ei< nige rothe Eistncrde angeschwemmt hat. Die Kanten dieser Löcher sind sthr scharf, und man muß vorsichtig einher-treten. Mehrere einzelne Platze sind schöner, viele Vertiefungen mit vortrefflichem Erdreich angefüllt, und die Ur-barmachung mit der auf das Locale berechneten oconomischeu Einrichtung unter cincr gcs^mastigcn Regierung möglich. Die Insel bat eine LanZc von beynahe cincr deutschen Meile, 5? die Breite ist ungleich, die größte 5 Meile, die geringste ioo —2aon Strauch vcgctirte, und mich an die mit Ephcu berankten Schlösser des Mittelaltcrs erinnerte. Der Hafen von der Westseite mit einem Molo, oder einem Stcindamme vcr» sehen, welcher gegen den Wellenschlag schützt, und gewöhn^ lich zmu Ausladen der Waaren dient, an der Spitze mit ei» ucm Kastell versehen, bildet einerseits, und an der Osiscite eine lange Maucr mit einem runden Thurme, welcher dem Kastell gegenüber siehet, anderseits den Umfang des Ha« fens, dessen Breite 6a — 70 Klaftern nicht übersteigt. Ucberall sieht man den geflügelten Löwen, das Wappen der Vcnctiancr, und den heil. Markus an den alten Gebäu« den und Mauern angebracht, und noch ganz erhalten, zum Beweise, daß alles dieß ein Werk der indusiriösen Venctia-ner ist, welche mehrere Jahrhunderte lang diese Insel bests« sen hatten, solche aber nach und nach ganz an die Türken verloren. Diese deutlichen Spuren von der ehemaligen Anwesen, heit dcr Venctiauer haben die Türken zu vertilgen sick gar nicht bemüht, und blos die Köpfe und Gesichter verstüm. melt, die Zeichen, Wappen, Iahrszahlcn unverändert stehen gelassen, obwohl dagegen die Werke selbst zu Grunde gehen, wovon das Gegentheil jede Nation an ihrer Stelle gethan ha- SS ben würde, Sie setzen eilten großen Werth barem, sich ih-rer Siege rühmen zu können und diese Besitzungen den mächtigen Vcnctiancrn abgcnoiumcn zu haben, deren Wichtigkeit durch den großen Verlust, den sie dabey sclbsi erlitten, noch. wcndigerwcise sehr erhöht seyn muß. Sie besitzen sogar das sämmtliche Arsenal und alle Trophäen, Rüstungen und Waf. fen der Venctianer aus jenen Zeiten noch ganz unversehrt, und es wird ein eigener griechischer Schlosser entschädigt, solche Jahr aus Jahr ein in gehörigem reinen Stand zu erhall ten; selbst das Getreide, Salz, kurz alles, was sich von den Vcnctianern vorfand, halten sie in ihrem kindischen Stolze über den Zufall der Begüusiigung noch immer aufbc, wahrt. Der Hafen ist ganz versandet, nur leichte Barken, und ausgeladene Schisse können einlaufen; nill man sie bc< laden, so führt man sie nach der Bucht in Standia und sendet die Ladung auf Booten dahin. Die grosicu Kanonen von dem schwersten Kaliber liegen an ihrer Stelle ganz der Lavettcn beraubt, oder einige verfaulte Trümmer derselben ringsherum auf den Wallen der Stadt, und zwar nahe an drittchalbhundert Stücke, sind aber jetzt ganzlicli unbrauchbar, und der Mohammedaner lächelt dabey dennoch selbstgefällig über diese sprechenden Beweist seiner Unwissenheit. Man hatte unser Schiff, als es bey seiner Ankunft auf der Höhe von Candia salutirte, und die Flagge aufgesteckt hatte, beobachtet, und nun strömte man haufenweist herbey, um die Ankommenden zu sehen und zu begrüßen; die buntesten mohammedanischen Trachten ergötzten mich, und so wie sich dem Iudcnthum eine eigene Physiognomie aufgedrückt hat, eben so fand ich einen charakteristischen Zug in alle« diesen heterogenen Gesichtern, baß ich den Mohammedaner nie weiter verkannt habe. Seine Stirn und sein Mund ist zunächst das Hervorstechende, was ihn auszeichnet, dann das 64 Auge und sein Gang. Die Stirn ist gerunzelt und ein ei« gencr Ernst und Stolz wohnt darauf, der Mund scheint die Gleichgültigkeit und Verachtung alles Ucbrigcn andeuten zu wollen, was die Gchirnmassc des kahlgcschorncn Schädels nicht im voraus gebilligt hat. Das Auge zeigt den Trotz und den augcnblicklichm Entschluß, jede Zweydeutigkeit ge^ gen seine Meinung zu rächen, welches der gebieterische Gang durch sein gezwungenes Ansehen unterstützt. — Wir traten auf die Terrasse, und das freundliche Aussehen malerischer Gruppen, buntscheckiger Gewänder von allerhand Farben, Schnitt und Verbrämung machte mich die trotzigen Physiognomien vergessen; denn die Kopfbedeckung war allein schon weit mannigfaltiger, ungemcin anziehend, und durch die Windungen der Turbane allein hinreichend angenehm zu beschäftigen, um so mchr, als man gewohnt ist — bey solchen Gelegenheiten eine zahllose Menge schwarzer Hüte zu erblicken. An dem Thore wurde ich cinc sehr lacherliche Scene ge^ wahr, an welchen es aber auch in der Türkey niemals wie-» der fehlte. Einer der vornehmsten türkischen Beamten der Stadt saß mit den prachtvollsten Kleidern angethan, mie weit gelüftetem Kaftan vor dem Haftnthore auf einem klei« ncn Strohstsscl mitten auf einem Kehrichthaufen. Er schien den Ernst cincs Jupiter Olympius an. genommen zu haben, indem cr in abgemessenen Zwischenräu-mcn sein 7 Scbuh langes Pfeifenrohr absetzte, und in einem Tempo den Rauch langsam hcrausblies. Er sah einem Haufen Griechen zu, welche den Schlamm vor ihm aus dem ganz versandeten Hafen in kleinen Handkörben hervorholten und neben ihm den Kehrichthaufen vergrößern halfen, auf dem er saß. Indem nun die Griechen diesen in Körbe gefüllten Echlamm den im Wasser Stehenden abnahmen, und rs neben dem vornehmen Herrn bmschüttcten, ohne baß dcr^ 65 selbe von dem angenehmen Gerüche die mindeste Notiz zu nehmen schien, kamen andere wieder, hoben den Koth wieber in Körbe ein, und luden ihn dann ihren Eseln auf die Trag. körbe, allem mit solcher Schonung ihrer Saumrosse, daß keiner über 2a Pf. tragen konnte. Der Aga hob immer sei. ne Augen, stieß einzelne Befehle ans dem Mnnde, und man sah die volle Ueberzeugung in seinen Backen, daj^ er solchergestalt in wenigen Tagcn den ganzen Haftn zu reinigen hoffe. Von Baggermaschincn weiß man hier nichts, nicht einmal so viel Verstand hat man, diesen Schlamm lieber auf Schiffe zu laden und ganz ohne alle Kosten wegzuschaffen, um ihn entweder zu benutzen, oder entfernt in die See zu werfen. Die Ursache der Versandung dieses Hafens ist das aus dem jüngsten Flutz-Sandstein bestehende Gestade um C an-dia, welchen der Wellenschlag zerreibt, und in den Ha< ftn abseht. Die dem Nordwind ausgesetzte Mündung oder Einfahrt des Hafens, die Unsanbcrkcit der Einwohner uud besonders die Uurathsl'anale, welche sich innerhalb des Hafens einmünden, tragen ihren Theil zur Verschlammung bey. Der Schissspatron und der Steuermann gingen in das Haus des Hrn. Domcnico, und ich folgte ih>,cn, begierig auf die Entwicklung ihrer Anschlage, von deren schlechter Tendenz ich sehr deutliche Spuren hatte. Ihr Agent, Hr. Domcnico di St. Antonio, ein gcborncr Mcssincscr, der Sohn eines Apothekers, Leibarzt des dcrmaligen Pascha von Cau 0 ia und Archiater desselben, wie er sich nannte, nahm mich rccht freundlich auf, drang in mich, bey ihm zu bleiben, ließ schnell alles in sein Haus bringen, was mir angehörte, und bezeugte mehr Zuneigung, als mir lieb war. Einem maltesischen Kapitän, dcsscn Physiognomie mich gut ansprach, und mit ocm ich umstcnthcils mich unterhielt, verbot er, mich in das Haus des französischen Consuls und der übrigen Europaer zu führen, oder etwas davon zu spre-Erster Theil. E 66 chcn. Auf meine persönliche Frage, ob cm ösittichischcr Agent hier sey, gab cr eine unbestimmte Autwort, und als cm Europäer, der eine weiße Kokarde trug, mich am Ha, fcitthore, wo ich mit dessen Bruder spazieren ging, freundlich anredete, und mir Vorwürfe zu machen schien, mich nicht an ihn gewendet zn haben, zugleich aber in jedem Fall bereit sey, mir behülflich zu seyn, wurde mir auf meine Frage blos erwiedert: er wäre aus dem Haust des französischen Consuls. Mit cincr feinen Wendung theilte er mir durch eine gelegentliche Anspielung dieses Verbot mit. Dieß verdroß mich, und mein Verdacht fiel nun auch auf den Hrn. Domenico, für welchen unser Schiffspatron die wohlbekannte Lcycr, die uns den ganzen Weg hindurch so sehr gc< martert hatte, und eine Mcuge anderer Gegenstände, Etof. ft, Kleidungen und Bedürfnisse ans Tricst auf seinem Schifft mitgebracht hatte. Den andern Tag kamen so eben meine übrigen Effekten von dort an, als Hr. Domenico einen freundschaftlichen Ton annahm und mich fragte, ob ich nichts Schriftliches als Accord über meine Einschiffung mitgenommen hätte? — Von wem kam wohl diese Fragc anders, als von unserm lieben Schiffspatrou? Ich sah nun ein, wie richtig ich mciue Leute beurtheilt hatte, und gab zur Antwort: daß ich die Frachtbriefe in meinem Koffer auf dem Schiffe hatte, und sie ihm sogleich nach Ankunft desselben zeigen würde; dadurch sicher gemacht, daß ick) nichts als Frachtbriefe besäße, trinmphirte der Kapitän sogleich, und Hr. Domcnico stand verblüfft. Er forderte nun die dop/ pcltc Summe von dem, was wir ausgemacht hatten, die Fracht für die Ballen ungerechnet, anf welche sich meine Frachtbriefe (?oii'^ cli <'m-i3tc Januar, wo man so etwas nicht ver^ muthete; um so mehr, als sich die Hyacinthen und Narcissen durch ihre Größe in den Blumen auszeichneten, allein der Duft, den sie von sich gaben, überzeugte mich, daß sie aus Gärten stammen müßten. Ich griff darnach. Man versicherte mich nun, daß Landlentc sie aus den umliegenden Gegenden um diese Zeit auf den Markt brachten, und solche in ihren Garten ohne besondere Sorgfalt cnltivirten. Un. ter dellselbcn war noch der wohlriechende Jasmin, blühende Büsche von Orangen- und Limom'eubaumen, und die arabische Vogelmilch (Onil,lu,ZüWui ln-uklomn), ein sehr schönes Liliengewächse zu sehen. Nach aufgehobener Tafel,— denn der Tisch würbe ganz abgetragen, und Stück für Stück hinausgetragen, — führte man zuerst Tanze nach europäischer, dann einige nach Candiottischer Art auf. Es nahm bey letztern ein Guitarre-spieler in der Mitte der Stube Platz, und die Zuschauer sct^ ten sich rings herum an den niedrigen Sophas längs der Wand: eine Rcihc von »2 bis i3 Griechinnen, einen einzigen Mann an der Spitze, gaben sich die Hände, und rutschten, indem sie den Körper hin und her, vor- und rückwärts bewegten, bey jedem Takt um einen halben Schritt im Kreist herum. Das Klimpern auf der Zither war ein eintöniges Recitativ, welches zuletzt unleidlich wurde. Einen andern Tanz erlaubte die strenge Etiquette nicht, auf den Instlu im Archipelagus ist man jedoch freyer. Hier lernte ich dcn Missionar von. Canca lcnnen, welcher sich, wie gewöhn^ 72 lich, durch drollige Einfalle auszeichnete, und Willens war, wieder nach seiner Zelle dahin zurückzukehren. Er kannte den griechischen Jargon dieses Landes ungcmein gut, und erbot sich, mir nachCanea Gesellschaft zu leisten, wel« chcs ich auch mit Vergnügen annahm, und seinem Rathe, auf meinem Boote zn fahren, siatt einer Lanorcisc, Beyfall gab. Bey einem andern Feste, welches ein reicher griechischer Kaufmann, Stcphanaki, der späterhin mit seinem 8ojährigcn Vater ein Opfer der zügellosen Volkswuth wurde, unserm Schiffspatron gab, — der ihm sicyrische Bretter und andcrcs Gehölz von Triesi mitgebracht hatte, — und welches sich durch Ordnung und durch besondere Fröhlichkeit auszeichnete, lernte ich den vorzüglichsten eingcbor-. nen Arzt, Hm. Giovanni Elcotherco, einen sehr gebildeten Mann, kennen, welcher italienisch und französisch mit ungmicincr Leichtigkeit, lateinisch, was sehr selten ist, sehr fließend und gewählt sprach, das M-griechische aber vollkommen innc hatte. Arabisch und persisch sprach er überdicß ungemcin gut, und er hatte den allgemeinen Ruhm, daß ihn im Türkischen Niemand auf der ganzen Insel, weder in der philologischen Kenntniß, noch in der Zierlichkeit des Ausdrucks, übertreffe, daher er oft geholt wurde, den Sinn ocr Fcrmans von Constan-tinopcl und mancher dunkler Stellen in der Sprache des Divans mit Bestimmtheit anzugeben. Dieser Wissenschaft« lich unterrichtete Arzt wurde von seinem Vatcr, welcher zn Padna promovirt hatte, gebildet. Fr. Hofmann, Frank, Haller, Morgagni :c. waren ihm nach ihren Schriften bekannt, die er besaß, und es war zn verwundern, welche richtige anatomische Kenntnisse er sich aus Kupfcrtaftln erworben hatte, ohne jc einen Menschen, das größte Verbuchen auf dieser Insel, anatomisch unter, ?3 sucht zu haben. Er theilte mir viele interessante Notizen mit. >-------- Bey der Tafel mußte Jedermann ein Distichon impro-visiren, dessen Endsylben sich manchmal reimten, und welches zur Ehre dcs Wirthes oder einer andern Person — ausfallen sollte. So verging der Abend, die Gesellschaft verlor sich, und auch die Drehorgel begab sich zur gewünschten Ruhe. Domcnico führte mich nun des andern Tages in mehrere Gärten tüttifther Besitzer, welche beym Pochen seinen Ruf erkannten, und ihm, da er Leibarzt des Pascha und auch der ihrige war, — so schnell als möglich öffneten, nachdem sie ihren Harem (Weiber) in das Gebäude versperrt hatten. Die Garten waren einfach angelegt. Blühende Rostn, Hyacinthen, Narzissen, Tulpen, einige Kai< serkronen, der Jasmin, jetzt so wie das ganze Jahr in voller Blüthe, dufteten mit den blühenden und zugleich mit Früch-ten schwer beladcncn Orangen- und Limonicnbäumen um die Wette. In jedem Garten waren ein oder zwey große Stöcke von der Moschus-Nose (k«52 mozolmw) vorhanden, die Zypresse drückte sich in eine oder die andere Gartcneckc, und ein Dattelbann, überschattet gewöhnlich den Licblingssitz. In der Mitte dcs Gartens war fast immer ein offenes Lust-haus, in dessen Mitte ein Bassin mit einer Wasserkunst, an dem Umfange aber Ruhcpolster angebracht waren. Die grofic violette Bohne, (i)c,1»;1u,51.iM.-ld I..) umrankte es ge< wohnlich, dcr Wcinstock, und selbst das blaue Veilchen, fehlten im Garten nicht, eben sowenig das hohc Gemäuer um den ganzen Garten. Plötzlich hörte ich von einem hohen Minaret den Muezin Mittag ausrufen; die Daumen drückte er in das Ohr, um sein Trommelfell nicht zu spren-gen, die Finger aber an die Stirn. Sein Ruf kam mir nicht so disharmonisch und unleidlich vor, als der Lärm von dcr türkischen Musik, welche nun in der Nähe begann; ich 74 wurde dicftMusicirenbcn ansichtig, dic in ihrem taktlosen, un< melodischen und disharmonischen Getönc sich wie die Kessel« schmiede bey ihren Hammcrschlagen gefielen. Dcr Gatten indeß, in welchem ich mich befand, zwang mich dcr Fruchtbarkeit, der Schönheit und Grosie dcr Orangen wegen zur Be-» wunderung. An einem einzigen Stengel, dcr senkrecht herabhing, waren auf einem Haufen ? Orangen beysammen, welche 4 Pfund wogen. In dcr Somu spiegelten sich die Bämnc mit ihren goldenen Aevftln, »nd Hcspericns Gärten schienen mein Auftnthalt zu seyn. Kic belasteten Baume neigten sich zur Erde, und viele der herabgefallcnen Früchte lagen auf dem Boden unchcr. Um eincu Pfennig erhält man die schönste Orange. Es gab auch süße Limo-nicn von einem eigenen Himbcergeschmacke, süsic dünn? und dickschalige Orangen, runzlige grosic bittere, die Ceoraten oder Fleisch-Zitronen von 5 bis N Pfund an Gewicht u«d »neloucnartigcr Größe, dann die süße große Orange, die kleine hochrothe, gedrückte, säuerliche, eine warzige groß-fruchtigc süße Orange, und im Durchschnitte zwölf verschiedene Sorten, die sich wechselweise zu übertreffen schienen. An dem Ende des Gartens stand ein wilder stachliger Zitroncnbaum mit kleinen Früchten; drückte man eine von den Orangen, so spritzte in der Sonnenhitze das aromatische Oel hervor. Candia ist durch seine Früchte berühmt, so auch Cauea. Im ganzen Archipelagus ist kcinc Insel, welche s« vortreffliche Orangen und Limonicn lieferte, als Creta. Man zählt »^ verschiedene Sorten Orangen, uud beynahe eben so viel Limonien-Arten; das Tausend der letzten tostet oft kaum einen harten Thaler, und dieselben zu pressen und mit Zucker zn binden, wäre fü> einen Kauf-» mann tine wichtige Spekulation, indem dieses für die Nord. lander ebcu so vorthcilhaft, im Sommer Linwiladc, als auch ün Winter cine Punsch- Ingredienz abgeben würde. 75 Bey dem Ausgang aus dcm Garten wurde ich den Majoran in Töpfen gewahr, und das ^mwuln äanchac. An der Thüre war dic ägyptische Ziege ((^ira mnmwi«») beschäftigt, die Blättertest zu halten. Sie zeichnete sich vor unserer Ziege durch den kculcnartigen Kopf, kleine zurückgc-bogene Horncr-Ausätze, und äußerst lange herabhangende Ohrlappcn aus, so wie bey den großen europäischen Jagdhunden. Sie stammt aus Acgyptcn, wohin sie früher aus andern Gegenden verpflanzt worden seyn mag, wird wegen ihrer Fruchtbarkeit und guten Milch sehr geschaht, und der gemeinen Ziege vorgezogen. So besuchte ich mit Domen ico mehrere Garten, in denen ich mit einigen Abänderungen immer dasselbe erblickte; dieß bewog uns, eine Excursion vor das Stadtthor zumachen. Wir fanden manche seltene Pflanzen und manches schöne Insekt. Die Spuren von vorjährigen vertrockneten Gewächsen vertrösteten mich, und deckten den Mangel au< genblicklichcr Befriedigung. Hier wurde ich zum erstenmal dieAussätzigcu gewahr, welche vor der Festung Candia eine eigene Vorstadt besitzen, und in die Stadt nicht eintreten dürfen. Ich schauderte vor dcm Elende zurück; den meisten waren Füße uud Haude abgefallen, und verkrüppelte Stumpft bewegten sich auf und nieder, indem eine schnarchende Fistelstimme oder durch die Nase unverständlich gc--schnüffelte Worte uns zum Mitleiden uud einer milden Gabe auffordern sollten. Ich hatte Gelegenheit, in der Folge, manche wichtige Beobachtuugcu zu machen, welche später folgen werden. Wir überblickten die trefflichen Festungswerke der Stadt Caudia, deren vergebliche Belagerung und die Stürme den Türken sehr viel Menschen gekostet hatt tc, bis man solche gegcn Capitulation an die Pforte übergab. Von den müßigen Türken wird mau überall beobachtet, und darf das Auge gegen die Mauern kaum aufheben, 76 während man aber nach Pflanzen greift, nach Gefallen seitwärts blicken. — Wir gingen an den Vorstädten der Aussätzigen vorüber, welche halb unter der Erde in Höhlen wohnen, oder in elenden Hütten sich aufhalten. Manche davon smd im höchsten Grade stumpfsinnig, andere dagegen boshaft uild tückisch; da sie ohne alle Ordnung nnd innere Aufsicht leben, so sind sie ungcmein ausgelassen, und wegen der allgemeinen Verachtung auch schamlos. Ein Staub, körn, das mir ins Auge fiel nnd mich mit dem linken Auge mehrere Stunden zn schen hinderte, führte mich, bey vergeblicher Anstrengung mit dem einen Auge, die Entfernung verschiedener Gegenstände richtig zu bestimmen, auf die Vermuthung, daß ein einziges Auge die Entfernungen der Objekte nnr aus der relativen Folge nach einander, und zwar nur unvollkommen, zu beurtbcilcn im Stande sey, und dasi man den Gegenstand, um der Weite gewiß zu weiden, nicht nur mit beyden Augen ansehen, sondern nach Maßgabe seiner Entfernung etliche oder mehrere Sekunden lang fixi-ren müsse. Die in Distanzen zunehmende Dichtigkeit der Luft-masse, welche mehr oder weniger Wasserdünstc gebunden enthalt, verhindert oft, wegen der allmahligen Verdunklung des Gegenstandes, der Unbestimmtheit der Farben, und Vcrflicßung seiner Form nnd seiner Umrisse, die Entfernung immer richtig anzugeben. In trüben Herbsttage« schcint ein ferner Ort weit entlegen zu seyn, und man erreicht ihn doch in l'urzer Zeit. Auf hohen Gebirgen tauscht man sich auf andere Art. Man sthant Entfernungen, we« gen allzugroßer Reinheit der Gegenstände, nach Stunden, in-deß ein voller Tag oft nicht zureicht, dahin zn gelangen. Doch hat das Auge zur Ausmittclung der Eniftrnung der Objecte auch noch den Ueberblick aller bis dahin nach cinan« der folgenden. Gegenstände, welche wegen ihrer allmähligen Abnahme an Deutlichkeit, die gesuchte Entfernung genauer 7? bestimmen, wodurch man dieselben abzuschätzen vermag. Nichts ist abcr mißlicher, als Entfernungen auf der ruhigen Wasser-Flache anzugeben, weil man auf derselben keine Gegenstände, als fortgesetzte Ruhcpunktc für das Auge, wahrnimmt, welche die Schätzung erleichtern könnten. Je größer die Wellen sind, und je höher der Standort ist, von welchem man den Gegenstand besieht, um so richtiger schätzt man die Entfernungen auf dem bewegten Meer. Allein außer der sehr wandelbaren Deutlichkeit der Gc-genstande hat, das Auge noch ein Hülfsmittel, welches in der Organisation seiner sämmtlichen Theile liegt, und die Forderung, nicht allzugroße Entfernungen zu bestimmen, weit sicherer erfüllt. Es geschieht nämlich bey der Abschäz-zung der Weite eines Objects mit beiden Augen, daß die Entfernung beider Sehnerven und ihrer Netzhaut als Grundlinie , die verlängerten Scharen abcr als die beiden Schenkel eines Dreiecks betrachtet werden, an dessen Spitze der beobachtete Gegenstand sich befindet. Beide Augen richten die Augcnaxen dergestalt, daß sie sich zum Orte des Gegen-stanoes verlängern und daselbst durchschneiden, wodurch nicht nur das Bild des Gegenstandes, sondern auch ein eigenthümlicher Eindruck seiner relativen Entfernung rückwärts im allgemeinen «ell^n-Win hervorgebracht wird. Um daher cinc Gleichförmigkeit in den Funktionen des Sehnerven hervorzubringen, besonders wenn die Blicke seitwärts gewendet sind, scheint die Natur die Kreuzung der Sehner, ven veranstaltet zu haben, um die von jedem einzelnen Auge aufgenommenen Eindrücke zu gleicher Zeit fortzupflanzen, und besonders die Abschätzung der Entfernungen zu crleich-tern, welches daher die wahrscheinliche Ursache und der Vor« theil dieser Kreuzung, die Uebung mit eingerechnet, welche diesem zu Hülfe kömmt, wohl seyn dürfte; dcnn nicht nur 7» die Darstellung des Bildes, sondern auch die Bestimmung scincr Lage und Entfernung außerhalb, ist die Verrichtung der sämmtlichen Theile des Auges. Durch diese unmcrklich errungene Uebung kanu man auch aus der Richtung der Ho-ropteren oder Cchaxen deutlich erkennen, ob jemand seine Blicke auf ein Objekt vor oder hinter uns, oder auf uns selbst richtet. Nichts vergnügt den Reisenden mehr als der Anblick der Dattelpalme, wenn sie einen hohen Stamm besitzt. Das Rauschen derselben im Winde ist eigenthümlich und sehr angenehm zu hören. Ihre langen Nadeln drangen sich auf eine Seite zusammen, und lasit der Wind nach, so nehmen sie, malerisch nach allen Seiten auslauftud, ihre vorige Lage wieder ein. Dic Krone neigt sich mit dem gebogenen Stamme, und richtet sich majestätisch wieder auf. Blüht er, so umgibt die männlichen Bälimc und ihre ausgebreiteten Blüthcnrispcn ein weißer Staub, der nach dcn weiblicher Bäumen stiegt, und der angenehmste Vcilchcngcruch durchwürzt die Luft. — Sogar der Rauch uud der Dampf in dcn Städten ist wohlriechend, für den Fremden übcrra-» schenb, und nicht wie der breuzlich-harzige Geruch unserer Fichten- und Kiefersiämme, oder gar wie der viclbclobte Steiukohlcndampf unserer Sparöfen. Hier wird nur Sal. bey, Thymian, Cistrosc, Iyprcsscuholz, Majorans und La« vcndcl gebrannt, auf allen Straßen sieht mau die Bündel von Landleutcn zum Verkauf geschichtet, uud wenn mau sich bey uns vor dem Morgcnncbcl in Acht nimmt, so öffnet man hier willig die Fenster dem Dufte der in der Küche ucu angebrannten Hölzer, und sieht dem trefflichen Frühstück um so begieriger entgegen. In der That cm glückliches Land, in dessen balsamischer reiner Lust das ganze Jahr die Blumen blühen, und welches selbst der Rauch und Nebel noch angenehmer ma- 79 chen. Inzwischen soll auch der Tobakrauch auf Candia den Kennern dieses trefflichen Gewächses nicht unangenehm seyn. Er wird zwar häufig auf dcr Instl gebaut, allein der beste kommt über Cypern aus Bai rut und Saydc (Sidon) in Syrien. Auf dem Markte sitzen Tobatträmer, welche einen Holz-Stock mit einem großen Scharnier-Messer vor sich liegen haben, wo der Tobak auf das feinste geschnitten und wie Flaumfedern über einander geschüttet wird, dessen niedliche Aufhäufung schon zum Kauft einladet. Ganze Ballen liegen in den Magazinen im Vorrath. Man raucht ihn aus niedrigen und weiten thöncrnen Tobaksköpfcn mit langen Röhren, welche aus der nördlichen Turkey hier ankommen: ft langer das Pfeifenrohr ist, um so höher sieht es im Preise. Von Kirschbaum, Jasmin, türkischen Haselu sollen die meisten gemacht seyn. Je vornehmer der Mann, um so länger das Rohr, um so verzierter ist es, doch nie raucht der Arme aus einem kleinern als von 2^ länge. Die Pfci-fenköpfc sind von Thon dunkclroth gebrannt, niedlich, dauern nicht lange, und sind für Arme und Reiche ganz gleich. Den meisten Werth legt der Türke auf das Mundstück, welches aus 1, höchstens aus 3 Stücken Bernstein zusammengesetzt ist, oft2o—3o bis 5n Thaler kostet, und beim Rauchen nicht einmal zwischen die Lippen genommen, sondern blos an den Mund gesetzt wird. Der Rauch soll aus langen Pfeifen angenehmer schmecken. Kurze Röhre hassen sie. Sie baten daher meinen Diener, seine kurze Pfeife ja abzulegen, und die ihrige zu gebrauchen. Ucbcrhaupt handeln sie hierin ganz im Gegensatz der Europäer, ihren Pfeifenkopf zerschlagen sie sehr oft, werther ist ihnen das Rohr, am wichtigsten das Mun 0 st ü ck. Bey dem Europäer ist es gerade umgekehrt; der Kopf ist ihm alles, 8o das Pfeifenrohr wenig/ das Mundstück gar nichts werth. — Beim Besuchen wird dem Gaste die sckönstc Pfeift gestopft angeboten, und cm Tcllcrchcn von Messing, auf welches der Pfciftnkopf zu liegen kommt, hingestellt. Nun bringt der Diener eine glühcudc Kohle, nachdem er vorher seine Pantoffeln abgeworfen hat und barfuß anf die Erhöhung hingtttttcn ist; er laßt dic Kohle auf der Pfeife liegen bis der Tobak angebrannt ist, und tragt sie dann weg. Man muß der Höflichkeit wegen die Pfeife an den Mund setzen und einige Züge daraus thun, worauf der Diener solche wieder übernimmt; unhöflich wäre es, eine zweite stopfen zu lassen, noch unhöflicher, die erste auszuschlagen. Die Tobakbcutel sind von Seide oder andern Stoffen, auch von Saffian; im Haust aber bedient man sich blcchcrncr Büchsen zur Aufbewahrung. Der Tobak zahlt eine geringe Abgabe, und der Anban sowohl als der Handel sind frey. Weiber rauchen wenig und der Knabe oft schon vom zwölften Jahr. Die Türkell thun am Tage nichts als schmauchen, und interessant wäre es zu wissen, womit sie vor der Entdeckung des Tobaks sich beschäftigt und die Zeit vMn'ebcn haben. Der geistliche Herr von Canca war noch nicht gesonnen abzureisen, und Herr Domcnico hielt mich zurück. Er beschäftigte mick, wie er konnte. Sicilianische Gutmüthigkcit war ihm nicht abzusprechen,— vieles aber, was die Folge lehren wird, fand wenig Entschuldigung. In seinem Haufe war ich einmal aufgenommen, fernere Miß-Helligkeiten suchte er sorgfaltig zu vermeiden, um nur eine gute Meinung von sich beyzubringen. Er wünschte cm Barometer und ein Thermometer: ich gab sie her; dann die Charte vom A r chipclagus, aber diese gab ich mit schwerem Herzen; er plünderte meine Bibliothek, ich sah gutwillig zu. — Mit mir machte er fast täglich Excursionen, und wir 8, besuchten Manche Kranken; er sprach auch von clncm angesehenen wassersüchtigen Patienten, den er mir zeigen wolle, es kam aber nie dazu. — Er hatte viel Praxis, besonders weil er dcs Pascha Leibarzt war; von ihm erhielt er cine be« deutende Besoldung und viele Emolumentc. Ceinc Apotheke hatte er im Hanse, und dispcnssrtc selbst oder sein Bruder — ein Goldschmied. Aus dieser Verbindung entsprossen manche Vortheile. Er war Ks.ilMci- (^ii-urgiilo, hatte im Felde gc-dicNt, mittelmäßige Kenntnisse, viel Oberflächlichkeit und wenig Studium. Er theilte mir wenig mit, kannte das Alaii'ildilim und den Salep als Arzncymlrttl nicht, glaubte, daß^lmimi äininonülcnnl durch Sublimation das Cal-Ammoniak gebe, und mchrercs dergleichen. Er hattc eine schöne lateinische Aussage dcs Matthwlus, und ersuchte mich, UNter die Holzschnitte die Linn^scheu und pharmaceutischen Namen zu schreiben. Ich durchging seine Apotheke, und ließ auf Spaziergä'ngcn, die er mit mir machte, seinen Diener die ihm nöthigen Gewächse, besonders aber die nächst Verwandten Arten von 'lii^mnü, Ueucka, O^annm, l)«p!i-ne, ^Iw"8 u. d> gl., welche ich bezeichnete, sammeln, besonders aber die Fruchte d^s Ricinus in großer Menge, welche cr zur Gewinnung des Ricinusöls verwenden wollte. Sonntag den '<)tcn Januar besuchten wir die griechi« sche Mctropolitankirche, die größte auf der ganzen Insel Candia; sie glich einem großen Zimmer mit einer Vorhalle; cincn Saal konnte man dieses Tchaltniß nicht einmal nen< Ncn. Silberne Lampen und Leuchter Nebst andern Vcrzie-rungctt gaben den Glanz der Lichter in der schwarz gerauchten Kapelle zurück. Alles war gedrängt voll. Niemand konnte kniccn, mit vieler Mühe drängte sich cm Papa nach dem andern mit seiner großen silbernen Schüssel herbey, u:u Opftrgabcn zu sammeln; jedesmal kam eine kleinere, und wc« niger kostbare Schüssel; des Geklimpers war kein Ende, Erster Theil, F 82 denn '3 Schüsseln waren an mir vorbcygegangen. Bey d Ausdruck und Haltung. Instrumente gab cs keine, und obwohl die Orgel eine griechische Erfindung ist, so hassen sie doch dieses vortreffliche Instrument, ohne zu wissen, daß sie sich selbst herabsetzen, und dieß blos auS dem eingewurzelten Haß gegen die lateinische Kirche, die sich >crcn bedient. Statt Glocken hat man Schellen. Je« der schlug in der Kirche immerwährende Kreuze und neigte sich immerfort; siillbctcndc sah man wenige. Endlich war die Andacht vorüber, und man ging aus einander. Wir folgten dem Metropoliten, und Hr. Do men iro ersuchte mich, ihm die Hand zu küssen. Ich sah den Grund dieser Bitte ein, verspätete mich, und trat nach einer kleinen Wcile ein. Der Handkuß war vorüber, imd ich machte mcinc ehrerbietige Verbeugung vor cineM Manne, der Ansehen mit Würde verband. So wie gewöhnlich bey Besuchen geschieht, nahmen wir rings herum am Divan Platz. Klcmc Bechcrchcn mit schwarzem Kaffee sammt Satz und ohne Zucker wurden von cinem Dicmr mit viclcr Vorsicht herumgereicht' Dcr Untersatz ist gewöhnlich von dünnem 34 Silbcrblcch und becherartig geformt, «ortn diese flelnen Tassen, riil-ani gcnamn, stcckcn, die aber kaum bcn drit-ten Theil einer gewöhnlichen Kaffeetasse betragen. Es mag kommen wer da will, sobald cr auf den Divan genöthigt wird, so gehört ihm eine solche Tasse Kaffee. Man genießt ste ohne Zucker, indem man sich entschuldigt, daß es jum Tobakrauchcn m'cht angenehm styl -- Auch wir tranken nun einen solchen. Die Pfeifen waren mit syrischem Tobak gestopft, und nach einigen Zügen «ahm sie der Diener anf cincn Wink wieder weg. Ill allem diesen werden lauter »Inconi verwendet, indem der Metropolit in stincm Zimmer sonst Nieman-» den hat: diesen kommt daher der Name Diuconi mit allem Rechte zu. Wir empfahlen uns in der Hoffnung, die wer» the Gesellschaft Abends sämmtlich bey dem französischen Consul zu erblicken, welcher cm Gastmahl veranstaltet hatte. Cr erschien im Gefolge seiner Klcriscy bey einem glaN" zendcn Mahle von 48 Gedecken und eben so vielen Schüsseln, als Metropolit von Gortyna, obwohl cr zn Can« d i a seinen Sitz hatte. Der Bischoff von G n o ssn s, cm alter ehrwürdiger Grtis, begleitete ihn, und jener von Girapctro, sein Neffe. Seine Gesundheit wurde allgc» mein mit einem Rcimspruch (N>-nn1i5i) getrunken. Man wählt nämlich 2 Worte, welche sich reimen, und sucht sie in Verbindung zu bringen; hier zeigte sich nun bey der 2ten Flasche des guten Arcadicrs die Dichtcrgabe benszcit mit seiner Familie ruhig leben zu können, nach Haust kommt, so erschrickt nicht selten sein Wcib, welches in der frohen Aussicht auf baldige Wiederkunft, sich das Bild ihres abwesenden Mannes noch rcijendcr und augcnclnucr, alö es bey seiner Abfahrt seyn mochte, ausmalte, kann diese Veränderung nicht fassen, und verbittert sich so den Augenblick des ersten Wiedersehens. Auf Gewinn erpicht, sticht der Seemann ins Meer mit doppelten Sorgen. Entfernt von dcn Seinen, muß cr die Spcculationcn eines ruhig an seinem Schrcibpnlt sitzenden Kaufmmms mit der Tag und Nacht gleichförmig fortwährenden Achtsamkeit auf dcn Gang, die Sicherheit und Arbeiten dcs Schiffes vereinigen. In der Angst, an eine unbekannte Klippe bey dem günstigsten Winde zu siosien, zittert cr vor einem Lüftchen, daS zum schrecklichsten Orkane werden kann; gespannt passitt er bey heiterem Wetter berüchtigte Oertcr, fürchtet nach seinem eigenen Sprichworte bey sonnigem herrlichen Tage, wo sonsi alles vergnügt isi, die baldige Ankunft der stürmischen, und in gefahrvollen bleibt ihm nur die Hoffnung zu bessern übrig. Mit Soraen schläft er ein, träumt und spricht davon, und in cbe:< dieser Stimmung wacht cr nach kaun» vierstündigem Gchlasc wicdcr auf. Wenn cr auch herzhaft und muthvoll S' isi ft ist doch die gespamtteAu,'»«erksamkeit, die Sorge um hie Erhaltung des Schisses, dcr immerwährende Wunsch nach dem sichern Haftn hinlänglich, seine Physiognomie an diese Eindrücke zu gewöhnen, und ihm einen Charakter von erlittenen Bedrängnisse aufzudrücken, den nur das spatere Alter sonst gewöhnlich mit sich bringt; daher sieht man auch die scheinbar ältesten Menschen unter Seeleuten, obwohl sie auch oft wirklich ein hohes Alter zu erreichen pflegen. Auf dem Meere ergraute Seeleute scheinen es sonderbar zu fiudcn, daß es Menschen geben kann, die das Meer nicht gesehen haben, so wie etwa ungebildete Mondbcwoh-ncr, bcy Besichtigung unserer Erde, die Ankunft ihrer Ge-genfüßler sonderbar finden, die sie besuchen, um an dcr herrlich erleuchteten Erdscheibc bcy unsern Neumonden Antheil zunehmen. In bcr That alle diejenigen, welche entweder nie an, oder zur See gewesen sind, nie einen Sturm oder hohes Meer erlebt haben, oder sich sonst keinen anschaulichen Begriff von einem durch Orkane in Bewegung versetzten Meere machen können, haben im Grunde nichts verloren, wofür sie nicht in ihrem Vatcrlandc reichen Ersatz fanden. Dcr prächtige Anblick eines in fruchtbaren Gefilden sich windenden Stromes, seine begrünten Ufer im majestätischen, durch segnende Regengüsse geschwellten Laufe, vollends seine Fälle von geringerer, oder beträchtlicherer Höhe, bieten Genüsse dar, welche durch keine Seiten. Besorgnisse von möglichem oder bald etwa erfolgendem Schiffbruch und Un-tergang getrübt würden; ruhig sieht man vom Gipfel eines waldigen Berges auf zahlreiche und beglückte Städte und, Dörfer hinab, indcsi man zur See nichts als Himmel und Erde wahrnimmt, Welle auf Welle folgen und zerrinnen sieht, höchstens die uubcgrcifiichc Keckheit des gewinnsüchtigen Erdbewohners bewundert, dcr die durch Handel und Kauf errungenen Schätze gegen Gewinn aus fernen Zo- 92 neu herbeiholt, durch einen meisterhaften Gesrauch setner Erfindungskraft vermittelst an einander gefügter und bema-sitter Balken, ein Element durch das andere bändigt, und daS, was seine Werke zu zerstören sich bemüht, zur Erreichung seiner Absichten ihm vielmehr zu dienen zwingt. Die empörten Meercswcllcn heben ihn empor, wenn ihn kurz voryep der Wind hcra^geschleudert hatte, und mit erneuertem Spiele ihn neuerdings dem Meeresgrunde zu herabwirft. Selbst unser alte lyrischer Sänger spricht hier die Wahrheit: Jtfequk^uum Den» abseidit Prudens Oceano dissociabili Terras, ei taiiica imiuaa T>{on tangenda ratea traiwiliunt vada. Nichts Schaudervollcs ist majestätisch, und was Furcht erregt, kann nicht schön genannt werden. Nur dasjenige, was in sicts lieblichen Mildern die angenehm beschäftigten Sinne in Thätigkeit erhalt und im Conflict sanft wirkender Kräfte ein sich stets erneuerndes Leben in die todte, seiner Wahl unterworfene Materie einhaucht, erregt unsere Liebe und unsere Bewunderung; nicht aber jenes, welches das Vollkommene zerstört, aus dem Chaos einer in Trümmern gegangenen Schöpfung in den Nest von organischer Struktur neue Harmonie einzuführen sich bestrebt und in der Vernichtung alles Nahen seiner Sphäre sich erfreuen kann. Nur dem Schaffenden, nicht dem formlos Zerstörenden zollen wir unsere Achtung, unsern Dank und unsere Bewunderung! Unter den vielen Charten, welche Candia vorstellen oder enthalten, find alle beträchtlich fehlerhaft, und trotz aller angeblichen Verbesserungen ist die alte Homannische die beste; allein es ist auch nicht anders möglich, da die Ortsbestimmungen, vom Schisse ausgemacht, weniger Sicherheit darbieten und keine Nation je Erlaubniß erhielt, Charten 95 HO Archipelagus zn verfertigen. Frnher wvhl nicht alS b!s Griechenland in lultivirtcr Nationen Hände gelangt, wird man eine genane topographische Kenntniß dieser Gebiete er< halten. Die Mitternacht ging vorüber, das Thermometer blieb auf 4-' 2z« R., eine Wärme, welche einige Nachte m Deutsch, tand kaum zur Sommerszeit bcsifM, und welche mit leichter Bedeckung einen angenehmen Schlaf zuließ. Nach und nach wurde das Boot mit seinen Segeln nach Rettimo (Ris thymna) geführt, und wir sahen in der Morgendämmerung die herrlichen und fruchtbaren Umgebungen dieser paradiesischen Gegend. Ocstlich lag der Ida, rechts die weißen Berge malerisch ausgebreitet. Der Wind war schwach. Gegen Abend erreichten wir Cap Drepan 0, und beym Mondscheine steuerten wir nach der Bucht von Suda. Keine Partie hatte noch die Wirkung wie diese gehabt, rings umschlossen von steilen grotesken Klipprn und mannigfaltigen Vorsprängen, hoben und thürmten sich Berge auf Ber-ge, bis der Hintergrund die schneebedeckten kritischen Alpen Leucaori zeigte, und dem Bilde nichts anders als die Gegenwart eines Nicolaus Poussin, Claude- Lor« rain und Hackert, um verewigt zu seyn, fehlte; doch SalvatorRosa wäre auch hier an seinem Platze gewesen. Da sich ein etwas heftiger Westwind erhob, so konnten wir das Cap Maleca nicht umschiffen und warteten die Mitternacht ab, wo wir nun anf der andern Seite der Bucht hinan und Morgens schon dieses Cap umfuhren. Vald sahen wir die fruchtbaren Ebenen von Canea, die Stadt selbst mit ihren Mauern emporsteigen und im kuhkn Ostwin-dc> der unsere Segel schwellte, kamen wir in kurzer Zeit in die Nahc des Hafens. Ich war also in einer Stadt angelangt, welche das Ziel weiner Reise und der Beginn meines Zweckes seyn sollte» Die 34 Schnccltnis der treibn Bcrgc reichte tief herab, timsiiuwti die Terrassen der Hauser, und Moscheen ragten, im weißen Felde sich spiegelnd, darüber empor; der Schwall des Wassers schob unsere Barke bey ersiorbcncm Winde in die Mündung des Hafens und ein Kranz von Häusern mit Balkönen, Erkern? Terrassen, Treppen und Kiosk's umgab uns, indem Wir aufblickten und das Consulathaus suchten. Der P. Kn< puziner nöthigte uns aber zuerst in sein Klosicr> das mittctt in der Stadt lag; rechts vom Castcl bis zum Schlosse des Gouverneurs oder Pascha stand im Umkreise des Hafens eine fortlaufende Reihe der besten Häuser von 3 auch 4 Stock« werken hoch, mit einem breiten Trottoir ringsherum, det Ptömcnade von Canea, auf welchem sich alles in voller Beschäftigung tummelte. Die Consulatgcbände erkennt man an dem freyen Hot. zerncn Bühnen-Gerüste von schwarzer Farbe, in dessen Mit« te eine hohe Stange in die Höhe reicht, an welcher an allen Sonn« ünd Feyertagen, bey Ankunft der National-Schisse und andern wichtigen Veranlassungen die Nationalfahnc auf» gezogen wird. Frankreich hat eine ganz weiße Flagge, Oestreich eine rothe mit einem weißen Qucrsircif. Eng« land eine weiße mit einem schiefen Kreuze im obern Win« kel aus rothen mW blauen Streifen. Ueber das Aufziehen der Flaggen schimpfen die Türken: Die Fahne deute auf Triumph, und dem Ghaur gebührten weder Waffen noch Fahnen. Die französische Flagge ist ihnen gar nicht gcfal. lig; sie nennen es spottwcisc ein Leintuch, und erzählen, es habe sich ein Consul dessen einmal im Nothfälle bedient. Unser Kahn lenkte einer Moschee zu, hinter welcher das Mauchhaus lag, in dessen Nähe wir spater wohnten: die Terrasse längs dem Hafen füllte sich mit Europäern, und wir erkannten jedes Haus, wo einer der unsrigcn wohmc> denn überall wurden sie in den Fenstern sichtbar. Mit Vcr« V» gnügen ficht eln fcbkr Franke dcu fremden ankommen, enr» fcrnt von seinem Vaterlande ist ihm jede auch nur unvoll, kommene Nachricht lieb. Wo ich ans Land trat, da k-nu al< les von selbst, und hieß mich willkommen, als ob ich ein alter Bekannter von Jedem derselben gewestn warc> Man wußte inzwischen auch schon bereits, baß ösircichs. sche Fremde (Im^ei-iaU) ,'n Candia angekommen waren, und in den Gesprächen sah ich deutlich, daß die Verhandlung mit meinem saubern Schiffspatron schon allgemein bekannt war, die Franzosen freuten sich darüber, daß ich die Insel in botanischer Hinsicht bereisen wolle, indem sie ohnehin Freunde der Naturgeschichte sind, und boten mir ihre Freundschaft an; es war aber von nun an und immerfort nothwendig, wo es sich nur immer thun ließ, zu erklären, daß ich von keiner Regierung geschickt sey, denn jeder hatte denT ourn cfort gelesen und glaubte sich überzeugt zu haben, daß dem fo ftyn müsse. Auch glaubte man nicht, besonders da man meine Lebensweise mit den Ausgaben verglich, daß es möglich sty, daß man sein geringes Vermögen bey einer litcrarischcn Rcist so gewagt aufs Spiel setzen und cs aufopfern könne, dcun von meincN) Einkommen konnte cs nicht geschehen; sie blicbcn daher fcst bey ihrer Meinung, bis sie der Erfolg eines Bessern belehr-te. — Diese Meinung war abcr auch mit Ursache, warum mir die Rcisc höher zu sichcn kam, als sie sonst gekostet haben würde, indcm cs hicß, die so vortrefflich ausgestattete Expedition nach Brasilien erfordere gleiche Vermuthung bey meiner Unternehmung; ich, so hicß es unter vier Al«z-gcn, wolle mir nur den Beutel spicken und lcbc auf einem geringern Fuße, als ich sollte. Kaum war ich im Haftn ans Land getreten, als mir schon der östreichische Dolmetscher cutgcgcn trat, und bc> richtete, daß heute sich stit mehrern Monaten zum erstenmal ls6 wieder die Pest <>czc>gr habe, nnd mich ersilchtt, besonders Lanbleutcn nicht an der Strasie nahe zu kommen, oder sie zu berühren, da iiu westlichen Theile der Inst! in der Gc< gcnd von Kissamo solche noch wüthe und taglich 20 und Mehrere Personen daran stürben. Allein das türkische Gon<-verncment hatte auch hier schon seine nickt nnklngcn Maß« regeln getroffen. Die Bancrn dieser Gegend, wie sie ankommen, wurden ans dem Platze vor dem Stadtthore zurückgc« halten und bewacht, man ließ sie ihre Eßwaarcn nnd Lc< bensmittcl verä'uscrn nnd sandte sie augenblicklich wieder fort. Dadurch verzögerte man indessen blos ihren Aus« bruchi — Sogleich wurden meine Effekten ohne untersucht zn werden auf dic Erklärung des Consulat-Dolmctschers, daß sie keine Kaufmannswaarcn enthielten, durchgclasscn; denn in der Industricarmen Türkey gibt es wenig oder gar keine verbotene Waaren. Das Klosicr, welches von einem einzi-gen Mönche, einem römifthcn Kapuziner, bcsctzt war, gc< wahrte uns bey gänzlichem Mangel eines Wirthshauses oder andern Unterkommens die bcsic Zuflucht. Es wurde ehedem, da es unter französischem Schutze stand, mit gebildeten, allgemein geachteten französischen Geistliche« besetzt, seit der Revolution aber mußte man diese Mlssiousansialtcu von Rom aus verschen, und seit der Zeit sind hier uud mt ArchlpclaguS meistens nur Italiancr« Meine Effekten wurden ins Klosicr geschasst, und jch begab mich zum östreichischen Vice - Consul, Herrn Paul Barbieri, welcher aus einer allen veneti'anischcn Familie abstammte, die sich unter dem Schutze der. Consulate auf der Insel seit ihrer Erobc-rung ehalten hat- Er war leutselig, von ungemcin bicderm Charakter, besorgt und freundschaftlich. Unglücksfalle hat» ten ihm einen Zug eingeprägt, welcher ihn nie, auch in der heitersten Laune verlief Er war auf der Insel geboren, 97 und hatte einmal Smyrna und Constantinopcl qcsehelt. Alles war ihm sehr interessant und neu, was ich ihm von unsern tzand^i, und Cinrichtungen erzählte. Er verlor sich m eine Beschreibung dcs Winters, dcn er in Conftanti« nopel erlebt hatte, und beschrieb mir denselben als ein ihm höchst interessantes Phänomen auf eine Art und mit solchen Bemerkungen, die jeden auf das anziehendste unterhalten haben würden. Das langsame Fallen großer Schneeflocken bey ruhigem Wetter, das dadurch hervorgebrachte blendende Licht cmcs heitern Wintertagcs, fesselte sein aufgeregtes Interesse ; als man sich nun vollends mit Schneebällen belustig, te, sie knetete und einander zuwarf, auf einigen Schlitten fuhr, da ware sciue Verwunderung und Freude auf das Höchste gestiegen. Er sprach italiänisch und französisch, hat< te eine artige Bibliothek von französischen Schriftstellern: Rousseau, Voltaire, Racine, Molierc und andere, sprach etwas türkisch, dann neugriechisch, seine Lanocsspra. che. Die altgriechische und deutsche Literatur kannte er je« doch nicht. Unterrichtet von allem was die Insel auszcichs net, hatte er sie wegen vormaliger Unsicherheit in seiner Iu< gend nicht so häufig bereist, als ich es wünschte; jetzt im Alter hatte er keine Gelegenheit und Muße dazu. Mit einem Lord hatte er den Ida bestiegen, und das Labyrinth zu Gortyna besucht, Lassiti, das herrliche Gebirgsthal, aber nicht gesehen. Er äußerte dagegen immer, es ware ihm besonders lieb, vieles von dcn Verhältnissen, dcn Be^ dürfnissen, Waarcnartikcln, Produkten und Fabrikationen unsers Staats zu erfahren; durch unsere fortgesetzten Go spräche wurden ihm, bey dem Mangel an bisherigen deutle chen Mittheilungen, sehr vortheilhafte Ansichten und Mci^ nungcn beygebracht, die ihm den Wunsch abuöthigten, durch genauere Kenntniß unserer wechselseitigen Bedürfnisse und sesttl Theil. G 9« Handelsartikel m den Stand gesetzt zu werden, seinem Po. sten entsprechender verfahren zu können. Pater Aegioius nahm uns freundlich auf — allcS wurde ausgepackt, unsere Zelle in Beschlag genommen, und den andern Tag hatte ich schon cine Excursion mit Herrn Serra-Longa und Balaste, ansaßigen französischen Kaufleuten, gemacht, in Gesellschaft des Hrn. Sonne rat, dessen Onkel der bekannte und berühmte Sonncrat war, welcher die osiindischen Besitzungen der Franzosen durch viele Jahre untersuchte, und dessen Verdienste um die Geographie, Völkerkunde und Naturgeschichte anerkannt sind. Auf diesem Spazicrgange wurde ich eine Menge blühende Gewächst und besonders Spuren sehr vieler seltenen Pflanzen gewahr. Besonders zogen die mit ungeheuern Aloen umgo bcncn Felder, wovon mehrere reife Früchte hatten, meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Blätter derselben wurden hier wohl anderthalb Klaftern lang, und der Blüthenstamm, an welchem man mehr als 2000 Blüthen zahlen konnte, war ewe 6—6" hohe Pyramide, welchem einem Jahre vom Grund aus, wie eine dicke Spargclsprossc entsteht, zu dieser Höhe erwächst, blühet, aber auch auf Kosten dieser Anstrengung ganz zu Grunde geht- Eine abwechselnd mit Oliven und Orangen gezierte Flache, mit mannigfaltig gebauten Landhäusern, noch vor den Zeiten der Venetiancr erbaut, Springbrunnen und Wasserleitungen aller Art ergötzten mich ungcmcin, und als wir gegen die See traten, stand an einer alten Mauer eine Rebe mit einem Gummibaumc, Mmo5a larnoziann, verschlungen, der so eben zu blühen begann, und von dem wir eine Menge reifen Eamcn erhielten- — Das Meer in der Nahe der St. Thcodors-Insrl wimmelte von Oleander-, Salbey-, Thymian« und PHlomlMräuchcrn, doch ließ sich keine salix st. hen. In den Garten der Landlcute standen Narzissen, Hya« 99 cinlhcn, Veilchen, Rostn in Menge in der Blüthe, und um einige Paras konnten wir den ganzen Garten plündern; wir entfernten uns vom Mcerstranbe und fanden bald Uuiiu« «an. etua, Anemone coronaria, Lavcndula stoechas, ßelJis an- nu», und sogar (^«l^u» crotious, welcher das <3mniili 1.262-nuln gibt, zum Theil schon in seiner Blüthe; auch änl!Z)^i» soetida, Tholigonum cynocrambe, Ranunculus bullatu« machten auf dem Rückwege meine Beute aus. Die Stadt hat einen schönen Hafen, der gangbarer als jcncr von Candia, aber auch an Flächeninhalt 6 Mal grö» ßcr ist. Die Einfahrt in denselben ist etwas gefahrlich, und ein Theil desselben ist dem Wellenschlag sehr ausgesetzt» einen natürlichen, guten, cmkcrbarcn Haftn für jede Art Schiffe hat die ganze Insel Candia nur einen, aber einen desto herrlichern, den nämlich von Sud a, welcher sehr tief ins Land sich erstreckt, wodurch die Erdcnge von i Stuude zwi« schen dem Cap Maleca und der Stadt Canea gebildet wird. Canea hat im Gegentheil blos den vierten bis fünften Theil der Größe der Stadt Candia. Doch die Stra« ßcn, welche keine Buden haben, sind schöner, breiter, und > mit Häusern von 2—3 Stockwerken geziert, welche mit der Facade in die Gasscn treten. Sie hat nur ein einziges Thor ins Land, mit einem Hornwerk, und den Eingang in den Hafen von der Sceseite. Gärten gibt es innerhalb der Stadtmauern fast keine, Platze gleichfalls nicht; die sogenannten verdienen diesen Namen nicht. Candia hingegen ist fester, miti Thürmen, Bollwerken umgeben und verschanzt; hat vie« lc Platze, Gärten von bedeutendem Umfange; weil daselbst die Häuser auf größeren Flächen erbaut sind, so bleiben alle nöthigen Gemächer in gleicher Höhe beysammen, auch sind die Häuser nur mit 1 Etage, seltner mit 2 verschen, und ihre Faradcn stehen nicht auswärts, sondcrn nach Innen und alle Gassen scheinen aus Mauern zu bestehen, m welchen tüa man von Distanz zn Distanz Thore und Thüren angebracht wahrnimmt. Dle Umgebungen von Candia sind vortreff, lich. Gleich am Eingänge der Etadt findet man den Lieblings »Epaziergang der Mohammedaner, ihren Todtcnackcr, mit weißen und niedrigen Mauern umgeben, und ein jedes Grab mit einem eigenen Leichcnsicin geziert. Pinien, ?,)' pressen, Orangen, Oliven, selbst Mimoscnbaume (Kim»«« llli-nceiana) habcn hier cincn Zufluchtsort gl'fundcn. Kaum war ich zur Mittagszeit mit Hrn. Sonne rat und den beyden Gefährten in die Stadt zurückgekehrt, als mir der Consul, nachdem cr den Fcrman von Constants nopcl, der mir zu Handen angekommen war, durch seinen Dolmetscher, einen reichen Juden, Mo sack, mit Namen, einen gutmüthigen braven, aber etwas furchtsamen Men, schcn, welcher sich diesem mühsamen Geschäfte ohne bcson. dcrn Gewinn blos des Schutzes gegen Erpressungen, und der Sicherheit seines Eigenthums wegen unterzieht, dem Pascha zur Durchsicht hatte vorlegen lassen,— die unvcrmu« lhctc m,d unaugcnchmc abscklägigc Antwort mittheilte. Der Consul entschuldigte sich zuvörderst damit, daß cr mir gestand, er habe den Fcrman nicht selbst gelesen, und meine Gcschastc mit seinem Inhalt in der Vorausscz. jung, daß alles in Uebereinstimmung seyn werde, nicht verglichen. Der Pascha war eben, als der Dolmetscher hinauf, kam, in einer Übeln Stimmung, indem der Mauthvorstehcr unterlassen hatte, seiner Pflicht gcmasi, die Ankunft fremder Personen zu melden, und darüber einen umso heftigern Verweis bekam, als der Pascha selbst in Person zufällig unsere An« kunft wahrgenommen hatte, welches ihm nun unser Drago-m< Fcrmcm zuerst nlcyt an ihn geachtet sty, und an seine Sub, alterncn, die KadiS und Mnsselims, laute, und baß von meinem Ansuchen die Insel zu bereisen, und mich Geschäften zu widmen, welche einer ausdrücklichen Erlaubniß der Pfor, te bedürfen, in demselben kein Wort siehe. Er lächelte nun über den Inhalt des Fcrmans, in welchem wir nachher die Stelle wirklich fanden, daß man von mir kein Kopfgeld (C ha ratsch), welches blos die Rajahs, der gemeine Name der Unterthanen der Pforte, als Sklave ngcld zu, zahlen haben, abfordern und mir keine Plackercyen anthun solle. Den Ferman, der in einem sehr gemeinen Style und trl« vial verfaßt war, nannte der Pascha: S u » paln? Z c si, welches in türkischer Cprachc so viel wie eine Wassersuppe bedeuten soll, gab ihn zurück, und sagte, daß er bcdaure, meine und des Consuls Wünsche nicht erfüllen zu können, und erinnerte, daß ich mir nicht genug habe angelegen scyn lassen, mir einen zweckmäßigen zu verschaffen. Ucbrigcns milderte er als Hofmann dicfc unangenehme Antwort in nicht uufreundschaftlichen Ausdrücken. Co kam nun unvcrrichtctcr Dinge der zittcrndc Mosa« ky zum Consul zurück, und brachte die Antwort, welche er mir eröffnete. Keinen seiner Vorschlage konnte ich m< deß befolgen. Sey es, daß der Pascha wie jeder Türke bey, allen Gelegenheiten von jedem geringfügigen Umstände Nnz-zcn ziehen wollte, Mi mich durch abschlägige Aeußerungen zu Gcsthcnken zu bewegen, da er mich, weil ich auf einem eigenen Boote mit so viel Gepäcke angekommen war, viel, leicht für einen Lord ansah; sey es, daß er blos dadurch,, wie cs gemeiniglich bey rohen und übermüthigen Menschen geschieht, die Wichtigkeit der Gewährung ciucr nur schwach nntcrstütztenBitte durch Weitschweifigkeiten um so merkbarer machen wollte, so war doch bey allcn Maugcln dieser Fer. man nicht so schlecht, als «r ihn gern ausgegeben Hütte. l02 Cr war freylich wohl nur für eine Seereise von Constantino pel nach Cane a lautend, wo man keinen braucht, weil man überall durch die Consulate ohnehin mehr als hin« länglich geschützt ist, aber er blich doch immer eine autori-sirtc Schrift, welche mir auf die bestmöglichste Unterstützung allen Anspruch gab. Die Folge bewies aber, dasi er wegen der Gegenwart viele? Candiottischcn Türken dicses wirklich nicht ganz aus Ernst gethan hatte, und ich fand an ihm spätcr zu meiner Verwunderung einen gewogener« Freund und Beförderer, als ich es je vermuthet nnd ihm zugetraut haben würde. Die wahre Beschaffenheit der Sache und den Grund dieser abschlagigen Antwort kannte Niemand, obwohl sie auf Verhältnissen öcruhtc, welche der Eingcborne leicht hätte vermuthen können. Der Consul war betroffen, und beschloß, ihn noch weit nachdrücklicher darum anzugehen, de»m cr hatte sich anfänglich gefreut, daß Jemand von seiner Nation einmal in sticntifischcr Hinsicht erscheine, und n,:n sah er sich in den Augen der übrigen Cousuln, welche wechselseitig gcrn eine kleine Schadenfreude zeigen, in einer weniger an« genehmen Situation. Man rieth mir nach Candia zurück« zugehen, und es bey dcm Scraskicr dieser Insel, dem Oberpascha, bey demD omen if o Leibarzt sey, zn versuchen. Do» wcnico hatte aus Eitelkeit alles für mich gethan, wie es spater wirklich der Fall war, wo es mir nun gewiß gelungen wäre; allein ich nmsitc mich als Ntt'seno^ ohnehin auf Hindernisse gefaßt machen, und bcharrte auf meinem Vorsatz, da zu bleiben und es abzuwarten. Man sprach von Tour. n e fo rt, Savary, Sonnini, Olivier und andern Franzosen und Engländern, besonders der stolze aber bicdcre französische Consul in Canca erzählte von den Fcrmans, die sie erhalten hätten, und bedauerte meinen Unfall. Ja wohl, setzte cr hinzu: unser Gonvcrncmcnt, das intcressirt l «3 sich lMgemcm bey solchen Gelegenheiten für dergleichen Leu« tc, mld lächelte dabey. — Ohne ihm widersprechen zu wol« lcn, erinnerte ich blos, daß jene auch vom Glücke wären begünstigt worden; doch gab ich gcrn zu, daß sich mcin Fcrman, türkisches Empfehlungsschreiben, als solches gar nicht ausgezeichnet habe. Meine Schuld war es nicht. — Am folgenden Tage wnrdc cinEchiffskapitan, den man für mich ansähe, von der türkischen Wache am Landthore von Canca, der gewöhnlichen Freyheit entgegen, ausser« halb spazieren gehen zn dürfen, zurückgewiesen, und man erzählte es nur so, eben, als zwei Hofbcdientc mich beim Consul aufsnchtcn, und ihm meldeten, der P.ischa wünsche mich zu sprechen, indem c.ine seiner Frauen lrant geworden sey. Ich wnrdc aufgesucht, und man fand auch den M o sa< kl, der, nachdem mir der Consul seine Vermuthungen mit< getheilt hatte, mich nebst den zwci Hofbcdicnten (Tschau schcn) hinauf begleitete. Die Franzosen machtcn frohe Mienen, denn sie nahmen wirklichen Antheil an meiner harten Lage, baten mich, besonders das Serail, in welches ich gan,z gewiß kommen würde, ja recht genau zu besichtigen, ;mb selbst die Alten schätzten mich glücklich, daß ich gleich in den ersten Tagen meiner Ankunft in der Turkey das Serail zn Gesicht bekäme, wo sie dagegen seit 4o Jahren kcino Gelegenheit gehabt hätttn, ihr Verlangen je zu befriedigen. Die Wache im Vorzimmer forderte von nur, die Stiefeln auszuziehen, allein i'ch bedeutete, daß ich es auf keinen Fall thun wollte, der Dragoman sagte ihm abcr, daß ich nicht auf den Tcppich treten würde; dic Wache fand sich durch beides befriedet, nachgegeben hätte ich auf keinen Fall. Dieß schien der Pascha entweder voraus zu schcn, oder nicht bcgchrcn zu wollen, denn er saß nicht an seinem gewöhnlichen Ortc, im Hintergründe, auf dcmDivan, son« iO4 dcrn nahe am Geländer, um, da ich in seinc Nähe kommen mußte, mich nicht zu veranlassen, auf dcn Tcppich zu tre, ten. Hierbei kann ich den Reisenden in der Levante, welches ohnehin die meisten zu befolgen pflegen, nicht genug empfehlen, sich ja nicht sogleich und in alle Forderungen der Tür-ken zu fügen, selbst wenn man ctwas erlangen will: der stolze Türke gewährt einem, welcher ihm wieder Stolz ent. gcZcnscht, leichter seine Bitte, ein andermal sind sie wie die unvernünftigen Kinder, je mehr man ihnen nachgibt, um so mehr fordern sie. — Der Pascha selbst empfing mich sehr freundlich, erkun« bigte sich nach meinem Vattrlandc, meinen Zwcckcn, Absich« tell, welche ich ihm gar nicht verhehlte. Ich fand aber in dcr Verworrenheit dcr Fragen, daß cr die Geographie der ungläubigen Lander nicht sonderlich siudirt hatte. Bald er» hob cr sich vom Sitze, winkte dcn Wenigen, hinauszutreten, nnd begab sich mit mir und dem Dolmetscher, welcher an Handen und Füßen zitterte, durch eine geheime Thür, welche er sehr genau wieder verschloß und vcrricgcltt, in scin Harem oder Serail. Wir gingen durch Gänge und über kurze Treppen, welche sämmtlich mit den besten persischen Teppichen belegt waren. Wenige Lampen erhellten dcn Gang, bis wir an einen Salon traten, dessen weiter Eingang mit schweren Teppichen verhangen war. Ein prachtvoller Lampen «Leuchter von eigenthümlichem Aussehen hing von dcr Decke herab, und warf einen halb düstern Schein von sich, der Pascha griff nach einem großen Wachs« lichte, zündete es an, reichte es dem zitternden Dragoman, und klatschte dreimal mit abgemessenem Tempo in die Handc. Mittlerweile wurde der Salon erleucht.t, dcr nur ein einziges hohes Fenster hatte, durch welches sich dcr Mondschein hcraöstnkte, die Seiten waren mit breiten üppigen Sophas umgeben, und die Wände prangten mit einer Draperie dcr »o5 kostbarsten Teppiche. Mit flüchten Blicken musterte ich diesen Licbcssitz, als auf das Zeichen des Pascha cin Knabe von " bis i2 Jahren von ungeimincr Schönheit 5 einem Licbcsgotte ähnlich, erschien, dcr in seiner passenden falten« reichen Kleidung nach altgricchischer Art dem Pascha auf seine Befehle eine angenehm klingende Antwort gab, die er mit mlgcmciner Grazie ertheilte, und dann wie ein Zephyr entschwand. Dcr Pascha nahm dem Dragoman das Licht wieder ab, und stin Antlitz durch einen hcrabrollcndcn braunen Bart mit einem dem Europäer ganz fremden Eindrucke verschö« nert, malte sich bey diesen wohlgcbildctcn Zügen, worauf ruhige Klugheit und Würde strahlte, zu einem idealen Bilde, welches die hcllfiammcndc Kerze erleuchtete. Nicht lange, so erschien dcr Genius an dcr Seite einer Grazie, hiolt den langen Schlcyer dieses ätherisch daher schwebenden Wesens, das an uns vorbcywallte, und in dcr Mitte des Salons dem Pascha gegenüber schweigend stehen blieb. Lieb, lich blickte dcr kleine Genius, sich anschmiegend, den barti< gen Alten an. Dcr Pascha hob nun den Schleyer ab, und wir sahen — eigentlich nnr ich, denn dcr Jude war viel zu alt, zu furchtsam, und blickte nicht auf — das schönste Geschöpf, welches Eirkassien durch die glücklichste Vereinigung der Kunst und dcr Natur je konnte hervorgebracht habcn. Die, edle Gestalt erhöhte den Werth ihrer Züge, und ein zauberisches Amalgam von Apoll und Venus, die ich in Stein am Kapitel gesehen hatte, schien sich wie durch Zauber belebt, hier verwirklicht zu habcn. Ich ließ mit Vergnügen den Pascha ausreden. Indem mir dcr Dolmetscher es aus dem Türkischen ins Italicnische übersetzte, hatte ich Zeit, meine Antworten abzuwägen, und ihre Unverstandlichkcit auf die Ungeschicklichkeit des Drago. »anS zn schieben. Mit der Anamnese war ich im Reinen, 1l)ß allein lch hatte dadurch nichts gewonnen, ich dcrsianb von dem kauderwelschen Zeug nichts, denn cs ist für einen Arzt auch ein cbcn so gebildeter Dolmetscher nothwendig. Die Unter. Haltung hinkte langsam fort, ich sprach mit dem Dragoman italienisch, dieser übersetzte cs dem Pascha ins Türkische, dcr Pascha fragte wieder das Madchen, welche ihm antwortete, nun empfing der Dragoman türkisch den Bescheid, und übersetzte es mir wieder ins Italienische! durch das öftere Ucbcrsttzen erhielt ich endlich Ilntwortcn, welche mir eine Zwerchfells. Entzündung hatte» zuziehen können, über« dieß bemerkte ich, daß uns vom Mädchen kein reiner Wein eingeschenkt wurde, denn ich nahm wahr, daß die Antwor, ten dcn Fragen nicht entsprachen. Gleichviel. Die Krankheit zeigte sich als ein gewöhnliches entzündliches Fieber, wcl« chcs für dcn Abend, wo cs etwas heftiger war, eines cnt« sprechenden Verhaltens bedürfte. Ich fand ihre Stirne heists die Zunge nicht so trocken, starke Bewegungen der Brust, aber keinen Schmerz, — ich benutzte dabei die Gele» genhcit, sie genauer zu betrachten, bedauerte aber ein Go schöpf, für welches die Natur bei der Erzeugung so viel, die Kunst aber für d,'c Höhcrc Bildung so wenig gethan hatte. Die widersprechenden Angaben, verschiedene Ausflüchte, unbestimmte Antworten, gaben mir einen Verdacht, in welchem mich die Hasiigkcit des Pascha, welcher immer nach dem Namen und der Art der Krankheit so begierig war, noch mehr bestärkte. Ich wollte nichts bemerken, nannte es ein einfaches Fieber yon Vcrkältung -^ bis ich dcn steigenden Verdruß des Pascha wahrnahm, welcher endlich damit her? ausplatzte, daß sie schon durch 4 Monate — stit derzeit, als er von Constant! no pel hier angekommen sey—^ keim Erleichterung habe. Diesem widersprach jedoch das blühende Aussehen der Circassicrin, und die Art des Fiebers, der Chlorosc: es war nur zu wahrscheinlich, baß ein anderer ,oy Zustand da sty, inbcm ich auf das lcl?te Zelchcn der Schwangerschaft nicht fragen wollte, um die Aufmerksam« kcit ja nicht dahin zu lenken. Meinen Verdacht übcr verübte Gewaltthätigkeiten fand ich zwar bestätigt ^ allein feine Ursache, ihn dem Pascha mitzutheilen, denn auf solche Art mir seine Gunst, der ich sv sehr bedürfte, erringen zu sollen, hatte ich auf keine Weist gethan, selbst wenn cs dem schönen Kinde anch kcinc gefährlichen Folgen zugezogen hatte. Aufgebracht, bezähmte er sich jedoch, liest sich nichts nicrkcn, und indem ich ihr für diesen Abend Reißwasser mit etwas Limonicnsaft verordnet hatte, verhüllte er sie wieder, und sie entschwand mit ihrem Liebesgott in den Gemächern. Wir empfahlen uns, indem ich seinen Wunsch/ dcs andern Tages wieder zukommen, zn erfüllen versprochen hatte. Der Consul machte mich inzwischen mit dem Stadtarztc, einem Eingcbomcn, der jedoch gleichfalls aus einer vene-, tianischcn Familie stammte, und Rcynierl hieß, bekannt: hicstr war einige Jahre in Marseille gewesen, wo er in einem Spital praktischen Unterricht genommen; hier versah er ben Stadtarzt, Md machte den Kaufmann zugleich. Ich theilte ihm nun den Wunsch des Pascha« aber auch mein« Vermuthung mit, und, die Sache kam ins Klare. Der Pa, fcha war auf einem eigenen Schiffe aus Constant! no pel angekommen, und hatte alle Weiber mitgebracht. Während dem Aus. und Einschiffen konnten manche Verwirrungen auf dem Schisse selbst vorgegangen- seyn, besonders wegen der Verschlagenheit der Griechen, welche, wie ich durch mannigfaltige Beyspiele der Seeleute überfuhrt wurde, die vcr-wickcltsiel! LicbcSiutrigucn zu spielen wissen, indem sie zu den Kammern die eingefügten Bretterwände thcilwcise ausheben, Dieß alles und noch andere Details gaben auch von dieser Seite den Ausschlag, so daß bey unserm Besuche aiy andern Tage, wo Rcynieri auf mcjn Anstiften dcni Pa« l»8 scha allerley dahkn abzweclende Fragen vorlegte, ohne baß er das Mädchen zu Gcsicht bekommen hatte, solche Bestätigungen in jeder Hinsicht erhalt, daß er nicht einmal aufzublicken und mich anzusehen, — aus Furcht/ sich verrathen zu können, —' wagte. Der Pascha forderte von ihm Medikamente, da ich lhn dazu vorschlug? ich enthob ihn der Verlegenheit, indem ich ihm Tamarinden zuflüsterte, — welche er mit Weinstein gab. Er war doch protcgirt, und machte mir den Verdruss, baß er vor dcm Pascha die Schuhe abwarf und den Hut aufgesetzt behielt. Dir Pascha fragte nach der Krankheit, allein cr gab ihm dieselbe Antwort, denn der Arzt hat wohl noth« wendig allcs zu wissen, aber darf nie durch einen Argwohn dieser Art den Ausschlag zu irgend was ,'mmcr für unangenehmen Folgen geben, und wenn Klugheit im Benehmen und Vorsicht nothwendig ist, so ist es in der Türkey für den Arzt vorzüglich der Fall. Ungeachtet er aufgebracht war, so ließ er dennoch Kassce reichen, und entließ mich sehr gnädig. Auf diese Art hatte ich zu meinem Zwecke einen Schritt rückwärts gethan; statt mir die Gewogenheit des Pascha errungen zu haben, hatte ich bci ihm verloren. Man äußerte viele Hoffnungen, und freute sich über mich, daß ich meinen Zweck erreichen würde, und nun war es vorüber. Der Constll schien mir Vorwürfe machen zu wollen, allein ich fragte ihn, was er an meiner Stelle gethan haben würde? Hier schwieg cr. Inzwischen lernte ich mchrcres ken« ncn, unbzvcrtrieb mir die Zeit, ohne etwas dabey zu verlieren » ich ließ nicht nach, es mußte mir gelingen, Reynic-r i führte mich nun zu semer kranken Tochter, welche bey einer Revolution der Türken vor ia Jahren, die sein Haus bestürmten, allein zurückgeblieben war, und sich verborgen hatte. Die Familie flüchtete sich, man vergast aber das kleine Mädchen, welche sich verbarg und durch den Schreck in eine toy gefährliche Krankheit verfiel. Sie war jetzt cln Mädchen von !3 Jahren, und allgemein als die schönste von ganz Canea berühmt. Die Diagnose war leicht, aber Hülfe wohl nicht möglich, die Erweiterung des Herzens, die Ge« genwart eines Polypen in demselben, oder noch wahrschein, lichcr eines ^.nevi-i»n,H, und zuletzt cine chronische Herz« bcutclwasscrsucht, waren die Ursachen der Beklommenheit und der übrigen Zufalle; ihre Schwache nahm so cbcu zu, das Ocdcm der Füße stieg aufwärts, der Puls war schwach, und solchergestalt im loten Jahre der Krankheit alle Kunst vergeblich. Das Vorurthcil glaubt allgemein, was aus der Fremde kommt, müsse helfen; auch auf mich fiel die Zumu-thung. Weibern konnte ich nichts erklären. Reynicri wußte aber wie es stand. Dissusibilien, leichte Reizmittel in sehr vorsichtigen Gaben verschafften ihr etwas Heiterkeit und Erleichterung im Athem. Das war auch alles, was man thun durste. Sie lebte nur noch wenige Tage, und in der 6tcn Stunde nach ihrem Tode war sie schon beerdigt. Wie hart ist es, wenn man nicht helfen kann, allein beruhigend, wenn man that, was seine Pflicht war. Wehe allen, welchen das Gesundheitswöhl der Menschen anvertraut ist, wenn sie es gleichgültig betrachten. Leider aber geht es unter den Aerzten in der Levante so, worüber ich noch fernerhin zu sprechen Gelegenheit haben werde. Wie menschlich ist es aber bey uns in Europa, baß man die geliebten Verstorbenen nicht sogleich herausschafft, sondern 3 Tage den Hinterlassenen Zeit läßt, um sich von ihnen zu trennen, der Schmerz ist weit sanfter, denn er hat sich gelegt, und die Vorstellung des Todes vcr< einigt sich nicht unmittelbar gleich darauf mit der Idee des Grabes. Mein in dcr Levante, wo mau, besonders wenn ber Kranke plötzlich stirbt^ den noch ganz warmen schlot- »ic> ternden Leichnam zu Grabe trägt, steigt die Verzweiflung dcr Klagenden aufs Höchste, weil man zugleich die Seele entfiohn, und del, Körper, als einstweiligen Ersatz, sich entrissen sieht, lind nun dcm vernichtenden Begriffe des NichtS sich überantwortet fühlt. Stummes Entsetzen ergreift die ganze Familie, man liebkoset den Todten mit Furien-Ge-bcrdcn, alles drangt sich herbey, alles will ihn noch einmal sehen, das ganze Haus füllt sich, alles strömt zum Grabci alle» ist er plötzlich entrissen. Wir in Europa dagegen ha. bcn es uns bequemer gemacht, es gehört da zum guten Ton, sogleich das Haus zu verlassen, wo das Familienglied starb; sich zu zerstreuen, damit man seine Nerven in unsern, Zeit-alter nicht zu sehr anstrenge, denn wozu, sagt die Licblosig< keit, hilft das Klagen, und dcr Schmerz, „er ist todt!" Dcr Todte wandert allein zum Grabe, und nur Fremde bc< gleiten ihn. An eine Leichenöffnung ist in diesen Ländern gar nicht zudenken, wo der Lebende nicht geachtet, der Todte aber als heilig betrachtet wird. Die Vorwürfe uud Schma« hlmgcn, cincn Lebenden auf irgend eine Art ums Leben ge< bracht zu haben, könnten hier zu Lande mit denjenigen gar nicht verglichen werden, welche jener, dcr die Todten öff< ncn, und sich von dem Zustande des Uebels zum künftigen Besten unterrichten wollte, zu erdulden haben würde! Dicsi scheinen die Griechen von den Türken gelernt zu habe», oder vielmehr, es ist aus dcm Alterthum eingewurzelt, die Todten wie Heilige zu verehren. Die Türken,^ besonders die Candiottischen, welche sämmtlich von Renegaten, einige ausgewanderte Türken zur Besetzung der Aemter ausgcnom< men, abstammen, und, wie überhaupt Prosclyten, die eifrig« sten und schwärmerischsten Anhänger ihrer neuen Lehre wer-den -^ morden mit kaltcm Blute einen Lebendigen, dcr ihnen erst als LciclMM vcrchrungvwürdig vorkommt. Dcm Tür- !,l fen scheint ausicr seinem IslamiSmuS nichts heilig zu seyn, als der Harem, dcr Todte und dcr Wahnsinnige. Selbst dcr wüthende Pöbel betritt äußerst selten den Ha-rcm stines gehässigen Opfers, nnd gemeiniglich rettet sich ein großer Theil dcr Verfolgten in die innern Gemächer ih. rer Frauenzimmer. Es ist beinahe unc'rhört, daß man Frauenzimmer gemißhandelt habe, ob wohl sie zu todten, dcr geringste Grad von Argwohn hinreicht. — Der wachn« sinnige Mensch kommt ihnen als ein von Gott Begünstige tcr vor, und nie erlaubt sich der Türke ihn zu necken, sondern lächelt nur dann und wann über seine Widersprüche, und gibt ihm immer ein Almosen. Daher sind dic Wahnsinnigen, statt eingeschlossen zu seyn, in dcr Türkey im^ mcr frcy auf allen Straßen zu sehen, und von acht bis zehn Individuen habe ich alle in jederzeit ruhigen Stimmungen bemerkt; ich fragte vergebens nach der rückkchrcndcn Periode ihrer Raserey, wo sie festgehalten werden müssen; nur äusserst wenige sollen bewacht werden. Die Art, wie man Wahnsinnige behandelt, muß daher nngcmcin viel auf ihre gleichbleibende ruhige Stimmnng einwirken, und hier zeigt dcr Türke dem europäischen Arzte den Weg, durch beyspiellose Güte, sanfte Behandlung, Zerstreuungen, den Wallungen eines cxaltirten und verwirrten Scnsoriums zuvorzu^ kommen; nicht wenige kommen nach und nach zu sich, und werden immer gemäßigter. Dcr Wahnsinnige ist also ein von Gott Al,Sgezcich< neter und Beglückter —! eine Satire Mohammcds auf sich selbst, und auf alle seine Anhänger, welche vor dem gänzlichen Verluste ihrer Vernunft noch nicht den Gipfel irdischer Glückseligkeit erstiege» haben. Die schnelle Beerdigung dcr Todten ist ein hier zu 3an. d« sehr zu entschuldigender Gebrauch, da die Pest oft wüthet, ! jÄ und man mit der Wcgschaffung der Todten eilen muß, um durch ihre schnelle Faulnisi den Grad der Ansteckung nicht »wch zu vermehren, und überhaupt schon darum, weil in einem heißen Clima die Ausdünstungen schädlicher sind, als in den kalten. Ob nicht öfter Asphyktische oder Schcmtodte begraben wurden, weiß man aus Erfahrungen darum nicht, weil die Türken nie ein Grab öffnen, sondern immer frische Stellen zu Gräbern aussuchen. Ans den Verlust an fruchtbarem Boden ist bey der möglichen Gefahr der Entstehung der Pest durch unvorsichtige oder zu frühe Eröffnung dcr Gräber, wie mehrere Beyspiele aus der altern und neuern Ge» schichte lehren, gar nicht Rücksicht zu nehmen, die. se Gewohnheit vielmehr zu loben. Von größerer Er< heblichkeit ist dagegen der Umstand, daß man die Tod. ten gar nicht tief und weniger als hinlänglich ist, ein» scharrt, und daß die Türken beyderley Geschlechts an jedem Ftyertage auf dem Bcgrädnißplatze, der mehr eincm Parke, als einem einförmigen Aufbewahrungsorte menschlicher Ucbcr< rcsie ähnlich ist, häufig verweilen. Hicher ist auch die Er, richtung von Grabstätten an den Landstraßen zu jahlcn, besonders in den Sandgegcndcn Acgyptcns, wo die heftige Sonnenhitze die geringe Sandschicht leicht burchdrmgt und die Ausdünstungen des in Fäulniß begriffenen Leichnams herausdringen laßt. Man überzeugt sich davon sehr leicht, wenn man an eincm Sommertage bey wi'ndloscr stiller Abendluft cmem solchen Platze sich nähert; Geruch und Brust wird davon empfindlich afficirt. Hierin ist eigentlich die Entstehung und Wiederkehr der Pest gegründet, weiche noch die Sorglosigkeit, Unfläthigkeit der Türken bey Flcischbän, ken, Abtritten und Fabriken, und der gänzliche Mangel an Raumungs.Anstalten in Städten nicht wenig begünstigen mag. Zum Beweise des Gesagten mag die Entstehung des !l3 so fürchterlich gewordenen gelben Fiebers dienen, welches seinen Anfang und seine Bösartigkeit der unvorsichtige» Oessnung eines neuen Grabes zu verdanken hatte. Daß cs ,'n Aegypten nach einer Reihe von ruhigen Jahren stets sei. nen Anfang nehme, und bann sich in den Hauptstädten, Ale« xandricn, Constantinopel, Smyrna und Salo-nichi verbreite, zeigt die Geschichte dieser Krankheit. Ue-brigens ist die Unfiäthigkeit der Straßen, der gänzliche Mangel an Abdeckern und Reinigungsanstalten, die Menge des eng zusammcnwohnendcn Volks ein großes Beförde-rungsmittcl der Pcsientwicklung. Man gebe dem Orient europaische Cultur und Regierung, — und das Uebel ver, liert mit seiner Quelle den Zunder, seine Existenz hört auf, Und die Krankheit tritt in die Kategorie der gewöhnliche« epidemischen und endemischen Nervenficber, welche dann einer leichten Behandlung unterliegen. Vergebens hatte der Consul versucht, den Pascha durch alle möglichen Sichcrhcitssicllungcn zur Vcy'stimnmng zu bewegen, und die Vorstellung, daß ich zur Einfammlung von Pflanzen hiehcr gekommen scy> welche nun verblühten, und ich ein ganzes Jahr dadurch verlieren würde, blieb ohne alle Wirkung. Indessen kamen mehrere Kranke zu mir, denen ich, besonders jenen aus des Pascha Hofstaate, auch die vorräthigen Medikamente -^ unentgcldlich — gab. Cs gründete meinen Ruf, daß ein Arzt hier angekommen sey, der umsonst Visiten gebe, und die nöthigen Medikamente noch obendrein verschenke. Reynicri hatte manchen an-gtkomninett Arzt aus dem Sattel gehoben und das Feld behauptet. Dieß wurde ihm aber gefährlich, denn et hatte Uoch kcine ähnliche Erfahrung gc.macht. Klug mußte et ohnehin zu Werke gehen, und mcine Gegenwart konnte ihm schaden, wcnn ich nur cinigeu Krauten, die er verließ, Cr-lcichtcrung verschafft hätte. Ich erklärte ihm in ewigen Ta« Erster Tbeil. H "4 gen ;ufalliq, daß ich gesonnen scy, noch einige Monate zu war-ten, mich cinstwcilcn mit dcrPraris hier zn beschäftigen, und mir die dazu nöthigen Medikamente aus Smyrna kommen zu lassen. Er bot sich sehr schlau an, mir sie zu- verschaffen, und drang auf die Eingabe eines Verzeichnisses von dem Bcnöchiqtcn, weil ein Schiff dahin morgen abfahren wolle. Mag es seyn, daß cr in meinem Benehmen sah, daß ich ihm nicht traute, denn ich gab ihm das Verzeichniß nicht, weil es mir um dic Sache nicht Crnst war, genug cr fürchtete, ich durchschaute ihn, und habc sie durch einen andern bestellt. Ich hatte nun zu meinem Vortheile gearbeitet, ohne es ahnen zu können. Rcynicri war Willens, mir das Vcr-zcichniß abzulocken, es dann gar nicht abzuschicken, mich immer zu trösten, und so aus Mangel an Medikamenten mich unschädlich zn machen. Da ihm nach seiner Meinung dieses mißlungen war, und ich die Arzneyen bald aus Smyrna auf allderm Wege erhalten könnte, so mußte cr suchen, die Freyheit, die Insel bereisen zu können, mir zu verschaffen, und zu meinem Zwecke mir behülflich zu seyn, um nicht von den angekommenen Arzneyen einen seinem bewährten Ansehen gefährlichen Gebrauch machen zu sehen. Cr wurde nun mein innigster Freund,, führte mich überall in die vornehmsten Häuser, verschaffte mir die besten Kran< kcn, vermied jene, welche chronisch, komplizirt oder unheilbar waren, kurz cr that durch frcywilligc Bitten und Vorstellungen bey den nächsten Umgebungen des Pascha, bcson-, dcrs beym Acis« Bey — einer Person, welche in der Zwischenzeit der Abreise und Ankunft der gewechselten Pascha's hie Regierung führt — alles nur Erdenkliche, um mir die Erlaubniß desselben durch die Fürsprache dieser Großen zu er.virkcn, allein vergebens. Endlich, da ihm dicscr Kunstgriff mißlang, so stiftete cr Kranke, vornehme Türken, ii5 die außer der Stadt wohnten, an, mich holen zu lassen; auf meine Erwiederung, daß ich nicht vor die Stadt gehen könne, meinten sie, hicr habe der Pascha nichts zu befehlen, und es würde vorher schon der Thorwache angedeutet, daß cs geschehen müsse. Er nöthigte mich, daselbst zu verblei, bcn, mld nach Gefallen zu botanisircn. Ich sendete meine Gewächse in die Stadt, und blieb immer einige Tage auf dem Lande. Zwar diente mir dieses zum einstweiligen Er< satze; allein auf weitere Entfernungen durfte ich cs doch nicht ausdehnen. Der Pascha äußerte sich gegen bcn Dra« goman, der ihn immer erinnerte, garnicht darüber, ob wohl er es wußte, da ihm genau alles gemeldet wurde, was ich that, lehnte aber alles in Bezug darauf förmlich ab. Monate nmsitcn vergehen, bevor ich von Constant!« Nopel einen neuen Fcrman erhalten konnte, denn zur Winterszeit, wenn der Nordwind herrscht, liegen die Schiffe vor Tenedos Monate lang, bis sie ein Südwind (60 oder 8irocco) durch die Dardanellen treibt, und einen neuen zu erhalten, ging nicht einmal an, weil man den alten für unzweckmäßig hätte ausgeben müssen. Reynieri, wel« cher im Rufe stand, so viel Nützliches für mich schon erwirkt zu haben, und von dessen Beweggründen niemand, ich selbst anfanglich nicht, das geringste ahnete, war jetzt selbst außer Stand, mehr für mich etwas zu thun. Mißmuthig über die Langsamkeit meiner Angelegenheiten, bat ich nun den Consul, er möchte einmal absichtlich, nicht bey Gelegenheit anderer zufaltigen Geschäfte, den Dragoman zum Pascha senden, und ihn noch einmal um diese Erlaubniß förmlich in meinem Namen bitten; ich selbst unterrichtete diesen guten Alten, was mir nach einigen gemachten Erfahrungen als ein ' Beweggrund für Türken wichtig schien. M o sa ky kam unverricbttttr Sache, und zwar mit folgenden Worten, vom Pascha zurück; „Ich lasse dcn Hrn. Doktor (er mcimc mich) litt j,grüssen und bedeuten, daß cs mich sehr Wunder nehme, „wie er eine Gefälligkeit von mir (einem Mohammedaner) „fordern könne, nachdem er von seinen eigenen Landsleutcn „leine sich zu verschaffen wnsitc. Hatte doch der Hr. Dok< „tor nur den Zerman sich lesen lassen, und sich früher selbst „zu überzeugen gesucht, daß nichts vorthcilhaftcs darin fur >,,'hn geschrieben siehe; hatte er mir ihn nur nicht vorgcwie-„sen, und mir blos seinen Wunsch geäußert, so hätte ich es „aus freiem Antrieb thun können. Nachdem er mich aber „durch die Vorweisung seines Fcrmans an meine Handlungsweise erinnert hat, so kann ich jetzt von meinen Instruktiv« „nen nicht abgehen." Dieß war cden das Untröstlichste, was mir geschehen konnte. Diese sehr höfliche, jedoch un< angenehme und bestimmt abschlägige Antwort, schlug uns alle nieder. So widerwärtig adcr als sie mir war, so konnte ich doch die Handlungsweise des Pascha und seine Aeußerungen gar nicht tadeln, indem ich bey den mir immer klarer werdenden Verhältnissen die Ursache begriff, und in gleichen» Falle eben so gegen einen unbekannten Fremden gehandelt haben würde. Die Franzosen, welche mich öfter besuchten, gaben mir allerley Rathschlage, welche ich verwarf, und zum Theil für unschicklich hielt; ich wollte liebrr eine kurze Ait verstreichen lassen, dann persönlich mit ihm sprechen, und ihm den Vorschlag thun, da er meinen Gärtner als einen unverdächtigen Menschen betrachten mußte, ihm die Erlaubniß zu geben, worauf die Mcinige unmittcl« bar gefolgt wäre. Neynieri versprach, dieses alles noch auszuwirken, und vermöge seiner großen Bekanntschaft als Ctadtarzt seinen Zweck zu meinem Besten gewiß zu er-reichen. Bevor aber dazu Hoffnung ward, änderte sich plötzlich die Bühne, und ich errang durch em Ungefähr, wozu man mit allem Plancschmicdcn nicht hatte gelangen können^ "? Es kam ein Grieche, wclchcr ziemlich gut italienisch sprach, und den man schr oft ersucht hatte, den Dolmetscher bey Kranken zu machcn, und bat mich, einen türkischen Geistlichen, den Imam einer benachbarten Moschee, zu be. suchen, und ihm einen guten Rath zu ertheilen. Ick folgte ihm, und als ich den hypochondrischen Imam befragt hatte« erklärte ich auf seine Foderung, demselben Medikamente zn geben, geradezu, daß mir noch keine ungehinderte Erlaub' m'ß gegeben wäre, die Insel zu bereisen. Die grünenden Voralpen der mit Schnee bedeckte» Lcucaori waren soeben cnt» wölkt aus seinem Fenster zu sehen, ich wies auf dieselben hin und sagte: „nur dort wüchsen die Krauter, welche ihn „heilen würden, und er müsse daher trachten, daß ich her« „aus dürft." Dieß hatte ich indeß blos gesagt, um seiner los zu werden, und mich von einem alten Hypochondristen, dem ich ohnehin nicht helfen konnte, zu bcfreycn. Der gute Alte sah mich eine Weile an, schien sich zu etwas entschließen zn wollen, als er sogleich Feder, Tinte und Papier sodcrtc und unmittelbar an den Pascha schrieb, in meiner Gegenwart den Brief siegelte, und ihn auch absendete. Ich versprach mir von seiner Aeußerung: daß er schreiben m ü ssc, weil er u i ch t gehen könne, eben nicht viel besonderes, — indcm mir vorkam, als ob er eine allzugroße Wirkung von seinen, Papier vermuthete, die mir, nach den Umstanden zu schließen, nicht einmal von seiner Person wahr? scheinlich vorkam. Nach einer Stunde kam ich aber zum Consul, wclchcr mir mit dcm größten Vergnügen entgegen trat, und mir erzählte: der Pascha habe vor einer halben Stunde hcrabgcschickt, und durch seine Hofbcdicntcn den Mosaky suchen lasscn, welcher ganz erstaunt und durch das Ungewöhnliche außcr sich gesetzt, mit Furcht hinaufgegangen wäre. Der Pascha habe ihn freundlich gegrüßt, und ihm Nachstehendes eröffnet: I,« „Er entbiete dem Hrn. Consul seinen Gruff, lind lasse „ihm vermelden, der Hr. Doktor könne sich nun ganz unge. „hindert auf seinem ganzen Paschalik umsehen; und wolle er „in jenen von Rettimo, so würde cr ihm einen Brief an den „dortigen Musselin mitgeben, um gleiche Freyheit zu gc« „nießcn, Es wäre ihm bekannt, ich zeichnete und schriebe, „ich solle mich indessen allen meinen Geschäften ungestört „überlassen, jedoch i« der Nah«? von Festungen und Ring-„mauern nichts unternehmen, damit die candiottischen Tür-„ken (!) ihm keine Beschwerden darüber brachten; er hatte „auch bereits den Befehl gegeben, nnch überall ungehindert „passircn zu lassen." Ich war in der That über eine so edclmüthige Handlung entzückt, mir gefiel aber etwa nicht daran, daß er sich habe bewegen lassen, und ich die Erlaubniß endlich doch erhalten hatte, nein mir war seine vortreffliche Gesinnung, gegen cmcn ganz fremden Menschen, einen Christen, unschätzbar, und daß cr nicht einmal eine zufallige Gelegenheit abwarten wollte, sondern der Osmanischcn Gravität ungeachtet, sich selbst beeilte, mir die augenehme Nachricht so bald als möglich hinterbringen zu lassen. Ich hatte ihn stets, ohne Rücksicht auf feine abschlägige Antworten, geachtet, denn cr benahm sich cdclmüthig und stolz dabey; ich konnte feine Laune nicht befriedigen, weil Menschlichkeit mir es verbot, und cr rächte sich nicht an mir, so leicht als es ihm gewesen wäre. Doch ungeachtet alles dieses Schadens, einer Folge meiner Handlung, hätte mich mein Benehmen doch nie gereuet, denn ich hätte sonst etwas, was ich für Recht hielt, für schlecht gelten lassen. Dem sey wie ihm wolle: Alle glaubten, Reynieri hatte cö erwirkt. Er hatte zwar früher unstreitig viel gethan, aber niemand wußte warum; auch dicsimal verschwieg ich den Grund, ich wollte niemanden sclne Freude stören, in dem l'<^> Augenblicke, da ich selbst Freude empfand. Ich bin über. Haupt großmüthig; ich lasse gern jedem die Schale, wenn ich die Nuß bekomme. Unser Consul freute sich kindisch, und ich freute mich auch. Um hier die Handlungsweise des Pascha zu beurtheilen, muß man auf die Verhältnisse Rücksicht nehmen, unter welchen er sich auf der Insel befand. Von der Pforte dahin beordert, bleibt er höchstens 2 — 3 Jahr an seiner Stclle, denn die Politik derselben erheischt, durch stetes Wechsel» der Möglichkeit cincr Independcnz der Paschas zuvorzu' kommen. In dieser Zeit muß er so viel sammeln — daß er einen Antheil davon verwenden kann, um sich eine neue Stelle zu erkaufen; cr trachtet mithin nach einer bessern. Er setzt daher alles wirklich ein, bedient sich aller Mittel und, Wege, zu großen Summen zu gelangen, und muß natürlich den republikanisch gesinnten unbändigen Türken dicscr Insel, welche wegen ihrer Widersetzlichkeit gegcn die Befehle der Pforte am bekanntesten sind, um so lästiger erscheinen, je öfter ein solcher Plagegeist für sie auf die Insel kommt. Es ist daher nichts auf Dauer bcrcchuct, sondern jeder Pascha denkt, da cr nur auf kurze Zeit da ist, er müsse dcn Au, genblick benutzen. Nun ist hier eine stete Spannung zwischen dem Pascha und dcn Türken, jeder bewacht dcn an.' bern wechselseitig, derPascha darf daher nichts Regelwidriges vyrnchmcn und gegcn die Form verstoßen. Hatte nun dcr Pascha auf diesen Fermau, welchem zufällig das gute Detail fehlte, mir die Erlaubniß sogleich gegcbcu, die Insel zu bereisen, so hatte mau ihn beym Scraskicr, dem Obcr-Pascha vou Kandia, und bey dcr Pforte angeflagt, daß cr ihre Befehle überschreite, und ihn beschuldigt, daß cr Spionen die Bereisung des Landes gestatte. Der Pascha war demnach zu dieser Handlungsweise gezwungen / uud lehnte auf die mündlichen Msu> »20 chungen der Großen alles ab, ignorirte aber auch meinen Aufenthalt auf dem Lande; als jedoch ein schriftliches Gesuch lhm in die Hände kam, waren alle Schwierigkeiten gehoben, U'.ld er kam mir zuvor, um mir dieses Vergnügen keinen Au« yenblick zu entziehen, denn nun konnte er jedem, Vorwurfe Trotz bieten, indem er sich ausweisen konnte, daß bicEinge-borncn es von ihm selbst begehrt hätten; er war jedoch'^ so klug, ktinc schriftliche Erlaubniß mir in die Hände zu ge, ben, weil rer Rohhcit wegen, und da in der ganzen Turkey kein Bild, als Rcligionswidrig, geduldet wird, besonders eines auffallend fanden, welches die Susanna mit den beiden Alten vorstellte. Sie brachen in ein schallendes Gelächter aus, welches die Türken übrigens selten thun. ' Der Mis. sionar aufgebracht über das Lachen derselben, zog den Degen, der im Winkel lag, weil er sich verspottet glaubte, und trieb die Türken vor sich her. Wir, erstaunt über den Lärm, hörten von den beiden Soldaten, da<; sic cmcn großen t^l Fehler begangen und unwissend in den Harem dcs Kapuziners eingedrungen waren, sie baten daher um Vermittlung und um Verzeihung. Dicscr höchst komische Auftritt, der Kapuziner mit dem bloßen Degen in der Hand, die zwey athletischen Albancstr bewaffnet, und dennoch jn einer re,u< müthi'gcn Stellung, endlich die auf doppeltem Irrthum beruhende Veranlassung dieses Auftritts, verursachte eine solche Zwcrchfcllscrschütterung, die bey mir um so größer wurde, da ich den dicken Kapitän und den Mosaki grinsen sah. Allein die Scene ändcrtt sich, als die beiden Albancstr erfuhren, daß der Kapuziuer lein Harem besitze, und sein Zorn des Bildes wegen entstanden sey. Jetzt wurden sie böse, indem sie es ihm zum großen Verbrechen anrechneten, eine Susanne im Zimmer zu haben. Hierdurch und der hanfigen Besuche wegen, denen ich nicht ausweichen konnte, wur< de ich bewogen, eine andere Wohnung zu suchen, welche mir der brave Ehmin Aga, auf dessen Landgute ich gewesen war einräumen ließ. Es lag auf einem mitten in dcn Hafen eintretenden Felsen in einem kleinen Stadtquarticr von drey Hausern und einer Moschee, nächst dem Mauthhausc, je« doch dem kalt en ndc, der Mündung dem Hafens gerade gegenüber so ausgesetzt, daß es, besonders zu Winterszeit, von den weichlichen Türken wegen Kälte nicht zu beziehen war. Wir fanden dasselbe etwas schadhaft, aber bewohnbarz machten einige Auslage», ließen Maurer kommen, die Terrasse wurde mit Lehm uud kleiuen Stcinchen platt gestampft, und wir so vor dem Rcgcu gesichert, da die Häuser auf der ganzen Insel ohne Dächer sind, und über die Decke der obersten Etage blos ein Breterboden gelegt wird, auf welchen eine 6" hohe Lage vou Letten aufgeschüttet, geebnet, mit kleinen Stcinchcu bestreut, und nut Walzen oder platten Hölzern wie auf Tennen eben und etwas abhängig geschlagen wird. Ehmiu - Aga lMte 2 Jahre schon däsHal,s leer, u:,d hielt sich I5l2 durch die vorgenommene Reparatur entschädigt. Hi«'r wohnten wlr nun in weit angcnchmercrFrcyhcit, als zwischkn dem todten Gemäuer in einem abgelegenen Theile der Stadt. Auf eine Terrasse darf hier jedoch kein Europäer steigen, wenn sie von türkischen Häusern umgeben ist, denn man kann von da aus über dieselben hinweg in ihre Hofe und Gemächer blicken, wo ihre Weiber oft ganz entblößt mit ihre» gewöhnlichen Arbeiten beschäftigt sind. Man muß daher Stunden wählen, wenn man droben etwas zu thun hat, wo sie nicht beschäftigt und sichtbar sind, sonst entsteht cin Ge« kreisch, und schon, wenn man sie noch gar nicht wahrgenommen, sondern von ihnen nur erblickt worden ist, eilen die Männer herbei, ja es geschah schon mehrcremal, daß Kaufleute, die im Kloster waren, und der Aussicht wegen die Terrasse (oder die obere Flache des Hauses und den. Estrich) betraten, von abgeschossenen Kugeln begrüßt wurden. In unserm Haftngebäude lagen wir aber ganz entfernt und abgesondert, hatten zwar kühle Luft, doch sank selbst bey den rauhcstcn Nordstürmen das frey am Balkon hangende Thermometer selbst im Winter nie unter -j- 6", eine sehr ynbedcutcnde Kühle, welche unsermHcrbstwcttcr ähnlich istj dafür hatten wir im Sommer stets erfrischende Seeluft, und nur diesem glücklichen Zufalle, der uns in dieses abgeschiedene, herrlich gelegene Haus brachte, und der scharfen und unaufhörlichen Seeluft hatten wir es zu danken, daß wah« rend der Pesizeit, wo alles in Trauer um uns her lag, und alle Häuser von der Pest heimgesucht wurden, wir, ohne die geringste Anfechtung, von der Pest verschont blieben. Wir genossen den Vortheil, alle Frankenhauser und die lange Terrasse ringsherum am Hafen zu überblicken. Der Lärm in her Moschee an jedem Donucrsiage Aöends machte uns über-dieß Vergnügen. Ich zog in meine neue Wohnung den 3o. Januar i8l/ cin, in ein Gebäude, welches kurz vorher cin ,23 Malteser «Architekt bewohnt hatte, der hierher zur Ausbesserung einiger Mauern am Haftn berufen worden war. Er hatte das ganze Gcbaude fchr vernachlässigt, so baß es einige Kosten verursachte, dasselbe in Ordnung bringen zu lassen. Tischler, Glaser und Zimmermann brachten cs aber in kurzer Zeit in einen anmuthigen bewohnbaren Stand. Dcni Eingänge des Hafens gcradc gegenüber entging mir kein cin-trctendcs und tcin abfahrende s Schiff. Frohe Wünsche fio-gen dem scgclfcrtigcn nach, Erwartungen dem kommenden entgegen; begierig auf den Augenblick, wann die Flagge aufgezogen aus einander rollte, stand ich mit dem Fernrohre in der Hand auf einem Balkon, und mein Gefährte erkannte die östrc i ch i sch c Flagge immer an meinem Gesichte, denn der weiße Streif zwischen den beiden rothen hatte auf die Heiterkeit meines Antlitzes einen entscheidenden Einfluß. Vier grosic Gemacher reichten vollkommen zu, un« fern Arbeiten Bequemlichkeit zu verschaffen; an heißen Ta, gen zogen wir des Vormittags in den westlichen Saal; in, der Nachmittagshitze, wo der Wind von der See her zu wehen begann, in die Zimmer gegen Norden. Dcr Balkon hing über der Sec, und leicht konnten wir uns das nöthige Wasser schöpfen; zwar beunruhigte uns der Wellenschlag, der immer an unsere Grundmauer anprallte, und anfanglich eine eigene höchst unangenehme Empfindung zur Nachtzeit verursachte, allein auch dieses wurden wir bald gewohnt. Angenehmer ist es, wenn die Welle an einem flachen sandigen, Ufer sich mit der sanftesten Böschung in die Höhe zieht, und mit Sand, Kies, Muscheln, Zweigen, Seetang und dergleichen singend spielt, als wenn sie an Klippen, Gestaden oder an Maucrwcrkc in tobendem Brausen und schäumendem Brechen sich zerschellt. Im ersten Falle scheint die Welle durch das sanft abnehmende Rauschen mit dcr stets sich vermindernden Wassermenge eine Tonleiter durchzugehen, und im Spiele l2t mit dicscn Gegenständen die melodische Vcrmengung von al. lerlei Lauten hervorzubringen, besonders wenn Wellen unter sich oder ncbcn einander und in geringen Entfernungen wie in einem abwechselnden Kampfe begriffen sind, der im Sturme aber schon zur Brandung wird, und an Muscheln, Conchilicn und zertrümmerte Gefäße anstoßen. Dieß Gemisch von sanften Tönen, wozu der Wind zwischen den Wcl. len pfeift, nebst dem Platzen der Schaumblasen, welches zusammen ein Gewirre von Stimmen hervorzaubert, ist dem Müden, der aus o?m Schlafe in den Halbfchlummcr übergeht, von einer solchen Lieblichkeit, daß ich keineswegs daran zweifle, daß einzelne günstige Bildungen des Gestades, der harmonischen Entwicklung solcher Töne entsprechend, bei den Alten die Fabel von den Sirenen, so wie bei uns das Pfeifen des Windes durch Gebäude die Sagc von der Wiudsbraut, hcrbcygeführt haben. Dic Gegend um Canca ist sehr reizend. Einerseits liegt die See gegen Norden ausgebreitet, das Auge sieht dic Insel CytHera und den hohen Taygctus im Horizont verschwinden. Die Berge des Cap Maleca,— welches man Acrotiri, das Vorgebirge nennt, und welches Wort dem Griechen, alle Halbinseln und Erdcngcn zn bezeichnen, dient — bilden einen angenehmen Kranz von an einander gereihten Kegeln; der nächste Ort Chalcpa, welches eine steinige, Gegend bedeutet^ hat eine treffliche und gesunde Lage; im Sommer bewohnen dort auch die Franken einige Häuser. Ueber dem Berge Malax a bey den schönen Dörfern Murnes und Cicaleria,. wohin der angenehmste Weg zwischen Olivcnwaldfrn und Orange-Gärten führt, erhebt sich in der Ferne der alte Vater Ida, den man jetzt Psiloriti, den hohen Berg, nennt. Der vortreffliche Haftn von Suda, ehemals Amphimalla, dringt bis 5 Etuudc vor dic Stadt, welche durch eine ^andcngc, das »Z5 Cap Maleca, welches Tourncfort sap Melier nennt, mit den übrigen Inseln zusammenhangt. Diesen natürlichen Haftn besuchen alle Schisse, welche bei Stürmen und zur Nachtzeit in den Haftn von Canea einzulaufen sich mit Recht scheuen. Dessen ungeachtet, daß die Türken so verständig geworden sind, mld nach dem Sig, nal eines zur Nachtzeit nothgcorungcn einlaufenden oder an« nähernden Schiffes auf dem Lcuchtthurm ein Sprühftucr machen, wodurch alles auf das hellste erleuchtet wird, scheuen sich dennoch gewöhnlich die Schisse einzulaufen , und gehen bey der Insel S. Odcro, S. Thcodoro, oder, wcnn es möglich ist, im Hafen von Suda vor An-ker. Südlich erstreckt sich längs der westlichen Bcgranzung der Leucaori oder der sphakiott ischen Gebirge eine mchrcrc Stunden breite mid lange Ebene, die mit lauter Oelbäumcn prangt, welche alle jene, die ich in Italien je, auch einzeln gesehen hatte, bey weitem an Alter und Dicke, übertreffen. Diese Oclbaumc, gering geschätzt, an iaoc> Jahre alt, durch die Milde des Klima vor jedem Frost ge-schützt, geben ciucn vortrefflichen Anblick. Dazwischen trc< ten hohe Zypressen hervor, deren Wipfel die Nähe niedlicher Wohnsitze türkischer Großen berühren. Die mit Limonicit Und den schönsten Orangen bcladcncn Baume dieser hespc» ridischcn Walder unterbrechen, durch ihr laufendes Grün, aufs schönste dlc fahle Silberfarbc des Oclbüittes, und dir rankenden Staudcngcwächse umwinden freundschaftlich dic heterogensten Bäume wie Guirlanden. Ucbcrall rankt der Wcinsiock empor, die Pappel muß gewöhnlich eine Stiche für ihu abgeben, und schießt, durch die von den weisim Bergen hcrabsirömcndcn Bäche benetzt, mit schlanken Aesien in die Höhe. Hin und wieder tritt ein Palmbaum dazwi-schen, der mit überhängenden Wedeln, die im Zephyr hin-m,t> zurückweichen, das stolze Haupt bewegt, und umgeben I2li att seinem Fust von den trefflichsten Cistrosen, Myrthcn, Sal< beycn, Thyn:i«insiräuä)crn, von denen die Insel cine große und mannigfaltige Anzahl besiltt, die niedern Oclbänme überblickt. Ein sanfter Wind, der durch dic Baume weht, oder cin lüftchcn, das aus dem dnnkeln Dickicht, wo kühle Quel^ len emporsp.-udeln, dem Spazierenden eutgegenhancht, tragt den Duft der überall hervorsprosscnden Blumen und anderer balsamischen Kräuter der beengten Vrusi zu. Aloen mit ihren fleischigen Blättern umgürten schulend bic grünes, den Laatcn, oder die gepflegten Baumwollcnfcldcr, und der verwunderte Blick gleitet an ihrem tausendblüthigcn Caftc staunend empor, den Myriaden von Bienen, welche den köstlichsten Honig der alten Welt noch immer liefern, thatig umschwärmen. Bewaldete Rücken von herabstcigcndcn Bergen senken sich westlich, umgranzcn die fruchtbare Ebene ihrer Insel, und fallin zertheilt in die beiden. Vorgebirge, welche unter der Oberfläche des Meeres in die Insel Cythcra überaß hend, und ehedem außerhalb desselben mit dem Pclopon, nesus zusammengehangen haben. Das Landvolk ist gutmüthig, religiös. Die willige Duldung des über sie verhängten Schicksals macht sie bei geringen Veranlassungen froh, und dic tausendfältig wieder erzeugende Natur erleichtert ihnen die Anstrengungen unabwendbar rer Frohndicnste. Eic hoffen und harren, und wissen nicht einmal, wer ihre Schergen sind. Unwissend, ohne eben dadurch glücklich zu seyn, glättet die Hoffnung manche Falte ihrer vom Mißgeschick veralteten Physiognomie. Die Kleidung dcs Kreters, besonders des Landvolks, ist sehr anziehend und gefällig. Der kretische kanbmann kleidet sich ganz in Baumwollenstoffe, Bombaci, welche seine Fa^ »nilic verfertigt. Kurze faltenreiche Beinkleider, welche während des Gehens das nackte Knie entblößen, eine Leib< l27 binde, die sic ftsi halt, ein Latz 5 welcher die Brust bedeckt, und cinc kurze Jacke, cbcn auch von festen« Baumwollensioff, dic darüber gezogen wird, dann ein Bund, indem er sich cinc lange Vi'ndc um den Kopf wickelt, deren unteres Ende längs dcm Rücken hinabrcicht; endlich ein paar bunte Stiefeln, dcrcn Kappen von rauhem Lcder bis an die Knöckcl hcrab-rcichcn, um vor den Dornen zu schützen, geben besonders wegen der blendend weißen Farbe des Stoffes cinc angenehme gefällige Tracht. Auch wenn sie nach der Stadt kom« men, nehmen sie sich gefälliger aus, als der faule türkische Stadtbewohner mit dem bunten goldbcbrämtcn Kleide. Den 6tcn Februar beschädigte ein fortwährender Sturm und Wellenschlag, der über die ganze Mauer des Hafens ging, alles rings umher. In der kaum seit einigen Mona-ten fertig gewordenen Mauer hatte er die obern Scharten zum Theil wcggcschlagcn. Sie wurde von den armen Gric. chcn im vorigen Jahre, — nachdem cm heftiger Sturm sie zertrümmert hatte — wieder aufgebaut, so daß blos der Lcuchtthurm isolirt blieb; selbst das Trottoir im Haftn wurde von der längst schon gebrochenen Kraft der Wellen dennoch beträchtlich beschädigt. Ware der Eingang des Hafens nicht den andringenden Wellen Preis gegeben, so würde derselbe offcnbat längst versandet seyn, ft wie der von Candia wegen seiner unge« meinen Verwahrung und wegen der nordöstlichen Einfahrt vor Mcereswellen bcsscr geschützt, des ruhigen Wassers we* gen aber auch weit mehr versandet ist. Dcr Hafen von Ca< nca ist für große Schiffe in dcr Mitte noch fahrbar, aber der von Candia absichtlich verwahrloset. Auf dcr In« stl Standia geben die Buchten für die Schiffe allein einen sichern Untergrund, welche sich daher fast immer auch dahin begeben. Die Werke der Vcnctiancr gehen cbcn so zu Grunde, wie die Werkc dcr Römer nach dcm Einfalle der Gothcn; »28 redende Beweist der Barbarey eines rohen ungebildeten Volkes. Den isieN und in der Nacht zmn ?tcn März war neuc'r« dings mit dem heftigen Nordwinde cine schreckbarc Fluch entstanden, die Mecrcswcllcn, welche die Grundmauern meines Wohnhauses scit cincm Jahre völlig untcrwascheu hat' ten, schlugen jetzt in gerader Richtung mit noch größerer Gewalt an, das ganze Gebäude zitterte im Sturme und Wellenschläge, der Anwurf der Mauer fiel herab; auch mein Thermometer wurde am Balkon dadurch hcrabgcworfcn und zerfiel in Stücken, und wenn nicht die Moschee links, und cin ncugcbautes festes Haus dcsDouanicrs rechts, das mcis luge unterstützt hätten, so hätte leicht der Einsturz des Vor-dcrtheils mit dem Vatkon erfolgen können. Dic Türken sind keine Liebhaber vom Ausbessern, sie lasscn lieber alles zu Grunde gehen, um das Vergnügen zn haben, es von Grnnd ans wieder ncn zu erbauen, oder es in Ruinen liegen zu schcn; das letztere scheint ihnen aber auch noch mehr zn gefallen. Am 9ten Februar war cbcn auch cin solcher Sturm gewesen, und am Abend zeigte sich ein Schiff. Cs wurde Nacht. Im Hafen sah man seine Annäherung. Der Leucht-thurm machte daher ein Cprühfeucr, welches von oben herab die Breite dcs Einganges vom Haftn übergriff, um dcm Schiff genau den Eingangspunkt zu zeigen, allein es fluch, tctc sich in die Nähc der Insel S. Theodore. Dieß ist cinc gute Einrichtung, welche zugleich zu dieser Zeit dem Lärmen der Türken, die so cben ihr Gebet in der Moschee verrichteten, ein festliches Ansehen gab. Unsere Wohnung lag gcradc an der Moschee, welche Tonrncfort wcgcn ihrer Nettigkeit in seiner Reisebcschrci-bung erwähnt. Mit mehreren zierlichen Kuppeln bedeckt, und von artigen Arkaden rings herum umgeben, bietet sie bei der Einfahrt in den Haftn cm angenehmes Bild. Jeden >»9 Donnerstag Mend halten 'bte Türken barln chren Gottcs» dienst, und gegen 6 Uhr fangen sie an heulend zu schreien, und nach Art unserer Lilancycn antwortet das Volk mit cincm furchtbar tobenden Lärm, daß davon die ganze Mo. schee erzittert. Zuerst kommt ein Fluch über die Ungläubi. gen, welche des wahren Lichts vcrlustigt, die Erkennt-nisi echter Weisheit entbehren; sie bitten dann um unsere volle Erblindung, und daß wir uns unter einander anfrci« bcn? endlich bitten sie noch den Mohammed, unfern ver« schlossencn Sinn durch die Kraft seines Schwertes zu öffnen. Der Donnerstag ist die Vigilic für die Mohammedaner oder Türken, indem sic bcn Freitag zu ihrem Feiertag, wie die Christen den Sonntag, auscrwählt haben. Von dem Tage an, wo ich die Erlaubnist, die Insel zn bereisen, erhalten hatte, ließ ich keinen vorbcistrcichen, ohne dieselbe zu benutzen. Am uten erhielt ich sie, und auch an demselben Tage noch besichtigte ich außerhalb der Stadt mch« rerc wichtige Orte, Tags darauf besuchte ich das eine Vier« telstunde entlegene und anmuthsvolle Chalcpa, welcher Ort aus nah an einander gedrängten Häusern besteht, und sich allmahlig in einzelne zerstreute schöne Landhäuser vornehmer Türken verliert. Mannigfaltig Harmoniren die verschiede, ncn einzeln aus dcm Olivcuwald hervorragenden Baume, und verschiedene Wege schleichen sich über Fcld-Terrasse« hin. Graben durchziehen es nach der Richtung der Stadt, und treffliche Gcwackse verbergen sich zwischen den felsigen, jedoch niedrigen Wänden, beiderseits von fruchtbaren Weizenfeldern eingesäumt. Die Pflanzen, welche ich jetzt dort fand , machten meine Zufriedenheit vollkommen. Durch Tonrncfort, welcher mit ungcmcmcn und überspannten Vorstellungen von der Eigenthümlichkeit der kretischen Flor hichcr gcrcisct war, und wcgcn der vielen, auch in Frank« reich vorkommenden Gewächse, schr betrübt war, bclchrt, ErNcr Th.il. I ,2o erwartete ich weniger, und fand mich daher mehr entschädigt, als ich anfänglich gebacht hatte. Diesem berühmten Rcismdcn entgingen viele seltene Gewächse, welche noch Sibthorpf besonders in den sphakioNischen Gebirgen, fand, und der ersic üble Eindruck, den die See« sirandspfianzcn auf ihn machten, als er, kaum angelangt, sogleich sich vor die Stadt begab, war wohl Ursache, dasi dieser bcrühmtc Mann zu der Acnsicrnug sich bewogen fand: Kreta habe kaum »2 eigenthümliche ß«:wachse, die nicht cbcn so gut auf den benachbarten Inseln des Archipels zu finden waren. -^ Kaum von der Excursion zurückgekommen, wnrdc ich durch einen Diener des Ehmin°Aga zu ihm auf sein Gutsschlosi, cin Landgcbaude, welches man hier, aus den Zeiien der Venctiancr her, noch Vastilla nennt, ab< geholt, machte des Nachmittags cinc Excursion gegen dic Vorgebirge der spakiottischen Alpen, dann aber des andern Morgens gegen das Kloster Agio Giorgi (St. Georg), welches auf einer Gcbirgshöhc südlich von Canca liegt. Zwischen Lt'monl'engarten, welche bald dem Oelbaumc und der Weinrebe Platz machten, empfingen uns die schönsten Platancubäume, welche ich je gesehen zu habe« mich erinnere; die Luft war hcitcr und warm. Eine Vcrgschlucht schien vo>! beiden Seiten über eine kleine Mühle, in der wir ein, sprachen, zusammenstürzen zu wotten. Der Mechanismus derselben schien von dem ältesten Meister herzurühren, dem« ware nicht ein Gang derselben in Bewegung gewesen, ich hätte nicht geglaubt, daß sie gchcn könne, so roh war alles gezimmert. Der Bach kam 1000 Schritte höher aus der Erde hervor, und trieb 5 Mahlgange, im Winter mehrere. Die Schlucht, woher er kam, führt nach dcm schönen Gebirgs-dorfc Thcrisso, und ist für Pftauzeufreundc, ausicr der Bcrgschlucht zwischen Etifo und Com it a des m den SphakioNcn, dcr wichtigste von allen Pflanzenreichen Or- ,3» ten der ganzen Inscl. Das Kloster (Mo na stiri) St. Georg, ist ein wahres Miniaturkloster. Es ist eine im Quadrat auf cincr Terrasse erbaute Kapelle mit einigen Wohnungen für die Caloyeren (Mönche). Die Kapelle faßt höchstens 4o Menschen, die Kammern für die Mönche sind ohne Fenster, und die einzige Thüre, welche zu ihnen führt, Muß immer offen bleiben. Das Klösterchen liegt hoch, zwischen einem Dutzend der ältesten Oelbäume verborgen, daher die 3 Mönche, Caloycrs, welche vom großen Kloster S. Trinidad, am Cap Maleca, hicher geschickt werden, alle an Rheumatismen und an der Gicht leiden- Die Menschen haben auf Kreta einen sonderbaren Begriff von der Heilkunde- Zuerst erwarten sie alles voll dem Pulver oder der Arzney, welche man ihnen geben soll, das ganze übrige Verhalten und die Diät gehört nach ihren Begriffen nicht dazu; da der Magen durch Erbrechen, die Eingeweide durch Laxanzen bei ihnen wieder in Ordnung zu kommen pflegen, st erwarten sie von jeder andern Arzeney eine augenblickliche Wir« kung, und die Güte des Medikaments wirb genau nach der Zahl der Stuhlgange abgemessen. Man ist daher auch bei jeder andern chronischen Krankheit genöthigt, da wo es angeht, um das Zutrauen des Patienten und die Hoffnung der Heil-barkcit des Uebels zu erhalten, ihm jede Woche wenigstens einmal auf einem oder dem andern Wege Entleerungen zu verschaffen. Die meisten sind durch die herumstreichenden Marktschreier so sehr verwöhnt, und der Darmkanal ist bey Manchem so trage, daß man die ganze Art zu behandeln an» dcrn musi. Sollten einmal rationelle Acrztc dahin gelangen, so würdm sie sehr viel Muhe haben, das Heer von Vorurthcilcn und albernen Forderungen, worauf Patienten zu bestehen pflegen, zu beseitigen und abzuschaffen. So gab ich einem Türken Sublimat mit Ealcp, mit etwas in Weingeist aufgelöstem Opium, und er beklagte sich schon bcn an« .32 den» Tag sber den Mangel der Wlrkung der Arzney. „Sie „mag recht gut und passend für mcincn Zustand styn, (was „ohne Zweifel der Fall war), sagte er, „aber ich habc kcine „Stuhlgange darnach gehabt." Die Medizin nennen sie Lazivon äia-i, griechisch Salz, wahrscheinlich deswegen, weil zu den Zeiten dcr Vcnttiancr die im Schwung genesenen Salze, Glauber's Wunders,^ und dcrgl., in großer Quantität von diesem industriöscn Volle verbreitet und in dcr Levante überall verführt worden sind. Die Mönche brachten mir ocn vortrefflichsten Honig, welchen es nur geben kann, dcr auch als dcr berühmteste seit den ältesten Zci-ttn anerkannt ist. Wcnn es wahr ist, daß, je maunigfalti« gcr die Blüthen, je langer sie dnrchs ganze Jahr zn habcn, je aromatischer ihre Theile sind, und je mehr an East ab« sondernden Drüsen sich in denselben finden, anch in dcr Maße die Menge und Güte des Honigs zunehme, so ist es schr begreiflich, wic sich scit den altcsim Zcitcn dcr Ruhm des Honigs von Kreta habe erhalten können, denn alle Erfodcrm'ssc zn seiner Erzeugung treten hier ,'m vollen Maße ein. Jeder, dcr ihn vorsetzt, erwähnt dabey immer, daß dieses echter Honig von Acrotiri scy; so nennt nmi! das keulenförmige Vorgebirge Male ca. In dcr That habe ich mich davon überzeugt, dasi dieser unter allen der beste ist, und daß dort die Wartung dcr Vicncn zugleich am eiftiqstcn bctricbcn wird. Das Frühstück, rcincr Honig mit schwarzen! Brode und Qucllwasser, must ich für emcs der trefflichsten halten; es scheint auch, daß das Wasscr vol'. Kreta deshalb in dem Ruhme des bcstcn vom ganzen Archipel geblieben ist: weil noch immer jedem Angekommenen zuerst der Honig vorgesetzt wird,— worauf er Wasscr trinkt! Die Götter nwo.cn schon allem darum nach Kreta verseht worden sclM weil nur auf dieser Insel ein Nektar, ihrer würdig, zu sin- ,55 den war. Seln Geschmack ist lieblich aromatisch, er sieht angenehm, bevor man ihn in den Mund bringt. Man kann ihn im eigenthümlichsten Sinne mit einem feuchten Messer schneiden, und sein Glanz ist dem eines Goldsirnisfts gleich: er steht aber auch um ein Drittel höher im Preise als der rumcli sch c oder macedonische. Die Bienen schwärmen in Kreta sehr leicht und oft, und sterben nie ans Mangel an Nahrung, denn das ganze Jahr hindurch fmdct man blühende Bienenkrautcr, welche ihnen Nahrung bieten. Man sieht auch nirgends so viclc Bienenstöcke beysammen als in dem Halbgebirge Kreta's, wo die Biene iiu Winter nach dem Thale, im Sommer und Herbst nach den Höhen zu den Alpenkräutern emporstiegt. Zweimal in» Jahre wird der Honig geschnitten, vor Ostern im Frühling und im Herbste, dcr letztere Honig wird vorgezogen; wenn die 2 Hcidcartcn, I^iica u,cchloiran.ethürn:tcu weißen Bergedie bereits erstiegene fünfmal übertreffe, und daß unser lI4 Standpunkt erst etwa 3oc> Toiscn über dem Meere liege. Die Schluchten, Steinwandc, Fclscnmasscn, bcy deren An-blick dlc alten Dichter allein die Idee der gegen den Jupiter stürmenden Giganten aufgefaßt haben konnten, schienen die weißen Kegel, wic echte Anverwandte des Atlas, ihres Onkels, auf ihren Schultern zu tragen. Die begrünten Höhen mit diesen Schnccmasscu gaben einen nordcuropaischcn Anblick; das zu den Füßen hingegossene Land erinnerte aber an die Fußstapfcn Hellas verschwundener Götter, von deren ehemaliger Gegenwart die unvcrwüsibar üppigen Fluren das unwiderlegbare Zeugniß gaben. Mein Führer erinnerte zwar, baß es Zeit sey zurückzukehren, aber ich entschloß mich nur zum Rückwege, um die Beute dieses Tages zu ordnen und in die Stadt zu senden. Auf dem Wege machte er mir begreiflich, daß Armuth scin Loos sey, und wenn ich ihm etwas geben wolle, ich fojchcs jetzt thun müsse, da der Subbaschi des Ehmin Aga ihm solches spater sehr übel nehmen würbe. Ich gab ihm cincn kleinen Piaster, mit dem cr nicht zufrieden war, sondern das Doppelte begehrte, und als cr auch dieß von mir erhielt, noch nicht damit zufrieden schien. Die Ursache er« ricth ich wohl, ich hattc ihn nämlich früher gefragt, was ich den Caloycrs für das Frühstück allenfalls geben solle, und da gab der Heuchler eine sehr kleine Summe au, um sich bey mir in Gunst zu sehen, und war gan; unzufrieden, als ich das Dreyfache dafür gab. So will man gewöhnlich mit fremden Gelde sparen, um für sich selbst recht viel zur Ccite zu bringen. — Eincn seiner Freunde empfahl cr mir, der sich Ma> noli nannte, ein herzensguter biederer Grieche war, und dessen Züge die Trefflichkeit seines Herzens aussprachen. Dieser bat mich auch gleich sein Weib zu besichtigen, die leider— nicht lachen durste, denn sie halte, so schön sie ,36 auch war, im Skorbut alle Zahne verloren, bis cm Kauf. mann ihr rieth, die Zitronen aus ihrcm Garten zu pressen und den Saft mit Honig zu genießen. Die guten Leute glaubten, ich wäre ein Wundermaun, und könne nicht nur durch Berührung hcilc», sondern das Fehlende sogar crfcz-zen. Inzwischen suchen diese, an das mannigfaltigc Unglück gewohnten Menschen, nicht so sehr Hülfe beym Arzt, als vielmehr nur demselben ihr Uebel zu zeigen und ihn zur Theilnahme aufzufordern; mit einer beruhigenden Antwort gehen sie oft fröhlicher von bannen, als mit einer Arzeney, weil sie sich bey derselben sehr oft an getäuschte Hoff-nungcn erinnern m ü ssen. Dieser gute Grieche war einer der bravsten, unverdrossensten Führer, die ich je gehabt hatte, er empfahl mir die tiefe Schlucht an der Mühte, die wir besehen hatten, und wir betraten sie des andern Tages auf Nebenwegen schon nach einer kleinen halben Stunde; sie führt in gerader Linie bis zu bcir weißen Bergen und zu dun zyprc ssc nrci eh cn Therisso, einem Gcbirgs-dorfe von i5oc> Fusi Höhc über dem Meere. Kein Dorf in der ganzen Gegend von Eanea hat eine-solche romantische Lage, als das in einem Kessel liegende Thcri sso. Man gelangt dahin von Perivoglia durch die Schlucht am allcrbcqucmstcn, indem man hoch oben rechts sich hinter die Felsen wendet. Hier wird man den Lorbeerbaum im ursprünglich wilden Zustande gewahr. Der Feigenbaum hat auf eine hier höchst interessante Weift ungc-tappte ganzrandigc und vollkommen herzförmige Blatter, ohne eine eigene Art ju seyn, und verhalt sich ungefähr so wie die Abart der gemeinen Esche mit herzförmigen, zur Esche mit gefiederten Blättern. Die Bewohner sind sehr arm- Es gab hier kein Brod. Man machte daher in einc^ Maucrvcrticflmsi Feuer, legte einen flachen Scherben von einem großen Wcinkruge darauf, mid erhitzte ihn. Mchl »36 wurde mit Wasser und Salz angemacht, ein Teig geknetet und so auf bcm Scherben gebacken. Kaum konnte ich es vor Mitleid ansehen, aber bey der frohen Miene, mit der sie mir den elenden kleycnartigcn Knchen brachte«/ konnte ich es doch nicht über das Herz bringen, ihn nicht zu ko-sicn — und dafür zu danken- Ick) kehrte durch ein jenseitiges Thal wieder zurück, nachdem ich die Gutmüthigkcit und Scbönhcit der Bewohnerinnen zu beobachten Gelegenheit gehabt hatte. So eben wurde zum Glücke die Reparatur meines Hau-fts beendigt, denn das Rcgenwcttcr, welches dicßmal sich um einige Wochen verspätete, trat. nun mit Gewalt ein; die Terrasse war mit Letten, wie sine Tenne, fesigcschlagcn, und, mit Talkschiefcr gemengt, zu einem undurchdringlichen Neberzugc vorgerichtet worden. Die ganze Woche ging fast verloren, da man keinen Augenblick vor Platzregen sicher war. Häufiger Regen, dessen Vorboten ltrübcs hangendes Gewölk, im Norden dichte Nebel, welche die Gipfel der weißen Berge umzogen, und vorübergehende Sonnenblicke durch den zerrissenen Wolkcnschlcicr waren, hielt von ent< fe"Ntcrn Strcifzügcn ab. Die noch trocken gewesene Erde wurde locker, und die Vlumcnkcime traten schneller in die Entwicklung. Der Lanbmann war auf seinen Acckcrn thätig, bestellte die letzte Saat, besah mit frohem Blicke die Oelbanme, deren Knospen bey diesem Wetter, wie er sich ausdrückte, ohne sich zu entfalten, schwollen, und wünschte dicsc regnerische Witterung nn't untermischten Schauern von kleinen Schloßen, wahrend oben im Gebirge Schnee fiel, — weil, wenn auch dadurch die Blüthen bis zu Ende März zurückgehalten werden, dieses jedesmal die reichste Oclernte verspricht, was ich auch in diesem Jahre selbst be< siä'tigt fand. Die Knospe, durch dieses kühle, von Nord' Winden unterbrochene Mcgenwctter crftischt, schwillt an, .37 scheint bersten zu wollen, und bleibt dennoch Wochenlang zurück. Dieß verursacht eine vollkommene Ausbildung der innern, die Vlüthcnthcile vorbereitenden Safte, die Knospe strotzt von dem besten Nahrungssaftc, und wenn dieses küh. le Wetter auch anhaltend ist, so tritt doch endlich die zurück, gehaltene schöne Witterung mit den über das Lybische Mccr wehenden heißen Südwinden, welche den Chamsin Aegyvtcns bilden, nur desto wirksamer ein, und in den lauen Nächten erfolgt die geheime Befruchtung des Oclbaums. War jedoch der Regen sparsam, die Südwinde über die Nordwinde vorherrschend, so geschieht es häufig, daß die schwellende Knospe, von einem plötzlichen kalten Nordwinde getroffen, beschädigt wird, die Blüthe ungleichförmig sich entfaltet, und die Ernte gewöhnlich schlecht ausfallt. Die Türken, als Gutsbesitzer, warten mit einem Theil ihreS vorjährigen Oclvorraths bis zu diesem Zeitpunkte, auch Kaufleute, besonders die französischen, richten sich in ihren Speculationcn ganz darnach, und nicht selten pflegen die Oclprcisc plötzlich zu fallen, oder sich zu erheben. Die Grie« chen kommen mit ihnen in keine Concurrcnz. Ihre paar Oel-bäume, welche man ihnen zum Scherz, wie den Kindern einige Groschcn in ihrcr Sparbüchse, laßt, wirken weder auf das Fallen noch Steigen der Preist, vom Steigen der-selben ziehen sie nur als Kaufleute, nicht aber als Produzenten einige Vortheile, gleichwohl sprechen sie mit mehr Theilnahme von ihren wenigen Silberbaumcn, und gramen sich bcym Mißwachse viel mehr, als die indolenten Di-vanschläftr bey ihren ungeheuren Verrathen. Dcn 22sicn Februar besuchte ich mit einem Iamtschar das Cap Malcca, von den Griechen blos Acrotiri, baS Vorgebirge, genannt. Bis jetzt hatte ich weder Thermo« mctcr noch Barometer mitgenommen, denn selbst Papier und Bley waren verbotene Waare, die ich auf meinen Ex« »38 cursioncn cinschwärzte. Ein Strich auf dem Papiere hätte cm Strich durch meine Rechnung seyn können, und man wünscht doch bey Rechnungen immer der Wirth zu bleiben. Für mich war es ein hartes Loos, auch einmal den Hcuch-« ler spielen zu müssen. Mein Ianitschar war übrigens eine gute Haut. Ich fragte nach dem griechischen Namen jcdcr Pftanze, und schrieb dagegen auf was mir gefiel. Der Name des Vorgebirges Maleca soll nach Tourne-fort aus Amphimalla mit HinwogwcrfllNg der zwey ersten Sylben entstanden seyn — indem das Malta in Male c a üb erg ing. Nach Ptolc m ä u s sch cint cs Promon-torium Ciam um, Cydonium gchcisicn zu haben, wenn derselbe gleich nicht die Ordnung nnd Reihenfolge der Orte so genau befolgt, als csTourncfort annimmt, der sich deshalb, wcil Amphimalla vor Drcpanum steht» veranlaßt fand, zu folgern, daß entweder die Rhcdo von Ar-miro Amphimalla, oder das Cap Maleca, Pro-montorium Drcpanum geheißen, und folglich Cy doll i a am jetzigen Haftn von Suda gelegen habe. — Man fthc die Charte. Pto! emaus laßt die Ocrter und Namen der Nordküste vonKreta von Morgen gegen Abend so aufeinander folgen: Rlthymna, Amphimalla, Cap Drcpanum, Minoa, r^onu»l1uviu«, Cydon, Ciamum, Dictinnäum, Psacum, Kissamo. .,Es „ist gewiß, sagt Tournefort, wenn das jetzige Cap „Drcpanum vor Alters denselben Namen führte, die jcz-„zige kleine Sccbncht am Armiro Amphimalla ge< „heißen habe; allell, cs ist zu bezweifeln, setzt er hinzu, daß „Ptolemäus einen so gefährlichen Ankerplatz erwähnt „habe, und den schönsten Haftn von ganz Kreta, den „von Suda, sollte vergessen oder Übergängen haben." Es jst vielmehr gewiß, dasi entweder eine Versetzung der Ocr-tcr durch dic Abschreiber vorgegangen ist, odcr daß P to- ''9 lemäus aus unbestimmter und fehlerhafter Angabe sie in jener Aufeinanderfolge aufgeführt habe. Zur Auseinandersetzung dcsscn mag dienen: Erstens besitzt Armiro bereits einen alten Namen, welchen Tourncfort übersah, und wtrd im Sttabo Amphapalia — dem Worte Amphi-» malja äußerst ähnlich — genannt; daher auch vielleicht der Mißgriff dcs Ptolcmaus. Zweytens: Hätte der jetzige Meerbusen Euda nicht ehedem Amp hi mall a geheißen, und läge er östlich vonDrcpanum, so fände dio von Tournc fo r t selbst gegebene Etymologie von A m p h i< malla in dem Namen dcs jetzigen Vorgcbirgs Malcca ia gar nicht statt. Zum 3tcn: die Namen werden zwar im Lauft der Zeiten mannigfaltig verstümmelt, wie z. B. Amphi< malla in Malcca, Cydonia in Ca nea, Rilhy m n a in Nettimo, wenn sie abcr fortdauern, nicht auf andere Ocrtcr und Gegenstände so leicht übertragen; das jchi-gc Cap Drcpauum muß vor Alters auch so geheißen haben, sonst wäre das gegenwärtige ohne allen Namen, da cs doch nicht unbedeutend ist, und das Cap Maleca hatte dagegen deren ein halbes Dutzend, nämlich cs hieße: D r e-panum, Ciamum, Cydonium, Acramammorium,. und endlich Prom. Amphimallum. — Viertens läßt Ptolcmaus die Orte und Namen keincswogcs naturge« maß folgen. Er nennt die Ctädtc zuerst und dann ihre Vorgebirge , z. B. bcy Cy d on, worauf C i am um folgt, welches offenbar das Cap Malcca bedeuten soll; dann nennt cr zwischen Cydon und Kissamo — drey Caps, nämlich: Ciamum, Dictinnaum und Psacum, da doch die Lage von K i ssa mo so erwiesen ist, daß nur ein einziges Vorgebirge, Cap Spa da, zwischen beiden liegt. — Um dem Ptolcmaus sein Sündenregister vorzuhalten, sicht I' xc" l" li u v i ll» vor Cydon, man sollte ihn da. her für den Fluß Tchiliarj im Apicorouo, den erwiest' l4o nen ehtmallzzen Fluß Am pH im ela^ ansehen, alleln derPy. cnus ist cbcn so gewiß der jetzige Fluß Platanian an der Insel Theodoro und folgt daher nach Cydon, und der Fluß Amphimela kann nicht zugleich Pycnus heißen. u. f. w. begeht Ptolcmäus aus Mangel an richtigen Quellen gleichfalls verschiedene Anatopiömcn. Endlich spricht noch ein anderer Umstand so dafür, daß kein fernerer Zweifel obwalten kann. Noch vor kurzer Zeit geschah es den geübten französischen Schiffen und geschieht noch bis jetzt, daß wcnn die von Morea herankommenden Schisse ein scharfer Wind oder dic bewegte See, am Ein« laufen in den Hafen von Canea hindert, dieselben gczwun-gen werden, das Cap Maleca zu umfahren, um rückwärts in den Hafen von Suda einzulaufen, und sich zu retten, sonst sind sie an der langen, schon vor Alters berüchtigten, 4c» deutsche Meilen langen Nordküsie von Kreta der gewissen Gefahr zu scheitern ausgesetzt. Versehen es die Schissslcnte bey Nacht und Nebel, und lenken nicht zur gehörigen Zelt ein, so übergreifen sie die niedrige Spitze Cap Drcpanum und kommen im Bogen am Armiro vor Anker, wo sie von Glück sagen können, wenn sie blos stranden und nicht scheitern. Eben deshalb nannten dic Alten Suda Amp hi-malla und die Rhcde am Armiro Amphapalia, und verbanden damit wahrscheinlich einen Sinn. Am phi bedeutet sowohl herum, rings um, als es sich auf Beyde deuten laßt. Man wollte damit sagen, die Schisser mögen lieber nach Amphimalla als nach dem rnckwarti-gcn Amphapalia, von wo aus man gleichsam zurück? zukehren gezwungen sey, einzulaufen trachten. Strabo setzt es ausicr Zweifel, d^.ß ail der Stclle deS Armiro chcdem ein Flecken Namens A m phapalia gcle, Kcn habe. Da wo er nämlich von den Erdengcn Kreta's »5» spricht, führt er an, dass die zwey vorzüglichsten dersclßen an den entgegengesetzten Enden dcr Insel sich befanden. Die eine Erdengc wäre östlich zwischen Minoa Lyciia und Hicrapytna; die zweyte am westlichen Ende zwischen dem Hafen P h ö n i r, welcher den Lampäcrn gehörte, und dem Flecken Amphapalia. Die Charte zeigt deutlich, wo diese zweyte Erdcngc ist; diese liegt zwischen Armiro und Comitades, in dessen Nahe der Hafen l'orlo loni« sich befindet, welcher dem lui-lll» ?i:oenix vollkommen entsprechen muß, denn keine Landenge anßcr dieser ist da; das gegebene Maß des Strabo irifft zu. Mit Rücksicht auf obige Erklärungen mnsi also Armiro das alte A mphapalia seyn, und Ptolcmäns erhielt seine Nachrichten von einem Reisenden, welcher damals ^inpKi-inMH von XinpUa-^HUü nicht richtig un« terschicd. Das Cap Malcca hieß also vor AlterS wahrscheinlich auch das Vorgcbirg von Amphimalla, woraus dcr jcze zigc Name Malcca entstand, l'rom. (!iamum mag an der Westseite eine Spitze desselben, die von bedeutendem Umfang isi, von den Cydonicrn so benannt worden seyn und eigentlich ?iu>,>. (^ä«niu,n heißen. Wollte man dieses nicht billigen, so bekäme Cap Spada nach Ptolemaus 3 Na« weil: (iilnium, I)il)lil,n»eum und pzacm«! (^illnuln kommt dahcr dcm CapMaleca zu. ES geschieht aber von cincm Vorgebirge unter den kretischen, Namcns ^cramammoriun» Meldung, auf welchem ein vortrefflicher Honig vorkomme. Mcursius verbesserte die Lcseart allzu voreilig und nennt es ^ci^am!uol,iu«l, versetzt es folglich au den östlichen Theil dcr Instl, wo keine Bienenzucht ist. Das Cap Ma-. lcca ist seines Honigs wegen noch jitzt allgemein in Griechenland berühmt, und vergleicht man die Zusmumensctzimg seiner Benennung äeramalnuioril,«,, so summt ls mit der Be- l42 zetchlUUig überein, dcnn die Figur dcS CapMaleca enft spricht dcr Form einer weiblichen Brust mit zwey an seinen äußersten Enden hervorstehenden Kcgelbcrgcn Skloka und Agio Iani; das i'"«n. sammuniusn ist dagegen eine weit nuslaufendc Spitze am ösilichsicn Theile dcr Insel, und ge< hört nicht hichcr. Endlich äußert Tourncsort die Meinung, welche jetzt von selbst wegfallt, doch aber einiger Erörterung bedarf— die alte Stadt Cydonia müsse nach Ptolemäus bey Suda gelegen haben> wenn man seine Reihenfolge beybehielte. Dieses ist jedoch 1ncht nothwendig, denn Ptolcmäus Angaben halten, wie wir gesehen haben, nicht immer die Probe. Zuerst/ muß man bemerken, liege« alle bedeutenden Städte gleichfalls auf beträchtlichen Flachen. Bey Palaoc astro, unweit Ca lives, hat daher cine so große Stadt, wie Cydonia, keinen Platz, weil zugleich eine ansehnliche Volksmenge vieler Ländereyen zu ihrer Erhaltung bedarf. ^ Ferner würde, wenn Cydo n ict nicht auf dcr ausgebreiteten Ebene von Canca gelegen hatte, ein so großes Terrain von keiner wichtigeil Stadt besetzt seyn —. Auf der Insel Kreta bestätigt sich durchgchcnds dee Satz: je größer und mächtiger die Stadt, um so bcdclttendcr der Umfang ihres Thales und des ganzen Gebiets. Aus die» sen Ursachen waren Gnossus» Gortyna und Hiera-pytna die mächtigsten Städte Kreta's. Mehrere Schriftsteller, Plato, Solinus und Stra-b o > besonders Plinius setzten die Stadt Cydonia det Küste von Laccdämon gerade gegenüber O^ieit I.acoäao-inuneln)^ welches gar nicht Statt haben könnte, wenn sie bey Palaocastro utuvcit Calivcs gelegen wäre. Nicht minder kommt uns Srrabo mit der Angabc der Entfernungen zu Hülfe. Er gibt die Entfernung von Cydonia bis APtcra auf««, bis Gno ssu s und G o r t y n a aber gleich- ,45 weit, auf 800 Stadien an. Lag also Cydonia am Haftn vonSuda, so betrüge die Entfernung bis Apt era 200, jcnc bis Gnossus kaum 6on Stadien, welches den Aaga* ben widerspricht, daher zum Gegenbeweise dient, und.der Stadt Cydonia eine westlichere Lagc anweiset. Hero dot nnd Poly bins erzählen uns ferner, daß die Cydonier als Flüchtlinge der unter Polyk rates, König von Sam 0 s, durch die L ac c d a m 0 nicr zerstreuten Einwohner, nachdem sie von den Bewohnern von Siphnos gleichfalls vertrieben wurden, endlich auf Kreta einen Zu» fiuchtsort gefunden, die Stadt Cydonia (neu) erbaut und sie mit vielen Kunstwerken versehen hatten. Das erste war eine Wasserleitung mittelst Röhren aus einem hochgelegenen Bassin, zum Bedarf der Stadt selbst. Das zweyte ein sehr künstlicher in das Meer hinausgeführter Steindamm znr Si-chcrstellnng ihres Hafens, das dritte endlich ein Tempel der Diana Dictynna, welcher alle von He robot ge* sehcncn an Grösic und Umfang übertraf. Lag Cy 0 0 ni a am Busen von A mphimalla, so war demnach die Wasserleitung höchst überflüssig, denn bey N i o» chorio ist das beste Wasser, welches in Gräben nach Cat lives geleitet werden kann, ohne so künstlicher, von einem Eupasinus angelegter Kunstwerke bcnöthigt zu seyn. Dagegen ist ebendieselbe Wasserleitung, welche C a nca, das alte Cydonia, noch jcftt mit vortrefflichem O.ucllwasscr versorgt, als ein bewunderungswürdiges Denkmal dieses Architekten vollkommen bis auf unsere Zeiten verblieben, und noch stündlich zu sehen; ferner ist nicht Apicorono (Illp^ pocoi-linium), wohl aber die Gegend von Canca wassere arm. In dir ruhlgcn Bucht von Amphimalla wärc ein so kostbarer Damm oder Mvlo, als er besckriebcn wird, nicht nur überflüssig, sondern auch ganz zweckwidrig gewcscu» »4,4 well, wenn der Wellenschlag auch irgendwo hinreichen sollte, cine große Anzahl durch Felsen geschützter Stellen vorhanden ist, welche einen Molo entbehrlich macheu. Allem lobenswcrth ist es, daß die Cydonicr ihrer bey Canca gelegenen, dem Wellenschläge noch bis jetzt ungo mein ausgesetzten Stadt, zugleich zum Schutz ihrer Flotten einen solchen Etcindamm von 2 Stadien oder 164 Toiscn Länge mitten in die See erbauten. Scylax, in seinem Peri« plus, erwähnt von dieser Etadt: (^clania cum ^urtu c!an5o. liydonia hätte einen Hafen, der leicht verschlossen werden konnte, nicht besessen, wc:m sie bey A mphimalla gelegen ware, und dessen auch nicht bedürfte; der Mccrbu» sen von Suda kann auch nicht geschlossen werden. Endlich kann ein Tempel, der jenen von Olympia, Acropolis, Ephesus und Sunium an Größe über. treffen mußte, wohl nicht bey Stilo Promarwa oder Mascheru gestanden haben, welche damals einen sumpft artigen Boden hatten; im Gegentheil lag derselbe zuPo lyr« rhen, woselbst Agamemnon opferte, und wohin das cydo-nische Gebiet sich erstreckte. Die Cydonier hätten daher die vortreffliche Ebene von Canea gar nicht geachtet, um sich in einem Fclscnwmkcl ihres Gebietes festzusetzen. ltebcrflüssig wäre es, noch mehrere Stellen aus alten Klassikern anzuführen, um den Uugrund der Meinungen so vieler Reisenden noch deutlicher und umständlicher zu zeigen. Ptolcmäus, der in Kreta nicht selbst anwesend war, und durch andere diese Namcnsvcrzeichnisse erhielt, welche in ihrer Reihenfolge Verfälschungen unterliegen, kann daher nicht a!s entscheidend angesehen werden, da cr sich, wie bc« rcits erwähnt, an andern Stellen Versetzungen zu Schulden kommen läßt. Ob aber das alte Cydon ia unmittelbar am Meere gc< legen, oder blos wie Gortyna und Gnossus seine Hafcx ,45 kebcna und Metallum, slninisns und Hcraclca, gleichfalls einen eigenen Haftn an der See gehabt, selbst aber irgendwo landeinwärts gelegen habe, macht Pokoke wahrscheinlich, allein mit Ungrund; denn wäre Cydonia nicht unmittelbar am Gestade gelegen, so hätte nns die Geschichte den Namen ihres Hafens aufbewahrt. Weiß may doch, daß das weit unbedeutendere westlich gelegene Aptc-r a seinen Hafen, Namens Kissamus, gehabt hat. Seefahrer siedeln sich nicht landeinwärts an, sondern behalten ihre Flotten vor den Augen; und bekanntlich waren die im Lande gelegenen Gnossicr und Gortynicr keine so entschiedene Seefahrer als die Cydoniatcn. Mich bestimmen alle Grün» de, das jetzige Canea für Cydonia gelten zu lassen. Scy« lax: (^älinia cnln ^cntn c-iau.''« hätte den Namen des Hafens hinzugefügt, so wie er spricht ^l^il,,? cum pm-ty 5^^.i. Bcy dieser höchst unbedeutenden Stadt nennt doch Scylax genau ihrcn Hafen Syia. Eo oft als auch sy verschiedenen Classikern Erwähnung von Cydonia und ih, rcm Hafen geschieht, läßt bcy Polybius, Strabo, selbst Ptolemaus der Inhalt nicht bic Annahme eines besondern Hafens zu. Wir gingen zu Fusic nach dem Dreyeinigkeits« klostcr und unterhielten uns am Wege mit Pftanzc», welche unserc' Beute wurden. Wir hatten mehrere Thalcr und Hü, gcl überstiegen, als wir von wci'tcm eine Reihe der schpn, sicn Zypressen gewahr wurden, welche ich je noch zn schcn Gelegenheit hatte. Bald endigten die sicinichtcn Wege, und anbot, mit einigen Paras, worüber mein Ianit« ,5l schar viel Freude bezeugte, bcnn cr schien sich ganz alS daS Gegentheil jener Türkcn zu betragen, welche die übrigen Reisenden begleiteten, und von denen alle Griechen wie eine Hcerdc Vieh gewöhnlich behandelt wurden. . Es war ein edler Stolz bey diesem jungen Burschen, der doch Türke, einen Wcrch darauf sehte, einen Franken zu begleiten, und statt die Griechen zu plagen« ihnen Ge« schenke zuzuwenden. Er schien immer Miene zu machen, dar» an erinnern zu wollen, im Fall, wenn ich solches unterlassen hatte. Darüber äußerte er eine besondere Freude, daß ich dem Eremiten etwas zurückgelassen hatte, und spater, als wir von S. Trinidad nach Haust gingen, erbat cr sich von mir dringend die zwey Thalcr, welche ich in dem Kloster für die Aufnahme bestimmt hatte, ergriff sie, lief dem Ogume» nos entgegen, und drückte sie ihm mit einer Miene in die Hand, welche sagte: „Ihr haltet uns für eigennützige Leu« „te, wie ihr wohl selbst styn möget, daß wir zu Gunsten „von Franken, um uns unsern Dienst desto besser bezahlen zu „lasscn, euch zwingen, uns aufzunehmen und zu bewirthen. „Nicht deinetwegen, sondern meinetwegen gebe ich dir dies „Gelb." Als ich ihn darüber am Wege zur Rede stellte, warum cr es so gethan hatte, sagte er: „die Griccbcn, ich „weiß cs, reden uns überall uach; wcgcn Cincs bcfthimpfcif „sie uns alle, um ihre Opfer, die sie gclcistct haben, dcsio „bcsscr gcltcud zu machen, und uns in dcn Augen dcr Fran« „ken hcrabzuschcn." Diisc Acusicnmg, welche cr fthr un, deutlich und verworren italiänisch herausbrachte, verstand ich doch sehr gut, und cs freute mich, daß dieser Spazicr-gcmg in mir sowohl von den Griechen, als von den Türken cmc bessere Meinung hervorgebracht hatte. Wir betraten dcn Fclswcg; bald wurden wir Ctuftn gc, wahr, dcrcn i35 styu sollten, und erblickten Ruinen eines asten Klosters, wclchcs man Catholico «aynte^ Die ro< 152 mantischc Lage söhnte mich mit dem Erbauer eines Klosters ill dieser Einöde und furchtbaren Schlucht völlig aus. Ein,'. geS wüt noch erhalten. An dem Felsen der Höhle hing nicht, wie Toitrncfort noch sah, der seltene Diptam von Kreta, sonder» die Vaumnclkc, eins der vortrefflich' stttt Ziergewacbse dieser Insel, nebst der strauchartigen Perpctucllc herab. Außer Vianilms Äi'lx>i-«ug, <^n^,a« ^llin «I'ionlalo und I'ienui,l.i»l:8 NLllN^iniolii,, fand ich noch mchrcrc andere seltene Gewächse. Das erstere übertrifft in seiner Blüthe alle Nelkcnarten seines Gleichen ungcmcin. Man stelle sich ein Zwcrgbaumchcn vor, dessen Stamm arm, dick, und dessen Krone einen Korb von dichten Zweigen bilden, an dessen Spitze, voll von Nclkenbüschcn, dic Knos-pe,t durch 6 Monate sich zu Blüthen fortwährend entwickeln. Von dieser schönen BllMicnsortc habe ich den besinn Salben gesammelt, und er isi auch in unsern Glashäusern zu schönen Pflanzen herangewachsen. Dic Gegenwart cmcs so ausgezeichneten Fundes,milderte das Interesse für eine r;?gc, schnulzige, und für den Führer sowohl, als für den Reisenden gefährliche Höhle, welche ^hne Gewölbe und et« wa plMtasicreicbc Ctalaktitcnbildnngen, im Sommer kalt, im Winter warin seyn soll. Da Frühling war, so hatte die-se Wärme-Differenz ohnehin auch nicht auf mein Thermometer gewirkt. Eic sdll mehrere iao Schritte lang scyn. In« tcrcssanttr als diese Höhle, welcher die Führer zur Erhöhung ihrer Wichtigkeit selbst mehr Interesse andichten, als sic be« sitzen mag, fnnd ich einige verstümmelte Fresco-Gcmäloe an der Wand. Dic Breite der Schlucht war durch einen Brük-kcnbogen überbaut, und verband beyde Seiten derselben. Das GcMaucr war vbn der Zeit nicht so sehr zerstört, obwohl bas Kloster seit dem Abzug der Vcnctianer verlassen war, und später einging, worauf es von Seeräubern besucht wurde. Es ist dies der einzige Punkt an der Nord- ,55 feite des Cap Maleca, wo man einen Kahn ans Land sej- zm kann. An der Südseite des Felsens bemerkte ich häufig die schöne än^^Nlll creticH, welche man fälschlich, wie schon Tourncfort bemerkte, mit dem Ebenholz verglich: kaum ist indcß ein Strauch in Griechenland so schön, der mit dem silberfarbenen Kleeblatt und des bunten Thyr. sus hcllrothcn Blüthen einen Vergleich aushielte. Am Gc» stadc fanden wir ein starkes Gewölbe, dessen Lange quer über dcn Weg lag, das einen guten Kahn im Trocknen vor der Sonne und dem Wellenschläge schützte, der über dasselbe zu. sammenschlug. Das Meer tobte ungcmcin, und wir konnten uns demselben nicht nähern; das Geräusch mit dem dumpfen Nachhall der platzenden Wellen, die, gegen das Felsengestadt vom Winde aufgereizt, hcrbeygcflogcn kamen, betäubte uns, die Brandung löste sich in Strahlen, Gischt, Schaum und eine Nebclhüllc auf, in welcher die vom Sonnenstrahl erzeugte Iris sich in bunten Farben brach. Allein statics zu benetzen, wurde das schroffe Gestade abgespült, und jeder Pflanzcnkeim vertilgt. Eine Vcgctationslinic bezeichnete die Höhe, zu welcher die Wellen bey Stürmen heraufreichen; nur in der Elevation von 4d Fuß erblickte man die ersten Spuren von Landpstanzen, die sich schnell in einen grünen-dcn Zclscnabhang verwandelten. Diesen Verheerungen sind jedoch nur steile Gestade, welche plötzlich in eine große Ecc-ticfe übergehen, ausgesetzt. Flache Ufer habc:? Untiefen, die sich wcit ms Mccr erstrecken, an deren Grunde die bohrende Welle im Fortrollen ihre ganze Gewalt einbüßt. Noch merkwürdiger isi das Aussehen der Secsirandbäumc, wohin, sonderbar ge:mg uicht die Oliven, sonst aber alle andere Baume gehören. Iohannisbrotbaume sind diesem am meisten unterworfen. Die herrschenden Winde einer Insel oder eines Küstenlandes lassen sich nach dem Aussehen der »54 Bäume bestimmen. An der Nordküstc von Kreta wchcn die Nordwesiwindc am häufigsten, daher werden auch von dieser Seite die Acstc fast Mr Baume zu fehr crkühlt, im Wachsthum gehindert, uud bleiben kurz, wogegen an dcr Südseite des Baums lange und schlanke Acsic sich weit aus« breiten; selbst die Richtung des Stammes gehorcht dem Winde, und liegt oft sehr gebeugt nach Südosi gewendet. Daß es nicht blos die Folge dcr kalten Nordwinde sey, sieht man an dcr Südseite der Insel, wo die Baume längs dem freien Gestade an jener Seite die kürzesten Acstc haben, wo der Wl'ud ohne Rücksicht auf die relative Warme am häufigsten weht. Dieß verschafft dem Baume ein sehr son« dcrbarcs Ansehen; niedergebogen scheint sein Stamm ansier, halb des Mittelpunktes zu liegen, und diese Verunstaltung spricht dcu Beobachter nicht sonderlich an. Coccos-Eich' bäume, Eichen, Steinlinden, alle leiden auf diese M; selbst die Zypressen sammclu ihre schlanken Zlvcigc nur auf ei, ncr Seite, nur der Oelbaum allein scheint ganz von diesem Einflüsse bcfrcyt zu seyn; so oft als ich ihn untcr dcn übri-gen so verunstalteten Bäumen sah, befanden sich auch stets allc Acsic und Zweige in gleichförmiger Ansthcilung, und b«r Stamm genau in dcr Mitte des ausgebreiteten Korbes. Man kann daher beym Anblick einzelner Baume, wenn man auf Inseln landet, die herrschenden Wiude sowohl als ihre Heftigkeit erkennen, und besonders Reisenden zur Scc mag in manchen Fallen dieser Umstand bcy weniger bekannten Gestaden zum Sichcrhcitsvorthcil fnr ihre Schisse dicucn. Acngstllchcs Ecwinstl von einem Hunde hörten wir auf dcm Rückwege aus dem Gemäuer des Klosters Catholico; wir suchten und fanden eine grosie Zisterne, in welche ein Hund hcrabacfallcn war; jämmerlich wimmerte das Thier, und der Ia'.liischar wollte mit aller Gewalt es herausziehen. Ohne Leiter und Stricke war es jcdoch vergeblich. Das ,55 Thier leuchtete ängstlich mit seinen Augen aus dcr Tiefe, und schnappte gierig nach dem hcrabgcworfcncn Brot. AlS wir zum Eremit wieder herauf kamen, verlangten wir, er möchte Anstalten treffen, dasi es herausgezogen werde, und das Nöthige dazu hcrbeyschaffcn, allein — er entschul. digtc sich, baß vier Menschen dazu nothwendig waren, und schien Miene zu machen, den armen Hund verhungern zu lassen. „Gebt ihm heute Brot, sagte Ibrahim, und „zieht ihn morgen heraus j" allein der Eremit schien sagen zu wollen: ich habe heute selbst noch teins gegessen. Ich gab daher den Rath, einen Kord und um einige Paras, die ich hergab, Brot zu holen, dasselbe in den Korb zu legen und hinunterzulassen, und dann den in den Korb gcsprunge« ncn Hund schnell heraufzuziehen, man hatte aber nichts von allen diesen drei Dingen, bis wir ins Kloster S. Iohan. n«s kamen und den Vorsteher dazu bewogen. Es scheint, daß der Hund aus Dankbarkeit gegen mich seine orientalischen Brüder bewogen habe, durch Begünstigung meiner Entdeckung eines Mittels gegen die Wasserscheu mir meinen Liebesdienst entgelten zu lassen. Wer hatte wohl Dankbarkeit von einem Hunde erwartet! Wir eilten diesen Tag noch nach Hause, empfahlen uns im Drcyeinigteitsllostcr, wandelten die schöne Zypressen« allee zurück, und erreichten Hügel vor Hügel, die Anhöhe vonChalcpa, wo wir Canea übersahen. Wir eilten um so mehr, da die Comic dem Horizont näher kam, indem gcnau mit dem Sonnenuntergange die Thore jeder türkischen Stadt geschlossen, und weiter gar nicht aufgemacht werden, daher oft der Fremde genöthigt ist, in das nächste Dorf zurückzukehren und dcU'in zu übernachten. Der Gefahr kam ich gewöhnlich zu meinem Vortheile dadurch zuvor, daß ick den Abend vorher ausging, den Vcstimnnmgsort zu crrci» chcn suchte, und des andern Tages bey Zeiten zurücklani. »56 Ehe. wir die Stadt ereilten, meinte mein Ibrahim, daß das Quaken und der Unkenruf der Frösche in einer na» hcn Pfütze schöne Tage bedeute, und wenn man die Laub« frösche höre, daß dieß eme Bestätigung mehr für den Wetterpropheten sey, schicke es sich aber zum Megcn an, so schwiegen sie. Da ich mir vorgenommen hatte, auf meiner Reist Nichts meiner Aufmerksamkeit für unwerth zu Hal» ten, so bemerkte ich das Geschrey derselben immer nur gegen Abend, wenn der Thau im Anzüge war, welcher ohnehin stcts der fröhliche Bote eines darauf folgenden schönen Tages ist. Wird abcr an schönen Tagen Thau erwartet, so beginnt der Lärm dieser Thicrchcn nach der größten Sonnen» Hitze zwischen 4 und 5 Uhr, und die feucht gewordene Luft bringt diesen spezifischen Reiz auf ihren Kchlkopf hervor, welcher sie zu diesem Geschrey nöthigt: da es nun in den 4 Sommermonaten May, Juni, Juli und August gar nicht regnet, so kann,nicht die regnerische Beschaffenheit der Luft, sondern nur einzig der Than auf ihre Kehle einen Reiz aus. üben, deshalb zeigt auch das Quaken der Frösche daselbst nie Regen, sondern besonders warme und heitere Tage an. Ein Schiff von Tripoli kam unter andern hier im Hafen an, welches nahe an 5o Ncgcrsclavcn an Bord hatte, die in kurzer Zeit ausgeschifft, und einzeln an verschiedene hierortigc Türken zur Bedienung im Hause verkauft wurden, einer kostete 3—5oo Piaster. Sie scheinen aus Rohheit ihr Unglück nicht zu fühlen, oder durch erkünstelten Frohsinn nicht fühlen zu wollen, daß sie Marktware geworden, her< abgcwürbigct und dem Thiere gleich gestellt sind. Auch nur der Türke hat das Vorrecht, Sklaven zu kaufen und zu verkaufen, welches außer ihm kein Grieche und kein Franke ausüben darf — ein trauriges Vorrecht — allein den Menschen zum Thiere, und folglich auch sich selbst herab« würdigen, zu dürfen. Dieses Schiff fuhr nun in kurzer Ickt ,57 wieder ab und eilte nach Tunis. Viele türkische Kaufleute hatten auf die Ankunft einer Gelegenheit und auf die Ab» fahrt gewartet. Auf dem treppenartig in die Höhe gcbau« tcn Hiuterthcile des Schiffes saß einer übcr dcm anbcrn in buntscheckige!», Gedränge, und die Kaftanc flatterten bey eben sick erhebendem Winde. Das Schiff schaukelte, das Meer begann 5 nach kurj zuvor beruhigtem Nordwinde, sich auszugleichen, welches der majestätischste Augenblick seiner Bewegung ist, seine Wellen legten sich, was durch „compo-ncro üuctuz" ft schön ausgedrückt wird. Das Ab« feuern einer Kanone, als Signal des abgehenden Schiffes, wurde vom Castell beantwortet, und lockte mich auf den Balkon heraus. Das Schiff wurde bugsirt, und das Gewimmel der Abschicdnehmcndcn verherrlichte die Scene. Das „Sclam alcikum" der Friede scy mit euch, erschallte vom Verdecke. Dicseu Gruß, welcher den Christen eigenthümlich angehört, haben sich oic Mo, ham me dan er zugeeignet. Eine Menge Barken begleiteten das Schiff, ringsherum zerstreut, um das zurückkehren' dc Geleite wieder aufzunehmen. Das Schwanken mihm zu, bis sich der Wind erhob und die Segel plötzlich fielen, sich schwellend ausbauchten, und es auf die Höhe brachten. In kurzer Zeit erschien ein anderes im Horizont, der Wind ver-siarktc sich und tricb es bald an den Hafen. Ich erkannte es an der Flagge, Bandicra, für ein russisches Schiff. In dcm Augenblicke, als es zwischen der engen Einfahrt hindurch fuhr, ficlen zwar die Ecgcl herab, allein das leicht bcladcnc Schiff sMtc cincn heftigen Zug, und drohte, im Haftn selbst an einem Felsen uutcr unserm'Balkon zn scheitern. Schon jauchzten die Mohammedaner, welche die rus-» sischc Flagge erkannten, und Rußland am meisten fürchten und auch hassen, unter einander vor Freude, daß es auf dcn Strand gerathen werde, allein das geschickt hcrausge« »S3 worfene Sell, welches com so schnell cintge griechische Matrosen ergriffen, nnd um cine eingcgrabenc Steinsaule her-umwanden, dchntc sich indem Augenblicke zerrend aus ein-» ander, als der Schnabel schon den Fcls getroffen zu haben schien. Mit fröhlichem Gesichte bischten sich die gutmüthigen russischen Matrosen den Angsischweis von der Stirne, denn Brotlosigkeit ist gewöhnlich das Loos eines Echiffs-volks, das, nicht immer aus eigener Schuld, sein Fahrzeug einbüßt; die Türken gingen vcrdrüßlich hinweg, denn der Himmel ist dem Schadenfrohen nie hold. — Auf den verschiedenen Czcursioncn in der Nahe von Canca, welche ich im März und Anfang Aprils nach vcr< schicdcncn Gegenden unternahm, lernte ich die Vortreffliche kcit dieser Insel immer besser kennen, welches den Drang, die übrigen Theile derselben naher zu untersuchen, vermehrte; noch war ich nicht in den Sphakiottcn, im Districte Nettimo, Candia, Lassiti, uud dem östlichsten Stia gewesen, ein weites unbebautes Feld für dieses Jahr wartete auf meine Bemühungen- Ich besuchte zuerst den östlichen Theil der Iuscl, die Gegend von Kissamo, bestieg den Berg Tytirus, hü» tctc mich jedoch, weit vorzudringen, Häuser zn besuchen, oder etwa dort über Nacht zu bleiben, denn der Consul hatte mich gebeten und gewarnt, diese Oertcr zu meiden, weil diesen ganzen Winter die Pest dort einzeln geherrscht habe, viele Dörfer halb ausgcstorben waren, und ohnehin alle Leute von dort vor der Stadt zurückgehalten würden. Ich fand keine Ursache, seinem Rathe entgegen zu seyn, und hielt mich an die fphakiottischcn Gebirge. Endlich suchte ich auch gegen Rett imo einige Streif, züge zu machen. Ich kam gegen Calivcs, wo ich nicht durch den angeschwollenen Bach des Apicorono, den al» ten Fluß Amphimela, jetzt Tchiliari, gehen konnte. '59 Ci'n griechischer Bauer spannte daher seinen Pflug aus, unb geleitete mich auf dem Pfcrde, mit hinten aussitzend, hinüber; reich an Gewachsen war dicse CeZcnd am Meerbusen von Sllda, welche Fcsiung mir gegenüber auf einer Insel lag, und viele Iahrzehcndc nach der Eroberung der ganzen Insel Kreta durch die Türken in den Händen der Venctia» ner blieb, eben so wie Grab usa am westlichsten Ende derselben, bis sie durch Uebcrcinkunft und die letztere, vermittelst eines Faßchcns Dukaten, das der damalige venctianische Commandant erhielt, abgetreten wurde, der alsdann in Constantjnopcl sein Sümmchen, unter dem Spottnamen eiucs Herrn von Grabusa bekannt, verzehrte. Den Manoly, meinen Führer, sendete ich mit Gewachsen zurück, und wählte mir einen Türken zum Begleiter. Dieß war ein altcr Kriegsmaun, der den Namen Land on ziem-lich deutlich aussprach, und ihn selbst als roher Feind mit Ehrfurcht und Achtung nannte. Man empfahl mir ihn in Ca lives, da cr gebrochen italienisch sprach. Er war bey Belgrad gewesen, hatte auch audcrc Kriege mitgemacht, und erzählte mir unaufgefodcrt, w:> sthwcr cs fty, einer europäischen Macht zu wivcrsichcn; die geschlossenen Glie-der, sagte cr, die Kalte der Truppen, die Stille und dio Ordnung in ihren Bewegungen, und die fatalen Kanonen, von dcncn beynahe jcde Kugel trifft, sind die Ursache, daß sie (die Türken) immer weichen muß« ten. Dann bekäme auch jeder Mann ordentlich sein Brot, seine Kleidung, und alles was cr brauchte, er dürfe für nichts sorgen; in der türkischen Armcc hingegen müsse jeder Mann sich seine Kleidung, Waffen, Brot und alles übrige selbst anschaffen, cin Theil des Corps hatte Ucberfluß, cm anderer darbte; bey großen Vorrathcn ginge man vcrschwcn-den'sch uud zügellos zu Werke, kurz darauf reiße aber ge« wohnlich ein allgemeiner Mangel ein. Oft hatten alle »tta Nichts, viele zerstreuten'sich bann, um zu vlündern, keine Ordnung ware, und kcin Commando wurde rcspcctirt. Der Feind brauche nur rückwärts zu gehen und die Trnppen zu ermüden, so rieben sie sich alle auf, und alles giugc verloren. Seine freimüthige Redseligkeit lockte mir ein Lächeln ab, und ich fragte ihn nun, ob er Gefangener bey uns gewesen ware. Er bejahte es, und Mtc vorzüglich die Art, wie die Gefangenen, besonders jetzt in Rußland, behandelt würden, und der Sinn seiner letzten Aeußerung war: dasi es sogar besser sey Gefangener bey einer cn» ropäischen Macht, als ein freyer Soldat bey der türkischen Armee zu seyn. Ich hatte in Calivcs in dem Hause des Papa, grie-chischcn Landprcdigcrs, eingesprochen, und suchte mir ein Maulthicr, um nach Rett im o abzugchen, allein es war keins vorhanden, und ich musitc, obwohl cs nur wenige Piaster, bis nach Nettimo zu gelangen, kostete, uud cs sonst leicht hätte aufgetricbcn werden können, dennoch zu Fuße zu gehen mich entschließen. Ich trat daher meine Reise mit diesem Türken an, wel< chcr behauptete, daß er selbst so viel wie ein Manlthier tragen könne — und deshalb auch Ursache war, daß ich keines erhielt, er sagte nämlich: dasi er zugleich mein Trager und mciu Ianitschar sey. Dieses /^lnnenwm «ä Iwmwem, un« widerstchbar in seiner Demonstration, ließ ich mir um so mehr gefallen, als die Türken in Calivcs, welche man mir als boshaft geschildert hatte, mit aller Gewalt glaubten, dasi ich andere Absichten hatte, nnd weil ich nach dem Wege zu den Sphakiottcn gefragt hatte, fest übcrzcngt wa-rcn, ich gehe hin, um sie aufzuwiegeln. Mcine Beschäfti« gung wollte ihnen nicht einleuchten, weil ich dabey allzuviel schrieb: doch getrauten sic sick nichto ,;u unternehmen, weil ich von Fermans redete, und in den Abendstunden den hau- 26l zuströmenden Kranken Trost oder guten Rath ertheil, te; ich besuchte selbst ihre Häuser und Harems — denn ihre Weiber verlangten es, und auch dort steht zuweilen der Mann unter den Befehlen der Hausgcbieterinnen. Man fand meine Anordnungen sehr zweckmäßig — weil ich nichts für meine Mühe verlangte, und ich gewann dadurch den Vortheil, das Innere der Häuser, alle Gebrauche und die verschiedenen Krankheiten kennen zu lernen. Fand ich Interesse an irgend einem wichtigen Falle, so unterrichtete ich mich mit Vergnügen, und ließ mir alles genau vorlegen, außerdem gab ich gute Worte, wo keine Hülfe war. Ich glaube schwerlich, daß irgend ein Spital in Europa diese Mannigfaltigkeit wichtiger Krankheiten in einem ober mehreren Jahren bieten könne, als ich in diesem Jahre auf die« str Insel zu beobachten Gelegenheit hatte. Alles drängte sich zu mir und bat mit gehobenen Handen zu helfen. Der alte würdige Landgeistli'che war ein Mann von der leutseligsten und edelsten Physiognomie, die ich vielleicht auf der ganzen Insel gesehen hatte, ein Vater von drey liebenswürdigen Kindern und glücklicher Ehegatte, im Gegensatze der Caloycrs, welche nicht verheirathet sind, ein klösterliches Leben nach den Regeln des h. Basilius führen, und pst gefühllos werden müssen, da sie kein Band an die übrige Gesellschaft anknüpft. Er überließ mir seine Stube, räum-'te mir das beste Bett ein, und bewirthete mich nach Maßgabe seiner Kräfte. Er benachrichtigte mich von dem Miß« trauen und Verdachte der Türken, und erzählte, daß ihre bey ihm schr ungewöhnlichen Besuche nur bezweckt hatten, mich zu beobachtend Ich hatte einem nach dem andern um verhohlen meine Meinung gesagt, gescherzt, ohne Verlegenheit mich unterhalten, so daß die Tröpfe am Ende nicht wußten, was sie denken sollten. Der Papa leitete mich zur Schlafstelle, und bat mich in größter Stille mit Thränen in Erster Theil. L l62 den Augen: ich möchte ihm bey dem heiligen Gottc ja gestehen, wenn doch endlich einmal die Erlösungssiunoe der Griechen aus diesem furchtbaren Joche dcr Sklavercy schla. gen werde. Dcr Mann glaubte in der That, ich wäre in den unbedutendcn Ort Ca lives mit solchen Absichten ge, kommen. Er bat mich so innig und so rührend, dasi ich mich zu einer Nothlüge entstl)licsicn mußte, und ihm sagte: daß binnen zwey Jahren sich vieles zu ihrem Vortheil enden würde, und daß sie Hoffnung hätten, den 7 Inseln zugesellt zu werden. Auch wenn ich mir durch diese Aeußerung m der Folge hätte schaden sollen, so hatte ich dem Manne, dcr mir so achtungsvoll und ehrwürdig vorkam, diese kurze augenblickliche Freude machen müssen. Befriedigt und Gott mit aufgehobenen Armen dankend, daß er sie einst dennoch erhören wolle, senkte sich sein schön gelockter Scheitel, und inniges Gefühl klarte sein Antlitz auf. Stumm war sein Abendgruß, und es that mir wohl, überzeugt zu seyn, einem guten Menschen eine frohe — lang ersehnte Nacht verschafft zu haben. Ich werde nun in seinen Au.-gen, denn er lebt gewiß noch — unbestreitbar als ein mit dcr Ligue in Verbindung stehender Abgesendeter erscheinen. Mag es seyn, doch ein Lügenprophet seiner Freyheit mochte ich nicht gerne sehn. Er hatte im Verneinungsfalle geglaubt, ich wisse es, und wolle ihm die Freude nur nicht gönnen. Des Morgens berichtigte ich meinen Aufenthalt, schied von dem Guten, der mich spater inCanca besuchte, und sehte mit meinem Türken Musiapha meine Reise nach Rctti-m 0 fort. Wir kamen des andern Tages zu Mittag daselbst an, und ich fand hier mehrere Europäer. Auch dcr junge Balcste, ein Kaufmann von Canca, war anwesend. Ich bereitete mir die Wohnung vor, welche ich in kur< zem beziehen wollte, um meine Excmsioncn auch hier vor« ,63 zunehmen. Eben als sich die neugierige Menge einiger in den Haftn von Rettimo einlaufenden Barken wegen sam« meltc, wurde ich zufällig Jemanden in fränkischer Tracht gewahr, welcher sich an mich drängte, und sich als Arzt dieser Gegend bey mir aufführte. Er sprach ziemlich gut italienisch, trug europaische Kleidung und kcine griechische, sagte, einige Jahre zu Moskau im Spirale sich aufgehalten zu haben, gab vor, russische Attestate zu besitzen und unter Protektion zu seyn. Dieß fand ick) wahr, scheinlich, weiter sehr gut russisch sprach, und sonst keine europäische oder Frankcnkleidung hatte tragen dürfen. Er war ungefähr 3o Jahre alt, sehr höflich, sogar etwas zudringlich, und überzeugte mich durch seine Lokalkenntnissc und die richtige Auffassung meines Zweckes, durch entsprechende Aufklarungen über die beste Art, ihn ms Werk zu setzen, dasi ich ihn um so unentbehrlicher finden mußte, weil sich auf der ganzen Insel niemand fand, der seine Stelle hätte er. setzen können, denn niemand von den jungem Leuten sprach italienisch. Er hatte gute medicinischc Kenntnisse, war ungebunden, kannte die einheimischen, griechischen, die nm. sien pharmaceutischen, selbst einige Linnvische Namen dcr wichtigsten Gewachst, und zeigte mir seine Excerpte, welche ich sehr brauchbar fand. Am meisten wurde ich ihm gewo. gen, weil er der crsie war, welcher es, der dagegen gestimmten Geistlichkeit ungeachtet, dahm gebracht hatte, durch eigene kostbare Anschaffung eines guten Impfstoffes aus Constantinopel, die Kuhpockcn, allcu Hindernissen zum Trotz, auf Kreta einzuführen. Zu diesem Zwecke be, fand er sich so eben in Rett imo, und lehrte auch seine Brüder, diese einfache Operation zu verrichten, indem er ihnen darüber Unterricht ertheilte. Ich nahm daher scincn Vorschlag, mich auf dcr ganzen Insel zu begleiten, um so lieber an, als er von keine« Geschäften gehindert zu seyn L2 t64 versicherte, und lehrbegierig mich nnr ersuchte, ihm allcs Nützliche gelegentlich mitzutheilen, und blos für Kost, Un, tcrhalt und einige Kleinigkeiten Sorge zu tragen. Bey allen seinen guten Seiten konnte ich doch nicht um-hin, mir zu gestehe», daß er mir widerlich sey; allein die wirkliche Zuneigung und die steten Beweise seiner ungcheu-cheltcn Freundschaft ließen mich die mancherley üblen Nachreden und Bemerkungen über ihn vergessen. Empfehlung wares inmlcr für ihn, daß er Feinde hatte, und als gcborncr Insulaner ohne Beyspiel, Anleitung und Anfmun« terung, fremde Länder bereiset, und sich manche Kenntnisse eigen gemacht hatte. Indessen hatte er etwas Zurückstoßendes an sich, welches mir die Mittheilung und das Vertrauen benahm, und um so drückender wurde, je weniger ich bey solchen Umstanden ihn entbehren konnte. Sein Wohnort war Melidoni, wo T o u r n e'f o r t bey Einsammlung des l.üäai,uin verhindert worden war, die daselbst merkwürdi' gen Höhlen mit Inschriften zu besichtigen. Dicsc Höhlen zu besuchen, unterlag jetzt wohl keiner wettern Schwierigkeit, denn der Besitzer dieser Herrschaft war nach dem all« gemeinen Zeugnisse einer der bravsten und biedersten Türken der Insel, und jetzt, wie überhaupt cm jeder Theil des Os< manischen Reichs, keiner Plackcrey für europäische Reisende unterworfen. An den Stadtmauern fand ich vor dem Thore längs der Straße einige elende Hütttn, in welchen sich die Aussätzigen befanden. Sie baten'mich nur um Almosen, aber um keine Hülfe, denn die Hoffnung dazu ist in ihnen langst erloschen. Ihr Elend ist unbeschreiblich, und die Verwüstungen in dem Körper eines solchen Unglücklichen sind noch ' nie vollständig beschrieben worden, denn der Begriff, Aus. sah, wodurch man ein bloßes Hautübel versieht, ist sehr einseitig, und faßt den Gegenstand nur sehr unvollkommen i65 auf; dieß unterblieb aber, weil man in den alten Zeiten die Anatomie zu sehr vcrnachläßigtc, und nur jene Krankheils-symptomcn, wclchc unmittelbar in die Augen fielen/demnach nur solche, welche an der Oberfläche des Körpers sicht. bar wurden, auffaßte. Man kann annehmen, daß bisher für die Kenntniß dieser Krankheit so viel ats gar nichts geleistet worden; daß nothwendig neue Untersuchungen darüber angestellt werden müssen, und fast alle alte Quellen, ihrer Beschränktheit wegen, allenfalls nur zu berichtige n, aber nicht z u b e nutze n sind. Er theilte mir manche hier zu Lande gewöhnliche Meinungen über diese Krankheit mit, als so eben ein Bauer vorbeyging, welchen ich von rückwärts sogleich für einen Aussätzigen im 2tcn Grad erkannte. Er war ein großer stattlicher Mann, nach der Kleidung ein Sphakiottc, und meinen Beobachtungen zufolge vom Aussatze ergriffen. Giorgi, so hieß mein neuer Begleit tcr, laugncte dieses, und behauptete, dasi er dann gcwiß nicht so frey umher gehen, und langst abgeschieden leben würde; überhaupt sey auch unter den Sphakiotteu kein Aussatziger anzutreffen. Wir eilten dein Bauer nach, wäh-rend ich ihm sagte, daß seine Augenbrmmcn geschwollen, feine Augen glotzend, stine Kinnbacken vorstehend, ftinc Lip< pen aufgelaufen, sein Kopf monströs und seine Vrust turasi» artig erhoben seyn müßten; ausier Sprüngen und Schrunden an Handen und einem leichten widerlichen Glänze der Hauc dürfte übrigens nichts zu sehen seyn. Ich schloß dieß aus der linkischen Bewegung der Hände, und dem stampfenden roßartigen Heben seiner Füße, da dieses ein charakteristisches Zeichen der durch das Aussatzgift geschwollenen Artikulationen im Anfange der Krankheit ist. Wir fanden es genau bestätigt, selbst seine Langsamkeit im Antworten, wodurch sich fast alle Lepröse auszeichnen, rechtfertigten meine Aussage. Die Ausbildung dieser Symptome hatte den bcschric- ,66 bcnen Grab, allein niemand woNtc ihn für aussätzig erklären — weil er noch keinen Ausschlag hatte. Es kann nicht ausfallend scheinen, daß eine Krankheit mit so wenigem Erfolge bekämpft worden ist, deren Anfange so wichtig sind, und die dennoch fast gänzlich übersehen wurden. Man übersah die verführerischen Vormalcr, und erkannte nur erst deren ausgebildeten Grad für Aussatz an, weil man die Haut. Affection leider! für das einzige entscheidende Symptom seiner Gegenwart hielt. Dann aber ist gewöhnlich alle Hoffnung zur Hülfe verschwunden. Ich ging nun wicker nach Canca zurück. Georgi bat mich, bald nach Rettimo zurückzukeh-ren, woselbst er mich erwarten würde, um dessen'. Umgcbun« gen kennen zu lernen. Die Vegetation war dcn 2usicn März nicht sonderlich vorgerückt, nnd ich konnte meine Angelegen, heiten ungesäumt in Cane a in Ordnung bringen. Der Türke erinnerte mich an dcn weiten Weg, welchen wir noch vorhatten, denn als schlechter Fußgänger wurde ihm jede Strecke zu lang, jeder Tag zu kurz, und ich brach auf, Wir mußten bald — auf eben demselben Wege, wo wir gekommen waren — von dem Gestade abweichen, und ein klippigcs Fclstngcwölbc betreten. Klingender Flöht'alkstcin mit scharfen Spitzen und tiefen Höhlungen erschwerte dcn Tritt, wir passirtcn mehrere Brücken, welche übcr tiefe Spaltschluchtcn gespannt sind, und kamen endlich wieder auf das sandige Gestade, welches uns.bis zum Armiro führte, woselbst zwey Quellen aus der Erde entspringen — wovon die cine gesalzen ist. Nahe dabey ist ein Wirthshaus, welches armlich genug, Wein, Brot, Käse, etwas Caviar (wahrend der Fastenzeit der Griechen) und weiter nichts vorräthig hatte. Knospende Styraxbäume hingen an Felsen herab, an welchen wir vorübergingen, und angenehm begann sich die Flache mit Gruppen von Häusern .67 und Dörfchen, mit Oliven- und Eichenhainen zu zieren. Wir erreichten nun vor Abend Niochorio, in welchem ein unterirdischer Fluß tobend hervorsprudelte, von den schönsten Platanen beschattet, mit einer grosicn Wassermassc in ein Bassin hinabstürzte, eine Mühle von mchrern Gangen trieb, welche aber im Sommer aus Mangel an Wasser still Neht, und dann in ein Flußbett herabrann, welches, dem Gestade zugewendet, ihn nach dem salzigen Meere geleitete. Calives, welches wir müde und matt erreichten, nachdem ich mit sinkender Nacht ein Beet wildwachsender Tulpen durchstreift hatte, verließen wir des Morgens, um, Canea bald zu gewinnen. Mein Türke erzählte mir nun, um meine Gewogenheit am Zahlungstage in Beschlag zu nehmen, die Gründe, welche er bey dem Subbaschi, so viel als Schulzen im Dorfe, angewendet habe, um mich zu entschuldigen, zu schützen und — zu loben! An dem letztern that er sehr wohl, deun ich war in dem Hause eines bcmit« tcltcn griechischen Kaufmanns abgestiegen, bey dem ich ihn mit Lamm< und Schöpsenfleisch bewirthen ließ. Es war al> so kein Wunder, wenn ihn der Magen an die schuldige Er> kenntlichkeit und der treffliche Geschmack der Ragouts zu devoten Lobeserhebungen erinnerte und crmahnte. Nachdem wir zu Canea in meiner Wohnung angelangt warm, zeigte ich ihm, um ihm selbst seine ctwanigen noch nicht ganz vom Golde beschwichtigten Zweifel zu benehmen, und von der Rechtlichkeit meiner Unternehmungen, zu überführen, meinen Fcrman von Constantino pel, den er zwar „icht lesen konnte, aber über die Dicke und Glatte des Papiers mehr staunte, als über die türkischen Kreuzzüge, die er als Muselman selbst nicht verstand. Auch diesem Menschen beschwichtigte ich durch Belohnung sein zartes Gewissen , zu keinem ncuerungssüchtigen Unternehmen hülfreichc Hand geboten zu haben. 163 Perivoglia, Cic^leria, Ncrocuro, Plata, niah, Theri sso, dies prachtvolle Gebirgsdörfchen — das CapM alcca, besonders dessen östliches Cnde bey Pcrivo^ glia, besuchte ich noch öfter; je bekannter ich mit der Ge« geno von Canea wurde, um so weniger gern verließ ich diese Stadt. Die Verzögerung wurde noch bedeutender, als mir der P a sch a selbst einen Empfehlungsbrief an den M u s-sc lim von Rett im o schrieb, welchen sein Secrctar aus Zufall verlor. Er bat uns, besonders-den Mosaki, nur ein wenig Geduld zu haben, bis er sich etwa vorfände, um den Pascha nicht zu beleidigen, welcher glaubte, daß ich schon langst abgereist sey. Dieß kostete nur 2 Wochen; endlich mußte er dennoch in den sauern Apfel beißen, und den Pascha selbst um ein zweites Schreiben bitten, welches er nur mit vieler Mühe und großen Unannehmlichkeiten erhielt. Mosaki gab ihm einige Rupien zum Geschenke dafür, welche ich ihm erstattete. Ucberdicß drang auch unser vortrefflicher Consul, Paul Barbicri, täglich in mich, abzureisen, weil sich die Pest schon in der Nähe der Stadt gc-zcigt habe, und nächster Tage ganz gewiß ausbrcckcn werde. Er verdoppelte seine Vefchlc an den Mosaki, den Verlornen Empfehlungsbrief sich ersetzen zu lassen, und der arme Mann stand nun zwischen zwey Feuern. Der Consul besuchte mich unterdessen immer, um die Gewachst zu sehen, welche ich brachte, trat damit gewöhnlich auf den Balkon, nannte mir die gebräuchlichen griechischen Namen dcrstlbcn, freute sich abcr besonders über das I^^teum» zii«n/o wendete aber doch ein, daß er sich selbst der Gefahr aussetzen würde, wenn er eine zu besorgen hätte, und ich möchte doch ja nicht glauben, daß im Haust des Bischofs sich die Pest zuerst zeigen werde, da sie noch nirgends in der Stadt bemerkt worden sey. Der Kranke wäre mir ja ohnehin schon bekannt, und es wäre nur ein neuer Anfall seiner gewöhnlichen Kolik. Bey lctztcrm Umstände bemerkte ich, daß ich eben mit dem Charakter seiner Krankheit, den sie habe, nicht zufrieden seyn könne, weil sie sehr viel Zweydcutiges und in Allem manches Widersprechende an sich trage, das mir besonders jetzt kcm Zutrauen einstoßen könne. Doch siegte bey mir endlich die Vorstellung, baß wer Hülfe einmal selbst brauchen kann, sie seinem Nebcnmcnschcn nicht versagen dürfe. U,p gern ging. ich, aber ich ging doch; denn ich konnte dabey Vorsicht gebrauchen. Niemand war froher alsNicolctto, daß ich mitging, denn als Grieche von seinem Bisthofc um etwas ersucht worden zu seyn, und es mit eigener Gefahr bewirkt zu haben, machte ihn stolz und zufrieden. Wir betraten das Haus des Bischofs von Canea, eines sehr gebildeten und ansiandsvollcn Mannes, der mich nach Landcsart bewillkomm« te, indem er mit 3 Fingern die ausgestreckten meiner rechten Hand berührte, und sie dann an die Brust legte, den Kopf neigte, und sich, mich auf den Diwan mit dcn Worten: belieben Sie (ecopiazete) nöthigend, sogleich neben mir niederließ. Man brachte Tabackspftiftn und Caffee ohne Zuk< ker, wie es üblich war; ich nahm beydes der Höflichkeit we-« genau, that einige Züge und gab die Pfeife wieder zurück. Meinen Besuch kürzte ich bey einem unbedeutenden Wechsel der Materien dadurch ab, daß ich an die Bcsichti« gung des Kranken erinnerte, Der Diakon, ein Wohlgebilde« tcr junger Mann bon ctwa ^^ Jahren, führte uns in das cugc Zinmlcr, wo des Vischoffs Bruder lag. So wie ich ein« »?, trat, forschte ich sogleich nach dcn nervösen Symptomen und dem hippocratischcn Gesichte, welches der Pestkranke an sich tragen soll; allein ich fand funkelnde Augen, geröthetes Gesicht, Thätigkeit im Kreislauf und Athemholcn; ich berührte ihn aber nicht, sondern blieb in der Mitte des Zimmers. Auf meine Fragen kamen aber so verwirrte Antwor-ten zum Vorschein, daß ich wegen der Disharmonie der Symptome angstlich wurde. Der Kranke log überdicß, welches ich zu bemerken anfing, Er gab vor, heftige Schmer-zen brennender Art im Unterlcibe zu fühlen, es mangelten aber die Symptome der Eingeweide-Entzündung; obiges widersprach diesem. Endlich fuhr ich ihn barsch an, und behauptete, daß ihn der Unterleib nicht schmerzen könne, wor-anf er betroffen die Bettdecke in die Höhe hob, und mit beyden Handen auf die innere Seite der Schenkel wies, und beschämt erwiederte, daß es ihn hier schmerze. Jetzt sah ich mich am Ziele meiner Forschung und, in einer nicht gar er» baulichen Lage. Ich fuhr ihn daher an, warum er sich, wenn er seinen Zustand wisse und kenne, unterstanden habe, mich rufen zu lassen, und mich einer Gefahr auszusetzen, bic mip noch gefährlicher als ihm selbst werden könne, Er wagte keine Antwort zu geben, und ich ging fort. Nicoletto und alle übrigen im Hause, welche von diesem Zweygcsprach nichts verstanden, merkten nichts, Ich fragte jetzt offen, ob er jemals an der Pest krank gelegen habe, was er mir früher nicht hatte gestehen wollen, und die Dienerschaft sagte mir, daß er fie schon viermal, aber unvollkommen gehabt habe, Ganz sicher und bestimmt wußte ich es demnach nicht und in der Zerstreuung sowohl, als auch, um nicht die Stadt in Allarm zn setzen, vermied ich alle auf die bevorstehende Gefahr aufmerksam zu machen, da ich noch überdies fürchtete, daß sie schon an mchrcrn Orten ausgebrochcn seyn würde« »/2 auch vermuthete ich, man hatte mich im Haust des Bischofs verstanden. Eben so ungewiß aber blieb ich über mein eigenes Schicksal, ich wußte mich nicht ganz bestimmt zu erinnern, ob ich den Kranken berührt hatte oder nicht; der Bischof, Diakon, die Diener, kurz fast alle im Hause hatten mit dem Kranken zu thun gehabt, und an mich gestreift, mich und meine Kleidung berührt. Nicoletto forderte von mir Arzeneyen, ich mußte verschreiben, und ließ mich nicht von dem scheinbaren entzündlichen Charakter täuschen, um blos auf den Hauptjustand Rücksicht zu nehmen. Reynieri verfertigte sie, und ich empfahl dem Cephalonier auf alle Fälle Vorsicht, weil ich nicht wisse — ob es etwa die Pcst werden köunc. Er trug das Papier hin und verbarg sich. Meine Lage war unangenehm; als ich zum Consul kam, wollte er mir die Hand reichen, allein ich zog mich zurück, und schlug es ihm ebenfalls ab, mich niederzusetzen; stin Knabe wollte zu mir, aber ich schreckte ihn theils durch ein finsteres Gesicht ab, theils lockte ich ihn durch eine kleine List zu seiner Mutter. Zum größten Glücke erklärte ich mir die heutige Freundlichkeit des Consuls bald, da er triumphirend den Verlornen Brief des Pascha hervorzog und mir ihn übergab. Kaum hatte ich ihn eingesteckt, als er ihn wieder zum Lesen forderte, allein ich wendete es zu einem Scherze um, damit cr nur wieder von seinem Vorhaben abstünde. Um von ihm nicht Abschied nehmen, und ihn vielleicht berühren zu müssen, eilte ich unter dem Vorwande etwas vergessen zu haben, und bald wieder zu kommen, ohne Umstände davon. Ich suchte Pferde oder Maulthicre, um sogleich des andern Tages durch die Flucht mich zu retten, als zum größten Glücke zwey meiner guten Freunde aus Retti« mo, wohin ich wollte, auf Maulthicrcn daher geritten kamen, eine Gelegenheit, die nun rttour ging, und welche ich ,73 augenblicklich benutzte! und auf Morgen bestellte; das cinc Maulthier schnaubte mich an, und wich erschrocken mit einem Seitcnspnmg; ich bezog es abcr nicht auf den wahren Grund, sondern schrieb es irgend etwas Zufälligem bey. Auch den Ianitschar bestellte ich mir, nahm den Bruder des Se-lim und Ibrahim, den Ali, welcher fremde Reisende durch die Insel zu begleiten pflegte, auf. Als ich nach Hanse kam, nnd meinen Begleiter vorfand, konnte ich mich der Thränen kaum enthalten. Allein bald übermannte mich der Zorn über den nichtswürdigen Kranken, welcher, da ich früher mehrmals mit ihm über seine Krankheit gesprochen hatte, mir in der Amnese verschwieg, daß er die Pest schon einigemal gehabt habe; damals hatte ich «hm freylich seinen Pcststoff nicht aus dem Körper bringen können, der gewiß in ihm verborgen lag, denn ich hatte die nöthigen Erfahrungen noch nicht, die ich erst spater sammelte, allein auf alle Falle wäre mein Rath gründlicher gewesen, denn bey seinem Galima-thias konnte Niemand ohne das angemeßne Wort Pest klug werden. Ich stampfte mit dem Fuße auf den Boden über die Niederträchtigkeit der Menschen, welche, ohne sich selbst helfen zu können, andere Unschuldige in das Unglück stürzen, und durch eine unvernünftige Geheimhaltung von Umstanden, die obendrein ihnen nicht zur Last fallen können, ihren eigenen Untergang befördern. Ich machte nun meinem Gärtner bekannt, was vorge» fallen sey, theilte ihm meinen Verdacht mit, und sagte ihm, daß ich nicht wisse, was mit ihm jetzt vorzunehmen wäre, ohne neuen Verdacht zu erwecken. Niemand würde ihn anderswo beherbergen, vieles ließe sich nicht transvvrtiren, und wir waren durch eine Menge von Umständen gezwungen, unsere sichere und entsprechende Wohnung in der Stadt zu behalten, auch wisse ich nicht ganz gewiß, ob die Pest um sich greifen werde. Ich ersuchte ihn, sich von mir auf jeden l?4 Fall entfernt zu halten, mir alles selbst einzupacken, damit ich nicht mit ihm zusammenkäme und unser Nachtmahl abgeschieden und ohne Tischtuch und Servietten einzunehmen. Er suchte mich zu beruhigen, da Zorn, Kleinmuth, Ungewißheit und Furcht bey mir abwechselten, wollte nichts glauben, änderte scin Betragen gegen mich nicht, und machte keinen Unterschied zwischen vorhin und jetzt. Ich stellte ihm aber vor, daß die schärfsten Vorsichtsmaßregeln um so nothwendiger wären, als bereits alle Europäer mit fremden Menschen jede Gemeinschaft aufgegeben hätten, rieth ihm nur des Morgens und Abends auszugehen, Niemanden, sey es wer es wolle, ins Haus zn lassen, die Thür stets zu verschließen, und den Faden am Hcbericgcl mit Oel so oft als möglich anzulassen, damit der zufällig Angesteckte, der den Faden zöge^ statt den Pestsioss abzuwischen, seine Finger mit Ocl bcschmuzcn möge. ' Ich erschöpfte meine aufgereizte Einbildungskraft in Erfindung' von möglichen Fällen, um ihm die Art seines Benehmens deutlich vor Augen zu legen. Er versprach alles zu befolgen, war aber zu keiner wiewohl gegründeten Furcht zu bewegen, für mich blieb nichts anders übrig, als zu fliehen? der Morgen kam, ich ließ al« lcs auf die drey Maulthicrr laden, und schickte sie zur Stadt hinaus, um zwischen den niedrigen Dächern der überall mit hölzernen Buden besetzten Gassen nicht hindurch reiten zu müssen. — Es war der 23. April, als ich aus Canca mit bittern Gefühlen fortzog, ich sah den unvermeidlichen Ausbruch der Pest vor mir, welches ich jedoch in der Stadt nicht auszusprengen wagte, weil ich die Bestürzung nur vermehrt hätte, da ohnedies schon alle Europäer und Griechen dieselbe sowohl nach Schätzung von bekannten Umstanden, wie durch das Gemeingefühl vermutheten, und längst die nöthigen Vorkehrungen getroffen hatte. Ich schärfte nun mciucm Gärtner ein, wen» er wolle mit den nöthigen Ncqui- .75 sitcn sich auf das Gebirge zu ziehen und in den Sphakiot-tcn zu botauisiren, auch ließ ich ihm eine ansehnliche Summe zurück, um für jeden Fall'gedeckt zu seyn, so lange die Pcsi dauerte, übrigens zu thun, was ihm gut düuke. Als ich vor's Thor kam, wo der Laudmanu nebst dem Iamtschar auf mich warteten, und ich wich dem schönen Maulthier näherte, welches für mich bestimmt war, begann dasselbe wieder zu schnauben und Scitensprüngc zu machen, ich ließ mich aber nicht stören, hielt es fest, und glaubte, wie es gewöhnlich geschieht, daß, wenn ich nur erst droben säße, es sich schon beruhigen würde, allein dieß hätte mir beynahe das Leben gekostet, denn es wurde wüthend, warf mich mit dem fürchterlichsten Ungestüme ab, und da ich im Steigbügel hangen blieb, so würde es mich über das Stein» fcld lMwcggcschlcppt uud mit deu Hufen erschlagen haben, wenn jetzt nicht mehrere herbcygcsprungen waren und es fest-gehalten hatten, worauf dcr Iam'tschar mir deu Fuß aus dem Bügel zog. Alle schrieben dieses Ungestüm des Maul-thiers der Furcht vor meiner europäischen oder Franken» Kleidung zu, ich schwieg aber, weil ich die wahre Ursache ahncte. Warum hatte es denn am Abend vorhcr den jungen Balesie, dcr doch auch dieselbe Kleidung trug, uud mir überdies sehr ähnlich war, so ruhig getragen und viele andere Franken zuvor? warum dürfte cs mein Gärtner schmeicheln, welcher dock) auch so gekleidet war wie ich, und sogar Miene machte, es zu besteigen? Wie ein Dolchstich ging es mir durch die Brust, daß das Maulthier den Pcsisioff wittere, denn viele Maulthicre haben dic bekannte Eigenschaft, denselben richtig zu spüren. Ich durste nicht sagen, was mich preßte, und bestieg das andere, ein altes Maulthicr. Als cm Regenwettcr heran» zog, trennte ich mich von meinem Gärtner mit Thränen, theilte ihm meine traurige Memuug mit, und bcvollmach. l^l! tl'gte ihn nut cincm italienischen Briefe, welchen ich ihm bereits zurückgelassen hatte, im Falle eines schlimmen Ausgan, gcs meine Summen an sich zn ziehen und nach Europa zurück« zukehren. Auch er ging gerührt von danncn, als er mich so bewegt sah. Das stätige Maulthicr, welches der Ianit-schar bestieg, tobse voran, schnaubte und floh vor mir. Das Ncgcnwcttcr kam, überfiel uns, und durchnäßte mich ganz; wir mußten unter einer Fcldkapcllc sichcn bleiben, welche ein frommerTürkc zum Schutz der Reisenden erbaut hatte. Bald nar das Wetter aber vorüber, und der Wind, welcher von Suda hcr wehte, trocknete uns mit der hervorgetretenen Sonne- in Kurzem wieder ab. Die schwarzen Wolken hingen am Schncegebirge, und kontrasiirtcn herrlich mit den im Sonnenschein glänzenden Silbcrkuppcn der sphakiottischcn Bergkette. Hatte ich früher die Furcht des Maulthicrs auffallend gefunden, so wurde mir jctzt das Betragen desselben noch läthselhaftcr. Als ich mich ihm näherte,, zitterte es, und schnaubte anfänglich, dann roch es und zog die Luft in langen Zügen ein, ohne mehr zurückzuspringen, und als es wahrscheinlich nichts mehr roch, schnaubte es noch ein we» nig, machte cine ruhige Miene und cincn Kapriol, und fort war von nun an alle Scheu. Ohne hier meine Meinung Jemandem aufdringen zu wollen, obgleich sich dieselbe in der Folge noch auf eine ähnliche Thatsache stützte, finde ich es seh/ natürlich, baß bey gewissen Thierklasscn nicht nur bald dieser, bald jener Sinn vorherrscht, sondern auch, baß dieser Sinn bey denselben für gewisse Reize ausschließlich kmpfanglich sey. Die stärksten Gerüche können von manchen Thieren entweder leicht vertragen oder gar nicht wahrgenommen werden, indessen ganz unbedeutende auf dieselben einwirken. Daß unsere eigenthümlich gebildeten Cinne viele Eindrücke nicht wahrnehmen, gibt keinen Maßstab für an. »77 dere Thierllassen ab. Diese spezifische Empfänglichkeit cineS oder des andern Sinnes der eine» oder der andern Thier. klasse für gewisse Rci;c, ist allzubekannt, als daß sie auffal< len könnte, wenn man sie gleich nicht zu alten Zeiten wahr. nimmt. Das Maulthicr scheint hier, ob eS gleich eben nicht im Rufe sieht, einen vorherrschenden Geruchsinn zu haben, doch für den Ausdünstungssioff der Pest eine clgene, seinen übrigen tragen Gcruchsncrvcn nicht entsprechend scheinende Reizempfanglichkcit zu besitzen, welche vielleicht kein Thier weiter hat. Beyspiele belehren uns, daß Thiere ein eigenes Gcmeingefühl, welches oft unerklärbar ist, besitzen. Ich will hier kcins der unzahligen Beyspiele darüber anführen, und erinnere bloß an die aller ihrer Sinne beraubten Fleder, mause, welche ohne sehen und hören zu können, im Fluge doch allen Gegenständen ausweichen. Der Regen hatte den Geruch, der auf meinen Kleidern höchst wahrscheinlich hafte« te, abgcwaschcn, und wenn ich der dadurch erfolgten Be« ruhigung des Maulthiers trauen darf, den Pesistoff vom Kleide vertilgt, was ohttehin bey verpesteten Klcidungsstük» ken blos durch Waschen mit reinem Wasser vollkommen er. reicht wird, da er sogar sehr leicht von der bloßen Luft zer. stört wird. Ohne dieser Meinung selbst anzuhängen, glaub« te ich doch darstellen zu müssen, was mich berechtigte, das, was geschah, auf diese und keine andere Art bis zur ferneren Berichtigung zu erklären. Wir ritten an dem Hafen von Suva, ehedem Amphi< malta, vorüber, Griechen begegneten uns, mit denen mein Ianitschar sprach. Nun zeigte er mir am Gestade eine Stroh« Hütte, und erzählte, das nächste Dorf habe Pestkranke gehabt; zwey wären gestorben, der Dritte hielt aber hier Con. tumaz. Ich lächelte dem Verwiesenen freundlich zu, Klcich» Erster Thell. M '7» gültig ob er mich verstehe, bald von seinem Exil befreyt zu werden, denn bcr Ausbruch dcr Pest war unvermeidlich, und dann gab cs für ihn keinen Ulltcrsch,'ed. Ich dankte Gott» In Niochorio ranschten mir dic Timavischcn Quellen, an deren Anblick ich mich nicht satt sehen konnte. Das aus dem Felsen hervorstürzendc Gewässer schien wie kochend hervor-zu kommen. In der Nähe dieses Dorfes hielten wir Mittag, und im nächsten Chan (Wirthshaus), welches mit einer Mauer umgeben war, zahlten wir 3 Piaster für — Nichts — und zwar aus dem vollwichtigen Grunde, weil kurz vorher cm Türkc den Wirth, einen Griechen, gerufen und von ihm ein Geschenk von 24. Piaster gefedert hatte. Der gute Wirth entschuldigte sich, wie natürlich, mit dem Mangel an Scheidemünze, aber jener, von seinem Weine, den er nicht genug mit Wasser gemischt hatte, berauscht, drohte mit dem Messer, und erhielt nun das Geschenk sogar in blanken Thalern. Solche Erpressungen geschehen oft auf dieser In< sel von den rohen Türken, die scit Osman-Pascha wieder ihr Unwesen treiben, da die jetzigen Paschas Strenge zu gebrauchen selten im Stande sind. Her Weg in diesem angenehmen Thale ging nun an dem Armirobache hin, welcher jenseit des Cap Drepa« num in die See fallt. Angenehme Olivcngartcn stehen jetzt hier, wo vor Kurzem noch von gefährlichen Raubern besetz« tc dichte Wälder sich an dcr Straße fortzogen, und die Wege unter Savary so unsicher machten, daß man in ganzen Karawanen wohlbewaffnct reisen musitc. Diese türkischen Buschklepper sind jetzt vertilgt, die Wälder ausgchaucn, und «beratt sichen die Baume eine Schußweite von der Straße ab. Osmau-Pascha war vielleicht einer der wenigen, wcl« ,chc, von der Pforte dahin gesendet, durch persönliche Tapferkeit und Entschlossenheit Ruhe stiften konnten. Wir wander, ten nun über eine alte Brücke aus den Zeiten des Syncre« «79 tismus, welcher in Bezug auf jene Zeiten, wo Künste und Wissenschaften blühten, nun zum Crctimswus geworden isi. Man nannte sie I^aencilnu-lra, die alte Brücke. Vow da rechts ab nach dem Gebirge sieht man den einzigen Paß und Saum« weg, welcher nach dem Gebirgslande Sphakia führt. Mein Ianitschar lenkte auch dahin ab, um einen Griechen aufzusuchen, der in einem Dorfe, Masa genannt, wohnte. Ich erstaunte über den Weg, den wir nun betraten, eine via ^^ glaubte ich zu betreten, denn die Straße von bey-nahe 3 Klaftern Breite, aus tischgroßen flachen Steinen an einander gefügt, hatte den Charakter einer antiken Kunst-siraßc vollkommen an sich- Sie führte nach Masa, einem elenden Dorfe, dessen Umfangs- und Gartenmauern einer al. ten Stadt zugehörcn mußten, denn ihr Charakter war un. verkcnnbar antik. Masa hätte viel Aehnlichkeit mit Ma. tium des Plinius, sonst stimmt kein anderer alter Name irgend eincr Stadt Kreta's damit überein. Matt um kann aber hier nicht liegen, und Mytene, von Agamem-non gebaut, scheint einzig und allein dieses Masa zu seyn. Wir blieben da über Nacht, und kamen Vormittags über Armiro nach Rettimo. Wir ritten zu einem andern Thore hinein, weil die Wache den reisenden Europäern im. incr in die Zügel fällt und ihm Bakschisch (Trinkgeld, Ge. schenk) abfordert, indem das Einreiten in die Stadtthore den Griechen, welche jederzeit absteigen müssen, gänzlich verbo. ten, den Europaern aber nur gegen Erlegung eines Geschenks erlaubt ist, und den Türken allein, sie mögen reich oder arm seyn, rechtmäßig zukommt. DcrIanitschar hatte es vorher ge. schcn, und wollte, indem er zum Eintritt ein anderes Thor wählte, diese Unannehmlichkeit vermeiden, allein auch hier fiel seines Bitten und Abwehren ungeachtet die Wache mei. mm Maulthier in den Zügel, verlangte von mir'ein Ge. schenk, und drohte, mich vom Pferde herabzureißen, wenn M 2 ,6o ich es etwa wagen würbe, mit Gewalt hineinzureiten. Hier muß ich bemerken, daß jeder Europäer wie eiu Unter, than der Pforte angesehen wird, welcher, wie die Armenier und andere Nationen, nur gegen Erlegung eines Tributs reitend in die Stadt gelassen werden soll; dieß erniedrigt nun den Europäer ungemcin; die Kaufleute, welche Hieher kommen, steigen gewöhnlich vor dem Thore vom Pferde, oder wenn sie abreisen, lassen sie solche vorangehen, und steigen vor dem Thore erst auf. Zwar erinnerte mich besonders der französische Consul in Canea ja kein Geschenk zu geben, und mit Gewalt hineln zu reiten, allem er hatte lieber früher selbst dem Pascha eine Ermahnung gcbcn, und ihn an die Verträge mit den auswärtigen Mächten erinnern sollen; was konnte i ch gegen die Willkühr der geschcnkhungrigen Wache ausrichten? Ich gab kein Bakschisch, da die Wache unverschämt genug war, einen spanischen Thaler zu begehren, sondern eilte mit meinem Empfehlungsschreiben, welches man nicht resvektiren wollte, und zugleich mit dem Fcrman zum Musselim von Rett imo, dieser war sehr aufgebracht, und ließ den jungen hitzigen Burschen auf 6 Stunden in ein kühles Kämmerchen setzen, nachdem er meinen Ferman, worin ohnehin stand, daß man von mir kein Charatsch, Kopfgeld, Tribut und anderes dergleichen fordern dürfte, gcle. sen hatte. Dieß wirkte. Da ich oft Ercursionen machte, so hätte ich beym Aus-und Einreiten jedesmal einen Thaler bezahlen oder schimpflich zu Fuße durch das Thor gehen müssen. Zwar verschmerzte der Soldat es nicht, und fiel meinem Maulthier das nächste Mal wieder in den Zügel, dieß that er jedoch nur des Versuches wegen, weil er mich so wie die Druckgewohnten Griechen schrecken zu können glaubte, allein wohlwissend, daß mir diese Genugthuung geworden war, fuhr ich ihn wle einen Hund an, schimpfte ihn derb ab, und riß ihy, die Zügel mit der Frage aus der »5; Hand: „Ob nlcht der Großherr hier auf der Insel zu be^ fehlen habe, wie der Pascha von Canea ihm gesagt habe?" Hier schlug sich ein alter Türke sehr klug ins Mittel, unb schaffte den Soldaten fort, um ihm die Schande, nachgeben zu müssen, zu ersparen. Um aber blos die Form zu sichern, da ich entchrende Mißbrauche nicht abstellen konnte, so sendete ich der Wache außer der Zeit manchmal ein kleines Geschenk von » ober 2 Piaster, denn wenn man auch genöthigt ist, seiner National-Ehre nichts zu vergeben, so ist es doch nicht gut, sich die Leute ganz abgeneigt zu machen, und es kommt oft nur darauf an, zu zeigen, daß man nicht muß, wo man nicht will. Inzwischen fehlen selbst die Consuln dagegen, und die Kaufleute sehen nur auf ihren Gewinn. Dieses abzustellen, ware leicht, aber weder der eine noch der andere thut etwas dafür. Auf dem Pferde oder Maulthiere durch das Stadtthor einzuleiten, ist unter allen Griechen der Insel gesetzmäßig nur allein dem griechischen Metropoliten erlaubt: selbst Bischöfe und Acbte, welche Würde hier aber im Grunde nur wenig bedeutet, müssen absteigen und ihren Knechten vor dem Thore die Maulthiere übergeben. Dieses ist eine der empfindlichsten Demüthigungen für die griechische Nation. Als ich mit dem Bischof von Meliboni und seinem würdi« gcn Ncffen, dem Lehrer Didascalos nach Rettimo zurück kam, mußte ich eine Strecke vor dem Thore wie um einer Pflanze wegen absteigen, um mit ihnen durch das Thor zu Fuß einzutreten. Ritt ich mit andern aus, so schickte ich mein Maulthier gewöhnlich voraus, um es gar nicht zur Frage kommen zu lassen, ob ich hier im Hause aufsteigen wolle. Ucberhaupt ist es einem Griechen selbst in der Stadt nicht erlaubt, in den Gassen zu reiten. Als ein Bauer, welcher cillmal zufallig eine McngcSchnitz, und Spielwarcn, Körb- »62 chen unb so mehreres andere zum Verkaufe hatte, mit vollen Handen den Esel zu führen nicht im Stande war, sicl/s daher bequem machte, und auf demselben in der Stadt sitzen blieb, so sammelte sich gleich ein Trupp Türken, welche dem Esel in die Hinterbeine schlugen, daß er stürzte und der arme Bauer mit allen seinem zerbrochenen Kram in tiefen Koth fiel. Da der arme Kerl zu weinen anfing, so wartete ich, bis er bey mir vorüber kam, um ihm cm Geschenk, das ich entbehren konnte, zu machen. Tournefort erzählt uns ein anderes Beyspiel: Griechen wagten es einst mit ihrem Bischof, der ein Maulthier ritt, im Triumphe in einem herandrängenden Schwalle emzurcitcn. Dieses wollten nun sogleich die Türken durch eine Plünderung rächen, als der Pascha schnell den Befehl durch Herolde ausrufen licsi, kein mannlicher Grieche dürfte über Nacht in der Stadt bleiben, wohl aber die Fraucn. Mcs Männliche musitc nun am Abend aus der Stadt, und in Höhlen oder Strohhüttcn schlafen, bis cine sehr bedeutende Summe ihnen die Erlaubniß des Pascha's, die Nächte so wie die Tage in der Stadt zuzubringen, wieder verschaffte. Gern würden sich die Griechen manche Erpressungen gefallen lassen, wenn nur diese elenden Barbaren ,'hncn die Abhängigkeit nicht jederzeit so demüthigend fühlen ließen. Cs ist nichts unerträglicheres, als wenn der Gebildete bey einem rohen Glückspilz etwas zu suchen und der Unschuldig Verarmte einen Juden zum Gläubiger hat, beyder Lage ist m der That bcdaucrnswcrth, aber noch weit drückender ist die Lage der Griechen, von dcncn der Reichste vor der Insultation des ärmsten türkischen Bettlers nicht sicher ist. Geschah mir irgend etwas auch nur im mindesten Unangenehmes, so war cs immer das allererste, was ich durch meinen Drogoman bey Krankenbesuchen umständlich erzählen ließl wenn ich unter diesem Vorwande cs rcichcn und ange- ,83 schencn Türken nicht abschlug, sie einiger eingebildeten oder Modekrautheitcn wegen, zu besuchen, dann wartete ich gleich einem Vornehmen dieser oder jener Stadt n,it der Erzählung meiner Beschwerden ohne Umstände auf, es half und man belästigte mich dann nie. Ritt ich dagegen allein aus, so baten mich die Griechen, ja im Haust aufzusetzen und so wie in Gedanken hinaus zu reiten, es schien ihnen dieses einiger Ersatz, und ich that es diesen guten Menschen gern zu Gefallen. Im Haust des Kaufmanns Stchlianaci, welchem der Pascha sein bequemes am Hafen gelegenes Haus für den 3tcn Theil des Werthes, weil es ihm gelegen war und gefiel, gewaltsam abgenommen hatte, und der jetzt dadurch zu nachfolgenden Verlusten vorbereitet, in dem Hause, welches dem Kloster Arcaoi gehörte, wohnte, nahm ich mein Quartier, so wie es das beygefügte Kupfer darstellt. Angenehm und lieblich war, meine Wohnung, und ich hätte so leicht keine passendere finden können. In dicstm Haust fand ich Bocchescr, östreichische Schiffs-Kapitäne und Kaufleute, aus dcm südlichsten Küstenland von Dalmaticn, Bocchc di Cattaro genannt, welche sich hier aufhielten, um Ocl einzukaufen und es nack Venedig zu führen. Sie ersparen bey eigenem Einkauf die Proccntc für dic Mäkler, und erhalten gemeiniglich reinere Waare. Sie sind sehr für O e si< reich eingenommen, weil durch die Uebcrgabc von Dalma-ticn an die östreichische Regierung ihr vorher sehr beeinträchtigter Handel nun wieder ungemcin blühend gewordcn ist. Zwar bringt die Insel Kreta treffliches Ocl hervor, jedoch seit den Zeiten, wo die Marstillcr Kaufleute, um ihre großen und berühmten Seifenfabriken unterhalten zu können, alles, auch das .schlechteste Oel aufkaufen, wird auch das Pressen der Oliven handwerksmäßig betrieben, und die Sorten zum Spciscbcdarf werden nicht erzeugt. Der Besitzer sorgt vielmehr nur dafür, dic möglichst größte Quantität Ocl l84 aus seinen Oliven zu pressen, die Oliven werben daher ge» rade so, wie sie im Regen mit der Erde gesammelt worden sind, ohne alle Auswahl zur Gewinnung einer einzigen Sorte unter den Mühlsteinen sammt den Körnern zerrieben und ausgepreßt. Steht das Oel in den Kufen nur ein Jahr, so sammelt sich ein garstiger Bodensatz. Oel zum Genuß wird eigens bereitet. Falsch ist es, was Sa vary ausgesprengt, und Sonnini nachgeschrieben hat, daß die Marseill.er erst dcn Candioten die Oclseife zu sieden gelehrt hatten, da schon unter den Venetianern, ja zu den Zeiten der Griechen und Römer, die Oelseift nicht unbekannt war; das kann aber seyn, daß ein oder der andere Franzose eine von diesen Seifensieoereyen in Canca inue hatte, und eine Ceife fabrizirte, welche ein empfehlenderes Aussehen besaß. Es war jedoch dem Savary nur darum zu thun, die Meinung zu veranlassen, als ob die Cinwoh« ner aus ihrem eigenen Oclc, welches sie pressen, und dem Natron, welches sie durch Verbrennung der Secstranos. pflanzen gewinnen, eine brauchbare Seife zu sieden nicht im Stande wären. — Im Gegentheil aber muß ich gestehen, daß die Candiotischc Seife harter, schwerer und kompakter ist, und baß zu der Zeit, als dcr Verschleiß der hier erzeug« ten Seife eincn Mangel derselben veranlaßte, die Paschas auf die Ausfuhr derselben eincn Zoll legten, da man dieselbe mit größcrm Nutzen in Marseille theils verkaufte, theils wieder überkochte, wodurch man an Gewichte bedeutend ge« wann, wie dies mir französische Kaufleute selbst ohne Rück« halt mittheilten und versicherten. Rettimo hat eincn kleinen Hasen, welcher vor eini» gen Jahren verbessert, ausgeräumt, und zur Aufnahme tlcincrcr Schiffe tauglich gemacht worden ist, einc Bege« benhcit, welche in den Annalen der türkischen Regierung einen ehrenvollen Platz verdient, »55 und hiermit auch gewissenhaft angeführt wirb. — Eine neue Terrasse wurde gebaut, und nebst dem gekrümmten Molo verlängert. Der Capital« des Hafens ((?2piwno ä«i 1'ortu), ein Türke, hatte bey Baron Tott den Euclid es siudirt, und wurde mir besonders als ein trefflicher Krauterkenner (welcher auch die Fabel von Baro. mez erfahren hatte) angerühmt, der auch einen abgenutzten Thcophrast besitze. — Die Festung liegt auf einem Fcl< sen an der Westseite der Stadt, und ist das beste Fort dcr 3 Städte dcr Insel. Rettimo ist eine niedliche Stadt, kleiner als Canea, ungefähr von 4ono Einwohnern. Hier war ehedem ein, eigener Pascha: jetzt ist die Stadt und ihr Gebiet jenem von Canea zugetheilt, eben so wie Setia ober Stia, welches in allen Büchern mit Lassiti verwechselt wird, jetzt unter dem Pascha von Candia stehet. Die Gassen sind fast alle mit hölzernen Buden oder Laden (er^ Iln-ia) verziert. Der mittlere Theil dcr Stadt, der Markt" platz, ist ziemlich lebhaft, die Nebengassen bestehen aus Mauern mit Thüren und kleinen vergitterten Zensiern ver, schen, denn die Wohnungen sind rückwärts angebracht. Nettimo siehet des Felsens dcr Festung wegen, welcher die Stadt beherrscht, wohl höchst wahrscheinlich an der Stelle, wo die alte Stadt Rithymna stand. Die Ein« wehner von Rettimo sind als die gefälligsten der ganzen Insel berühmt, selbst die Türken von Rettimo sind sanf-tcr; die griechischen Frauenzimmer daselbst sollen die schönsten und sanftesten seyn, welches auch von jedem Reisenden bestätigt werden muß. Die Unterhaltung ist nicht so ein« förmig als, an andern Orten, da die Frauenzimmer in den angenehmen Privatgärten viel freyer sich benehmen und benehmen dürfen. Die Umgebungen dcr Stadt sind jedoch öde, nur der Weg nach Arca di ist mahlerisch und schön, und das nahe Gebiet Milopotamo ersetzt alles. In der ,86 Hälfte dcs July erhält man schon die ersten reifen Trauben, gerade zu der Zeit, wenn dic letzten Kirschen von den Bergen hcrabkommen, und kaum hat man auf den Märkten diese um wohlfeile Preise eingekauft, so reizt schon die frühe kleine Traube mit ihrer zarten Schale den Vorübergehenden. Bey C avusi. am östlichen Ende der Insel, sollen sie jedoch noch eher, und am frühesten unter allen übrigen Trauben» arten reif werden. Nettimo wurde von den Türken i64/ eingenommen, und hat jetzt keinen Pascha wie zu To urne forts Zeiten, sondern einen Mussclim, der vom Pascha von Canea abhangt, welcher aber wieder unter dem Qberpascha von Can-dia stehet, ihm aber nie gehorcht. Etwa cmc halbe Stun--de hinter der Stadt am Wege nach Can dia fangen die Gar, ten an, welche man Perivoglia nennt, sie sind die schönsten auf der Insel, mit Wasserleitungen versehen, und lic< fern mancherley sehr schmackhafte Garttngcmüse. äi",» ^oiocaüia wird hier nicht gebaut, wic Tournefort meldet, ich sah es blos in Aegyptcn; da ich einen Irrthum vermuthete, so suchte ich mich zu unterrichten, faud aber, baß keines auf Kreta wachse, und glaube, daß es von Tourncfort wahrscheinlicheres Namens wegen verwechselt worden ist. Kaum war ich angekommen, so fand mich auch Georgi sogleich, er drang in mich, den lästigen Ia< nitschar zu verabschieden, und kein Opfer deshalb zu scheuen. Seinen Rath fand ich gut, denn ich ersparte mir große Summen dadurch, und lernte alles besser kennen, weil der Grieche nicht so abgeschreckt wird, und sich leichter mit. theilt, wenn man ohne Ianitschar reiset. Der Ja nitschar aber macht Aufsehen, man reiset gleichsam Lordmaßig, alles sammelt sich an den Straßen und fodert Geschenke. Man nehme sich daher, wenn es Eingcbornc m'clit mißbilligen, stets einen griechischen Diener, man fahrt besser dabey, und wird überall freundlicher aufgenommen. Mein Ianitschar l67 ging NUN nach Cane a zurück, worüber mir dcr Consul Vorwürfe machte, allein er konnte mich auch nicht mehr schützen, als mich mcin Hut schützte, welchen man in dcr Türke» stit dein Bombardement von Algier mehr in Ehren halt. Lastig ist überdicß dcr Ianitschar noch darnm, daß man seine Eitelkeit befriedigen, und allenthalben die doppcl» te Summe zahlen soll. Wer von seinem Einkommen, oder wohl gar auf fremde Kosten Reisen unternimmt, kann leicht etwas mehr thun als ein anderer, welcher sein Vermögen angreifen muß, dieser ist genöthigt, mit Vorsicht zu Werke zu gehen, denn wenn er auch dcr Menschheit eine dcr schreck« lichstcn Plagen erleichtern wollte, so findet er selbst nirgends Erleichterungen, geschweige die Unglücklichen, welche sie treffen. Gcorgi hatte seinen Endzweck erreicht, mir den Ianitschar vom Halse zu schaffen; ich schied jedoch ungern von ihm, denn er besass ein sehr gutes Gemüth, behandelte Griechen und Türken gleichartig, betrug sich jederzeit ver« nünftig und milde, und erregte daher bcy mir die Meinung einer geheimen Anhänglichkeit an das Christenthum. Wir machten einige kleine Excursioncn in die Nähe von Retti« mo, besuchten mehrere Kranke in der Stadt, hörten die Klagen eines Stadtarztes an, dcr in seiner ärmlichen Bou< tique in Demonstrationen ausbrach, daß er die ^icu^ auf Mastern und zum innern Gebrauche vonnöthcn habe,, aber keine bekommen könne. Auf Lassi ti's Gebirgen käme sie vor, und hieße bcy den Lassitioten ^»co^.ira, die tödtende Pflan-zc. Gcorgi versprach ihm gleich eine ganze Ladung voll davon zu schicken, ich aber bezweifelte mit Recht, daß sowohl dicsc Pflanze in Kreta vorhanden seyn werde — als auch, daß man sie erkannt habe. Inzwischen hatte man sich, ich weiß nicht wo, einen trockenen Stengel zu verschaffen gewußt, und ihn den Ephakiotcn, welche oft nach Rc t, timo kommen, gezeigt; da solche es nun nicht kannten, so »8s brachten es endlich l»« kanbiotischcn Aerzte heraus, daß sie in dem Kesselthale Lassiti wachse, und unter dem Namen ^5coti2ilia bekannt sey; man zeigte mir den Stengel einer Pflanze, welche ich später gleichfalls auf diesem Gebirge fand, und dieselbe für das echte ionium n,»cui»wm» den gesteckten Schierling, erkannte. Am Berge Vrissina, bey Rettimo, fand ich in einer Schlucht an feuchten Stel« len die OslunnllH luuaria, äieb^icu-^i», «uro^ae» , 5»xilr»« ß»Ueä«iilreH, und andere wichtige Pflanzen; s^rax «Mei. nlli« bey dem Herabstcigen von einem Dorfe, das in einem Scekcssel lag, welcher sich unterhalb einer engen Schlucht durchbrochen hatte. Im Dorfe selbst umzingelte mich die fröhliche Menge neugieriger Landleute: man führte mich zum Papa dieses Orts; er hatte die Gicht im hohen Grade, eine hier nicht seltene Krankheit, und seine überaus schotte und schamhafte Tochter, leider eine Hornhautverdunkelung, wclche ihrem Auge das Feuer benahm. Mit gutem Rath. stellte ich beyde zufrieden. Vom Dorfe kaum ausgetreten/ begegnete mir ein anderer Trupp Landleute, in der Mitte stand ein Bursche von »8 Jahren, man umzingelte mich wie« dcr, und ich sah nun leider beym ersten Blick, daß er im hohen Grade aussätzig sey. Er fing, als er mich er« blickte, bitterlich zu weinen an, faltete die Hände, und bat, ob ich ihm nicht helfen könne, ewig wollte er mein Sclave seyn. Er schien sich bis zum Knieen vor mir demüthigen zu wollen, und ich fühlte im Augenblicke dic schwere Last auf mir, nicht helfen zu können, das Wort: „Gehe, dein „Glaube hat dir geholfen, wäre allein vermögend gewesen, ihn zu heilen, und so ging ich scclenbetrübter, als er selbst, von bannen. Noch durfte er einige Zeit im Dorfe verweilen, wenn aber, wie die Landleute sagten, sei« uc Haut mit Schorfen bedeckt, und seine Finger abzufallen beginnen würden, so müsse er aus dem Dorfe fortwandcrn, »8g und jenen Unglücklichen ln den Hütten vor Rettimo Ge. sellschaft leisten. Dieses war auch die Ursache seiner traun« gen Gcberden und seiner so eindringenden Bitten. Sonntag den H/sten April trat ein Scirocco ein. Staub und feinen Sand hob er empor und verdunkelte die Luft. Abspannende Hitze, wie in der Nahe einer Darre, umgab den nach Kühlung und Luft Lechzenden. Ich war bey eincnl der reichsten griechischen Kaufleute zu Gaste geladen, fand aber die Art, den Appetit nut Liqueurs vor dem Essen zu reizen, sehr unzweckmäßig. Die Tafel war artig vorgerichtet und die Speisen ungemein schmackhaft, Früchte und Backwerk machten den Beschluß. Weine aus dem Archipel, und besonders der vortreffliche Malvasier, erinnerten an den Nektar der Götter, die auf dieser Insel geboren wurden. Der besondere Reiz dieser ausgesuchten Ge« sellschaft benahm das Drückende des Scirocco. Windes, und als der Caffce am Divan eingenommen war, schlössen sich aller Augen bey dem eintönigen Geklimper einer zwey« saitigen Mandoline. Erschöpft schleppte ich mich nach Hause, und sah zu meiner Verwunderung am Thermometer im Schatten nicht mehr als >l> 22° Reaumur, eine Hitze, welche nicht so drük-kend hätte seyn sollen, als sie war. Diese Scirocco-Winde zeigen sich immer später, je nördlicher das land ist, zu SyeneinOberägypten im März, bey Alexandrien im April, auf Kreta im May, in Italien in den 3 Son> mermonaten, Iuny, July und August. Des andern Tages trat der Regen ein, erfrischte die kuft, und man machte mir den Vorschlag, nach Me lid0-ni eine Excursion vorzunehmen. Dort war Georgi's Heimath. Dcr Bischoff daselbst, ein Oheim des hiesigen Lehrers, oocrDidascalus von Rett im 0, ward von unserm Vorhaben unterrichtet, auch dcr Arzt Miheli gesellte sich IH0 dazu, trennte sich abcr bald wieder. Cin Türke, der nns begegnete, ließ sich ,,'it Gewalt den Puls fühlen, allein es bedürfte des Pulses nicht, umzusehen, daß cr betrunken war. Zum Dank für das Mitleiden über seinen Zustand schoß tt seine beyden Pistolen, und eben so sein Gefährt«, zum Zeichen seiner besondern Freundschaft, in die Luft ab. Zehn Miglicn hinter Rett imo machte ich meine Ge-sellsHaft aufmerksam, daß sich dic Stelle nähere, wo dcx berühmte Tournefort eine neue I'iilomlli gefunden hatte, welche noch nicht beschrieben sey. Diese Pflanze ist scit ihm ganzlich verkannt, und ihre Beschreibung falschlich zur I>1i1umi« K-uticu52 gezogen worden. Sie macht eine eigene Art aus, welche ich ^Ulomi» mici-o^iMa nannte, und in gegenwärtiger Rcistbeschrcibung auf Tafel VM. abgebildet liefere. Diese schöne wollige gclbblühcnde Pflanze fangt genau i2 Miglicn hinter Ncttimoan, und setzt sich bisDamasta fort; auf den Hügeln von Mclidoni ist sie häufig. Die Art ist, so wie dic übrigen riliomig-Arten, strauchartig, besitzt aber sehr kleine Blattchcn, welche wollig dem ganzen Strauche in so großer Anzahl ein eigenes Aussehen geben. Wir sammelten diese Pflanze, welche so eben zu blühen be-gann, und brachten sie nach Mclidoni, doch die Daphne, von welcher er spricht, fanden wir nickt. Dieses kleine Dörfchen liegt in einem kleinen Kessel des Berges Pall orma, und ist derselbe Ort, wohin sich Tournefort begab, um die Cinsammlung des I^ä^uim-Gummi zu sc, hen und zu untersuchen, welche ich mir nebst den Instrumenten, da man es erst im July sammelt, genau vorweisen und beschreiben ließ. Der Bischof vonMelidoni, ein al-tcr vortrefflicher Mann, zeigte mir seine Arbeiten, welche er in schwarzer Kreide sowohl als in Oel verfertigt, hatte. Er mahlte Altarblattcr zum Geschenke für benachbarte Kir< zgl. chcn, und es fthlte nie an Bittm ihn zu beschäftigen, da solche immer cinen um so größcrn Werth hatten, weil sie ein K i r ch e n v o r st e h e r — u m so n si — mahlte. Seine Arbeiten lieferte cr nach Kupferstichen italienischer Meister, durfte aber, um den Kirchkindcrn nicht anstößig zu werden, von den hergebrachten Verzierungen, dem braunen Colorit, der steifen Haltung seiner Madonnen, und anderer Heiligen» Bilder nicht abweichen, «nd mir machte es Vergnügen, über seine Kupferstichsammlung italienischer Meister so schöne und richtige Urtheile fällen zu hören. Seinen Arbeiten fehlte nichts als freundschaftliche Kritik eines Glcichbeschaftigtcn, der aber hier gar nicht zu finden war. So lebte'cr allein für sich, mit ähnlichen würdigen Dingen beschäftigt. Vo» züglich gefiel mir es, daß cr über den Tadel, welchen ich ihm über Manches äußerte, gar nicht betroffen war, im Gegentheil durch stetes Gespräch vielmehr Anlaß gab, ihm unverhohlen meine Meinung mitzutheilen. Auch bat er mich, sein Portrait mit schwarzer Kreide zu entwerfen, nach welchem er versuchen wolle, seinem Neffen ein Oelgemälde zu hinterlassen. Ich empfahl ihm auf eine gute Att den Spie« gel, den cr bey der Ausführung desselben zu Rathe ziehen müßte. Ich erzählte nun, welche Schwierigkeiten Tour-nefort vor i«c> Jahren zu überwinden gehabt hatte, um die bey Mclidoni liegenden Höhlen mit den Inschriften zu sehen; man zeigte sie mir aus dem Fenster, und ich fuhr im Scherze fort, daß der damalige Subbaschi des Ortes ihn vorzüglich gehindert habe, hin zu gelangen. Der jetzige Subbaschi des Ortes, der cbcn gegenwärtig war, sagte freundlich > daß er sich eine Freude daraus machen würde, mich selbst hm zu begleiten, und scherzte darüber mit uns zugleich. — Die Höhle liegt gegen Abend auf einem mit Fel. dern umgebenen Berge, man nennt sie die alte Höhle „G e-rospilos", eS sind ihrer aber zwey. Die Inschriften »9» find gut erhalten, jedoch ntchl besonders historisch wichtig, und einige Zeilen sind schon durch Stalaktiten überdeckt. Ich ordnete die vielen schönen Pflanzen, die ich gc. sammelt hatte, wickelte sie in nasse grobe Tücher ein, und schichtete diese siehend in » Körbe, die ich für mein Maul, thier bestimmte, denn das Papier hatte ich in Rett imo zurückgelassen. Wir unterhielten uns noch bis gegen Mic< ternacht im Hause des Bischofs. Die Orangen blühten rings umher im Dorfe, als wir über den Kirchhof gingen, dessen Monumente der glänzende Mond beschien. Angenehm waren die Gerüche, welche uns! entgegenströmten, denn ein leichter Zephyr schüttelte die Blüthen, und trug die balsamischen Düfte der beengten Brust zu. Der hohe Ida, welcher Melidoni in einer entsprechenden Entfernung ge. rade gegenüber liegt, schien mit seinem schneebedeckten Gip, fel die goldvcrbramtcn Wolken zu berühren, welche über ihm schwebten. Wir betrachteten, uns auf einem Grabes-Hügel sammelnd, dieses seltene Schauspiel, und jeder suchte an dem herrlichen Bilde neue Schönheiten zu entdecken, ehe die Nacht einbrach, die mit ihrem Schleier uns dieselben entziehen zu wollen schien. Schweres Gewölk, das an den steilen Wanden des Ida herabglitschte, und einen Kranz an seiner Waldregion bildete, hob den Effect, und verstärkte auch zugleich die magische Wirkung eines pittoresken Kolos« ses, dessen Fuß in die beyden Enden der Insel sich erstreckte; die Zypressen umher verschönerten den Anblick, und stimmten, den Göttern der Unterwelt heilig, zu den Empfindungen der Geisterstunde. Im Hause wartete man auf uns; die Mutter desGeo r-g i, welche um uns in Sorgen gewesen, wurde wieder heiter, als wir kamen. Zu den Füsien meines Bettes fand ich ein großes Tuch mit Orangcnblüthcn ausgebreitet, der Ge. ruch derselben war mir anfänglich angenehm, betäubte mich »g3 aber im Schlaft so, daß ich des MorgenS bey hellem Som ncnlichtc die A:'.gcn kaum öffnen, und mich vor Trunkenheit nicht einmal mi: Bcwusitseyn aus den, Bette erheben konnte. Ein Festtag lockte unk in die Kirche. Die kleine Kapelle stand in der Mitte des Kirchhofs; wir wurden hier mit den freundlichen Gesichtern der heitern Landleute bekannt, wclche in ihrer weißen Landestracht von Baumwolle uns sogleich Platz machten. Nach dem Gottesdienste, welchem ich auf« mcrksam beywohnte, erwartete man uns an der Kirchthüre, wo wir mit zwey kleinen Spritzkannen, welche mit Orangen« Wasser von der stärksten Art gefüllt waren, über und über im Gesichte, Scheitel, Brust, kurz auf der ganzen Kleidung plötzlich benetzt wurden, und zwar zugleich um so vollsiäss digcr, je mehr sich die guten Leute von dem Geschenke, das ich ihnen geben würde, versprachen. Obwohl mir diese bib!i< schc Taufe „Herr bcsprenge mich mitIsop," eben nicht angenehm war, da sie so unerwartet kam, so legte ich doch, um ihnen ihre Freude nicht zu verderben, mciir Gesicht in dankbare Falten, und auf bie mir präscntirtc sil. bcrne Plattschüsscl einen Haufen von etwa »5c> Para, die ich bcy mir hatte, welches, ihren Mienen zufolge, nock n.chr war, als sie sich von meiner Freygebigkeit vorgestellt haben mochten. So gilt man oft m der Welt, ohne es zn wissen, für freygebiger, als man wirklich ist. Da ich wahrend meines Auftnthalts zu Mclidoni nichts als Orangcndüftc cinsog, so hatte dieses, obgleich ich nur kurze Zeit daselbst war, doch so sehr auf meine Phantasie gewirkt, daß mich jeder Orangcngeruch, dm ich in der Folge wahr. nahm, unwillkührlich und wie zauberisch, an die ehemalige angenehme Situation zuMelidoni erinnerte. Der Regen hielt mich ab, früher als um " Uhr Mittags nach Rctti» no aufzubrechen? der Ida, des Morgens ganz umzogen, theilte das Gewölk, das sich, ungeachtet der angenehme« E.^v Theil. N ig4 Warme des Thales und der reifenden Ernte, in Flocken verwandelte und als Schnee auf seinem hohen Nückcn sichtbar niederfiel. Man brachte uns zum Abschied noch kranke Kin, der, welche ich lieber durch Berührung hatte heilen mögen, denn woher sollte die Starke der Lunge kommen, um die Nothwendigkeit des Verhaltens nach diätetischen Ncgclu und andere nützliche Maßregeln den unwissenden Müttern, welche nur Arzneyen im Kopfe haben, begreiflich zu machen. Ihre angestrengten Fasten, und bic ungenießbaren Speisen, wirken auf d,'e Frucht sowohl, als auf die saugenden Kin-der, so daß sehr viele derselben, und noch mehrere Mütter nach wenigen Geburten an der Abzehrung sterben. — Wir entfernten uns, indem wir das herrliche Gebiet von Milopotamo noch einmal überblickten, ritte,; dann bergab, und erreichten die hohe Brücke, welche mir wie jene des Hannibal über den Tajo vorkam, und eilten nach Rettimo zurück. In der Gegend von Pigi fanden wir einen in Thierfellc gekleideten Hirtenknaben, welcher die an den Blattern und Stengeln der apfeltragenden Ealbey, «aivia ^onulera, hangenden, wie Gallapfel aus« sehenden Kügclchcn in einen Beutel sammelte, und neben« bey auch einige verzchttc. Ich konnte diesem holzigen, von dem Stiche eines Insektes herrührenden Auswüchse gar kei' ucn Geschmack abgewinnen. Diese Aepfelchcn waren zwar saftig, allein, ungeachtet des angenehmen Salbcygeruchs, ungemcilt bitter und zusammenziehend. Noch weniger zu empfehlen sind oksc Salöcyäpfcl, in Branntwein oder andern geistigen Flüssigkeiten aufbewahrt, weil sie der Wein« gcisi noch wehr verhärtet und ungenießbar macht, doch wer« den sie sogar bey verdorbenem Magen empfohlen; ich hätte zwar gegen dic Einbildung gar nichts, wohl aber et« was und mit Nccht gegen die angebliche Wirkung cinjuwen« den. Die 5^IviÄ kiluki» hat deren weit mehr als dic 5«ivi» lgü jmmlKiH, die Acpfcl von jener sind etwas kleiner, aber gc< nicßbarcr, weicher und nicht so bitter, die von letzterer zwar größer, aber harter, adstringirendcr, und aromatisch bitter. Einen weit größcrn Nutzen gewahrte die Benutzung der Blatter mit den Samcnstengeln beyder Salbeyartcn, aus welchen sich ein vortreffliches ätherisches Oel entwickelt und gewonnen wird. Der Führer meines Gärtners durch die Sphakiotcn -in dem höchsten nördlich gelegenen Dorfe dieser Gebirge, trocknete in seinem Hause zu Therisso große Haufen von Salbeyzweigcn im Schatten, hatte einen kuv, fernen Desiillirapvarat, und zog durch die 4 Sommermonate tressliches Oel in Menge, welches er um billige Preise, das Pfund zu2o Xr., verkaufte. Er erzählte mir, daß sich manchmal in einer Partie vom ältern Oele weiße Flocken und Krystalle bildeten, welches offenbar Kampher ist, unv ich vermuthe daher mit Recht, daß derselbe in großcr Men« ge, besonders aus der kampherartigcnsaivik pomiiera, wek chc darum campKoraiH, uttd jene pomilera genannt zu wer« den verdiente, könnte erhalten werden. Donnerstags den isim May Nachittags um 5 Uhr kamen wir wohlbehalten in Nettimoan, ich war zurückgc< blieben, und bemerkte erst in der Stadt, daß mich im Thore die Wache nicht aufgehalten hatte, denn ich hatte mich, ohne es zu wissen, daran gewöhnt, eine Regel zu beobachten, wclchc der Fußgänger besonders in Acht zu nehmen hat, nämlich daß er den Hund, bey dem er vorbey gcht, gar nicht bemerken muß, da er dann gewiß nicht angebellt wird. Mit den mitgebrachten Pflanzen beschäftigt, gingen die zwey letzten Tage der Woche hin, in welchen ich einige türkische Gärten bcsuchtt, und ein besonders merkwürdiges türkisches Frauenzimmer, eine wahre Seltenheit des Orients, kennen lernte. Als ich mit der Untersuchung meiner Pflanzen, besonders des schönen Styraxbaumcs, beschäftigt war, hicst N ' »96 es, die Rosako komme auf Besuche irh blickte auf, und sah ein mannlich gebildetes Weib von edlem Ansiande und stolzem Benehmen vor mir unverlMt stehen, indem sie mir „Kali mcra" guten Tag, bot, und „duli sas" eu- rc Dienerin, hinzusetzte. Sie war pockennarbig, wohl, gebildet im Antlitz, jedoch ohne alle Schönheit, ungefähr Ho Jahre alt, ziemlich beleibt, aber von einem besonders empfehlenden Aeußern. Nie habe ich so viel richtiges Ur< theil mit so manchen mir auffallenden Ausdrücken, nie so viel Anstand mit weniger Umständlichkeit, nie so vicl Anhänglichkeit ohne Beziehung, bcy cincm Weibe, sclbst bey einem europäischen nicht, nnd noch weniger bey dem zurückhaltenden vermummten und Statuen ähnlichen türkischen Frauenzimmer wahrgenommen, als eben an ihr. Sie brach, tc mir einen Strauß, ohne welchen mau selten zu Besuche geht, und den man gewöhnlich als Frcundschaftszcichen beym Eintritt abgibt. Wärc sie nach europäischer Art crzo« gen worden, so hätte sie es übel nchmcn können, daß ich mich mit der Besichtigung dcs Blumenstraußes etwas lange beschäftigte, denn außer schönen Rispen von blühendem Jas, N,in, Orangcnbluchcn, der weißen Moschusrose, dem Sam« t»ac zog übcrdicß eine cigcne Art weißer Narzissen, und ins» besondere die arabische Vogelmilch, meine Aufmcrk« samkeit auf sich, sie war aber vergnügt über die Ehre, wcl< chc ihrem Geschenke dadurch widerfuhr, daß ich es lange betrachtete; sic hatte sich also über die Schwache und Kleinlichkeit ihrer Landsmänninnen emporgeschwungen, und der Eitelkeit Meister, konnte sie zwar nicht auf Schönheit, doch aber auf bcachtungswürdigerc Vorzüge mit Recht Anspruch machen. Allgemein rühmte man ihr nach, daß sie zwar auf keine Weise gefü-hllos genannt werden dürfe, doch aber auch lein Mann je sich der geringsten Gunstbczeugungcn hätte rühmen können. Ihre Brüder und niemand konnte sie noch iu ^7 lhrcr Jugend zurückhalten, mit weiblichen Arbeiten bcschäf« tiget, den Gesellschaften der Manner beyzuwohnen, und in ihrem Unigange eben so viele Reize zu finden, als gegen sie selbst gleichgültig zu bleiben. Nicht selten soll sie allen wi. versprochen, die Unterredung durch scharfsinnige Bemcrkun-gen auf den Strand geworfen und mit ihren Anschlagen wie« der flott gemacht haben. Man übersah hier sowohl männlicher als weiblicher ScitS diese Anstößigkeit, die übcrdicß nnr in der Levante so fthr in die Augen fallen kann, um so mehr, weil Rettimo eine kleine Stadt ist, und cmc kleinere Volksmenge nicht nur cine einzelne Person leichter kennen lernt, als auch sich durch öftere und wiederholte Begegnung derselben an ihrcn Anblick gewöhnt. Ihre Statur war mit» tclmäßig groß, ihr Aussehen voll, ihre Kleidung gewählt, das Haar in herabhangende Locken geformt, der Kopfputz einfach, ihr Busen nicht ganz verhüllt, die Physiognomie edel und ihr Betragen männlich, ohne im mindesten die Weiblichkeit zu beleidigen. Anderswo wäre sie mir minder intcrcssant vorgekommen, aber hicr wurde sie mir als Türkin um so wichtiger. Die Ursache ihres Besuchs ließ sich errathen: ihre Unpäßlichkeit schien mir, nach einigen freymüthigcn Er« klaruna.cn, die ich absichtlich darüber vcranlasitc, von einer natürlichen Beschaffenheit ihres Körpers abhangig, und durch Veränderungen beseitiget werden zu können, zu deren Hcrb:y« führung aber ihr natürlicher Mangel an Gefühlen als Hin« bcrniß im Wege stand,. Die dabey mir ertheilten Antworten berechtigten mich, die allgemeine günstige Meinung von ihr vollkommen bestätigen zu können. Den Sonntag früh wollte ich eine Excursion vornehmen, um lastigen Gastgesuchcn überhoben zu seyn, allein cs war nicht möglich zu widerstehen, die Excursion Mußte unterbleiben. Eine Ursache, warum man mich von meinen Geschäften abhielt und mich so gern in Gesell« schaftcn zog, lag mit darin, baß man sich durch den lyS Anblick emes Europaers die Hoffnung baldiger Freyheit zu vergegenwärtigen glaubte, da der Keim zur Bcstcyung Griechenlands schon damals vorbereitet lag, Ueber den Garten von Rettimo Perivalia erhebt sich ein Hügel, auf welchem eine kleine Kapelle des heiligen Georgs erbaut ist. Die Gcdachtnißftycr eines der vorzüglichsten heiligen Männer des griechischen Ritus fiel auf den 4tcn May, oder den 24sicn April alten Styls. Das Landgc-baude gehörte dem obcrwähnten reichen Griechen, dessen noch lebende Mutter gewiß im hohen Grade den noch jetzt dauernden Ruf, in ihrer Jugend das schönste Frauenzimmer in Rettimo, und zugleich das reichste gewesen zu seyn, verdient hatte. Der Tag ging wieder mit Essen und Trinken verloren. Man munkelte von der Pest, was mir eben nicht sehr erbaulich war. Nach dem Caffee kamen die Pfeifen zur Abhaltung des Schlafs; das Geklimper auf der Mandoline machte dem unangenehmen griechischen Gesänge, welcher sich feit Jahrhunderten erhalten haben mag, endlich siegreich ein Ende, die Glocke der Kapelle erinnerte mich an die Vesper, und die Gegenwart mahlerischer Gruppen nett gekleideter Landleute mit ihren Familien lockte mich vom Divan ,'ns Freye hinaus. Wir kamen bald nach Haust, pochten am Eingänge, der aus einander flog und uns eine ganze Gesellschaft zeigte, welche mitten im Hofe um ein Becken glühender Kohlen versammelt, sich mit betroffenen Mienen wechselsweise anblickte. In der Mitte stand ein Mann in langem Talar und eigenem Barett, den ich sogleich für den Bischof von Rettimo erkannte; dieser hielt mit ei, ner eisernen Zange einen schwarzgerauchcrtcn Brief übcr den Kohlen, als ob er nicht genug unleserlich wäre. Dieses machte mich verstummen, denn ich wußte cs besser als sie, daß der Brief vom Bischof aus Canea kommen müsse. Die Pest war also den ,sicn May in Canca richtig, und zwar »99 im Hause des Bischofs, auSgebrochcn, und wüthete mm in dieser Stadt. Der Brief war vom Bischof eigenhändig geschrieben, und er hattc niemanden, der ihm denselben ge, schrieben hatte, denn in seinem ganzen Hause war alles — außer ihm selbst — todt und menschenleer. Meine Bcsiü'r« zung schrieb man der allgemeinen Theilnahme zu. — Zuerst starb der Diacon, der mir den Caffcc und die Pfeift gereicht hatte, dann die beyden Diener, von denen ich berührt worden war, endlich die weiblichen Dienstboten, zu allerletzt mein theurer Patient, der Bruder des Bischofs. Dieß setzte meine Resignation und meinen Gleichmuth auf die Probe. Wein die Prognose meines Maulthiers beruhigte mich, denn ich hatte gar nichts anders als den Aberglauben zu> meinem Troste anzusprechen, und den Regen, der meine Kleider durchnäßt hattc, sah ich für eine Schickung Gottes an, an» derc Menschen und mich selbst außer Gefahr zu setzen. Ich bot alle Überredungskünste, so kraftlos als sie waren, auf, meine Furcht wcgzurasonniren, äußerte nichts, und war durch meine bestätigten Ansichten über die Entwickelmigsart dieser Krankheit zwar außer Sorgen, aber nicht vor allen Folgen sicher, denn es war erst der >3te Tag vorüber- Die Unschlüssigkeit, die Zwcifelsucht, deren entgegengesetzter Erfolg den Menschen nicht selten beschämt, hatte mich ve»> hindert, Aufsehen zu erregen, um den Kranken für von der Pest ergriffen zu erklären. Flucht und nicht Untersuchung war das Resultat des Verdachts. Man denke zu meiner Entschuldigung in solchen Fallen an die Verwirrung, in der ich selbst war, und an jene, in welche ich andere versetzt habcn würde. Mau hätte mich Lügen strafen können, denn der Kranke war ja — eine langst bekannte Sache — an der Kolik krank und seit 2 Wochen gar nicht aus dem Zimmer gekommen. Vox pnpull, vox Dei. Mit meimr Dia" guosc über die P c st wäre es mir dort gegangen, wie es mir ÄOll mit meiner Diagnose über Wasserscheu ergeht. Das ist nicht möglich, hatte es geheißen. Fliehen mußte ich, »,m wegzukommen. Wem der Sonncnblick nicht Genüge leistet, den mag die Sonne wund brennen. Ich schwieg und über» ließ es der Zeit, mich zu rechtfertigen, denn nur dann kann man Ueberzeugung andern mittheilen, wenn man zum Glauben geneigte vor sich sieht- — So kaun ein boshafter Mensch mehrere ins Unglück stürzen, ob er gleich weiß, daß fremder Verlust seinen eigenen Zustand nicht erleichtertl dieß bedachte mein Kranker nicht, und statt zu gestehen, daß man sich vor ihm in Acht nchmcn solle, briugt er nicht nur fremde ins Spiel, die er zu täuschen glaubt, sondern sttzt auch sei« nen eigenen Bruder und jene, welche ihm dienen, in Gefahr. Mein Lcbcn verdanke ich dem Umstände dcr augenblicklichen Begünstigung zur Flucht, und dem Regen, welcher meine Kleidung netzte, ehe ich die verpesteten Stellen berührt hatte. Des andern Tages entfloh ich nach dem Kloster Arca< di, denn ein Geistlicher war so eben hcrabgckommen, d.r Vorsteher in Ncttimo, wclckcr sich Geschäfte halber hier aufhielt, zu berichten, Türken hatten das Kloster gestürmt, sich mit Gewalt der Vorrachc an Brot, Fleisch und Wein bemächtiget, um sich, dem nahen Augenblick dcr Ernte sehn« suchtsvoll entgegendlickeud, den Brotmangcl auf diese Art zu erleichtern. Jeder gemeine Türke glaubt Herr des Be« sitzes der Klöster zu seyn, und obwohl die griechische Geist« lich^.'t u'Mmcin von den Tüikcn geschätzt wird, so nimmt sich doch «'.'lbst dcr geringste Mohammedaner gegen einzelne Personen derselben große Freyheiten heraus. Kurz vorher i^ Me lid on i, als ich mich eben mit dem vortrefflichen Vi< schofe in der besten Laune uutcrhiclt, kam ein ganz gemeiner Kerl von einem Türken ohne Umstände in sein Zimmer, be« gehrtt zu essen, zündete sich gemachlich eine Pfeife an, nahm einen Sessel und setzte sich tölpisch darauf, mischte sich in 20» das Gespräch, und betrug sich wic Herr im Hause, endlich schlief er gar ein. Dieß geschah jedoch nicht aus Vorsatz, sondern aus Gewohnheit. Da ich deutlich sa), daß es den Bischof, weil ich zugegen war, schr verdroß, so hätte we^ mg gefehlt, daß ich mir seine Gegenwart verbeten, und ihn vor die Thüre gewiesen hatte, wie ich es schon ein paarmal gemacht hatte. Denn dem Franken wagen diese Türken nicht viel zu entgegnen, allein der Grieche, so vornehm cr auch ist, muß sich alles von ihnen gefallen lassen. Der Abt von A » cadi sendete den Geistlichen mit Anordnungen zurück, da er aber nicht selbst nach dem Kloster wollte, so bestieg ich das für ihn gebrachte Maulthicr und ritt unter sanftem Regen mit dem Priester die Straße. Er führte mich eigene Wege, welche die Maulthicrc schon tanittcn, durch Gebüsche an Caskaden, Bächen mtd Quellen mit abgemessenem und vorsichtigem Schritt vorüber, Hecken von blähenden Storax» bäumen, PhiladclphusrSträuchern, Granatäpfeln, Jas« min und Rostn dufteten bey dem sanften Rcgcn um so ange« nchmer, und eine Schar von Nachtigallen ließ ihr Licd aus j:dcm Gebüsche ertönen. Ununtcrbrochcn, fast durch das ganze Jahr findet man diese auf Kreta, und sie hecken zu verschiedenen Zeiten, daher es an dem zauberischen Gesänge der Philomcle um so weniger fehlt, als sie im höhcrn Som< mer auch in dcn Alpen Kreta's zu finden ist. Ihr Gesang ist hier volttönigcr, melodischer, als anderswo, weswegen nur auf Griechenlands Boden dcr liebliche Sangcr sich bcy der dichterisch gebildeten Nation jenen Ruhm erringen tonn-te, dcn er bey dcn jetzt lebenden wissenschaftlich Gebildeten, behalten hat. Der a/oße ägyptische Geyer, der Adler und al'.dcre schienen in dcn Felsen, die sich hier emporhoben und unsern Weg einzuengen ansingen, in ihrer Hcimath zu seyn. Sie kreisten in weiten Bahnen um uns herum, stürzten hcr< ah, und erhoben sich bann wieder. Als wir um die Ecke 2QÄ eines Felsens bogen, sahen wir einen patriarchalischen Zug daher kommen. Ein wohlgcbildetcr Bauer in Landestracht, einen Stock in der Hand, führte ein Maulthicr am Zaume daher, auf welchem sein Weib, ein wahres Madonnengesicht, nut einem kleinen Kinde saß. Das Costum war passend und die Gruppe des Pinsels eines italiänischen Meisters würdig. Das Bild, welches bald an uns vorüberschwand, glich der Flucht nach Acgypten. Wir gingen an dem alten Gc« mauer vorüber, welches leicht als die Ueberreste unlängst verlassener Wohnungen bedrückter Griechen zu erkennen war, die Decken (Terrassen) warm eingestürzt, die Oelpresscn zerbrochen, die Thüren fortgeschleppt. Ein Haufen glatter, unter die Oelpresse absichtlich und wohlgeordnet gelegter Kie« scln und mehrere Eycrschalen an der Spitze eines Stäbchens über dem Eingänge aufgestellt, zeigten symbolisch die Gcfüh. lc der Abschiednehmcnden an, indem sie damit sagen wollten: „Uns habt ihr das Mark aus den Knochen gesogen, preßt „auch nun die Steine aus; das Haus habt ihr uns gcplün, „dert, nehmt nun auch die leeren Schalen hin." Des hau-figen Regens wegen sprach der Geistliche am Wege in einer Hütte ein, bald wurde ein Drcyfuß herbeygcbracht und eine verzinnte Platte darauf gepflanzt, aus jedem Winkel kam man mit Brot, Salz, Käse, Wein und Fruchten herzu, und bereitete in einem Augenblicke eine treffliche Mahlzeit, die man in dieser armen Hütte nicht gesucht haben würde. Der Wein löste die Zungen, und man fragte mich nach der Stun-de der Erlösung, als ob ich wie der Regisseur die Rollen zu vertheilen, oder die Veränderungen des politischen Hori« zontcs wie der Astronom im Kalender das Wetter herbeyzu-führen im Stande wäre. Der Balsam der Worte kostet wenig, und thut oft bessere Wirkung als jener verrufene von Mekka; ich trank ihnen daher den Arcadier, zu ihrer Beruhigung mit den Worten: Geduld und Hoffnung, zu. Io3 Es wurde allmahlig Nacht, ehe wir zum Kloster kamen; Daß unsere Maulthicrc über eine Brücke giugcn, hörte ich am brausenden Strome, der unter mir hcrabstürmte. Wir bogen um einen Felsen, der Mond durchbrach das Gewölk, und wir sahen das herrliche Kloster von einem Wald von Pinien und Zypressen umgeben. Der ausgebreitete Schirm der erstem kontrastirtc angenehm mit der schlanken Form ihrer Gefährten, welche die beleuchtete Favadc der Abtcy um das Doppelte überragten. Die schönsten, ohnehin seltnen Pinien auf der ganzen Insel fand ich hier, und im Thalc sind auch die Zypressen nicht so schön, als höher im Gebirge. Alles stimmte mich hier, so weit von meiner Heimath, zu wehmüthig angenehmen Gefühlen; da ich niemand zur Mittheilung hat-, tc, so erinnerte ich mich an meinen Freund. Wenn zn der Bäche sanftem Rieseln Der Najaden Quelle fließt, Dann brausend im Geröll der Kieseln Der Strom im Sturz durch Wogen schießt, Ecy ferner Hcimath Gruß geboten, Erilm'rung deines Freundes Glück; Durch Fluthcn leite den Piloten Der Zeiten Wechsel froh zurück, Und mit der Freundschaft Vruderküssen Beglücke ihn dcr Sehnsucht Ziel, Mög ihm den harten Weg versüßen Des Wiedersehens Wonn'gefühl! Auf den Wicdcrhall der auf dem Pflaster tönenden Hu« fe kam alles herbey, und die Ucberraschung, einen Euro* päcr zn schcn, nachdem seit ;5 Jahren keiner auf Arcadi gewesen war, stieg um so mehr, als man den Abt selbst ver« muthct hatte. Die Kleidung des Europäers ist jedem uuge' mein auffallend. Dic eng anschließenden Beinkleider kom- 2t>4 nien besonders dem Mohammedaner sehr anstößig vor, weil dadurch die türkischen Frauenzimmer mit der wahren Gestalt des Mannes bekannt werben, und bey angestellten Verglci. chen zwischen dem plumpen Türken und dem behenden Euro-päer auf gefährliche Resultate geführt werden konnten, wie etwa bey dem Europäer das Urtheil durch eine Vergleichung des Rciftocks mit dem griechischen Anzüge bestimmt wird. Den Hut zu ziehen, und dagegen die Schuhe anzubehalten, wenn man eintritt, finden sie auffallend, denn sie pflegen die Kopfbedeckung aufzubehalte.,, und die Schuhe abzulegen. Vor Jemand den Kopf zu entblößen, zeigt von einem hohen Grade von Unhöfiichkcit und Mangel an Erziehung. Die größte Beleidigung ist, nach dein Befinden dcs türkischen Frauenzimmers zu fragen, cs grüßen zu lassen, oder sie ihres fetten Aussehens wegen wohl gar zu lobcn; eben so in Gegenwart eines Türken auszuspucken, odcr Jemandem, wenn auch nur zufällig, den Nucken zuzukehren. Im Kloster fand sich niemand mehr dor, die Türken waren nach der Plünderung abgezogen, um so fröhlicher nahm mich daher allesauf. Sonderbar fand sich's, daß das Getreide i8l6 eben so wcuig in Kreta als im übrigen Europa gerathen war, und Aegyptcn blieb, wie immer, die Kornkaln, mcr für alle europäische Länder. Die Griechen glaubten, es müßten mehrere nachkommen, und cm alter Caloyer sagte mit Wehmuth: „warum bist du nicht mit deinen Brüdern angekommen!" Der Ida blieb verhüllt, der ganze Nachmittag verstrich, und fliehende Ncdclwolkcn, denn die Höhe von Arcadi üdcr bcm Mccrc zu Rcttimo betragt 202 Toiscn — hüllten sogar das ganze Kloster ein, so daß ich nicht einmal bis an die trefflichen Weingarten hinsehen konnte. Die Mauern des Klosters wurden feucht, und cs schien mir, als wäre ich in der kältesten Iahrszeit angekommen, denn obwohl im Thalc Ms blühte, so war doch a:>f?lrca- 255 d i kaum ein Blümchen entfaltet: so viel Unterschied verur« sachte cmc so gcrmge Elevation auf cincr Insel, denn es fchlt eine bedeutende Landfiächc, damit dic Erwärmung der obern Luftschichten weiter hinaufreiche, und Seewinde von allen Seiten kühlen die Höhen allzusehr ab. Dic bcträchtli. chc Flache, auf welcher d.?s Kloster von Arcadl lag, nahm dic ehemals bekannte Stadt Arcadia ein. Groß mag sie aber nicht gewesen seyn, denn da in Kreta auf den groß, ten Ebenen die größten und bedeutendsten Städte lagen, so konnte auch nur reichlichere Erzeugung von Produkten die Menschenmenge heben, dieGcbirgscbcne vou Arcadi konnte aber keine so bedeutende Anzahl Bewohner ernähren, daß der Europäer den gewöhnlichen Begriff von cincr Stadt damit hatte verbinden können. Unter den alten Städten mögen außer Gortyna, Gnossus, Cydonia, Hiera« pytna, Lyctos, Prasos, Aptcra und Rithymna und noch einigen wenigen, dic andern kaum diesen Namen verdient haben; sollte daher Kreta „Hccatopolis " die Insel mit ion Städten geheißen haben, so muffen dic Städte vom kleinsten Range mit dazu gezahlt worden scpn, di? auch wahr« scheinlich-nu^dcshalb Städte genannt wordri: sind, wcil die Kreter, in immerwährenden Zchocn unter einander bcgrif-sen, jeden, auch den kleinsten und unbedeutendsten Ort des Ucbcrfalls wegen mit Ringmauern vcrschen mußten, um ihn vertheidigen zu können, bis die Verbündeten ihn zu cntsez« zcn kamen. Schlagt man die Bevölkerung Kreta's so hoch wie möglich an, so konnte sie doch bey allcn Hülfsmitteln der Begünstigung auch in den blühendsten Cpockcn, aus spä» ter zu erörternden Gründen, kaum ciuc halbe Million Menschen betragen, und bey dieser Uebcrvölkcrung etwa §- der Einwohner zu Landlcutcn angeschlagen, bekäme jede Stadt »5ao Menschen als mittlere Volkszahl, welches schon übcr. trieben zu seyn scheiut, weil zu bezweifeln ist, daß mau aus- 2v6 ser ben Mißjahren jebvs Jahr noch einmal so viel Getreide, als die Insel hervorbringen kann, aus Aegyptcn geholt ha>-be. Daß die Insel ehedem nicht bevölkerter als ungefähr in den jetzigen Zeiten gewesen sey, zeigt Polybius in seiner Geschichte, und andere Zeugen. Die Anzahl aller waffenfähigen Männer Kretas mochte damals eben nicht über 10000 betragen, denn als die Cydonier sich vor den macht!» gen Gortymern fürchteten, schickte auf ihre Bitten König Eu< menes seinen Feldherrn Leon mit 3oo (!) Soldaten ihnen ,zu Hülfe. Als dieser Schutz ankam, übergaben ihm die Cydonier die Schlüssel ihrer Stadt, und die Zügel der Rc« ' gicrung "). Wenn die Cydonicr, deren Stadt unstreitig im Range die dritte, vierte auf der Insel war, selbst in ih< rem schwächsten Zustande, sich bewogen finden konnten, auf cine sich so blosgcbende Art um Zoo Mann zu flehen, und sich ihnen ganz zu unterwerfen, so mußten sie selbst äußerst wenig Mannschaft besitzen, und eben so die mächtig scheinen^ den Gortym'cr, da sie vor denselben durch ^00 Mann voll^ kommen geschützt wurden. Im Kampfe des verbündeten Gortyna und Gnossus gegen Lyctos mußten sich die Gnossicr, zur Beseitigung der für Lyctos gestimmten Par-ley Gortyna's, mit 1000 hcrbcygeholtcn Actoliern verstärken, und gewannen dadurch sogleich die Oberhand. Selbst als Metellns mit ungemcincr Grausamkeit diese Insel zu erobern begann, setzten sich ihm blos 10,000 Kretische Jünglinge entgegen, welches die sämmtlichen Waffen" fähigen Männer von Kreta gewesen zu scyn scheinen, und also keine größere als die gegebene Volkszahl vermuthen las, sen. Man kann daher die waffcntragcndcn Manner der da» maligcn Zelten kaum über 25000 schätzen, welches, für die Bevölkerung das Fünffache angenommen, noch nicht i50000 ausmacht. Jetzt ist es eben auch nicht anders, im Gegentheile besser als ehedem, denn die Stadt Canea stellt jeden Augenblick inoo der entschlossensten Soldaten. Im Jahre iNio zahlten die Venetiancr 27^,000 Seelen auf Kreta. Jene Schriftsteller, Sa vary, Sonuini und andere, welche das. Vergangene immer mit dem Vcrgrößcrungsglasc ansehen, und einiger Ruinen wegen, welche die alles vernicht leude Zeit noch übrig ließ, die ehemaligen in glücklichen Verhältnissen lebenden Bewohner auf Kosten gegenwärtiger Ge-ueratiouen allzusehr erheben, und in Extasc gerathen, machen sich der Parteylichkeit schuldig. Es ist gewiß, daß Arcadia den mit der Provinz des gebirgigen Peloponnesus gemeinschaftlichen Namen nicht umsonst besaß, denn die Lage dieser Gegend ist in der That sehr anziehend, und die 4 Gegenden Kreta's: Turtuly am alten Dikta, das Thal von Mirabcllo, nicht ohne Ursache von den Vcnctiancrn so benannt, am Fuße des L a s-siti-Gebirges; dann Arcadi am Berge Ida, den man jetzt Psiloriti, den hohen Berg nennt, endlich Agia« Rumelia mit dem Gebirgsdorfe Samaria im abgclc, gcnden sphakiotischen Antheile der Leucaori bey Canca sind unstreitig die schönsten Gegenden, welche auf der gan« zen Insel nur immer zu finden sind. Die Klöster auf Kreta haben, wie fast überall, die rei« zendste Lage, lein Wunder, daß man bald die Schutthaufen der Stadt Arcadia benutzte, cm schönes Kloster zu erbauen, so wie es im jetzigen Zustande die Kupfertafel II. zeigt. Das gegenwartige Gebäude, ein Werk der ve-nctianischen Ansiedler, stand nach einer Aufschrift an der, in dem weiten Hofraumc aufgerichteten kleinen Kirche (18» 7) bereits 225 Jahre. Die Kapelle ist finster, und an mehreren Orten absichtlich verbaut; Zypressen, mitten in dem gepflasterten Hofraume, umgeben sie, die meisten Wohnungen ÄVI sind zu Heu- und Schuttböden geworden, und nur etn ab« gelegener Theil ist jetzt bewohnt. Der Speisesaal, Refe» ctorium, für eine große Menge von Personen bestimmt, siehet mit scincn prunkenden Tafeln leer, Tournefort rechnete »oc, Gtisilichc in diesem Kloster, und an 200 Mönche, die sich mit dem Feld, und Weinbau beschäftigen, jetzt sind der crstcrn kaum 8 Personen, und der übrigen CaloycrS kaum zwölf. Die jetzigen Bewohner sehen auch dcn Bauern sehr ahnlich, und das Kloster, die Betstunden aus. genommen, kann füglichcr mit einem Meyerhofe vcrglickcü werden, nicht nur weil ein jeder, welcher leben will, arbei« ten must, sondern auch, weil sie fremde Gäste bewirthen. Man hat in diesem Kloster die schönsten und geräumigsten Keller, und dcn besten Wein der ganzen Insel, der nach dem Dorfe Malevisi bcy Candia benannt wird. Ich fragt« sie daher nach dem von Tournefort erwähnten Gebrauch, jcdcs Jahr dcn gekelterten Wein zu segnen, welchen der Abt des Klosters selbst verrichtet; die Formel lautet ungefähr ausfolgende Att: „Herr Gott! der du die Menschen liebest, „richte deine Augen auf diese«: Wein, und auf „diejenigen, die solchen trinken werden, segne „u n sc re Gefäße wie dcn Brunnen Jakobs, dcn ,,Teich zu Siloa, und wie du das Getränk der „heiligen Apostel gcsegnet hast. Herr! der du «dich auf der Hochzeit zu Cana ei «gefunden, „und durch die Verwandlung des Wassers in „Wein den Jüngern deine Herrlichkeit geof-„fenbaret hast, sende jetzt deinen hciligenGcist „über diesen Wein, und segne ihn in deinem „N a m en. A m c n." Dieser Mal 0 asier wurde sonst, als die Vene ti an er noch Herren der Insel waren, in der Gc« üe..d v«n Nettlm 0 und Candia schr Häufig erzeugt, und 2°3 man bereitete ihn, indem man ihn, so wie ich es im Kloster A r- tadi im Herbste selbst beobachtete, in großen Kesseln kochte und abschäumte, jetzt aber ist er zur größten Seltenheit gc« worden, und nur im Kloster Arcadi bereitet man noch wcl» chcn, dessen sehr hoch gelegene Weinberge sich vorzüglich zu seiner Hcrvorbringung eignen; selbst aus Malevisi bey Candia erhalt man nun keinen mehr. Man verkauft den besten Malvasicr im Kloster zu «s Piaster, oder nach unserm Gelde um 4 Fl. C. M. den Eimer, dessen Maß vom österreichischen nicht schr abweicht. An Wein und Feldfrüch« ten wird schr viel erbaut, denn der Boden ist in jeder Hinsicht bey den Klöstern noch am besten geackert: alle Feld-und Gartenarbeiten werden mit vieler Ordnung betrieben, die Ernten sind ergiebig, und dennoch verfallt das Kloster in Schulden. Sein Gebiet erstreckt sich bis an den Fuß des Ida, und im Thale vor Rcttimo dehnen sich bis gegen das Meer seine Besitzungen aus. Fast immer muß der Vorsteher des Klosters in Rettimo sich aufhalte», um allen Federungen und Gelderpressungcn zuvorzukoms wen, oder genug zu thutt> Der Ogum ends ober Vorsteher hatte Mich auf bett Rest einer Bibliothek aufmerksam gemacht, welche das Kloster, als ein Zeugniß ehemaliger Beschäftigungen, in «iner alten Rumpelkammer ohne Fenster aufbewahrte; er that so wichtig damit, baß ich dieselbe sogleich zu sehen verlangte. Die traurigen Ueberbleibstl dieser ehemaligen Klostcrbiblios thck waren meistens Classikcr, aber in einem schr schlechte« Zustande, die Zahl erstreckte sich in dem einzigen Wandschränke höchstens auf 5oo Bände. Nirgends habe ich alte Tröster so von Würmern zerstört gefunden, als eben hier, di< meisten waren völlig unbrauchbar > Bücher und Deckel lagen abgesondert; außer den theologischen Bu^ chern lagen hier Pindar mit Petrarka, Virgil mit Erster Thell. O 210 Dante, Homer neben dem Strabo/ Thucybibes mit dem Diodor in buntem Wust untereinander. Aristo« phanes und Euripides waren nicht mehr zu erkennen, und die schönsten Ausgaben dieser und anderer Classikcr trauerten hier in dem elendesten Zustande. Der Band fiel auseinander, wenn man ihn berührte, denn die Würmer hat-ten sich auch der Geistesprodukte jener erhabenen Männer bcmcisiert, deren Körper sie langst schon verzehrt hatten. Ich ordnete das noch Brauchbare, und hatte Mühe, l4 Bande des Aristotcles zusammen zu suchen, welche wu»< dcrbar genug, vielleicht wegen der bey der Fabrikation des Papiers dem Kleister beigemengten Ingredienzien, völlig von den Motten verschont geblieben waren. Dcr Abt nahm es übel, baß ich diese Sammlung als zerstört ansah, denn er schätzte die Trümmer seiner untergegangenen Bibliothek auf einen Preis, welcher, wcnn er in einem Buche gedruckt stün« de, unter die streng zu korrigirenden Druckfehler gerechnet werden müßte. Ptolemaus Philadelphus mag seine yllexanormische Bibliothek nicht theurer angeschlagen haben, ärnm ciiioüllHia, welches bey Rettimo der frühen Iahrszcit wegen noch nicht zu sehen gewesen war, lag hier ebenfalls noch unentwickelt, und da ich des Clima wegen an seiner Gegenwart zu zweifeln anfing, so war ich um so begieriger, es in der Folge zu sehen. Nach einem frugalen Mittagsmahl«: ging etner dcr jünger« Caloyers, dessen Betragen neugierige Gesprächigkeit auszeichnete, und welcher auch gleich alles mit Interesse ausfaßte, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog, mit mir nach dem Dörfchen S t i. raci. Eine Kapelle in Ruinen unter einee Felsenwand, von Kokkos. Eichen und Styraxbaumen, wovon der Name der Gegend herrührt, umgeben, mlt einer schönen Aussicht in das Thal, versprach nach einiger Zeit einen mit Vor» theil zu besuchenden botanischen Garten. Am auffal- 2,t tenbsien war den Leutchen die Schnelligkeit, mit dee ich die deutschen zusammenhangenden Buchstaben auf das Papier in wein Tagebuch Niederschrieb, sie sahen mir längere Zeit zu, und die Geschwindigkeit, mit der sich die Feder auf dem Papier bewegte, kam ihnen sonderbar und ungewöhnlich vor. Die griechische Handschrift hängt bey weitem nicht so znsam. men, als die deutsche, indem viele Buchstaben einzeln und abgebrochen an einander gehängt werben. Gewohnt, den Spaten zu führen, mochten sie vielleicht mit geringerer Mühe ein Gartenbeet umstechen, als ein Blatt Papier bes schreiben. Die guten patriarchalischen Leute hatten auch Ur< fache, Interesse daran zu finden, da ihnen der große Druck Nicht nur wissenschaftliche Arbeiten, sondern sogar ihre Fcld>< arbeiten verleidet. Den iQtcn May brach ich endlich von Nettimo nach Candiaauf: ein Türke, Iensi-Aga, durch seine innige Verbindung Mit dem Pascha von sandia auf dem besten Fuße, trug nur an, ein Schreiben an den Pascha mitzunehmen. An ihm hatte ich übrigens ein wiederholtes Beyspiel, wie man sich hier eine schwer zu hebende und habituell gewordene Trag. hcit des Darmkanals durch den unvernünftigen Gebrauch übermäßiger drastischet Mittel zuzuziehen pfiege, welcher Umstand zu gefahrlichen Krankheiten Veranlassung gibt, und zu ihrer glücklichen Heilung oft das größte Hinderniß ist. In den ersten Tagen des May japst man sich auf der gans zen Insel das Blut ab, als ob man dessen zu viet besäße, alt und jung thut es, uNd die Gewohnheit läßt keine Unter, lassung dieses schädlichen Gebrauches zu; kaum hat sich nach den strengen Fasten der Körper des thätig beschäftigten Landmanncs einigermaßen erholt, als der erste Ma») das bischen Blut noch in Beschlag Nimmt. Vlutversüßcndl! Mittel sind an der Tagesordnung, UNd jeder Monat wird Nut einem Rhabarbcrtränkchen beschlossen, von dessen zn Hof. O 2 Il2 fcndcm Effect wan für den kommenden Monat Stoss zu in. tcrcssanten Unterhaltungen erhält. — Den Brief nahm ich willig an, denn wer einen zn übergeben hat, erhalt dadnrch als Fremder Zutritt für immer. Wir ritten über Pcrivo, li, Mclidoni, Damasia nach Candia. Gleich hin-ttr Rettimo betrachtete ich in den Gemüse. Garten ein in« tcressantes Naturspicl, welches von der Fruchtbarkeit des Clima zeugte;, ein gewöhnlicher Strunk von Kohlrabi, wohl 2 Jahre alt, im dem untern Knollen ausgehöhlt, trug ober» < halb einen zweyten Knollen, aus welchem ein anderer Eei-tentrieb hervorkam, der sich an seiner Spitze wieder zu einer Intumescenz bildete, an der sich nun eine Blüthcnrispe zu entfalten begann. Gewachst, welche im nördlichen Europa blos zweyjahrig sind', dauern hier mehrere Jahre, und andere bey uns zweyjährigc Gewächse, wie z. B. die Königskerzen, Mannstreu und dcrgl. blühen da» gegen aus den Samen in einem Jahre auf, weil der Winter ihre Entwicklung aus den Samen nicht zurückhalt. Wir fuhren durch die lange Straße in diesem Gartendorfe Perivoli, unter lauter Weinlauben, welche eben in dcr herrlichsten Blüthe standen, und einen Geruch von ei' genthümlichcr Lieblichkeit verbreiteten, dcr in unsern nörd, lichen Ländern nic vorkommt. An einem Dörfchen, eine Stunde hinter Rettimo, waren etwa 2« Bauern mit dem Ausgrabcn der Süßholzwurzel beschäftigt, welche hier wildwachsend in großer Menge nach ausgeworfenen, übers Kreuz laufenden 3 Schuh tiefen Gräben hervorgeholt, und als Handelsartikel nach Cairo zur Verfertigung eines wider» lichen Trankes mit Vortheil versendet wird. Kurz darauf begegneten wir einem jungen gutmüthiges Turkcnburschen, denGe 0 rgi wider seine Gewohnheit sehr freundlich grüßte, dann das Maulthicr aufhielt und in der Tasche zu suchen begann; zehn Paras waren ihm nicht genug 21? jl» einem Geschenke, er bat sich daher von mk noch 2a cmdc« rc aus. Seine Hasiigkcit und Freude wußte ich mir nicht zu erklären. Das Gespräch voll Zärtlichkeit und Freundschaft dauerte mir etwas zu lange, und als ich ihn a:if ita-lienisch fragte, wer dieser Busenfreund sey, bat er mich dringend um Geduld und Nachsicht. Die übrigen Griechen, denn kein Türke war dabey, blieben stehen und hörten dem eilfertigen Gespräche, welches kein Ende nehmen wollce, mit leuchtenden Augen zu. Ich ritt voran, Gcorgi ereilte m:'ch endlich, und überraschte mich mit cincr sonderbaren Anrede, indem er sagte: „Dieser junge Türke ist mein P a. „the." „Turk und Pathc, Sie faseln!" „ach „nein! denn gewiß, er ist meinPathc, vorm Iah, „re habe ich ihn mit seiner 6ojährigen Mutter „selbst getauft, indem ich sie beyde zuvor in „der christlichen Religion unterrichtet hatte." Die enthusiastische und fließende Erzählung cincr Menge zu« sammenhangcndcr Umstände, und ungezwungen an einander gereihter Thatsachen überzeugte mich von der Wahrheit seiner Behauptungen, doch spielte ich immer noch den Ungläubigen, um die Ursachen und Beweggründe von allen diesen unerklärbaren und gcheinmißvollen Angaben zu meiner Zufriedenheit zu erfahren. Es war mir sehr auffallend, da ich wußte, daß der mindeste Argwohn, welchen ein Türke rücksichtlich feines Glaubens gegen sich erweckt, sogleich mit der augenblicklichsten Niedcrmctzlung bestraft zn werden pflegt. Wie konnte der Inhalt eines Gesprächs über einen so wichtigen und für das Leben der Ncubekchrten so gcfahr« vollen Umstand geführt, in Gegenwart mehrerer Griechen, welche, besonders die Bewohner Kreta's, zur Beobachtung eines löblichen EtiNschweigenS nicht genug Verstand besitzen, vor so vielen Türken auf die Lange der Zeit verschwiegen bleiben? Wie verrichten diese Türken ihr Gcbet 2 >4 und ihre Uebungen als Christen, und wie beseitigen sie bcn in so vielen Jahren durch Unterlassung mohammedanischer Religionsgcbrauche unvermeidlich entstehenden Verdacht ih« rcr sehr mißtrauischen Glaubensbrüder? Nicht nur Gcor-g i, sondern auch der österreichische Consul und mehrere an« dere glaubwürdige Manner bestätigten durch Anführung von Beyspielen diese unbegreiflichen Ereignisse, und daß sogar diese gcheimm Christen durch nie eine Anspielung oder eine Frage mir zu erlauben, weil sein und vieler Leben auf dem Spiele stünde. Er erzählte mir, es solle eine große Anzahl geheimer Christen nicht nur auf Kreta, sondern anch an vielen andern Orten der Turkey vorhanden seyn, ich selbst lernte sogar ganze Familien kennen, von denen man mir ins Geheim und nach langer Vertraulichkeit mittheilte, daß sic Christen wären, woran ich keinen Augenblick zweifelte. So, geschah es ein. Ml, als ick> zur Mittagszeit von einem Epazicrgangc zu« rückkam, daß man für mich Fleischspeisen auftrug, die nie« mand berühren wollte, indem es hieß, wir haben schon abgespeiset. Abcr am Ende wurde ich gewahr, daß man an »»5 den im griechischen Ritus einfallenden Fasttagen sich abseits begab und Fasicuspeiscn zu sich nahm. Ein andermal aß ich Fleischspeisen, so gut als sie nur irgendwo zubereitet werden. Der Hausherr, ein Türke, der neben mir saß, federte ein Messer zum Brotabschneidcu, nahm aber das Mcinigc nicht an, weil ich damit Fleisch geschnitten hatte; als ich darauf noch etwas Butter und Käse aß, warf ich, indem ich mein Messer schnell zurückzog, wie unwillkührlich etwas Fleisch in seine anstoßende Schüssel, stiu Gesicht runzelte sich, und vor< sichtig, als ob ich Gift hineingeworfen hatte, holte er es heraus, wischte es sorgfaltig ab, und vermuthete nicht, daß dieß Veranlassung zur Entdeckung stines Geheimnisses geben könne. An einem andern Tage, wo keine Fasten wa« ren, galt ihm alles gleich. Sein Gefährte rechts riß cin Stück Huhn aus einander, nahm das Fleisch ab, aß aber nichts davon. Diese geheimen Neubckchrten glaubcn, daß Ent« Haltung von Fleischspeisen an gewissen Tagen die Hauptsache dieser Religion sey. Ob irgend ein Reifender diesen Umstand bemerkt habe, weiß ich nicht, zweifle aber sthr daran, weil fast alle mit Ianitscharcn und im Pompe reisten, eingenom» men von der Vortrcfflichkcit alter Zeiten, deren nebelgraue Ferne optische Täuschungen begünstiget, und den in seiner Sklavcrey ticfgesunkencn Griechen weit weniger berücksichtigten, als er es in der That verdient. Dadurch wird der Einwohner zurückgeschreckt, und alle Mittheilung verhindert. Auch dürfte den Nciscbcschrcibcrn zur Last gelegt werden, daß sie die wechselseitigen Verhältnisse der Türken als Obcrhcrrn, der griechischen Geistlichkeit und der Griechen als Unterthanen wenig beachtet haben, um einem jeden derselben gegründete Vorwürfe zu machen, und keinem aus allen Unrecht zu thun. Gewiß ist es, daß die Lage der Griechen weit be-daueruswcrthcr wärc, wenn aufKrcta nicht eine, wenn gleich nur geringe, Anzahl von Türken geheime Christen wären, Hit» oder auch nur dem Christenthum sich geneigt bezeigten, die nicht nur alle mögliche Erleichterungen veranlassen, sondern boshafte Türken, die die Griechen allzusehr mißhandeln, sogar umbringen, worüber ich gleichfalls unwiderlegbare Thatsachen besitze. Wenn der geheime Christ den Türken verdächtig wird, so weiß er sich zu helfen, denn er ist nach dem Alkoran frcygesprochcn, sobald er seinen Säbel zieht, und laut fodert, man solle ihm den Klager vorführen. Dieser aber, fty es Grieche oder Türke, würde sein Leben in Gefahr setzen, welches jener ohnehin verwirkt hat. Da< her schweigt man lieber, da man sich den Haß und die Rache aller übrigen, selbstjcner, die wirklich Christen sind, zuziehen tvürdc, wenn man es verriethe. Daß sich nicht nur in Can« d ia, sondern quch in andern Gegenden das Christenthum in die türkischen Familien eingcschlichen hat, ungerechnet, daß vcnctianischc Familien, derm Abkunft nicht zweydcutig ist, während der Eroberung der Insel zur Sicherung ihres Eigenthums blos zum Schein den Islamismus annahmen, davon ist vorzüglich die Gewohnheit junger Türken, sich schöne Griechinnen auszusuchen, oder auch mit Gewalt zu rauben und zum Weibe ju machen, die vorzüglichste Ursache. Der Türke, so verschwägert mit den Verwandten der Frau und in steter Berührung mit denselben, von der Frau selbst ihrer Reize und ihres Talents wegen beherrscht, wird oft durch hic warme Anhänglichkeit derselben für ihre Religion Mit zunehmendem Kaltsimi gegen die stiuige erfüllt; die Kin.-der, den Müttern mehr anhängend, werden zu ihrer Rolle als Türken vorbereitet, man untergrabt dcn Islamismus bey dem Kinde, mit der leichtesten Mühe durch Epott und indcm man ihn lächerlich macht. So wird der Gruud zur Anncigung an das Christenthum gelegt. — Es ist aber nichts leichter als einen Türken zu erkennen, der christlich gesinnt ist; sein ganzes Wesen ist verändert und verräth ihn, chc.n 2>7 so ist es dem Renegaten unmöglich, den echten Mo« hammcdancr zu spielen. Der echte Türke schreckte mich immer unwillkührlich ab, nie adcr der dem Chrisienthume Geneigte; wider Willen glättete sich in meiner Gegenwart seine Stirn, daher mein Scherz über die Verwunderung mancher Griechen: wie es mir bekannt seyn könne, daß die Frau oder Mutter dieses oder jenes Türken eine Griechin gewesen sey? D«r Kaltsinn gegen den Islamismus nimmt bedeutend zu, indem die Türken wohl wissen, daß man sich > über den Mohammed belustigt, auch ist es ihnen nicht entgangen, daß, wenn sie gleich Voltaires Schilderung ihres Propheten nicht gelesen haben, über seine Rechtlichkeit manches Bedenken Statt finde. Allem gestehen wollen sie es sich selbst nicht, öftere Gelegenheiten erlauben aber psycholo, gische Schlüsse, welche um so wichtiger sind, je unwillkühr. licher der Rohe und Ungebildete sich zu verrathen und blos zu geben pflegt. — Im Mondschein kamen wir nach Melidoni. Maul? thiere wurden auf den folgenden Tag bestellt, und meine Abreise nur durch eine zahllose Menge von Kranken verzögert, welche meistens glaubten, wenn ich ihre Kinder ansähe, so würden sie schon davon gesund. Die alten Griechen waren in der Erzichungskunst geschickt, die jetzigen sind es aber' nur in der Vcrzärlclungs- und Abrichtungskunde. Vorur« theile und verkehrte Lebensart, die Quelle aller Krankheiten, vermindern und ändern zu wollen, kostet mehr Mühe, als die Behandlung der gefährlichsten Krankheit. Das Dörfchen Daphnedes, wo vielleicht ehedem ein heiliger Lorbecrwald prangte, und wo unser Tourncfort vor ,o<> Jahren übernachtete, empfiehlt sich noch jetzt durch die Schönheit seiner Lage, durch die Menge des vom Ida herabströmcnden Gewässers, durch die Kühle des Schattens suner Platanusbäume, und her dichten alles einfassenden 2i8 Salbeyhccken. Abends gelangten wir nach Damast a, einem auf Flötzkalk in der Höhe des Gebirges angebauten Dörfchen. Ich ricth dem Georgi, mir lieber eine Pri« vatwohnung auszumitteln, weil der Chan, das einzige schlechte Wirthshans daselbst, von jedem Reisenden besucht wurde, und vorzüglich den in Geschäften der Paschas von Candia und Canea hin. und herrcisenden Dienern und Beamten zum Absteigequartier diente, um dadurch der Ge« fahr, von der ausgcbrochcnen Pest angesteckt zu werden, zu entgehen. Der gutmüthige aber arme griechische Bauer, dcr uns aufnahm, verkaufte uns ein Lamm um einen sehr wohlfeilen Preis, von etwa 6 Groschen. Noch nie hatte ich ein so niedliches Lammchen gesehen: ich wollte es leben lassen, und mich gern mit Wein, Brot und Eycrn begnügen, dem Bauer aber das Geld schenken und das Lamm zurückstellen, denn ich konnte dieses Lamm "- seines Gleichen hatte ich an Lieblichkeit noch niemals gesehen, unmöglich schlachten las« sen; allu'n als ich inzwischen um das Dorf hcrumsvazicrte, um mir eine Daphne zu holen, von welcher zerbrochene Zweige umherlagen, hatte man es gctödtet. Ich mußte zu< sehen, daß der Grieche an dem Feuerherde die eine Hälfte zum Theil in die Asche vergrub, sie mit einem Hölzchen gegen das Feuer stutzte, und dann wieder umwendete, so wie man Brotscheiben zu rösten pflegt. Dcr Mann war so arm, daß er keine Pfanne im Hause hatte. Als ob mir Mcnschen-ficisch vorgesetzt würde, sah ich die halbgcrösictc mit Asche bestreute Hälfte dieses Lammes an, kaum vermochte ich mit dem größrcn Widerwillen einen Bissen in den Mund zu nehmen, und fand, wie natürlich, dieses Fleisch höchst fade, trocken und saftlos. Eine unangenehme Empfindung bemächtigte sich meiner, wenn ich an das überaus schöne und anmuthige Lämmchen mich erinnerte; ich verlor allen Appetit, und hatte eine sehr unruhige Nacht; kaum kann man sich cs erklären, 2lI I'M ein übrigens gewöhnlicher Gegenstand durch zufällige Umstände eine ungewöhnliche Macht auf unscr Gemüth aus. übt. Auf der Reise dcs andern Tages zog ich mit Recht auf Georgi los, welcher auf dieselbe elende Weise die zweyte Hälfte an dem Feuer rossen und zu trockenem Gewebe ausdörren ließ, während mich der Landmann anf einer Excursion begleitete. Er sprach am Abend von einem schönen Baume, der einen ganzen Wald bilde, in der Nahe sey, und Adrachla heiße; ich erkannte ihn sogleich dem Namen nach für den ärdutug äi^li-acUne, und eilte daher vor Son« ucnaufgang dahin, um diesen Wald zu besehen. Der Anblick desselben übertraf auch alle Vorstellung, Ein ganzer Wald davon lag vor mir, und überzog in diesem engen Tha-lc alle Anhöhen weit und breit. Das wie Firniß glanzende, lichtgrüne harte Blatt, wie jenes vom Lorbeerbäume, wel. chcs niemals abfällt, ließ die schönsten R'spcn einer unzäh. ligcn Menge von milchweißen Blüthcnglöckchcn, ähnlich den Mayblümchcn, hindurchschimmern, die Rinde war roth wie Zimmt, schälte sich »n großen Blattern vom Stamme los, und knarrte, den Boden überall bedeckend, unter den Fuß< tritten, Eine Menge Insekten, die ich noch nie wahrgo nommen hatte, die schönsten Exemplare'von ^oucdu» Sacer, «w», vaii«1<)5U5, »emi^uncwtu« vto. wimmelten am Wege mit einer Menge coi'riz- ki-ionu»- ceramb^x- cai-aiiu« und andern Käftrartcn; unter andern fand ich ein Exemplar von einem großen violetten Insekt, welches meine ganze Aufmerk, samkcit fesselte, da es, ein bewunderungswürdiges Mittel, ding vomM^ und l^-adu», eine eigene höchst wichtige Gattung bildete: ich habe es aber spater vergebens in meiner Sammlung gesucht, Steinicht, unangenehm, bald Thal auf, bald Thal ab, ging es auf einer gepflasterten Straße vor. warts bis auf eine Ebene, an deren Ende sich der Weg plötzlich auf die. Landfiächc von Candia herabsenktc, Dicst 220 Cbene hatte, das Ansehen eines ehemaligen SceS, welcher von beyden Seiten mit Bcrgrcihen eingeschlossen war, an deren rechter Seite ein kegelförmiger Berg sich erhob, den man jetzt Strubula oder Strugula nannte, und der wahrscheinlich von den Venetiancrn Stromboli genannt worden seyn mag, wie es italienische) Reiscbcschrcibungcn über Kreta darthun. Zu den Zeiten der alten Griechen hieß er jedoch Strongyle. Diese Steppe war mit kurzem Gestrüpp überwachsen, unter welchem sich eine siiellose^en^urea, 6. rkuplmnin», und eine Flockenblume mit rübenförmigcr Wurzel auszeichnete. An der Kapelle ruhten wir aus, und gewahrten die treffliche äcor-nnera erotica m't ihrem wolligen Samen, welche auf dem verwitterten Gemäuer stand. Wenige Schritte davon traten wir an den Rand der Flache zwischen großen Stcinblöckcn hervor, und blickten überrascht auf Candiaund die große weite Ebene herab. Die Aussicht kann ich mit keiner andern Gegend richtiger vergleichen, als mit jener derStadtTriesi vonderHöhe vonObschiua. Links breitete sich das Meer unübersehbar aus, Scarpathus und Rhodus nebst den Küsten von Kleinasien schimmerten im fernen Dunstkreise hervor, rechts blickte man über einen mit Olivcnwaldern prangenden Bergrücken, der sich bis nach Lassiti herab in das fruchtbare Thal von Gortyna, jetzt Me ssa rah genannt, fortzog; überall wogten die goldenen Saaten im Winde, und federten den Fleiß der Schnitter zur baldigen Ernte auf. In unzahligen Vorgebirgen trat das von dem Secsturme seit Jahrtausenden zerrissene Gestade der Nordküsie hervor^ ringsherum mit zerstreuten Instlchcn und hervorragenden Secftlscn verziert. Im Hintergründe ragte das hohe Lassitische Gebirge, wegen seiner eigenthümlichen Beschaffenheit so merkwürdig, hervor. Die Ruinen von Gnossus und Gortyna, der >»l mächtigsten Städte der ehemals so blühenden Insel, erweckten freundliche Erinnerungen aus der Vergangenheit, um das ohnehin zauberische Bild selbst mit verschwundenen Reizen schmücken zu helfen. Schlangcnförmig wand sich der Weg herab, und andere Pflanzen kamen in dicscm Theile der Insel zum Vorschein; das 'lill»«^ Luxkaumii, ein sehr seltenes mir wichtiges Pfianzchen, wurde unter andern meine Beute. Ein Türke begegnete uns, der nur wie im Finstern herumtapptc, uns kaum als Franken erkannte, und um Hülfe bat. Eine Augencntzündung hatte ihn um scin Gesicht gebracht. Der Gebrauch der Mohammedaner, vor icdcm Gebete sich die Zeuguligsthcile mit kaltem Wasser, nach ihrem Ncligionsg:sttz, waschen zu müssen, war die Ursache dieses traurigen Rücktritts eines Harnröhrenkatarrhs gewesen. Ich machte ihm daher blos Hoffnung, da ich ihm keine Hülfe versprechen konnte, und er ging auch befriedigt von bannen. Nichts ist leichter, als dem Türken Trost zuzusprechen, scin Fatalismus begnügt sich mit den Worten: „Allah« Kerim", „Gott sey's befohlen." Wir erreichten in Kurzem die Ebene, auf welcher der Boden kreidenartig zu werden begann. Zwischen dem Ida und dem Lassitischen Gebirge ist ein weißer Kalkmergcl aus-« gebreitet, welcher mehrere Meilen in der Breite und Lange einnimmt. An einigen Stellen sieht man Uebergänge inMu« schclkalk und verwitterte sehr kleine Conchylicn häufig in demselben, an andern Plätzen aber scheinen Bänke durch« aus aus Muscheln zu bestehen, welche mit einem stalaktit« artigen Bindemittel zu festem Gestein conglutinirt sind, wie der Travertin ungefähr aussehen, und den gewöhnlichen Baustein von Canea, Rettimo und Candia geben. Gortyna hat denselben nicht, sondern blos jüngsten Sand-siein, von welchem in der Folge beym Labyrinth das fernere vorkommt. An andern Stellen gehet dieser Kalkmergcl all« 222 mähll'g in den höher liegenden Flötzkalkstcin über, die Ueber-gangsgliedcr sind mannigfaltig? er selbst erhebt sich aber kaum über »aa Toiscn, wo er allmahlig verschwindet. Es gibt von dem letzten Niederschlage, der einer gcschlemmtcn Thonerde weit ähnlicher als einem Kalkmcrgcl ist, wenige Bänke in Kreta i die größten sind in der Mitte der Insel, auf der Nordftitt sind sie fast ausschließlich, an der Südseite der Insel gar keine, denn die Fluth nahm die Richtung von Novdcn nach Süden; die drey benannten Städte sind auf solchem Grund gebaut, unter welchem der Kalkstein hervor^ bricht. Man kann diesen Mergel zum Schreiben gar nicht brauchen, und es ist unbegreiflich, wie man auf den irrigen Wahn gerathen konnte, zu glauben, Krcta habe Krcidcngc, birge. Keine Schicht ist auch Nur von der Mächtigkeit eines Fußes, allerley Uebergange zum Muschelkalk wechscln darin bis zum Thon und Letten ab. Krciocnsieine, welche man in Krcta so äußerst nothwendig braucht, und die man in ganzen Fässern zum ökonomischen Gebrauche aus Brusa und Magnesia in Kleinasien kommen läßt, würde man gewiß ln Kreta selbst benutzen, wenn welche vorhanden wären. Dieses charakteristische Merkmal der echten Krei-dengcbirge, die Kreiden sie ine fehlen daher den Formalionen der Kalkrcihc Kreta's ganz, die eigenthümliche so ausgezeichnete StNtktur der Kreidengcbirgc entbehrt daher ihr vorzüglichstes Kennzeichen. Wäre gleich nicht zu läugnen, daß im ausgedehnten Sinne alte diese Gebirgsla« ger zur Kreidcformation gehören mögen, oder daß sich aus der zerstörten Krcidcsormation durch nachfolgende Nalurcr» eignisse ein neues aufgeschwemmtes Lager von einem eigenen Mergel gebildet haben könne, so kann und darf dennoch der Feuerstein nicht fehlen, wenigstens hin und wieder, und dann müßten doch wenigstens Trümmer von Krei< dc als Geschiebe vorkommen, welches auch Nicht der Fall 2u3 »si; gegründeter ware die Vermuthung, dass dcr zerstörte und verwitterte Muschelkalk bey nachfolgenden Ucberschwem-mungcu diesen kreidenahnlichcn Mergel erzeugt hätte. Schichten von Schwefel und Gyps, welchen man in der Nähe grabt, machen zweifelhaft, daß Kreide vorhanden sey, und mag Gyps die Kreide, oder Kreide den Gyps bedecken, welche beyde auf dem Sandsteine zu ruhen pflegen, so müßte doch Kreide ausfindig gemacht werden. Allein eben so, wie im Süden die Steinkohlen fehlen, wenn auch das Stcinkoh-lcngcbirgc da ist, cbcn so nimmt in den Krcidcgcbirgcn die Mächtigkeit der Kreide ab, und ihre Formation in Süden verschwindet allmählig, wenn auch die Bedingungen ihreS Vorkommens vorhanden sind. Späterhin fand ich in Pala« siina, so wie es Seetzcn an mchrcrn Orten Syriens und des petraischen Arabiens gefunden haben muß, besonders bey Bethlehem, ähnliche Verhältnisse, eine überaus große Identität in der geognostischcn Bildung sowohl, als im Charakter der Vegetation, in beyden Landern auf das deut« lichsie ausgesprochen; und doch gab es ebenfalls nirgends Kreide, wenn wir darnach zu fragen pflegten. Man muß demnach aus obiger Rücksicht sowohl alle über Kreta han» delnde Schriften, als auch fast alle Mineral-Systeme, Lehr« bücher und Geognosicn dahin berichtigen, daß es wirk« liche Kreide in Kreta durchaus nicht gebe, die-selbe in Kreta vielmehr aus Nord-Europa über Tricst unl> livorno bezogen werden müsse. Die Insel Candia kann daher ihren Namen wegen der blendend weißen Farbe dcr aus einer großen Entfernung sichtbaren Berge aus dem Grunde nicht führen, weil es nur niedrige Bänke, aber keine hohen Krcidcngcbirgc geben kann, an denen man der Kreide wegen die weiße Farbe schon aus so großer Ferne erblicken könnte, denn die Kreide findet sich an Gestaden, erbebt sich nie hoch, und kann daher nur bey 224 der Annäherung ans Land wahrgenommen werden. Solt» nus gibt uns die Ursache genauer an, weshalb man Can< diadieweißc nennen dürfte. Die mit Schnee bedeckten hohen Gebirge, und vorzüglich ihre kaum 3 Monate imIah-» re vom Schnee entblößten Gipfel sind die wahre Ursache dieser Benennung. Da man spater die Kreide aus Nord-deutschland holte, an Kreta's Gestade aber früher den weißen Kalkmergel aus Noth gebraucht hatte, so gab die Ver-wcchslung zu dem Glauben Anlaß, die Insel Kreta besitze Kreidengcbirgc, oder auch nur Kreide. Uebrigcns lehrt die Bereisung der spatesten oder der jüngsten Glieder der Gebirge Kreta's, daß die Strömung von Norden gegen Süden gerichtet gewesen seyn müsse, als Erdbeben und tiefere Zerstörungen ganze Bcrgrcihen zerklüftet und gesenkt hatten. Kreta hat überdicß eben so wenig Kreide als Urkalk, aus welchem das Labyrinth vonGortyna bestehen soll, wie etwa Paros und andere benachbarte Inseln des Archi» pel; auch dieses letztere muß zur künftigen Berichtigung dienen. Wir kamen att eine grosie Fontaine, em Werk der Venctianer, das man an dem Styl erkennt, wenn auch bey einer gelegentlichen Reparatur die Türken arabische oder türkische Inschriften statt des ausgehobenen Quadersiücks eingemauert haben; hier hatte sich To urncfort, den ich gewöhnlich und aus besonderer Achtung gegen diesen großen Naturforscher als Gewährsmann anzuführen pflege, mit seinem trcucn Freunde und ärztlichen Begleiter, Gundcls-heimer, gelagert, und von hier aus wurde die, wiewohl man-« gclhaftc, doch immer schätzbare, in der Originalausgabe seines Werks gegebene Ansicht von Canoia entworfen. Die Hitze nahm im Thalc bedeutend zu, und wir mußten mehrmals rasten, ehe wir die Stadt erreichen konnten, auch hier schnarchten die unglücklichen Aussätzigen um ein Almosen uns an. Die 225 Gegend mn die Stadt ist schr kahl, denn die Oll'vcnwälder, welche während der .'»ajährigcn Belagerung von bcr türkischen Armee gänzlich abgetrieben wurden — wodurch die ganze Ebene zur Einöde umgcschassen wurde — sind seit inc, Jahren nicht wieder angepflanzt worden. Obwohl der Oelbaum schr langsam wächst, so ist doch seine Reproduction iu diesem Clima unbeschreiblich. So sahen wir vor der Stadt am Wege eine Reihe von 5a schcnkcldickcn, nach Windbrü-chcn — denen aber blos die Krone des Oclbanms ausgesetzt ist — gesammelten Acsien, welche 5 ihrer Länge in die Erbe vergraben, zu2—.Z Klafter von einander entfernt und 'H Klafter hoch, so wie bey uns die eingestoßenen Weidcnstöcke, schon im 2tcn Jahre Wurzel gefaßt haben und begrünt sind. Im 2tcn Jahre trägt ein solcher eingerammter Oelbaum-Ast schon Früchte. Die Erde sieht einem Schotlcrgrunde ähn< lich, in welchem diese Bäume wurzelten. Welch ein Boden.' Die Stadt siehet m der Entfernung mit ihren Häusern ohne Dächer und den schmalen Minarets, oder Moscheen^ thürmchen, wie ein Gottesacker mlt Leichenstcincn aus. Diese Thurm chcn sind obeliskcnartig, oben mlt einer Galle-rie versehen, ganz ohne alle Glocken, welche der Türke haßt, innerhalb mit einer einfachen Schueckcntrcppc verse« hen, und dienen blos dazu, den Gebctausrufcrn lhr Amt zu erleichtern, damit man Ihren Lärm ln bcr Stadt um so besser höre. Die Festungswerke sind hoch, und dieselben noch wie zu den Zeiten der Vcnctiancr; allem jetzt brauchte man, um die Stadt zu erobern, blos Tage, und nicht, wie die Türken ihre Belagerung nach Jahren zu zahlen, deren sie volle dreyßig dazu brauchten. 3u den Zeiten der Venctia« ner war sie gut vertheidigt, reich, und der Sitz des Gou« verncurs dieser In'cl; jetzt liegt sie halb in Trümmern, und hat sich seit der Belagerung um so weniger erholt, als sic EMr THrU. P 226 vor einem Iahrzekenb ein furchtbares Erdbeben j» überste. hcn hatte, welches cinc große. Menge der schönsten Vo bäude in Schutt verwandelte, die ich überall noch unberührt in Ruinen erblickte. — Die Stadt Candia gewährt von der See- oder Nordstite einen sehr schönen Anblick, indem sie sich gegen die Festungswerke sanft in die Höhe zieht; an der Landseite sind die Mauern zu hoch. Von der Westseite am Lazarcthchorc wäre sie schr schwer zu nehmen, der schwäch, sie Punkt hingegen ist die Cecstlte, westlich vom Hafcnthor; übrigens wurde fie im eintretenden Falle ohne Schwerts eich übergehen, da hie Furcht sämmtlicher kandiotischcn Türken bis ins Lächerliche gehet; sicherte man ihnen zu, Eigenthum, Haremund Neligion nicht anzutasten, so würde sich die ganze Insel ergeben, denn der Respekt der Türken vor den europäischen Waffen ist so groß, als die eigene Ue« berzeugung von der Vergeblichkeit ihres Widerstandes. Wo meine Ankunft befremdete, da sah ich in ihren Physiogno-mieen nie Haß, sondern nur immer Furcht und Aengstlichkeit, und in bcn Zügm b?s Griechen Freude und Vergnügen. Die Bevölkerung der Etadt Candia mag höchstens »5,oac, Einwohner betragen, ven denen die eine Hälfte Griechen, die andere Türken ausmachen. Juden gibt es wenige hier, höchstens 5 bis 8 Familien; in welchem Winkel der Erde könnten aber auch diese fehlen? Die Sinaiten haben hier eine Kirche. Von europäisch»« Consulate« befindet sich hier blos das französisch!.', uud außerdem einige Privatagcnten anderer Consulate von Canca. Die Consulatwohnung erkennt man gewöhnlich sehr leicht an cincv hölzernen kleinen Gallcrie, welche auf der Terrasse, oder dem Forste des Hauses angebracht ist, und einen hohen schwarzen Pfahl hat, auf welchen man die flatternde Fahne an Sonn« und Festtagen und bcy Annäherung von Nationalschiffcn zn stecken pflegt. — Dic Miliz der Stadt bestehet auS Ianitscharcn '^2? welche gleich bey ihrer Geburt in ihre Regimenter eingetta« gen werden, und sich im Dienste durch ein kegelförmiges Kappchcn auszeichnen. Jedes Jahr halten sie ein gemeinschaftliches Fest, wo in ihren Regimcntskesscln Pillaw gekocht wird, den sie dann fcycrlich verzehren. Diese Kes. scl sind ihre Fahnen, ihr Heiligthum, ihr Palladinm, sie werden den verdientesten aus den Regimentern anvertraut. Als der Pascha das eine Regiment nach Spina longa verwies, so ging jeder, der zum Rcgimente gehörte, wohin er wollte, aufs Land; ein paar alte Invaliden reisten mit den Kochkesseln aber nach Spina longa, und das Cxil war vollzogen; denn wo die Kessel sich befinden, dorthin ist auch das Regiment verwiesen; die Schande, welche ihrcn Kesseln wiedcrfä'hrt, ist ein unauslöschlicher Makel fürs ganze Re« gimcnt. Keiner kam auch eher nicht in die Stadt zurück, als bis die Kessel wieder da waren. Im russischen Kriege entsetzten sich die türkischen Gefangenen, als man' in den er. beuteten Kesseln kochte, und Ungläubige sie auf verschiede, ne andere Art entheiligten. — Lustig ist es anzusehen, wenn der Ianitschar in seinem Ehrcnrock, oder Bcniscl), auf die Wache, ohne alle Waffen, blos mit einem stocke versehen, zieht, alle übrige Türken hingegen mit Pistolen und Säbeln bewaffnet einhergehen. Die echten Muselmänner sehen mür< risch jeden Europaer an, wenn er einen Stock trägt, und besonders wenn er mit der Spitze auf dem Pflaster Lärm macht, da murmelt derTürke sein „IassannasiktiIauc r" durch die Zahne. Kein Grieche auf Candia darf in der Stadt einen Stock tragen, sonst würde er sich vor Avam'cn oder Mißhandlungen gar nicht schützen können, und nur das Gasirecht schützt den Europäer, wenn er einen Stock trägt. Der Pascha unterhält, cinc schwache Truppe a lbancsische r Soldaten als Leibwache; die übrigen Dienste werden ziem. lich saumselig von den, cingebornen Ianitscharen vcrrichttt. 228 Wcnn letztere, wic es oft geschieht, revoltircn, so sperrtt sie der Pascha in seine Wohnung ein, oder gibt nach, wie «ch es selbst mehrmals beobachtete, bis sich der Lärm und der Aufiauf gelegt hat. Die Türken spielen unter einander Komödie, denn bey allen diesen Excessen, wobey die ganze Stadt in Gährung kommt, wird oft kaum ein einziger um« gebracht. Die Umgebungen von Candia sind mcistcnthcils Aeckcr, auf denen das Getreide nach der Mitte des Monats May ge«-schnitten wird: an der Südseite der Insel im Thale von Gortyna, welches bis Girapetro sick) erstreckt, und Messarah genannt wird, tritt die Ernte um 3 —12 Tage früher ein. Vor den Schanzmaucrn, und besonders vor dem östlichen Lazarcththore, sind, wic bereits erwähnt wor, den, Aussätzige in Menge vorhanden, welche in Höhleu und elenden Hütten wohnen und unter sich zügellos lcbrn, denn alles ist diesen Menschen erlaubt. Der Abscheu gegen diese Menschen gehet so weit, daß es zum Sprichwort geworden ist, auch kein Ey, welches eine ihrer Hennen gelegt hat, zukaufen, well schon der Genuß dieses Eyes die Cut« Wicklung der Krankheit zur Folge haben soll. — Was die Stadt Candia vorzüglich empfiehlt, und als eine Erfindung der Griechen besonders dazu geeignet ist, die Todcsstillc ei« ncr türkischen Stadt, welche sonst unvermeidlich Ware, aufzuheben, ist, daß nicht nur alle Kaufmanns- und Kramladen, sondern auch die Wcrkstätte aller Künstler und Hand« werter dicht ncbcn einander in hölzernen Hütten an der Frontseite der Häuser der Hauptgassen angebracht sind, in welchen sie den ganzen Tag arbeiten, wodurch bey dem Lärm so mannigfaltiger Beschäftigungen eine türkische Stadt unge-mein an Lebhaftigkeit gewinnt, in dm Nebengassen dagegen könnten bey hellem lichten Tage Gcistcrcrschcinungcn statt haben, nnd kein Candiot würde sie schcn. Die Fleischhauer, die 2^3 Obst- und Gcmüsewcibcr haben in den Haupt, und Kaufgassen eigene Quartiere. Die Buden sind gleich hoch, ci« gends gebaut, oder cs sind auch bey schmälern Gassen Ma. gazine im Innern der Häuser. Waren nun diese nicht vor. Handen, so würde eine Hauptstraße höchst elend und ausgc-storbcn aussehen, weil zu ebener Erde keine Fenster seyn dürfen, und in den obern Etagen sind sie meistens nach dcm Innern des Hofes gerichtet. Die Gassen sind mit Wein« siöcken verziert, welche auf Querhölzer, die von einer Seite dcr Häuser auf die andere reichen, gezogen werden, und im Sommer die dichtesten und angenehmsten Lauben bilden, unter dcncn man durch alle Hauptstraßen spazieren gehen kann. Vor den Kaffeehäusern versammelt sich das bunte Gewimmel dcr türkischen Faullenzcr, und man sieht, daß cs auch hier Stutzer gibt, welche sich in der Artigkeit, Ele« ganz des Anzugs und m dem Benehmen nach ihrer Weise auszeichnen, das Nichts thun und Alles verstehen wollcu haben sie indessen mit den europäischen Stutzern gcmcin. Herr Booze war so gefällig, mir eine Wohnung «n, voraus zn miethen, welche ich nun bezog. Zugleich als ösicr. rcichischcr Consular-Agent, französischer Sekretär undDra-goman wurde beschlossen, sogleich des andern, Tagcs, dm ,3. May, zum Pascha von Candia zu gehen,, und sciire Er< laubnisi, das Land bereisen zu dürfen, zu erbitten. Herr D o. mcnico, den ich Abends besuchte, widerricth mir cs, ü:^ dcm er wisse, daß dcr Pascha dcm Hrn. Booze sehr abgo neigt sey, und mein Fermau auch ohnehin, so wie er es bereits aus Canea erfahren habe, nicht formell sey, wodurch cr ohne allen Zweifel Anlaß finden würde, mir sein Begehren abzuschlagen. Nicht unrecht! Er erschöpfte sich in Beweggründen, mich zu bewegen, durch ihn bey dcm Pascha mich vorsicllcu zu lassen; endlich nannte cr sich einen Archia-tc r desselben, und erinnerte, daß alle Aerzte, welche hier uAu ankämen, sich durch ihn dem Pascha vorstellen lassen müßten. Als cr ausgeredet hatte, wendete ich ein, daß ich nicht als Arzt hier angekommen scy, um meine Knnst auszuüben, daß ich durch den österreichischen Vice-Consul von Canca an Hrn. Boozc angewiesen sey, und, zu dieser Nation ge< hörig, sie nicht öffentlich übergehen und etwa beleidigen dürft; ihm wäre endlich unbenommen, für mich beym Pa, scha vorzusprechen, und ihn zur Ertheilung eines Vujurti zu bewegen. Ich sah die mißliche Lage ein, in der ich war, denn außer der Maugelhaftigkcit meiner eigenen Scbrift hatte ich es mit der Eitelkeit eines Mannes zu thun, die ich nicht befriedigen konnte. Des andern Tages wurde ich dem Pascha von Canoia vorgestellt; auch Gcorgi ging mit, da cr den Pascha, der noch vor wcniqen Jahren in Rcttimo war, genau kaun« te; ich bemerkte auch, daß er ihm nicht abgeneigt schien. Unter dem Vortritt des Ianttschar (Dschcm'sscr's) gingen wir um 11 Uhr Vormittags in das Palais desselben. Im Vor-haust sah ich über die breite Stiege aus dcm Höft herauf das mannigfaltige Gewimmel von vielfarbigen Turbans, blauen, gelben, rothen Kaftans, und deu bunten Wechsel der um diese Stunde nach dcm Mittagsmahl«: lauernden Die« ncrschaft, dcrAlbancscr und Türken. Im Vorhausc lag eine Binsenmatte auf der Crdc, auf welche eine große Menge verschiedener Schüsseln niedergesetzt wurden, woselbst man sie sortittc, lüftete und dann nach allen Seiten in die Zimmer trug. Was man davon abtrug, wurde durch andere ersetzt. Die dampfenden Schüsseln versetzten den Rechtgläubigen in die angenehmste Situation. Einige Albaucscr erhäschten oder erzwängen von dem Abgetragenen einen Theil, betrachteten es als Beute, und bearbeiteten cs mit ihren Kaumuskeln auf einc erbauliche Weise. Kaum konnten wir hindurch. Endlich wurdcu »5» wir bcy dcm Chasinadar, dem Plivatschatzmeistcr oder Sekretär deS Pascha, gemeldet, traten in daS Zimmer ein, und fanden ihn mit drey andern vornehmen Hofbcdienten so cbcn bcy einem Katzcntischchen hockend an, auf welchen schnell eine volle Schussel nach der andern aufgetragen wurde, welcher das überzählige Triumvirat mit-blosicn Fingern tapfer zusprach. Der Chasinadar saß in einem roscnrothcn Talar niit untergeschlagenen Beinen auf einem Polster auf der Erde, er hatte eine wohlgebildetc Physiogno« mic, grüßte uns, und gab einen Wink, worauf man uus 5 Fuß lange Pfeifenrohre mit Tabak brachte, um uns inzwischen zu unterhalten, bis jene abgespeiset hatten; sie battcn sich so eben hcrumgclagert, und griffen mit einer bcy den Türken gewöhnlichen Eile mit Fingern oder Löffel in die tiefe Schüssel etlichemal hinein; ein dienstbarer Geist war sogleich bereit, die kaum berührte Schüssel wieder wegzuhe« bcn, und im Nu gab er neuerdings eine zweyte auf den Platz, welcher eben so schnell wie der ersten zugesprochen wurde. Die »L Schüsseln wurden schnell herbey und cbeu so pfeilschnell wieder fortgetragen, so daß es mir schien, als ob der Diener sie blos zum Besten hatte, dcnn kaum hatten sie zugelangt, so verschwand das Gericht unter ihren Fin< gern, wie bcy Eancho Pansa's Statthalterschaft auf der In« scl Barataria. Der Diener hob endlich die verzinnte Platte ab, nahm das zwey Fuß hche Schcmelgcsiclle hin« weg, indeß sich die vier Herren wegen der schnell genossenen Speisen wie die Lösselgänsc schluckend und würgend auf die Divans begaben — dcnn schlucken, aufsioßcn und mit vollen Backen dazu blasen, gehört zum don ton. — Wahrend sie Mund, Gesicht und Hände wuschen, räumte der Diener, den Teppich zusammenlegend, ab. Sie schürzten' sich auf, strichen die Schnauzbarte, schlürften und spülten die Zähne, zogen von der Achsel ihre gestickten Handtücher, ^2 und nach oft wiederholtem Ausstößen, welches fast immer einen hörbaren Schluck hervorbrachte, forderten sie bittern Caffee, und ließen sich, die Stirne in ernsthafte Falten le< gend, ihre gestopften Pfeifen bringen. O Verdauung, man sollte dir einen Altar bauen! — Jetzt überreichten wir unsere Schrift. Der Chasinadar las den Ferman an einem Scitenftnstcv etwas lange und schüttelte mit dem Kopfe, trat dann vor, und meinte, daß der Ferman nichts von dem enthielte, wovon wir mündlich gesprochen hätten, und gab ihn zurück; allein er wollte, sagte er, zum Pascha gehen und es ihm berichten. Kurz darauf abgerufen, traten wir in das Audienzzim-mer des Pascha. Georgi zog die Stiefeln aus und ging m Strümpfen hinein, indcm er possirlich genug den Hut in den Handen behielt. Ein lichter Salon, crkcrarti'g außerhalb des Gebäudes auf Säulen ruhend, an 2 Seiten mit Fenstern verschen, rückwärts mit einer Fontaine, welche un. ser einförmiges Gespräch störte^ licß uns die Pracht der Wände erkennen. Der Pascha, ehedem Großvczier, aber abgesetzt, und jetzt Scraskier dieser Insel, saß zurückgelehnt nur untergeschlagenen Füßen in der Mitte seines Bivans, Welcher nur etwa eine Spanne an Höhe betrug. Cin weißer Bart floß von seinem ernsten und wirklich majestätischen Antlitz herab. Ein Kauk, mit dem feinsten Mousselin umwunden, zierte seinen Scheitel, ein Caschcmir-Shawl bil^ dcte d?n Gürtel, aus welchem cin langer mit. Diamanten rc.ich besetzter Griff hervorragte; cin meergrüner Kaftan stoß von seinen Schultern herab und warf sich in weite Falten, Mau übergab ihm den Ferman. Er entfaltete ihn und schien mit dem Inhalte nicht zufrieden; nun überreichte ihm Georgi kmcend, indem er seinen Kaftan küßte, den Brief von Iensi-Aga, seinem Freunde aus Rettimo, welchen er gleichfalls las und stillschweigend bey Seite legtt. 2ZF Aufscmc abschlägige Antwort, die nun erfolgte, erwiederte Herr Booze, baß ich bereits die eine Hälfte der Insel, nämlich die beyden Paschaliks Canea und Rettimo, mit Genehmigung dcs Pascha von Canea bereist habe. Hier stutzte er, und verlangte das Bujurti zu sehen. Gcorgi überreichte ihm das von Rett imo, welches der Pascha von Canca angeordnet hatte, allein er forderte mehrmals und dringend jenes von Canca, welches mir aber der schlaue Pascha nicht ausgefertiget hatte, indem er mir nur mündliche Erlanbm'ß dazu ertheilte, um jeden möglichen Miß-branch zu seinem eigenen Schaden zu verhüten, da ihn zu dessen Ausstellung der Ferman keineswegs berechtigte. Jetzt erst lern« te ich denEdclmuth dcs Pascha vonCanca kennen, alsderPa, schavonCandia in uns drang, ihm auchjcnesBujurti zu geben, und zuletzt erklärte: daß er sogleich die Erlaubniß ertheilen wolle, wohin ich verlangte, mich be-« geben zu dürfen, wenn wir ihm nur das Vujur-ti vom Pascha von Canca auslieferten. Wir überzeugten ihn endlich durch unsere genaue Erzählmig, dast wir es nie erhalten hatten; dieß nützte uns aber wcnig, uud wir sahen uns nun aus doppelter Ursache von unserm Zwecke entfernt. Hierzu kam noch die Gegenwart dcs Bruders vom Dragoman dcs Pascha, welcher, von Domcnico unter« richtet, allen guten Willen desselben vereitelte, und dem Hrn. Booze viel Verdruß machte, denn derselbe konnte wegen der schlauen Wendungen, durch die er den Pascha zu fassen wusite, nicht auf seine Entfernung antragen, welche sich eigentlich bey der Gegenwart von Consulatpersoncn eu« ropäischcr Mächte gebührt; es wäre auch geschehen, wenn von einem Recht die Rede gewesen Ware, so aber konnte man bey so schlechten Aspcctcn nicht noch ein drittes Hinderniß hinzufügen. Wir kamen unvcrrichteter Sache zurück. Do, mcniko's Eitelkeit war befriedigt, er brachte mir dcs an- ^54 dcrn Tages vom Pascha triumphircnd dcn Zettel, auf wcl« chem geschrieben stand, daß ich mich, wohin es mir in dcn Umgebungen Candias beliebte, begeben könnte. Er vcrei. tcltc Boozes Bemühungen blos deshalb, nm siä) die Ehre meiner Protektion zuzueignen. Was für einKlcinigkcitsgcist! Mir war cs im Grunde einerley, durch wen ich den Zettel erhielt, wenn ich nur Ercursioncn machen konnte. Mein Vcr. hältniß mit dem französischen Consul und Domcnico war ans diese Art nicht das beste. Ihm sollte ich Dank schuldig seyn, weil er es jenem verdarb, mir die Erlaubniß aus glltem Willen zu verschaffen, und dieser war sehr be-schämt, eine solche Kleinigkeit für mich nicht errungen zu ha« bcn. Einen sollte ich meiden wie dcn andern, weil gegründete Disharmonie beyde entfernt hielt. Mein Stmid war schwer, weil ich mit keinem brechen, und doch bcydc befriedigen wollte. Domcnico drang auf einem Spazicrgange in mich, dcn Georgi fortzuschicken, und schlng mir einen Beugel von einem Türken vor; allcin ich war dazu nur willig, wenn er mir einen verschaffte, welcher griechisch und italienisch spräche, weil ich wohl wußte, daß ein solcher auf der ganzen Insel nicht vorhanden war. Er äußerte unter an-bcru, daß er zwey Operationen in diesen Tagen vorhabe, eine Amputation der linken Hand, und eine Operation der Sack, Wassersucht bey einer Frau, welche die uuwisscnden kandio-tischen Aerzte für schwanger erklärten. Da er mich nicht ersuchte, anwesend zu seyn, so dankte ich ihm im Herzen, mich von Excursioncn nicht zurückgehalten und so gewöhnlicher Dinge enthoben zu sehen- Er fügte aber hinzu, er wünschte mich nächstens zu einem vornehmen Türken zu führen, wcl--chcr an der Wassersucht krank wäre; ich brauchte nichts zu sprechen, sondern nur zu bejahen, was cr (Domcnico) dort äußern würde. Da ich hier eben keinen frommen Betrug vermuthete, so gab ich lachend zur Antwort: cr könne ja 2Z5 auch fragen, ob der Kranke übermorgen sterben werde, und dann müßte ich cs gleichfalls bejahe»! Er runzelte die Stirn, wurde verlegen und schwieg; ich erfuhr erst in der Folge, weine Antwort habe ihn verleitet, zu glauben, ich ware bereits über dic Person und die übrigen Umstände näher unterrichtet. Den KM« May ging ich mit dem Ianitscharm dcS Hrn. Booze nach den« etwa eine Stunde entfernten und zerstreut liegenden Dörfchen Macrodico, oder besser Macrot ich o, die dicke Mauer genannt. Wir gingen zu Fuß; es behagte meinem Ianitscharen gar sehr, wcnn ich mich verweilte, um auszuruhen, denn die Türken sind schlechte Fußgänger; dieß verursacht ihr Sitzen mit untergeschlagenen Beinen, welche immer etwas gebogen sind. Leider war die herrliche Blume I^oruics ^oet2iuni, das scltuc Löwcnblatt, verblüht; den Bach, den ich nun gewahr wurde, erkannte ich für den Karatus; Numcn blickten dabey zwischen den Acckern hervor. Mehrere dicke Mauern von Backsteinen, unverkennbar antiken Ursprungs von der bekannten altgrichischen Constructionsart, ragten 2 bis 3 Fuß an den Hainen der Felder, die sic bildeten, hervor. Sie formten Terrassen und Umfangsmaucrn, und der Umkreis ihrer sämmtlichen Epurcn deutete auf eine nicht unerhebliche Landstadt. Säulen von edlem Serpentin (Ophit), bann Bruchstücke von rothem Porphyr, vei-äs ninicci, und andern seltenen Steinen trafcn wir hin und wieder- Dieß überzeugte mich, daß hier keine gemeine Stadt gewesen sey, deren Namcn daher wohl aufbehalten seyn dürfte. Zuerst dachte ich an C'nossus, wozu mich die Aeußerung mehrerer unttrri'chtetcn Emg^borncn bewog, welche behaupteten, Gnossus hätte daselbst gelegen, allein 25 Stadien vom Meere wäre für Macrodico die fast doppelte Elttfmiuug gewesen-^ nun muß daher hier den Gründen Pokokcs ^36 nachgeben, welcher die Lage von Gnossus für C na dich bestimmte, woselbst sich die Türken bcy Belagerung der jez» zigen Stadt Candia vorzüglich verschanzt hatten; der Name Gnoso hat sich noch jetzt erhalten.— Macrodico kann aber für nichts anders als füc das k^ium desPlinius gcltcn, indem er sagt: „oonN'» bliUinin Dia." Sicht man längs dem Bache herab, so erblickt man auch die Insel Standia im Hintergründe, gerade dem Ende dcs Thales entlang gegenüber. Gnossus lag mehr Landeinwärts, und hatte bey Macrodico, keine feste Lage gehabt, da dieses zu tief im Thale liegt. Tourncsort meint, Heraklea habe ehedem auch Mali um geheißen, wozu indeß nach Pli« nius nicht der geringste Grund vorhanden ist. Läsit man Macrodico nicht für das alte Matium gcltcn, so bleibt diese, ihren Ruinen zufolge keineswegs unbedeutende Stadt, ohne allen Namen, und für Matium hat man keine entsprechende Stelle- — Ich wandte meine Blicke gegen das Flüßchcn, welches mlt artigen Gruppen herrlicher Baume besetzt, sich dahin schlangelte, indeß die leise Well« bemooste Steine umspülend mir cntgcgenraun. Nahe war ich der Stadt Gnossos, und stand da, wo Jupiter einst herrschte und Juno zur Frau nahm, der die Leda, Europa und Semclc geliebt hatte, die gegen ihn sich auflehnenden Giganten überwältigte, naä) weisen Gesetzen mcnsä)lich regierte, und selbst Göttern ihre mannigfaltigen Beschäftigungen anwies. Dort stand das vom Dadalus nach dem Muster dcs ägyptischen dcm König Minos erbaute Labyrinth, hier hatte The-seusmitdemMinotaurus umFreyhcit, Vaterland und Ariadne gckämpft, und drüben wallte Minos der Gesetzgeber zum Grabe Iupitersder Gesetze wcgcn, unter welchen nach steigender Ausbildung durch Lycurg, So. lon und die Römer nun die beglückte Welt in Ruhe 2?7 lebt. — Hier fand ich auch dic im Januar blühende Iris cae». siw5a nicht mehr, kaum noch die Blatter, dafür aber klienu» Erotica, und mehrere andere Gewachst in schönster Blüthe. I^eomics I^ontopotalum, das Löwenblatt, welches die Cill. wohncr luzcl^ieg, Blasen, nennen, fand ich endlich, es siand aber in Samen. Sie besitzt cme einfache dicktnollige Wurzel, welche weit tiefer als der Pflug reichen kann, im Grunde des Ackers sich befindet, und gehört wegen ihrer har» ten und großen Akcley« Blätter, und einer Blüthcnpyramide von 3 Fuß Höhe und goldglänzender Farbe zu den schön« sien Gewächsen auf Kreta. Artischoken gibt es in Kreta in vorzüglicher Menge, alle Feldraine sind damit beseht. Der Grieche genießt sie roh vom Felde, indem er den Blumcnbodcn von den Kelchschuppcn und den Blüthen reiniget; sie wachsen den ganzen Winter hindurch, und um Ostern sind, wie im südlichen Italien, schon die ersten zu haben. Sie dauern von Anfang April bis Mitte Iuny. Den 22sicn und 24stcnMay begab ich mich nach Cav, rochori, lenkte in eine Schlucht ein, welche vvn dem ho« hen Dorfe Cognes, am Fuße des Ida, an steilen Wanden sich herabzieht, und werde die mit dem prachtvollsten. Strauche, der änt^Ilig c^ica (Menu» I..) verzierten Feldparticn nie vergessen, welche sich durch den Reichthum der Blüthen, die hoch rothe Farbe und silberfarbenes Klcc-laub so sehr auszeichnet, daß man dieses Gewächs für die größte Zierde der Insel zu halten genöthigt ist. Die^ei-ula tl,^'5iiIoi-H 5mitli, welche blos auf Felswanden siehet, trat in die Blüthe, und verschönerte diese tiefe Schlucht, welche sich dann nach mehreren unübcrstciglichen Absätzen nach dem flachen Lande zuwendete. Diese Schluchten und ihre bey, dcrseitlgcn senkrechten Felswände sind die wahren botanischen Fundgruben dieser Insel, alles Seltene muß man von den unzugänglichsten steilsten Kalk, uud Porphyrwanden her- 233 abholen, denn nur dort ist es vor der alles vernichtenden Ziege gesichert. Man kann daher nirgends mit mchrerm Rechte die Flora in Winter- und Sommer», in Alpen- und Secstrandspfianzen, und dann in Felsen-und Landgewachse eintheilen, als eben hier. Dienstags den 27. May begab ich mich nach dem von Candia ^-^^ Stunden entfernten Berge Iukta, wel, cher von Norden nach Süden mit einem langen scharfen Rücken ausläuft, östlich und westlich mit steilen Felswänden verschcn, und nur m, der letztem Seite und zwar mit Mü« he zugänglich ist. Ein kleines nun zerstörtes Kloster ist unter den hangenden Felsen zu sehen, rechts oben ist das Grabmal des Jupiter mit der Inschrift: I'« H^°c-«cpo^ zu sehen gewesen, wohin mich ein Hirtenknabe führte. — In der Nahe wachst das seltene äm^i-ninm aMtolium häufig, ciuc Pfiauzc, die man bisher nur dem Namen nach kannte. — Callimach us wars den Kretcnsern vor, dem Jupiter, der doch im Himmel sey, hätten sie hier eine Grabstätte bereitet, und sie behaupteten eine Lüge, wenn sein Körper hier begraben sey. Noch unter den Römern war der Stein mit obiger Inschrift zu sehen. Servius behauptet daher, das Wort Miuos wäre durch die Zeit, oder absichtlich, aus der vollständigen Grabschrift: N^a?os ?« ^/o? ?«o Stadien aber, also 3 volle Tagereisen vom Berge Ida gewesen sey. Strabo ereifert sich dabey heftig über den Aratus und weiset ihn znrccht: bey Prasos, und nicht in der Nahe des Berges Ida ware der Berg Dikta gewesen. Er unterscheidet selbst 2 Berge, Na« mcns Ida, den von Kreta und jenen von Ilium; so wie es einen Olymp, den mythischen in Thessalien, und noch 2 andere, den bithynischcn und cyprischcn gibt; bey dem ihm so wichtigen Dikta macht er aber von seiner eigenen Bemerkung keinen Gebrauch. Diodor von Sicilicn, welchem wir hier am ersten folgeir wollen, da er altes am ausführlichsten beschreibt, versetzt die Ereignisse der mythischen sowohl, als der chronologischen Geschichte, in die Mitte der Insel, unweit des Berges Ida, vorzüglich nach Gnossus. 24> Zn? Zeit der idaischcn Daktylen und dcr nachfolgenden Kl,-rctcn wohnten die Titanen, deren vornehmster Su tur-nus war, im gnossischcn Gebiete. Aus Furcht, vom Throne gestoßen zn werden, suchte er die Kinder seiner Gcmah. litt Nhca zu todten. Rhca, welche cincn Pallast daselbst bcsasi > dessen Grund' und Umfangsmaucrn sammt dem ur. alten heiligen Zypresscnbaume noch zu Diodor^s Zeiten vorgewiesen wurden, verbarg den ncugcbörnen Jupiter vor dem Zorne Saturnus, flüchtete sich in die Höhle eines Bet-gcs, Namens Dikta, übergab ihn den Kurctcn des Ber-gcs Ida zur Erziehung, die sein Geschrey durch das Ge< räusch ihrer Instrumente übertäubten, so daß Saturnus seiü Winseln nicht hören konnte, und den Nymphen Amalthe a und Melissa, welche ihn mit Milch nnd Honig groß zogen. KauM erwachsen, entfernte er sich aus dcr Höhle des Dikta, und baute eine Stadt, dcrcn Ruinen noch zu sehen sind. -^ Jupiter wird ferner als cin König von Gnossus angeführt, welcher die Giganten von dort vertrieb. Einer seince Nachfolger war Minos, welcher in eine Höhle zu gehen pflegte, um vorgeblich von ihm in den Gesetzen unterrichtet zu werden. Diese Höhle wirb nun von allen Schriftstellern bald cme Höhle des Dikta, bald Iclaemn amr,>n, > eine Grotte des Verges Ida genannt, und hat folglich in seiner Nahe gelegen. Aratus sagt noch: I" l)ieta 8,ui<,v<»lonli Pl'l»p6 wlonlem IclÄLum> unterscheidet hier genauer, als die übrigen seiner Vorgänger, und bringt auch zugleich bey» he in ihre Nähe. Dasi also nach der Behauptung des Stra-bo dieser Dikta, dcr Geburtsort des Jupiter, am östlichen Ende dcr Insel gelegen habe, dem widersprechen der Sitz der Könige zu Gnossns, die Nahe dcr Knrc ten, welche nur am Ida wohnten, und die schnelle Flucht des Jupiter, der seinen Nabel, Omphalus, amFlusseTriton, der nicht bey Prasos lag, verlor! ferner pflegte Minos in ein« «rster theil. ft 2^2 Hohle sich zu begeben, aber nicht dahin zu reisen. Die Ver, wcchslnng dcr Autoren von Vicweuui mit lllaeum l>«il,t-r D^^eliZ verehrt w:,r. de? Offenbar da, wo sich dcr Name dcr Insel Dia erhalten hat. Einige Schriftsteller nennen di'cft Höhle Idacnm anl,-m», andere, wie bereits erwähnt worden, schreiben diese Höhle dem Berge Dicta zu; die erstcrn sind: Diodor, Por. phyrius, Lutatius, Maximus Tyrius, Cyril-lus, Diogenes Lacrtins und Tcrtullianus. Für denDicta stimmcil: Lucretius, M a x i m u s T y rius an einer andern Stelle, er würde sich also selbst widersprechen, wenn beydes nicht für einerley gälte; Dionys von Hali-carnaß, Servius an zwcy Stellen, Calphurnius, V i r g i l ic. Daß diese Höhle nicht am hohen Ida, sondern am nic-drigm Berge Iuchta in dcr Nahe von Gnossus lag, da< für kann angeführt werden: daß nach Diodor die Rhca ihren Sohn im Bcrgc Dikta verbarg, lind ihn den Knrc-ten, welche am Berge Ida wohnten, übergab; ferner ist dcr Berg Ida durch « Monate im Jahre unzugänglich mit Schnee bedeckt, und nach Theo pH rast zogen sich alle Ve-wohncr desselben herab. Ausicrdcm wurde diese Höhle von den Kurctcn Ar cesium genannt; in derselben verbargen sie sich vor dem Saturn, sie kann also nicht im Ida selbst be« »45 finblich gewesen seyn, denn dort waren ste ohnehin sicher. Dann stiegen Minos, Pythagoras mit Epimenides, Lycurgus und Solon in die Höhle herab, sie mußte demnach anf einer Cbcnc liegen, und in einem tief gelegenen Berge angebracht scyn; ferner sieht in keiner Stelle: in an. ti-mn nionli» Iciao, in eine Höhle des Berges Ida, sondern n azcsnäit) in antrum, «luucl vocann' Im „wenn auch eine große Hitze herrscht, so gibt cs doch nach „Gefallen entweder Landhäuser am Wege, oder hohe schatti' „ge Baume, und nicht weniger findet man im Weitergehen „in den Wäldern Zypressen von ungewöhnlicher Höhe und „Schönheit, und endlich Wiesen, auf denen man ausruhen „und Gespräche führen kann." Durch diese umständliche Beschreibung wird zugleich die Lage des wahren und ursprünglichen Dikta unwidcrsprcchlich festgesetzt, denn sie kann nur von einer ebenen Fläche, welche dcn gnossischcn ' Dikta von mchrcrn Seiten umgibt, keineswegs aber von dem unzugänglichen steinigen Ida, zu dessen Spitze man 2 Tagereisen nöthig hat, noch viel weniger vom prasi, schcn Dikta, welcher '«oo Stadien entfernt lag, verstanden werden. Ucberfiüssig ist daher das Bestreben des Mcur. si u s, diese Widersprüche der benannten Schriftsteller durch ^ die Annahme heben zu wollen, daß Jupiter in dcr Höhle des l Pikta geboren und in jener des Ida erzogen worden sey. Wer kann nun zweifeln, daß zur Höhle des Jupiter blos »55 em Spajicrgang gewesen ist, wenn es Plato selbst erzählt? Was endlich schon zu den Zeiten Mela's der Fall war, daß man nicht nur die Höhle, sondern auch zugleich das Grab dcs Jupiter zeigte, findet noch jcltt Statt; der gebil' dctcre Bewohner Candia's zeigt dem Reisenden das in je-dcr Hinsicht den historischen Zeugnissen entsprechende Grab des Iupitcr, auf dem jetzt Iukta genannten Berge Dicta. Die Höhle ist jedoch, so wie der Grabstein des Jupiter nicht mehr zu sehen, daß aber das Grabmal bey Gnosslls lag, bezeugt Lactantius: M. ,. 0^.2.) «t Hierunter kann Gnossus, oder eine Gegend auf dcr Insel Krcta — bey Gnossus, aber nicht bey Hicrapytna, oder Prasos verstanden werden. Minn tins Felix: H.ä- van Cyprian ä« I6ul. ^nlrlin, ^oviz ill t^reta, vjsiwi.-» «t He^lllcin'lim c)U3 li5t««llillli-, und Mtla ^1b. 2. ca^. 7.) machen es gewiß, da!^ die Höhle und das Grabmal Iupi« tcrS beysammen lagen, dieft Meinung begünstigen, andere Autoren ungerechnet, noch Di 0 d 0 r und Cyrillus (tüontr. ^lllian. iil>. x.)j letzterer erwähnt: Ml'l'.os habe bey dem Heraustreten aus dcr Höhle seiner Gewohnheit nach auch das Grab dcs Jupiter besucht, wo er die Worte eingegra. ben habe: hier liegt Zevs«.; somit müssen beyde nicht wcit von einander gelegen haben. Wenn sich diese Tradition seit Diodor nicht erhalten hatte, so ware ausicr dcr Achnlichlcit dcS Namens Inkta mit Di kta cin Beweis weniger; dass aber die vorhandene Sage von einem andern Orte gelten könne, auf den sie übergetragen worden sey, widerspricht der Geschichte, dem aut« optischen Locale uud den Regeln der Ueberlieferung, nach welchen die Sage früher erstirbt, als sie übergetragen wird. 24«j Llratlls hat also vollkommen recht, wenn cr sagt, daß der echte mythische Dikta, welchen wir seiner Lage nach den gnossischc n nennen wollen, m der Nähe des Ida gelegen habe. Dictaeo in o*l«ro, montem projro Idaeum, in *ntro poauerunt Jovem, et alucruut per annum! Straho hat demnach mehrere Berge gleiches Namens verwechselt, und obwohl er selbst erinnert, daß es mehrere Ida, Dicta und Pytna gebe, doch selbst dagegen gehandelt, und bey Prasos außerdem die größten Widersprüche aufgehäuft. Die Lage des echten Dicta mit der Höhle des Jupiter und seinem Grabmal sind daher weiter keinem Zweifel mehr nntcrlvorfen, und man darf es dem Führer glauben, der den Reisenden auf den Berg Iukta nächst der Stadt Eandia zum Grabe Jupiters geleitet. Prasischer Dicta. Da wir mit allem Rechte die Lage dcs wahren Ber-ges Dikta — da zur Zeit der geschichtlichen Mythe Krc< ta's der östliche Theil völlig unbekannt war — m dcr Nähe von Gnossus annehmen müssen, weil dort der Höhle, dem Grabe Jupiters und der von ihm erbauten Stadt Gnossus die noch jetzt so benannte Insel Dia — die göttliche, oder dem Zcvs geheiligte, gegenüber liegt; so muß nun, da Strabo den gnossischen Dikta gar nicht kannte und cr nicht nur den A rat us verwirft, sondern auch alle Stellen anderer Autoren mit Gewalt davon ablenkt, sowohl dcr pra, fische Dikta desselben, als auch die Lage der Stadt Pra-, so s näher beleuchtet werden. Da wie gewöhnlich im Alterthume die vornehmeren Gottheiten eine Menge Veynamcn erhielten, denen man 24? ausschließlich Tempel errichtcte, denn es gab einen ^liter lttnun») ^. s^atoi, ,1. oi^mpieu«, ^. ^ilimon «tv., so konnte man auch dem lütter Dicwouz, da cr dort erzogen und be« graben ward, gleichfalls und vorzugsweise einen besonderen Tempel wo immer errichten, um so mehr, da sich sein Bild durch seinen Bart — an den Bildsäulen des Zevs eine große Seltenheit — ausgezeichnet haben soll. Bey Gno ssu s be» gnügtc man sich, seine Höhle und sein Grab zu besitzen, und dachte wahrscheinlich an keimn Tcmpclbau; entferntere Distrikte gcriethen daher vielleicht auf den Gedanken, diesem zu Gnossus verehrten ^^'i!«i- Ui^aeu., einen Tempel zu erbauen, welcher vorzugsweise d« Aufmerksamkeit der Sva^ tern auf sich zog. Unter Strabo mochte sich die Sage vom Grabe Jupiters verloren haben, oder aus religiösen. Gründen einstweilen oder absichtlich unterdrückt worden seyn, da es den obersten Gott zu einem hier beerdigten Menschen herabsetzte, denn außer Call im ach us eiferten viele andere und auch alle Götzcnpricsicr dagegen, weswegen auch die Kreter mit dem Namen Lügner bestraft wurden. Stra-bo wußte aber wahrscheinlich davon nichts, hielt sich an den Tempel des diktäischcn Jupiters bey Prasos, und bedachte nicht, daß dcr Beynamc des >!ui>^or l)!^««» dem Berge, jvorauf der Tempel bey Prasos stand, den Namen Dikte geliehen habcn könne. Da nun dcr Berg Dikte, so allgemein schon angenom, men, bey Prasos am östlichen Ende Kreta's lag, so wollcn wir den dadurch veranlaßten Behauptungen des Strabo, welcher seine Angabcn vielleicht von einem weniger Unterrichteten oder einem Prasicr erhielt, dcr aus bekanntem Haß dieser kleinen Ncp«blikcn unter sich, jenen Vcrg Dikte bcy Gnossus absichtlich überging, nachgeben, und einen Äikte daselbst gelten lassen, welcher dcr prasische heißcu lliag^ 248 Zuerst sagt Strabo von der Stadt Prasos, um ge. gssi den A rat us die Parabel zwischen «uu und »aua geltend zu machen: vom Berge Ida bis zum Berge Dicta wäre eine Entfernung von ions Stadien, vom lctztern bis an das Cap S a m moni u m blos »n»; .ferner zwischen dem Lap S a m m oniu m und dein C h e rroncsns mitten inne läge Prasos, 60 Stadien vom Meere und ,80 yon Gor-tyna entfernt," Die Erdcngc von Minoa-Lyctia und Hierapytna sttzt er an einer andern Stelle blos auf 6« Stadien — auch führt er an: Prasos war die Hauptstadt der Eteokreter; zuletzt sagt er: die Dorier hatten den östlichen Theil, die Lyctier den nördlichen, die Etcokrcter aber den südlichen der Insel besetzt. Die Lage einer Stadt, Namens Prasos, welche am östlichen Ende der Inscl sich befand, ist wegen des Krieges mit denHicrapl)tni e rn, du'ch welche sie zerstört wurde, wohl keinem geschichtlichen Zweifel unterworfen; al!ein, daß dieses von Hierapytua zerstörte Prasos die Hauptstadt der Etcokrctcr gewesen scy, ist nach Strab 0' s Acusicrun-gcn selbst zu bezweifeln: sie lag ja östlich, also l',n Dorischen Antheile, die Eteokreter aber lebten südlich zwischen dem Gortym'schm Gebiete, und dem pon Hierapytna, Unser Prasos zwistl)cn Cherroncsus und. dem Cap Sam, ,n 0 niu m ist daher das Dorische, und nicht wie Strabo will, der sich selbst widerspricht, das ete 0 krctische. Er stlbsi zeigt uns indessen den Weg, es zu suchen. Es darf hier nicht unberührt gelassen werden, daß Strabo den Ist h« mus von Minoa und Hierapytna auf 6a Stadien richtig ansetzt, glcicl? darauf ahcr sagt er; Prasos habe 69 Stadien vom Meere gelegen. Bezieht cr dieses auf das Do« rische Prasos, so hat er offenbar Unrecht, denn wenn der Isthmus 6o betragt, so hat der übrig« östliche Thcil der 249 Insel auch nur So Stadien in scincr Vreltc. Pra sos kann daher nicht so weit vom Mcerc entfernt seyn, denn nach 6a Stadien käme man schon an das andere Gcsiadc. Entweder bezieht sich dieses aufcin zweytes P raso s, oder S t rabo wollte sagen, 6u Stadien vom lybischcu Meere sey es cnt. legen gewesen, welches der Gebirge wegen vom Turtuli-Thalc dieser Verbesserung entspricht. In der Beschreibung dcr Insel Kreta führt Stra« bo an einer andern Stelle an: Prasos sey 4 8u Stadien von Gortyna entfernt gewesen; dieß ist aber geradezu un« möglich, da Gortyna genau unter dem Ida liegt, welcher von Prasos »u«u Stadien entlegen seyn soll. Stra« bo hätte daher an den Fingern abzahlen können, daß ihm L^u Stadien verloren gchcn, mit denen er auf keine Weift fertig werden kann. Nach andern Stellen und angegebenen Entfernungen ergibt sich noch eine dritte Angabe von St.i-dien zwischen Prasos und G o r t y n a. Lyctos, oberhalb scincm Seehafen Cher r o n c sus gelegen, dcr vo:i P r a» sos 10» Stadien entfernt seyn mußte, da Prasos zwischen dem Cherronesus und Cap S a m moni u m mitten inne lag, zahlte ^au Stadien bis GnossuS. Gnossus selbst wenigstens um 2c» Stadien östlicher, als Gorty« na, gibt die Weite von Gortyna bis zum dorischen Prasos 320 Stadien, also fast has Doppelte von ,8«. -^ Diese Angabe von läo Stadien ist zu gering, um vom Dorischen Prasos ju gelten. Strabo verstand daher wahrscheinlich ein zweytes darunter, welches im eteo« kretischen Gebiete lag. Zwischen Gortyna und H i er a-pytna liegt bey 3«c» Stadien Entfernung keine, auch nicht die unbedeutendste Etadt, dcr betrachtliche Flust Catarra« ctus bleibt unbesetzt, und im D 0 ri sch c u Gebiete lag wohl die Hauptstadt dcr Cteokrcter nicht. Homer ucnnt sie die Beherzten, oder die Großherzigen, Tapfern; warum soll cm solcher Stamm keinen ausgezeichuetc« Wohnplatz ge- 2öo habt haben? Die Eteokreter waren Gebirgsbewohner, sowie dicIdaci Dactyl« des Ida, und jene dcs Be, rccynthus im cydonischen Gebiete. Diese Ureinwohner hatten dic Gebirge, die cingcwanderten Dorier, Pelas« g e r ic, aber die Ebenen besetzt. Die Etcokrctcr mußten also das jetzige lassitische Gebirge innc haben, welches späterhin das Eigcnthnm der Lyctier wurde, und ihr Gebiet erstreckte sich, zufolge der Angabe dcs S trabo selbst, an der Südseite der Iuscl bis unter das lassitische Gebirge. Da, woStrabo vom Leucocomas undOxynthetus spricht, deutet die Entfernung von Lebena auf ein nahegelegenes Pra sos von etwa l 5o Stadien. Die Etcokreter gingen auch wahrscheinlich nicht jenseits ins Dorische Gebiet, um ihre Hauptstadt dort zu bauen, und erlagen wohl nicht durch Zerstörung ihrer Hauptstadt den Hiera« p y t n i c r n. Servius sagt: Diciuoui, nion» «5>. i>» (^l«^ln, nl'l Ui^wlnun» Ui,5^lul, dieses bezieht sich auf ciuell hohen Berg, denn Ori^llnnin Niclllmnn« I.., dieses im Alterthum so berühmte Kraut wachst nicht ans niedrigen Bergen, und kci« ncswcgs am gnossisch cn Dikta, sondern sein Standort bezicht sich auf ein hohes Gebirge, das Lassiti sch e. Her« nach führen andere Schriftsteller (ki^inol. ^uct.) an: „l)i- eta mon» (^retlle et I'i'omontui'inm veis«» m»io I^I)icum (^!) »lklin. Hier stimmt cs mit dem lassitl'schen Gebirge abcr^ mals übcrein, denn der prafische Dicm hat kein Vorge« birge an der Südseite der Insel. Es ist ferner auffallend, warum das große lafsitische Gebirge, welches an Höhe und Umfang den Lcucaori und dem I d a selbst wenig nachgibt, in den alten Zcitcn gänzlich ohne Namen geblieben seyn sollte; auch ist seine Fruchtbarkeit weit größer, als jene der übrigen beyden. Strabo wußte freylich dieses Gebirge nicht zu nennen, und rechtfertiget sich deshalb ganz kurz mit dcn Worten: Außer dicsen si n d n o ch andc-. re sowohl gegen Osten als gegen Wcsicu gel^ 2öi genen Berge, die mit den Alpen (Ida und Leu-caori) sehr viel Aehnlichkcit haben. Dieses al« les berechtiget uns, cin zweytes ctcokrctischcs Pra« sos an der Südseite der Insel zu vermuthen, noch mehr aber das jetzige lassitische Gebirge den Eteocretischen Dicta zu benennen, ihn dadurch von dem gnossisch en und dem p rafischen zu unterscheiden, und also 3 Berge dieses Na-> mcns auf Kreta anzunehmen. Einen heiligen Hügel (H i e< ra-pytna) gab es am Berge Ida; dieß gab zur Grün< dung von Hicrapytna Anlaß, woselbst der damaligen Gottheit auch ein solcher Hügel geweiht worden seyn mochte, daher konnte der Name Dikta sich auch auf mehrere Berge beziehen. Ein dem Lassiti ähnliches Wort findet sich bey keinem Schriftsteller über Kreta, selbst bey dcm so reichhaltigen Stcphanus von Byzanz nicht, Cyteu m (Kv-H«,o^), ein bischöflicher Sitz im Mittelaltcr, ist das jetzige, bereits aber zerstörte Sctia, von welchem der ganze ösi< liche Theil, vom Isthmus an gerechnet, den Namcn erhalten hat. Allein dieses Sctia, oder in der Landessprache Stia genannt, wird gemeiniglich von allen Schriftstellern und Reiscbcschrcibern mit Lassiti verwechselt, welches man sogar Lasihi nennen will, eine Benennung, welche nirgends von den Einwohnern gebraucht wird. Wie diese Verwechslung Statt finden konnte, ist sonderbar und unbegreiflich; es wäre ungefähr eben so, wenn man die Ricscnlnppc mit dcm Brocken verwechseln wollt?, weil beyde in Deutsche land liegen. Lassiti ist jedoch höchst wahrscheinlich ein neuerer Name, dessen Ursprung von Lyctos und Lytton abgeleitet werden kömue. Vielleicht wird man dieser Insel jetzt mehr Aufmerksamkeit schenken, da die Bewohner sich 252 jetzt, aller schlechten Vermuthungen der frühern Reisenden ungeachtet, so trefflich auszeichnen, und der etcocretischen Herkunft würdig sind. Das Vorgebirge aber, wohin ssch Britomartis vor den« sie verfolgenden Minos gefiüch< tct haben, und wo sie der Mythe nach in die Netze der Fi« scher gefallen seyn soll, muß, der Lokalität zufolge, selbst wenn es als Fabel betrachtet wird, bey Gnossus im Ge< biete des Minos gesucht werden; denn Aratus sagt zum Unterschiede von ^un,««tli Das war also der wichtige hydrovische Kranke, bey dem ich hatte alle Lügen des Domeniko bejahen soNeu. Er wußte und kannte die höchst wichtige Ursache dicsee Krankhcit t Nerven sch wache und Atonic wegen über« siandencr Pest; warum gab er ihm nicht nach Umsiandcll bald flüchtige Reizmittel, nervenstärkende nnd verdauungs-befördernde Mittel, bittere, geistige, eisenhaltige Arzeneyen, warum schwächte er ihn mit süßen Dingen, und gab die hier ganj gegcnangczcigte Scilla, und was bezweckte er mit den zweymal hintcrcittander aufgelegten Vcsikantien, als, wcil die Wassersucht zu langsam fortging, durch einen künstlichen Brand seinen Endzweck früher zu erreichen. — Ich war voll Grimm über diese Bosheit. Der Kranke, der aufrecht saß und dessen Augen etwas glotzten, bat mich nun um Hülfe, weil sich sein Znstand verschlimmere; er habe jetzt einen sehr be» engten Athem und unruhige Nächte. Seinen Vorschlag, insgeheim zu ihm zu kommen, damit es Domcniko nicht erfahre, und der Pascha, dessen Leibarzt er war, darüber nicht ungehalten oder aufgebracht würde, als ob sein Leib« arzt ihm nicht auch Genüge thun sollte, konnte ich um so weniger annehmen, als ich von der Fruchtlosigkeit meiner Bemühungen im voraus überzeugt war, keine Medikamente besaß, es anch in die Lange nicht verborgen bleiben konnte, und Domeniko sogar im wahrscheinlichen Todesfälle außer Schuld gekommen seyn und belt ungünstigen Erfolg mir, zugeschrieben haben würde. Statt Hülfe gab ich ihm Trost, und versprach wirdcr zu kommen. Der französische Consul, dcm diese Cm' bekannt war, durfte als Geschäftsmann, seines Postens wegen, von dcr Lage der Dinge unterrichtet seyn. Der roscnrothe Chasma-dar, der Liebling und Verwandte des Pascha, wollte an die Stelle des alten Chiaja - Bcy, und gab darum dcm Leib-arjt Domeniko ein gutes Wort, die Cur nicht gar ju ge< .57 wissenhaft zu lcilcit.--------Domcnico hatte meinc Anwc» senhcit beym Kiaga-Vey schon dcnftlbcn Abend ersah, ren, und spielte am andern Morgen den Schmollenden. Auf seine Vorwürfe gab ich ganz gleichgültig zur Antwort, ich hatte bcy jcmandcn einen bloßen Besuch gemacht, und wisse nicht einmal, wer dieser vornehme Herr ware; denn im Haust hatte man überall türkisch gesprochen. Nun war er ganz anders, rechnete mir in einem Athem vor, was er ihm an China, Valcriana, Colombo, Liquor Hofmanni, Crocus martis gegeben habe, und setzte hinzu: der Alte habe ihm seine ganze Apotheke aufgezehrt! Sachte rückte ich nun mit den Vesikantien hervor; hier meinte er, als der Kiaga-Bey um Vcsikanticn geschickt hätte, wäre er nicht zu Hause gc« Wesen, sein Bruder der Goldschmied (!) hätte es gethan. Er wußte wohl was in diesem Falle zu thun nothwendig war, dachte aber nicht, dasj ich alles selbst gekostet, und mich nach dem Geschmacke der Medikamente erkundigt hatte. Jetzt durchschaute ich das ganze Gewebe von Trug und Bosheit, und zweifelte nicht mehr an seiner absichtlichen Gcwisscnlo« sigteit.--------Der arme Kiaga-Bcy sandte nach einigen Tagen wieder zn mir, ich ging und fand ihn in einem bckla« genswerthcn Zustande. Die Vesicanticn sahen haßlich aus, sein Auge glotzte sehr stark, sein Kopf war ihm wie Vlcy, und meine Frage: warum er so aufrecht im Lager sitze? bc< antwortete er damit: weil er bcy niedriger Lage in Gefahr sey zu ersticken, und dann von schreckbaren Träumen erwache; das Schwappcrn in der Brust und die Percussion überzeugten mich von der nun vollkommen ausgebildeten Brusiwasscrsilcht. Ich sah sein Lebensende als unvermeidlich voraus, gab ihm freudigen Trost — zum Abschied auf immer — und am i^tcn Tage, als ich mich bereits wi'cdcr ans dem Lande befand — war cr — todt. — Wehe einem Vvsi« Theil. R 258 Land«, wo die Aerzte ihr Gewissen nicht rein erhalten! Furchtbar geht es in der Levante zu, wo keine medimnschc Polizcy existirt. Die kandiotischcn Aerzte, deren Neu« gicrbe ich auf eine für mich selbst interessante und belehren, dc Weift zu befriedigen wußte, waren mir sehr gewogen, ihre nicht widersinnigen, nur aber sehr drolligen Ansichten brachten oft meine Verlorne gutt Laune schnell wieder zurück. Sie fragt:n mich oft nach Dingen, die der mittelmäßigste Arzt schon albern gefunden hätte, und überraschten mich mit Urtheilen, die den erfahrensten zur Ehre würden gereicht haben. Diese Aerzte, ungefähr »2 an der Zahl, hatten ihre Gewölbe oder laden auf den Gassen, und waren mehr Apotheker, da sie alle Medikamente selbst bereiteten; dagegen die Türken in Candia die Chirurgie für sich behielten, und zugleich Barbiere und Caffcesieder waren. Mein Georgi gehörte auch unter diese Aerzte, hattc dabey schon europaischen Zuschnitt, sprach aber auch noch zu viel von Blutversüßen und Safteverdünnen, und man konnte ihm so, wie dem Hippocrates, nur den einzigen Vor. wurfmachen, daß er etwas zu viel aufdic Gallc halte. Diese Aerzte kamen oft einer nach dem andern, die gesammelten Wanzen kennen zu lernen, und freuten sich, wenn sie etwas Neues hörten oder fanden. Einer derselben, der uns auch besuchte, erzählte dem Georgi eine Krankengeschichte, welche sich so cbcn zugetragen haben sollte, und ich wurde von ihrer Wahrheit um so mehr überzeugt, als Hr. Ar-chiaterDomcnico, oder wie man ihn sonst nannte, A r-chiriater, früher schon etwas davon gegen mich hattc vcr< lauten lassen. Ich setze nun einiges aus dieser Erzählung in der Absicht her, um das Thun uud Treiben in der Levante deutlicher vorzulegen, und die Mißhandlungen, welche ohne Gewissen dort verübt wcrdc», naher zu beleuchten. Die schwächliche Frau eines reichen Griechen fühlte seit einiger 25g Zeit ein Schwappen im Unterlcibe, und hiclt fich übcrdieß für im «ten Monate schwanger. Die kandiotlschen Aerzte verwiesen sie daher zur Geduld, da sich dieser wassersüchtige Zustand mit der Geburt ohnehin endigen würde. Allein man wollte auch dcn Hrn. Domcnico darüber vernehmen. Cr kam, das Ocdcm erklärte er für Bauchwassersucht, und längnctc der Frau, die sich selbst fühlte, daß sie schwan. ger sey. Als sie darauf bestand, untersuchte er sorgfältiger, und behauptete nun, daß sie Molen habe. Er drang nun in eine Operation, schilderte die Gefahr so dringend, jene so künstlich, daß cr sick) die Halste der bedungenen Summe von 2o«o Piaster sogleich geben ließ; denn von dem Leibarzt des Pascha durste niemand zurücktreten, wenn es sich gleich um Gut und Leben handelte. Der unglückliche Tag erschien; er machte die Punktur, aber kein Wasser erschien, kein 5erum und keine Lymphe; betroffen ließ er eine Binde um den Un, tcrlcib schlagen und von 2 Mannern zusammenziehen; allein es floß kein Wasser ab. Er meinte also, noch nicht tief genug geschnitten zu haben, setzte wieder an, und fuhr endlich durch. Jetzt gab es Wasser in Menge — und cr ging nun nach leichtem Verband triumphircnd nach Hause. — Dieser unglückselige Mensch hatte wahrscheinlich eine Hydromctra verkannt, welche wahrend der Schwangerschaft allmahlig zugenommen hatte; hielt es für einen ^citez, erklärte die Frucht für 2 Molen, die doch schon in dcn ersten Monaten abtreten, und brachte so Kind und Mutter ums Leben! — Kaum war er fort, so traten heftige Wehen ein, die arme Frau gebar mit unzähligen Schmerzen einen todten Knaben, an welchem die Striemen der applizirtcn Binde zu sehen wa. ren; er hatte alle Kennzeichen einer « monatlichen Frucht, und widerlegte sattsam die Behauptung dieses Charlatans, welcher vielleicht in seiner eigenen Zirbeldrüse 2 Molen moch, tc gehabt haben. Am /ten Tage starb auch die Frau! - R -2 ^Lc, Wenn wir auch zugeben, daß die Krankheit eine wirkliche Sack« Wassersucht war, was konnte ihn bestimmen, kurz vor der Geburt einc Operation vorzunehmen. Schon das Entsetzen dcr dortigen Einwohner vor dem Messer mußte, wenn es auch nur Molen gewesen wären, dle gefährlichsten Folgen nach sich ziehen. Er wurde auf die Schwangerschaft aufmerksam gemacht, die Mutter bestand darauf, daß das Kind lebe. Wer würde in diesem Zustande, dcr von hundertartigen Zufallen begleitet ist, welche alle nach dcr Zeit von selbst verschwin. d2 sie jetzt seit »4 Tagen ein Fieber mit fliegender Hitze und Beängstigungen habe. Während der wiederholten Gespräche entschlüpfte ihr der Name Domenico. Die Aerzte ent< färbten sich, denn sie wollten seinen Namen verabredeter, maßen nur erst am Ende nennen, um eine unpartcyische Un< tersuckung zu veranlassen. Dieser Unglücksvogcl war also auch hicr der durchgreifende Arzt gewesen. Mein Antrag wurde, was in der That in der Turkey unerhört isi, gebilligt, und ich fand einen birnförmigen halbvcrcitcrtcn Polypen, dessen Wurzel an dem Hintcrrandc des Muttermundes fcst saß. Mein Erstaunen hatte keine Grenzen. Eine Zsiündige Mutterumsiülpung war mir wohl bekannt, aber eine 3jähri. ge nicht; indcsi einen Vorfall von einem Polypen durch den schmerzlosen Druck, das einfachste und sicherste Merkmal, nicht wahrzunehmen und unterscheiden zu können, war doch das Kennzeichen einer unverzeihlichen Ignoranz. Nnn rückte der hereingetreteneGiovanni mit der Farbe heraus, und sagte zum Manne, wir sind gerechtfertigt, und haben an dem Befinden ihrer Frau keine.Schuld; wir haben es redlich mit Ihrer Familie gemeint, der Beweis isi klar. Man drang nun in mich, die Kranke zu übernehmen, und bot mir 6 lcr der festen Theile des Beckens vorhanden, das Kind, besonders wcnn es todt war, konnte mit leichter Mühe herausgeholt werden; der Arm war weder brandig noch schwarz, und selbst beym Mangel des Pulses der Tod des Kindes nicht gewiß, um die Mutter zugleich in Gefahr zu setzen, nach abgenommenem Arm aber die Perforation höchst überflüssig; allein ohne Operation war nichts zu gewinnen, und so wurden beyde geopfert, indem die Mutter in das w arme Bad gelegt wurde, was allein schon an sich', auch außer diesen Umständen, tödtlich werden mußte. — So wer-' den in cincm barbarischen Lande, wo keine Aufsicht ist und die Regierung das Leben und Gcsundhcitswohl der Men« schen gering schätzt, die größten Grausamkeiten von habsüchtigen Vagabunden verübt —. Ohne mich im mindesten in alle diese Verhaltnisse zu mengen, blieb ich mit Domenico stets in gutem Vernehmen, denn man kann in der Levante nicht jedermann vermeiden, wcnn man auch will, und wcnn er gleich die Erwirkung einer Erlaubniß, den entfernten Theil der Insel bereisen zu dürfen, auf mein Ansuchen nicht mehr betrieb; so erreichte ich meinen Zweck auf eine andere Art. — Ich hatte dem Georgi aufgetragen, auf alles, was uns auf unserer Neisc nach dem östlichen Theile der Insel nütz« lich seyn könnte, vorzüglich Acht zu haben; es traf sich, daß ein reicher Türke, welcher in jener Gegend die meisten Besitzungen hatte, Effcndaki ' Chalil' Aga, sich unsern Besuch erbat, da sein einziger Sohn, ein Knabe von 3 Jahren , krank lag. Ich erkannte es für einen äußern Wasserkopf, und erkundigte mich unter andern, ob nicht ein zurückgetriebener Ausschlag daran Schuld sey. Es bestätigte sich, 265 dcun man hatte, um denselben zu vertreiben, eine Salbe angewendet, die man von einem alten Weibe bekommen hatte, denn auch dort behaupten die altcn Weiber ihre Rollen. Außer entsprechenden innern Mitteln verordnete ich laue Bäder, Frottinmgcn, Bähungen mit Wein, und leichte Räu< chcrungcn, worauf nach einigen Tagen der Ausschlag erschien, die Krankheit sich hob, und dcm Knaben besser ward. Dieß machte, daß er mir mehrere Empfehlungsbriefe gab, welche an Freunde sowohl als an seine Subbaschis (Verwalter) gerichtet waren. — Es war ein gebildeter rechtschaffener Mann, von offener Physiognomie, vieler Klugheit und Energie; jeder Arme und Hülflosc, ohne Unterschied der Religion, fand an ihm einen Beschützer und Frcuud. Er selbst äußerte, als wir auf seinem Divan saßen, daß er vorzüglich Ursache habe, Reisenden, insbesondere Europäern, in jeder Hinsicht gefällig zu seyn, da ihm dieses schon die Dankbarkeit gegen dieselben zur Pflicht mache. Er gab uns Aufschluß über diese Aeußerung durch eine kleine Erzählung, die er also begann: Nach der Wieder« eroberung von Aegyptcn durch die Engländer und Türken, nach den Schlachten bey Abukir und Cairo, und nach der Rückkehr Bonaparte's nach Frankreich, befand ich mich in Cypern. Ein Theil des türkischen Heeres war zurück-» gekehrt, ein junger französischer Officicr, der sich unter dem rohen Theile unserer Nation als Gefangener befand, hatte Handtl bekommen, wurde verfolgt und floh zu mir. Ich vertheidigte ihn gegen den heranbringenden Haufen, vcrlaugnetc ihn, reichte ihm türkische Kleider, und sandte ihn auf meine Landgüter nach Candia, von wo er mit französischen Kaufleuten in sein Vaterland, und zwar nach Marseille, glücklich zurückkehrte. — Gleich darauf wurde G c n u a von Oesterrcichem und Russen zu Laube, und von den Engländern zur Sce belagert, und -66 eine Hungcrsnoth herrschte darin. Eben in Konstantine pel anwesend, beschloß ich cinc Unternehmung zu wagen, und mit meinen 2 Schiffen Genua mit Getreide zu Hülfe zu kommen. Ich nahm daher meine Ladung für Livorno, lenkte aber von der Straße ab, hielt mich an Corsika, und richtete meinen Lanf gegen Toulon, um so bey Genua vorbeystrcichen zu können. Ich erblickte endlich die englische 80 Segel starke Flotte vor Genua, welche daselbst kreuzte, und steuerte auf sie zu. An, Signalschiff wurde die englische Flagge aufgezogen, ich band meine türkische auf, welche in die Höhe flog: man fragte mich nun, wohin ich segelte, ich gab zur Antwort: nach Livorno. Warum ich mich so weit entfernt habe: ich hatte mich verirrt — und nun ersuchte ich die Englander, die Nacht hindurch in der Nahe der Flotte zubringen zu dürfen. Man belustigte sich über mich, sagte Chalil°Aga — weil ich ein Türke schien — bald zurückblicb, bald hin- und hersegelte, und absichtlich schlecht manipuliren ließ, um keinen Verdacht zu erwecken, ich blieb immer etwas zurück, drückte mich gegen das Land, als sich aber plötzlich ein gün. siigcr Wind erhob, ließ ich alle dazu eingerichteten Segel fallen, und der Wind trug mich in der Dämmerung pfeil. schnell in den Haftn von Genua. Ich war schon aus der Kanoncnweiie, als man auf dem nächsten Schiffe auf mich zu bombardircn anfing. Ich verkaufte nun in der Stadt l4aao Chilo Getreide, jeden zu 80 Piaster, allein nichts war vermögend, die Erlaubniß zu erhalten, mich mit der baarcn Summe einschiffe« zu dürfen- Allein ich traf meinen Freund, den französischen Officicr, den ich auf Cypern gerettet hatte. Er erkannte mich, ficl mir um dcn Hals, und führte mich zu seinem Onkel, einem französischen Obersten. Durch seine Verwendung allein erhielt ich meine Summe, und endlich die Erlaubniß, 267 mich mit dem baaren Gelde einzuschiffen. Als ich nach Kon« siantinopcl zurückkam, und man hier den glücklichen Aus-gang meiner Unternehmung erfuhr, wurde ich vergiftet, denn man hatte beschlossen, sich in mein Vermögen zu theilen, doch der vortreffliche östreichische Gesanbtschaftsarzt Loren, z o, der, so lange er lebte, der berühmteste in ganz Kon-siantinopel, blieb, rettete mich glücklich; ihm dankbar verpflichtet, floh ich Hieher, und lebe seitdem auf meinen Gütern , welche nun schuldenfrcy sind. Sie sehen hieraus, so sagte Chalil-Aga, warum ich mich gegen Reisende, welche der Freundschaft bedürfen, gefällig zeige, ja ich gestehe mit Vergnügen, auch gegen ihre Nation, da ich durch einen östreichischen Arzt gerettet worden bin, Verpflichtungen zu haben. Kaum war er zu Ende, so traten Iam'tscharcn-Officiere ein, welche, als sie den Zweck der Reise erfuhren, bemerkten, ich könnte ohne einen I a sags» (Ehrenwache) — d. h. ohne einen Faullcnzer von Iamtscharcn — gar nicht dahin mich begeben, da man für die Sicherheit meiner Person vcr< antwortlich sey, und was dergleichen Bemerkungen mehrere waren. Mcs kam nun darauf an, mich eines so kostspieligen, als unnützen und hinderlichen Begleiters zu entledigen, welches auch der Betriebsamkeit des Georgi vollkommen gelang. — Es wurden uns nun die größten Hindernisse in den Weg gelegt, damit wir nicht ohne einen Iasagsi reisen könnten, und zwar aus keiner andern Ursache, als um den Gewinn, welchen wir — Ehren halber — auf die beliebige Forderung des Ianitscharen hätten zahlen müssen, nicht zu verlieren, und sich mit ihm darein theilen zu können. In solchen Fällen pflegen die Hindernisse sehr groß zu seyn. Ein glückliches Ungefähr brachte alles zu Stande, als wir schon jede Hoffnung aufgegeben hatten. Da ich Hrn. Domcnico um nichts mehr ersuchen, und aus Mangel 2l'« an persönlicher Achtung ihm auch weiter nicht verbindlich seyn mochte, den französischen Consul aber aus Dclicatesse, da ihm das erste Bujurti nicht ausgestellt worden war, in cin fnr ihn eben so unangenehmes Geschäft nicht verwickeln wollte, so mußten andere Wege eröffnet werden, um zum Zwecke zu gelangen. Hier mußte mir das Bischen Arzney-künde wieder auf die Beine helfen. Einer der reichsten Land. bescher, cin Türke aus dem schönen Thale von Mirabelle, der au einer eignen Krankheit, wie man sagte, darnicdcrlag, gab seinem Bruder in der Stadt den Auftrag, den so eben angekommenen Arzt zu einer Reise zu ihm zu bewegen. Geor« gi erwiederte sogleich sehr schlau, daß er die Unkosten eines Iasagsi tragen müßte, welchen man uns aufdringen wolle. Da nun die Türken, die schon L inne als Asiaten folgendermaßen charaktm'sirt: ll«ui Nennungen ihrer Thäler und ihrer Städte, nur hin und wieder hört man einen Namen, der an die Zeiten der griechischen Geschichte hinaufreicht. Wir genossen der Gegenwart. Ein Kranz von waldigen und begrünten Hügeln umschlang das Thal bis an den Meerbusen von Critza herab. Eine Menge der schönsten Pflanzen wnchcrten an den Fclspartien, an moosigen Quellen und von Bäumen geschützt, in schönster Blüthe. Die dicken fleischigen Stengel der 'lka^ia und rei-ul« kamen wie Spargelschosse aus allen Steinen hervor, an beyden Seiten des Weges hing der Granatapfelbaum von den Mauern mit einer Last scharlachrother Blüthen her< unter, und überall sah man fröhliche Dörfchen und weiß-glänzende Landhäuser. Als die Venetianer dieses Thal cr. blickten, konnten sie wohl um den Namen nicht verlegen seyn, denn das erste, was sie sagen mußten, war: kl ira Kelln.- Bewundere das Schöne. — Der erste Ort, den wir erreichten, war Lacida, unser Bestimmungsort. Wer wird daran zweifeln, daß es das al< tc Lycastns ist, welches der ewige Zankapfel zwischen den Lycticrn, Nauciern und Gnossicrn gewesen war? Wir wurden bestens aufgenommen und beherbergt. Unser Kranke machte st eben einen entsetzlichen Lärm, und wollte in seinem Wahnfmne einen seiner besten Freunde schlagen. Man wehrte ihn ab, und benachrichtigte ihn, der fränkische Arzt wäre angekommen ihn gesund zu machen. Das Gesundmachen, glauben dort die Leute, hänge blos vom Willen des ArztcS ab, und kommt ihnen ungefähr so wie bey uns das Sattesscn an einem gut gesalzenen Braten, und 284 wie die Wahrscheinlichkeit der Auflage eines Buches bey er« öffncter Pranumcration vor. Ein gut gesalzener Braten und eine verspätete Auflage schaden indessen beyde nichts.-------- Er nahm uns sogleich beruhigt und sogar sehr liebreich auf, und mit Thränen bat cr mich, ihm zn helfen, weil sein Zustand äußerst peinigend für ihn sey. Er ließ stinen Knaben kommen, den er mit seiner Frau, einer Griechin, gezeugt hatte, und sagte mir, ich sollte mich des Kindes wegen erbarmen, weil er wohl wisse, daß ich glaube, cr selbst als Muselman sey einer solchen Wohlthat nicht werth. Ich lernte ben ihm alle Ausdrücke, und die Art, sich in diesen Ländern gcgcn die zu benehmen, welche man zu irgend, einem Schritte bewegen will, kennen. Sah er mich, so legte cr immer die Hand auf den Scheitel, und sprach: du bist hoch oben auf meinem Haupte. 1-i e^an« sw co^lilliimu: was wir sonst durch die Hand auf das Herz zu bezeichnen pflegen. Aus der Krankengeschichte erfuhr ich, daß ein übermäßiger Genuß des Weines und eine Erkaltung ihm diesen Zustand eines halben Wahnsinns verursacht hatten: es war aber mehr ein Nerven-Erethismus, welcher in einer überaus großen Unruhe bestand, die sich durch narkotische Mittel wohl beschwichtigen, aber nicht heben ließ. Man sagte mir nun, daß er Opium zu sich nehme, und nur, wenn cr eine Pille davon verschluckt hatte, ruhig schlafen könne. Ich ließ mir sie zeigen, und erblickte eine Schachtel von anderthalb Pfund Opium, die zum Dritthcil ansgclecrt war, und sodann noch eine zweyte ganz volle Schachtel von eben dem Gewicht. Eine jede Pille wog 2o Wcizenkörner, also ungsfähr 2 Skrupel, ein Drittel da« von war Aloe, 2 Drittel aber Opium! Auf meine Frage, wer ihm dicse gegeben habe, hieß es: als cr in der Stadt war, hatte Hr. Domcm'co sie ihm zum Gebrauche nach La-cida mit gegeben. Nun konnte ich mir den Unwillen desscl« 285 ben erklären, als es hieß, dieser vornehme Kranke wünschte mich zu sprechen, und warum er mir zn dieser Reise einige unbedeutende Medikamente versagte. Eine so übermäßige Dosis einem Kranken anzugewöhnen, und weiter nichts zu thun, machte mir in der That üblcs Blut, und 4oc» Piaster ließ er sich für 2 solche Schachteln Opiumpillcn zahlen, um ihn — wie er mir sagte — auf ein ganzes Iahr los zu werden. Welche Gewissenlosigkeit! Ihm die Opil, m< pille Abends zu versagen, war jetzt nicht möglich, denn er verfiel in Convulsioncn, und sein Anblick war fürchterlich! Leichter wäre die Heilung gewesen, wenn ihn nicht Dome-nico dadurch ganzlich verdorben hätte. Der Kranke vertrug nichts, was auf die Nerven wirkte, als blos narcotische Mittel. Diese tonnten aber nicht zum Zwecke fuhren, und sie wurden auch schon angewendet. Ich benahm ihm also, obwohl er Türke war, allen Wein, Rum und Arak, den er trank, und licsi ihm die bittersten Dekokte von (^n^niinin des Morgens statt dcs Frühstücks reichen, um ihm die gci-siigcn Getränke znm Ekel zu machen, jagte ihn aus dem Hause hinaus, llicß ihn reiten, in der Nahe Besuche abstatten, befahl ihm, dreymal in der Woche kaltes Seebad zu nehmen und sich mit dem Dscherid-Werfen zu beschäftigen. Dieß wirkte binnen wenigen Tagen so vortheilhaft auf ihn, daß ich seinem Schreiber befehlen konnte, von der Abendpillc 1 Drittel wegzuschneiden, um sie ihm allmahlig abzugcwöh« nen. Dieser Gutsherr war einer der reichsten Privaten dieser Insel, man intcressirtc sich allgemein für ihn selbst, der Pascha von Candia nahm Antheil. Dieses verleitete den Domcnico, ohne daß ich etwas davon wußte, von mir auszusprengen, ja sogar cs dem Pascha selbst zn sagen, ich wäre nicht im Stande ihn zu heilen, weil ich noch übcrdicß, was auch der Fall wirklich war» keine Arzcncycn besäße. Zum Unglück aber für ihn und zu seiner Beschämung, hielt 286 sich ein Freund und Anverwandter, der nach Candia in Ge-schäftcn reiste, als ich auf dem Lassitischcn Gebirge war, zn Lacida auf, und erstaunte über die Ruhe und das Wohlbefinden des Kranken. Er rcisete fort. Vom Pascha m Candia wurde cr zufälliger Weise in Gegenwart seines Arztes Domcmco nach dem Befinden des Aga gefragt, und da der Bericht günstig war, fragte der Pascha seinen Archia-ter, wie es komme, daß mir etwas ohne Arzneyen gelungen sey? Beschämt stand nun Domenico da — denn die großen Herren lassen sich nicht ungestraft eine Unwahrheit aufheften. — So haben immer fremde Menschen meine Rechtfertigung übernommen! Dem Georgi übertrug ich die Befolgung dieses Verhaltens, um wenigstens wahrend meiner Anwesenheit sagen zu können, er habe sich gebessert; denn so etwas mit Verpflichtungen zu übernehmen, lag nicht im Zwecke meines Hierseyns. Ich entfernte mich nun auf einige Tage nach dem berühmten und mir so oft gepriesenen Gcbirgsthalc von Lassiti, nachdem ich die Gegend rings herum kcnueu gelernt hatte —. Ein armer Papa des Orts erbot sich, mit seinem Maul-thiere mich dahin zubringen, und ging zu Fuße nebenher. Erst auf den Wege nahm ich an dem Gruße der Vorübergehenden wahr, daß der arme Mann seine Kappe nicht aus Armuth, sondern als Geistlicher trage, sie nannten ihn Dcspota, gebietender Herr, und sogar Hagiasu, Ihro Heiligkeit! Dieß befremdete mich gar sehr. Der Weg ging steil aufwärts über Felsen und AbHange, und kurz darauf an einer verlassenen Kirche vorüber in einen anmuthigen Wald. Es zeigte sich die kleinblättrige Kokkos-Eichc, und der ^IisnämwZ, oder der kretische Ahorn, in Menge; dieser stand bereits in Samen, welche purpurro-the Flügel hatten, was sich ungemein gut ausnahm; in geringer Entfernung sah er dem Kirschbaume, mit reifen 2»7 Früchten beladen, vollkommen gleich. Endlich wurde bey den kühlen Lüftchen, welche in dieser zunehmenden Gcbirgs< höhe uns entgegen fächelten, Mittag. Mein lieber Papa konntt nicht mehr von der Stelle. Wegen der Aposteltage war wieder eine strenge 4otagige Fasten, sai-ac««^ wn ^o«. tuion genannt, eingetreten, wo der Grieche weder Milch, noch Eyer, weder Butter noch Käse genießen darf. Er gestand halb weinerlich, heute noch nichts genossen zu haben, und seinem Maulthiere hatte er auch nichts gegeben. Er erweckte mein Mitleid, denn der Hunger sah ihm aus dem Gesichte so plastisch hervor, als das Verlangen nach meinem Proviant. Ich gab ihm Brot und auch Wein, so daß er fröhlich wurde; der Käse stach ihm aber auch noch in die Augen, und er fragte mich, ob cs Sünde sey, ihn zu kosten, Gottbewahre, gab ich zur Antwort, ich halte cs für keineSünde; denkt ihr so wie ich, so greift zu. Diesen Scelcntrost hatte er entweder erwartet oder vermuthet; kurz er aß vom Käse, und hatte eine große Freude darüber; ich sah cs ihm an, daß er diese Sünde auf meine Seele gebracht zu haben glaubte, weil ich es ihm erlaubt hatte; welche Heuchelcy! Sein Maulthicr benagte die Straucher, hatte auch nichts im Magen und sollte bergan; mich ärgerte dieses, da wir allzuspat nach dem Gc« birgsthale gelangen konnten, und es nur schmujigcr Geiz dieses Papa war, der nicht einmal dem Maulthicrc cine Hand« voll Heu gegönnt hatte.'— Oben strotzten die Felsen von echtem Wiuttr, Majoran und Wohlgemuth, der sich erst bey sno ToistN jU zeigen anfing. Origanum sm^i-nouin UNd rreticum war dagegen häufig im Thale, allein Origatimu ülaru und vicwmnus nur auf den größten Höhen zu finden. — Wohlgemuth, sprach ich — herrlicher Name — der Gipfel war erstiegen, und das flache Land breitete sich vor weinen Blicken aus. Es ist «in großer von Bergen um» ^88 schlossener Gebirgssee, welcher seit Jahrtausenden ausge^ trocknet und bebaut, unterirdische Abzüge für sein Gewässer besitzt. Links ab schimmerte im tiefen Gruudc das stltsam gebildete Thal von Lassiti. Wenigstens 4oc,Toiscn über dcr See erhaben, besäst es noch Weinbau und Getreide, aber keine Oelbaumc mehr. Ein Kranz übereinander gcthürmtcr Alpen, auf deren einem Joche ich stand, hatte sich dicht geschlossen bey jener Weltenbildung vereinigt und unifaßte eine ovale Ebe< ne, mit den fruchtbarsten Getreidefeldern besetzt, ^ deut« sche Meile in dcr Lange und H deutsche Meilen in der Brei. te. Rings hcrum am Gebirge lagen Dörfer an dcr Lehne angebaut, deren Vorzüglichsie Mangula und Zermiade waren. Dcr Abfluß ist merkwürdig. Cs gibt am westlichen Ende zwey tiefe Schlündc, in Welche sich dcr Wirbel der Gebirgswässcr kräuselnd und schaumend herabzieht. Da diese Felsenhöhlen mit ga::zcn Stammen und Bäumen verstopft sind, so bildet sich im Frühling die untere Hälfte der Ebene in einen See um, wclchcr alles überschwemmt, aber auch wohlthätig befruchtet, indem die trüben Gcbirgswasscr ihren Schlamm fallen lassen. Dieser Schlünde gibt cs zwey, sie gehen senkrecht in die Erde. Das verschlungene Gewässer stürzt außerhalb des Gebirges tief im Thale meh« rere Stunden entfernt hervor, und bildet den Fluß A pose lemi. Die Flüsse des östlichen Kreta vertrocknen früher als an dessen Westseite. Im Iuny führen sie kein Wasser wehr. Die Gebirge sind nicht so hoch und so weitschicktig. Das Thal ist fruchtbar und ein wahres Getreideland. Nach die« scm ist das Thal von Gortyna, jetztM e ssa r ah genannt, das trefflichste. Den Wein habe ich dort von ausgezeichneter Güte gefunden, so wie allc Gebirgswcine, wenn sie sorg-sam behandelt wcrdcn. Tourncfort, der daselbst in dem Dörfchen Plati übernachtet hatte, will denselben gar nicht loben, auch ist er mit dem Wege sehr unzufrieden, wo- 2«9 bey er jedoch ehcr Recht hat. Drey bis vier kleine Kegelbcr« ge, welche im Hintcrgundc der Ebene mit ihren Spitzen her-vorragten, bewicstn, daß ehedem der Grund ein tiefes Thal gewesen war, welches das herabstürzende Gewässer mit Schlamm und Steinen ausgefüllt hatte. Die Ausfüllungs. masse des Thals ist der verwitterte Flötzkalksiein der Gebirge, welcher zn meiner Verwunderung zu einer betrachtlichen Höhe hinaufreichte, was selten der Fall ist. Seine Schichten sind vollkommen horizontal, oft nicht einmal Z" dick abgesetzt worden, so daß man an denselben im ersten Augenblicke weder ein Streichen noch ein Fallen angeben kann, wenn ersteres die Lagc der Insel nicht selbst bestimmte. Die Gebirge sind, einige kleine durchbrochene Seen an ihrer Seite, welche herrlich bewachsen sind, ausgenommen, völlig kahl; die Eichenart Oorcu» n«x, ist sparsam, und blühte hier kaum erst, im Thale aber schon seit 8 Wochen. Die wenigen Kräuter geben auch nur einen unbedeutenden Hu. mus, die Trockenheit der Gebirge begünstiget keine Dammerde, die Wälder sind alle abgetrieben, und die Fluchen waschen endlich alles ab. Wir bogen links abwärts, und meine angenehm be-schäftigtc Phantasie wurde überall auf das Ueberraschendsie in Thätigkeit erhalten; kaum konnte mir etwas drolligeres aufstosicn, als ich aufblickte, und hoch obcn weit über alle Dörfer cmpor cinc Ncihe von 26 Windmühlen an einem scharfen Bcrgkammc gewahr wurde, welche wenigstens auf einer Höhe von 75c» bis 800 Toiscn angebracht waren. Die komische Lage von einem halben Schock Windmühlen obcn an dem Gipfel der Schncegebirge, von denen einige sich bewegten, andere still standen, hielt mich lange auf, um zu sehen, warum solche da wären. — Da das Thal Lassiti tief im Grunde liegt, kein hinlängliches Wasser zu Mahlmühlen und auch keinen freyen Platz zu Windmühlen hat, mußten Erstcr Theil. T 290 sich die armen Leute entschließen, solche auf den unzugäng-lichsien Vcrgkammen anzubringen, die Materialien dazu hin« aufzuschleppcn, und das Getreide jedesmal auf das mühsamste hinauf und herunter auf Maulthiercn zu transport«'« ten. Man hieß diesen Ort Zaroma. Der ctcokrc« tische Dikta, welchen das getrennte Gewölk bald zeigte, bald wieder verbarg, hat 3 Hauptgipfel, wovon der hin« terc westliche Lazaro, der hintere östliche Madara, der nördliche höchste Effendi oder Stauro, der Berg des Herrn, heißt. Cs ist nicht daran zu zweifeln, daß Gebirgsvölkcr die streitbarsten sind, es können daher nur die Bewohner dieses Gebirges die von Homer gerühmten großherzigen Eteokreter seyn; übcrdicß stimme», alle Schrift-sieller mit Dio dor übereil,, daß die Ureinwohner Kretas, die Cyoomcr (Völker der weißen Gebirge), bl'e Idai Dactyl i die Bewohner des Ida, und die Eteo kreier, die den Dikta besetzt hielten, gewesen waren; nun sind die Sphakioten, der Psiloriti und das Gcbirg Lassiti die höchsten Theile der Insel, überdieß sagt Thophrastus nebst andern, baß sich die Ureinwohner — denn die Doricr, Pclasger, Achaier, Aegyvtier, welche dl'c Stadt Erythrea, die Spartaner, welche Lyctos bauten, die gcflüchtctcnSa-micr, welche Cydoma herstellten, waren Eingewandert« — von den kälter gewordenen Berghöhen in das Thal hcrabge, zogen hatten. Wohin sind nun die Bewohner des Gebirges Lassiti gezogen, oder wohin haben sie sich bey ihrer Vermehrung begeben? herab in das Thal, wo sie zuerst Prafos, ihre Hauptstadt, erbauten, so wie die Curtten noch in Höhlen wohnten, ehe man die Kunst, Gebäud< zu bauen,, erfand, und Gnossus und Gortyna gründete. Weit ansehnlicher mußte der auf Lassiti wohnende Urstamm der Kreter gewesen seyn, denn die herrlichen Weiden und ein mehrere Quadratmcilelt enthaltendes Ackerland besitzt dcr Ida und 2g» die weißen Berge von Canea nicht. Leider finde« sich fein« Spur von diesem merkwürdigen Thale in den alten Schriftstellern, und die Lyktier konnten auf keinen Fall hier ihr« Hauptstadt besitzen, obwohl der Name Lassiti von Lyctos abstammen kann, und Lytton, wie schon Strabo anführt, etwas hochgelegenes bedeutet. Die Lage vom Ch cr« ronesus, Minoa Lyctia ic. erlauben nicht, Lyctos im Thale von Lassiti zu suchen, welches aber ohne allen Zwei« ftl den Lycticrn muß angehört haben. Das Unzugängliche dieses Thales verursachte auch die Abgeschiedenheit ihrer Bewohner von den Flachlandern, und das unbedeutende Eingreifen in die Angelegenheiten von Kreta, dessen Geschichte ohnehin uns sehr spärlich erhalten ist. ^ Die zwar wenigen doch gcwürzhaften Pflanzen dieses Kranzgebirges ernähren eine große Menge Heerdcn; die Ziege ist übrigens für Krc« ta geboren, und jede Wand wird heimgesucht; lein Felsen ist so steil, keine Abhänge sind so schroff, daß sie nicht jeder, zeit sich Nahrung davon zu verschaffen wüßte. Das Fleisch der Ziege ist hier zu jeder Iahrszeit, so wie das Schafsteisch von dem vortrefflichsten Geschmacke, besonders die jungen Ziegen verdienen ein ausgezeichnetes Lob. Die Ockonomie scheint überhaupt in diesem Thale höher gestiegen zu seyn, doch Armuth ist wohl an keinem Orte zu finden, wenn sie nicht auch auf Lassiti ihren Wohnfitz aufgeschlagen hat. Der an einander gereihte Kranz der riugslnn angebau« ten Dörfer bestehet aus »3 Oertchcn, als: an der Nordseite, Zcrmiadc, Marmazeto, Messa-Lassiti, Ha« gios«Constantinos, Hagios-Gcorg ios, das Kloster mit einigen Caloycren an einem Hügel östlich, und un« ten an den Abzugsschlündcn westlich: Lagos und Pota-> Mos; an der Südseite bey Hagios-Gcorgios ango fangen, Kaminaki, Magula, Psychr^, Plat', Ge. rodomuri und Gaiduromadra. " Man rechnete in T ' 2I2 diesem Thale ungefähr 2000 Menschen, worunter i6<, Pa. pas; das Kloster hat »o Caloyers und einen Vorsteher, Igumen 0 s. Im Jahre 1817 starben hier viele Lcnte vor Hunger. Ueber 200 Tage im Jahre fasten sie, und erlernen doch das Hungern nicht. Sie sind sehr gutmüthig, besitzen fröhliche Physiognomien, ein gefälliges, doch, wie nicht zu verargen, leutscheucs Benehmen; das Frauenzimmer ist durchaus wohlgebildct, die Männer sind aber nicht so froh» lich und muthwillig, als gemeiniglich das Landvolk ist. Auch die gemeinsten medizinischen Kenntnisse besitzen sie nicht, mit dem Aderlaß und dem Purgiren heilen sie alles. In der Wasser- und Bleichsucht, der Polycholic und der Schwangerschaft lassen sie fleißig zur Ader, und auch am isicn May, als ob sie dessen zu viel hätten. Bis Ende März, wenn unten im Thale und an der Küste alles blühet, bleibt hier der Schnee in der Flache des Thales Lassiti liegen. Zur Schnittzeit gehen sie die 3 — 4 Stunden weit herab, um ihren Thalbrüdern zu helfen, und diese kommen dafür wieder ins Gebirge und leisten ihnen Beystand, cnt« weder nach wechselseitiger Abfindung, oder gegen Geld. Meinen Dolmetscher Georgi, welcher in Lacida zurückgeblieben war, kannte man, denn auch hier hatte seine Vaccination Eingang gefunden. Ich kam nach Zcrmiadc, dem nächsten Dorfe, und zog bey dem Chadfi. Georgi, dem Vorgesetzten des Dörfchens, ein. Chadsi nennt man einen jeden Pilgrim, welcher als Christ in Jerusalem oder als Turk in Mekka war< Dieser Titel ist sehr ehrenvoll; die Geistlichkeit respectirt denselben, und wcnn es nicht nothwendig ist stinen ausdrückli-chcn Namen zu nennen, so wird ein solcher immer nur Chadsi, Pilgrim, genannt. Es ist ein geistlicher Adel, und kann mit unserm von in gleichen Rang gesetzt werden, mit dem einzigen Unterschied, daß er dort nur jenem ertheilt 2y5 wird, dem er zukommt. Dic Türkcn machen eS flch indeß sehr bequem. Da die Pilgerreise nach Mekka so großen Gefahren ausgesetzt ist, und von der Zahl jener, welche zu Lande reisen, oft kaum zwey Drittel wieder zurückkommen, so schicken gewöhnlich die Reichen einen ihrer Klienten auf eigene Kosten nach Mekka, und kommt dieser zurück, so erhält er durch eine Cession den Namen Chadsi von dem von ihm Abgeschickten gerichtlich ausgcantwortct» der Pilger darf ihn jedoch öffentlich nicht führen, stirbt er aber, so wirb er mit allen Ehrenbezeugungen, bic jener Titel mit sich bringt, dennoch begraben. So hieß em Großer aus Canea, den der Grosihcrr listiger Weise wegen scincs großen Reichthums !«i5 hatte strangulircn lassen, Chadsi« Ehmin -Effendi, da er die Andacht am Grabe des Propheten durch seinen Subbaschi hatte verrichten lassen. — Dcr Chadsi«Georgi hatte, wie man bald bemerkte, mehrere Länder bereist, und kannte vieles, was man dessen ungeachtet nicht so leicht vorausgesetzt hattc. Ich machte mit ihm cmcn Spazicrgang und wurde vicle seltene Pflanzen gewahr; so traf ich hier zum erstenmal den ^ztrugalnZ crelicu», kretischen Traganthsirauch, der so eben zu blühen an« fing, in dem Gerölle der Gicsibachc, aus dem höhcrn Gebirge hcrabgcschwemmt, an. 3cüdi<)82 erelica, ktciekeli' na I'i'l,lllco«ll) Za^unaria, vi^co3i«»illia, und N'.chrcre andere fanden sich im Hintergrunde des Fclscnö in grosicr Menge. In dem niedlichen Kloster St. Georg, oder Hagios Georgios (D sch ordschios) sprachen wir cm. Die al-testen Caloycrs erwähuttn, sich unter einander simtend, dasi schon seit 27 Jahren niemand von Europäern odcr.Franken auf den Lassiti gekommen sty. Man war, allerley zu hörcu, begierig, vorzüglich ob und wann die Herrschaft der Türken endigen wcrdc? Ich lobte aber im Gcgcuthcil dic Verfassung der Türken, und bemerkte, Yaß die Gricchcn frey von 2Z4 Kriegsdiensten wäre», und wenn der Vater 5 Söhne hätte, so behalte er das Vergnügen, sie alle um sich herum zu se< hcn. Die Abgaben waren fünffach kleiner als jene der Europaer, und vor Bedrückungen könnten sie sich durch Em< tracht schützen; endlich setzte ich hinzu, daß das gegenwärtige Uebel oft nicht so schlimm sey, als das gchosstc Gute. Ich war zu ähnlichen Aeußerungen gezwungen, um ihnen ihre Lage eben sowohl erträglich und sie auf manche Vortheile aufmerksam zu machen, als auch keinen Anlaß zu Mißdeutungen meiner ohnehin befremdenden Gegenwart zu geben. Man brachte mir nun von einem Felsen nächst Zcrmiaoc, den Dian^u, noi^M,«, die spitzblattrige Ctrauchnclke, das mit einer blauen Pyramiden-rispc blühende I^louin 2 ^lunüUiui, gefiederte Rapwurzcl, Coiunillil Lloko«a, und mehrere andere, welche mich für mei' ncn Gang hichcr schadlos hielten. Nach einem leichten Mittagsmahle, bey welchem mein Papa von meinem Wcinglasc keinen Gebrauch machen woll« te, weil ich Fleischspeisen gegessen hatte, brach ich nn't die< sem meinen Scheinheiligen auf und ging denselben Weg nach Lacida zurück, wo wir gegen Abend auf unserer schönen Straße dnrch den Iler. und Coccos-Eichwald hindurch, schlüpfend wohlbehalten anlangten. Auf dem Wege bcdaucr« tc ich, kemcn Barometer ausCandia mitgenommen zu haben, allein ich mußte froh seyn, kein bedeutenderes Misitramll erregt zu haben, und, um nicht alles vereitelt zu sehen, mich entschließen, einiges zu entbehren. Die Höhe des Gebirges Lassiti habe ich nach ungefähr 12 bis 18 Pflanzen, welche auf allen 3 Gebirgen zugleich wachsen, in verschiedenen Höhen vorkommen und in einer bestimmten Elevation am häufigsten getroffen werden, weit schärfer bestimmt, als ich es dnrch eine Schätzung hätte festsetzen können, indem ich auf dem Rückwege von der Osiscitc dcr Instl, Lassiti noch einmal, bc» 2g5 suchte, und späterhin ben Ida und die Levcaori mehrmal mildem Barometer bestieg, wodurch ich die am Lassiti in gewissen Höhen beobachteten Pflanzen richtig anzugeben vermochte. Jetzt scheute ich mich sogar, nach den Namen der Dörfer zu fragen, und sie in meinen Brouillon einzutragen, aus Furcht vor allerley Unannehmlichkeiten, und um nicht etwa schon in der ersten Vereisung der Insel gehindert zu werden, da ich manches ohnehin bey der zweyten nachzutra« gen Willens war. — Als wir an die Stelle zurückkamen, wo der Papa den Käse auf meine Erlaubniß gegessen hatte, und uns daselbst wieder lagerten, hielt ich ihm seine Gleiß« ncrcyvor: „Den Tag vorher, da euch niemand beobachtete, habt ihr nach dem Käse gegrif« fen und curcFasten gebrochen, heute aber habt ihr mit meinem Messer nicht Brot schneiden und aus meinem Glase nicht We in trinken wollen, ohne es ausgewaschen zu haben, weil ich mir auf Butter zugerichtete Eyer hatte geben lassen! Schämt euch! Wäre ein tüchtiger Schinken jetzt da, so würbet ihr gewiß zugreifen; nun geschieht euch aber recht, eßt trocknes Brot, trinkt drüben, wenn wir zur Qucllc kommen, reines Wasser; ich behalte »leinen Wein und meinen Käse für mich. Mcin Patient in Lacida befand sich bcsscr, dcnn ich ließ es nicht an Ermüdung fehlen, cr mußtc sich auch zu Gartenarbeiten beqncmcn, wobey cr sich ungefähr so anschickte, wie etwa der Kaiser von China, wenn er mit seinen Staats-bcamtcn in jeden, Jahre das Feld pflügt; indeß bekam es ihm gut. An Zerstreuung, sobald mau es im Hallst nur wußte, dasi cs half, fehlte es ihm weiter nicht; Gastc wurden geladen, Besuche gemacht, kleine Jagden auf die trcff, lichen türkischen Rebhühner versucht, deren cs sehr viele auf 2 tigc. Ein Orangengarten bey dem Hause wurde mir sogleich, wie wir abgestiegen waren, gezeigt, von einem Felsen rieselte cinc Quelle im dichtesten Schatten herab, ein Ruhebett aus Rasen, cinc sehr seltene Erscheinung auf Kreta, lud Mich bey dem noch immer fortwährenden Echlagc bcr Nachtigallen ein, mich nicbcrzulasscn, dic blühenden Orangen um- 2oc> dufteten mich halb betäubend, ich legte mich hin und schlief bey dem Gesauscl der Winde, dem Gemurmel der Quelle, dem Gesänge der Nachtigallen, als ob ich aus Lethe getrunken hatte, sanft ein. Wenn dies der Todesschlummer ist, so wünsche ich gern zu sterben. Man suchte mich auf, siöv-te mich in meinem Schlummer, und weckte mich, ich sollte zur Eßplattc hinwandern, dic Beine unter einander schlagen und mit den Fingern in die Schüssel greifen- Alles Sträuben half nichts. Die guten Leutchen waren sehr neugierig, eine Eigenschaft, die mich sonst einzunehmen pflegt — wollten vieles erfahren, und was Sitten und Gebränchc unserer Lander anbetrifft, wissen. In der That sehr sonderbar, daß fremde Handlungsweise den Menschen auch hier zur Neugierde reizt. Ich machte sie indeß mit allem bekannt, was mit ihren Vorbcgriffen übereinstimmte, und richtete meine Erzählung so ein, daß sie, ohne getroffen zu werden, von selbst die Parallele ziehen mußten. Die Gricchcn, die dabey waren, wußten jedoch was ich wollte; übrigens kostete es Niemandem die frohe Laune, als mir selbst, daman, um mich zn einem Pillaw zu nöthigen, den ich nicht mochte, mich um meinen ambrosischen Schlummer gebracht hatte. Meine getrockneten Pflanzen und die Papiere sandte ich nach Can-dia in meine Wohnung zurück, miethete Gaule und Maul-thicre nach Girapetr o, und verließ den ^6. I„ny «acida mit dem frohen Bewußtseyn, so vicl gethan zu haben, als die Umstände erlaubten. Georgs, der sich mit dem Kranken sehr viel zu thun gemacht hattc, erhielt dennoch keine Entschädigung, wclchcs ihn um so mehr verdroß, als ihm nach seinem Vorgeben eine Zusage geschehen war. Ich tröstete ihn um so mehr als ick) mir attcs in dicscm barbarischen Lande verbindlich machen wollte, und dcn schmuzigcn Geiz zu schonen hatte, um mir Freunde zu erwerben, und mir Begünstigungen für mcinc Rcisc zu verschaffen, wclchcs 3ol mir so stets gelingen mußte, da ich genöthigt war, auS Mangel an zweckmäßigen Papieren, welche meinen Aufent« halt auf dieser Insel sichern konnten, auf eine andere Art mein Unternehmen zu erleichtern. Gcorgi schwor aber, sich nie auf Etwas einzulassen, ohne vorher zu wissen, was er zu hoffen habe. Ich lächelte über ihn, indem ich ihm merken ließ, daß es in meiner Gegenwart wohl nicht geschehen dürfte. Ich hielt es ihm damals für übel, jetzt legt man mir es zur Last. — Er hielt leider zu meinem Nachtheile und Kummer Wort, wie es sich gleich zeigen wird. Der Oleander machte mir ungcmcincs Vergnügen, denn mit seinen Blüthen wollte es nicht zu Ende gehen, der Boden war mit seinen 3, auch sogar 4 Zoll im Durchmesser halten« den rosenfarbenen Blumen überstreut und geschmückt- Auch hier erblickte ich eine silberfarbene stachlige noch blüthenlose Pflanze, welche ich schon früher auf dem Wege nach Lassiti gesehen, und dem Aussehen nach für cin^-n-lmm, Pfticmen-sirauch, gehalten hatte; wie groß war aber mein Erstaunen, a»s ich statt einer Schmetterlings-Blüthe eine rachcnförmige erblickte, und dieses Paradoxon der zwcilippigcn Familie für die 5laoU^ »i"l!c>8ll erkannte, da doch auch nicht die geringste Wahrscheinlichkeit vorhanden zu styn schien, es an die Salbey, den Gamander, die Lavendel und andere ahn« lichc Blumen anreihen zu dürfen. Ich blickte auf die schneebedeckten Gipfel des mahleri-Dicta, und suchte den Eindruck dieser Tage auf Lassiti wieder in mir zu beleben. Ich dachte an Halle r's Alpen, und meine blcycrnen Flügel versuchten sich jenem Manne nachzuschwingen, welcher den Naturforschern, so wie Humboldt den Reisenden zum unerreichbaren Muster dienen wird. ZO2 Die Alpen Kreta's. Unser. Gebiet erhebt sich über die Masten Tauenbelasteter Schiffe, Und Klippen umringen den wellcnbcsiürmtcn Fuß. Niedergebeugt von des Schnees umhüllendem Kleide, Seufzt der Dryade Gestöhn aus der Cypresse hervor. Der Winde drängende Fluth umschauert die glanzenden Kuppen, Und blendendes Licht schickt unser wolkenbcrührcndcs Haupt. Sanft schmilzt des cw'gen Eises unerschöpflich erneuerte Masse, Und feuchtet im sengenden Strahl das lechzend dürstende Land. Zur Jahres heitersten Blaue entblößen wir der gewähltesten Blüthen Farbenprangcnbe unübertroffene Zier, Und mildern im luftigen Aether, durch kühlenden Schwung gehorchender Winde Und sanft bethaucnb Gewölk der Sonne verzehrende Glut; Wir lieben der Hirten echobegleitetc Lieder Und klimmender Heerdcn fernschallcndcs Glockengetön, Doch des rostenden Pfluges erdaufreißende Wunden Hasset der schmuckvolle Teppich blüthcsirotzender Höhen, Welche der kreisende Aar mit rauschenden Flügeln umschwebt, Der Oreade Gebiet fliehen die Joche der Ceres, Und im Gefolge Dictynncns flötet der hüpfende Pan. Der Thaler tobender Lärm flicht die felsigen Wände, Und einsame Stille umfangt des Wand'rcrs einfachen Sinn l Nur rauschender Bache fallend Gewässer durchbricht Wie die Sonn' das Gewölk der Felsen gespaltene Klüfte, Der Ströme Fürsien entspringen aus unserm Schooßc, Zu durcheilen der Götter schaucrflüstcrndc Haine, Und fließen mit Ruhm den Fluchen des Oceans zu. 3c>3 Ich ärgerte mich über die Dummheit unsers Führers, welcher armen Griechen, die aus Girapctro mit Töpfen beladen kamen, nicht ausweichen wollte. Die schwer bepack« ten Maulthiere geriethen in Gefahr, durch unsere über den Haufen geworfen zu werden, und die armen Töpfer schrien ängstlich um ihre zerbrechliche Habscligkcit, es schien als ob ihr Lärm die Töpfe vor dem Zerbrechen geschützt hatte; die Maulthicrc schlüpften wie Füchse unter einander durch, und kein Ton verrieth, daß in der Folge die kretischen Bäuerin« nen auf dem Jahrmärkte nöthig hatten, zweimal um die be« nöthigte Waare mit ihrem Knöchel zu pochen. — Wir lenkten unfeinen Felsen, als die schönen Wacholderbaume (luni-peru8 I>kc)onie<.>a) schlanker, dichter und größer wurden. Von der Bleyglasur der Töpfe gcrieth Georgi, welcher nun einmal das Frag- und Kundschaftsamt in Pacht genommen zu haben schien, auf die Vergiftungen im Allgemeinen, welche sich so häufig in der Türkey ereignen, und bat mich, ihm ei-nigc wissenschaftliche Verhaltungsrcgcln mitzutheilen. Ich gab ihm solche, theilte die Gifte in Klassen und Ordnungen ab, zeigte ihm den Unterschied zwischen thierischen, Pflanzen-, und mineralischen, dann Mischen mechanischen und chemischen Giften, gab ihm die übrigen Ciuthcilungcn, um seine Uebersicht zu vervollständigen und ihn für die entsprechende Hülfslcistung im nothwendigen Falle vorzubereiten. Bekannt mit den meisten Arzneimitteln wurde ihm diese Darstellung sehr erleichtert und er dankte mir für die Regeln, welche ich ihm jetzt auf unserer Reise mittheilte. Nun erwähnte er, daß außer den vielen Vergiftungen, die sich unter den Tür« ken zu ereignen pflegen, auch die Abtreibung der Frucht eine der häufig vorkommenden sey. Ich laugncte ihm dieses um so weniger, da mir auf der Insel schon einige Zu-wuthungcn dieser Art gemacht worden waren, von denen ich nur erwähne, daß ich sie auf die ocn Umstanden angemessene 5(i4 Art obenhin ober nachdrücklich ablehnte. Ich bemerkte ihm auf seine Forderung, daß ihm dieses zu wissen gänzlich über. fiüssig scy, da es sich um Vergiftungen schnell zu hcbcn handle, und für diesen besondern Fall kcinc Hülfe möglich sey, und meinte, daß wenn er nicht Kenntnisse genug besitze, sich natürliche Ereignisse dieser Art befriedigend erklären zu können, er den Hergang auf eine gewaltsame mörderische Weise gar nicht zu wissen brauche. In der That fand ich die löbliche Vorsicht, daß ich ihm die Kenntniß überflüssiger Gegenstände verweigerte, nie so trefflich, als eben dies« mal, belohnt. Die Vorsehung schien mich zu der harten Prüfung anscrkohren zu haben, bey Rettung des Lebens dreyer Menschen mein eigenes auf die empfindlichste Weise auf's Spiel zu setzen, mich mit den, bloßen Gefühl, rechtlich gehandelt, zu haben, zu entschädigen, und mir jcnc Seelen« ruhe zu geben, welche man nur durch das größte aller Opfer zu erreichen vermag. Nie hatte ich eine so schöne Lage und eine so zauberisch malerische Gegend bemerkt, als die von Cretza, und unser Vergritt auf einer sich am Rücken des Berges emporwindenden Straße schien uns aus einem irdischen Paradies in ein ätherisches empor zu tragen. Wasserfalle ohne Zahl, kleine und große, rieselten und stürzten am schattigen Felsen schäumend herab, der Zephyr, welcher lispelnd durch dic bewegten Blätter tausendjähriger Platanen fächelte, verschmolz seinen belebenden Hauch mit den Tönen fallender Gewässer, unl> zwischen den mi5 prachtvollen Rosenblumcn geschmückten Olcandersiräuchcm, sammelte sich der Quellen unnennbare Zahl zu herabeilcndcn Bachen, welche dl'c Hufe unserer Zwit« terthiere benetzten. Um den Eindruck, den dieses vor dem sengenden Strahle der Sonne durch heiliges Dunkel hoher Platanen und göttlicher Eichen geschütztes Eden auf uns machte, zu erhöhen, begegnete uns nicht das kummerbe« 2o5 drückte Gerippe des schwcißvergeubcuben Lanbmanns, sondern nur fröhliches Antlitz mit durchFrohsinn geglätteten Etirncn vorbcycilcndcr Kreter lockte der Zufriedenheit Sprache in brusterlcichternocn Tönen hervor. Wo die sanfte Hand der liebenden Natur ihre Lieblinge schützt/ da gleitet der ver» nichtcnoe Druck des Geschickes von der Schulter des Be. drängten ab und der Hoffnung duftende Blume erzwingt sich ein Lächeln von ihrem harrenden Sohne! Das Dorf an der Höhe, woselbst wir Nachtlager halten wollten, war wie einst Lyctos von seinen Bewohnern vcr< lassen, allein wir kamen friedlich und mußten die Meinung widerlegen, auf Art der Gnossicr uns cmquartircn zu wollen, mu nicht abgewiesen zu werden. Ein blanker Thaler^ den ich hervorzog, machte begreiflich, daß die Möglichkeit, ihre Wünsche zn befriedigen, vorhanden fty, und es also nur von ihnen abhänge, sie erfüllt zu schcn. Cs war aber mehr Schcn als Mißtrauen, welche volleudk verschwand, als die Manner am Abend vom Felde kamen, uud ihre Grabscheite bcy Seite legten. Wein, Brot, Hühner, Eyer, Früchte wurden hcrbeyge schafft, und die wohlfeilen Preise ^reckten uns in unsern Forderungen nicht ab. Des Morgens hatten wir kaum die Sonne erblickt, als wir eilten, dlc Südseite der Instl und das lybische Mccr, welches sich unscrn Blik. kcn zum erstenmal entfaltete, in Augenschein zu nehmen. Im« wer längs der Noroscitc fortziehend, hattc ich cs selbst von Lassiti's Gebirgen nicht wahrnchmcn können, da vieler Schnee die belasteten Höhen deckte. Ich sehnte mich, auch die südliche Scite zn betreten, welche uns der warme Südwind, der vom Thalc herausstrich, verkündigte. Wir eilten nun ins Thal abwärts, bis die Hitze auf 23 Grad stieg, und wir endlich erschöpft an einem Brunnen Mittag hielten, der an «incm Ucberblcibstl von alten Gebäuden lag, welche der Aora, Argcllc, Britomartis, der Dictynna oder CM- Theil. U " 5ol; rincr andern Nymphe und Najaoe mochten gehciligct gcwe, sen seyn. Es war der ,7. Iuny, und weit und breit war alles schon im May auf der Südseite gcerntct, kahl standen die leeren Stoppeln auf den steinigen Feldern, nnd wir waren aus dem Frühling der Nordstitc in den Spätsommer der Südseite, der auf den Regen wartet, binnen wenigen Stunden herüber gewandert. Nicht Quellen, nlcht schöne Platanen oder begrünte Auen fesselten wie jenseits den stau.' nenden Blick; das todte Aussehen eines geplünderten Frncht-landes wurbc durch den fahlen Oelbaum nicht verschönert, der blos mit seinem schwachen Schatten dem müden Reisenden zusprach. Endlich erblickten wir um 2 Uhr Nachmittags die Trümmern des alten Hierapytna, dann das weiße Kagctt am Sccstrande und die zum Marktflecken herabgesunkene Stadt Girapetro. BaumwoÜcnfeldcr zeigten uns die keimenden Pflanzen, und Melonen rankten an altem Gemäuer. Wir hatten sehr übel gethan, und eine paradiesische Gegend mit einem trockenen Seesirande umgetauscht. Der Uebergang war zu schnell und zu bedeutend, um uns nicht die angenehme Laune beyder ohnehin drückenden Hitze zu rauben. Wir ritten zwischen den Terrassen der Felder dieser Stadt hinein, und ich mußte mein Maulthier über den Rücken einer verstümmelten, nun zum Wege herabgewürdigten Statue einer Minerva von weißem Marmor, der sich auf der Insel nicht findet und den ich für panschen erkannte, bedächtig leiten- Eine Blasphemie gegen die Musen, deren Nache über den Trümmern von Hieravytna ruht. Wir suchten ei. ne Wobmmg, als uns der Dascalos, ein Grieche, so viel als Schreiber und Ockonomicaufschcr der dem Besitzer von Girapetro zugehörigen Gründe, und nebst dem Subbasch i, der immer ein Türke Stellvertreter desselben ist, der Vornehmere dieses ärmlichen Städtchens, uns entgegen kam und uns im herrschaftlichen Gebäude ein gutes-Zimmer zu Wege Z»7 brachte, wo wir uns erleichtert fühlten !!Nd ausruhen woll. ten. Seine besondere Freundlichkeit, ^clch? sich vor a!/cn übrigen auszeichnete, machte mich glmlbcn, mem Dolmetscher Geörgi wäre schon vorher mit ihm bekannt gewesen, allein dieser versicherte mich, daß cr ihn jetzt das erstcmal gcsthen habe und nicht wisse, wodurch wir uns seine Freundschaft erworben hätten. Im Augenblick war cr wieder da, nnd lud uns zum Abendessen cm, als wir eben bcschaftigt warcn, Anstalten dazu zu treffen. Ich vcrmnthttc daher natürlich, daß jemand von der Familie krank seyn werde, und eines guten Rathes bedürfe. In seinem Huzse bemerkte ich a^ich wirklich seinen ältesten Eohl?, einen Burschen vvn »4 Jahren, welcher an einem, hier in der uugcsimden Lage Gira-pctro's znr Sommerszeit herrschenden Wcchsclsiebcr krank war; allein ein geringschätzender Blick gegen seinen Sohn belehrte mich, daß cr eine andere Bitte vorzutragen habe. Fröhlich endete das frugale Mahl. Auf einem fußhohen Schemel wurde eine eiserne Platte niedergesetzt, auf welcher rauchende Schüssclchen mit gedämpftem Fleische, Ragouts, zartem Hühnerfleisch, Pillaw, eine cigcnc Zurichtung von weichgekochtem Reiße mit Butter, dann Früchte dicht an ciliaudcr gesteckt waren: Brotschnitte ragten dazwischen hervor, und die Löffel musite man unter denselben hcr-vorsuchen, Messer bedürfte man nicht, da alles mürbe war. Wein — echter Malvasicr — wurde in ein Glas aus der Kanne gegossen, und jedem, der es begehrte, gereicht, den« auf der Tischplatte selbst hatte er nicht Raum. Ans Polstern am Boden saßen wir mit einwärts gekrümmten Beinen, und sahen dem Wirthe zu, welcher eine große Schüssel mit kiei' nen Schnecken vor sich hatte, die er begierig verschlang, aber zu ihrer Aufzehrung, seiner Gcschicklichkeit ungeachtet, lan. ge Zeit bedürfte. Ein alter liebenswürdiger Mann in sehr unansehnlichem Anzüge trat nun ins Zimmer, nil!) wnrde U 2 3a8 als Arzt des Ortes bewillkomme, seine Gutmüthigkeit leuchtete ihm aus dem Auge, als cr uns begrüßte, und ohne Zudringlichkeit schlüpften ihm angenehme Erzählungen von sciuen Reisen durcli Mgypteu und Syrien aus dem Munde. Nach einiger Unterhaltung begaben wir uns in unsere Wohnung zurück, uud ruhten von unserer fast zwcytägigcn Nci« st aus. > Des Morgens kam Georg, mit der Bemerkung zu mir, daß cr mir etwas mittheilen wolle, bat mich jedoch, das Gesagte z« verschweige», welches ich ihm für den Fall, daß ich Solches könnte, und weiter keine anderen Verpfsichtun. gen daraus entsprängen, zusagte. Er eröffnete mir nun, der Dascalos habe sich, ob er gleich ein vcchcirathcter Mann mit noch lebender Frau und 4 Kindern sey, von Licbe angetrieben mit einem jungen türkischen Mädchen, der einzi-grn Tochter schon betagter Aeltcru, eingelassen, uud — ich horchte hoch auf — die Folgen dieses Einverständnisses waren unbezweifclt. Sein Freund, der Dascalos, ringe mit der Verzweiflung, wenn es sich entdecken würde. Sollten nämlich die Aeltern des Mädchens durch eigenmächtige und schlechte Handlungen lenken oder abwenden zu wollen, da eben diese unbegreiflichen Verwirrungen oft so wunderbar einer nie vermutheten Auflösung entgegen gehen, dieses konnte und dürfte ich nicht. Dcm Menschen kommt es nicht zu^ die Mittel durch den Zweck zu heiligen — Gcorgi dankte mir für diese ernste Ermahnung — und ging an sein Geschäft. — Am andern Morgen, als ich mich hmanöbegeben wollte, wurde es im Hofe lebhaft, und mehrere bcladcnc Maulthicrc standen zur Abrcift bereit. Tic Lmldleutc luden noch einige Kleilugkcilen ans, als ich von d haltuug so vieler Menschen das zweifelhafte Leben ei-nes einzigen Ungeborncn aufzuopfern. Was für eine schreckliche Foltcrvrobe! Ich schauderte vor der Falle, welche man mir bereitet hatte, um so mehr zurück, als diese Person cinc gemeine griechische Dirne von dem schlechtesten Rufe war, und der Dascalos nur die Schande fürchtete, sich durch dieselbe vor aller Augen erniedrigt zu scheu, da cr beweibt war und 4 erwachsene Kinder hatte. Die Türken besänftigte cr mit einigen hundert Piastern, und nahm nach türkischen Gesetzen diese feile Person, vermittelst einer Erklärung an den Kadi, zum Weibe. Daher kam es, dasi von allcn dem nichts erfolgte, wodurch mau mich zu gängeln und misilmmchcn zu lölmcll vcnmllhtt hatte. Ich 3i/l siMe Gcorgi zur Rede, und fodcrte von ihm die Darstellung dcr Geschichte. Er sagte mir, daß er seit dcr Zcit nichts mit ihm zu thun gehabt habe, und heute fast in demselben Augenblicke, wie ich, von einer Excursion zurückgekommen sey; die frischen Gewachst, welche im Zimmer lagen, bestätigten dieß. Man hatte ihn sogleich geholt, und ihn dringend gebeten zu helfen; denn der Stadtarzt hatte, nach eingegebener Milch, erklärt, daß er außer Stande sey zu helfen, und sich auf uns berufen. Todesangst befiel die ar< mc Familie, weil sie wußten, baß ich nicht da war. Das Wcib raufte sich in dcr Verzweiflung die Haare aus, und ihre Wohnung war ein Bild des Entsetzens. Eine zahllose Menge Menschen füllte das Haus, als zum Glück Georgi ankam. Die starke Constitution dcs Vergifteten gewahrte die nöthige Frist, allein nichts glich meiner Befrcmdung, als mir Gcorgi eröffnete, daß er nicht eher zur Hülfslei-siung geschritten sey, als bis sie die Summe von 5c>c> Piastern, oder !2o fi. C. M., für seine glückliche Cur bestimmt, und in Gegenwart des Subbaschi und 2 Zeugen durch einen Handschlag sie zu bezahlen versprochen hatten; dicfi habc wieder 1« Minuten gedauert, und so sey fast eine halbe Stunde verflossen, ehe er sich nach eingenommenem Gifte erbrochen habc. „Und Sie haben," fing ich an, „solange „diesen in dcr schrecklichsten Todesangst Ringenden sehen ,,und um sein Leben Markt halten können?? sind wir denn „gewiß, daß er jetzt nicht noch stirbt, und haben Sie dann „nicht einen großen Antheil an seinem Tode durch diese Vcr< „zögcrung? Wie haben Sie auch nur einen Augenblick „warten, und ihm die Hülfe, welche ich Sie gelehrt ha-„bc, versagen können? Sie nichtswürdigcr boshafter „Mensch!" — „Es ist wahr," gab er mir zur Antwort, „daß ich gezögert habe; allein hatte ich nicht diest lieberem-„tmift getroffen, '.vcl^c hier zu Lande ohnehin üblich ist, so 3i5 „würbe ich jctzt gar nichts erhalten, man würde mich ab-„speisen und mir aus Gnade etwas zugeworfen habcn, denn „Undank ist der Welt Lohn! Sie werden sich überzeugen, „daß trotz der gegebenen, durch Zeugen bekräftigten Verficht „rung und des sprechenden Beweises des Geretteten, ich „große Mühe habcn werde, mein Geld von ihnen zu erhal< „ten; ich bitte Sie recht sehr, stehen Sie mir mit Ihrem Ansehen „bey, sagen Sie, daß ich Ihr Diener sey, dasi ich das Geld „nur in Ihrem Namen gefordert habe, daß es Ihnen eigew „thümlich zugchörc, daß Sie Kost, Rciscbedürfnisse für mich „bezahlen, und ich keinen Antheil daran besitze, denn die Tür-„kcn wollen mir nur etwa 5« Piaster t>» fi. C. M<) geben, „das übrige aber für sich behalten; hafte ich die Vorsicht „nicht gebraucht, so wäre Spott über meine Dummheit der „gewisse Lohn. Verzeihen Sie, daß ich erinnere, > daß Sie „die Wclt noch nicht so kennen, wie sie ist, ick) kenne die „Türken! und Sie werden sich davon überzeugen. Ich bit-„te Sie recht sehr darum; Sie wisse», daß ich arm bin, und „dennoch meinen jüngsten Bruder siudircn lasse; daß ich „selbst für die ganze Familie Sorge tragen und eine jede „günstige Gelegenheit benutzen mnß. Auch Sie werden sehr „viel zu thun habcn, sich das, Geld zu verschaffen, denn es „scheint mir, die Türken habcn es schon dem armen Dasca-„los abgefordert. Ich bitte, verlassen Sie mich nicht! —!" Hatte ich durch eine schnelle Einleitung dem Kranken noch zn rechter Zeit Hülfe gebracht, so sollte ich nun, was ick gemißbilligt hatte, noch obendrein rechtfertigen, mich aufs neue auf eine schlüpfrige Bahn begeben, dem Kadi und Subbasch i Trotz bieten, und sie sogar zwingen, das Gcld, welches einem Griechen, einem ihrer hart bc > drückten Unterthanen und Sclaven angehörte,, wieder herauszugeben. Neue Zmmtthungen und schwere Aufgaben! Gcorgi erklärte, nun, ich verlange mein Gcld, der Dasca- 3l0 lossagte ihm, die Türken hatten cs ihm abgenommen und solches schon im Besitz; da diese nun erfuhren, dasi ich es gcfodert habe, wurden sie niedrig höflich gegen mich, freundlich bis zum Ekel, und suchten mich zu bereden, mit der Halste zufrieden zu seyn. Um Gottes willen bat und weinte Gcorgi, ich solle cs nicht thun, ich möchte mich nur überwinden und auf meinen Fcrman pochen, den, da er in der Divansprache abgefaßt sey, zum Glück keiner recht zu verstehen im Staude sey. Uuangcnchm war mir diescs Geschäft, um so mehr, als mich Gcorgi auch verleitet hatte, ein Maulthicr in Stia um »5o Piaster zu kaufen, die es, noch schr jung, nicht werth war. Der Grieche, den er mir auf cine Aagige Excursion verschaffte, hatte scine Instru' ctioncn so schlecht befolgt, daß ich, mich auf ihn verlassend, die venctiamschcn Dukaten dafür hingab, und mich um das Doppelte betrogen fand. Ich sollte nun, obschon er mich zu einer solchen unnützen Ausgabe verleitet hatte, um ein Maulthicr zu seiner Wirthschaft ihm anzuschaffen, welches ungefähr der Preis seiner drcymonatlichen Begleitung war, ihm noch obendrein zu dieser Summe verhelfen. Dicscs zu erreichen, erleichterte mir indessen dic Furcht, in welche jetzt alle Türken versetzt waren, denn der Bruder ihres Gebieters, des Hrn. von Girapctro, war vor 6 Tagen auf Befehl des Grosihcrrn vom Pascha von Can-dia in sein Zimmer gelockt und durch Henker sirangulirt worden. Dieß seltene Beyspiel verursachte Schrecken auf der ganzen Insel. Die Bemerkung, daß ich jetzt nach Candia reist, von wo aus ich mir die Summe würde zu verschaffen wissen — machte sie daher augenblicklich kirre — und das Geld wurde mir übergeben. Die Türkcu sahen wohl ein, daß cs nur Vorwaud von mir war, daß dH Geld ihm wirklich angehöre, und zogen ihu mit dem schönen Maulthicre auf, wclchcs er von mir Ml Geschenk erhalten hatte. Sie koch- 3'7 ten Rache, m,d erschöpften sich in Planen, ihn zu verderben, — Vergebens hatte ich einen Tag früher dem Georgi gera» then, seinen Streit mit dem Papa wegen der Verlornen Gemme beyzulegen, sogleich hinzugehen, ihn zu bitten, und ihm, da sie wohl nicht mehr werth als 10 Piaster war, etwa »5 da» für zn geben. Der Papa, als er hörte, daß er das Geld errungen habe, foderte, vom Gegentheil angestiftet, ungestüm die Bezahlung; die Türken befahlen ihm, 2u« Piaster dafür zu begehren, welches der Alte zitternd that, und der Kadi mit im Spiele, drang nun in Gcorgi, die augenblickliche Zahlung zu leisten. Georgi befand sich in neuer Verlegenheit, und ich sollte helfen. Ich eilte nun in die Wohnung des Papa, der mich um Gottcswillen bat, ich solle nach eigenem Gutdünken diesen Streit beylegen, er thue Verzicht auf alles, denn den Ersatz für die Verlorne Antike, er möge so hoch oder niedrig seyn wie er wolle, würde ohnehin der Subbaschi in Beschlag nehmen. Ich zeigte nun den Abdruck in Wachs den Türken vor, und sagte zugleich, daß ich genöthigt sey, solchen in Candia dnrch zu-» vcrläßigc Personen, oder auf Veranlassung des Pascha/ schätzen zu lassen, der Rest von den Zoo Piastern, welche ich jetzt zu zahlen bereit sey, müßte mir dann nach Candi'a an den Consul, welcher meine Rechte schon verfechten würde, Übermacht werden. Dieß wirkte, besonders als ich hinzusetzte, daß ich meines Fcrmans wegen, als ein mit einem Empfehlungsbriefe des Großhcrrn versehener Reisen« der, außer den Capitulationsartikcln, welche ihnen wohl nicht unbekannt wären, uud außer ocm Schutze meines Consulats, auch mittelbar unter der Protection des Großh,errn stünde, und jede mir angethane Beleidigung als eine Herabsetzung groß herrlicher Befehle, .welche dem Pascha hmtcl'bracht werden müsse, anzusehen sey; mein Dolmetscher sey nun nach den Capitulatiousal> 3t8 tt'?et,l nicht wehr Unterthan der Pforte, sondern genieße denselben Schutz wic ich, und erst, wenn er bey mir austrcte, lanic cr wieder m seine vorigen Verhältnisse zurück; jctzt luüsst ich ihn also vor allen Bedrückungen schüz-zcn, und da der Besitzer des Siegelrings denselben früher um 5o Piaster nicht habe geben wollen, so könne der Ueber-schuß höchstens 2« Piaster betragen; ich böte aber zur Vcy< legung dieses Streites „och mehr, und zwar 5c. Piaster an. - Ich langte 10 Bischlick, Thaler von 5 kleinen Piastern, hervor, und reichte sie dcm so cbcn herbcygekommcncn Papa hin. Der Subbaschi beging die Unvorsichtigkeit, sie iiatt des Papa von mir zu nehmen und solche einzustecken. — Georgi war frey, er sagte mir aber, daß ich zu viel geboten hatte, und obwohl ich so gut sey und die übrigen ua Piaster auf mich nehmen wolle, so könne cr doch die 3a Piaster nicht verlieren. Der niederträchtige Subbaschi habe sie vor meinen Augen mir abgenommen, der Papa bekäme ohnchitt nichts davon, und er werde nicht ruhen, bis cr dieses Geld erhalten haben würde. Ich gebot ihm auf das nachdrücklichste, es einschläfern zu lassen, und weiter nichts zu beginnen; er könne froh seyn, daß cr so mit heiler Haut davon gekommen sey, er hatte mir nichts als Verdruß gemacht, und suche neue Handel; cr habe mir ferner durch das gekaufte Maulthicr ohnehin viel Schaden vcrnrsacht, da wir es durchaus nicht brauchten, und cs sogar unserm Zwecke zuwider sey; auch verschwieg ich ihm nicht, daß durch seine Verzögerung cr den Kranken geliefert haben würde — cr mir also Rücksichten schuldig sty. „Ach Herr, sagte er, „Sie sind zu gefühlvoll, lassen Cic nur die Leute ein wenig „zappeln, wenn ihnen das Geld lieber als ihre Gesundheit „ist, sie glauben nicht wic schmuzig man ist." „Hier bey „euch, das kann wohl seyn — aber nicht bey uns," sprach ich; „da springt man jedem Kranken/ jedem Unglücklichen 5l<) „sogleich bey. Sie sollten nur sehen, wenn elncr z. V- von „einem tollen Hunde gebissen wird, was dle Menschen bey „uns nicht alles thun, um zu helfen!" Allein dieß be schämte ihn nicht. — Der Triumph, eiue Anzahl Mohammedaner durch meine Aeußerungen zu Paaren getrieben zu sehen, konnte seine, einem Griechen, angcborne Rache ge« gen die Unterdrücker, die Türken, noch nicht sättigen, und ce enthielt sich, meines nachdrücklichen Gebots ungeachtet, nicht, dem Subbaschi, einen empfindlichen Streich zu spielen, und seine elenden 2o Piaster, welche ich ihm längst er« setzt hatte, von ihm hcraus.;upresscn, und ob er gleich mir gelobt hatte, es nicht zu thun, so hielt er doch nicht Wort. Er ging zum Subbaschi, heuchelte Freundschaft gegen ihn, dankte ihm für seine Verwendung, und vertraute ihm, daß ich über die schlechte Behandlung, welche mir nirgends noch, als eben hier, angethan worden ware, sehr erboßt sey, und morgen schon tiber Lassiti abzureisen gedenke, um ihn der 5o Piaster wegen, da er sich durch schleunige Zusich-sicckunss derselben offenbar verrathen hatte, bey dem Pascha ernstlich zu belangen. Nichts könne ihn retten, als eine Abbitte und die Zurückstellung des Geldes, denn das geringste, was ihm geschehen könnte, wäre, wenn es in Can-dia durch mich ruchtbar würde, augenblicklicher Verlust seines Dienstes als Subbasch,i und. die unvermeidliche Ungnade seines Herrn. — Ich saß eben in meinem Zimmer und brachte meine Papiere, Journale und andere Arbeiten in Ordnung, als sich plötzlich die Thür öffnete, und der Subbaschi, cm stolzer Osman, zu meinen Füßen hinstürzte, die 5n Piaster bittend emporhiclt, mich um Vergebung und Vergessenheit ängstlich sichte, und, aus Furcht vor seinem Leben, mich durch Ausrufung seines Allah zu besänftigen suchte! — Mein Befremden und meine Verwunderung über die Ursache dieser Scene hiclt lange genug an, um dcm 520 Subbaschi ben Verdacht einzuflößen, daß ich vielleicht nichts davon wisse. Schnell genug besann ich mich jedoch, suchte, um diesen, wiewohl gegen mein ausdrückliches Verbot, begangenen Streich dcs Gcorgi zn decken, den Beleidigten zu spickn, lehnte aber sein Geld mit den Worten ab: daß das, was ich gegeben hatte, aus freyem Willen und aus Ueberzeugung für das Verlorne rechtmäßig von mir be« zahlt worden sey, ich es also nicht zurücknehmen könne, denn cr werde wohl nicht glauben, daß ich mir etwas abbringen lassen würde. Er legte aber das Geld dennoch auf den Tisch und wollte hinaustreten, als ich aber nochmals er-klarte: daß ich es durchaus nicht wolle, und cr cs zu sich nehmen müsse, wandte cr sich Lu Gcorgi, welcher seine Schadenfreude nicht verbergen tonnte, und schien ihn darum zu bitten, cs zu nehmen. Dieser beging nun die Unvorsichtigkeit, das Geld, statt cs auf dem Tische liegen zu lassen, in Gegenwart des Subbaschi zn sich zu siek-kcn, wodurch cr sich, so wie früher jener, verrieth. — Der Subbaschi war auf das furchtbarste durch eine solche Er. niedrigung gekränkt, sein unbeugsamer mohammedanischer, Stolz hatte sich vor dem eines Franken beugen, und cr durch einen Griechen betrogen, schimpflich auf den Knieen sein verwirkt geglaubtes Leben erflehe,» müsscn., — Mir konnte niemand seine Achtung versagen, und selbst die Mohammedaner reichten mir bey der Abreist die Hände: es hatten nie die Umstände so vorthcilhaft gewirkt, die Schuldlosigkeit eines Menschen an der ganzen Verwirrung darzuthun als dic Mcinigc. Es war mir nicht unangenehm, zusehen, daß ich sowohl die Liebe der Mütter, als die Achtung der Männer mir errungen chattel ich liesi wenigstens keinen Feind in diesem Städtchen zurück. Dafür wurde Gcorgi, dcn ich jei?c nicht entbehren und auch nicht hülflos lasscit komitc, abcr in, der Stadt Caudia zu verabschieden beschloß, bitter 22» gehaßt, und man schmiedete neue Ränke, um ihn zu ver derben. Um die Erzählung dieser Begebenheit nicht durch andere Gegenstände zu unterbrechen, übergehe ich jetzt meine Abreise nach Stia und dem hohen Lassiti, stl'ne Besichtigung, die Zurückkchr nach Candia, und verfolge den Faden dieser Begebenheit. — Kaum waren wir nach einigen Wochen in Candia angelangt, so schickten wir uns an, den Ida zu bereisen, da uns sowohl der Ramadan der Türken, ihr Fasten- und zugleich ihr Carnevals-Monat, einige Zeit fesselte, als auch Erschö-pfung und Müdigkeit nach solchen Anstrengungen eintrat. Das Gerücht von dem zu Girapetro Vorgefallenen war schon bereits nach Candia gedrungen, und der französische Constll war so gütig, mein Benehmen in keiner Hinsicht zu tadeln, weswegen mir auch niemand in Candia abgeneigt wurde. Er entschuldigte selbst Georgi in Manchem, und war genau von den Ursachen unterrichtet, weshalb er von seinen Landsleutcn, besonders aber dcn griechischen Geist« lichen verfolgt wurde- Der österreichische Agent, Hr. Boo-ze, hatte verschiedener ökonomischer Umstände wegen seine Geschäfte niedergelegt, und mittlerweile war Hr. Lafle-ch cll e, cin^' gcborncr Pariser, aus Constantinopcl als Sc-crctär und Dolmetscher des französischen Consulats angekommen. Er war von einnehmendem Aeusicrn, sehr biederm Herzen, voll Zutrauen, freundlicher Offenheit und ohne alle Umstände. Ich hatte zwar eine eigene Wohnung unweit der Residenz des Pascha in einer Hauptstraße, aber ich war gewöhnlich im Hause des Consuls, und benutzte wahrend der kleinen Ferien seine Bibliothek. Der Besuch beym Bischöfe von Girapetro, einem jungen Manne von .^ Jahren, dem Neffen des Metropoliten, hatte zur Absichc, ihm über die Fruchtbarkeit seiner Gegend und die vielen Alterthümer ei'ügc angenehme Bemerkungen zu machen^ und ihn gclegcnt« Erster Theil. H 322 ll'ch um einige Aufschlüsse zu ersuchen. Cr erwähnte die Ge-schichte, ließ sich solche von Gcorgi in meinem Beyseyn erzählen, imd schloß mit den verdächtigen Worten: Ich hätte sollen diesen bösen Dascalos lieber -sterben lassen! Die Erörterung der Ursache dieser Bc« merkung verbat ich mir von geschäftigen Freunden, unter-suchte blc Krankheit des Vorstehers, und gab ihm auf sein Begehren guttu Rath, dcnu die Beschaffenheit der Affektion selbst überhob mich aller fernern Nachfrage. — Das freund« schaftlichc Verhältniß änderte nun plötzlich ein Brief des Papa aus Girap etro, welcher auf Anstiften der Rache» schnaubenden Türken den Gcorgi bey dem Bischöfe dieses Sprengels verklagte, dem eben Erwähnten, der sich seiner Krankheit wegen jetzt in Candia aufhielt, und fodertc die 5o Piaster zurück. Welcher Mittel man sich bedient habe, den Bischof von Girapetro gegen den Georgi zu reizen, ist mir unbekannt. So viel sagte man, er habe dem Papa nochzuGira-pctro gedroht, wenn er von ihm die 5o Piaster begehren würde, wolle er denselben beym Pascha verklagen, einen großen Schatz gefunden zu haben, wodurch der bemittelte Papa für seine Habsucht mit Tausenden von Piastern büßen würde. — Vielleicht mochte dies Gcorgi wirklich geäußert haben, allein man hatte ihm auch nicht schlecht mitgespielt; diese Bemerkung wurde indeß durch den Verfolg der Geschichte genugsam widerlegt, doch ein alter Groll wachte auf, fand Nahrung, und Gcorgi kam ohne mich in große Gefahr. Die von den Türken ungcmein geachtete und vrotegirte griechische Geistlichkeit nahm Antheil daran, denn Georgi hatte mehrere Jahre früher das Unglück, eben diesen Bischof von Girapetro ohne seine Schuld zu beleidigen, was hier jedoch nicht nahcr erörtert werden kann.-------- Im Hause dieses Bischofs Uon Girapctro wurde der San he drin abgeh^ttl:, und man sagte: „es ist besser, daß 333 „emcr des Volkes wcgcn sterbe, als das ganze Volt „zu Grunde gehe." Der redselige Gcorgi hatte hon der IVi l'll Nrm» einige unbedeutende Ansichten über Aberglau. ben, hierarchl'schcnDruck des griechischen Kle. rus, Mißbrauche und dcrgl. mitgebracht, und hatte die Unbedachtsamkeit: noch, außer den Kuhpocken, einige vernünftige Grundsätze einimpfen zu wollen. — Mich ersuch, te man durch den braven Arzt Giovanni, von welchem ich bereits ehrenvolle Erwähnung gethan habe, der Zusammen« kunft beyzuwohnen. Angstschweiß stand auf der Stirne des Gcorgi; cr bat mich, wieder mit zurück in die Wohnung des Lehrers zu gehen, von wo aus cr ohne mich nicht weg. gehen würde. Ich sah den Sturm voraus, der meinen Gesichtskreis schon zu verdunkeln anfing. Die Verhandlungen dieser Elen-den waren auf das Verderben dieses unvorsichtigen Menschen gerichtet, der unglücklicher Weise sich aus andern Landern andere Ansichten geholt hatte. Die ganze Anklage drehte sich um den Punkt: „Gcorgi scy ein böser Mensch, „und verdiene meinen Schutz nicht!" Ich legte ihnen nun gelassen vor, daß die ganze Veranlassung zu der gcgcnwär« tigen Versammlung bereits geendigt sey; führte an, was ich gethan hatte, und daß der Papa und der Subbaschi ftcy« willig auf die Summe refignirt hatten. Endlich zog ich den Abdruck von der Antike hervor, und sagte, daß, wenn Sie brauchbar gewesen wäre,, ich solche gewiß selbst gekauft ha» bcn würbe, sie wäre aber auf keinen Fall dcn 8teu Theil der gefederten Summe werth. Ich ersuchte sie, da ich bemerkte, daß Gcorgi anderer Ursachen wegen sich ihre Abneigung zugezogen habe, wenigstens zu warten, bis ich von dieser In, sel abreist und cr aus meinen Diensten wäre, dann könnten Sie ihn belangen und nach Gerechtigkeit bestrafen. Jetzt Ware er unschuldig, und wenn cr zu tadeln wäre, so ficle X 2 324 die Schuld ganz auf mich, denn ich hatte dicft ganzc Bcge« benhcit nach eignen Beweggründen aus reiner Ueberzeugung entschieden. Ihrem Begehren, den Georgi als nicht in meinen Diensten zu erklären, könne ich unmöglich willfahren, weil er meiner Hülfe bedürftig sey, und ich sowohl meine Pflichten gegen ihn als Mensch erfüllen müsse, als auch bic unscrc Existenz sichernden Capitulationsartikel in einem barbarischen Lande aufrecht zu erhalten verpflichtet sey; wo ich nicht zureichte, würbe der französische Consul, der meine Protektion übernommen habe, das Weitere ver. fügen. Ich fügte hinzu, basi ich ihm von Neuem das vor. sichtigste Betragen einschärfen werde, und ohnehin bald von Candia abreisen werde. — Der letztere Punkt war um so schlimmer; jetzt odcr nie, hieß es. Sic wcndttcn gegen meine Vorstellungen gar nichts ein, schicncn besänftigt zu seyn, sagten aber, daß er mir Schande mache, daß cr die Frankenklcidung usurpirc, ohne unter Protektion zu stehen, — welches aber nur außer meinen Diensten der Fall war — und verschwendeten Kunstgriffe und Schmcichclcyen, mir eine bloß mündliche Erklärung, oder auch nur cm Wort abzunöthigcn, welches verriethe: daß ich ihn nicht mchr wolle, nu't ihm unzufrieden ware, odcr auch nur, daß ich ihren Bitten nachgeben würde. Da aber allc Kunstgriffe an mir verloren gingen, denn sie trachteten nach seinem Leben, und ein Isca riot h konnt' ich nicht seyn, so fing sich di'c Versammlung an aufzulösen, die bessern oder muthloscn entfernten sich, die andern gcricthcn auf neue Plane, ich beschloß aber schleunige Entfernung des Gcorgi, als anf einmal der Bischof vou Girapetro vor Grimm weinend aufstand, mich mit aufgehobenen Händen bat, ihm denselben zu geben, um ihn vernichten zu können, und ausrief: ^oVc /l°/ T-^ov x'lf^^a-K,', A-a^«»H/.ä? — ?H5, ällrs ^T-cT-o^. Echaucr ergriff 2x5 ergriff mich, das Blut drang mir ins Geficht, und ich sagte erbittert, indcn, ich mich entfernte: „Sie erbärmlicher „Mensch, Sie kennen den Stolz eines Franken, und den „Edelmuth der Europaer nicht!" Ich sollte einen Menschen aufgeben, damit er ihn vernichten könnte. Was die Leu« te dort für sonderbare Freundschaftsbeweise fodern! alles nur die Schuld der Gcmüthsvcrdcrbniß durch die despotische Tyranncy der Türken. — Daraus ersah ich aber auch, daß nur ich das Leben dieses Unglücklichen zu schützen im Stande sey: deshalb nahm ich mir vor, ihn nicht zu veo lassen. Ich suchte daher den Gcorgi schleunigst aus der Stadt zn schassen, und verwies ihm, dasi er die vorgestrige Gele« gcnyeit versäumt habe, nach Mel id on i zu gehen um mich dort zu erwarten. Er weinte und sprach: jetzt könne er unmöglich von meiner Seite gehen, weil man ihm auflauere und gefangen uehmcu würde. Ich stellte ihm nun lebhaft vor, wic er sich bereits durch sein hartnäckiges Betragen geschadet, und seine Feinde, welche in einem barbarischen Staate alle Macht iAr jederzeit zu verderben besaßen, empfindlich beleidiget habe, dcnn er war wirklich so nnvorsich. tig gewescn, in der Stadt an mehrcrn Orten von den Schwächen, Fehlern und — Verbrechen — mancher Personen zn sprechen, welche auf Schonung ihrer Würde, ^wcnn auch nicht ihrer Person wegen Anspruch gehabt hätten; seine Unüberlegtheit schadete ihm um so mchr, da er keine Partey für sich hatte, und seine Reden und Handlungen nie-mand entschuldigte. Ich führte ihm sein bisHcn'ges Betragen zu Gemüthe, erinnerte, dasi er mir nichts als Verdruß verursacht habe, und daß ich leider, um sein L-bcn zu sichern, genöthigt sey, «hn zu behalten, das er eigentlich nicht verdiene, da er meine Gesundheit nicht schone. Unter den Personen, welche stint Feinde waren, nannte er den Girapctritcn, den 226 Dragoman des Pascha, die gewöhnlichen Henker der griechischen Nation, und den Hrn. Domcnico, Leibarzt desselben. Mit dem letztem hatte er sich überwerfen, weil cr ihm die Vaccine verweigerte, welche sein erkauftes Eigenthum war. Domem'co fodertc sie als neu angekommener Arzt von ihm, und hatte, wie gewöhnlich, ausgesprengt, cr habe cinc bessere mitgebracht, wodurch ihm alles zugefallen, und Gcorgi dieses unbedeutende Einkommen, mit welchem cr eine bedrückte Mutter und Schwester unterstützte und ihnen lmzhalf, ganz gewiß verloren haben würde. Den Müttern gebot daher Gcorgi, jedesmal ihre geimpften Kinder, besonders wenn die Blattern nn't Eiter gefüllt waren, ja dem suchenden Domcnico nicht zu zeigen, weil cr dann ir. gcnd daran etwas versuchen und dcr Gesundheit des Kindes schaden würde? Dieser unschuldige Nothbehclf, seine recht, mäßigen Vortheile zu sichern, brachte den Domcnico so auf, daß cr einen unversöhnlichen Haß auf ihn warf, und sich mit den übrigen Feinden gegen ihn verband. Gcorgi hatte immer, aller seiner Fchlcr ungeachtet, Verdienste um seine Landslcutc, weil cr, wie schon gesagt, dcr erste war, der sich auf Kreta die Pockenmatcrie verschafft, und viele looa Kinder bcy den so hausig grassircndcn Epidemien schon vor dem Todc gesichert hatte, — und den Sklavcnznstand fühlen mochte, in welchem sein Vaterland gegen die 7 Inseln abstach; andere ähnliche Motive nicht zu erwähnen. Die Feinde traten, wie cr erfuhr, neuerdings zusam-men, und ,b schlössen, ihr Opfer nicht entwischen zu lassen. Zuvörderst suchten sie dcn Pascha gegen den Gcorgi aufzureizen, welches ihnen dadurch vortrefflich gelang, daß sie seine Drohung gegen den Papa in Giravctro des Schaz-zcs wcgcn anführten, wodurch sie dcn Pascha auf einer sehr empfindlichen Seite verwundeten. ' Sie setzten nun hinzu, Gcorgi habe im Kriege gcgm die Türken auf der Seite dcr 2^7 Feinde gefochten, und habe sich, mit Türkenblut bespritzt, zu Chios und Smyrna gezeigt. Wahr oder nicht wahr, so verfehlte dieß seine furchtbare Wirkung nicht! Vergessen war sogleich, dast Georgi den nämlichen Pascha früher von einem Wechstlficbcr glücklich gchcttt, und ihm manche Dien. sie erwiesen hatte. Man wollte nun auch mich, besonders aber den französischen Consul, außer Thätigkeit vcr. setzen, und benutzte zur Ausführung des verruchten Vorha« bens die so günstige Zeit des Fastenmonats Ramadan, der in diesem Jahre in den Monat July fiel, und wo die< Türken bey Tage fasten und schlafen, nach Sonnenuntergang aber durch die ganze Nacht ihren Vergnügungen nach« gehen. Sie bestimmten daher die cilfte Stunde um Mitternacht dazu, ihn aus meiner Wohnung durch die Ianitscha-rcnwache wegschleppen und das gefällte Urtheil des Pascha an ihm vollziehen zu lassen. Vcrderbcnschwangcr kam die Nacht heran, und verge« bens erwartete ich den Gcorgi in der Consulatwohnung, wo er mich abholen sollte, um nach Hause zu gehen. Endlich kam er betrübt, doch der französische Consul tröstete ihn, und meinte, daß er nichts zu befürchten haben würde, weil auf diese Art seine Feinde ihm so leicht nicht schaben könnten. Wir kamen ungefähr gegen »a Uhr nach Hause, und hörten dem tobenden Lärm der türkischen Musik auf den lebhaft gewordenen erleuchteten Straßen zu. Ich legte mich so eben zu Bette, als Gcorgi in steter unruhiger Bewegung im Zimmer schweigend und todteublaß auf« und abging. Ich ermähnte ihn, sich zur Ruhe zu begeben, allein mit gepreßter Stimme sagte er: „Ich kann nicht „schlafen gehen, mir ahnet heute nichts Gutes." Ich drang in ihn, mir die Ursache anzugeben, er sagte: die Snmmung vcrschiedner Personen gegen ihn, das kalte Schweigen, al« lerlcy andere Veränderungen, welche er wahrgenommen 328 hatte, ließen ihn etwas schreckliches, was offenbar gcgen ihn im Werke sey, vermuthen. Ich suchte es ihmauszurc. den und verwies ihn zur Ruhe, weil mich das brennende Kerzenlicht im Schlafe störe, als er sein vcrhangnißvollcs Schicksal voraussehend, mich mit gehobenen Händen nur noch um eine kleine Frist bat, so verstört war er. Mir ah-nctc auch nichts Gutes dabey, als plötzlich auf der Stein« treppe vor dem Hause Lärm wurde, und mehrere Türken mit Ungestüm an die verschlossene feste Pforte zu pochen anfingen. Erschrocken flog Georgi dahin, und nahm wahr, daß es sieben Mann von der Iauitscharcnwachc des Pascha waren, welche ihn auf seinen Befehl gefangen fortführen sollten. Ich hatte mich im Bette aufgerichtet,, als er too. tcnblcich hereinstürzte, mi;' es erzählte, und heulend ausrief: „Ich bin verloren, helfen Sie mir, helfen Sie mir, „ich bin verloren!" — „Aliein was fur cine Hülfe kann ich „Ihnen bieten, antwortete ich, Sie Unglückseliger, wohin „haben Sie sich selbst versetzt!" indem ich aus dem Bette sprang, und mich schnell wieder anzukleiden anfing. „Ich weiß keinen andern Rath, sprach ich zitternd, als daß „ich schnell zum Consul eile, es ihm berichte, und Ihnen „zu Hülfe komme, denn an Flucht zu denken, ist keine Möglichkeit, alles ist besetzt." „Ach, Gott, stöhnte er, was „soll ich thun! Ach zum Consul zu gehen, das ist vergebens, „ich bin schon vcrurthcilt, ehe Laftcchellc kommt, bin ich „geopfert. Meine Feinde haben diese Zeit gewählt, wo der „Consul und alle Europäer schlafen, alles ist vergebens — „und ich bin verloren!" „Nur Muth, sagte ich, uoch ist nicht „alles verloren," indeß die Wachen stürmend Einlaß begehrte -- „Besinnen Sie sich: fallt Ihnen kein Mittel cm, da Sie „doch das Land und alles kennen, um sich zu helfen; von „mir fodcrn Sie es nicht, aber helfen werde ich, wcnn ich „nur kann." 3-9 Kaum hatte ich dieses ausgesprochen, so rollte sein Au< ge, seine Lippen bebten, und dic Stimme versagte ihm den Dienst. Endlich stammelte er bebend: „ich weiß nur einen „einzigen Weg, um mich zu retten!" „Welchen? erwiederte ich. „Ach Gott! Sie wollen es wissen: wenn Sie ^ hier stockte er — „wenn Sie sich statt meiner gefangen nehmen „lassen!" Heulend und weinend stürzte er vor mir nieder und snchte mich zu erweichen, der ich vor Entsetzen über eine solche Federung fast meine Sinne verlor. Hatte mich je etwas wie ein Blitzstrahl getroffen, so war es diese, mcm ganzes Bewußtseyn vcrni chtende Zumuthung! Ickt brach ich über ihn los und überhäufte ihn mit ge-rechten Vorwürfen: „Womit haben Sie es um mich vcr< „dient, daß ich mein Leben für Sie opfern soll; ich habe nur „ein einziges, und dieses verlangen Sie von mir? Wie „können Sie an einen bloßen Menschen eine solche Fodcrung „wagen? War es nicht genug, daß ich so viel für Sie that, „SicNichtswürdigcr, dcr Sie mich so oft in die größten „Verlegenheiten brachten, und mir so viel Kummer verur« „sachten; jetzt fodern Sie mich selbst und mein Daseyn? „Bin ich deswegen da, um Ihre Thorheiten mit meinem Le-„ben zu büßen, warum sind Sie nicht schon nach Mclioo-„n i geflohen? Jetzt, da das Urtheil über Sie schon gc-„sprochen ist, soll ich mich statt Ihrer gefangen nehmen, „und grausam hinrichten lassen? Ich bin dcr Sprache nicht „mächtig, wo führt man mich hin, wie soll ich mich vertheidigen; die Vollstreckung ist hier schnell und uncrbitt< „lieh!" -~ Er konnte kaum reden. „Ach verschonen Sie „mich, erbarmen Sie sich mliner, mein trauriges Ende „naht! Ach Gott ich habe es geahnct; — nur Sie allein „können mich retten, sonst bin ich auf immer verloren, — „auf immer! — Was wird meine arme Mutter, was meine „Schwester, was meine Brüder sagen, wenn sie hörcn wer- 53o „den, ich bin nicht mehr; wer wird sie ernähren, wer wird „sie trösten? Ach furchtbares Schicksal, ich sterbe unschuldig als ein Opftr gräßlicher Bosheit! Ich muß sterben, „wenn Sie mich nicht retten; Sie können und werden „sich retten: Barmherzigkeit!" In dem Ausbruche der größten Verzweiflung stürzte er sich auf die Erde nieder und rief den Himmel in seiner Noth um einen Retter an! Seine Todesangst erreichte einen furchtbaren Grad, denn die Ungeduld der Wache, welche eine Flucht befürchtete, drang stürmend auf die Eröffnung der Pforte. Kalter Schauer ergriff mich, und todtcnblaß und starr vor Schrecken stand ich neben ihm. Entfliehen konnte ich nicht, um Hülfe her. beyznschaffen, und kein anderes Mittel blieb übrig. Ein schrecklicher Kampf tobte in meinem Innern. Ich erbebte, vor dem Gedanken ihn zu überliefern, ohne einen Versuch zu seiner Rettung zu wagen. Er verdiente sie nicht, allein ich erblickte in ihm den hülfsbedürstigcn Unglücklichen und mich selbst. Unerträglich und empörend war mir der Gcdan« ke, und eine Folter von Vorwürfen durch mein ganzes Leben, wenn mich spater überzeugte, daß ich ihn mit Wenigen zu retten wäre im Stande gewesen, und es dennoch nicht gethan. Allein es war Nacht, das Urtheil schon gesprochen, die Vollziehung augenblicklich, und die Liebe zum Leben drang furchtbar in mich ein; die Wahrscheinlichkeit, erkannt zu werden, war groß, allein wer baut in solchen Momenten auf Wahrscheinlichkeit? Indeß zitterte ich vor dem nagenden Gefühl, nicht zu können, was ich wollte, denn, wenn ich ihn anch nicht liebte, so hatte ich doch so viel schon für ihn gethan, um auch noch dieses zu wagen. Ich war auf das bitterste gekränkt, seine Feinde sollten triumphiren, ich mir ihn entrissen, und den französischen Consul überlistet sehen, dieß reizte und empörte meinen Stolz, ich hatte zu ihnen gesagt: „Ihr kcnnt den Stolz der FrankM und den 22 l „Edelmuth der Europäer nicht," mein verpfändetes Wort wollte ich lösen; allein der vernichtende Gedanke des Todes und der Verstümmlung entnervte mich aufs ncue. Wie ein Blitz ging alles dieses an mir vorüber, als sich der Lärm verstärkte und nun keine Zögcrung mehr möglich war. Er hoffte nichts mehr von nir. Als ich, unter der Last von Bestürmungen, mich noch einmal an die Thaten edler Men. schenfrcundc und an ihre Opfer erinnerte, und leblos mich zu nichts entschließen konnte, brach er in der höchsten Exta-sc von Verzweiflung in die furchtbaren hcrzzerreisienden Worte des sterbenden Heilandes am Krcnze aus, und rief mit entsetzlicher Stimme: „LIi, LU, Lama sadackliiani. „(Mein Gott! mein Gott! warum hast du mich verlassen!)" Diese Worte drangen zermalmend auf mich ein, ich war wie vernichtet und ohne alles Bewußtseyn. Aller Gedanke an Lebenserhaltung war vorüber, und ich sah das furchtbare Schicksal über mich einstürmen, denn es schien mein Leben zu fordern. Mit gebrochener Stimme sagte ich: „Machen „Sie auf, ich gehe." — Sollte denn der Mensch in keinem Momente des Lebens einer bessern Handlung als blos frommer Gefühle fähig seyn, sollten wir immcr nur die erdrückende übermenschliche Größe empfinden, und was er für alle that, nicht für einen thun können? Dieses demüthigende Gefühl entschied auf Ko-sicn mcincr ganzen Natur. Beschreiben kann ich nicht, was ich fühlte, aber ich fühlte wahrlich nichtS mchr: denn es gibt cine irdische Vernichtung, über welche, wenn sie der Geist überstand, alles übrige Erdenleben wie etwas Gemeines und Verächtliches verschwindet. Meine Selbstoerlcug. nung kam mir indessen theuer zu stehen; ich wankte meinem Tische zu, denn mich trugen meine Füße nicht mehr; ein Schwindel ergriff nu'ch, eine Ohnmacht wandelte mich an, und im Todcsschaucr, welchen noch der Körper empfand, 3 52 hörte ich den Nachhall der bekannten Worte: Es ist voll« bracht! So erwartete ich halb entseelt mein nahendes Schicksal. Gcorgi stürzte fort, öffnete die Pforte, und Soldaten füllten das Gemach. Todesangst beflügelte seine Schritte und die Liebe zum Leben gab ihm Worte zu seiner Erhaltung. Die Türken hatten den Befehl, den Diener, den Dragoman, welcher griechisch und türkisch spräche, gefangen einzubringen, kannten ihn und nahmen ihn doch nicht! Mit erzwungener Fröhlichkeit, inzwischen Todesangst in seinem Innern wü> thete, sprach cr zu ihnen: „Jener, den sie suchten, Ware „ich; ich spräche nicht, wcil ich meinem Schicksale entgegenginge." Da er meine Schwache bemerkte, sprang cr ängstlich mit Wasser herbey, wusch mich, und gab mir zitternd zu trinken, denn sein Leben hing an einem dünnen Faden. Mcinc elende Gestalt, die gänzliche Zerrüttung und Gefühllosigkeit, in der ich mich befand, dagegen seine Gcisicsgegcn« wart machte sic verwirrt, so daß sie alle nicht wußten, wie ihnen geschah. Wie konnte auch nur einem Mohammedaner einfallen, begreifen zu wollen, was ein Christ vermag! .Gcorgi hiclt mich, sprach mir leise und bittend Muth ein, bat die Soldaten mich gclind zu behandeln. Ich vergab ihm alles, was cr zu seinem Gunsten sprach, denn ich berechtigte ihn dazu. Ich erholte mich. Die Wachen verlangten nun, ich solle aufbrechen, es wäre Zeit; sie hätten ohnehin lange ge« mlg gewartet, und nahmen mich in ihrer Mitte fort. Jetzt flüsterte ich ihm zuletzt noch zu: „Flüchten Sie sich, damit /,ich wenigstens den Trost habc, Sie gerettet zu sehen." Er floh. Auf dem Wege machte ich Miene in eine andere Gasse zu gehen, und fodcrtc in die Consulatwohnung gebracht zu werden, dieß that ich aus Furcht, bey dem Mangel an Widerstreben ein Mißtrauen unter sieben Soldaten zu erwek-kc», von dcncn cincr oder der andere hatte zurückbleiben 233 und ihn aufsuchen können. So ging ich voll Resignation meinem Schicksale entgegen! Eine unübersehbare Menge Volks hatte sich bey diesem Fcsie gesammelt, umgab nun den Eingang zum Hofe des Pascha, und schnell verbreitete sich das Gerücht mttcr der ncngicrigcn Menge, ein Franke würde vom Pascha gerichtet. Schmähungen, Spott und Hohn erscholl nun von allen Seiten, und nur die Wache schützte mich vor Mißhandlungen, um es mir auf cine weit furchtbarere Art zu vergelten. Wankend ging ich vorwärts, und der Eingang mußte vom Pöbel gereinigt werden, um mein trauriges Schicksal zu er blicken. Ich trat nun vor, ich sah die Zurüstungen, aber was ich sah, weiß ich nicht mehr, denn meine Besinnung war dahin. Dieser Anblick vernichtete nun vollends den Rest von Besinnung, und ich stand wie eine Leiche da. Indessen bestätigte sich meine Vermuthung, daß man mich erkennen uud loslassen'werdc, denn daß seine Feinde vorhanden seyn mußten, ließ sich mit Necht voraussetzen. Auf einmal erscholl es: „Das ist der Arzt, aber nicht stin Diener, was habt ihr gethan?" Betroffen sahen sich die Ianitscharen an, wnßtcn nicht, was sie sagen sollten, und liefen augenblicklich fort, indeß ich durch einen rothköpfigcn haßlichen Juden, der jetzt wie ein Bote des Lichts zu mir trat, meiner kaum machtig, die Aufklarung erhielt, daß man, was ich ohnehin schon wußte, nicht mich, sondern den Georgi suche, und daß ich von hier mich entfernen könne, da das Ganze nur gegen ihn gerichtet sey. Ich eilte nun wüste und fast gedankenlos in die Consu-latwohnung, denn mein angefangenes Werk mußte ich beendigen, da ich schon so viel gethan hatte. Ich wollte den Consul bitten, den Pascha aufklaren und besänftigen zu lassen, um zu verhindern, daß man dem Gcorgi nachsetze, denn ich war dcr Meinung, er h,abe sich über die niedrige Stadt« 334 mauer am Hafen nach Melidoni geflüchtet. — Ich ging an Moscheen vorüber, Lampen brannten barin, doch meine Todtenlampe brannte nicht! Zum Glück fand ich das Thor zur Consulatwohnung offen. Als ich nun daher wan« tend meine Augen erhob, erstaunte ich bey dom Lichte an der Treppe, Gcorgi wahrzunehmen, welcher in sich versunken und ganz verwirrt in dcr,,Ecke harrte, denn wie kountc er sich vor dem Consul zeigen, bevor ich kam, um entschuldigt zu seyn? „Unglücklicher," rief ich; erschrocken blickte er mich an, „was haben Sie gethan? warum haben Sie sich nicht „geflüchtet? Glauben Sie, daß derConsul sich auch mit ihnen „befangen, und sich m ihre Angelegenheiten mengen werde? „wollen Sie uns immer quälen?" „Ach mein Gott," sprach er, „habe ich immer noch Erbarmen gefunden, so finde ich „es auch diesmal wieder, man wird mich doch nicht verstoßen. In Melidoni bin ich auch nicht sicher." — Ich eilte nun zum Consul, allein im Saale war er nicht mehr, es hieß, er schlieft schon. Ich fand sein Schlafgcmach offen, trat leise ein und winkte ihm schweigend, um seine Gemahlin, die in den Wochen lag, nicht zu wecken- Er winkte mir wieder, daß er kommen wolle, und ich ging in den Saal zurück. Mit ein paar Worten, denn viel sprechen konnte ich nicht, — theilte ich ihm alles Geschehene mit, das Vorhergehende war ihm schon bekannt, und rief dem Gcorgi, um ihn alles genauer erzählen zu lassen. Schnell wurde der Sccrctar und Dolmetscher, Herr Laflechcllc, geholt, indeß der Consul sich auf seine Schritte mit dem Pascha vorbereitete. — Ich sank nun auf den Divan hm, aufstehen konnte ich aber nicht wieder, eine Stumpfheit der Empfindung nahm überHand, ich fühlte meine Füsie nicht, konnte sie zwar willkührlich bewegen, jedoch ihren Besitz empfand ich nicht. Ich hörte alles wie im Traume, aber an nichts nahm ich mehr Antheil, denn meine Gesundheit war zerrüttet, zu den- 335 ken war ich nicht mehr fähig. So fanden mich die Candlo» tischen Aerzte. Herr Laflcch cllc ging mit Instruktionen des Consuls Hum Pascha, und Dc Vasse, der Consul, blieb fast dic ganze Nacht im Saale, um dem wiederkehrenden Laflcchelle neue Antworten auf des Pascha Aeußerungen zu geben, und ängstlich harrte Gcorgi auf den Ausgang der Verhandlung. Die Wache hatte'indeß erfahren, er griffen. Der Pascha erwiederte: dieß wäre blos ein gemiethetes Haus; dcr Diener ein Grieche, ihm augchörig und straffällig; was aber die Gcfangcnnchmung des Arztes bc< träft, dieses wäre nicht auf seinen Befehl geschehen, son» bcrn nur das Versehen der Wache. Er drang nun auf die Auslieferung des Gcorgi; Laflechellc aber, ohne sich irre machen zu lassen, sagte ihm: daß er Unrecht habe, daß er auch die gemiethete Wohnung eines Franken, der ohnehin kein eigenes gekauftes Haus hier besitzen dürfe, ohne dcr Pforte un» terthänig zu werden, von seiner Wache nicht betteten, noch weniger einen, seiner Dicncr daraus entführen lassen dürfe: hätte er Beschwerden gegen Europäer und ihre Dicncr, so wäre dcr Consul hier, von welchem er jede Genugthuung erhalten würde, sich sie aber selbst zu nehmen, stünde ihm nicht zu. Der Consul finde an Gcorgi keine Schuld, cr würde sich daher auch nicht eher zu irgend einem Schritte gegen ihn bewogen finden, als bis ihm scin Verbrechen klar erwiesen seyn würde. Nun brachte der Pascha, ehedem Großvezicr, seine Anklagepunktc, und da fand sich Gelegenheit, ihm seine falschen Ansichten zu berichtigen, ihn von der Bosheit dcr Ankläger zu überzeugen, und ihn endlich mit Hülfe des Defterdar, seines Freundes, ganz zu besänftigen. Nun kam es noch darauf an, da das Volk noch immer ein Schau« spiel erwartete, und der ganze Vorgang ruchtbar geworden war, den Pascha zu schonen, nnd vor den Augen des Volks eine Art von Genugthuung zu geben. Der Pascha fodcrte daher dcn Georgi mit dem Verspreche», daß cr ihn nur leicht bestrafen würde. Es fand sich aber, daß cr ihm Erster Theil. P 233 blos — zehn Sohlensireiche — geben lassm wolle, welches ihm hinlänglich sey. Mein L^flechelle erklärte, daß der französische Consul sich keineswegs dazu verstehen werde, ihm eine Lcibcsstraft zufügen zu lassen, er solle daher eine andere Strafe auswählen. Endlich gab der Dcftcrdar, der mit Vergnügen Hrn. Laficchellcs Benehmen gewahrte, lachend den Rath, dcm Gcorgi die Frankcnkleidung abzunehmen, und damit die Sache zu beendigen, denn heute wäre Ramadan, wo man fröhlich seyn müsse so lange die Nacht dauerte, und «ine Maskerade ohnehin an ihrem Platze sey. Der eingetretene .Dragoman des Pascha, jedesmal ein Grieche, und der Scharfrichter der Nation, wurde von ihm mit den Worten: „warum er sich nicht schlafen gelegt habe," wieder hinausgewiesen. Der Pascha konnte nun nicht langer zurückhat-ten, und der gewandte Laflcchcllc fodcrtc ihm das Verspre. chen und sein heiliges Wort ab, ihm weiter nichts als dieses zuzuerkennen, über dessen richtige Ausführung der cdclmü-thigc Defttrdar zu wachen versprach. — Gcorgi wurde nun unter Begleitung des Hrn. Laflcchellc aus der Cousulat-wohnung dahin gebracht, und ihm blos seine Kleidung abgenommen; er mußte griechische Kleidung anlegen, und damit endigte sich die ganze Verhandlung, bey welcher sich mehrere Menschen zur Rettung eines Verfolgten thätig bezeigt hatten. Die Feinde waren beschämt und abgewiesen, denn da Georgi auf freyen Fuß geseht wurde, so waren alle ihre niederträchtigen Absichten vereitelt, nur war er gcnö. thigt, die 5c, Piaster an den Papa in Girapctro jetzt allein zu bezahlen. Sein Bruder eilte mit meinem zweyten in Las« siti angekauften Maulthicrc, welches er mir zu Schanden ritt, in einer Nacht bis Mcliooni, um Papiere für Georgi zu holen, welcher eine so eben nach Konstantinopel abgehende. Gelegenheit benutzte, um so schnell als möglich aus einem Orte zu kommen, wo er so viele Unannchmlichkeitt'» 23g veranlaßt hatte. Den dritten Tag tvar er am Borb deS Schiffes 5 kam aber bis zu dieser Zeit nicht aus der Consu. latwohnung, und mußte selbst von dem biedern Laflechclle dahin begleitet werden. Ich erfuhr weiter nichts von ihm, als daß er glücklich daselbst angekommen sey. Meine Gesundheit war zerrüttet, und ich bedürfte der Pflege und Wartung, welche mir im Hause des Consuls d e Vasse, der mich liebreich aufnahm, zu Theil wurde. Des Morgens wurde ich vom Divan, wo ich die ganze Nacht gelegen hatte, nach einem andern Zimmer getragen, woselbst man mir nun zur Ader ließ. Ich lag zwey Tage in einer bewußtlosen Betäubung. Nachher gab man mir zu brechen ein, endlich erhielt ich Abführungsmittel, und damit war die Kur geschlossen ^! Um aber meine Kräfte wieder zu erhalten, bedürfte es längere Zeit, der ganze Monat Iu« ly und die Hälfte des Augusts verstrichen zu meinem gröst< ten Nachtheile, ich brauchte Cichoricnwurzcl und einige Pillen, und überließ cs mcincr thätigen Naturkraft, die Herstellung zu vollenden. , Es dürfte kaum nöthig seyn, zu erinnern, daß der in elncm barbarischen Lande sich selbst überlassene Europäer öf« ters zu einer ganz andern Handlungsweise gezwungen ist, als der ruhige Bürger eines civilisirtcn Staates. Hier sorgt eine vortreffliche Einrichtung für seine Gesundheit und Sicherheit, welche in jeder Hinsicht über sein Wohl die strengste Aufsicht führt, so daß er vor Krankheit und Ar-much durch viele wohlthätige Anstalten von mancherley Beschaffenheit und Einrichtung gesichert ist; bey dem Schutze vor allen Gewaltthätigkeiten und Beleidigungen erhalt eine liebevolle Regierung ihm den Genuß eines ungetrübten Lebens, und keine Berührung und Verbindung, wenn sie der Ordnung im Staate nicht zuwider ist, wird ihm bc« schränkt; keine Furcht, kein Zweiftl über sein Eigcnthnm 24o benimmt ihm den frohen Gebrauch desselben; seinem Freun« be bcyzustehcn, kostet nur eine kleine Gabe, und fodert nie zu übermenschlichen Anstrengungen auf. Es kann seyn, baß man mich tadeln wird, eines fremden, böse scheinenden Menschen wegen, mcm Lcbcn aufs Spiel gesetzt zu haben; allein um gelobt zu werden, hatte ich es nicht gethan. Wer mich aber tadelt, verdient nicht, daß ihm in ähnlichen Fällen geholfen werde. Was die Klug. heit anbetrifft, so hatten die Alten recht, sie als eine Schlange abzubilden, oenn das ist sie. Wenn nichts als Egoismus die Triebfeder der Denkungsart ist, so mag, al< lem Unangenehmen zu entschlüpfen, andere in Verlegenheiten zurückzulassen, sich in fremde Augelcgeuhciten nicht zu mengen, um klug genannt zu wcrdcn> der Zweck derer seyn, welche nicht nach Selbstachtung streben, sondcl n den Maßstab zur Beurtheilung ihrer Handlungen von der veränderlichen Welt entlehnen, und diese werden mich uuglimpflich beur» theilen. Enthusiasmus ist gefährlich, und Schwarmercy steckt au, beydes kann nicht treffen! Ich wünsche niemanden in dieser Lage zu erblicken, um etwa zu sehen, er habe weniger gethan, als ich. Die Wahrscheinlichkeit, mein Leben zu erhalten, war sehr groß, meines Dieners Verderben aber gewiß; baß er durch,eigene Schuld es vcr-diene zu haben schien, konnte mich nicht abhalten ihm zu helfen, nur eigene Gefühllosigkeit hätte sich dieserEutschuldigungen bedient; denn soll man etwas thun, so darf man nicht auf das Verdienst zurücksehen, man wird ja um Barmherzig« keit und nicht um Gcrccht«' gkeit angefleht. Ich danke der Vorsehung, daß sie mir Gelegenheit gab, etwas besseres zu versuchen, als dessen man mich für fähig hielt, und mich dadurch zugleich gegen überspannte Federungen anderer Art zu schützen. Sie hat mich aber auch gelehrt, nur bann Opfer zu bringen, wenn der Zweck auf keine IH' andere Art erreicht werben kann! Undank wurde indeß mein Lohn, wie der Verfolg der Geschichte zeigen wird, allein im Undank liegt die größte Belohnung, denn alsdann behält das Opfcr seinen ganzen Werth — und Undank ist auch nur von Personen schmerzlich, die man achtete, oder liebte. Diese Geschichte möge künftige Reisende, für welche ich sie vorzüglich niederschrieb, lehren, mit Achtsamkeit zur Wahl der Begleiter in der Levante zu schreiten, um die Zwecke der Reise nicht zu verfehlen, und baß es nicht immer möglich sey, eine Auswahl zu treffen, da der Sprache wegen, welche dort ein gebietendes Bedürfniß ist, einem oft Zwang aufgelegt wird. Man wird fortgerissen, und es kostet dann Mühe, allemal sich gleich zu bleiben 5 und das zu thun, was Menschlichkeit und Religion gebieten. Aller Vorsicht ungeachtet, ftlbststandig zu scyn, ist man genöthigt, weil man selbst der Hülfe bedarf, sich für cinc Partey zu entscheiden. Uebrigcns habe ich diese Begebenheit stit den drey Jahren meiner Zurückkunft »neman» den, selbst meinen Anverwandten und vertrautesten Freunden nicht erzahlt, und würde dieselbe aus mehr als einer Rücksicht auch in dieser Nciscbcschrcibung zurückgehalten, vder des Zusammenhangs wegen nur obenhin berührt haben, ohne die Ursachen und Triebfedern derselben umständlicher zu entwickeln, wenn ich nicht gezwungen und aufgefodert lva-rc, in diesem Beyspiel zu zeigen, daß niedriger Eigen» nutz nicht die Triebfeder meiner Handlungen sey! Nun wieder zu der unterbrochnen Beschreibung der Reist. Den mosten Iuny und die drey folgenden Tage crhvb sich zu Girapttro cm heißer Südostwind, ein Mgc-sanbtcr dcr Lybischcn Wüste und Wcgling ocs ChamsinS 242 aus Acgyptcn. Er schien das noch entzünden zu wollen, was «r schon vertrocknet hatte. Die Hitze war unausstehlich, und doch zeigte das Thermometer nicht mehr als 24 Grade. Ich habe in der Folgc Gelegenheit gehabt, zu beobachten, daß die Hitze und ihr empfindliches Mißbehagen nicht im» n,cr von ihrer Intensität oder Quantität abhänge, sondern in einem eigenen elektrischen I'usiandc der Luft zu suchen sey. So isi die Sonne nach einem Rcgcnwcttcr em« pfindlich, ober, wic man sagt: die Sonne sticht, ohne daß das Thermometer davon bedeutend affizirt wird; so sin. dct man die Frühlingssonne immer siechender, als jene des Sommers, die erwärmend ist; so findet auch in engen Fcl-scnthalern und Gebirgsschluchten, wo besonders von Schnee bedeckten Gipfeln anfallen Seiten dic Lichtsirahlen zurückgeworfen werden, ohne besondere Temperaturerhöhung eine sehr unleidliche Hitze statt, welches dem übermäßigen Lichte, so wic die eigenthümliche unerträgliche Schwüle, welche einem Ungcwitter vorangeht, einem eigenen elektrischen Zu» stände der Atmosphäre zuzuschreiben isi. Das Gefühl von der Warme eines Sommcrtagts hangt mithin von eigenthümlichen elektrischen Beschaffenheiten der Atmosphäre ab, welches besonders in südlichern Gegenden großen Manm'g« faltigkeitcn unterliegt. Meine ganze Brust war von Hiy< blätterchen übersäet, und der Schweiß atzte mir die Haut uitter den Achselhöhlen auf. Dieses kommt abcr gcmcim'g" lich von dem Genusse des Weins her, welchen man sich angewöhnt, weil das blosic Wasser in den Thalern zur Som, mcrszcit nicht immer zuträglich isi. In diesem Falle must man Obst und andere Erfrischungen genießen, statt Wein Limonade, wo»u es an Limonicn niemals fehlt, zu sich nehmen, und die Brust mit kaltem, vorzüglich Sccwasscr benetzen. Das Badeil ist von der größten Wichtigkeit, uud 255 für dcl, Körper in diesen hcisicn kaubcrn des langen Eom« mcrs wegen höchst nothwendig. Girapctro, welches ich am l7tcnIuny betteten hatte, bot mir wenig Genüsse. Zum gemeinen, crst unlängst von einen, heftigen Erdbeben verwüsteten, Marktflecken hcrabgcsunkcn, schien es die westlich gelegenen Ruinen von Hicrapytna cbcu nicht beschämen und Lügen sira-feil zu wollen; südlich vom Meere an dcr Landscitc aber von zwey Salzlaken umgeben, schien es mit Feld« mauern verschanzt zu seyn, welche man, um zwischen Nui-ncil Felder zu machen, aus den Trümmern zusammengeschichtet hattc. Die platten Häuser ohne Dächer, überall mit Krugen besetzt, welche mit eingcstosicncm Boden zu Rauchfangcn dienen, geben dem ganzen Markte emeu konu. scheu Anblick, Drey bis vier Gaßchcn, mit Häusern bcscht, mit etlichen Laden, die zwar offen sind, geschlossen abcr dieselben Dienste leisten, da nichts in denselben zu habcn ist, sind ncbsi cincin Pläftchcn vor einer alten Moschee die Hauptstraßen des Ortes. Dic übrigen Gassen sind Gartenmauern mit Thüren — denn alte Fcnstcr sind einwärts gekehrt, auch habcn viele Gemacher kcinc Fenster, dic Thüre bleibt offen, und dient zugleich, Luft und Licht einzulassen, gerade s«7, wie an vielen armlichen Orten Italiens. Den einzigen Mi-narct, ein vielleicht ehedem niedliches Thürmchcn, hattc das Erdbeben zur Hälfte eingestürzt. Dcr Muczin wagte sich selbst unter dem Schufte Mohammeds nicht in die Ho« he — deuu der Minaret blieb seit Jahren unaufgcbaut — und krähte auf dcn Etnfcn vor dcr Wendeltreppe wie ein Kapaun, so basi ihn die ganze Stadt eben so gut hören musitc. Vor der Stadt, westlich von einem Kastell, dem man dnrch Zlntünchcn, bey Mangel an Festigkeit, doch we. nigstcns Zierlichkeit zu verschaffen suchte, sicht mau eine lan. gc Maucr aus dcm Lande inS Meer treten, wahrscheinlich 244 war dieses ein Molo der Hicrapytnier — welchen sie nach dem Muster der Cydom'cr erbaut hatten, um einen Ha« fcn zu besitzen, welchen von der östlichen Seite einc Rci< he Felsen unterm Kastell beschützte. Man erkennt den Um« fang dcr ehemaligen Stadt nach den mancherley Antiken, die man hin und wieder ausgräbt; interessant wäre es, wenn ein Erfahrner den Umkreis dcr alten Stadt mit vieler Schärft bezeichnete nnd genau anzugeben vermöchte. Das alte Girapctro hieß in den ältesten Zeiten H.'cra-pytna, mag aber später nach Ptolcmäus Hierapctra genannt worden scyn, denn dcr Namen hatte es ohnehin mehrere, als: Cyrba, Pytna und Can, irns. Sie ist jetzt ein Steinhaufen, von dem man mühsam den Schutt wegräumt, um ein Grübchen voll Erdreich zn gewinnen. Nur wenige Kapitaler von cormthischer und römischer Ordnung in den Häusern zu Näpfen und Trögen ausgehöhlt, meistens von »arischem Marmor, den die Insel Kreta nicht zu besitzen scheint, geben von ihrer ehemaligen Pracht ein gül. tigcs Zeugniß. Marmorne, glatte und kancllirtc Säulen von allerhand Farben ragcn hin und wieder empor,, liegen frey, oder sind zum Hauserbau verwendet. Die Reste von Vackstcinmauern haben dasselbe Aussehen, wie einige Ruinen Italiens. Die ältesten Bewohner dieser Stadt mögen die ersten ägyptischen Flüchtlinge gewesen seyn, und diesen Landungsplatz an einer weiten Ebene sogleich auch zur Niederlassung benutzt haben. Die Lycticr waren jedoch mächtiger, und hatten in der Nähe von Hicrapytna auf der nördlichen Seite dcr Meerenge MinoaLyctia innc. Spater mögcn die Hicrapytnier auch diese Stadt an sich gebracht haben, um Prasos mit Erfolg angrcifcn und zerstören zu können, da die Prasier von den übrigen kleinen Staaten Krc« t.is abgeschnitten waren. HierapiMa wurde endlich von dem alles zerstörenden Metellus erobert. - 2-l5 Das jetzige Girapctro licgt har: am Strand« in bcr Ticse. In bcr feuchten Iahrszcit genießt sic cine weit gc, sündcrc kuft; im Eonnrcr herrschen der Moräste wegen hartnäckige und tödtlichc Wechselfiebcr. Das Kastell scheint cin Mcycrhof zu seyn, zu welchem der Commandant, ein Krämer, den Schlüssel in der Tasche tragt; cin alter cmäu» gigcr Mann wird als Wache zur Beobachtung der Schisse aufgestellt und darin eingesperrt. Weil es seinen Beinen an Behendigkeit und Stärke mangelt, über die niedere Mauer zu setzen, so bleibt er da. Als mein Dragoman vorbcyging, versicherte er, eine Henne darin gehört zu haben, welche so eben ihr Ey gelegt hatte. Sollte einst eine Seemacht für nothwendig finden, das Kastell zu nehmen, so können zum baldigen Einsturz der Mauern die Kugeln erspart werden. Die Besatzung kommt nur am Freytage, dem Sonntage der Türken, ins Kastell, indem die übrige Zeit der Woche zur Gewinnung des nöthigen Proviants klüglichcr verwendet wird. — Der Eingang der Moscheen ist auch hier mit Horden verstellt, indem er stets offen bleiben muß, da die Tür, kcn mchrmal des Tages beten. Dadurch werben oft die Hunde und Schweine veranlaßt, mit hinburchzuschlüpfcn und die Moscheen zu verunreinigen, welches für den, Islam cin Grauet ist. Die Griechen haben unter sich eine Fabel als Prophezeyung und zum Spott über die Türken und ihren Islam ersonnen; sie sagen: wenn einmal cin Schwein in cine Moschee hineinkommen werde, so müsse bcr Islam aufhören, und ihre Religion zu Ende gehen. Die Auswanderung soll aus diesem Theile der Insel sehr häufig nach Kleinasien Statt finden, wo man die Einwohner nicht so un» menschlich behandelt. Die Gesichtsfarbe der Girapctritcn ist die dunkelste von allen Bewohnern dieser Insel, man nennt sie auch Acgyvtier, und will in ihren Physiognomien c'nc andere Gcsichtsbildung als jcnc d-cr altcn Kreter crtcn. 256 ncn. Eine Schlange, welche ich in Laciba gefangen, ge. tödtet, und aus Versehen in meiner Büchse gelassen hatte, war durch die Hitze in Fäulniß übergegangen; als ich die Büchse öffnete, kam mir ein unangenehmer Geruch entgegen, welcher mich so heftig betäubte, daß ich nach 5 Minuten schon aufzublicken nicht mehr fähig war, und der Kopf schmerzte sehr heftig, das Doppeltschen wechselte mit Flok-ken und Flimmern vor den Augen ab, uud beraubte mich alles Sehens, wobey Neigung zum Erbrechen und Uc< bel entstand. Das Waschen mit kaltem Wasser und Essig, Ruhe und .Schlaf, stellten mich in ciucm Tage wieder her. — In diesem Orte erzählte man sich, Bonapartc sey bei sei-ner Rückkehr aus Ac gyp ten mit einem einzigen Cchiffc hier gelandet, habe aber nicht erkannt seyn wollen. — Er zahlte für den zu sich genommenen Kaffee nicht mehr als 2 Para, den gewöhnlichen Preis, und erst als er an Bord ging, wurde diese seltene, Girapctro beglückende Begebenheit ruchtbar. Man beschrieb ihn sehr richtig; allein ohne eine Ursache seiner Landung aufsuchen zu wollen, welche grundlos ist, da er eilte und in Toulon selbst die Quarantame übertrat, braucht man nur cin Fünssrankcnstück in die Hand zn nehmen um es mit eben dem Rechte auch von jcdcm andern Orte zu behaupten, ihn gesehen zu haben. Schwalben nisten in der Turkey ungcscheut in allen Wohn- und Gesellschaftszimmern, man laßt für sie absichtlich die Fenster offen. Der Türke sieht sie ungemein gern und legt ein altes. Tuch unter das Nest, damit die Uurcinigkcitcu darauf fallen- In Girapetro bleiben sie den ganzen Winter über, welches für ihn ein um so größeres Glück seyn mag. Nichts gleicht aber. der Blindheit der Fliegen bey großer Hitze, cs ist beynahe zu beschreiben nicht möglich, ich mußte um in das enge Dmlcnsaß zu gelangen, mit der Feder zi,vor 34? die Fliegen wegjagen, an meiner Hand blieben fie mit ausgestreckten Flügeln heißhungrig liegen, während des LcscnS mußte ich sie mit der linken Hand abwehren, beym Schreiben aber war cs nothwendig jemanden mit einem Wcdcl da. zu zn stellen, viele fuhren nach dem Auge und setzten sich an den Augenliedern und in den Augenwinkeln fest, so daß ich sie erdrücken konnte. Hier sahe ich den einzigen Stcinkran« km auf. der Insel, es war ein io jähriger Knabe; Ursache gab es keine besondere dazu, cr war schon sehr abgezehrt und dem Tode nahe. Die Nachte waren sehr schwül, noch unleidlicher als die Tage, und ich konnte mich gar nicht crquik« ken. Die Förderung meiner Reise nach dem gebirgigen Vt l'a schien nothwendig zu seyn. Ich ging daher den 23. Iuny mit einem Griechen Namens Markus, welcher das bcstc Maulthicr des Ortes hatte, dahin ab. Bald kamen wir an eine Wasserleitung mit thönerncn Röhren. Um den Dur« siigcn zu keiner gewaltsamen Oessmmg derselben zu verleiten, da solche nicht tief lagen/ ließ man die Röhren in die Höhe .steigen und bey offenem Durchmesser das Wasser in ein Bassin eintreten. Hier konnte man nach Belieben trinken, und die Thiere tranken lassen, auf der andern Seite dieses Bassins ging dagegen eine zweyte thöncrncRöhre herab, welche cs nach dieser Unterbrechung wieder in dic langen Röhren brachte. Nach einiger Zeit sehten wir über ein Flüsichen, und betraten das schroffe Gestade des östlichen Stückgcbirges. Das Maulthicr wurde wild, warf alles ab, und da der Sat« tcl hier keinen Bauchriemen zum Festschnallen hat, so blieb die ganze Last am Halse des Maulthicrs hangen und hätte cs fast erdrosselt. Bald war es jedoch wieder bepackt und trabte fort. Sonderbar ist es, daß dieses Herabfallen und Abrutschen der Sattel, die am Bauche des Maulthicrs nicht festgeschnallt sind, bey den häufigen gefahrlichen Passagen nicht noch öfttr erfolgt. Thal auf Thal ab fanden sich 24» Gebirgsflüßchcn, welche die Sanbsteinbänke, die das ganze Gestade umkleiden, durchbrochen hatten. Auf den Höhen sah niau einzelne Gruppen der aleppischeu Kiefer, l'inu« lmlepenäi», die man hier, ohne sich um den Anbau weiter zu bekümmern, zum Schiffsbcdarf ausgeholzt hatte. Die Dryaden scheinen sich hierüber beym Neptun ungemcin beschwert zu haben, denn ich sah bald darauf ein cassio« tisch es Schiff, das um Holz aufzunehmen hieher gckom« men war, aber an den Felsen der Küste scheiterte, zerrrün,. mert am Strande zwischen den Felsen liegen. Waren die Höhen bewachsen, und für den Anwuchs gesorgt, so würde sich eine gute Dammcrdc bilden, der Regenguß stürzte dann nicht sogleich über alle Lehnen herab, und wäre befruchtend. Es leidet keinen Zweifel, daß ehedem auch diese Gebirge be-wachsen gewesen sind; Strabo rühmt die vielen Wälder, welche auf Kreta sich befanden. Zu Mittag hielt ich an einem kleinen Vache zwölf Mi-glien von Girapetro unter einem Platanenbaume still. Hier findet man das beste Wasser von St ia. Bald war unser Mittagsbrot verzehrt und auf den häufigen Wasscrtrunk folgte eben so schnell cm bedeutender Schweiß. Gegen Abend wollte ich an cincm einzelnen Landhause vorüber, um Etca noch zv erreichen. Allein ein Diener kam uns nach und berichtete, der Besitzer ersuche mich bey ihm einzusprechen; dieser, cm juugcr Mann, nahm mich frcuuolich auf, indem er mir entgegen kam, und mir seinen trefflichen Garten und alle Anstalten seines Grundstücks zeigte, worüber ich sehr vergnügt wurde, besonders auch, als ich hier wieder Orangen-und Limouienbaume erblickte, welches, seit ich die Nordseitc verlassen, nicht der Fall war, da sie auf der Südseite eine feuchte, und vor den heftigen Sonnenstrahlen geschützte Lage fordern. Marillen warcn hier reif. Das Abendessen war vortrefflich, einen jungen Hasen, Jig den der Aga selbst geschossen hatte, setzte er mir mit leuch« tcndcm Auge als eine große Seltenheit vor. Ich hatte am Scesirandc um ,8 Para eine halbe Oka Fische gekauft, wel« che mm auch zugerichtet und aufgetragen wurden. Des Morgens geleitete er mich nach Etca, das ihm gehörte. Auf dem Wege habe ich die nach Melisse reichende stacks ,nu-oronüta, blos an diesem Orte der Insel gefunden. Ich trat in ein Gebäude ein, welches die Vcnctiancr erbaut hatten. Es war das wohlcrhaltcnste, welches ich auf dcr Insel be< merkte, obwohl ik»5. durch ein Erdbeben dcr obere Theil eingestürzt und cine schöne Gallerte hcrabgeworfcn war. . Es that mir leid, mir gestehen zu müssen, daß es einem bal. digen Einsturz entgegen sehe. Bald war das Frühstück bereitet, welches in Honig, Eyern auf Butter, und einem kost, lichen Wein bestand. Dcr Besitzer hatte eine angenehme Physigönomic und aus stiuem Benehme» bemerkte ich, daß die heitern Blicke seine finstere Glaubenslehre Lügen straf« ten — dem ungeachtet wird er als echter Muselmann leben und begraben werden. Ich nahm von ihm Abschied und dünkte mit einem Hänoedrucke, den er erwiederte. — Wir kamen bald in Armcnüs an, wo die Gcbirgsfläche mit geringen Unebenheiten sich bis aus Ende der Insel erstreckt. Da wo das Kloster gegen die Südseite liegt, ist ein ehemaliger Gebirgssee unverkennbar, das Kloster liegt in Trümmern und hat mit den Abtcycn des Mittelalters viele Aehnlichkeitcn. Der Subbaschi, an welchen ich cmen Brief abzugeben hatte, wurde erst gegen Abend erwartet, ich benutzte daher die Zeit, die Gegend ringsherum in Augenschein zu nehmen. Die Gctrcidcfrüchtc waren eingeerntet, allcs von der Sonne niedergebrannt, trocken und nur weniges bot mir das flache Land dar. Ein altes steifes und abgearbeitetes Maulthicr wurde mir um einen Preis angeboten, der den Werth um vieles überstieg. — Des andern Mor- 35o genS eilte ich über Voila, wo am Felsen herrliche Ge° wackse blühten, in Chandra bekam ich herrliche Gebäude von vcnetianischen Meistern zn Gesicht; in Catalan a, welches ich passirtc, stieg die Hitze auf 25" R> Eine Menge Leute riefen mir plötzlich iM nächsten Dorfe Sitano zn, ich sollte in das Dorf hereinkommen, nnd Türken kamen mir entgegen, und hoben mich vom Maulthierc herab. Ein Wahnsinniger, den man bekanntlich in der Turkey sehr vcr< ehrt, war nach Candia gebracht, und eben so von da seit fünf Tagen wieder zurück gebracht worden. Er raste bey diestr heißen Witterung, und mußte mit Eisen geschlossen werden. Zorn und Krankungen hatten ihn wahnsinnig gemacht. Um bald loszukommen ricth ich zum Aderlässen, zn warmen und reihenden Fußbadern und kalten Umschlägen auf seinen ohnehin ganz kahl gcschornen Kopf — da er ein Türke war. — Schnell machte ich mich auf, und bewunderte die Theilnahme und die Schonung, mit der man hier die Wahnsinnigen behandelt, ein seltenes Beyspiel, welches überall in Europa Nachahmung verdient. Um einen Kranken hätte man sich nicht bekümmert, und ihn, wo es auch war, liegen lassen; vielleicht mag es von den Küre-ten und Corybante n und von ihren Tanzen, und an< dern unsinnigen Geberden und Handlungen herkommen, daß solche unglückliche Geschöpfe als von den Göttern Beglückte mögen angcschn worden seyn. — Ich war bis Itano an das äußerste und östlichste Ende der Insel gelangt, und muß es der Lage und andern Umständen nach für das alte I ta-n um erklären, so wie mir Etca der Geburtsort des M y so n, eines der sieben Weisen Griechenlands, zu seyn schien. Hier konnte es in der That heißen: W Oet^ ingula »d lt.-nnuu ,l«ljue Iiorvonoi-unt. Wir erreichten den Gebirgsrücken, und ich erblickte wieder die Noroküstc und, vorzugsweise das große Vorgebirge, Acrotiri, sonst aber Capo «Side- 35 l r o, von den Griechen jedoch Cabo-Drapano, das Sichelkap, genannt. Im Anschauen dieses herrlichen Gcnnsscs vertieft, senkte sich unvermerkt der Weg nach einem elenden Dorfe Caridi herab, hatte ich aber irgendwo Armuth und Zufriedenheit beysammen gesehen, so war es hier; es schien mir zweifel-haft, ob die Bewohner je ein ganzes unb neues Kleid angezogen hatten, denn die Lumpen schienen schon vom Ur-Ur< großvatcr herzustammen. Ihr fröhlicher Blick unb die heitere Gesichtsbildung war dagegen vollkommener Ersatz, und Schönheiten, welche in Lumpen ihre Hülle vergessen machen, bedürfen zur Erhöhung ihrer Ncitze eines entstellenden Flitters nicht. Die Kinder flohen und weinten, meines europäischen Anzuges wegen, die Mädchen lugten hin-» ter den Gartenmauern und über die Terrassen hervor, das knappe Kleid schien sie ausschließlich ju beschäftigen. Ich blieb unter einem Baume vor dem Dorfe im Freyen, und ließ mir alles herausbringen, ich erhielt Eycrknchcn in Butter, etwas Käse und „Kleyenbrod" dcnn arme Leute pflegen hier nie die Kleye vom Mchle abzusondern. Es fand sich ein blinder Bursche von etwa 22 Jahren ein, den die Blattern des Augenlichts beraubt hatten, seine Da kty ly« ra, Fingerlcyer, war zierlich gearbeitet; er stimmte die' 4 Saiten wohl gut, aber er spielte schlecht; der Ton war widerlich, und dem Schnurrrädchcn, einem veralteten Instrumente unserer Gegenden ahnlich. Da er aber mein Mitleid ganz in Anspruch nahm, so wollte ich ihm die heitere Ge-müthsstimnmng, in welcher er sich befand, nicht durch die Bitte, mit seinem Spiele einzuhalten, rauben; und duldete lieber die Mißtöne, um ihm die frohe Ueberzeugung, er habe mir die Zeit verkürzt, nicht zu nehmen. Er zog auf der Insel umher, und hatte sich mehr erbettelt, als die Landbe. wohncr hier erarbeiten konnten. Als ich bezahlen wollte, Z52 weigerte man'sich ernstlich etwas anzunehmen, ich vcrbop« pclte daher dasjenige, was ich hatte geben wollen und drang es ihnen auf, mich rührte diese Uncigennützigkeit bey ihrer Armuth doppelt, und ich wurde von dem Satze überführt: je dürftiger der Mensch ist, desto großmüthiger ist er auch gewöhnlich. Dem Blinden wünschte ich das Verlorne Augenlicht, den Bewohnern, daß sie, was sie besaßen,— ihre Zufriedenheit — erhalten möchten, und schied. Cin rother Thon, welcher den Zlötzkalkstein bedeckte, und unter dem Dorfe Caridi (Nußdorf) bald aufhörte, gab der Gegend ein eigenthümliches Ausseheu. Wir stiegen nun nach Mangasa' herab, und ich hatte, die Gc-duld und den Fleiß der Einwohner zu bewundern, volle ^ legcnhcit, denn jede Handbreit Land und Erde war, wie anf dem Karscho bey Triefi, den Felsen abgetrotzt und entrissen. Ich hatte nun ganz Kreta durchreist, um Kreide zu suchen, und fand am Ende meiner Reist Röth el, ein Beweis, daß es ion« jährige Lügen gibt! Vor Mangasa erfuhr Zich, daß der Subbaschi nicht zu Hause sey, und sich an dem See-sirande beyPalcocastro aufhalte, ich setzte daher meinen Weg dahin fort. Hinter dem Dorfe bemerkte ich eine neue Perpetucllc von blendend weißer Farbe und strauchartigem Wuchst. Sie trat so eben in die Blüthe, und ich fand sie in ihrem Charakter mit den capischen Pflanzen übereinstimmend; ich nannte sie zwar seneeio ßnnpw-lioäe«, finde aber, daß es eine (^on^a seyn dürfte, und habe solche auf Taf. X. dargestellt. Dieser Theil der Insel schien mir der schroffesie und der am meisten steinige zu seyn, und immer mehr wurde der Schein zur Wirklichkeit und der Glaube zur Ueberzeugung. Eine steile Gebirgswand bot zwar die schönste Aussicht, benahm mir aber die Hoffnung in das an-muthige, Thal herabzukommen. Der Abend, schlürfte die letzten Strahlen der sinkenden Sonne cin, und wir suchten 353 immer noch dcn Weg, der uns herabführen sollte,, endlich fanden wir ihn und gingm himmtcr. Die Gruppen von kleinen Schiffchen, die wir sahcn, wollten nicht ;n Straltdc fahren, und schienen immerfort sich zn beschäftigen. Es cr. gab sich, daß es Schisse und Boote ans dem Archipelagus waren, welche dcn Badeschwamm auffischten, der sich an dieser Stelle Kretas so häufig findet. Casho, Scarpantho und Ähobus im hinter, sicn Grunde, mehr links Stalimcuc, Namphio und westlich Santorin, gaben mit der wunderbar ausgezackten felsigen Küste Kretas einen eigenen Anblick. Die Insel» gruppcn Grades uud Elassa, dann die Dion y sa d c s, dem Bacchus oder Dion y so s geheiligte Inseln, die noch immer ihren Namen fuhren, umgeben die nördliche Küste. Eine kleine Inscl neben der lchtcrn nennen die Griechen Paximad es, wie gewöhnlich jcdc Inselgruppe, oder ein einzelnes Fclssiück, welches trocken und unfruchtbar ist, daPaximadcs „Zwieback", oder auch cmcn Backofen wie Sonniui und Pokokc meinen, bedeutet. Abends spät erreichten wir das Thal, und nahmen un« scrc Wohnung bey dem Subbaschi (Verwalter) des Chalil Aga, dessen Besitzungen sich bis hiehcr erstreckten. Dieser, nachdem er das Schreiben seines Herrn gelesen hatte, legte die Hand auf seinen Kopf, um anzudeuten, daß ich ihm empfohlen, und ihm so lieb sey, wie sein eigenes Haupt! Weil in der Turkey der Kopf eine sehr schätzbare Cache seyn musi, da dessen Verlust nicht ungewöhnlich ist, so scheint diese Redensart dem europäischen Ausdruck, „so licbwic mein Augapfel" völlig zu entsprechen. Es kam ein blinder Vaucr zu mir, und bat mich, ich solle ihm helfen; diesen höchst interessanten Fall kann ich hier nicht übergehen. Ich blickte ihm in beyde Augen, konnte aber durchaus keine Spur von einer Verdunklung, von einem Erst« Theil. 3 254 Etaar, Glaucom, Amaurose, cbcn so wenig cine Unbe« wcglichkcit'ober Atrophie, noch sonsi das geringste Regclwi-drigc entdecken, doch da cr sagte, daß das rechte Angc völlig blind sty, wmdc mir die Ursache klar, denn cs war bey näherer Besichtigung cine Narbe an dcm obern Theile der Wange zu sehen. Ein Holz. Splitter hatte ihn in dieser Gegend verletzt, und wahrscheinlich einen Ast des Facial-ncrvcn getroffen. Er hatte, als cs geschehen war, geblutet und ohne die geringste Beeinträchtigung sehen können. Als aber die Wunde geheilt war, war eine allmahlig zu« nehmende Blindheit eingetreten, die sich hinnen K Wochen vollkommen ausgebildet hatte; so war es durch 3 Jahre bis jetzt geblieben, wo ich ihn sah. Bekannt ist cs wohl, daß die Verletzung dcs Suvraorbital.Ncrvcn zwar nicht sogleich, sondern erst im Augenblicke der Verwachsung bcydcr Ncrvcn-Endcn die Blmdhclt bcs Auges seiner Scits herbey führe, von dcm uutcrn Augcnhöhlcnrande war mir jedoch diese gewiß sehr seltene Erscheinung bisher unbekannt. Kaum war dieser fort, so kam ein zweyter mit einem graum Etaare, operationsfähig und ohnc alle Ncbcnkrankhcitcn. Er hatte eine Flechte an der Wange gehabt, welche cr mit atzenden Salben eingcricbcn hatte, worauf sie verschwunden und er blind geworden war. Der Staar war fleckig, ungleich, trübe, brüchig und zugleich cin Kapstlsiaar, das Uebel war ein Jahr alt, und wahrscheinlich fürs zweyte Auge gefährlich, denn drey Tage nachher sah ich wicdcr cmcn alten Mann, dcm auch eine Flechte an der linken Schlafe verschwunden war, worauf sich ein zitternder Staar gebildet, der nach 3 Jahren auch das andere Auge eingenommen hatte, und cr war nun ganz blind. Eine Operation zu unttrnch-mcn hatte ich mit Vergnügen versucht, allein für cmcn solchen Fall hatte ich mich nicht vorgesehen. Da ich einen Landmann abgesendet hatte, um mir von der strauchartigen 355 Pcrpctucllc (^on^?.i gnaiili^uao«) einige Stücke zu holcn, so entfernte ich mich unterdessen an dcn Sccstranb, woselbst ich cinen weiß blühenden Olcan dcrsi rauch bemerkte, den »nan wcit und breit untcr bcm Namen t'»l2lio5^aca, dcr milchweiße Oleander, kannte. Nirgends auf der ganzen Insel, auf welcher es Wälder von dem rothblühcndcn baumartigen Strauche gab, konnte ich auch nur einc einzige Spielart derselben mit weißen Blüthen gewahr werden, und es ist schwer anzugeben, woher bicstr einzige wcißblühcnde mitten untcr dcn rothblühenden gekommen seyn möge. Ill eimgcr Entfernung sah ich auf einem Hügel eine alte dcmo< lirtc Nuinc: Palaeocastrol so heißen alle längs dem Sccsirandc oder auch auf Anhöhen erbaute Kastelle, sie sind fast von dcr Größe unsrer Rittcrschlösser und mögen insgesammt jene Auftnthaltsörter dcr cilici scheu Seeräuber gewesen styn, die Mctcllus zerstörte, und welche die Saracenen, die auch Sccraubcrcy trieben, wieder erbaut haben mochten, bis alle dicst Raubncstcr untcr dcn Veno tiancrn zerfielen. Dcr Subbaschi hatte cm sehr niedliches Maulthicr von etwa dritthalb Jahren. Noch nie hatte ich ein so schönes Thier gesehen, als dieses braunc und glänzend haarige Füllen. Er war kaum zu bewegen, es zu verkaufen, end« lieh aber ließ er sich bcrcdcn, mir es lim 35o Piaster abzu« lassen, allein er stellte mir bittend vor, dies schöne Thier sey noch jung und der Arbeit ungewohnt, er schone es sehr, und vor dcm vierten Jahre würde er es nicht wagen, mit demselben eine Tagereise zu machen; die Reise mit mir würde cs wahrscheinlich zu Grunde richten, weil ich absichle lich immcr die unwegsamsten Gegenden aufsuchte; da ich es nun zum Tragen gar nicht gebrauchen durste, so stand ich von meinem Begehren ab, um mir cm stärkeres zu kaufen, gab er mir die Adresse eines Türken 'in 3 2 356 Piscocephalo, welches wir passiren mußten. Gcorgi hatte mcincm Führer Markus vorzüglich eingeschärft, cm junges zu wähkn, welches auch baldigst zur Feldarbeit eauglich wäre. Ich war nun genöthigt, cin brauchbares in Stia aufzusuchen t daselbst sind die vorzüglichsten auf der ganzen Insel und zugleich die wohlfeilsten zu bekommen. Georgi mußte ich noch außerdem entschädigen, in seiner Haushaltung fehlte ein gutes Maulthier, kein Geld war da-zu da, daher kaufte ich es, obwohl mir auf der Reist ein ei« genes Maulthicr zu unterhalten sehr lästig war, und bey weite« thcmcr zu stehen kam, als wenn ich nur von Ort zu Ort eins gemiethet hatte. ^ Ich bereitete mich Nach. mittags eben vor, um gegen Abend in dem leichcn Kloster Acrotiriani oder Panagia cinzutreffell, als der Igu« menos oder Vorsteher desselben in Geschäften herkam, und mir nun durch einen zurückkehrenden Caloycr das Geleite geben ließ, um dort auf das Zuvorkommendste beherbergt zu werden. Er hatte eine äußerst schlaue durchtriebene Schalksphysiogonomie, welche wohl nicht so leicht zu finden seyn dürste, war aber nicht ohne Gutmüthigkcit und von einem jovialen Benehmen, welches Zutrauen einftößte. An. genehm war der Weg zwischen Majoran-Gamander.Sal-bU!5.) gewüthet hatte, war seme obere Hälfte zerborsten, die Kuppel la^ abgebrochen und schief, mit einem Theil des Gesimses wie cm Keil in einen Spalt eingesenkt. Jeden Augenblick drohte cs einzustürzen und das Hauptgebäude niederzuschmettern, ein Lüftchen schien dazu hinlänglich zu seyn. — Alif meine Frage, warum das Kloster den Thurm nicht herstellen lasse, da cs doch reich genug scy, und selbst in Gefahr stehe, von demstlbcn begraben zu wcrdcn, gab er mir die überraschende Antwort: daß ein sehr kostbarer Fcr- ' man vom Pascha dazu nothwendig Ware, der vielleicht bis zur Pforte gehen und die Ausgabe großer Summen veranlag sen würde; ferner: daß sie des Thurmes jctzt ohnehin nicht bedürften, da sie leider seit den Zeiten der Venctiancr sich mit Schellen statt der Glocken behelfen müßten. Ich außer, ic nun, sie sollten den Thm'm zur Hälfte abtragen, wodurch sie sich den Bau, da er ohnehin nicht nothwendig scy, er. sparen würden, allein daraufgab er die mich befremdende Antwort, daß zwey Fcrmans erforderlich wären; der erstere müßte die Erlaubniß enthalten, den Thurm abtragen zu dürfen, der andere, ihn aufzubauen, und oiefcs lönnte leicht die ganze Summe übersteigen, welche der Bau kostete,- wür< de mau ihn blos abtragen wollen, ohuc ihn, weil keine Glocken gebraucht werden dürften, wieder herzustellen, so müßte man dennoch beydes bezahlen. — Er setzte nun hinzu, der Igumcnos habe alles gcnau untersucht, und er hofft, baß der Thurm, wenn er einstürze, höchstwahrscheinlich ihnen nicht auf die Köpfe fallen, sondern uach außen zu seine Richtung nehmen werde, und um allem diesen, zuvorzu< 35<) kommen, vertraute er,nir, habe man innerhalb Kcile uud Balken angcbmchs, wodurch dcr Fall wirklich naeb außen befördert werden wird.-- Diesen Bedrückungen sind vorzüglich Kirchen nnd Klöster ausgesetzt, weil dic Mohammedaner ihren Alkoran dagegen anführen können. Eine jcdc noch so unbedeutende Ursache reicht für den Pascha oder dcn ersten besten bemittelten türkischen Nachbar hin, das Kloster zur Rechenschaft zn ziehen. Vor einiger Zeit wurde in der Nahe des Klosters ein Türke von seinem Feinde, der ihm auflauer« tc, erschlagen, man fand ihn, das Kloster wurde zur Re-cheuschast gezogen, und ohne die Gründe anznhörcn, zn ei-»er Geldbuße von 25 Beutel, jcdcn zn 5oo Piaster, odcr zn i2,5ao Franken im Ganzen vernrtheilt. Die Lebensart der dortigen Caloycrs ist sehr streng, und von der des gemeinen Bauer in gar nichts' mtterschi>> dcn; sie gcm'esicn nicht dic Amlchmlichkcitcn des unterrichtenden Standes, sondern sind zugleich zur härtesten Arbeit und zur schlechtesten Kost angewiesen. Wegen des steten Ge-nnsscs öliger erschlaffender Nahrung, Hnlsenfrüchte n. dgl. und da sie zwey Drittel des Jahres sich aller Fleischnahrung enthalten müssen, haben sie kein frisches Aussehen, und sind besonders den Brüchen unterworfen, welche oft eine ungewöhnliche Größe erreichen, und durch die schwere Baucrarbcit sehr befördert werden- Von hier tritt das längste Vorgebirge, gcgen die Inscln Casho nnd Scar-pantho gerichtet, wie eine Erdznngc ins Meer. Es ist unverkennbar, daß diese Inseln einst mit Kreta zusammcnge-hangen haben, denn man findet in dieser Richtung sehr leicht dcn Meeresgrund. Die verbindende Gebirgskette laust von hier unttr dem Wasser bis nach Rhodus fort, nnd sttzt Kreta hierdurch mit Klein-Asien in Verbindung. Ich v^ic-; dieses Kloster mit Bedauern über die bedrückte Lage scmer Bewohner, und mußte ihnen diö Unwissenheit, in dc>' sie 2llo lcbcn, nachsehen, da ihnen zum eigenen Unterricht und Selbststudium wegen der harten Feldarbeit und der fortwährenden Beschäftigungen, wie in einem Mcycrhofc, keine Zeit übrig bleibt- Der junge Priester, Patcros, welcher die gottesdicnstlichcn Handlungen verrichtete, hatte eine einnehmende Gesichtsbildung und machte hierin eine Aus-» nahmc. Ich fragte ihn, wo er Theologie siudirt habe, allein er kannte die Bedeutung dieses Wortes nicht; die übr>, gen Theile derselben waren ihm gänzlich fremd. Cr verwunderte sich, als ich ihm begreiflich machte, daß es Schulen, Collcgien und Alumnaten gäbe, wo sich die zum Priester-stände bestimmten Individuen mit den Hilfswissenschaften der orientalischen Sprachen, der Hermeneutik und andern Fächern der Theologie eifrig beschäftigten, und sie durch mehrere Jahre studirteu, um sich ihrer Bestimmung und ihrem hohen Berufe gemäß auszubilden. Er verstand mich wohl, aber cr hatte keine Vorbcgriffc, um meine Aeußerungen daran zu reihen. Alles wird dort allmählig durch Mittheilung, wie die Verrichtungen des Kirchendieners von den Chorknaben, erlernt. Man kann nie mit Federungen auftreten, wo man entschuldigen muß. Allmählich senkte sich der Weg gegen die Schlucht herab, welche das Vorgebirge Capo Sidcro vom festen Lande abtrennt, und wir gelangten an einen einförmigen See-sträub voll verkrüppelter Sträucher; ich bemerkte hier an cincm Felsen das baumförmigc Veilchen, Viola ardm-eu/wel-chcs von demselben herabranktc. Desfontaines, ein französischer Botaniker, hatte es in der Barbarcy entdeckt, und hier fand ich diese überaus stltcnc Pftanze wicdcr. Mein Maulthicr hatte bereits zwey Hufeisen verloren, so schlecht und steinig war die ganze Gcgcud; ich mußte absteigen, denn es hinkte bey jedem Tritte, da ihm wahrschcin, lich die Hufe cmpfiuhlich schnicrzttu. Man hat hier ganz 36 l andere Hufeisen als in Europa; weil sich Pferde und Maul< thiere auf den spitzigen Steinen den Fuß in der Mitte durch öfteres Stoßen verletzen könnten, so schlagen die Kreter cinc nach dem Umfange des Hufes geschmiedete und mit den Rändern aufwärts gekehrte eiserne Platte auf den Huf, welche, blos in der Mitte eingebogen, den ganzen Huf be-deckt, und mit solchen Hufeisen klimmen sie nun auf den felsigen Abhängen empor. Kaum konnten wir das Maulthicr nach dem nächsten Dorfe bringen, obwohl zum Glück blos Lehm und Sand, und gar keine Steine am Gesia« bc zu finden waren; nie hätte ich vermuthet, daß die Hufe der Thiere so empfindlich waren. Ich sah nun dem Beschlagen zu, welches wegen der öftcrn Stntzigkeit der Mam« thicre sehr schwierig scheinen sollte: zuerst bindet man einen festen Strick an den Schweif des Pferdes oder Maul< thiercs, hcbt dann den Hintcrfnß, den der Schmied beschlagen soll, windet den Strick um denselben und halt so das Maulthicr mit geringer Schwierigkeit in Ruhe, denn wenn es ausschlagcn will, so zieht und spannt es den Strick und damit auch den Schweif, und verursacht sich selbst Schmerzen ; deshalb duldet auch das wildeste Roß oder Maulthicr das Beschlagen ganz ruhig, der Fuß muß aber so viel als möglich rückwärts angezogen werden. Der Weg ging nun in cinc Ebene, welche ein Flüßchcn durchstrich. Jenseits sah man die Ruinen der ehemaligen Stadt Sctia, aller Wahrscheinlichkeit nach und trotz allen Versetzungen das alte Cyta um, welche seit den Venetianern die Hauptstadt dieser Provinz war, jetzt aber im Schütte liegt. Auf dieser Fläche soll das von den Hicrapytnicrn zerstörte Prasos gelegen habcn, denn noch jetzt soll sich cm Ort in der Nähe finden, welcher Prcscs heißt: die alte Homannische Charte zeigt ihn an, ich konnte aber den Ort nicht erfragen, denn die be» zeichnete Stelle nannte malt mir nicht Prcses, sondern 5Gj Petra. Die Cbcnen in Kreta haben alle bedeutende Städte gehabt, auch dieft must verhält^ißinasiig eine kleinere Stadt aufgenommen haben, denn im ganzen Sctia gibt es leinen Platz, wo eine nur unbcdcntcnde Stadt hätte erbaut werden können, und der zur Ernährung einer Volksmenge hinreichende Ackergründe dargeboten hätte, als dieses Thal von Piscocephalo, "nf welchem auch die Stadt Sctia gegründet wurde, die jedoch der Rhcdc wegen an der andern Seite lag. Wenn Strabo sic 60 Stadien vom Meere entlegen angibt, so ka:m dich nur von einer Küste gelten, da die ganze Breite dieser Inselsirecke nur 80 Stadien ausmacht, und er scheint das lybische Meer darunter zu verstehen. Sollte Prasos nicht an diesem Orte, der Prcscs heißt, gelegen h.i-bcn, so lag sie vielleicht etwas höher, ctwa oberhalb Tre» bisonba oder Turtuli, jedoch immer, als Besitzerin dieser Landfläche, in ihrer Nähe. Es ließen sich bey absichtlicher antiquarischen Vereisung von Krcta alle 100 Städte nach und nach ausmitteln, denn in keinem Lande erhalten sich die Eagcn reiner und dancmdcr, als auf Inseln, wo der Wecl^ scl der Bewohner nicht so häufig als in den zusammenhangenden Reichen des festen Landes vor sich geht, weil hier nicht ein Volk das andere so oft besiegt und verdrängt als dort. Auf Inseln kann der Eroberer nicht so leicht Kolonien einführen und großen Gewinn hoffen, denn sie haben mehr politische Wichtigkeit als statistische Unentbehrlichkeit, da sie gewöhnlich mehr Bewohner zahlen, als das feste Land, wel< ches sie in der Rcgcl immer ernähren muß. Man benennt daher oft noch den Fleck so, wenn schon langst die geringste Spur vertilgt isi. Ich kam nach Piskocephalo, einem sehr angenehm ge> legcnen Dorfe, und gab dem Enbbaschi, einem Türken, mein Bricfchcn. Es kamen gleich mehrere Türken her? bey, da sich hier selten ein Franke cinzusinocu pfiegt, auch 563 lebten hier viele türkische Familien, dcim wo cs fruchtbare Gegenden gibt, da fehlen sie nic. Der Snbbaschi untcrrich-tctc sich nun, daß ich stin junges Maulthicr zu haben wünschte, und fletschte schon im voraus mit dcn Zähnen nach dem Frankcngcldc. Ich hatte manchen Filz gesehen, aber ein solcher habsüchtiger Gauner, der bey jedem Schritte und Tritte, bey jedem Worte, Blick und Miene die Habsucht und den Geiz nicht verbergen konnte, sondern wie von einem (Gelbfieber befallen, nur der Goldkrisis entgegensähe, war nur noch nicht vorgekommen. Das Maulthicrfüllen, noch in dcr Nähe der Stute, nic besattclt, wurde vorgeführt. Es ließ sich nicht läugnen, daß cs schön war, allein zu meinem Gebrauche nicht geeignet, indeß dachte ich, wenn Gcorgi cs ein Jahr gut hielte, könnte es ihn, dann durch i5 bis 20 Jahre um so dauerhaftere Dienste leisten. Ich fragte nun meinen Führer, dcn Griechen Markus, ob cs tauglich sey und wie hoch er cs schätze, allein cr wagte nichts zu sagen, weil cr sich vor den Türken fürchtete. Der Sub-baschi forderte, und wenn cs gleich nur einige hundert Piaster galt, so war cs doch ein unmaßiger Preis, cr zit« tcrtc auch schon vor Furcht, als ich aufstand und fortgehen wollte. Er konnte kaum hoffen, daß ihm jemand auf der Inftt so viel als ich dafür bieten würde, und fing nun au ängstlich die Vorzüge seines Maulesels aufzuzählen, betheuerte, schwor und fluchte, daß kcm schöneres zu finden Ware. Ich behandelte cs nun für 2i5 Piaster, um die Kla. gen des Gcorgi, wenn ich ihm kein Maulthicr brächte, nicht hören zn müssen, denn die Reise auf Stia ging zu Ende, und cs war keine Aussicht, anderswo eines zu bekommen. Doch die Galle ging mir über, als ich die Brieftasche mit den vc-«etianischen Dukaten herausholte, und der Subbaschi mir sie aus dcr Hand reißen zu wollen schien: bey stieren Augen hing ihm dcr Schaum vor Ccldbegier am Munde. Er tobte 36 \ um eine Goldwage, und diese musste herbeygcschasst werden. An cincm jeden Dukaten fchltc etwas, und dann setzte er den doppelten Verlust an, cm jedes Goldstück wurde einzeln betastet, umgewendet, auf der Hand geschwungen und auf eine Zungen« oder Hcbcwage gelegt, von welcher dasselbe jedesmal, wenn es vollwichtig seyn sollte, durch Senkung des Arms hcrabrutschte. Das war ein willkommenes Feld zur wi'lttnhrlichcn Bctrügercy. Mich intercssirtc dieser Goldsüchtige, und ich s"b erwartungsvoll zu, wie weit er es treiben würde. Endlich nachdem er alles so sehr als möglich herabgesetzt hatte, zog er mir von einigen Dukaten aus Konstantinopel das Ach. tel des Werthes ab, und 6 andere Goldmünzen aus Acgyp-ten, welche 8z Piaster galten, nahm er blos zu 6 Piaster an. Vor Verachtung mochte ich kein Wort reden, und ließ mir den Abzug gefallen, denn wie viel mochte es auch im Ganzen betragen? Ich bedauerte nur, kein Hogarth zu seyn, um diese Gruppe gcldsüchtiger Türken verewigen zu können. Endlich sprach ich aber doch ein Wort dazu, riß ihm das Papier aus der Hand, rechnete ihm vor, und nahm einige Goldstücke zurück. Die Betrübniß darüber war entschlich, und unter bittern Gefühlen sah er sich gezwungen, den Kauf für geschlossen zu halten. Wenn ich es gleich als Franke etwas zu theuer hatte bezahlen müssen, so war es doch eiu schönes Thier. Nun brachte ein anderer Türke einen Sattel und Zaum, und ob ich wohl recht gut wußte, daß er dazu gehöre, so war ich dennoch genöthigt, ihn noch außerdem zu bezahlen. Sie glaubten mich bcvorthcilt zu haben, aber ich war froh, sowohl ihr beyspiellos schmuzigcs Benehmen nicht mehr zu sehen, als auch den armen Teufel Gcorgi los zu werden, der wohl mit der größten Aengstlichkeit meiner ihn bcglük-kendcu Zurückkuuft entgegensah, denn solcher Franken komme» auf diese Insel nicht viele. 7>C>5 Ich bestieg nun mein altes Maulthler und brach nach Turtuli auf. Das Füllen, etwa 2 Jahr alt, von unge. mein gutem Wuchst, wollte immer zur Stute zurück, ,md mußte von meinen, Griechcn geführt werden. Er runzelte die Stirn und war nicht aufzuheitern, da cr immer an das schöne Geld dachte, welches ich dafür gegeben hatte, traute sich aber nicht, zu sagen, daß ich iuc> Piaster zu viel dafür gegeben hatte, denn cr war selbst mit Schuld daran, und schämte sich zu gestehen, baß er aus Furcht vor den Türken sich gar nicht mit dem Handel befaßt hatte, ob ihm gleich dafür zu sorgen aufgetragen war. Der niedertrachtige Geil der Türken, besonders des geldsüchtigcn Sudbaschi und das betrügerische Wagen der Goldmünzen hatte mich so aufgereizt, daß mir eine Menge von Anekdoten dieser Art einfielen, und M 0 lierc' s Geizige lebendig vor mir stand. Ich bedauerte das ihm gegebene Geld nicht, denn ich hatte mich selbst gering schätzen müssen, in diesem Augenblicke auf das» selbe irgend einen Werth zu legen. Ich zog, wie gewöhnlich , meinen Blcystift in der Schlucht heraus, durch welche Wir uns Schritt vor Schritt hindurchdrangten, und entwarf Nach den sich durchkreuzenden Vorstellungen über Geizhälse nachstehende Beschreibung, so wie das regellose Gefühl sie angab. Der G e l z. Willst dn den Geiz sehen, blick auf das Iammergcsicht, Das mit beklommener Brust faltet die ängstliche Stirn, Scheu mit- sorgendem Blick sich ringsum wachsam bespähct, Fnrcht in den Zügen, bey nahenden Bitten erblaßt; Bang pocht das blutleere Herz bey schwergehobenen Seufzern 3Cß Und klagend fleht um Vcrschonung der falttlllissige Mund, Es entkrümmt sich bcr Finger knöchern Gerippe, Und die gehobene Schulter streckt die weit entfernende Hand. Mit innerm Groll sich umlasiend, bemurrt er den seufzen dctt Armen, Daß ftül/r diese Bitte er selbst an ihn nicht gethan. Mit grinsend heiterm Gesicht bclispclt er fletschend den Geber, Wenn er gleißnerisch schwatzend von drückender Armuth erzählt; Gebückt im scheuen Gange nachfolgt mit trippelndem Schritte, Um Erbarmen für aufzuhäufenden Mammon zu flehen. Glückliche Hand, die der Verachtung zugcworfnc Gc- ^ schenk gierig crhnschct Und mit strahlendem Aua/ trocknet die schwitzende Stirn. Faltlos geglättet in der Begierde verzehrendem Blicke, Rascher bewegt sich dcr Puls in der abgelebten Maschine, Wenn sorgsam die Beute tragt dcr eilige Schritt. Vergnügen des Himmels ist ihm, zu wühlen mit sehnen- hüpfendem Finger In des gehäuften Schatzes bildgeprägtcn Metallen, Die, fern von dem Auge der Welt, verborgen das Sonnenlicht fliehn. — Was im Mitleid das Glück der Goldwuth zu sammeln erlaubte, Entreißt ihm oft spottend das Schicksal tückisch mit eisernem Griss; Der Traume fröhliches Spiel ergreift ihn mit kaltem E>tt> setzen, 5«? Daß ter gehobene Schal; leer nun in ein Nichts sich verlor'. Weil schrecklicher faßt ihn der nächtlichen Vilder Vcr- zweisizm^gedanke, Daß der Einbruch des Fcind's verwegen ihm alles gc- ranbt; Erwachend umschließt er krampfhaft die ihm im Wahn ge- plünderten Truhen. Und schlürft den Trost der Umarmung für sein tödtend Gefühl. Stellt-sich des Elends hülfsbcdürft'ge schmachtende Menschheit Vor der opferspäheudcn Sucht heuchlerisch bedauerndem Weigern Und dringt anf^Erbarmen mit bittend gehobenem Arm, So schmilzt der Gefühle eisige Rinde — cs knarren die Rieg'l — Der Goldschlund klafft ans einander—sich'rer verschlingend Gabc und Opfer zugleich. Wahnbcfriedigt enteilt der Betrogene, fürchtend das Schicksal, Daß wiederkehrendes Unglück ihn liefere zum Sclaven, Ueber ihn spreche der Habsucht unerbittliches Recht; Bestochene Richter, achsclzuckende Freunde, geldgierige Zeugen, Führen der bangen Familie vernichtenden Glücksturz herbey. Nichts ist dem Geizigen heilig, das Unglück der Menschheit Rührt nicht die fluchbeladene gcwisscnvcrhattete Brust, Cs ringe im Tode der Durstige lechzend nach Labung, Nicht reicht ihm die goloscharrende Hand des Tnmkes kühlenden Becher, 368 Sie gießt nicht das Oel in des Blutcntkraftctcn Wund?, Kein freundlicher Trost richtet den Sterbenden auf, Nur dessen Erbschaft gierig dcr Heuchler erschliche. Was erworben fremden Schweißes schwielcnverhartc- tc Arme, Was errungen dcr Fleiß mit thätig prüfendem Wagen, Und was aus dem Kampfe der Stürme trug der Flüchtling davon, Greift er wie eigenes Gut, trugsinnig und listbrütend au. Alles gehört ihm, was andere besitzen, alles scheint ihm nur Raub des Geschickes zu scyn. Aengsilich sieht cr mit entglimmendem Neide des Reichthums Fülle strömen in des Nachbars redlich gewinnendes Haus; Sprachlos hängt sein Mund an des Erzählers beredter Zunge, Schlaf und Nul/ fliehen der Erinn'rung folternd Gefühle Bis des Feuers zerstörende Glut und des Verlustes unerwartete Schlage Ihm das süße Vergnügen der Schadenfreude verleihen, Die er schlau unter der berückenden Maske dcr Freundschaft verbirgt. Ergreift ihn endlich der darbenden Sparsucht entkräftend Gefolge, Die innerlich verzehrende bctthütcndc Krankheit: So wünscht cr sehnlichst, daß nur keine Arzney sich fände, Ja nicht erschiene ein hülfebringendcr Arzt, Damit seinen Mammon nicht dieselbe Krankheit ergreife,' Zehrend an des vertrockneten Körpers markschwindcndcm Knochengerüst. Und schüttelt der grämliche Tod ihn endlich klappernd zusammen, — 3ln, — Umzieht ihn die Blasse dcs weltvcrlasscndcn ScheidenS, Bricht nun dcs Auges zuletzt erhobener Blick; So hangt noch dic Seclc klebend an dcs Schatzes stahl, ulnschlosscncm Rande, Wenn gestreckt schon die Glieder starren am erkalteten Leib. — Hier liegt nun das erbärmlichste aller lebenden Wesen, Längst reif zum vernichtenden Moder des unerbittlichen Grab's, Kein Marmor nenne den Namen, keine Spur bezeichne die Nuhsiatt, Denn wer nicht bewundert das Große, verachtet das Kleinliche nie. Immer ging es das Gebirge entlang, von Fels zu Fels durch Schluchten und Passe bis Trcb i sonda und Turt w l i. So qucllcnrcich und bewässert hattc ich noch keine Gegend gesehen, und dieß fiel mir um so mehr auf, da das Gebirge von Stia nur unbeträchtlich ist. Ein Gebirgkessel von den ältesten Waldbaumcn dicht besetzt, an den bebauten Lch< Nen mit den trefflichsten Obstbaumcn prangend, nahm mich wie das Paradies auf, ein Kranz von hohen und schroffen Felsen schien dieß Hciligthum in Schutz, nehmen zu wollen, und die beglückenden Götter hier in der friedlichsten Eintracht zu leben. Das tiefe Thal war von Fcldfrüchtcn leer geworden und die Sonne brannte auf die Stoppeln, hier ,'n der Höhe wurde aber jeder Sonnenstrahl durch die schönsten Eichenbäumc aufgefangen, und überall stürzten Bäche hcr^ ab, welche die Kühle vermehrten. Das Dorf lag in der Mitte, und Orangcgarten umschlossen jede einzelne Wohnung, die dazwischen hindurchschimmerten. Diesen Reiz vergrößerte noch eine große Anzahl von Nachtigallen, welche selbst m dieser vorgerückten Iahrszeit sich auf das Uebcrraschcndste Erster Thcll. U a 2?v hsrcn ließen. Die Vcnetiancr mußten die Vorzüge dieses göttlichen Sitzes gekannt haben; denn von den vielen Tur< teltauben, die sich hier aufhalten, nannten sie es Turtuli, wie es noch jetzt heißt. Ueberall war der beschattete Boden feucht, überall sammelte sich das kristallhelle Wasser in großen in die Felsen gehauenen Becken; Granat- Zitronen, und Orangenbäume mit glänzenden Früchten reich beladen winkten dem Angekommenen entgegen, das Dichte und Massige des Eichenwaldes durchbrach die schlanke dunkelgrüne Cy-presse und der mit seinen Wedeln und seiner rauschenden Krone im sanften Winde sich wiegende Dattclbaum gab mit den ringsherum cmporgcthürmten Fclsvartim eines der überraschendsten Bilder. Der Subbaschi dieses Ortes, cm gemüthlicher äußerst biederer Mann, wurde von den Dorf« leuten geachtet und geliebt, er schien scine wohlwollenden Gesinnungen blos den sanften Einflüssen dicscs bezaubernden Ortes zu verdanken zu haben. Der 27sic Imiy 1817 wird mir stets unvergeßlich bleiben. Die Nacht war äußerst an. genehm, blühende Reiser von Orangenbäumen drängten sich in das offene Zensier. Das Geräusch der zur Arbeit abgehenden Dorfbewohner weckte mich, ich genoß cincn noch herrlichern Morgen, und meines zudringlichen Begleiters auf einige Zeit enthoben, war ich um so froher. An den Brunnen hing überall die zarte Lobelia; dcr kretische Wohlgcmuth trat in die'Blüthe, und die Gemüsebeete mit Blumenkohl, Melonen und Vamicn standen hier in größter Ueppigkeit. Das Bewässern wird hier in Kreta allgemein vorgenommen, nie aber mit Kannen begossen oder gespritzt; ein stets abhangig angelegter Platz wird an seinem obern Rande mit einem Wassergraben versehen, aus welchem in Seitcngräbcn, welche nach dcn Beeten herabgehcn, das Wasser abgelassen wird. Diese Scitcngräbcn haben wieder Ncbcnrinncn, die zwischen den Beeten, welche die Pflanzen 57^ und Gartenfrüchte enthalten, hingehen. Man laßt nun nach und nach, zuerst in die obern und dann in die untern Quer« rinnen das Wasser eintreten, um die Wm-zeln der Gemüsepflanzen zu befeuchten. Ein Mann mit einer Harke in der Hand sieht immer eine Qucrrinnc tiefer, um das herab-fließende Wasser hineinzulcitcn, bis das Beet unten zu Ende geht, dann verstopft er die Ocffnung des Wassergrabens mit einem Rasen und öffnet den zweyten Seitengraben u. s. f. Das in der drückenden Sonnenhitze äußerst ermüdende Was« strtragen wird durch diese sinnreiche Vorrichtung erspart, welche die abhängige Lage aller Gründe schr begünstigt. Der Kreter crschrack, als ich ihm sagte, daß bey rns allcS mit Kannen begossen, und oft das Wasser mit Pferden' und Wagen in großen Fassern halbe Stunden weit hcrbcygcschafft würde. Als er sich endlich überzeugte, daß ich mit ihm nicht scherzte, sagte er: „dort möchte ich nicht Gärtner „seyn." Was würde der Mann erst dann gesagt haben, wenn ich ihm erzählt hätte, wie viel Kunst, welche Aufopferungen an Zeit, Mühe und Geld erforderlich waren, um edle Früchte und Gewächst aus warmer« Gegenden zu ziehen, und frühes Treiben der Vlmncn und Gemüse zu bewir« kcn; daß die Häuser für unsere Gewachst an Pracht sogar die schönsten Wohnungen für Menschen auf Kreta bey weitem übertreffen;— und hatte ich ihn nach Europa übersetzen können, so würde stm Erstaunen, mitten im härtesten Win-tcrfrost den Frühling in diesen Haustrn zu erblicken, weit größer gewesen styu, als meine Verwunderung hierüber das Vegctircn der zartesten Gewächse durch die Zeit derWmttrmo-nate styu konnte. Den Griechen Markus schickte ich mm mit einigen hundert Zitronen voraus über Li tines nach Girapctro, und nannte ihm die Personen, an dic sie vertheilt werben sollten; man hatte mich sthr gebeten, in Turtuli welche auzukaufcn, da man in Girapctro Mangel dinan 3/2 hatte, hier bekam ich »2 — 16 Stuck um einen Groschen, und man war noch obendrein froh, sie angebracht zu haben. Der Subbaschi selbst sammelte mir sie, mit einer Leiter von Baum zu Baum emporsteigend, aus das sorgfältigste, und verschaffte mir einen Mann aus dem Dorfe, der mich über das Gebirge nach Girapetro führen sollte, und den er mir auch besonders wegen seiner Kenntniß der Standörtcr der Pflanzen empfahl. Dieser war bey einem europäischen Arzte in Smyrna, welche ihre eigenen Apotheken halten, durch i5 Jahre als Laborant in Diensten gewesen, und hatte die Wurzeln, Stangcl und Blatter alle nach der Reihe recht gut kennen gelernt, es konnte daher nicht fehlen, daß er binnen dieser Zeit Recepte lesen lernte, und an Kenntnissen zunahm, bis er sich entschloß, den Mörser zu verlassen und die erlernte Kunst in seinem eigenen Vaterlandc auszuüben. Er äußerte, daß er mir um so'lieber Gesellschaft leisten wolle, da man ihn an mehreren Orten zu sehen wünschte. — Er hatte mehrere Büchsen in einem Sacke, Purganzcn, Pulver unddergl., womit er seine Kunden, welche auf Erle ich to rung sehnlichst warteten, zu beglücken hoffte, und um zehn Parah war er bereit, so viel Blut, als man nur immer wünschte, abzuzapfen. Mit diesem asklepiadeischen Cyclo-pcn trat ich nun meine Reise über die felsigen Höhen'des silicnsischcn Gebirges an. Etwa brcyhundcrt Schritte hinter Tnrtuli, nach welchem ich mit inniger Wehmuth, es so bald verlassen zu müssen, zurückblickte, übersah ich schon von der erreichten Anhöhe die ganze Südseite und das ausgebreitete ky^schc Meer. Wir gingen nun an der Schärfe des Gebirges fort, und ich wuroc auf einem hohen Felsen ein altes zerstörtes Schloß gewahr, von welchem mir mein Führer versicherte, daß es ein gewisser Adi 0 mcnes — vor alten Zeiten — gebaut habe. Die Ringmauern waren sehr gut erhalten, die Wohnungen deutlich zu sehen, und wahr- 3/3 schcinlich tbar dieses Schloß voil den Saracenen zur Beob< achtung der östlichen Scc bestimmt, wozu sich auch ft leicht kein Ort trefflicher eignete. Ein schroffer Abhang führte uns nach dem Dorfe Cria, welches seinen Namen von dem trefflichen kalten Wasser, mit welchem die zahlreichen Schaf, hcerdcn der Gebirge getränkt werden, erhalten haben mag. Ein Springbrunnen in der Nahe dieses Dorfes, von Felsen beschützt, von hohen Platanen umgeben und an der Land« sirasic gelegen, lockte mich zur Ruhe an: lange hatte ich ein so kaltes Wasser nicht getrunken. Ein Türke kam wir freundlich entgegen, erkundigte sich höflich nach meiner Nation, und aus meinen gesammelten Pflanzen die Absicht der Reise vermuthend, nöthigte er mich in seine Wohnung. 0hnc mich durch Kranke belästigen zu lassen, brachte er unaufgc-fodert alles herbey was er im Haushalt besaß, Eycrkuchcu, Früchte, Kaft, Honig, sogar Wem ließ er bringen, und schenkte mir ihn selbst ein. Kaum dürfte ich den Hausleuten einige unbedeutende Geschenke machen, er ging mir nicht von der Seite, begleitete mich höflich cinc Strecke vor das Dorf, bedankte sich nur für die Ehre, und ließ nicht zu, ihm Verbindlichkeiten für seine freundschaft« liehe Aufnahme zu sagen. Vorher brachte er mich auf dringendes Bitten blos zu einem einzigen Kranken, welcher wegen übler Behandlung einer gefährlichen Wunde und der wahrscheinlichen Rcsorbtion des Eiters in einem abzehrenden Fieber lag und dem Tode nahe war. Seinem wiederholten Begehren, ihm zu sagen, ob der Kranke aufkommen werde, durfte ich nicht willfahren, weil den Türken überhaupt bey ihrem Fatalismus der Tod weit weniger schrecklich ist, imd cr auf dem Rückwege ganz gewiß beym Kranken eingesprochen, mtd ihm als eine angenehme Neuigkeit mitgetheilt haben würde: „er müsse nächstens sterben!" Man darf hier so etwas nicht einmal laut werden lassen, und 3?4 nie don cincm üblen Ausgangc reden, weil man keine Schonung, selbst bey Familiengliedern, zu erwarten hat. Die Kranken waren vorausgclauftn und warteten hinter einem Busche auf mich, denn der Türke hatte sie fortgejagt, mit dem Bedeuten, man solle mich mit unnützen Klagen nicht belästigen; jetzt umgab mich nun der Trupp, jeder hatte eine Freude daran, mir sein Unglück zu erzählen, und getröstet gingen alle davon. Nach einem höchst malerischen Wege über Hagio.Mama, Riso, Mezzo-und Oxo-M ujana wendeten wir uns um das Gebirge, und kamen nach demGebirgsdorfc Turloti, welches oberhalb zweyer der größten Schluchten dieses Gebirges gebaut, eine der schönsten Aussichten auf das Meer gewährte. Wir mußten die Schluchten herab bis in den Grund, und dann auf der andern Seite wieder hinauf steigen. Im Dorfe war die Schnittzeit vorüber, und das frohe Volk freute sich über die gefüllten Kornkammern. Der Verwalter kam und machte alle Anstalten, mir nach einem höchst ermüdenden Marsche cm gutes Nachtmahl bcrciten zu lassen, da einige Seefische ausgcmittclt und ein paar Tauben angetragen wurden, wcl. chc ich um einen billigen Preis allkaufte. Zur Zeit der Fa» sten, welche jetzt „der Apostel wegen" bey den Griechen eingetreten war, ist es nicht rathsam Eyer zu genießen, sie sind dann zwar äußerst wohlfeil, verderben aber, besonders im Sommer, um so leichter, und die arme Henne llegt ihr Ey umsonst. Ich schlief diese Nacht im Freyen auf der Terrasse. Cm schwerer natolischcr Teppich deckte mich. Der Glanz der nach langer Dämmerung flimmernden Sterne, der hei-» terc ungetrübte Horizont und eine der angenehmsten Nachte, deren Windstille nur zuweilen ein sanfter Hauch dcs Zephyrs unterbrach, erquickte mich so sehr, dasi ich ein neues Leben in mir fühltt/ so erschöpft ich auch durch die Anstrengung 37^ über die unwegsamsten Gebirgsschluchten war. I« hie Betrachtung des azurnen Himmelsgewölbes versunken, welches ick) auf der Erde liegend nach allen Richtungen übersah, sammelte ich die Sterne zu Bildern, und in dieser Beschäftigung, in der ich zu ermüden begann, senkte sich nach geschlossenen Augcnlicdcrn der Schlaf auf mich, aus dem mich, nach ei-ner angenehm durchträumtcn Nacht, der erste Strahl der Morgenröthe weckte. Die am Tage vorher beobachteten Schluchten wurden nun unter/ucht, und ich fand daselbst den Lcinbaum (I^num aiiiuroum) auf den Felsen von so un« gewöhnlicher Größe, baß ich ihn mit Recht erst „baumartig" nennen konnte. Die silberfarbige Flockenblume (^entlluroa nrgentoa) hing in großen Waftn herab. Endlich kam ich an das Ende derselben, woselbst ein schroffer Weg auf eine Anhöhe führte, auf welcher Hütten standen, dcrcn Aussehen ganz demjenigen der Alpenhütten unserer Tyroler und Salzburgcr Alpen gleichkam. Angenehm war es mir, eine solche Achulichkcit anzutreffen; es ist für den Reisenden sehr überraschend, selbst durch unbedeutende Dinge an seine Hcimath erinnert zu werden. Als ich zurückkam, kostete es mich viele Anstrengung, mich des lauten Lachens zu enthalten. Ich trat in die Stube, und siehe da, mein Laborant, dessen Gunst man bereits zu erhalten gesucht, hatte seinen Sack aufgebunden, und ein halb Dutzend Blech, büchftn standen vor ihm aufgepflanzt. Eine Menge Menschen umgab ihn und verlangte Arzeneyen. Cinem Türken wurde eine tüchtige Portion von Abfübrungsmittcln zugemessen, und der Hr. Subbaschi bat sich ganz ernsthaft gleichfalls eine Purganz aus, mit dem Bedeute«, ja nicht zu vergessen, ihm eine recht gute und kräftige zu geben, weil er es recht gut bezahlen wolle; dabey streckte er, wie man hier allgemein zu thun pflegt, um das Wort kräftig anzudeuten, den Arm aus, ballte die Faust, und hielt ihu so gestreckt cine 3/5 Weile vor sich hin. Ich wünschte nun einem jeden bcr Anwesen« dcn ein „wohlbekomm' s," dem Herrn Laboranten aber einen guten Stößel, viele verstopfte Magen und osscnc Beutel, und nahm einen neuen Boten, welcher immer türkisch reden wollte und doch nichts davon verstand, eine neue Krankheit, welche ich ihm ricth, von seinem Vorgänger be» handeln, zu lassen. Inzwischen war dieser Landmann sehr jovial, schritt munter vorwärts, erzählte, als ob er bey einem römischen Cicerone in die Schule gegangen wäre, bey jcdcm Dorfe, an dem wir vorbey gingen, die Biographie eines dort lebenden Bekannten, wußte eine Menge Anekdoten, bemerkte sogar Alterthümer, kannte Bäume, Strau« chcr und Kräuter, lachte über die Griechen und fluchte über die Türken; kurz er sprach so lange, bis ich ihn in der Hitze dcs Tages außer Athcm brachte,— dc»m wir stiegen be« ständig aufwärts — worauf ich schwieg. Endlich, nachdem wir dic Höhc erreicht hatten, brach sein Mundstück wieder los, er verschluckte die Worte, welche ihm nicht schnell genug z'vischcu dcn Lippen hcrvorwolltcn, und mußte, wenn ich irgend etwas ilttcrcssalttcs vermuthete, alles von ncucm wiederholen, außerdem schwatzte er ins Gclag hinein, bis er merkte, daß ich gewiß schon darüber eingeschlafen wäre, wenn ich nicht zu Fuße ginge. Wir gingen auf einer sehr schön angelegten und trefflich gebahnten Straße fort, übersahen den ganzen Golf von Cap Iua n, vor Alters das Vorgebirge Zephyrion gc. naunt, und erreichten endlich die Höhe derselben; auf derselben standen künstlich gepflanzte, an Pfählen festgebundene Pappeln, und umgaben einige Arkaden, welche einem Springbrunnen gegenüber zum Ausruhen dcs Wanderers angebracht waren. So viel Ordnung und Zierlichkeit hatte ich noch nirgends bemerkt. Eine arabische Inschrift mit golbe-um Buchstaben auf weißem parischen Marmor, aus Mi- Z77 noa Lyctia oder aus den Ruinen von Hierapytna geholt, glänzte im Sonnenlicht, und theilte dem Wanderer mit, wem er diese kostbare Erfrischung zu danken habe. Dieser prachtvolle Platz öffnete die Aussicht nach dcm Thale von Girapc-tro, und mein Merkur nannte mir einen Namen, welchen ich weder im Homer noch im Dictys, sondern, um ihn zu finden, im Koran hatte aufsuchen müssen. Bald hätte ich nach dcm Namen dieser Gegend zu fragen vergessen, mein Grieche sagte, daß der Berg Mal aura, und die Quelle Vrissina ap ti Malaura hieße. Die Venctiancr hatten dicstu schönen Ort höchst wahrscheinlich nach ihrem Lieblinge, dcrzuArgua ruht, sogenannt, um durch „Laura" sein Andenken zu ehren. Deshalb hieß sie nntcr diesem thätigen Volte Fontana dclla Laura; ein Lieblingssitz, welcher, wenn auch die Etymologie ganz aus andern Wörtern gefolgert würde, auf alle Falle diesen poetischen und Idyllen-Namen verdient. Da unser Auftnthalt nicht ewig währen konnte, Durst und Hitze vergingen, welche man oft für sich zur Entschuldigung hervorbringt, nm die Verzögerung zu beschönigen, so brach ich wieder auf— doch ungern. Schnell ging es abwärts, und wir erreichten das Thal Dulo, nnd sogleich das nächste ansehnliche Dorf Cavus. Wir gingen an einem Hause vorüber, dessen Hofraum ein interessantes Schauspiel dardot. Es waren so eben mehrere Menschen mit dcm Abwinden der Kokons beschäftigt. Weiber plätscherten mit Ruthen in dem heißen Wasserkessel, singen die Fäden auf nnd hoben sie auf das Rädchen. Mit ungcmeiner Gcschicttichkcit griffen alle Arbeiter in ihr Geschäft, wobey mehrere Müßigganger umher lagerten, sich anlehnten, und üdcr die Arbeitenden belustigten. Die meisten warcn Türken, aber von griechischen Sitten. Man grüßte mich freundlich, um mich zu veranlassen, einzutreten, wobcy ich 3?» ihre enthüllten Weiber sah. — Mein Führer ging zurück, und ich empfahl ihm, da die Nacht bald einbrach, Eile an; Wein und Brod, das ich mir holen ließ, schenkte ich ihm ganz, da er mich darum ersuchte. Hier wußte man noch nichts von dem unglücklichen Ereigniß, daß ihr Gutsherr, der reichste Private von dcr ganzen Insel Candia, Bcdri »Ef-fendi, vom Pascha von Candia durch List in ein Gartenhaus gelockt und dort erdrosselt worden war. Diese Nach. richt kam erst des Morgens ausGiravctro, der junge Türke, dem ich in der Nähe der Etadt, wo er bey mir vorbey spreng« tt, des andern Tages begegnete, brachte sie,dahin. Das Thal Dulo hat an dcr andern Seite gegen Westen bedeu« tende Weingarten, wo die allerersten Weintrauben reif werden, die es auf Kreta gibt. Die Ursache ist, weites unmittelbar in das Thal von Girapctro auf dcr Südseite übergeht, das niedrigste Terrain von allen Flächen besitzt und dessen höchster Punkt kaum 5o Toiscn über dem Meere erhöht seyn dürfte. Das Meer würde, wenn es sich einmal erhöbe, zuerst Setia von dcr Insel abreißen, dann würde Lassiti vom Ida, endlich aber, und dieß wohl kaum — Ida von den Leucaori abgetrennt, und so vier einzelne aus dieser laugen Insel gebildet werden. Hier kann nun dcr Weinstock bey den Mittagswinden, vor' allzukaltcm Wetter geschützt, zwischen Bergen den prallenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, in einem ohnehin sehr niedrigen Thalc, sehr leicht und viel schneller, als anderswo zur Reife gelangen. Den 20. July hat man gewöhnlich von dcr frühen ^Sorte aus dieser Gegend die ersten schon in Candia zum Verkaufe ausgeboten, und verkauft solche nach Pfunden oder Okas. Man fragte nach mir, und ich wurde von einer hülfsbe-dürftigen Menge belagert. Ich mußte nun alles thun, um durch guten Rath dicsc Mcnge Menschen mir vom Halst zu schaffen, denn allen zu hclftn, war nicht möglich. Die cin< 379 gebildeten Kranken, deren es auch hier nicht wenige gibt, vergällten mir die Lusi, wirklich Nothdürftigcn längere V?uße zu schenken, und brachten mich durch Zudringlichkeiten oft dahin, sie kurz abzufertigen.- Herrlich ist es, einen Leiden, den wenigstens getröstet von sich lassen zu können, wenn Zeit nnd Mittel fehlen, etwas Entsprechenderes zu thun. Wer auf Reisen ist, kann nichts besseres thun, als sich durch einen solchen.Ruf fortzuhelfen, er erreicht am besten seine Absicht, findet in jedem Orte Entschuldigung, und von Al< lcn Schutz, er lernt wo er hilft, und den Zeitverlust ersetzt der Dank der Hülflosen. Der Zulauf wird zwar ungewöhnlich, und die Menge wachst, wenn es heißt, er fordert kei-ne Zahlung; allein Hausmittel sind bald verordnet. Unter den zu mir gekommenen zog mich ein Grieche an, welcher am ganzen Körper, sogar im Gesichte, kurz überall, mit violettrothen Flecken, wie Blutunterlaufungcn, von Handgroße bis zur Größe einer Erbse ganz übersäet war. Sein Anblick war abschreckend, und alles fioh vor ihm. Er war Grammatikos oder Nechnungsführcr im Dorfe und jeder scheute sich das Blatt zu berühren, welches er beschrieben hatte. Cr sagte, beym Eintauchen in ein Bad habe ihn plötzlich ein Ficberfrosi befallen, worauf ein Fieber ihn mehrere Tage ergriffen, und dann diese Flecke, als das Ende seiner Krankheit, zurückgelassen habe. So mißgebildet trug cr sich schon seit vier Jahren, ohne übrigens die geringste Unannehmlichkeit zu fühlen, in diesem Dorfe herum. Es waren nicht die mindesten Abschorfungen, Erhabenheiten, Vertiefungen, Papillcn oder Vcrdickungcn zu bemerken, kein Arzncymittel hatte ihm aber auch eine Aenderung oder Verminderung verschafft. Er bot mir ein Nachtlager an, welches ich sehr gern annahm, bewirthete mich sehr freundschaftlich und ich ließ das Uebel ganz außcr Acht, well ich das-ftlbe auf keinen Fall für ansteckend hielt. Er dankte mir 33o für dieses ungemein, denn altes floh bisher dor ihm, da ich ihn aber berührte, st kam ihm dieß bey seinem Amte sehr gut zu statten, weil man schon darauf angetragen, ihn seines Dienstes zu entsetzen, wodurch er zum Bettler geworden wäre, So wie ich dies merkte, arbeitete ich durch Spott dahin, die Furcht gegen seine Krankheit jedermann zu benehmen, indem ich gegen ihn selbst keine äußerte; ich trank mit ihm aus einem Becher, bediente mich seines übrigen Hausr.lthcs und schlief auf seinen Teppichen. Wenn ich ihn geheilt hätte, er hätte nicht so viel Vergnügen daran haben können, als jetzt, weil ich mich überwand, und den ihn Umgebenden, ohne meine Absicht zu zeigen, das Vor-urtheil benahm. Man thue ja nicht weniger, als man kann.---------Er dankte mir, begleitete mich des Morgens, nachdem er mir ein Maulthi'er um einen billigen Preis verschafft hatte, und ich schied bedauernd von ihm, — ihm nicht he,lfcn zu können. Ein Landmann, der auf dem Felde arbei« tetc, fing auf einmal jämmerlich an zu schreyen und zu wci< nen, kam auf mich zu und klagte, ein Skorpion habe Hn gestochen. Ich sollte wieder helfen; ich beruhigte ihn je-doch, indem ich ihm rieth, den Skorpion,, der ihn gestochen habe, sogleich zu zertreten und den Brey anf die Wunde zu legen. Der Stich ist sehr schmerzhaft; kleine nervenschwache Personen, besonders Kinder affizirt dieser Stich so gefährlich, daß sie in Fieber und Convulsioncu verfallen, und öfter daran sterben. —- Die Mcercswellcn müssen ehedem durch das Thal Dulo bis Girapctro, und zwar eine Reihe von Jahrtausenden geströmt haben, denn das Gc« birge von Setia lauft hier mit glatten senkrechten Wanden beynahe bis Girapctro fort, da doch die Senkung des Ge< birgcs vom Gipfel herab einen ausgedehnten Fuß verlangt, der an diesen steilen Wanden endigt, in welche sich die Schluchten c in schneiden, Unter mancher Etcinwand hat 3«! Man bis i l Uhr Vormittags noch Schatten. Die Cchich» ten dieses Flötzkalksteins sind sehr dünn, abcr so genau ho. rizontal, daß man die Senkung dcs Thales gcgcn Cavus und die Elevation eines jedcn Pnnktes über dem Meer, bloß durch die Abmessung des Endes seines bis ans Meer foy, laufenden Flötzcs, anzugeben im Stande wäre. Mein Maultiertreiber, war ein fauler Patron, er la< mentirtc schon nach einer Viertelstunde, daß er zu Fuß gehen müsse. Lieber Freund, sagt' ich, wenn ihr wißt, daß euer Maulthicr allein von Girapctro nach Cavus zurück kommt, so gcht getrost nach Hause, ich sende es euch nach. Dieses konnte er jedoch nicht verbürgen, deßhalb trabte er stillschweigend nebenher. Auf dem halben Wege aber sagte er sogar, daß wenn ich ihn jetzt nach Hause lassen würde, er für diesen Weg nichts von mir verlangen wolle; er konnte in der That nicht vorwärts. Ich licß ihn daher ausruhen, stieg ab und setzte mich unter den Schatten eines Iohannisbrotbaums; etwas Wein, welchen ich bey mir hatte, stärkte ihn, Käse wollte er nicht zu sich nehmen, denn es waren Fasten. Lieber Freund, was eßt ihr denn bey der harten Feldarbeit, fragte ich, denn die Fasten machen cnch ja untauglich zu allen Verrichtungen? Mein Gott, sagte er: Ackcrsenf mit Zichorien und andern Feldkräutcrn in Wasser gebrüht, etwas gesalzen, mit Oel fett gemacht und trocknes Brod, dann eingemachte Oliven. Lieber, meinte ?r, würde er cine „Todtsündc begehen, als Eyer, Käse oder gar Fleisch zu sich nehmen." Also sprach ich: „Lieber mich hier „todtschlagcn, mein Freund, und mein bischen Geld nehmen, „als Kasc essen, den ich esse! Wißt ihr was, setzt cuch, weil „ihr müde seyd, auf das Maulthicr und ich gehe zu Fuße, denn ich habe Kräfte, ihr keine." Er sträubte sich, aber er wußte. Er ritt, so lange er keinen Menschen gewahr wur- 232 de, denn er fürchtete sich vor dcm Spotte. Endlich stieg er ab, und ich ritt noch ein halbes Stündchen auf meinem Maulthier bis in die Stadt Girapetro. Das Resultat aller meiner Betrachtungen war, daß die Türken dcm Griechen von dem Gewonnenen gerade so viel übrig lassen, um sich satt essen und leben zu können, ohne reich zu werden; die 2i6 Fasttage im Jahre bringen ihn durch Hunger und durch den Genuß der nachthei'ligsten Speisen um Kräfte und Gesundheit, und machen aus einem Sklaven vollends einen Bettler. Daher die übertriebene Sparsamkeit der Griechen, und das sorgfältige Verbergen aller ihrer Habe, um vor Plünderern sicher zu seyn oder sie befriedigen zu können; und eben darum kann auch der Aussatz auf Kreta, der die Türken am wenigsten ergreift, so gute Fortschritte machen. Will man den Griechen Vorwürfe machen, so muß man alles genau untersuchen, und dann erst urtheilen; denn es gibt keine Nation, nach meiner Meinung kann ich auch nicht eine ausnehmcn, welche, wenn sie mehrere Iahrhun< dertc unter einem solchen Joche lebte, nicht demselben Tadel ausgesetzt seyn würde. Man thut den Ncugriechcn Unrecht, und zwar aus keiner andern Ursache, als weil man sie mit überspannten Vorstellungen von dcr Vortrefflich kcit ihrer Vorfahren betrachtet, und ohne genauere Erwägung ihrcr Verhältnisse, sie zu ihrem Nachtheil mit ihnen vergleicht. Man denke sich ein Land, wo keine Schulen, kein Unterricht, keine Religionslehre, sondern grasser Aberglaube und Bigot-« teric — kein Eigcnthumsrccht, kein Gesetz, sondern Cklavc-rey eines rohen Siegers von fremder Lehre, grausame Be« Handlung dcr Untergebenen ohne alle Billigkeit herrscht, und man muß als Menschenfreund zufrieden seyn, mehr und besseres daselbst vorzufinden, als mau mit Recht vermuthen konnte. — Der Unwille darüber, daß Menschen so wenig Liebe besitzen, verdrängte in diesem Augenblicke bey mir die 3tj3 Menschenliebe. Em an uns vorübercilenber Türke, der ohne sich aufzuhalten nach Eavus sprengte, foderte mich auf, nach der Stadt zu eilen, um cincn Vergifteten zu retten. Da ich vermuthete, daß der Vergiftete ein Türke sty, und jetzt gewünscht hätte, alle diese Barbaren möchten statt Nicßwurz lieber Bclladona, von der sie ohnehin Freun» de sind, zu sich nehmen, so hielt ich es nicht für nothwendig mich in meiner Lage stören zu lassen, um so mehr, als ich anfalle Falle auch zu spät kam, da ihm, wenn er nicht schon todt war, als ich cs hörte, gleich geholfen werden mußte. Ich eilte aber dennoch in die Stadt, weil ich an der Wahrheit nicht zweifelte, da der Ernst der Türken einen solchen Scherz nicht zulaßt. Wie diese Begebenheit ablief, ist oben erzahlt worden. Mich hielt nichts mehr zurück, schnell nach dem Gebirge Lassiti zu gehen, auch war mit dem 6. July die Jahreszeit eingetreten, wo man die Gebirge Kretas bereisen muß; übcrdicß wollte ich Ende July schon am Ida seyn, und im August die Lcucaori, welche inzwischen mcm in Canca zurückgebliebener Gartner besuchte, besteigen, um die Nachlese zu halten. Ich brach daher am 6. July Sony-tags in der Frühe von Girapctro über Calamatta nach dem hohen Gcbirgsthalc von Lassiti auf. Ehe ich noch von Girapctro mich entfernte, nöthigte uns an einem Sonntage der Stabtarzt in seine Wohnung; er hatte gegen Georgi sich geäußert, hier in Girapctro wären wir, was die Kost anbelangt, sehr schlecht bedient worden. Er schien sich verpflich« tet zu fühlen, da wir das Haus — wo er den Hausarzt vorstellte — vor einem Todesfalle bewahrt hätten. Er war ein zutraulicher Alter, der mir sehr wohlgcfiel, und gern plauderte. Er holte uns nach seiner Wohnung ab, waS auch sehr nothwendig war. Wir waren schon in den schlcch. testen Straßen von Girapctro gewesen, aber cm so unzu» gänglichcs, kothl'gcs und schmuzigcs Haus i hatten wir uns 584 nicht vorgestellt. Der Stadtarzt blieb vor einer Thüre sic-hen, welche wohl in kein Wohlchaus führen komttc. Nach dem Pochen wurde sie geöffnet. Ein kleiner Hof, der vorne so schmal wie die Thür, nachher aber nur doppelt so breit war, in welchen das Tageslicht über sehr hohe Mauern so sparsam hinein fiel, baß man darin einen Regen- von einem heitern Tage kanm unterschieden haben würde, gab uns wenig Stoss zn Betrachtungen, im Hintergründe sah man nur eine einzige, augclwcit offenstehende Thüre, welche dic Einsicht in eine vollständig ausgerüstete Nnmpclkammcr gewährte. Was wird daraus werden, dachte ich, ist dies das Ziel unserer Ncise, oder geht hicdurch nur die Passage? Kein Fenster erleuchtete das finstere, bcrauchtc, schmuzigc Gemach, der Boden war durchgetreten und bestand aus gemeinem Schutt, die Schwelle war sehr hoch, und von da herab mnßte man den ersten Schritt I Ellen tief in eine Grube thun, wobey man den Hals brechen konnte. — Der Stadtarzt unterhielt uns mit einem Selbstvertrauen, wclchcs offenbar eine Katastrophe vermuthen licsi, die abcr doch kanm denkbar war, denn es gab kcinc Thür mchr, wo wir hindurch konnten, und in dieser Mördergrube sollten wir Appetit bekommen? — das war nicht möglich! Durch die offene Thür fiel das einzige Licht in dicfts halb unterirdische Zimmer, Küche, Schüttboden, Weinkeller, Hühncrstall, alles war hicr^ beysammen. Die Wirthin trat nun vom Fcucrhcero in ihrem Küchcnanzugc herein, begrüßte uns, und stellte drey Echustcrdrcyfüßc zurecht, auf welchen wechselweise Holz, Fleisch und Taback gespalten und gcschnitttn worden waren. Endlich hob der Stadtarzt an: „Bist du fertig mein Schatz"; Ja, antwortete seine Frau, Wir könncn vorrichten. Nun, dachte ich bey mir selbst, wird wohl verbrannte Suppe, hundertjähriger Zwieback, sanrer Wein und lederner Braten kommen; habe ich doch etwaS zu erzählen, wenn ich nach Hause komme! — Wem, welch' cine Metamorphose! Zuerst befahl dcr Hauswlrch dem Mädchen, sie solle die Hofthür zusperren; diese flog nun dahin, machte sic zu und legte einen Querbalken vor; hierauf warf er sich sowohl als seine Frau in den Staat, er holte einen persischen Kaftan, den bey uns, als Schlaf-» rock, mancher Präsident nicht besitzt; ein Tcppich verdeckt»: dic häßlichen Mobilicn, und ein Tischschemel wurde hcr-beygcbracht, auf wclchcu cine kupferne gut versilberte, äußerst niedlich gearbeitete runde große Scheibe mit aufwärts gebogenem Rande gcfttzt wurde. Chinesisches Porzcttain deckte den Tisch, die reichsten Karaffen von schön geschlissenem und vergoldetem Glase wurden aufgestellt; dcr beste Cypricr fand sich bereits in geschlissenen Krugen uns gegenüber, silberne Bestecke und Löffel wurden vorgelegt, und die Mahlzeit wurde aufgetragen. Vor Ucbcrraschung konnte ich nicht zu Worte kommen, und schwieg. Die Speisen waren vor-trefflich zubereitet, äußerst schmackhaft, und mehr als zehn Schüsseln, das Backwcrk, welches die Wirthin selbst verfertigt hatte, ungerechnet. Dcr reichste Private hätte sich nicht schämen dürfen, diese Gefäße und diese Speisen uns vorzusetzen. Kaum war aber abgespeiset, so wurde alles aufgehoben, weggeräumt, versteckt und verborgen, so dast von allen diesen kostbaren und prächtigen Gegenständen nichts übrig blieb, und als der Hauswirth seinen zerrissenen Bcm'sch wieder angezogen hatte, war die größte Armuth im Hause zu sehen, und es schien, als ob nic ein Dreyer über die Schwelle gekommen wäre. Die Hlfthür wurde von dcr Magd wieder geöffnet, und wer jetzt eingetreten wäre, würde geschworen haben, daß wir nur Rumfort'schc Suppe gegessen hätten. Aus dieser kurzen Darstellung ficht man, wie grosi dcr Druck und die Barbarey in diesen Landern ist, — Gott ge^, Ersicr Lhcil. B b '"' , , — 386 — dasi wir sagen linntcn - war. Besitzt irgend. Jemand das geringste, so zeigt er solches lieber Fremden, als den Einheimischen vor; man kann dort Niemanden richtig schätzen lcr-ncn; denn sich selbst gesieht man nicht gern was man besitzt, um sich keine Furcht zu machen. Reichthum ist dort ein Verbrechen, und wer etwas besitzt, setzt sich bey jcdcr auch der unbedeutendsten Gelegenheit Verfolgungen ans, die nur dann ein Ende nehmen, wenn der Türke wcisi, daß der Geplünderte nun weiter nichts mehr hat. Man glaubt nicht, wie sehr eine mißtrauische, sklavische und inhumane Bchand, lung die Nation verschlechtert, ihr alles Ehrgefühl, Zutrauen und die Achtnng gegen die Gesetze raubt, wenn sie sich zugleich überall von Angebern, Spionen und erkauften Bcob. achtern umgeben und belauscht sieht, die um den Schweiß des ruhigen Bürgers desto sicherer zu verzehren, durch vergrößerte, erdichtete und falsche Angaben zeigen müssen, daß sie das Blut - und Schandgcld nicht umsonst erhalten. Die Starke der Pforte beruht, äußere Erschütterungen nicht in Anschlag gebracht, blos darin, daß sie, da sie ihre Soldaten nicht in ihrer Gewalt hat, die einzelnen Bcwoh, -.ll.'r in innerer Zwietracht erhalt, den P a sch a's durch hau« fige Versetzungen nicht Zeit laßt, unabhängig zn werde», und im Staate mehrere Parteyen wechselweise begünstigt; bey der Pforte wimmelt es von Angebern, Spionen, und bereitwilligen Vollziehern jcdcs Befehls, der Islamismus entschuldigt jede That! Wir wendeten uns an einen reichen Türken in Girapctro, welcher uns 4 Manlthiere verschaftc, denn der Subbasch,' war unverschämt genug, statt ,6 Piaster, 6a von uns zu fordern, und brachte Landleutc herbey, denen ich das Geld vorausgcbcn sollte, um für sich sogleich 64 Piaster behalten zu könn..'n. Ohne ihn eincs Blickes zu würdigen, da cr das Gasticcht, cmc heilige Pflicht dcs Orients, so schlecht beobachtete, und so frech verletzte, machte lch mich schnell auf, belud die Maulthicre und eilte aus diesem Marktflecken erleichtert fort. Noch einmal mußte ich am Cnde dcr Stadt absteigen. Man fiel mir in den Zügel, und bat mich, es cinem Kranken nicht entgelten zu lassen, daß ich hier so schlecht behandelt worden sey, und ihn zu besu. chen. Ich stieg ab, und sah, daß an diesem Unglücklichen weder etwas zu verderben noch zu bessern sey, ich tröstete ihn mit freundlichen Worten, und verordnete ihm Molken und dann und wann einen leichten Absud von China. Die Sonne eilte der Mittagslinie zu, und wir waren noch nicht an den Ruinen vorüber. Ich wünschte den Girapctritcn die Zeiten ihrer Kosmcn und Curctcn, als ich durch die alte Stadt hindurch ritt, deren Platze man zu Feldern, und die Steine zu Mauern und Umzäunungen verwandelt hatte. Herzlich froh, diesen Ort aus den Augen zu verlieren, trabte ich über Säulcnschäfte und Kapitäler, und in kurzer Zeit be« fand sich der ganze Zug zwischen Fclsenthalcrn, in welche von allen Seiten Bache herab stürzten, welche mich an Tur-tuli erinnerten. Das Maulthier dcs Griechen Markus warf, durch das Spornen stutzig gemacht, alles Gepak vom Sattel, und schnürte sich den Hals so zu, daß es umfallen mußte; wenn die Sattel gleich mit keinem Bauchriemen be. festigt sind, so ist doch das darauf geschnürte Gepäcke ziem« lich fest, die Sättel reichen zwar tief herab, allein wegen der durch die Maulthicre ausgetretenen schmalen rinnenar-tigcn Felswcge, nicht minder wegen der hohen Steine, welchen mitten auf dem Wege liegen, muß man das Ge« packe sehr hoch halten, sonst würde es zerrissen, abgestoßen und beschädigt werden, auch würde das Maulthier es ab« streifen, wenn der Brusiriemcn spränge; deßhalb balancirt die Habscligkeit bey jedem Tritte, und man kann die Geschick, lichkeit der Kreter nicht genug bewundern, welche bey ungün. Bb " — Z52 — stigeu Fällen jedesmal herbeyeilen, um den Sturz auf»«« daltcn. Dicßmal hatten wir viele Arbeit, um alles itt die Höhe zu bringen, endlich war es wieder aufgeladen, wir durfttn aber dieses stutzige Thier nicht anspornen, sondern mußten es traben lassen, wie es selbst wollte. Das Aufsteigen auf die Maulthicre in Kreta ist sehr beschwerlich; weil der Sattel nicht befestigt ist, so kann man von Steigbügeln keinen Gebrauch machen, man ist daher genöthigt, immer von Erhöhungen und 2 bis 3 Fuß hohen Steinen, zu welchen man das Maulthicr hinführt, dasselbe am Halst zu besteigen und sich unmittelbar in den Sattel zu setzen. — Georgi ergoß sich in Verwünschungen gegen Markus, und dieser hatte wegen seines schlechten Kaufs, den er iu Piskocephalo veranlaßt hatte, w«il das Füllen zu jung und nicht so vicl werth war, als ich gegeben hatte, viclc Vorwürfe von ihm auszustehen l mir machte es Vergnügen, daß Gcorgi bestraft war, da er nicht aufrichtig gewesen, mich um cm Maulthicr ju ersuchen, und mir die Nothwendigkeit dessel-ben zu seiner Haushaltung vorzustellen, sondern mich bloS mit aller Gewalt zu überreden suchte, daß ich eines zu mci. uer Bequemlichkeit unumgänglich nöthig hatte, wovon ich mich aber nicht überzeugen konnte. Er hatte um mich viele Verdienste, die ich keincswegcs vergessen wollte, denn er hatte mir den Ianitschar vom Halse geschafft, mir bebe»' tendc Vortheile an die Hand gegeben, meine Neisc durch die Insel in jeder Hinsicht erleichtert, auf mannigfaltige Wci« ft Summen erspart, welche ich aus Unkenntniß aus-gegeben, denn ohne ihn hätte ich oft das Dreyfache bezahlt, was es eigentlich kostete; konnte er mir aber nicht auf eine gute Art gelegentlich stincn Wunsch oder seine Bitt« wissen lassen, und mich offen ansprechen? Er meinte aber, wenn ich von der Insel weg nach Aegypten ginge, würde er sich schon meines Maulthicr's zu bcmeistern wissen. Das verdroß mich, und weil nun das Maulthier gekauft war, machte eS mir Vergnügen, daß er durch Mangel an Aufrichtigkeit sich selbst bestraft hatte. Wer Kreta bereist, selbst wenn er stch lange dort aufhält, thut Unrecht, wenn er ei>l Maulthier kauft, dem: wenn man ein Maulthier miethet, so geht der Mann stillschweigend mit, rechnet für sich selbst nichts auf, und nian befriedigt ihn mit der Kost, welche man mit ihm theilt, wenn gerade kein Fasttag ist, hat er aber Fasttag, so dankl er mit heiterm Gesichte für etwaS Brot, Oliven und Früchte, und seine Ernährung kostet nicht viel. Hat man aber ein eigenes Manlthier, so muß man auch für Hafer, trockncs Futter oder Spreu (aeckera) sorgen, und es kostet weit mehr Geld; auch braucht man einen Menschen, welcher gewöhnlich das Maulthicr nicht z» behandeln weist, da er stiitc Launen nicht kennt, und der auch oft wohl gar nicht aufzntrcibcn ist, hat man ihn aber, doppelt so vicl for-bcrt'als cm gemietheter Maulesel mit einem Führer dcs Tages über gekostet haben würde. Nimmt man einen eigc« ncn Diener an, so weiß er mit dem Maulthierc von Ort zu Ort keinen Weg, und man muß noch einen eigenen Führer haben, den man wieder bezahlen musi. Endlich sind auch die Tage zu rechnen, wo man, besonders iin Städten ober an botanischen Orten sich aufhält, und weder einen Maulesel noch cincn Bedienten nöthig hat; in wclchcn Fallen beyde nichts nützen, und man doch für beyde sorgen muß. Es ist daher nichts besseres, wenn man dcr Landessprache nicht ganz mächtig ist, als blos mit cincn, Dragoman von Ort zu Ort zu reisen, und sich die nöthigen Manlthicre jedesmal bis an Ort und Stelle zu bedingen; man zuhlt für ein Maul. thier dann täglich höchstens » Fl. 20 Xr. Cono. Mzc. und der Mann bedankt sich noch obendrein recht schr, und rechnet den Weg nicht an, den er zurück macht. Durch die Sub-baschi muß man sich wohl die Landleutc bestellen, aber nicht — Zl)O —. im Dommicalprcise den Transport behandeln lassen, sonst erhalten die armen Dauern vicl zu wenig, und sind dann auf dem Wege traurig und weinen wohl gar. Man muß m'c darauf Rücksicht nehmen, wenn dcr Türke behauptet, und sagt: die Maulthiere, die er verschafft habe, wären schon bezahlt, weil es dann der arme Grieche umsonst thun muß. Man gibt ihnen lieber die drey kleinen Pi< aster zu 4o Para und sie sind herzlich froh; denn vom Fran-ken erwarten sie ohnehin immer etwas mehr. Dann verschweigen sie es aber auch gewöhnlich, weil sie sonst der Gutsherr Pescwcna/s und Pusiides nennen, und ihnen wohl gar das Geld unter dem Vorwande, baß sie seine Befehle übertreten hatten, abnehmen würde, wie ich das selbst erfahren habe. Gcorgi meinte, das junge Maulthier müsse umgetauscht, oder in Candia verkauft werden, es wäre aber nothwendig ein eigenes zu haben, und das zweyte sich immer zu bestellen, um die Reist durch die Insel zu beschleunigen. Ich hatte nichts dagegen, wenn er den Tausch vortheilhaft fände, das Geld aber könnte er zugeben, denn er wäre jetzt reicher, als ich selbst. Allein hier griff ich ihm ans Herz, denn er wollte mit seinem Gelde einige Schulden bezahlen, und das Kostgeld für seinen jüngsten Bruder entrichten. Nun gelangte ich nach Kalamatta, eine schöne wasserreiche Gegend, welche auch Tourncfort besucht hatte, dcr von da links ab in die hohen Gebirge gestiegen war, woselbst er den kriechenden Pflaumcnsirauch (plunu« pi-o^raw) zum erstenmale fand, den er wegen seiner herrlichen Blüthen so sehr erhebt. Labillardicrc fand ihn spater am Libanon und gab ihm den obigen Namen. Es mögen daher viele Sibthorp'schc und Smith'schc Gewachst dcr liora gv«ec2 in dem noch ungeordneten Herbarium des Tourno fort enthalten seyn, dessen Besichtigung einer der sehnlichsten Wünsche jedes Pflanzcnsrcundes, dcr die Flora Gricchcn- lai^S kennen gelernt hat, seyn muß. Calamatta, ober wie es Tourncfort nennt, Calamasca, scheint wegen seiner gün. siigen und hohen Lage nicht weit von dem altcn Lyctos entfernt zu seyn. Hoch oben soll es gelegen haben, deßhalb hieß es „Lytton" das hohe, erhabene; «o Stadien vom Lybischen Meere trifft auch so ziemlich zu. Lyctos werden zuverlässig die Einwohner anzugeben wissen, denn Einatos (das alte Ina thus), welches gar nicht weit davon liegt, kennen sie recht gut. Calamatta hat zerstreute Wohnungen; da es gerade Sonntag war, so saßcn die Familien vor dem Eingänge jedes Hauses an der Schwelle, und grüßten uns recht freundlich. Nirgends hatte ich so viel Ruhe und Zufriedenheit, Einfachheit in den Sitten und Wohlstand im Anzüge beobachtet, als hier. Ihre osscncn Phy-slogonomicn sprachen mich so an, dast ich jedem mein Leben anvertraut hatte. Die wilden, rohen und finstern Gesichter mancher Griechen aus dem freyen Archipelagus sicchen gegen dich gemilderten, und vom Unglück heimgesuchten Kreter uuangenchm ab. Die Härte des Schicksals, und Unglück bey Fleiß und Arbeitsamkeit, zähmt des Menschen zügelscheucn Sinn; die Schranken, in dcncn jedes von den Staatsgliedern bleiben musi, ist der größte Vorschub der allgemeinen Wohlfahrt. Der republikanische Sinn macht den Menschen roh und gefühllos, entwickelt wohl die Kraft des Einzelnen, aber auf Kosten der Schwachen:, und die Sitten werden rauh und hart. Die Gesellschaft lcbt am ruhigsten und glücklichsten, welche einen Familien-Vater besitzt, und still und friedlich seine Anordnungen befolgt. — Man lobte den Verwalter des Ortes ungcmein, und ich fand bestätigt, daß man selten tadelt, was lobcnswerth ist. — Er war ein ältlicher Mann, gutmüthig, sanft und wie gewöhnlich ein Türke; cr hatte gehört, daß wir kommen Würden, und erwartete uns. Es war voraus zu schcn, — 3y2 — daß es wieder cine Kur geben werde, und ich hatte mich nicht geirrt. Er fing von seiner Frau an zu sprechen, und als er hörte, daß ich keines Dolmetschers bedürft, führte er nu'ch allem in seinen Harem ein. In ein Harcm einzutreten, und eine gleichgültige Miene anzunehmen, ist das wichtigste Gesetz, und der crstc Schritt zur Gewinnung des Zutrauens; semer Frau fehlte gar nichts — allein sie war froh, daß sie mir klagen konnte, das erleichterte ihr Herz. Gott befoh. len, meine Dame, sagte ich, heute muß ich von Calamasca, Calamatta, oder wie sonst ihr Eden — worin Sie die Eva sind,— heißen mag, wlrttich fort. und auf der grünen Wiest schcn wir uns wicbcr, trösten Sie sich,— das harte Schicksal trennt oft, was es vereinigen soll. Der Verdruß, den sie hatte, als ich ihr nach dem Puls fühlte, ohne ihre Hand zu brücken, war so grosi, als der Groll mei-nes Herrn Dolmetschers Georgi, weil dcr Herr Gemahl ihn entbehrlich gefunden hatte, Intcrimsdicnsic zu thun. Wer wird die Welt mit den Verhältnissen des Harems bc< kannt machen wollen, man hört aufmerksam anfdas, was man vcruimmt, und beschwert mit dem Gelispel weder dasGc-dächtuisi noch sein Gewi sse n. Als ich zurück kam, war der Cyerkuchen fertig, der Wein war vortrefflich, und das Brot gut ausgcbackcn, eine Seltenheit in Kreta. Die Zeche war so unbedeutend, daß man Pfennige von mir forderte, die an der Donau zu Gulden geworden waren. Die griechischen Laubmädchcn waren hier von besonders schlankem Wuchst; was hätte sonst die Gnossicr bewegen können, die Weiber nach Eroberung von Lyctos in ihr Gebiet zu entführen? Ob ich gleich gern noch hatte verweilen mögen, wir musitcu doch aufbrechen, denn es war nahe an vier Uhr, unsere Maulchicre waren schwer beladen, mehr als die Hälfte des Weges ging bergan, und 25 italiänische Meilen sollten noch gemacht werden. Wir ritten durch cm lan- — 2<»5 — ' gcs Thal, dessen bcyderseitigc schön grupplrte Anhöhen mit Nadelholz schr dicht bewachsen waren. Die Bäume waren alt, von Verwüstungen nur geringe Spuren. Die Eandstcinftlscn, welche hier schon schr hoch gelagert waren und auf Flötzkalk ruhten, bildeten mit diesen Walovarticn ein vaterländisches Gemälde, nur N«tu3 croticn«, die Lada» num«Rose, der Oleanberstrauch, und die kandiotische Affo-dillc benahmen mir meine Täuschung, und eriuncrten michf daß ich noch auf Kretas Boden wandele. Schroffer wurde der Weg, wir mußten absteigen. An den Nadclbanmen be> merkte ich nun den Mistel (Viscum, uld^nn.)! Man sagte mir, baß es auch auf Oclbäumen einen Mistel geben solle, der von diesem verschieden wäre. Ich sah zufallig keinen auf Kreta, um eutschciden zu können, ob es eine andere Art ser/i allein spater besah ich die alten Oclbäume in Palästina, und erkannte dcn auf solchen wachsenden Mistel für eine eigene Art, welche ich dcn Kreuz mistcl (Vi^uni crucian) nenne, weil die Vcercn, drey an dcr Zahl, in Form eines Kreuzes gestaltet sind, und in den Achseln der Blätter fest sitzen; da nun die Paläsiiner Fcora mit der kretischen schr übereinkommt, so ist vorauszusetzen, daß der Kreuzmistcl auch in Kreta wachsen dürfte, besonders da die Landslcute ihn selbst für eine andere Art halten wollen. — Ueber der Waldregion gruppirtcn sich noch einzelne Gebüsche von den drey Cichcnartcn Kretas; da wo die Alcppische Kiefer aufhörte, begann erst der kretische Ahorn sich zu zeigen, und in dieser Höhe gab es ganze Gestrüppe von Wintcrmajoran, welcher vom Felsen herabhing, und einen angenehmen Duft verbreitete; stine hochrothc Blüthe, die kleinen Blumen-Köpfchen, der abweichende Blüthcnstand, kleine Blätter, zarter Stcugelbau und so mehrere andere Merkmale bo gründen die Vermuthung, daß die Pflanze, welche man in den Gärten allgemein unter dem Namen Wintcrmajoran - Z<)4 - sOrlßlmum »s«ru) kennt, nicht aus Kreta, noch weniger von dieser hicr wild wachsenden Pflanze abstammt. Dieser Majoran muß daher durch die Kultur erprobt werden, ob er nicht iu den bereits als Maru bekannten übergeht, um sodann als eine eigene Art aufgestellt zu werden, welche ich Oiganniu mirrupii^iluin nannte. Wir hatten »ms an eiskalten Quellen gelabt/ an deren Rande die ^obt-lla ^»>l. rentia so fett, dick und kurzsiiellg gewachsen war, daß ich sie beym ersten Anblick für eine pin^ni^In ansah. Der kretische Berberizensirauch (üvi-boi-is ci-clica) stand mit bcm ^ll-llßaw» ci-^Wi», dem scyn sollenden echten Tra« ganthstrauch, gemeinschaftlich. Die Felsparticn gc« wannen einen eigenen anziehenden Charakter, die Landschaft hatte ein freundliches Aussehen, denn statt des Geräusches, das der Wind in der Ebene mit dem gehobenen und sich wir. hclndcn Staub und Sand macht, herrschte hicr eine blos von rauschenden Bachen unterbrochene, sanft und cchoartig tönende Stille, welche denen ganz allein bekannt ist, die das Eigenthümliche hoher Alpen zu bewundern Gelegenheit hatten. Dünner war die Luft auf diesen Bergcn, welche auf 700 Toiscn in senkrechter Höhe über dem Meere erhoben, eine Aussicht gewahrten, welche an Umfang zunahm, da sich von Schritt zu Schritt die Gruppe der hindernden Baume verlor. Endlich ging es bergab, allein der Weg zog sich in mannigfaltigen Krümmungen weit über das Gebirge hinaus, und wurde im höchsten Grade beschwerlich und unangenehm. Auf den äußerst ungeschickt gearbeiteten Sätteln, wobey noch übcrdicß die Stricke unter den Schenkeln einschnitten, wurde ich äußerst müde, so daß ich mich kaum halten konnte, und zu Fuß zu gehen, war ich noch weniger im Stande, da cs Nacht wurde. Wenn die Nacht heran kommt, muß man auf dcm Maulthierc ruhig sitzen bleiben, und den Zügel nachlassen , damit cs dcn Kopf tief hcrabscnkcu könne. Es sieht vortrefflich auf ben Weg, und wenn cs ihn nur cln einziges-mal gemacht hat, so weicht cs gewiß nicht von dcr rechten Straße ab; sein Tritt ist schr sicher und gewählt, und die dichteste Finsterniß verhindert nicht, mit Sicherheit auf den gefährlichsten Abhängen herabzuklimmen. Ich weiß kein Beyspiel, wo das Maulthier gestrauchelt oder gestürzt wä-re, wenn Gefahr zu befürchten stand; man sieht es in solchen Fällen seinen Fuß mit Vorsicht heben und zitternd den Auftritt suchen. Finstere Nacht hatte uns umzogen, und von den hohen Gipfeln des Dicta war der Widerschein der untergehenden Sonne langst verschwunden. Dcr letzte steile Abhang wurde überstiegen; wir kamen ins Thal, und nur drey Migli'cn hatten wir nach Mangula, wo wir nach »> Uhr gegen Mitternacht erst anlangten. Der betrunkene Subba-schi licß sich eben, auf dem Divan des Sclamlik, oder Be-grüßungszimmcrs, ruhend, auf einer elenden Dactylythra einen Wirbcltanz aufkratzen, 6 bis 7 Weibsbilder, griechische Vaucrdirnen aus dem Dorfe, mußten tanzen, und wenn cs langsam ging, bekamen sie sammt den Musikanten eine Tracht Schlage. Er grüßte uns, nöthigte zum Sitzen, ließ Kaffee bringen und unsere Schlafstelle bereiten- Ein Der« wisch zwang ihn sich zur Ruhe zu begeben, denn dcr Subbaschi dachte uns zu beehren, wenn er die erschöpften und keuchenden Dirnen mit dcr Gerte zum Tanze aufmunterte. Am andern Morgen öffnete ich die Fenster, und erstaunte über die Pracht des Gebirgsthales, das mich in vollem Prunke anlächelte, denn als ich früher auf der andern Sei-tc desselben bey Zermiade gerade vor einem Monate angekommen war, hatte sich die Vegetation noch nicht in sol« chcr Fülle entwickelt. Wer das Thal von Lassiti nicht be-sucht, hat Kreta's schönste und lieblichste Gebirgsgegend nicht gesehen. Einc halbe Viertelstunde von Mangula <»- Z^6 —» liegt Plati, wo Tourncfort übernachtete, und dcn Wcin und die Straße höchst erbärmlich fand. Er lobt dic hcrr-lichcn Partien des Ditta nicht, und hat sich überhaupt seine Reise nach dem östlichen Theile sehr erschwert und dic hcrr< lichsten Genüsse verloren. Statt von Candia längs der Nordküste über Maglia nach Mirabelle zu reisen, dieses herrliche Thal zn bewundern, über Kritza undNistroma nach Girapetro zu gehen, dann das hohe Lassitische Gebirge zu besteigen und nach Candia zurückzukehren, ging er von Candia aus in der Richtung über Trcpsano auf das Gebirge, wo er die schlechtesten Wege und die schlimmsten Felsgcbir. ge zu übersteigen hatte, um nach Mirabelle wieder hcrabzu, kommen; dann nahm er seinen Weg über Girapetro, dem er über Calamatta so nahe war, und bestieg dcn Lassiti von Gi< rapetro aus aufeinem Punkte, wo er bereits gewesen war, und mußte auf demselben Weg über Kritza, Mirabelle nach Candia wieder zurückgehen. Man kann bey seinem Rcistcnt-würfe nie vorsichtig genug seyn, und nie gcnng vorher nachfta. gen. Ich empfehle dazu einfache Landleutc, welche ohne vorgefaßte Meinung die Fragen schlicht beantworten. Wer von den Städtern nicht selbst an Ort und Stelle war, ersetzt nach oberflächlichen Erkundigungen mit seiner lebhaften Einbildungskraft, was dem Gemälde an wirklicher Staffage abgeht, und der Neisende ist in Gefahr, bey einem pa» pierncn Cicerone da Berge zu finden, wo Abgründe einen angrinsen, und Wege auf der Landcharte verzeichnet zu sehen, wo die Passage mit Vrctern verschlagen ist. — Den Wcin von Mangula muß jetzt jeder loben, wenn auch der von Plati schlecht seyn sollte. Der Weinsiock wird hier sehr gut und fleißig gepflegt, denn je sparsamer die Natur mit einem Produkte kargt, um so betriebsamer ist der Pflanzer. Die italienischen Weine dauern kaum bis zur nachfolgenden Weinlese, und doch hatten die alten Römer das bckann« te Sprichwort: „daß die Weine zwey Jahrhunderte dauert,." Die gekelterten Weine wurden mit dem Namen der damals regierenden Consuln bezeichnet, und bey dem Einschenken derselben nach Jahren die Namen derselben ausgerufen. Jetzt hat Kreta keine Kosmcn, und die türkisch barbarischen Namen seiner Paschas, die wie die Heuschrecken kommen, alles aufzehren und wieder davon wandern, merkt sich der an die hellenische Prosodie gewöhnte Grieche nie, und da sie vom Weine ohnehin für keine Protektoren gelten wollen, so wird auch ganz natürlich keine Sorgfalt auf seine Bereitung verwendet. Die Füchse sind ja bekanntermaßen blos Freunde von Weintrauben, aber nicht von Ganymeds erheitern» dem Nektar. Montags den 7tcn July ruhte ich aus, und nahm un, sere Freyhcrrliche Wohnung in Augenschein. Die Gebäude lagen wie ein Mcyerhof im Viereck auf einer beträchtlichen Erhöhung über dem Thale, und das Be< such- und Wohnzimmer war am Rande eines Felsens angebracht, der mitten im Dorfe sich erhob. Die Baume waren hier von kräftigem Wuchs, und was mich am meisten freute, war, baß ich wieder dichten Rasen fand, den man eben mähte. Es machte mir unendliches Vergnü» gen, einen Gegenstand zu finden, der mich an die Alpenmä« der der hohen Gebirge Deutschlands erinnerte, denn die Er< innerung, wenn sie sich mit der Gegenwart verschmilzt, bereitet den größten Genuß. Auffallend war mir hier der gefleckte Schierling (ionium mac-.uiawm), welchen die Griechen ^»coti^r», das tödtende oder giftige Kraut nennen, den ich um so weniger hier vermuthete, als er bloS auf Lassiti wachsen soll, und nur an zwey Dörfern gefunden wird. Hinter dem Hause war eine Quelle, welche aus dem nackten Felsen hervorsprudelte, Ulmen« und Wallnuß« bäume umgaben sie. Dieser Sitz war göttlich. Hier las ich Schiller's Götter Griechenlands mit eincm Gefühle, welches diese Elegie nur auf klassischem Boden zu jenem Werthe erhebt, den dieses Meisterstück wirklich besitzt. Ich ging in die Haine, um durch den schnellen Ucbcrgang aus dem Wahne zur Wirklichkeit nicht unangenehm ergriffen zu werden. Hier traf ich Hirten an, welche ganz im alten Kostüm — «n't Fellen bekleidet, einen krummen und langen Schäferstab in den Händen hielten, und Wurzeln zu essen schienen. Ich sprach sie an, fragte nach dem Gewächs und kostete es. Sie zeigten mir die ^tiact^ii« gummifeia, eine Art kleiner Attitschoke, deren Stengel und eincn Theil ihres Blumenbodens sie verzehrten. Diese wie Kohl aussehenden kleinen Strünke hatten einen trefflichen Geschmack; durch Einschnitte in den Obertheil der Wurzel wahrend der heißen Iahrszeit werden Gummikörncr gesammelt, welche man besonders schätzt. Deshalb hat diese Pflanze den Namen: Gummitragende Atraktylis. Die Hirten nannten sie aber koie. Ich überblickte nun das große Thal und die zahllosen Saatfelder im buntesten Farbenwechsel< Eine Woche noch, und das Getreide reifte zum Schnitt. Die gutmüthigen Hirten nannten mir die Dörfer, welche aus den hohen sie umgebenden Bäumen hervorragten. Mangula liegt unter allen am schönsten, auf der beträchtlichsten Anhöhe, und ist mit den meisten und ergiebigsten Quellen versehen. Das Wasser ist sehr kalt, im Winter dagegen beträchtlich wärmer, wahrscheinlich eine Täuschung der relativen Warme. Man Übersicht den schönen Kranz von Bergen und Alpen, welche sich in das Sccthal von Lassiti herabzuncigcn scheinen; im Hintergründe bewaldete Hügclreihen, und den von Giravctro sich hcrabschlängclnden Weg. Wem dieses Thal vor Alters möge angehört haben, ob denRauciern oder den Lyct lern, ist ungewiss, cS scheint mehr t>en letztern, keincsweges aber ben Gnos)urn angehört zu haben, weil ihnen nach der 45stcn Legation des Polybius durch die Theilung der Gortym'cr in das Gebiet der gedcmüthigtcn Gnossier, Diatonium (jetzt Aitonia), den Nauciern aber Lycasius (Lacida) zufiel, bis sie solches bald darauf wieder an die Gnossier zurückzugeben genöthigt wurden. Das Gebiet von Lyctos mußte demnach über das Gebirge von Lassiti gegen Gnossus hin reichen, und dieses Gebirge ausschließlich zu ihren Besitzungen gehören, welchem sie ja am allernächsten lagen, da Calamatta's Gegend dazu gerechnet werden darf. Lyctos war ohnehin die am höchsten gebaute Stadt von Kreta. Das nöthige Getreide wird Lassiti geliefert haben, denn sonst hatte diese bedeutende Stadt nicht so viele Einwohner ernähren, und ihre Eyssitien einführen können; die Ebcne von Hierapytna hatte ihrenHerrn, die Ebenen von Glwssus und Gortyna gleichfalls, den Lyc« tiern wäre also der kahle Fcls übrig geblieben, auf dem sie wohnten. Fernere Untersuchungen von Antiquaren-werden lehren, daß das hohe Thal von Lassiti selbst für den Frcysiaat Lyctos angenommen werden dürfe; denn Lyctos, Lyttus und Lassiti sind offenbar, wie bereits angeführt wur< de, verwandte Benennungen. Ein Bau,?r meldete sich bey uns, welcher ehedem in Rom gelebt und dort einen Gastwirth gemacht hatte, worüber kein Zweifel obwaltete; die Invasion der Franzosen hatte ihn in Ar>,l.uth versetzt, und wieder in seine Heimath zu gehen gcuö chigt. Er war sehr willig, und trug sich uns zu allen Diensten an. Italienisch sprach er gebrochen, schien es aber , ncht einmal zur mittelmäßigen Fertigkeit gebracht zu habe» l. Indeß verstand er sein Handwerk gut, denn was wir bedurften, hatten wir augenblicklich, allein — um den doppel icn Lokalprcis — und dann mußte ich es auch noch zurichten lassen. Dle Fasten zu Ehren der Apostel Petti und Pauli gingen zu Ende; ich fragte auf dem Ruckwege von einer Excursion nach Hühnern und Eyern. Ein betagtes Weib fragte mich, wozu? ich bedeutete ihr, dasi sie es schon erfahren solle. Sie brachte nun Eyer und zeigte mir die Hühner — und wiederholte ihre Frage, wozu? Ich ließ sie jetzt über den vorhabenden Zweck nicht einen Augenblick länger im Zweifel; allein sie entsetzte sich darüber dergestalt, daß sie mich fragte: „wenn ich ein Christ st», wie könne ich so etwas begehren ?" ich stellte ihr vor, daß für mich kein Fasttag sey, sic antwortete mir aber in gutmüthiger Einfalt: sie wolle nicht Anlaß geben, daß Jemand die Faste übertrete und dann verdammt werde. Sie hatte geglaubt, ich wolle cs für meinen Iam'tschar haben, und da hatte sie mir cs gegeben. Ich erkundigte mlch, wie theuer alles dieses sey, und sie gab mir zwar denPreis an, trug aber alles spornstreichs fort. Geholfen war jedoch sehr bald, der Subbaschi nahm das Geld von mir, und sendete seinen Die« ner, einen Türken, darnach. Fasten und glauben ist auf Kreta von einerley Bedeutung. Wer nicht fastet, glaubt nicht. Ein Wortspiel befördert noch dieses Vorurtheil. Er fastet nicht, heißt in der Landessprache: thennistcwi; er glaubt nicht: then pistewi. Pi ste wi undn ist e w i unterscheidet blos ein einziger Buchstabe, und was verwechselt wird, wird bey Ungeübten bald für ein und dasselbe gehalten. Die Kost war übrigens auf Mangula nicht schlecht. Ein Medikament, welches der dem Trunk ergebene Subbaschi fodcrte, wurde ihm abgc. schlagen, seiner Frau hingegen bewilligt. Hysterie ist die Geißel der Männer und das Erbtheil der Frauen im Orient. Diese mußte unsere Köchin machen; ich ließ fürs Materiale sorgen, und die Zubereitung galt für das Zeichen dankbarer Erinnerung. 4>Q> Ich besuchte nun am «ten Inly Dienstags den Fuß des Berges, odcr vielmehr der Alpe Dicta. Cine senkrechte Felscnwano gegen Norden kam mis nach zwcystündigcm Auf-wartsstcigen vor unsere erstaunten Blicke. Ich ritt aus ei. nem Maulthierc, und mein Führer, cm Baue^ aus Man» gula, schritt daneben. Dl'c Kreter steigen so vortrefflich und so leicht mit ihren Stiefeln ohne Absätze, wie die Gcm-scnjäger mit Steigeisen. Mit ihrer ganzen Sohlenfiache halten sie sich so geschickt an den glatten Felswänden, baß eine Ziege nicht so sicher klettern kann, wie diese Bursche es können. Em Wink von mir, oder der bloße Wunsch, eine Pflanze zu besitzen, war genug, um sie sogleich auf die gefährlichsten Orte zu versprengen. Sie sind so kühn, daß selbst der Botaniker, welchem doch, um eine Pflanze zu er-halttn, keine Beschwerde zu gering ist, sie bitten muß, ein« zuhalten, und von ihrem Vornehmen abzustehen. Hicr'fand ich die dornige Satoric, eine neue Art von Schwalbenwurz und mehrere andere seltene Gewächse. Von einer Alpen-Hütte, welche man des Sommers der Viehzucht wegen bc-. wohnt, und welche fast ganz nach Art unserer Alpcnhütten von Holz gezimmert war, ging ich nun aufwärts bis an die senkrechte Wand, und traf in den Einsprängen derselben ganze Massen von Schnee, welcher von dem herabstürzen» den Gewässer bogenförmig ausgehöhlt eine lange Brücke bildete, und den Boden darunter vor der Sonne schützte, aus welchem eine Menge Frühlingspfianzcn gemeiner Art, auch solche, die in unsern Gegenden gewöhnlich sind, hervor-sproßten, z. B< der Frühlingssafran ((^ocu» vernu»). Die zwcyblattrigc Zwiebel (sciiia d^iiaL,«., ?u««likinnl «oM«,'. izc anzog. Auf der Flache, wo wir angelangt waren, wimmcitc cs von Hccrdcn, und Hirten näherten sich, fröhlich den Führer begrüßend. Einer sprach: kali mcra, guten Taa, der andere: polla tct, Lange Jahre, und ein Dritter: k a. los-oriscte, schön willkommen, oder seyd gcgrüsit. Jetzt war ich >m einen Ott gekommen,— wo jcder gesund war, und nicmaud belästigte mich mit ftiucn Klagen. Alle — 4v6 — zufrieden mlt heiterm Blicke, in ihre Felle gekleidet, ltm« ringten meinen Führer, um die Neuigkeiten des Tages von Mangula zu vernehmen. Mes wollte mir nun Pflanzen su« chen, und jeder fragte, was und wie er sammeln solle. Die Acltcrn waren williger als die Jüngern, mein Hut schreckte sie ab, denn sie hatten nle einen gesehen. Ich trat in eine Alpcnhütte, federte Milch (galä), Käst (tiri) und Butter O«^). Man brachte es willig herbey, und ich fand nach dcn Ucbcrblcibscln, daß man allem bereits tüchtig zugespro-chcn hatte. Die Freude leuchtete meinem Führer aus dem Gesichte, als man ihm eine tüchtige Schüssel Milch in die Hände gab. Hier dem Himmel nähcr, dachte er der Hölle entfernter Zu seyn, und schlürfte die Milch mit dem Löffel in langen Zügen ein. Das, was mir bis jetzt cm Räthsel war, klarte sich dadurch auf, daß der griechische Bischof, welcher dort viele Alpcnmader besitzt, erlaubt hat, daß alle Hirten, und die, welche sich dort aufhalten, sowohl der Entfernung und Höhe der Gebirge, als auch wegen erschwerter Zufuhr der Lebensmittel, sich zu jeder Zeit, selbst alle Fasttage eingerechnet, der Milch und aller ihrer Zubereitungen bedienen dürfen. Diests ging daher auch meinen Füh-rcr an, welcher dadurch von aller Verantwortung losgo sprochen, und des seltenen Glückes, Sünden ohne Gewis-sensbisse begehen zu dürfen, theilhaftig wurde. Noch eine halbe Stunde hatte ich zum Gipfel, diesen stieg ich empor. Uugcmcmcs Vergnügen gewährten mir die vielen und seltenen Gewachst, wclchc mir als Beute zufielen. Vom Gipfel hatte ich das Lassitische Gebirgsthal wie einen Kessel unter meinen Füßen, der Archipelagus dehnte sich in unermeßlicher Ferne aus, und ein Insclmeer schwamm auf dem zitternden Horizont. Dieses war die erste bedeutende Höhe auf Kreta, welche ich erstiegen hatte; es schien mir, als ob die beyden Enden dieser Instl eine Brücke bildeten, ^. .407 "- um aus Europa trockenen Fußes nach Asien hinüber zu wan» dern. An der Südseite befinden sich zwey andere Gipfel, welche dem, auf welchem ich mich befand, an Höhe gar nichts nach» geben. Der meinigc hieß E ffen d l (Herr: Berg des Herrn) oder Stauro (Kreuz). Beydes bezieht sich auf einen gchci« ligtcn Berg, den man dadurch bezeichnet, will. Ptolcmäus, welcher nach Inathus den Hicronoros (geheiligten Berg) nennt, und dann auf Hierapctra (den heiligen Felsen) über-geht, gibt dadurch Veranlassung zu glauben, da die Stadt Inathus (jetzt Einathos) auf der Südseite des Lassiti gcle« gen ist, daß er nach seiner Gewohnheit den über ihr befindlichen Berg gemeint habe; wenigstens war es nach mehreren unleugbaren Beyspielen auch in unsern Ländern der Fall, baß man nach Zerstörung der Götzenbilder oder anderer im Hcidenthume geheiligten Ocrtcr auf die Stelle des Idols ein Kreuz pflanzte, um den Uebergaug zu einer andern Religion zu erleichtern. So mag vielleicht dieses Gebirge den Hicronoros des Ptolemaus bedeuten, und sein Name auf diese Art während der Verbreitung dcs Christenthums auf dieser Insel in Stauro, Kreuz, verändert worden seyn. Etrabo führt am Berge Ida einen h. Hügcl, Hicrapytna, an. Dicsi macht es noch wahrscheinlicher; auf den weißen Bergen wird auch ein Berg Hagio Pncvma, der h. Geist ge« nannt. Theile der Berge mögen den alten Kretern, viel. leicht auch die Gipfel derselben, heilig gewesen seyn. , Mit seltenen Gewachsen reich beladen, kchrte ich dcs Abends zurück, und eilte durch die breite Schlucht längs der Stcinwand herab, indeß mein Führer nut dcm übrigen nach Hause eilte. Meine Ausbeute wurde immer trefflicher, je uähcr der Abend hcranbrach, denn im Gerölle werden die meisten Pflanzcnsamcn abgesetzt, ich gcrieth abcr leider zu spat auf dasselbe. Indeß reichen die Tage hin, die aus. gewählteste Sammlung zu machen. Dicsc Schlucht unter derSteinwand, welche sich späterhin erweiterte und viele treffliche Felder besaß, war ehedem ein kleiner See gewesen, der sich einen Ausweg gebahnt, und seinen Damm durchgesprengt hatte. Mir schien dieses, allen Spnren zu Folge, von den Zerklüftungen der damals noch weichen Ge-birgsart herzurühren. Gcorgi, der mir untcrdesscn einige Arbeiten beendigt hatte, bewarb sich darum, das junge in Stia erkaufte Maulthier einzutauschen, und am Ende meinte er gar, es wäre besser ein zweytes baar zu kaufen, und das junge in Candia anzubringen. Ich sträubte mich mit aller Macht dagegen, denn es war höchst mmöthig, zumal da wir schon cins besaßen, das wir nicht brauchen konnten; anch ging meine Baarscliaft bey solchen unnützen Ausgaben zu Ende- In Candia mußte ich trachten, mir aus d'anea, un. geachtet der herrschenden Pest, Geldsummen zu verschaffen, uud für ein gutes Maulthicr, wie jetzt doch eins gekauft werden mußte, reichte mein gegenwärtiges nicht hin. Allein um Friede zu haben, und da er mir auf dieses Konto mit migemciner Gewandtheit Summen zu ersparen wußte, von allen die genauesten Pl-eise kannte, in Hülfsmitteln und Cin< richtungcn unerschöpflich war, so sah ich mich genöthigt, seinen Herzenswunsch zu erfüllen und dieses Opfer zu brin. gen. Seine Versicherung, mir es in demselben Preise wieder abzunehmen, sollte nur ein Motiv ohne Verbindlich« kci't seyn. Ein großes und starkes Maulthier wurde uns angeboten, es war zu wohlfeil, um nicht mit Recht vermuthen zu lassen, dasi es ciilcn geheimen Fehler haben müsse. Dieß bestätigte sich auch. Es hattt eine eigenthümliche uche'lba-re Krankheit an den Klauen, welche man hier zu Lande lii^ä nennt, und man versicherte, daß es binnen einem oder zwey Jahren steif werden, sich verknöchern und zu aller fernem Feldarbeit uittanglich werden würde. In dem Kloster Pa- hagia, im Hintergründe des Thales, war cm alter Caloycr, welcher als Kenner dm Kauf widerricth, und die Rückerstattung dcs Geldcs veranlage. Ein anderes älteres, jedoch starkes und fchlcrfreycs Maulthicr wnrde uns angc» boten, es war schr zahm, kam, wenn man rief, blieb stehen wenn man zurückblicb, wendete sich stets nach dem Reiter um, und ein bloßer Wink mit der Hand war hinlänglich, daß es wieder vorwärts ging. In Städten ist es Vortheil-hast, cm solches zu besitzen, da die Miethe derselben kostbar und die Hcrbcyschassung schwierig ist. Es wurde um 2go Franken gekauft, wozu mir Georgi jedoch die Summe von 5c» Franken vorstrecken mußte, da ich mich ganz von Gelde bis Candia nicht entblößen durfte. Der Derwisch, welcher aus Syrien herübergewandert, trefflich arabisch, türkisch mittelmäßig, griechisch schr schlecht sprach, sah begierig auf alle Gewächse, die ich brachte, und verlangte immer den Gebranch zu wissen. Mir kostete es Mühc, seine Gutmüthigkeit durch einzelne abgebrochene Worte nicht zu kränken, da ich seine Sucht, die Anwendung einzelner Gewächse zu erfahren, nicht befriedigen wollte. Gcorgi mußte ihn beschäftigen, wenn er kamz er sprach mit ihm türkisch, welches er auf cincr absichtlichen Reise in Na< tolicn erlernt hatte, und cs schien, daß der arme Derwisch vor lauter abgefeimten Lügen, die er ihm mit scheinheiliger Klugheit aufheftete, gar nicht von der Stelle zu bringen sey. Cr sprach von Scham (Damascus), und von Barre-Scham (Syrien), lobte, wie natürlich, seine Hcimath, und ricth uns, ja dahiu zu reisen, da wir daselbst ganz zu« vcrlässig weit wichtigere Gewachst der vortrefflichsten Art fmdcn wmdcn. Der i2jähriqc Knabe dcs Subbaschi, bey dcm er während der kurzen Zcit seines Hierseyns Hofmeister« stelle zu vertreten schien, ein »mutteres Kind, an dessen Phy. siognomic nicht der gewöhnliche Trotz türkischer Kinder zu -. 4.0 - bemerken war, wenn fie einen Franken oder Christen erblit« ken, und durch seine Fröhlichkeit nicht minder verrieth, baß seine Mutter eine Griechin sey, trat im Scherze vor den Derwisch hin, ergriff meinen Hut, setzte ihn auf, indem er den Turban abnahm, und sah ihm bey den Worten heiter ins Auge: „Lieber ginge ich in der Frankcnklcidung als im „schleppenden türkischen Gewände, man kann sich darin gar „nicht rühren." Der Derwisch, Pilger von Mekka, türkischer Mönch, Verehrer und Kenner des Koran— wurde blutroch wie ein Truthahn, belferte mit den Lippen, und da er griechisch nicht fort konnte, fiel er ins Türkische, und weil er im Zorn auch da nicht Worte genug finden konnte, brach das Ungewittcr in arabischer Sprache los. Der Knabe wußte nicht, was das zu bedeuten habe, ließ Hut und Turban im Stich und lief augenblicklich davon. Der Derwisch wußte sich aber doch zu mäßigen, und brachte das Wort „Ghaur" Ungläubiger, kein einzigesmal vor. Ich konnte mich kaum des Lachens erwehren, da das Unbefangene und Naive der Aeußerung des Knaben mit seinem Befremden, seinem plötzlichen Schrecken und Davonrennen, wobey ihm der Derwisch ein Dutzend kräftige Flüche mitgab, komisch kon-trastirte. Er scheute uns nun wegen des gehabten Verdrusses, und ich war der medizinischen Vorlesungen überhoben. Die Streitsucht der Griechen unter sich ist sehr groß; jede Klei-„igkeit ist hinreichend, sie unter sich zu entzweyen, alles kommt vor den Subbaschi und die Türken, welche in der Hitze des Streites eine Mcngc anderer geheimer Umstände und Vorfalle erfahren, pflegen aus dieser Uneinigkeit die größten Vortheile zu zichcn, und bleiben dadurch stets Her« ren ihrer Untergebenen. Die Juden haben weit mcbr Anhänglichkeit an ihre Glaubensgenossen und ihr Bündm'ß ist unzertrennlich. Die Strci'tsilckt der Griechen ist eine Folge ihres thätigen Geistes, und eine lobcnswcrthe Eigenschaft, «1 i die sie von ihren Vorfahren geerbt haben; denn nur das Un« glück macht es, baß sie blos häusliche und politische Gegen, stände zum Vorwurfe ihrcs Streites machen können, wel« chcr sich bey ciucr vernünftigen Staatseinrichtung in einen lobcnswerthcn Wettstreit über Kunst und Wissenschaft um« gestalten würde, denn unsere geistige Ausbildung und Ver. vollkommnung besteht immer und unaufhörlich in einem fort« gesetzten Kampfe gegen die Umgebungen, in dem Bestreben, Hindernisse zu überwältigen und alle Kräfte in Thätigkeit zu erhalten. Jetzt beschäftigt sie freylich blos der Handel, dcnn Thätigkeit ringt nach Beschäftigung, allein ihre Thätigkeit beweiset eben, daß sie noch dieselben sind, und daß ihnen blos eine vernünftige Richtung und veredelte Volksbildung fehle, welche sie, wenn sie Schulen und Universitäten hatten, mit jcdcr Nation Europa's in gleiche Parallele setzen könnte. Daß sie durch einen rohcrn und kräftigern Andrang des Siegers unterjocht wurden, wird zu keiner Beschuldigung. Der Jude bleibt ewig seinem Mammon ergeben und flicht Arbeit und Anstrengung! Ein Streit, den der Subbaschi schlichten sollte, betraf eine Schuldfoderung, welche der andere berichtigt zu haben vorgab. Da beyde Theile keine Zeugen aufführen konnten, so blieb es ein bloßer Wettstreit, und keinem von beyden konnte das Recht mit irgend einem Grün« bc zugesprochen werden. Der Subbaschi machte daher den Ausspruch: daß die Hälfte der Federung von der einen, die andere Hälfte von der andern Partey ihm entrichtet werden müsse, weil die Summe gegeben, und doch nicht erhalten worden sey, also doppelt vorhanden seyn müsse; mit der zweyten sollten sie sich unter einander vergleichen. Dieser merkwürdige Urtheilsspruch zeigt von der Uebung des Snb-baschi in solchen Rcchtshändcln; sie machen dem Scharfsiu« ue desselben sehr vicl Ehre und bringen Geld ein. Es bemühen sich auch die Diener eines reichen Besitzers, ocm Herrn ln Wem ergeben zu scyn, um bey der nächsten Be^ 4ia sitzung der Stelle eines Subbaschi andern vorgezogen zu werden. Jede Klage ist ihnen lieb, denn allemal fallt der Aus-gang vortheilhaft für sie aus, und sie sind durch unzählige Falle belehrt, daß nie jemand Klage»! anbringen wird, wenn er nicht Geld hat. Den i2tcn July, als kaum die Fastenzeit ein Ende genommen hatte, entwendete ein Lassitiote dem andern ein Lamm, um es den andern Tag, welches der ersie Flcischtag war, zu verzehren. Er wurde aber gcsthcn, erwischt und in Ketten gclcgt, in welchen er so lange blieb, bis er bey dcm Subbaschi von mehreren hundert Piastern bis auf 180 abgehandelt hatte. Nach zwey Tagen wurde cr entlassen. Die Echnittzeit sollte die andere Woche schon beginnen, dieses spornte mich an, meinen Aufenthalt zu verkürzen, um die nöthige Anzahl von Maulthicren zum Transport meiner Sammlungen nach Candia aufzubringen. Ich fragte auf einem Spazierwege einen alten Maun, wclclicr ein Maulthicr mit Kohleu, die au cinigcu Ottcn dort gebrannt werden, führte, ob er nach Candia zu gehen psicge. Er bejahte es und setzte hinzu, mit Kohlen werde er in zwey Tagen sich dahin begeben. Auf meine Frage, wie thnicr er dicst geringe LastKohlcn aus seinem Maulthiere dort verkaufen werbe, gab cr eine so kleine Summe an, daß cr die zwcy Tagereisen umsonst machen mußte, denn wohlfeiler konnten die Kohlen selbst in Lassiti nicht scyu. Ich machte ihm lacheud den Antrag, daß ich ihm seine Kohlcu hier, an Ort uud Stelle um denselben Preis abkaufen wolle, den er in Caudia dafür bekäme, dafür muffe cr mir aber dasselbe Gewicht au Gepäcke umsoust dahiu fördern. Der gute Mann sagte: daß er vollkommen damit zufrieden sey, und brachte die Kohlen in das Haus; ich tauschte sie gcgcn Holz bey dem Subbaschi ein. Gcorgi hatte Bestellung auf 1^»^-«luin (.'Ilnil^, welche Wanze in gro^-r Menge bey Man-gcla vorkolülm :.n^ bat mich, ihm solche zu be.cilci!. Ich licst mit dem Maulthiere eine Labung Schierling holen, und schenkte dem Mann dafür acht Para, wofür er verbindlichst dankte. So glaubten wir alle drey gewonnen zu haben, welches mir ungcmcincn Spaß verursachte, wiewohl der geschwätzige Gcorgi dabey ftinc Schierlingssuppe beynahe anbrennen ließ. Weit entfernt jedoch, den armen Teufel trotz seiner Genügsamkeit mißbmuchcn zu wollen, da cr mir, im eigentlichsten Verstände umsonst, das Gepäck nach dcr-Stadt gebracht haben würde, überraschte ich ihn mit der» selben Zahlung, welche ich mit den übrigen Landleutcn bc« handelt hatte, hielt den armen alten Mann noch auf dem Wege frey, und ließ ihm Wein geben, 'welches ihn in frohes Erstaunen und mich in Wchmuth versetzte, mit so viel Armuth solche Uncigcnnützigkcit vereinigt zu sehen. Zuletzt begab ich mich noch in den Hintergrund dcs Thales zwischen die Stciuwände, durch welche die größte Schlucht sich hindurchwindct, ich stieg an den Wanden und Abhängen empor, und wnrdc durch die mannigfaltigsten und interessantesten Gewachst belohnt. Echaimlich war der Anblick der Massen, als ich in dieser Schlucht vorwärts drang, ungchcnrc Stcsnblöckc thürmtcn sich empor und an ihren Kanten aufgestellt, schienen sie nur eines leichten Stoßes zu bedürfen, um die ganze Schlucht, über die sie drohend herabhingen, mit eincmmal auszufüllen. Diese schauerlich erhabenen Orte betritt zwar der Botaniker mit Furcht und Grauen, durchwandert sie abcr mit Vergnügen, und verläßt sie befriedigt. Das Flußbett fand ich trocken, unbedeutende Spuren von Frühlingsgewassem — und diese ungeheure Schlucht konnte doch nur das Resultat der mächtigsten Naturereignisse ober die langsame Wirkung der jetzt herrschenden Atmosphärilien durch viele Jahrtausende ftyn. Die Räthsel häuften sich, je langer ich die Trümmer ansah und die Kraft mit der Wirkung verglich. Ich trennte mich — 4l4 — fur immer von diesem Anblicke und kehrte nach Mangula zurück. Georgi hatte nach mir gefragt, und da man ihm — Dienstag den »5ten Inly brachen wir auf und beln-den 5 Manlthierc mit unserm Gepäcke, denn alles zu Etia, Girapctro, und hier auf Lasstti Gesammelte war nun vereinigt, und nmßtc nach Candia geschasst werdeu. Mein Abschied von diesem Thale wurde mir durch die Hoffnung eines baldigen Besuchs erleichtert, und ich konnte Ende August, nachdem ich den Ida und die wcisien Bcrgc bestiegen hatte, leicht hicher wieder zurückkommen, nm Nachlese zu halten, denn vielc Spätgcwächsc zeigten jetzt kaum die Knospen. Ich ritt zwischen den Saaten hindurch und setzte über Erdrisse, welche das Ncgcnwasscr ausgespült hat-te; sanft senkte sich das Thal bis zu jenen Schlünden, wcl< che alles von den Bergen hcrabströmcnde Wasser dicscs umschlossenen Secthalcs aufnehmen, und durch o«s Innere des hohlen Gebirges bis ins flache Land mehre hundert Klafter tief und einige Stunden weit fortleitcn. Dieser Schlünde sind 3 an der Zahl uud mehrere Scitenlöchcr, welche alle mit einander unter dem Felsen vereinigt zu seyn scheid nen. Wo Acsie und mit Schlamm überzogenes Gestrüppe aufgehäuft liegt, ba befindet sich immer eine Ocssmmg von kleinerm Umfange, die größcrn Oeffnnngcn zeigen blos im Schlnndc oder im Krater entwurzelte Baumstämme. Diese Schlündc liegen am äußersten Ende dieses fast genau elliptischen Sccthalcs hinter einem Fclsbcrgc, unterhalb cincr hohen und steilen Fclstnwand. Während des Krci-stlns und Wtrbclns der Wasserflutben pftügt gleich daneben der Lassitiote sein Feld. Im Sommer sind diese Schluchten alle trocken und wasscrlecr. Der Aposelc m i, welcher an der Nordscitc des Fußes dieser Gebirge cnt, springt, erhält sein Wasser blos von hier. Verstopfen sich die Ocffnungcn, so wird es unten im Tchalc sogleich was-serlecr, und Lassiti's Ebene znm See. An diesen Oeffnungcn geht dcr Weg nach Candia vorüber; man muß hoch hinauf, um den Rücken dieses Kranzgcbirgcs zn gewinnen, und erblickt nun die Ebene von Gortyna und Candia zugleich. Bevor wir au die Scharfe gelangten, zeig. te man uns einen Haufen Steine, uutcr welchem ein Türke begraben seyn sollte, dem zwey Lassit toten hier auflauere ten, mit Schüssen töbtctcn und begruben. Sie hatten sich in das Gebüsch zwischen Stcinblöckc verborgen, und dieser Stelle war die Bequemlichkeit, sich eines Feindes auf diese Art zu entledigen, gar nicht abzusprechen. Der Gctödtctc war ein Subbaschi aus Mangula, der die Bewohner grausam behandelte, preßte, und ihre Weiber mißhandelte; wcl? chcs letztere auch die Ursache seines Todes war. Daß, nach der Versicherung unserer Leute, zwanzig Jahre seit dieser That verflossen seyn sollten, war mir um so wahrscheinlicher, als der gegenwärtige Subbaschi von Mangula dieses lehrreiche Beyspiel ganz vergessen zu haben jUncn- Nun genoß ich wieder den Anblick des herrlichen Berges Ida von neuem; wie ein alter Bekannter lächelte er mich an. Der mit Schnee überdeckte Nucken hatte seine glänzende Decke durchbrochen, und iu einzelne weiße Flecke zcr« rissen, war sie bereits beträchtlich abgcschmolzcn. Candia sah ich in der Ferne, und das ganze Land bis Cap Matala konnte man auf das trefflichste überblicken. Iahling schien es m das Thal hinabzugehen, allein eine schr gut erhaltene, mit Niedrigen Tcrrassensiufen versehene, gut gepflasterte Straße windet sich in unzähligen Kriimnumgei« von der Höhc herab, und ist, als ein schöner heller Streif, sclbsi aus der Stadt Eandia gut zu bemerken, kcliinop« «inno^«) Ol^^lunn^iol!-cnn,, l'a«Un:lca 0^n^)2,^lx, blühten am untern Abhänge. Wir lagerten nus an einer Quelle, welche uns die Aussicht auf cinc antike Wasserleitung von beträchtlicher Lange, die hier zum Bedarf einer nahegelegenen bedeutenden Stadt cr-baut worden war, gewahrte. Ich schricb den Namen die-El'Ncr Thc'l. D d 4»ss ser alten Stadt in imin Tagebuch, da cr stch abcr ftitdcm durch Zufall verwischt hat, so isi er ganz unleserlich gcwor» den. Wichtig ware hier allerdings der Name als geographischer Beytrag gewesen; ich erinnere mich noch so viel, daß ich ihn für echt hellenisch erkannte, sonst hatte ich ihn nicht verzeichnet. Bey den eigenthümlichen Schönheiten des flachen Landes vergaß ich allmählig die Vorzüge der Gebirge, ich nahm wahr, daß bk Bergbewohner mit den Flachländern, wie Berg und Thal, in einem immerwährenden Streite lebten. Die Lassitiotcn hießen Klepthes, Diebe. Die Thalbewohncr, welche von Türken beherrscht werden, führ« ten einen noch weit schimpflichern Namen. Es kam mir vor, als ob dasselbe Verhältniß wie zu den alten Zeiten auf Kreta vorhanden wäre, wo die Etcokreter und Kurctcn die Gebirge, Pclasgcr, Achaicr, Caniier, Lycicr, Cilicicr aber das flache Land in Besitz hatten; beyde Parteyen schienen auf einander zu schimpfen, und die eigene Schuld zu verbergen. Der Weg ging in gerader Linie über Xidila und Aito-nia, wo wir übernachteten, nach Canoia fort. In Aitonia nmßtc uns nothwendiger Weise als Fremden jede Merkwürdigkeit des Ortes mitgetheilt werden. Die vorzüglichste tischte uns der Wirth selbst auf, das war — der saure Wein. — Diese Merkwürdigkeit schien cr aber zu ignoriren, und erzählte uns dafür, daß in der hiesigen Kapelle cinc silberne Lampe unter acht andern aufgehangen sey, welche sich das ganze Jahr bewege, und au der äußern Eciten-wand der Kapelle selbst ein wunderbarer Flecken sey, wcl-chcr allmählig gegen ocn Giebel fortrücke, und denselben im Jahre der Bcfi cyung Griechenlands von dem Joche der Türken erreichen werde. Wir waren begierig die Lampe zn schcn. Ihr Schwanken suchen wir; ich glaube aber dicfts — 4l<) —> der schiefgerichttten Flamme zuschreiben zu müssen. Dcr schwarze Fleck war eine schwarze Steiuflechtt: Verrueai-ia, die sich an Umfang ausbreitete. Ich schenkte dem Kirchen, dicner einige Para, zu Ocl für die Lampe, und wünschte, daß ihr Wunsch erfüllt würde, wenn er sie beglückte. A i t o. nia ist mit Rücksicht auf geschichtliche Nachrichten wohl unbczwcifclt das gnossische Diatonium. Die Gegend war ausgebrannt, trocken, rissig, staubig; wir betraten den Kreidcnbodcl,, und langten m dcr Nahe vor Candia an. Baumwollen- Felder hatten schon zwcymaligc Lese erfahren und aufgesprungene Kapseln kündigten eine nachfolgende an. Das frisch aufgewühlte Erdreich dieser ungemcin fleißig bearbeiteten Gründe bot eine neue Flora dar, die Früh-lmgsgcwächse waren mit denen des Sommers vermengt. Die hohen Festungswerke dcr Stadt starrten uns entgegen, wir ritten durch die 1'art«. äei I^are^o hinein, welche ihrcn Namen mit um so größcrm Rechte führt, als die Lazarethanstalten der Vcnctiancr an dieser Seite dcr Stadt sich befanden, und ein zahlloses Heer von Aussätzigen, in elenden Wohnungen sich aufhaltend, nun diese Gegend durch-wimmelt. Da Gcorgi fränkische Kleider trug, welche er seit seiner Entfernung von Candia sich angeeignet halte, und ich keine Lust hatte, zu Fuße zu gcheu, so blicb auch er auf seinem Maulthicrc sitzen, indeß ein jcdcr der armcn Land< leute hcrabsiieg, er ritt aber mit sichtbarer Angst an dcr türkischen Wache vorüber, welcher er ein Trinkgeld (L<^. »oln»cil) übergab. Wir bezogen unstrc Wohnung, indes? unser Esftu zubereitet wurde. Ich fühlte mich sehr erschöpft und bedürfte dcr Erholung, da mich überhaupt die wiederholten und ohne Unterbrechung durch vier Monate fortgesetzten Excursioncn sehr mitgenommen, und der mannig« faltige Verdruß mißlaunig gemacht hatte. Dd 2 430 In der Hauptstadt waren alle Türken bestürzt, und hatten sick) von dem Schrecken noch gar uicht erholt, dcn ihnen der Pascha verursacht hatte. Ein geheimer Befehl des Großhcrrn war gekommen, sich des reichsten Güterbe-sitzers, eines stolzen, trotzigen, aber sehr verschlagenen Man-ncs Bedri-Effendizu bemächtigen, ihn zu tödten und seine Güter zu tvnfisciren. Dieser Auftrag war sehr schwer auszuführen, denn dic Truppe des Pascha war unbedeutend, und offenbare Gewalt nicht möglich, da die Regimenter gegt« dcn Pascha gestimmt, ihn sogleich ermordet hätten. Ein K a-pidschi — Ucbcrbringcr der großhcrrlichcn Befehle, -— war damit angelangt, und erregte schon durch seine Gegen« wart cmc allgemeine Spannung. Es hiess aber, der Groß. Herr habe Befehle gegeben, die Festungen der Insel, beson. ders aber die Hauptstadt Candia, sollten verbessert werden, und die Großen dieser Provinz die Kosten dazu beytragen. Dieß gab Veranlassung zn einer Zusammenberufung der reichsten und vornehmsten Türken der Insel, wobey auch Bedri.Ef-ftndi erschien. Die erste Sitzung ging mit Vorlegung bcs großherrlichen Fcrmans, und dcn nöthigen Erkilüdigungcn und Verabredungen hin. Auch die zweyte wurde beendigt, und die Arbeit war bereits im Gange, als der Pascha bey den Discussioncn aufstand, sich an dcn Vedri.Esscndi an, schloß, und ihn wichtiger Angelegenheiten wegen zur Seite nahm. Sie spazierten auf und ab, bis der Pascha ihn in den Garten brachte, und sich auf einige Augenblicke entfernen zu müssen vorgab. Auf das gegebene Zeichen stürzten sogleich acht Diener herbey, überwältigten den brüllen-den Bcdri-Esscndi, banden und erdrosselten ihn. Der Pascha trat nun kaltblütig in die, über einen solchen Lärm be-stürzte Versammlung, zog dcn geheimen Ferman hervor, und las ihn dcn erstaunten Großen wörtlicl, ab, worin sich der Großhcrr äußerte; dcn Bcdri.Esscndi seines nugehor^ same« Beteagens und seiner anerkannten Bösartigkeit wegen erdrosseln zu lassen. Sein Leichnam wurde hcrbcygctragcn und der trostlosen Familie übergeben. Die gehöhnte Versammlung ging auseinander, und der Kap id« sch i konfiscirte das ganze Vermögen, verkaufte die Güter an andere, da nichts von den Gütern cines Strangulirtcn der Familie zufallen darf, und brachte dadurch die ganze Familie an den Bettelstab. Hierdurch machte sich der Pascha furchtbar und erlangte bey den Angelegenheiten der Insel ein Uebergewicht, so daß die Festungswerke, ungeachtet man deutlich einsah, daß dies nur Vorwand gewesen, dennoch beendigt werden mußten. Der Ramadan , der Fasten- und Faschingsmonat der Rechtgläubigen, hatte begonnen. Da die Türken nach Mon-denjahrcn zählen, denn sic scheinen ohnehin Monocskinder zu seyn, so endet ihr Jahr früher, als das Sonncnjahr, da der Mondenmonat blos 28, der Sonncnmonat hinge-yen 3" und 3» Tage zählt. Der Monat Ramadan tritt also immer von Jahr zu Jahr um einige Wochen früher ein, bis er etwa nach 35 Jahren wieder in dieselbe Zeit zurückfällt. Während diesen 28 Tagen dürfen die Türken von Sonnenaufgang, so wie der Muezin zum Gebet gerufen hat, bis auf den Abcnd nichts mehr in den Mund nehmen, weder essen noch trinken, weder Taback schnupfen noch rauchen, die Orthodoxen sehen nicht einmal die Speisen an, ja sie gehen sogar bey cincm Tabackrauchcnden nicht vorbey, um den Rauch nicht einzuziehen. Wenn Abends dcr Muczin auf die Gallcric des Minaret sich begibt, und zum Gebete ruft, — fallen sie über ihre Speisen, welche bereits vor ihnen hingesetzt worden, und zwar bey dem ersten Laut, mit einer solchen Begierde her, daß auf den Mctallplattcn die Arbeit wie in einer Kesselschmiede ertönt. Gcmcmiglich sitzt ein Knabe auf dcr Terrasse oder auf dem Giebel dcsHcm- — 4^ — sts, wenn man aus dem Fenster dic Gallerte nicht sehen kaun, uud so wie nur dcr Mnezin aus dcr Schncckcnstiege dcn Kopf heraus stcckt, gibt cr das verabredete Zeichen, uud in eillcr Viertel« Stunde siud öo Schüsseln leer. Nun geht dcr Lärm durch alle Gassen der Stadt. Trommeln, Pfeifen, Zithern, Tamburins werden au allen Enden und Ecken dcr Stadt, ohne Gemeinschaft, Ordnung und ohue die geringste Harmonie einzeln gespielt, uud wirbeln durch alle Gassen hcrumschwci'ftnd, in einander. Unter diesem Getost wird die Mahlzeit beendigt, und statt daß gewöhnlich vor Sonnenuntergang mit dem Schluß dcr Stadtthore jeder schlafen geht, fangt nun erst Conversation, Spazicr-gang, Scherz, Tanz und andere Art des Zeitvertreibs an; die Gassen sind erleuchtet, niemand bleibt im Zimmer, als das Wcibsvolk. Für einen Europäer ist in dieser Zeit zu schlafen, gar nicht möglich,' dcr Lärm uud die Unruhe ist entsetzlich. Zum Uuglück hatte ich mciuc Wohnung mitten in dcr Stadt, wo dcr Tumult am größten war; besonders Kumte eine ungeheure Trommel, welche von dem stärksten Manne getragen, und mit einem tüchtigen Besen geschlagen wurde, auf eine ganz erbärmliche Weise. Dieser Lärm dauert nun die ganze Nacht bis etwa um 3 Uhr, alsdann ist etwas zu sich zu nehmen schon untersagt, man legt sich schlafen und schnarcht bis Nachmittag, alsdann geht man spazieren, erfrischt sich an der Lust nnd wartet den Abend ab, wo diese Bacchanalien wieder vom Neuem beginnen. Am Tage sind die Straßen, alle Gassen und öffentliche Plätze, wo nicht Griechen sind, menschenleer uud wi'c ausge-siorben. Bey Nacht dagegen scheint die Lustbarkeit dcn römischen Bacchanalien oder cincm revolutionären Auflanf, der dort nichts seltenes ist, ähnlich zu scyn. Diese Lebens-art dauert uun einen vollen Monat, lbis das Bairamfcsi — gleichsam das Osterfest dcr Türken, erscheint. Man ficht, — 4^5 — wie schlau Mohammed die Fasten mit dcm Carneval, zur Erleichterung des einen, und zur Erhöhung des Vergnügens anderseits, als ein grosser Kenner der Schwächen seiner Nation vereinigte. In Arabien, wo die Hiftc drückend ist, und man sich überhaupt bis tief in die Nacht unterhalt, scherzt und Erzählungen dcklamirt, ist eine solche Verord. nung willkommen, bey Tage kann man schlafen und braucht nichts zu sich zu nehmen. Allein wenn in der nördlichen euro? paischcn Turkey der Ramadan im Sommer fallt, wo lange Tage sind, wird cr sehr beschwerlich, da von früh Morgen bis spat Abends nichts genossen werden darf; der arbeitende gemeine Türke, der von dcm täglich Erworbenen lebt, empfindet es am allermeisten, bey Nacht soll cr wachen, sich vergnügen, statt zn schlafen und Kräfte zu sammeln; bey Tag aber, wo der Bemittelte schlaft, ^ an die harte Arbeit gehen. Der Ramadan ist daher für Arabien weit geeigneter, da man daselbst ohnedies frugal lebt/ und die Nahrung wegen Einfachheit der Lebensart leichter erschwingt. Moha m m e d sorgte für die Reichen und vergaß die Armen, auf alte Fälle war er ein schlechter Geograph, der nicht daran dachte, das? zu Tornca, wo die Sonne m vierzehn Tagen nicht ulttergcht, seine Rechtgläubigen insgesammt verhungern müßten, wenn sie seinen unüberlegten Befehlen strenge Folge leisten sollten. Der Islamismus scheint daher blos für Arabien, — als Lokalrcligion — bestimmt zu seyn, und diesen Wüstcneycn kann man ihn gönnen.— Meine Uhr hatte Schaden gelitten, ich wollte sie verbessern lassen, und fragte nach einem Uhrmacher. Di'cstr liebe Mann hieß wohl freylich so — aber dic Umstände er« schwerten mir es, zu entscheiden, ob ich ihn für einen Uhr. machcr, oder für einen Käfichmacher halten sollte. Eine Menge Uhren hingen um ihn herum, indem cr in einer Ta-backbudc am Boden mit untergeschlagenen Pcincn auf einem «i^ Polster saß, und ringsherum auf einer Strohmatte Rad« chcu, Federn, Scl^ckcn, Trommeln, Kcttchen, Zeiger önd Zifferblätter zerstreut liegen hatte. Ein Dutzend Käfiche, welche halbfertig herumstanden, schienen seine Interims-Arbeit zn seyn, wenn er keine Uhren zu rcparircn hatte. Die allgemeine nnd wiederholte Versicherung seiner Geschick-lichkcit war aber auch allein die Ursache, daß ich meinen Conncnzcigcr ihm anzuvertrauen mich überwand, ich war aber doch mit Preis und Arbeit zufrieden. . Die dem Tür-fcn angenehmsten Uhren müssen schwer, und von der Form und Größe tüchtiger Zwiebeln, das Werk aber massiv, innerhalb mit vil'len Echllörkeleyen versehen seyn. Es ist durchaus erforderlich, daß jede Uhr wenigstens fünf Gehäuse habe, damit sie beym Aufziehen derselben etwas zu tl un haben, und auf jcdcn Finger der linken Hand ein Gchäus aufstecken köuncn. Wenn die Uhr einen abgemessenen Schlag hat, so daß sie an ihren; Bauche fühlbar häm, mcrt, braucht sie zur Empfehlung nichts weiter, als daß au demZisserblattc „London" geschrieben steht. Figuren, Köpft, Gesichter darf leine Uhr haben, niemand wird sie taufen, denn bekaumlich haben sie das Vorurthcil, teinc Portraits, auch von den vornehmsten und wichtigsten Personen, Mohammed nud ihren Sultan selbst nicht ausgenommen, zu dulden; blos der Namenszug des regierenden Großherrn ist in den Wohnhäusern anzutreffen. Es herrscht allgemein unter ihnen der Glaube, daß die abgebildete Person bey dem letzten Gericht in Gegenwart Gottes die Seele von dem, der ein Gemälde von ihr besaß, fordern werde, — als ob sie fordern könnte, eine zweyte Seele zn erhalten, welche sie in diesem Falle schon haben muß, da doch dcr Mangel derselben deutlich in der Voraussetzung c-.tthalttl: isi. »- Dicscr Sinulosigleit wegen findet man keine Gemälde in dcr Türlcy. Men Statuen, die man sin- 4.u5 dct, wirb der Kopf abgeschlagen, n:;d die Gesichter auS den Basreliefs ausgekratzt. Ein junger reicher Türke, dem die mit einem Emcnl gezierte Uhr eines Matrosen gefiel, wurde von stillem Vater scharf gezüchtigt, als er sie erkauft hatte, da die Rückseite ein weibliches Portrait enthielt, wel. ches dem jungen Burschen gefiel. Die Kaffeehäuser auf der Insel sind insgemein, wie in den übrigen Theilen der Turkey, zugleich auch Bar« bicrsiuben, der Wirth rasirt, und siedet Kaffee; ein drolliges Arrangement. Wcnn man einen langen Bart hat und Kaffee trinken will, so kann man sehr leicht, statt einer Tasse Kaffee, mit aufgerührter Seife bcwillkommt werden. Indeß mnß man gestehen, daß man nirgends mit mehr Achtsam« kcit und Schonung, ja ich möchte sagen, mit Delikatesse barbiert wird, als in der Turkey. Zuerst wird ein feines Tuch von Musselin umgchaugcn und hinten befestigt, darauf mit lauwarmen Wasser das Gesicht rein abgewaschen, und mit einem saubern Tuche abgetrocknet, dann wird der Bart äußerst zart und schonend, was man von den sonst groben Handen der Türken nicht erwarten sollte, mit einem dichten Seifenschäume eingeseift; sehr behutsam wird nun das Mcs-ser angesetzt. Beym Rasircn der linken Seite wird die rechte Wange auf das Knie des auf eine Bank gesetzten Fußes gelegt, und von der Hand rasirt. Zuletzt gibt sich der Kaffee« siedcr alle crsinnlichc Mühe, mit einem zweyten, äußerst scharfen Rasirmesser, jede Spur eines Barthaares zu vcr« tilgen, so daß es oft lastig zu werden anfangt. Nnn laugt er cine Schecrc hervor, klappert wie cm Friseur mit derselben, holt die innerhalb der Nasenlöcher wachsenden Haare hervor, schneidet sie zierlich ab, richtet, kämmt und bcsiutzt den Bak< kcnbart, beschneidet die Haare, bringt endlich reines Wasser und wascht das ganze Gesicht sauber ab. Ein frisches Musselin, Tuch, die dort zu Dutzenden hängen, und ein runder — 4^6 — eingefaßter Spiegel mit einem Griffe wirb nun dcm Gastc dargc< reicht, wofür er »2 bis ,5 Para aufzählt. Das Rastrcn halten die Mohammedaner für eine angenehme Unterhaltung und lieben es, wenn das Herumkrabbeln im Gesichte recht lange dauert. Oft währte es cine volle halbe Stunde. Mit dem Barte, besonders wenn er recht lang ist, wird von beyden Seiten, wie mit einem Götzen umgegangen. Vcy dcm Kopfschcren, wel, ches jeder Türke an sich, bis anf cincn Büschel Haare auf dcm Scheitel, vornehmen läßt, wird cm Kessel über den Scheitel des zu Opcrirendcn aufgehangen, und das Wasser senkrecht herab gelassen, das ganze Haar eingeseift, wobcy die Augen von dcr Seife, welche ihm über das Gesicht hcrabflicßt, oft entzündungsartig auflaufen und blutroth werden, so daß er eine geraume Weile nach dcr Operation mit allerley Grimassen zu weinen fortfahrt, welches bey einem kahl gcschorncn Schädel lustig genug anzusehen ist. Die einfache und sinnreiche Vorrichtung der dortigen Seiler hatte meinen Beyfall, und verdiente in unsern Ländern Nachahmung; dcr Spinner zieht zwey Fadcn auf einmal, jcden mit einer Hand, und das Spinnrad bewegt sich von selbst, ohne cincs Gehülfen nöthig zu haben. Eine Schnur ohnc Ende, auf dic ganze Epinnweite ausgespannt, schlagt sich über eine Rolle am Ende der Spinnwcitc, und über zwey Rollen zu« nächst dcr Maschine, indem sich diese Schnur noch unterhalb um cine Welle schlagt, welche durch das Spiunrad geht. Dcr Seiler klemmt mm an seinem Gürtel die Schnur ein, und indcm cr rückwärts geht, bewegt dcr um die Welle zwcymal geschlungene Faden das Spinnrad. Das Spinnrad hat eine Schnur, welche über drey Rollen geworfen ist, die vorn Häkchen haben und gedreht werden, so daß die zwey angesetzten Faden durch den Seiler gesponnen wer« dm könucnj wenn dic beyden Faden gesponnen sind, wer« — -^7 — dcn fie an das Häkchen der dritten Rolle öbcrgesteckt, und »och cinlnal zugleich mit dcn zwcy neu angelegten Fäden znsammengcdrcht, und dann an die Seite übergetragen. Diese Att Stricke und Schnüre zu drchcn, ist in der That schr sinnreich, und macht diesen Handwerkern viel Ehre. Gemeiniglich werden hier blos Ziegenhaare gesponnen, die man wegen der erstaunlichen Mcnge von Sprungvieh zu Schnüren, um damit die Waaren auf den Maulchicren zu befestigen, verarbeitet. Auch wird ungcmcin viel davon zu dcn Getreide - und Spreusackcn verwendet, die nirgends mit größcrm Fleiße gesponnen werden, als hier. Der Seiler hat dabey, statt der Schürze, eine offcnc lederne Tasche oder Schlauch vorn angebunden, die voll gekrempelter Haare ist, welche er schr geschickt mit beyden Handen hervorzieht, und zwcy Fäden zu gleicher Zeit abspinnt, ohne eines Filzes zu bedürfen. Mit Schuldnern, Verbrechern, und andern, auf was immer für eine Art der Gcrichtspstcge anheim gefallenen Individuen ist jeder Consul einer europäischen Nation genöthigt, schr gelinde, schonend, behutsam nnd klug zu Werke zugehen; denn wenn jener sich schr bedrängt sehen sollte, so brancht er nur einem Türken das bekannte mohammedanische Glaubcnsbekcmttniß zuzurufen: „Es ist nur ein „Gott, und Mohammed ist scin Prophc t," so wird cr sogleich durch einen großen Volksaufiauf bcfrcyt, im Triumphe herumgeführt, und entzieht sich dadurch aller gerichtlichen Gewalt seiner Nation. Ein angesehener Kauf-Mann aus Marseille, welcher sich vor einigen Jahrzehnten mCanca, mit seiner Frau und fünf erwachsenen Söhnen, an« gesiedelt hatte, sollte vom Consul beträchtlicher Forderungen wegen, welche man hartnäckig einzutreiben suchte, gepfändet, ihm alles verkauft, und derselbe an dcn Bettelstab gebracht werden. Vergebens stellte cr die Nachtheile — 42» — einer solchen Maßregel vor, und bewies, daß er tu'cse beträchtliche Summe nur in Raten bezahlen könne. Allein, obwohl der französische Consul dieses sehr gut einsah, so war er doch, von bcr Partey dazu aufgcfodcrt, zur strengsten Eintreibung der erwiesenen Federungen genöthigt, und brauchte Gewalt, indem er ihn im Hause überfiel und seine Casscn wegnehmen wollte. Der Kaufmann schloß jedoch seine Zimmer plötzlich ab, und rief von der Terrasse seines Hauses den Türken auf der Straße zu, daß er sich zur mohammedani. schcn Religion bekenne. Der Triumph war in der Stadt allgemein, der türkische Pöbel versammelte sich um sein Haus, bcfrcyte ihn, und er ging mit seiner Familie zum mo. hammcdani'schen Glauben über. — Man bringt zuweilen nach Canea Ladungen vom Sei-fcnsicine, Cimolit, aus Argenticra, ciner nahe gelegenen Insel des Archipelagus, allein man bedient sich dcrstl. bcn nur wenig, da die Seife hier sehr wohlfeil isii übrigens ein wichtiges Fossil, welches ich mir aber zu verschaffen nicht im Stande war. Der angenehme Frühling'war verschwunden, und drük-kcnde Hitze raubte dem Felde das frische Grün und den Fluren die Blüthen. Von der See streicht jedoch der kühle Wind fast beständig gegen das Gestade, die sich brechenden Wellen, welche dasselbe bespülen, scheinen ihn zu erzeugen. Meine Mattigkeit und Abspannung nahm zu, und ich suchte Ruhe. Kein Arzt war da, zu welchem ich Zutrauen gehabt hätte, auch glliubtt ich noch nicht, daß es nöthig sey. Jetzt trug sich das unglückliche Ereigniss mit Georgi zu, welches mich vollends um meine Gesundheit brachte. Der 22sie Julius war für mich ein gefährlicher Tag, so wie der 22sie April, an wclchcm ich aus Canca der Pest wegen entfloh. Bey seiner Abreise empfahl mir Gcorgi seinen Bruder, Eli as, welcher die Dienste cincs reichen Türke» verlassen hatte, jetzt brotlos war, und von seinem Ersparten leben mußte. Er schien ein gutmüthiger Mensch zu seyn, und da er sich anheischig machte, mit mir die Insel zn bereisen, wenn ich ihn annehmen wollte, so war ich damit zufrieden, und bemerkte, daß ich seine Gesellschaft blos auf einen Mo. nat verlange, wofür ich ihn entschädigen würde. Allein da ich nicht gesund war, und der Consul dc Basse mich im< mcr zurückhielt, bis ich vollkommen hergestellt seyn würde, so verzog sich die Abreise bis zum i4ten August. Mittlerweile besorgte er mir in seinen Nebcustunden das Maulthicr, rechnete mir, wie sich gehörte, das Futter an, wenn ich aber auszureitcn wünschte, war es immer vcrmiethct und nicht zu Hause. Zürnen wollte ich nicht und ließ es hingehen; da er arm war, gönnte ick) ihm die Spoiteln. Als ich auf die Abreise drang, spielte er den Bedürftigen, und ich mußte 5o Piaster für Kleidungsstücke auslegen; immer kam er mit einer heuchlerischen Miene, wenn er dieß und jenes brauchte. Mein schönes Maulthier, das ich nun zu sehen bekam, war so abgezehrt und abgearbeitet, daß es kaum fort konnte. Er meinte daher jetzt schon, daß ich ihm das« selbe schenken könnte; das junge Maulthicr hatte ich gleich nach meiner Ankunft verkauft, und dabey i3c, Piaster cinge« büßt, jetzt sollte ich dieses gar verschenken. Nachdem ich nun in Candia vier volle Wochen unnütz verweilt, die Flora des Ida fast versäumt, und außer einem leichten Regen den 3lsien July und einem unbeoeutcuoen Erdbeben am Zten August nichts besonderes erlebt hatte, brach ich gerade am Tage des Bairamfcstcs der Türken auf, und ritt durch die Stadt zum Thore von Messarah hinaus. Die Straßen wimmelten von Türken, deren Kleidungsstücke, von Gold und Seide strotzend, eigends für diesen einzigen Festtag im Jahre bestimmt zu seyn schienen. Von allen Seiten erscholl «in fröhliches Geschrey, und nur wenige Griechen warm zu — 4Ao —» erblicken, abcr au6) diest waren des Festes wegen Mi Sonntagsanzuge. Es schien, als ob allc musikalisch geworden wären, jedoch abcr auch seit dem vorjährigen Vairamftsic Takt, Harmonie und die Behandlung des Instruments ver< gessen hatten- Ich blieb unter andern an einer alten Maucr stehen, und blickte in die Hauptgasse, wo vor dcm Palasie cincs türkischen Großen 9 Musici an die Wand gelehnt auf der Erde niederhockten. Die Musik war cxekrabcl. Ich hatte nicht geglaubt, daß es möglich sey, so schlechte Instrumente irgendwo zu finden, allein hier erfuhr ich, daß es noch schlechtere Spieler geben könne. Ein jeder spielte nicht nur in einem eigenen Takte, was ihm einfiel, sondern auch in einem andern Ton. Meine Geduld dauerte lange, weil mein Erstaunen keine Grenzen hatte. Indeß wer kann in der Türkey etwas wunderbar finden, da nichts in der Wclt natürlicher ist als—Ignoranz! Aus den Häuscrsiraßen gc< ricth ich in Maucrsiraßen, aus Schwibbögen in das Stadtthor — und ans der Stadt aufs Land. Mir schienen die Aussatzigen, welche mich hier um einen Para anschnarch» ten, erträglicher zu seyn, ihr Ton war wenigstens — für Aussätzige natürlich. Die Stadt schien zwar, meinen Gc-ruchsncrvcn zufolge, wegen des vielen Salbey- Thymian-und Satoricnholzes, welches das gewöhnliche Brennmaterial ist, ein türkischer Potpouri zu seyn, indeß war mir die Luft, welche der Ida von seinem schncebcflockten Gipfel herabwchcn ließ, angenehmer, da sie zugleich von Türken-odcm rein war. Die Windmühlen standen nicht weit von den Festungswerken; eine vollkommen zu einander passende Nachbarschaft in der Turkey. Ich trabte die Straffe fort, ukd jeder von uns, der nach Candia sich umgewendet hätte, würde das Schicksal von Loths Weibe verdient haben. 'i >" t Die Straßs staubte, weil aber der Wind gegen mich wehte und ich zuerst ritt, so empfand ich nichts davon; man pflegt selten darauf zu sehen, was der Hintermann thut, und ob er sich wohl befindet, wenn man uur selbst gut fortkommt. Elias hatte sich einen Esel gemiethet, dcnn nichts anderes war am Bairamftsie — zu sehen und zn bekommen, dafür mußte ich zahlen und er den Staub schlucken. Unter immerwährenden Zweifeln, ob C n a d i c h, G n o ssu s und Macrodico Matium oder Iukta der alte Dikta gewesen sey, verschwanden uns alle drey aus dem Gesicht. Der Kanonendonner hallte uns bis an die Schlucht von Cogncs nach, über welche wir hinwegzogen. Das mit dem dumpfen Rauschen der sich am Secsirande brechenden Wellen verschmelzende Getöse war indessen weit angenehmer, als die bey den vielen kranken Weibern dieser Stadt in Va-peurs und Convulsionen ausartende kamtschadalischc Musik. — Auf dem Wege fand ick), daß mein Maulthicr keine Kräfte hatte, dcnn es dauerte nicht lange, so blieb es zurück, wir waren noch auf der Ebene, und mußten schon einen Bauer ansprechen, einen Theil unsers Gepäckes nach Cog-ues zu bringen. Bey dem Cpringbrunn, wo Tournefort sich gelagert und von wo aus cr Candia gezeichnet hatte ruhte ich gleichfalls aus, und mußte seine Vorsicht loben, daß er diese Reise, von einem wissenschaftliebendcn Minister un« tcrstützt, in Begleitung eines Arztes unternommen hatte, dessen wohlthätige Gesellschaft in diesen barbarischen Län« dern am nöthigsten ist. Ein Trupp Türken, welche sich an der Quelle lagerte, nöthigte mich zum Aufbruch, denn je mehr und je richtiger der Europäer ihnen ihre sinnlosen Fragen beantwortet, um so dummer werden sie. Seit den vier Wochen war der Keusch lamm bäum (Vi't,ei agnnll Q35ln5) in die Blüthe gekommen, welcher unter allen Sträuchern auf Kreta zuletzt, und erst Ende May sich 4^ belaubt. Ich fand dic seltene Abart mit roscnrothen Blu» men, aber auch nur hier, l Stunde vor Cognes. Mit dcm noch fortblühendcn Oleander vermengt, gab dieses einen reizenden Anblick. Hier erfuhr ich, daß dcr Glaube an dic Nereiden und Dryaden noch nicht verloschen sey, indem man sic selbst noch zu nennen wußte: doch vermengte man beyde mit einander. Man müsse sie stets, wenn man einsam sty, loben, so erzählte man mir, ihrer ja nicht spotten , besonders aber dem Echo nicht nachäffen, weil sie sich dann, besonders an Mädchen — zn rächen pflegten, man müsse mit Achtung von ihnen sprechen, da sie auch Gutes, besonders Kindern, erzeugten. Ein reinwciß gekleideter Landmann mit seinen obenauf gebundenen Kappcnsiicfcln und einer weißen niedlich gewundenen Kopfbinde, kam mir mit einem Vlnmcusiraußc cutgca.cn, blieb freundlich sichen, bot mir ihn an, und um ihm seine Freude nicht zu verderben, mußte ich ihn annehmen. Um den Schein zu vermeiden, ihm den Vlumcnsiraus bezahlen zu wollen, den ich ihm aber dock) nicht schuldig bleiben wollte, holte ich erst nach mchrcrn Fragen einige Para hervor und gab sie ihm. Fast ein je, dcr Grieche hat einen Nelkcnsiock mit etwas Jasmin, Rosmarin, Levkoycn und andern Blumen in Kübeln, wie es bey unserm Landvolke gewöhnlich ist. Mit Mühe gelangte ich nach Cogncsj mein abgezehrtes Maulthicr war so entkräftet, daß es trotz aller Schlage nicht fortzubringen war, es hatte mit Elias fasten müsse», der dafür seinen Beutel fütterte. In diesem schönen Gcbirgsdorfe blieb ich über Nacht. Wein, Brot und ein Huhn um 25 Para wurden hcrbcyge-schasst. Des andern Morgens, als das Gepäck auf ein anderes Maulthicr geladen war, gelangten wir Hügel auf und Hügel ab nach Anoja, dem höchsten Gcbirgsdorfc des Ida, wo meine Ankunft alle Bewohner, welche hier noch keinen Franken gesehcn, hcrvorlocktc. In dem Hause des Papa, cincs jungen wohlgcbilbctcn Mannes, einquartiert, kam bald darauf der Diener dcs Besitzers vom Dorfe mit der Aeuße» rung, er wünsche mich zu sprechen. Da cr sich nicht deutlich genug ausgedrückt hatte, langte ich das in Rctti-mo crhaltnc Bujurti hervor, und gab es ihm stillschweigend, worauf cr fortging. Es war aber keine Nachfrage nach Passen, sondern eine Einladung höflicher Art gewesen. Dcr Besitzer, dcr nun merkte, dasi ich seine Absicht durch seine eigene Cchuld mißverstanden hatte, ließ den Elias aufsuchen, welcher mir seine Absicht auf eine höflichere Art be< kannt machte. Die Absicht ließ sich leicht errathen. Der reiche Besitzer, dem cin großer Theil dcs Ida an dieser Seite gehörte, war seit einer vor Jahren übcrstandencn Entzündung des Unterleibes gegeu alle Kalte sehr empfindlich ge< worden und krank. Das entschiedene Zutrauen ftittc mich in Verlegenheit, da ich gerade nur Trümmer einer Rciseapo» thcke bey mir hatte. Bey dieser Entcralgic schien mir dcr Fingcrhut angezeigt, und wenige Grane siclltcn ihn her. Dcr Dank war unbeschreiblich; als man mich bey schnellem Bcsserwcrden nach meiner Federung fragte, war meine Antwort: Erleichterung bey der Vereisung dcs Ida; diese wurde zugesagt. Dcr Weg dahin war von Anoja, so hicsi das Dorf, sehr mühsam. Drey tiefe Schluchten mußten wir passiren, einmal tief in den Höllcngrund herabstcigcn, und dann wieder an einer Felscnlcitcr emporklimmen, wobey viel Zeit verloren ging. Nnr ^5^)llr2gn3 aculilulillZ und 3iäei'ili» «^ri:ic2, welche, mit weißen filzigen Blattern und schwefelgelben Blüthen prangend, die Ränder unsers Weges verbrämten, wuchsen hier. Nach Umwegen kam ich einem grosien freye» Platze naher, dcr mehr als eine halbe Quadratmeilc betrug, und welchen man is tin Ida nann« te. Zu den Zeiten dcr Vcnctiancr solt cr bebaut gewesen Elster Thcls. E e 424 scyn, welches die vielen Wohnhaus, stgar eine Kapcllc, wiewohl im völligen Ruin, darthun. Der Schnee, welcher im Thale gar nicht fallt, bleibt hicr bis Ende März liegen. Das Erdreich ist völlig unfruchtbar, ich zweifle daher an dcr ehemalige» ergiebigen Kultur. Nirgends aber habe ich auf meinen Reisen so tieft Schluchten, die so eng und ft scharf eingcschnittcn waren, gesehen, als hicr. Dieses schreibe ich cincs Theils dem Mangel an Bäumen, der hier immer Statt fand, zu, indem die Wolken sich nie allmählig, von den Gipftlu der Baume angezogen, sanft in einem fortwährenden Regen entladen, sondern immer jahling als Platzregen und in Wolkcnbrüchcn niederstürzen, und da sie plötzlich ablaufen können, heftiger in den Grund wühlen. Dicht mit Wäldern besetzte Gebirge hemmen den schnellen Ablauf dcr Gewässer, schützen vor Abwaschung des Erdreichs, und hindern die augenblickliche Verdunstung des Wassers. Die Wolkcnbrüchc in den Hochgebirgen Deutschlands mögen daher auch nur von dem übermäßigen Abtrieb der Wälder her» rühren. Zum andern Theile sind die Instlu fast immer nur sieilc, aus dem Ecegrunde sich erhebende Berge, dcr Ablauf ihrer Rcgcnfiuthcn ist daher augenblicklich und reißend. In der Entfernung waren kanm die Schafheerdcn zu unterscheiden. Ueber Felsen hinüber pfiff mein Führer, worauf ein Gcgcnton erfolgte. Dann rief er in dem unverständlichen Jargon dieser Gegend etwas den jenseitigen Hirten zu. Es wurde Nacht und niemand kam. Wir konnten die kleinen Hütten nicht benutzen, denn dcr Führer widcrricth es wegen dcr zahllosen Menge von Flöhen, welche daselbst auf eine unglaubliche Art den Erdboden überzögen. Wir blieben im Freyen, Acsic wurden hcrbcygeschleppt und ein Feuer angc» macht, das nun die ganze Nacht brannte. Ein Glück war es, daß in dcr Nähe eine vortreffliche Quclle floß, deren Wasser so köstlich war, als das dcr Hippocrcnc nur im- mer seyn konnte. Mein Führer fluchte und pfiff so heftig, daß es gellend im gebrochenen Ccho alle Oreaden beantworteten. Endlich kam ein Hittcnburschc und brachte cm Lanmn cs wurde zerstückt und ein Theil davon anf cincn hölzernen Epieß gesteckt, mit Salz cmgcricbcn, dann von allcn Seiten mit Kohlen umgeben und vortrefflich gebraten. Dic an< derc Hälfte dieses Opftrthicrcs wurde für die Laren aufg!> hoben. Ein Stück schwarzes Klcycubrot, denn das gute hatte der licbc Mann vergessen, wurde zur Torte. Endlich erinnerte ich mich des arabischen Getränks, und siehe da, es fand sich Zucker und Kaffee, um mit den Göttern, an deren Licblingssitzc ich mich befand, cin vollständiges Mahl zn halten. Die Warme that bey der Abendlühle auf den Höhen sehr wohl. Der Führer unterhielt das Feuer und ich schlief cin. Um 4 Uhr dämmerte es im Osten. Schwaches Leuchten kündigte das Morgenroth und den strahlenden Phö« bus an. Der Gipfel des Ida hell und klar, trat zuerst aus der Finsterniß hervor, und scharf begranzt ficl scine liebliche Form in das Auge. Er röthete sich, als sich Aurora ganz erhoben hatte, feurig drängte sich die Conncnschcibc aus dem Grunde des Meeres herauf und begrüßte ihn mit einem seiner Würde zukommenden Glänze! Das Feuer wurde angefacht und in der Morgcnkühle das Frühstück bereitet. Wunderbar ist es aber, daß in der ganzen Mythologie nichts von Zucker und Kaffee vorkommt, und nur von Nektar und Ambrosia die Nedc ist. Obgleich dic alten Dichter so genau die Lebensweise ihrer Götter kannten, von ihren Familienverhaltnissen, Intriguen und Schwachheiten so gut unterrichtet waren, erwähnen sie dennoch nichts von diesem herrlichen Getränk. Den Göttern hatte eines der merkwürdigsten Produkte der Erde nicht unbekannt seyn sollen! Indessen wie cs nun manchmal das Schicksal will, welches auch über Götter gebietet, mußte E< 2 dieses wirklich den Allwissenden verborgen geblieben seyn; denn sie hätten sonsi ganz gewiß schon aus Neugier ein Getränk gekostet, von dem sie wissen konnten, daß es einst das Grab so vieler Millionen Acthiopicr, die Ursache blutiger Raubkriege und Grausamkeiten, und das unentbehrlichste Bedürfniß ihres geliebten Wcltthcils werden würde. Der kühle Morgenwind, welcher von den Höhen hcrabwchtc, erinnerte uns an den Aufbruch. Langsam klimmten wir diesen Koloß hinan, und erst um 2 Uhr Mittags stand ich auf seiner Höhe. Die Menge eigenthümlicher und seltener Pflanzen hielt mich so lange auf. — Dcr nördliche Abhang hatte n dcn muldenartigen Vertiefungen schon bey ungefähr «00 Toiscn noch Schnee. An dem untern Ende, wo das Wasser herabtropftc, füllten wir unsere Flaschen- Ich erstieg sei. nen Rücken, gelangte aber nicht auf seine westlichste Kuppe. Der herbey gerückte Mittag erinnerte uns, daß es Zeit sey, aufzubrechen, um vor Abend mit Doppclschrittcn Anoja zu erreichen. Dcn Genuß, den ich dort hatte, zu beschreiben, halt wirklich schwer. Dcr Gedanke, auf der Stelle zu seyn, welche den Uranfängen dcr griechischen Kunst und Wissen« schast dcn crsicn Impuls gab, und in dcr Idee die Menschen mit den Göttern vereinigte; der Ort, von dessen Vorstellung Phidias ausging, um seinen 0 lympischen Jupiter zu bilden, erhob das aufgeregte liebliche Gefühl, welches nur durch die wehmüthige Erinnerung gemindert wurde, daß die Gegenwart dcr angcnchmcn Tauschung nicht entspreche. Ich verließ dcn Gipfel, um ihn zu einer günstigern Zeit wieder zu besteigen. Auf dem Rückwege fand ich dcn Frü> lingssafran, Oocu« vei-nu«, an Stellen, wo der Schnee kurz zuvor abgcschmolzcn war; sogar die?oa ceni«^, das piemontcsischc Rispengras, ?«" pnnßcn« des Sibthorp, und die ^nn^llUiL leneila, eine Pflanze der - 43/ - Gebirge von Salzburg und Tyrol, auf dem AbHange, dle ich hier am wenigsten vermuthet haben würde. H a ssa n-Ag a war sehr zufrieden, als er vernahm, daß ich auf sei« nem Gebiete etwas gefunden hatte, was ich für scltcn hielt; der zweyte Begleiter, den ich von is tin Ida auf eint andere Anhöhe gesendet hatte, überraschte n,ich noch mehr, denn kaum war ich angelangt, als er aus seiner großen unk festen Hirtentasche unter vielen Seltenheiten Hr«cki° d«lM^ t'olia und ein neues rii^euma (Rapwurzcl) hervorbrachte, welches ich seiner Schönheit wegen dem bnühmten, nun verewigten Professor Iaquin in Wien zu Ehren r^eum» 1»-guini benannte. Ich sandte diesen muntern und aufgeweckt ten Hirten, welcher durch seine öftcrn Gange nach den Stadt ein etwas gebildeteres AuSsthen gewonnen hatte, wie« der in die Gebirge ab, und wurde nach zweytagigcr Wwesen» heit wieder für meln Harre» und Hoffen vollkommen ent» schädigt. Jetzt machte ich wieder einige Excursionen in sei» ner Gesellschaft. Hassan. Aga, (so viel als Hcrr Hassan,, da Hcrr in der türkischen Sprache immer nachgesetzt, unk den Türken oder Mohammedanern allein beygelegt wird,) zeigte mir ein vor kurzem am Ida eingefangenes wildes Pferd. Man durfte demselben gar nicht nahe kommen. Es wird ungefähr auf dieselbe Art wie in Ungarn mit Schlin« gen eingefangen. Nach der Zähmung soll es ungemcin folg« sam werden. Er wollte es um so Piaster verkaufen, und Elias feilschte darum, in der Meinung, jeder würde sich beciftrn, Pferde und Maulesel an ihn ju verschenken. Was sich aus diesen ausgebreiteten Wüstcncycu des Ida ma« chen ließe, wenn mau nach und nach Hand anlegte, zeigte der thätige Hassan «Aga mit einem einzigen Versuche. Den jenseit seiner Wohnung liegenden Thalabbang hatte er mit einer Mauer eingeschlossen, die Kalkstcinfelscn abgebrochen, oder zu Futttrmaucrn aufgcschlichtct, die Anhöhe skarpirt — «^ — nnd ben Wemstock hingepflanzt, welcher üppig wucherte; das Getreide dazwischen war vortrefflich gerathen, und schon im zweyten Jahre warf dcr Ertrag einen Tilgungsfond für das ausgelegte Capital ab. Die Insel müßte bey vernünftiger Einrichtung die doppelte Anzahl Menschen ernähren können. Sonnabend gegen Abend ging ich von Anoja nach HagioI aniab. Der Besitzer verstattete es nicht, mir Pferde zu miethen, cr gab mir seine eigenen Reitpferde, und ich verließ dieses angenehme Gebirgsdorf. Dcr Bruder des Besitzers gab mir das Geleit bis zu ihrem alten Vater nach Hagio Jam. Wir passirten bald darauf einen freyen Platz, auf dem Schafe und Rinder weideten. Einige niedrige Mauern, die Spur von einer Wasserleitung, war alles, was an Ruinen vorhanden war. Diese Stadt muß übri< gcns unbedeutend gewesen seyn. Ich bewunderte, wie sich der alte Name so gut noch erhalten haben konnte — man nannte ihn Arü, auch Narü, welches dcr alten Stadt Oarus vollkommen entspricht; denn Oarus lag in dcr Nähe von Clcuthcra, und bey Margaritcs ist noch ein Thurm, wcl< chcr Telaytcrna genannt wird. Man sieht ihn in dcr Ent< ftrnung zwischen den Gebüschen. Einige hundert Schritte abwärts sahcn wir in einer kleinen Villa den liebenswürdigen Bischof von Melidoni, dcr in ökonomischen Angelegenheiten anwesend war, er beschrieb uns mit freundlicher Stimme den Weg zu ihm durch das dichte Gebüsch, und sendete uns, als wir ihn zwischen den Gartenmauern nicht finden konnten, Leute entgegen, uns auf denselben zu führen. Mit Vergnügen wollte er uns in dieser Einöde aufnehmen, allein wir eilten nach dem hochgelegenen Hagio« Jam. Vor Sonnen, Untergang erreichten wir dieses trefflich gelegene Gcbirgsdorf. Zahllose Baume umgaben es. Die ^gavo «moricana stand mit dcu hundcrtarmigcn und 6 biS 7 Klafter langen Schäften in bcr schönsten Blüthe auf Feldrainen und in Fclsenspalten. Tausende von Bienen um« summten sie überall, undHundcrttauscnde von Blüthen trug jeder Schaft derselben. In einem halben Jahre wachst cr zn dieser Höhc empor, entfaltet sich, blüht und geht im Herbst« und Wintcrrcgen zu Grunde. Angenehm war die Lage dieses Ortes, man überblickte ganz Milopotamo — die Stadt Rcttimo bis Canca hin. Ich wurde freundschaftlich aufgenommen. Von Piscopi kam gleich der Didascalos von Rcttlmo herüber, nm mich nach einer Abwesenheit von 2 Monaten wiederzusehen; man hatte, um mich zu überraschen, ihn holen lassen. Am andern Morgen, der einen heitern Tag versprach, sah ich Leute ausgehen, es hieß, sie begäben sich in das Thal herab, um mit ihrem Instrumente, einem Rechen, auf welchem lange Riemchcn befestigt waren, das 6ummi I^uclllnum zu sammeln. In Hagio Jam suchte man mich zurückzuhalten, allein ich ging nach Piscopi. Der jüngste Sohn des Besitzers begleitete mich wieder dahin! hatte ich Hagio Jam schön und mahlerisch gefunden, so war Piscopi paradiesisch. Vielleicht war es im Mittclaltcr der Sitz des Bischofs vonAgria Elcuthera, Aulon oder Milopota m o. Dort wollte alles geheilt seyn. Es scheint clncn Zustand im kranken Körper z« geben, welcher in groß« ter Spannung und Begierde eine gewisse Arzney verlangt, die, so wie sie ihm gegeben worden, den Organismus plötzlich herstellt, ohne daß eine materielle Wirkung der Arzney vorausgesetzt werden könnte. — Als ich des andern Tages fortritt, gab cs unten im Dorfe eine Menge Kranke, die auf mich warteten, um in der Erzählung ihrer Klagen Trost zu suchen. Ich eilte fort, denn ,'ch sah nirgends Krankhei« ten— sondern nur die traurigen Folgen dcrVernachläßiguug — «4u — einer aus der Liste bcr freyen Völker Europa's ausgcstriche-ncn Nation. In Ncttimo traf ich meine alte Wohnung und meine alten Freunde wieder an. Ich ruhte einige Tage aus. Nach dem Sccstrande und dem Berge Vrissina unternahm ich einige Gänge, und blieb bis den 31 steil August daselbst, um einer griechischen Trauung und Hochzeit beyzuwohnen, deren Eigenthümlichkeit mich ungemein belustigte. Das Ganze schien einer Komödie ähnlich zu seyn. Die Braut wurde durch eine Deputation aus einer Kammer des Hauses abgeholt, hcrbcygcführt, aufgeputzt und mit einem Ballast von Flittern dem Bräutigam übergeben. Des Herumgehend, der Gaukclcyen und Sprünge war gar kein Endc. Endlich sprachen wohl Z bis 4 Caloycrs den Segen, und zuletzt schienen sie aus Ermüdung der Ceremonie ein Endc zu machen, um bey der Tafel diese angestrengte Arbeit zu vergessen. Die Trauung, die Taufe, kurz alle geistliche Funktionen, wenn es nur einigermaßen angeht, werden bey den Griechen im Hause vorgenommen, dieß aber höchst wahrscheinlich aus der Ursache, weil die Kirchen selten geräumig sind, viele unberufene Zuschauer hcrbcylocken, und die Türken öffcnt« liehe Aufzüge, welche dabey unvermeidlich sind, stören, ver< spotten und viele derselben durchaus untersagt haben. Des andern Tages gingen wir nach dem Almyron, in der Landessprache Armiro genannt; dort erfuhren wir, daß die Pest in Canea nachgelassen habe, und einige Menschen sich bereits in die Stadt gewagt hatten. In solchen Fallen laßt man sich nicht stören. Ich aß die trefflichen Wassermelonen, Pasteten, oder auch Arbuscn genannt, und beschloß bis Niochorio vorzudringen, um dort mich für Canea zu entschließen, oder den Weg nach dem sphakiotischcn Gebiete einzuschlagen, bis es dasclbst vollkommen sicher ware. In einer Landmanuswohmmg neben dem Chan, oder Wirthshaust, er- — 44i — hiclt ich Unterkunft, eilte gegen Mittag am andern Ta^ ge ganz allcin auf meinem Maulthiere, indcsi Elias zu Nio, chorio blieb, nachCanca, und suchte in Erfahrung zu brin« gen, wie es eigentlich mit meinem Hause stehe; mehrere Briefe, die ich von meinem Gartner bereits erhalten, hatten mir übrigens von seinem Wohlbefinden bestimmte Nach. richt gegeben. Auf den mir wohlbekannten Wegen, als ob ich nach meiner Heimath reiste, setzte ich über die Anhöhe zum Hafen von Suda, erblickte wieder das vortreffliche Cap Maleca und wollte um den großen Springbrunnen herumreiten, von wo aus man die Gegend von Canea erblickt, als der Gang meines Maulthicrs sehr steif, kurz und stoßend zu werdcn begann. Es legte sich zurück, schnaubte und bäumte sich. Ich sah umher und auf die Straße, wurde aber nichts gewahr, wodurch es hatte scheu werdcn können. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Es war kcinc Möglichkeit es vorwärts zu bringen, ich lenkte daher um und ritt zurück, um es wieder bis hinter die Fontaine zu bringen, und dann dcn Versuch vom Neuen zu wagen. Sogleich wurde es ruhig, und flog im leichten frohen Galopp mit gehobenem Schweife davon. Ich ließ es trinken, und bewirkte unvermerkt die Wendung. Mit vieler Mühe brachte ich es auf dieselbe Stelle, so wie cs aber die Luft ein paarmal cingcsogcn hatte, wurde dieß sonst so gutmüthige und gelassene Thier wieder scheu. Ich setzte mich aus dem Sattel fest, allcin vergebens. Der Sattel, ohnehin ohne Bauchriemen, fiel herab, wahrend es sich bäumte, und ich siürztc, jedoch ohne Schaden zu nehmen, rücklings zu Boden. Zwey Landleute fingen cs wieder auf, und indem ich es am Zaum führen ließ, der andere Bauer cs aber mit Schlagen antrieb, gelangten wir endlich über die zweyte Anhöhe in das Thal von Cicalcria herab. Hier erst wurde es ruhig, abcr dagegen so traurig, daß cs nicht aufzublicken Wagle und den Kopf herabhing. Auf meine Frage, was die Lanolcute wohl glaubten, warum es plötzlich so stutzig und scheu geworden sty, gaben sie kaltblütig zur Antwort: Mir ist panucla, es riecht die Pest. Diese Acußc« nmg überzeugte mich, daß dieser Fall öfter vorkomme, und baß die Ausdünstungen einer verpesteten Stadt von einer be« sondern Art seyn müßten, da sic von einer eigenen Thierklasse wahrgenommen werden. Weit auffallender ist aber der eigenthümliche Sinn der Kamecle, vermittelst dessen sie daS geruchlose Wasser in der Wüste stundenweit wittern, und darauf zueilen, wenn es gleich höchst unbedeutend, und oft unter der Erde verborgen ist. Die Bergbewohner äußerten, daß sie genau wüßten, wenn die Pest beginne, wenn sie am meisten zugenommen habe, und wenn sie im Abnehmen sey. Es sammle sich des Morgens ein eigener bläulicher Dunst über der Stadt, wel< chcr verschwinde, wenn die Pest geendet habe. Es kann seyn, daß es sich wirklich so verhält; daß mich dieses gutmü» thige Thier, welches auch nachher ohne alle Scheu und Tücke war, eine starke halbe Stunde vor Canca abgeworfen hatte, unterliegt keinem Zweifel, und es wäre daher nicht folge« recht, etwas abstreiten zu wollen, wo es sich von den Wirkungen einer Krankheit handelt, deren Entstehung, Natur und Heilung man noch so wenig kennt. Aus. gestorben waren die Gassen von Canea, als ich cinritt. Die Wache runzelte die Stirn, als ich auf dem Maulthier sitzen blieb, murmelte wahrscheinlich einen Ghaur in den Bart und ließ mich ziehen. Viele Laben und Buden waren geschlossen, andere standen leer, die Caffechäuscr verlassen, die Hammer ruhten und der Trödelmarkt war wie ausgeraubt. Keiner der Bekannten begegnete mir. Ich war der glück, lichste aus allen, denn ich war der erste, der entfloh, und durste jctzt wieder kommen. Ich ritt bis an das Hinterthür der Wohnung des Consuls, denn in mcln Haus wollte ich nicht, weil ich wußte, daß mein Gartner keine Quaran-taine gehalten hatte, wohl aber der Consul. Mit diesem musitc ich zuvor sprechen, und mit der „I'cttenlo nett»" er, scheinen, das Hauptthor wurde geöffnet, ich führte mein Maulthicr in den Garten und band es an, alles wich von mir noch zurück. Nach wechselseitiger Erklärung und Versicherung, Niemanden berührt zu haben, und in meinem Hause noch nicht gewesen zu seyn, näherte sich mir der Consul Herr Barbicriz wir hatten eine so unbeschreibliche Freude uns wieder zu sehen, baß nur der Respect gegen die strengen Gesetze der Kontumaz es vermochten, daß wir uns nicht um den Hals fielen. Einer scheute sich vor dem andern, jeder hielt sich für rein, und den andern für pcst« verdächtig. Jetzt erfolgte eine Entladung aller unserer po< sitivcn und negativen Ideen — eine Ausgleichung unserer Meinungen, und eine Wiederherstellung des Gleichgewichts unserer wechselseitigen electro < dynamischen Geistes-Ver< Hältnisse. Seine erste „entsetzliche" Ausrufung bestand, wl'e leicht vorauszusehen war, in einer Frage nach der jüngst vergangnen Begebenheit zu Candia mit Georg». Er warf mir vor, baß ich mich cincs händelsüchtigen, boshaften Menschen wegen in so große Gefahr begeben hatte, er hätte an Handen und Füßen gezittert, wie er es gehört habe, ich müßte ins Künftige äußerst vorsichtig seyn, weil ich ihm, als österreichischem Konsul, in diesem Lande gleich» sam anvertraut sey, und er für meine Sicherheit und meine Person verantwortlich gemacht werden könnte. Seines vor« trefflichen Herzens und scmcr anerkannten Biederkeit wegen antwortete ich auf alle seine Fragen blos damit, daß auf der ganzen Insel Niemand sey, welcher italiänisch spräche, und zugleich als Begleiter abkommen könne, daß !rc:?n zwey — 444 — Menschen in Verhältnissen mit einander stehen, fic sich im Fall der Noth ein wenig beyzusiehen verpflichtet wären. Man kann aber mit denen, welche Religion und Menschenliebe nicht zu vereinigen, Pflicht vom Egoismns nicht zu trennen verstehen, selten ins Reine kommen, und öfter mit ihnen, wenn sie auch gleich andere liebenswürdige Eigenschaften besitzen, nicht fertig werden. Endlich meinte er, daß ick) ihn hatte fortjagen sollen. Fortjagen wohl, aber nicht verlassen, gab ich zur Antwort, das habe ich auch gethan. Doch lassen wir jetzt diese Materie. — Dem Balkon des Consulathausts stand rechts an der Moschee, über den Hafen hinüber, der Balkon meines Hauses entgegen. Ein Fuchspelz hing dort an einer Schnur herab, worüber mir der Consul cine ganze Geschichte erzählen wollte; allein ich erkundigte mich nach dem Befinden meines Gartners. Achtzehn Tage sind seit dcm letzten Pcstfasse vorüber, der zweyte September ist ohnehin da, sprach er, auch bin ich Willens meine Quarantine aufzuheben, wir wollen ihn kommen lassen. Mein Gärtner trat in dem Augenblick auf den Balkon, als ob er gerufen worden wäre, er erblickte mich, stürzte fort und kam hcrbeygcflogcn. Der Herr Consul sagte mir nun, d aß er in einer entsetzlichen Furcht geschwebt, und ihn wegen seiner Unachtsamkeit nach meiner Abreise nicht mehr zu sich gelassen habe. Jeden Tag wäre der Gärtner zwey-mal auch dreymal ausgegangen, statt von den Iudenknabeu, welche dort zum Einkauf der Lebensmittel bestimmt sind, sich seine Bedürfnisse holeu zu lassen. Bey Leichenbegängnissen wäre er sogar der Bahre nachgegangen und hätte darüber gelacht. Nur ein Wunder habe ihn erhalten. Da der Gärtner täglich gekommen, sich nach des Consuls Wohlbefinden zu erkundigen, so wäre er, als er einmal drey Tage ausgeblieben, in entsetzliche Angst gerathen, habe mchrmal hingcftndct und immer zugeschlossen gefunden. — 445 — Franz war aber wieder auf den Gebirgen gewesen, «no hatte es ihm zu melden, nicht Zeit gehabt. — Endlich war er wieder gekommen, und unser vortreffliche Consul hatte eine herzliche Frendc gehabt. Als der Gärtner längs der Hafen, tcrrasse heran kam, nnd die Treppe hcranf wollte, runzelte der Consul doch die Stirne, und ich winkte ihm, er solle sichcn bleiben. Endlich nach einer kurzen Ucberlcgung sagte er: „Wir wollen die Contumaz ihretwegen aufheben, koM' „men Sie herauf." Thränen stürzten meinem Gärtner aus den Augen, mir ebenfalls, denn es schien uns, als ob wir uns jenseit des Grabes wieder sähen. Eine Menge Menschen waren um ihn herum wie die Mücken niedergefallen, und auch ich war dem Sensenmanne ein paarmal entschlüpft. Da der Consul ihn für „r ein" erklärt hatte, so dürfte auch ich in meine alte Wohnung zurückkehren. Franz Kohaut, mein Gärtner, war nicht in die Gebirge gezogen, sondern hatte seit meiner Abreise am 23tcn April das Haus in Ca» nca allein bewohnt, die Alpcn in der Nahe von Canca mehr« mal besucht, Pflanzen gesammelt, und sich in einer Gemüths, ruhe erhalten, welche eine seltene Gabe ist. Jeden Tag war er ohne alle Furcht in der Stadt umhergegangen. Seine Briefe hatte ich oft durchräuchert crhaltcu, nie klagte er aber. Er hatte eine große Menge Gewachst gesammelt, und sehr schön getrocknet. — Ein Schiff war bey Kissamo gescheitert, zwey Menschen, ein Hund und ein Schakal retteten sich. Die Schiffbrüchigen hatte, wegen der Pesizcit, Niemand von den Europäern aufgenommen, und bey Türken war es gefährlich. Unser Haus war daher ihre einzige Zuflucht. Wir hatten auch das Vergnügen, an zwey andern schiffbrüchigen Mannschaften dieselbe Gast< ftcundschaft üben zu können. Der Kapitän, ein Deutscher, nnd ein arabischer Matrose wurden nun zur Pestzcit seine Gesellschafter und sie verkürzten sich die Zeit wie es nur im- mer anging. Den Schakal llcß man ihm zurück. Cr biß sich bald darauf ab, entfloh durch das Fenster in bic nahe Moschee, und quartierte sich daselbst cm. Die Türken woll-ten ihn fangen, allein vergebens, sic riefen daher meinen Gärtner; denn ihn umbringen und die Moschee mit Blut verunreinigen, durften sie nicht. Er kam, zog am Eingänge die Schuhe aus, welches ihnen sehr wohlgcfiel, und fand den Sch^l auf einem gepolsterten Sessel, welchen er ganz zerrissen und zerzaust hatte, ruhig, wie in einem Neste sitzen. Er nahm ihn nun mit leichter Mühe und trug ihn fort. Die Losnng sammelte man sorgfaltig und der Imam mußte dic dadnrch cntheiltigtc Moschee wieder durch Reinigungs.Ccri, monien in ihr voriges Ansehen zurückbringen. Der Scha< kal hatte sich jedoch später gegen unsere Hühncrsteigc gröblich vergangen, und wurde dafür mit dem Tode bestraft; sein Fell hing noch am Geländer des Balkons, als ich kam. Franz erzählte mir nun eine lächerliche Scene, welche der Pascha, der sich znm Artilleristen berufen glaubte, veranlaßte. In der ganzen Stadt wurde ausgesprengt, daß der Pascha in hochcigcncr Person den Versuch machen wolle, ein Ziel mitten in» Meer zu treffen. Schon um 9 Uhr früh begab er sich auf die Schanze, modelte und richtete, maß und probirtc, ob, wie, auf welche Art und mit welcher Vorsicht cr dieses Ziel erreichen und treffen werde. Die Türken in der ganzen Stadt waren fest überzeugt, daß ein Pascha gar nicht fehlen und sein Ziel gewiß mit der größten Pünktlichkeit in den Grund bohren werde. Um 3 Uhr nachmittags wurde das Zeichen gegeben, die vollen Kaffeehäuser wurden plötzlich leer, alles kam herbey, um es zu sehen. Die Bombe wurde geworfen, der Knall war furchtbar und die neugierigen Türken sahen schon den Kahn untergehen, als die Bombe, gegen die Sec gerichtet, statt wenigstens irgendwo aufs Wasser zu fallen,, ungeschickter Weise, mitten in bis Stadt 44/ :md gerade in baS bcstlchrestc KasscchauS hinfiel. Zum Glück waren, einen alten Mann ausgenommen, allc Neugierigen, fortgelaufen. Die Bombe wirthschaftete entsetzlich l die kup» fernen Kaffeekannen wurden mit dem Herde weggerissen, zwey Thüren durchgestoßen, die Mauern eingebrochen, und' die von Stroh geflochtenen Sessel in Trümmer zerschlagen. Das geheime Gcspötte der Griechen war beyspiellos „dasi „der Pascha als Constabcl das große La«2r-^v« „(Markt-Kaffchaus) mit Bomben eingenom-„mcn habe." Der arme altc Türke, dem ein Splitter in das Schienbein fuhr, mußte auf des Pascha Kosten geheilt werden, und dcrKaffeesicdcr wurde für seinen gehabten Verlust entschädigt. Zum Glück war das Brandrohr entweder abgefallen, oder nicht entzündet gewesen, die Bombe war daher noch so gnadig, es bey dem Ruin einer alten morschen Decke und einiger Neapolitaner Strohstsscl bewenden zu lassen. Ich ging in der Folge nie an diesem Kaffeehaust n.'hr vorüber, ohne zu fürchten, daß ich eines unwillkühr-liche»! Gelächters nicht Herr seyn würde. Seit der Zeit schien der Pascha alle Lust verloren zu haben, einen Mörser oder ein anderes Geschütz zu probircn, denn dicßmal hatte er sich als Artillerist schlecht ausgezeichnet. Als man den Kahn von der See zurückbrachte, welches spät am Abend geschah, fiogen von den Häusern einige faule Zitronen herbey, welches der gewöhnliche Matroscnspaß ist, den man sich auf den italiänischen Theatern angewöhnt hat, wenn man den Schauspieler auspfcifcn will- Die französischen Kaufleute hatten indeß die meiste Ursache sich darüber zu belustigen. Die Ursache dazu war folgende: Ein für Marseille segcl. fertiges Schiff konnte wegen dringender Abreise die An< kunft des Besitzers nicht erwarten und fuhr ab. Kaum bey der Insel Thcodoro angelangt, sahen sie das erwartete Schiffhcran. kommen, in der größten Freude salncirte man den Schiffs« — 448 — Herrn breymal, und eben so oft dankte er. Dcr Pascha, um sich wichtig zu machen, fragte nach dcr Ursache; der französische Consul gab zur Antwort: „Die Schiffe wären noch nicht da, cr vermuthe aber aus bcmcldcten Gründen eine „bloße Begrüßung." Dcr Pascha nahm es sehr hoch auf, und sagte: in der Nähe dcr Festungen dürft nicht geschossen werden, und cr wisse zuverlässig, die Kanonen wären geladen gewesen. Der französische Consul erwiederte: Daß man im Hafen selbst salutire, und er zweifle sehr, daß man sich mit geladenen Kanonen begrüßt habe, da es unerhört sey, daß Kaussarthcyschiffc im Haftn selbst je scharf geladen hat« ten, was auch gegen altes Reglement sey, auf welches er einen französischen Kapitain aufmerksam zu machen nie nöthig gefunden hätte. Dcr Pascha antwortete dem fran« zösischen Dragoman, welcher mit den Antworten hin und her ging, cr hatte selbst die Kanonenkugel auf dcr Seeflächc abprallen gesehen. Dcr Consul war genöthigt zu antworten: daß es ein Pfropf von Ahornholz gewesen seyn könne, und als das Schiff ankam, ergab cs sich, daß, als es sich Canca näherte, man sogleich die für die Reise geladenen Kugeln herausgezogen hatte, um salutiren zu können. Dcr Pascha überwiesen, beschied, um sich wenigstens einen Schein von Priorität zu geben, den Consul wahrend der Pcstzeit zu sich, um mit ihm darüber mündlich zu sprechen, welches der Consul bey genauer Befolgung seiner gemachten Bedingungen bewilligte. Dcr Pascha verfehlte jedoch seinen Zweck, denn dcr Dragoman spielte seine Rolle so gut, daß die Lächerlichkeit der ganzen Procedur auf Kosten des Ersten noch deutlicher ans Licht trat- Sey es nun, daß der Pascha auf einen vcrnachläßigtcn Theil seiner Gelehrsamkeit geleitet wurde, oder Absichten dabey hatte, und vielleicht die Bombe ins Frankenquarticr spielen wollte, (das Kaffeehaus lag nahe an den Frankcnhäuscrn, um diese Absicht vermuthen zu dür- — 44ij — fen) so mißlang ihm dicftr Plan doch gänzlich, indem sie zwar In der Nahe derselben, abcr mitten in ein Kaffeehaus fiel, woselbst am meisten darüber gespottet werden mußte, weil es der besuchteste Ort der ganzen Stadt war. Dem ersten Schuß folgte kein zweyter, und der Pascha ging nach Hause. Der arabische Matrose, welcher mit dem deutschen Kapitain bey Kissamo Schiffbruch litt, hatte volles Spiel, die Türken zu necken. Aufgebracht darüber, daß ihn, als Schiffbrüchigen, keiner seiner Glaubensgenossen hatte aufnehmen wollen, beschämte er sie mit der Aeußerung, Haß keiner der Ihrigen die Sprache des Propheten versiehe. Er lobte die Franken, welche gegen ihn weit mehr Liebe bezeigt hatten, und bey dem Propheten einst mehr gelten würden, als die Zwitter von Griechen und Mohammedanern, die kretischen Türken. Er hatte ein glückliches Gedächtniß, und setzte die Türken dcS Korans wegen in Verlegenheit. Er hatte mit Gewalt in unserer Gesellschaft die Rcist fortsetzen wollen, und war mit Thränen geschieden, als ich noch nicht angekommen war. Für meine Reise nach Acgypttn hätte er trefflich getaugt, da er gut italiänisch sprach. Erhalte den Wunsch, nach Mekka gehen zu können, geäußert, mit lebhaften Farben die Ehre, Pilger von Mekka zu seyn, geschildert, und weitläuftig von der fcyerlichen Aufnahme erzählt, welche ihm zu Theil werden müßte, wenn er in sein Vaterland, Marocco, einst zurück käme. Seine Urtheile fand ich sehr richtig, und sein Herz sehr edel. Seine Physiognomie und sein Betragen verglich mir mein Gärtner später mit denen ausgezeichneter Araber, und ich bcbaure, den so seltenen Fund, einen für Europaer eingenommenen Mohammedaner von so manchen Gcisiesvorzügcn, für meinen Rcisc-zwcck, seinem eigenem Wunsche nach, nicht haben vcr< wenden zu können. Erster Theil. F f — 45a — Aller meiner Nachforschungen und Bemühungen ungeachtet war seit meiner Abreise von Tricst noch kein einziger Brief aus meiner Heimath mir zugekommen; da ich mich sehr darauf gefreut hatte, so war mir die Tauschung meiner gewissen Erwartung um so empfindlicher. Ich beschloss die Zeit der nach Acgyptcn fahrenden Schisse abzuwarten, die sphakiotische Seite der Insel zu besichtigen, die Lcuca. ori und ben Ida nochmals zu besteigen, in Gemeinschaft mit dem französischen Consul zu Candia, Herrn de Vasse, das La» dyrinch zu untersuchen, sodann aber zurückzukehren und mich mit allen gemachten Sammlungen, welche zum Theil, noch in Candia selbst lagen, nach Alcxandrien einzuschiffen. Ich ging daher mit meinem Gartner auf dem nächsten Wege über die Gebirge nach Therisso, dem anmuthigsien Gebirgsdorfe, von wo aus ich die weißen Berge, Lcucaori, bestieg. Wir kamen daselbst schon gegen Mittag an. Noch immer bedürfte cs der Versicherung, die Pest habe in Canca aufgehört, wor. auf man uns reichte, was wir verlangten, cs berührte uns aber dennoch Niemand, nur unser alte Führer fragte nichts darnach. Wir verließen Thcrisso bald, um die Höhen zu gewinnen, und an der Tourncfortischcn Wand, welche ich späterhin so nannte, im Freyen zu übernachten. An diesem Orte wachst das prachtvolle Zünffingcrkraut, ?olenU1i» 5jiecio«H, am tiefsten Standorte und am schönsten. Ich bewunderte die in dieser Höhe, wo die Vegetation fast crsior-ben scheint, beginnenden Zyprcsscnstammc. Wie hier diese großen Baume, welche nun sämmtlich abgedörrt, ohneRin^ de, von äußerst hartem Holze, und wie Knochen wcißgc-blcicht dastehen, ehedem wachsen und zu dieser Starke und Höhe gelangen konnten, wenn man nicht annehmen darf, daß das Clima sich bcdutcnd geändert habe, ist ein Räthsel.— Bald gelangten wir des andern Tages an die Schuecgruben, wo eine großc Quantität Schnee lag, welchen die Land« — >'t5i — lcnte nach Ccmea zu Erfrischungen anfinden. Das Gebirge ist kahl 5 schwarzlich, voll Höhlungen und Klüfte, und hat durch vulkanische Ereignisse sehr viel gelitten. Eine große Anzahl von Kcgelbcrgen bedeckt die ganze Flache, ohne des. halb Vasalt zn seyn. Lockcrc Steine sind sehr häufig, das Gebirge gleicht einem Steinhaufen, und die Kcgclbcrge sehen, Schutthaufen ahnlich. Nur an den Wanden bc< merkt man die horizontale ruhige Lagerung des FlölMls. Blos auf der Spitze der Mavri, wo das Quecksilber bis ^ Wiener Zolle herabfiel, fand ich die seltene, am Libanon wachsende Pflanze, C^noxlu«3uni ,n?ci5utuiäe8. Mein Gärtner war schon früher nach Canea zurückgekehrt und ich cnt< ließ jetzt anch meinen Führer, um nmncn beschädigten Barometer dahin zurückzubringen, und die gesammelten Pflanzen zu übergeben. Ich stieg nach Nlochorio herab, wo ich den Elias traf, der' zur Kurzweil und aus Mangel an Beschäftigung mit den dortigen Landmädchcn scherzte. Kaum hatte ich meine Arbeiten begonnen, und wollte schon zu einem Mahle Anstalten treffen lassen, als der Besitzer des Dorfes, der mciile Ankunft bemerkt hatte, mir durch einen Diener eine gut besetzte Tafelplattc zuschickte. Er wünschte mit mir zn sprechen, und fand keine schicklichere Art meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, als diese. Ich vermuthete wieder irgend einen Lcibcsschaden, als ich die gebratenen Hühner, denPillaw, und das gedämpfte Lamm-Fleisch erblickte, allein dicßmal hatte ich mich geirrt, die Ursache seiner Einladung war, sowohl Ncugicrdc, als Sucht zu glänzen und sagen zu können; „Ein Franke habe in seiner „Gesellschaft einen Abend zugebracht, und die Zahl seiner „Gäste vermehrt." — Des andern Tages verließ ich Niochorio und schickte den Elias auf dem Saumwcgc nach dem ersten sphakiotischcn Dorfe Schtifo; ich selbst ging nach einem Dorfe von angenehmer Lage Rhamni genannt, Ff 2 ^< 5 2 wobm ich die alte Stadt N l) a m Itu s versehe. Von da gelangte ich in ciu armseliges Dörfchen, welches, wie das ansehnlichere im Milopotamo, Mclidoni hieß; dahin mochte noch kcin Franke gekommen seyn, denn alles siwmtc herbey, um mich zu scheu; ich fand hier die artigsten Dirnen und die gutmüthigsten Menschen, sie warcn blntarm und hatten keine»! Subbaschi. — Der älteste Sohn des bemitteltsten Hauslers versprach, mich für den Preis eines spani< schcn Thalers über das hohe Gebirge, über Kamme und Schneiden nach dem Dorfe Scheifo in Sphakia jn füh, rcn. Auf der Terrasse schlief ich unter Teppichen, welche mir das gutmüthige Volk zusammentrug; ihm hatte ich ruhig Tausende anvertraut. Des Morgens wurde etwas Brot mitgenommen, und in einen Schlauch von Zicgcnfellcn Weintrauben gethan, denn auf dem ganzen Wege war nur eine einzige Wasserquelle, tiz - oliucc-». w. nei« genannt. Schon um 4 Uhr morgens warcn wir weit aus dem Dorfe; mein Führer versprach, auf den Abend mit mir dort zu seyn, wollte dann die ganze Nacht fortgehen, und den andern Tag um tmse Zeit wieder zurück seyn. Auf den, Wege fand ich Varietäten von dem kretischcnBerbcritzcnsiranch, mit blauen, rothen und weißen Beeren, welche alle rcif zu seyn schienen. Der Weg war steinig, abschüssig und ausicrsi sici'l. Auf einer Anhöhe fanden wir einen sphakiotischcn ganz bewaffneten Hirten, welcher Schafe weidete, sein kriegerisches Aussehen stach sehr gegen meinen gutmüthigcn Burschen ab, der auch ein Hirte war. Er wies uns ciucn sichern uud bequemern Fußsteig, und nachdem es sich schon zum Abend neigte, kamen wir crst auf einen hohen Bergrücken, von wo aus wir nach dem Thalc von Schtifo herabsehen konnten. Wir passirtcn nun eine Gcbirgsvcrticfuug, welche tief mit Crbe angeschwemmt, einem kleinen ausgetrockneten Gebirgssee ähnlich schien. Wir warcn eben im — 453 — Begriff von der Anhöhe hcrabzusieigen, als ein Fclsstück unter meinen Füssen wich und ich von demselben, jedoch glücklicherweise cms die Seite abglitschte, indeß cs donnernd in den Abgrund hinabrolltc. Mein Sturz war heftig, ich überwarf mich mit dem Körper, und blieb eine Weile besinnungslos. Das Unglück Hand ober Fuß zu brechen, würde doppelt schrecklich gewesen seyn in einem Lande, wo man ohne Hülfe verschmachten müßte. Indeß war es blos eine heftige Erschütterung und so übel ich auch zugerichtet war, cs war doch Gottlob, weder Fuß noch Hand cntzwcy. Die halbe Stunde bis Schtifo schleppte ich mich fort, in« dem mir mein guter Hirtcnbursche forthalf. Ein anderes Leben war in Sphakia, ich vergaß Alles. Die Landlcutc frcncr, fröhlicher, offener, kamen mir um so freudiger entgegen, als, aus diesen Fclscntrümmcrn einen Franken sich durcharbeiten zu sehen, alle ihre Vorstellung überstieg. Längst war ich schon daselbst bekannt. Der Papa des Ortes Amudari, welches noch nahcr als Schtifo lag, nahm mich ganz förmlich in Beschlag und führte mich in seine geräumige Behausung ein. Er sagte mir, er wäre der Bruder eines Mannes, welcher von mir noch vor dem Ausbruch der Pest, — dcnn von der Pest her und dem letzten Erdbe« ben pflegen die Kreter, wie die alten Griechen nach den Jahren der Olympiade, alle ihre Begebenheiten zn berechnen — Arzneyen zum Geschenk erhalten haben sollte, welche ihm sehr gut gethan hatten; die versprochenen Pflanzen hatte er aber nicht bringen können, weil sie der Pest wegen nach Ca-nca nicht abgehen konnten. Kamn wußte ich mich an Alles dieses zu erinnern. Er ließ diesen seinen Bruder kommen, der sich unendlich freute, und beyde wendeten alles au, mir den bittern Abend zu vcr^cn. Sphakia, das Tyrol von Kreta, ist die einzige Gegend auf der ganzen Insel, iu welcher die Bewohner von ! — «54 — dem unmittelbaren türkischen Joche frey sind. In ihrem Ge< biete wohnt kein Türke, nur jährlich einmal kömmt einer oder der andere, um die Steuern abzufodern, welche gemeiniglich schon bereit liegen, um seine Anwesenheit zu vcr« kürzen. Von der Westseite völlig unzugänglich, besitzt dieser Distrikt einen einzigen Paß bey Schtiso, welcher nach Canca führt und leicht vertheidigt werden kann. An der östlichen Küste ist der Weg sehr beschwerlich und von Spha« kioten leicht zu behaupten. Dieser Distrikt, welcher in dm altcu Zeiten minder berühmt gewesen seyn mag, da in der Geschichte, mit Wahrscheinlichkeit, seiner nirgend Erwähnung geschieht, machte unter den Venetianern das Ka« stell Sphakia aus, und ist jetzt ein Eigenthum der Sulta-ninValide', oder SultaninMuttcr, (ungefährdas, was in Böhmen die Leibgedingstädtc der verwitweten Königin sind.) Es sieht nicht unter irgend einem Pascha der Insel, sondern unmittelbar unter dem Dcfterdar, Zinanzvcrwalter von Candl'a. Alle Streitigkeiten werden von dem Capitain von Cphakia geschlichtet und beygelegt, die Manner lassen nicht leicht zu, daß an irgend eine türkische Behörde appcl-lirt werde, damit sich der Einfluß derselben auf ihre abgc-schicdene Provinz nicht einschlciche und vergrößere. Sphakia, eigentlich die südliche Seite der weißen Berge, in welche man ihrcr Lage und der Beschwerlichkeit wegen nicht landers als zu Fuß und auf gefährlichen Steigen ge« langen kann, hat die Türken sich dort anzusiedeln, nie gereiht. Sie bringt guten Wein, Getreide, Honig, Käse und andere Lebensbedürfnisse in hinlänglicher Menge hervor, von dem größten Nutzen für die Sphakiotcn ist aber ihr bedeutender Vichsiand, welcher ihre Lebensbedürfnisse durch den Verkauf von Käse, Rindern, Schafen, Wolle vollkommen deckt, und sie besonders, da sie von Seiten der Türken nicht bedrückt werden, zu wohlhabenden Leuten macht. Sie — 455 — besitzen selbst Schisse, auf denen sie alles verführen, und ihrc Produkte nach Malta, Smyrna, Konsiantinopcl oder Alcrandrien fortschaffen. Dieser Distrikt zählt zwölf Kapita« nate als: Schtifo, Nibros, Anopoli, Callicrati, Wuwa, Aradcna, Asphcndo, Acomitades, 'Agio. Iani, Sphakia, Muri, Agia-Rumelia. Manches dieser Kapitanatc hat nur ein einziges Dorf, manche abcr mehrere, so gehört z. B. zu Schtifo Schtifo, Caree, Meg«lo. und Micro , Goni, Amudari, Petrae, Stravoraschi u. s. w. zu Anopoli aber Giro, Di« mitrio, Limia, Cabo, Vigli, Pawlianah, Scala, Wadianah, Gambia, unbedeutende Zlusiedclnugen von 10 bis i5 Häusern. Acomitadcs sieht hingegen als cin Ca-pitanat ohne alle Nebcndörfcr da. Noch gehört dazu die größere bewohnte Insel Gozzo,Gavdos genannt, vom P t o« lemäus abcr Claudus. Sphakia ist hinlänglich bevöl, kcrt, soll, wie mir der Obcrkapitän selbst versicherte, 2auo streitbare Manner ins Feld sicllcn können, welches jedoch um die Hälfte übertrieben ist. Jedes dieser Dörfchen hat wie« der seinen Kapitän, welcher wie alle übrigen Einwohner ein Grieche und kein Türke odcr Subbaschi ist. Dieses Wort ist ihnen verhaßt, und einen Türken mögen sie durchaus nicht sthcu; sie lieben ihren Anblick nicht, und der euro-paische Reisende thut wohl daran, sich keinen dahin mit zu nehmen, da er die Ursache von Mißhclligkcit werden kann. Ihr vorzüglichster Ort ist Sphakia, ein auf lauter Zclsenblök-kcn mit zerstreuten Häusern am Cccgcsiade angebauter Marktflecken. Wer nicht einheimisch ist, darf selbst mit ci< ncm Führer bey Nacht nicht auf dcn Straßen herumgehen, sonst bricht cr gcwisi dcn Hals. Die Sphakiotcn sprechen cin rciucrcs Griechisch, jedoch ist es etwas rauh und bäurisch wie sie sclbst. Man erkennt sie überall an ihrer Sprache und an ihrcm stolzen Gange und freyen Betragen. Der — 45k — Türke sieht sie in den Städten scheel an, und mancher würbe beleidigt oder umgebracht werden, allein man fürchtet Re-' pressalicn, denn sie sind vortreffliche Schützen, lauern dann einem Türken auf, schießen ihn nieder, und die Sache ist beygelegt. Sie angreifen zu wollen kostet Menschen, und geschieht äußerst selten. Sie spotten über die Landbauern, diese über sic. Die alten Sitten haben sich am längsten unter ihnen erhalten. Bclon erwähnt, daß sie damals allgemein noch Bogen und Pfeile geführt hätten, ein Beweis, daß es der letzte echte Stamm der Etcokrcter sey. Jetzt führen sie allgemein Schießgewehre, in jedem Hause sind mehrere; daher die arabischen Stcinböcke ((^n-a liiex) ausgcschosscn worden sind, welches mit Pfeilen nicht möglich war. Der Waffen- oder Pyrrhichische Tanz wird noch bey Hochzeiten aufgeführt, wobey die Kreter in ihrer alten Na« tionalkleidung mit Köcher, Bogen, Pfeilen und einem breiten Schwerte erscheinen, und einen wilden und manabischcn Tanz beginnen, welcher in verschiedenen künstlichen Wendungen bestehen soll und im Freyen bey der größten Sonnenhitze gehalten wird. Der Sfthakiotc ist meistens von großer Statur, schönem Wuchst und würdevollem Gange, tragt den Kopf etwas mehr aufrecht, ist ein geübter Jäger und ein guter Soldat. Seit 5c> Jahren haben sich seine Sitten schr gemildert, er macht den Buschklepper nicht, was die Landleute den neugierigen Reisenden, als etwas Gcwöhl,li< chcs, in ihr Tagebuch oiktirtcu. Die Sphakioten sind, als M o rca vor einigen Jahrzehnten in Aufstand war, wegen Theilnahme an demselben, von den Türken überfallen, und durch die Menge bezwungen und gcdemüthigt worden. Durch ihre Lage sind sie zwar unangreifbar wie alle Gc-birgsoötter, Nncimgkcit aber, welche die Türken listig anzuspinnen wußten, wurde die Ursache ihrer Unterwerfung. Der Obcrkapica'li, dcr im Winter zu Sphakia, im Sommer — 45/ — aber zu Nibro wohnt, wird oft vom Pascha von Candia beschenkt, eine Ccrcmonie, welche, wenn sic nicht unmittelbar als Druck sich zeigen kann, die Oberherrschaft der stolzen Türken andeutet. Die Ehrcnvelzc und Kaftane, welche derselbe, besonders jeder ncuerwahlte, zu erhalten Pfiegt, tragt er nur amVcschenkungstage. Seine Macht ist übrigens nicht unbedeutend, und die Türken suchen sie zu erhalten, zugleich aber auch ihn an ihr Interesse zu fesseln. Gefahrlich ist cs für ihn jedoch, wenn man an ihm eine Zuneigung gegen die Türken bemerkt. Die Sphakiotcn sind übrigens, wenn sie echte Abkömmlinge der Kreter sind, Männer, deren Charakter man bey allem Mangel an Bildung und bey mißverstandenen Religions,Begriffen dcnnochl seine Achtung nicht versagen kann. Die Sucht nach Gelde bemerkt man bey ihnen nicht so sehr, als bey den übrigen, eine Folge des geringern Drucks. Die kleinen Kapitanate hangen selbst unter sich nicht zusammen. Ungeheure Schluchten sind oft zwischen den benachbarten: so ist Anopoli von Schtifo und Rumcli'a ganz getrennt. Bey Invasionen können sie sich wie von Festung zu Festung vertheidigen, und sind alle ihre Plätze genommen, in dem unzugänglichen Gebirge wohnen. Im Sommer wohnt auch in den Dörfern niemand, alles zieht sich nach den Höhen, besonders ist dann das Städtchen Sphakia menschenleer. Zur Schm'ttzcit und Weinlese kommen sie auf einige Zeit von den Gebirgen herab; auch gewinnen sie so viel Oel, als sie brauchen; die Lese desselben fängt an, wenn sie die Höhen im Herbste verlassen. Sie sind für ihr Land sehr eingenommen und lieben es leidenschaftlich. Bcy ihnen gibt cs wenige Krankheiten, und die Pest besucht sie nie, weil sie den Zugang sperren; doch findet man hin und wieder Verkrüppelte, welche aber von den Handeln, die sie öfter unter einander haben, herrühren. Der Aussatz greift bcy ihnen nicht um sich, ich sah nur Eplncn desselben, — 458 — und blos einige Manner mit der Mentis lexi-asa behaftet. Das Gebiet ist von lmgcmcin tiefen und steilen Schluchten durchschnitten, welche sich vom Gipfel gegen das Meer her-absenken und die Verbindungen erschweren. Die Waldun» gen sind auf ihrer Seite noch am meisten geschont, daher auch diese Seite die angenehmste ist; wer nach Kreta kommt, thut wohl, diesen Distrikt zu bereisen; doch nur bis Ano-poli kommt er zu Pferde, den übrigen Weg über Pctrosca? la, Rumclia und Samaria nach demOmalo kann keinMaul< thier passircn, man muß daher die Pferde mit dem Gepäck zurücksenden, 'oder gar nichts mitnehmen, als blos was getragen wcrdcn kann. Geübte Fußganger gehen von Spha-kia über das schroffe Gebirge m einem Tage nach Canea, es ist ein äusiersi anstrengender Weg, für den stolzen Sphakio. ten aber sehr anziehend. Von Amudar i ging ich des Morgens zeitlich fort, in der Vermuthung, der Regen werde nachlassen, allein er verstärkte sich, und ich wa» genöthigt, in Petra zu bleiben. Der Papa trug mir seine Wohnung freundschaftlich an. Erst spat gegen Abend konnte ich aufbrechen, um nach Nibro zu gelangen. Ich hatte immer von Dorf zu Dorf Saumrosse gemiethet, welche wieder zurückgingen, in Peträ brauchte ich wieder einige; uls ich meinen Wunsch äußerte, kamen sogleich vier bis fünf Sphakioten mit schönen Maulthieren, und stritten um den Vorzug, wer meine Sachen verladen und mich nach Nibro führen sollte. Ich konnte bey diesem Streit gar nicht zu Worte kommen, um fragen zu können, wie viel jeder von ihnen begehre, um mir denjenigen, den ich wollte, selbst zu bestimmen, denn ich dachte in Italien zu seyn. Endlich gingen zwcy mit mir. Iu Nibro hatte ich Mühe, den zwcy Sphakiotcn das gewöhnliche Wegegeld aufzudrin« gen, sie wollten nichts nehmen, und äußerten, es wäre ih-ucn lieb gewesen, mir einen Dienst erwiesen zu haben. Ich — 45 Hauser bc-saß, Stadt geheißen zu haben. Die hohe Alpe Thcodori gibt diesem anmuthigen Thale einen vorzüglichen Reiz, da ihr Fuß siark bewaldet ist. Trübe Tage machten mir wenig Hoffnung, durch Besteigung derselben eine weite Aussicht zu genießen. Um Anopoli fand ich die gefleckte Zeitlose in den Acckern häufig. Die Blumen sind noch einmal so groß und violet gewürfelt, und kommen mit den gefleckten Kaiserkronen darin übcrcin. Der Wcinsiock mußte seine zeitigen Trauben liefern, das große gemauerte Bassin in Chadsi Jams Hofe wurde gereinigt, und sein ganzer Weinberg ausgeplündert, um cs zu füllen. Seine alte Hausfrau suchte mir stets die reifsten aus, und der Tisch wurde von Trauben nie leer. Ich lebte auch im strengsten Sinne nur von dieser Frucht, und gewahrte keine Unannehmlichkeiten davon. Die Häuser fand ich in dicscm Thalc, so wie überhaupt in Sphakia, schöner als jene dcr Griechen des flachen Landes, ! deren Häuser dcr Türken wegen nie schlecht genug seyn können; auch waren sie hier von außen und innen beworftn und g^ wcißt, welches auf mich einen ungemcin günstigen Eindruck machte. Als Aegyptcn durch die Franzosen erobert wurde, zahlten die Bewohner des hohen Anopoli die Segel dcr französischen Flotte genau; sie gabcn mir solche, wenn ich nicht irre, auf 166 in dcr Gcsammtzahl an. Sie hattm sich gefreut, indeß die Türken zitterten. Unter dem Felsen liegt die unbedeutende Nhcde: Porto Lutro. Seit der Zcit als die Türken Sphakia eroberten und verheerten, wo die Ephakiotcn sich mit ihren Familien nach dem Gebirge geflüchtet hatten, eine größere Anzahl jedoch, verrathen, den Türken mit Wcib und Kindern in die Hände siel, die sie dann als Sklaven verkauften, besitzen sie eine kleine Anzahl von Schiffen, um im Nothfall sich retten zu können. Mein Führer, den ich in dcr Stadt Sphatia angenommen hattc, — ,'ik'l — mit dcm ich über das Gebirge nach Muri undAnopoli ging, war als Kind von 2 Jahren mit seiner Mutter in einem Baranc 0 (F " rangi, Schlucht), gefangen und nach Tunis als Sklave verkauft worden, bis er im 9tcn Jahre seines Alters losgekauft wurde, und wieder hichcr zurückkehrte. Die Schlucht von Arabena hat viele interessante Gewächse, von denen die prachtvolle (^m^anula in^u,,« unter allen mir bekannten Glockenblumen die merkwürdigste ist. Sie beginnt erst im September zu blühen, und wachst hier nur auf Felsen; nie hat mich auf Kreta ein Fund mehr überrascht, als dieser; die oft 3 Schuhe hohen Exemplare mit großen herzförmigen Blattern vom hellsten Grün, von der in Felscnspaltcn eingeklemmten Wurzel bis zur Spitze abnehmend, und einer bedeutenden Anzahl milchweißer un-gemein grosser Blumen an der Spitze des durch das Gewicht derselben übcrgcbogcncn Stengels, bekleideten die hohen prallen Wände. Meine Ungeduld, sie zu besitzen, wurde vermehrt, da man lange Stangen holen mußte, um ihrer habhast zu werden. Sphakia gegenüber liegen die beyden Inseln Gozzi, jetzt Gavdos genannt, die kleinere ist unbe? wohnt, nur im Winter werden vom November bis April ctlva 2«a" — 25c»o Schafe daselbst geweidet. Die größere, Gavdos, ist dreyeckig, ausgeschweift, bebaut und bewohnt — ehedem hatte sie sogar einen Bischof. Südlich ist sie felsig, steil; nördlich, verflacht, und als die letzte Fortsetzung der sphakiotischcn Alpen, welche sich über die Mce-resfiache erhebt, anzusehen. Sie mag jetzt 5oc> Men« schcn ernähren, welche man Gavdiotcs nennt; sie sind Fischer, bauen viel Getreide, etwas Wein, treiben Viehzucht und leben von den Kretern sehr abgesondert. Sie stehen unter dem Kapitanat von Sphakia. Schifffahrcnde zahlen von Sphakia bis Capo Crio 3o Miglien, von da zum Cap Grabusa 70, vom Cap Grabusa bis Canca 4o italicni- — 465 — sche Meilen, oder Miglien. — Die vor Alters so berühmte Pflanze, dcr kretische Diptam, hat in Candia dreycrley Na< men. In Canca heißt sic Dittamo, üronää am Ida, und 8tamua^)clior^n in Sphakia. — Oalociwäru ist eine eigene Speist, welche man blos in Ephakia bereitet. Man nimmt dazu den frisch gesammelten noch halbgrünen Weitzcn, siösit ihn, macht ihn mit Milch zn einem Brey, dcr geknetet und in handförmigen Stücken an der Sonne getrocknet wird; im Winter verzehrt man ihn, doch muß der Geschmacksinn, um diese Speist ertraglich zu finden, von Jugend auf daran gc' wohnt werden. — Auf den Gebirgen kommt hier der Dachs, Arcalos genannt, häufig vor; man tragt auch viele davon gearbeitete Hirtentaschcn in Sphakia. Angenehm ist es zu sehen, daß Bemittelte in Sphakia Turbans vom feinsten Musselin an Sonn- und Fcyertagen zu tragen pflegen: dicsts dürfte auf dem flachen Lande auch nicht zum Scherze geschehen. Dem gewandten Griechen sieht dicst reine gewählte Tracht besser, als dem plumpen unförmlichen Türken. Ich habe reiche griechische Kaufleute in Städten gesehen, welche in ihrem Haust Turbans von Caschcmir-Shawls sich umwanden, so wie sie aber aus dem Haust gehen wollten, banden sie ihn ab und vertauschten ihn mit einem blauen Tuche. Geschahe es ctwa aus Vcr. gcsscnheit, daß ein Grieche mit einer solchen ausgezeichneten Kopfbedeckung nur übcr die Schwelle des Hauses träte und von cincm Türken gcschen würde, so ware cine nach dcm Vermögen des Uebcrtreters berechnete Geldstrafe von 5oo bis 200a auch 3ooo Piaster eine ganz in. dcr Ncgcl gcgrün« detc Folge, denn es würde für eine Verspottung der Muselmänner angesehen werden. Als ich einen Sphakiotcn fragte, ob, wenn Franken kämen, sie ihre Kleidung wah. lcn würden, gab er mir zur Antwort: „Mit Vergnügen Erster Thcll. G g — 466 — ,>würbcn wir cs thun, um u»S durch gar nichts mehr an „unsere ehemalige Sklavercy erinnern zu müssen." Ich verließ Anopoli, sendete meinen theuern Clias sammt dem Maulesel nach Mclidoni, gab ihm einige Thaler auf den Weg und wurde seiner los. Seit meiner Abreise aus Candia war gerade ein Monat verflossen. Meine Pa» piere und gemachten Sammlungen brachte mir ein Svha« kl'ote nach Canea, indeß ich auf einer andern Straße über Agia Rumelia und den Lago Omalo nach Canca aufbrach. Ungern verließ ich das herrliche Anopoli. Dieses Thal ist fruchtbar, mit Weinbergen und Weingarten geziert, nörd-lich von der majestätischen 200a Toiscn hohen Alpe Thcodori bcgranzt und auf beyden Scitcn durch zwey tieft Schluckten verschanzt. Anapoli ist in Sphakia nach dem grotesken und romantischen Agia Rumelia ohne Zweifel der schönste Ort. Die Häuser sind groß und wohl gebaut; die Höfe geräumig und von Weinreben beschattet, deren horizontales Latten« werk auf steinernen Säulen ruht, bieten dem vergnügten Bewohner im Sommer eine angenehme Kühle, welche die Frauen bey ihrer Arbeit lieben. Die Wcinsiöcke dem Froste nie ausgesetzt, werden ungewöhnlich dick. Ich dankte den biedern Ehcleutcn, welche immer die Stirne runzelten, wenn ich ein paar Hühner kaufte und uach Hause sendete, weil sie nicht dafür angesehen seyn wollten, als ob sie das streng« sie Gasirecht nicht zu üben Willens wären. Ich eilte nun nach Canca, um eher anzukommen als der Sphakiotc, der mein Gepäcke überbrachte. Es war der 4tc Tag »ach meiner Ankunft in Anopoli den löten September Montags, als ich, von einem Knaben begleitet, der wir das Bündel trug, nach Agia Rumclia ging; bald war die Schlucht pas-sirt, ich gewahrte ein vertrocknetes Kraut, welches ich nach den großen Kelchen für Ninl,u^um alieladulozuln erkannte. Sphakia muß von den vcnctianischcn Botanikern vor Alters — 467 — schr besucht worden styn, denn diese Pfianze fand ich an keinem andern Orte. Bald erreichte ich dic Petroskala, ei« ne Fclscnsiicgc, wclck)c im Zikzak steil herablaufcnd bis an das Sccgcsiade sich erstreckt. Im Frühlinge hiehcr zu gehen, müßte der Mühe werth sey. Am Gestade westlich fortgehend, kam ich durch dic Mündungen dreyer bedeutenden Schluchten, welche sich vom hohen Gebirge herabziehen, und gelangte zu einer kleinen Kapelle, Hagio Pawlia genannt, unterhalb welcher cme süße Quelle dem verschmacht tendcn Reisenden Wasser darbot; sie sprudelte so nahe am Meere aus dem Grunde hervor, daß die Fluth sie jedesmal bedeckte, die Ebbe hingegen entblößte. Die vaMno ^6». tea überzog hier alle Hügel, und dauerte bis an die Schlucht von Agia Numclia. Hier betrat i,ch ein aufgelockertes Flußbett, von zwey Wanden eingeklemmt. Bä'umchcn von vl.-undu» Äi'darouZ mit den schönsten Blllthtlisil'«lllßcrn dicht besetzt, hingen von den Stciuftlscn wie die israelitischen Leuchter herab, und das Feuer ihrer Blumen brannte, entzündet an dem Strahl der leuchtenden Sonne. Einen N e l-kenbaum zu sehen, dessen Stamm von Armsdicke ist, wird selten Jemand zu Theil werden, unvergeßlich bleibt mir dieser Anblick! Ich stolperte über Zyprcsscnstammc, welche vom Strom hcrabgerissen und in dem Gestein mit ihren Ac-sicn verschüttet waren; reißend muß hier der angeschwollene Strom seyn, denn er hatte sich sogar, was ich noc^bey keinem Gicßbache und Flusse in Kreta wahrgenommen hatte, einen Molo in das Meer hincmgcbaut. Ich sah nun dic Baume von Agia Rumelia, aber die Wohnhäuser noch nicht. Platanen, Eichen, Cypressen und wilde Fcigcn beschatteten die glücklichen Wohnungen der Liebe und der Eintracht. Pa, triarchalisch schien dieser Aufenthalt; eine edle Einfalt und Erhabenheit herrschte in der malerischen Gruppirung dieser grotesken Gebirgslandschaft, die zertrümmerten , Lcukaori Gg 2 — 46» — rechts, mch links dcr schroffe Bcrccynchus mit dm «ov"jäh< rigtn Cyprcsscnwäldern. Dieser Ucbergang von Formen zu Formen, diese Mischung von Verhältnissen und Contrasicn, Verschmelzungen von Licht und Schatten, von Tönen und Farben, erfüllten mich mit Ehrfurcht, und mit einem cigcncil Gefühl, das ich noch m'c ,'n Kreta gehabt hatte, betrat icl> dieses heilige Thal. Endlich wurde ich die Wohnungen im Dickigt gewahr. Cinsiedeleyen schienen cs zu seyn, und verlassene^Priestcrwohnungcn ^s orakclsprcchendcn Apollo Darrhaus. Keinen andern Ort dürfte dieser Gott sich aus-erwahlen, um den auf seinen Ausspruch Harrenden schon durch die Umgebungen Ehrfurcht cinzufiößcn. — Ich betrat den Hofraum einer dieser Eremitagen, schritt über cm Bach-lein, welches hindurchströmtc, und fand unter dem weiten Vordachc des Hauses den beschäftigten Bewohner, welcher mich freundlich erstaunt begrüßte. Dcr beste Gebirgshonig, nach dem ich sogleich fragte, wurde mir vorgesetzt, er verschmolz mit dem angenehmen Wein im Munde. Einige Drosseln waren vorräthig und wurden zum Abendessen vorbereitet, indeß ich nach einer kleinen Bucht an den Mceresstraud ging, die ich mir zum Badeort auscrschcn hatte. Seit dcr Zeit, als ich in Gira-pctro war, hatte ich mich nicht gebadet. Ich entkleidete mich, das Mecrwasscr trug mich empor, wogegen ich jedesmal im Flusiwasscr untersank. Dcr Wind hatte sich erhoben, und ich durste blos mit dem Rücken gegen das Meer gewendet und gebückt sitzen und mich an einen Felsen halten, denn die fluchende Welle erreichte mich und zerfiel über mei« ncm Scheitel; weiter am Strande gcgcn die Bucht hinein, wo der Wellenschlag nicht so heftig war, untergrub mich blos dic Welle bey den FÜsien, und schob mich am Sande herauf. Ich lernte das Spiel dcr Wellen kennen, und beobachtete, wie mannigfaltig ihre Wirkungen auf den ihnen — 465l„» — 4/2 — 5i2lln 2,l^inum IN., Uleracwtn nuäiclluie m., selbst die l'"' «.enliii» «^eoiu3», so klein Me p. liitiäa auf den HöhcN gt- wordcn, blühten mit vielen andern erst seit kurzem. Oben begann der Frühling sich zu entwickeln und ich wurde über- Yafd)t btU'd) Crocus vernus, Puschkinia scilloides, Dianthus ieucopliaetis, Lysimacliia anagalJoides Ultb Valeriana angu- «lilulill; ,'ndeß im Thale, von der Sonnenhitze längst versengt, nun durch dcn Hcrbstregen neuerdings erfrischt, sich zur Wiederkehr des ewigen Frühlings dieser Insel, welcher auf den Alpen in cbcn dem Maße vorübergehen sollte, eine Menge Pflanzen zu entfalten begannen. Die Aussicht war die schönste, die ich bisher genossen hatte, — denn das Bezaubernde war so mannigfaltig, und die Wirkung des Gegenwärtigen so grosi, daß die Erinnerung au früher gehab« tc Genüsse ganzlich erlosch. — Dcn Kegelbcrg ncnnc ich dcn Kegel des Epimenides, da der alte Name desselben „C igncs-tosoro " schleppend und obscön ist. Der Augenblick wur-» de genossen und schnell nach Mcliboni zurückgeeilt, welches wir crst um 8 Uhr Abends erreichten. Des andern Morgens wurde ich auf dem Wege bey Pomogna sehr überrascht. Die Folgen des Hcrbsircgcns waren sichtbar; auf dem kaum erfrischten Boden standen bciiia, nutunniaii», ^ilium cruen. tatum m., Uanuncwlus bullalus, Narcissus apliyllus in., An- tlieiicum ll»l.u1li5wn, ^mui^Ui« lulea und mehrere andere seltene Gewachst. Manche derselben kommen auch im nördlichen Europa im Herbste zur Blüthe, allein wegen des halbjährigen Wintcrfrosies können sie bey uns nicht auch im Frühling zum Blühen gedeihen. Hier hingegen entfalten sich all-mählig und ohne Unterbrechung durch alle Wintermonate alle Gewächse des ganzen Jahres, und es reihet sich Blüthe an Blüthe: hat nämlich die Sonnenhitze in dcn Thälern alle Kräuter versengt, so ist bereits der Frühling zu de» Höhen emporgestiegen, und entfaltet ftine Reize auf dcn Alpen — 4/2 — Kretas bis in den spätesten November, in welchem Monat und eher noch schon wieder der Frühling in den Ebenen und Niederungen begann. Wie mußte mich nicht der Anblick überraschen, als ich die schönen Blüthen der Alpcnhöhen bald mit dem Wintertteide bedeckt zu sehen fürchtete, im Thale eine mit ununterbrochen fortwährenden Blumen neu geschmückte Flur anzutreffen. Die Ruhezeit der Gewachst auf Kreta ist doppelt, die Krauter der Thaler genießen im Sommer während der anhaltenden Dürre, und die der Höhen im Winter die Ruhe. Es gibt keinen Tag im Jahre, wo man Frühli'ngsblüthcn aufzusammeln nicht im Stande wäre. Glückliches Land, wo ein ewiger Frühling immer neu belebend herrscht! Ich wollte mich eben von meinem Gärtner bey einem hohen Land-gcbaudc trennen, da ich über Rtttimo nach Candia wollte, um das Labyrinth zu untersuchen, als sich das Fenster off, ncte und der Besitzer uns mit aller Gewalt herauf nöthigte, um uns zu bewirthen. Da wird wieder jemand im Hause, wenn gleich nur etwa die Köchin, krank geworden seyn, dacht' ich, und ging halb vcrdrüßlich hinein; der Diener mit seinem „ecopiazcte mcssa " (belieben Sie hin-cinzuspazicren) hinderte auch meinen Gärtner am Fortgehen. Alles war wirkliche Humanität dieses Türken, seine Bereitwilligkeit und Gastfreundschaft war um so edler, als er bereits selbst abgespeist, die Speisen uns vom neuen bereiten liest, und erst spater erfuhr, daß wir die Gebirge be-stiegen hatten , ohne auf Proviant Rücksicht zu nehmen. Die Tafel war sehr gut besetzt, der Wirth gesprächig und fröhlich. Er schien sich unterrichten zu wollen, denn er fragte häufig, und zwar mit Ucbcrlegung, cinc unter Türken seltene Erscheinung. Jeden Augenblick war ich gefaßt, cinc Krankengeschichte zu hören, allein ich wurde damit vcr« schont, und fand, je mehr sich der Besuch zu Ende neigte, — 4^4 -- 5ltß Wohlwollen und gutmüthige Theilnahme die Ursache der Verhinderung an Fortsetzung unserer Reise gewesen waren. Bitterer Caffee und ein paar gestopfte Pfeifen gaben uns Veranlassung, von unserm Abschied zu sprechen, und wir brachen auf. Ein Maulthicr nach Rcttimo lehnte ich ab, da ich eines inArmiro, eine Stunde davon, bestellt zu haben vorgab, und mein Gärtner kam eben so leicht an diesem Tage nach Canca. So schied ich mit der frohen Uebcrzeu« gung, baß Irrwahn und Aberglaube, Meinungen und Par« tcysucht sich vergebens bemühen, dem Herzen seine Gefühle vorzuzcichnen. Am Almyron, odcr wie mau gewöhnlich sagt, am Ar-miro, dcm ehemaligen Amphapalia des Strabo, fand ich ein Glas Wein, Caviar und Käse, gerade soviel um einen neu erwachten Hunger zu stillen. Savary hatte größere Forderungen an diesen Chan, odcr Wirthshaus gemacht, deßhalb war er übel daraufzu sprechen, indcsscnwer Hunger hat, denkt nicht daran, was er ißt, sondern, ob das Vorhandene genießbar ist, und der Wein war gut, und das Brot ausgcbackcn. — Der Barometer zeigte im Schatten bey ^. a, 5 27" i l"< l o"". Wiener Zoll und der Stand desselben zu Mclidoni war am Abend und des andern Tages am Morgen bey -i> »7 i immer derselbe, 26" 1^" 3"" geblieben. Diese Beobachtungen geben zur Höhe des Cigncstosoro ungefähr »»ou Toiscn. Dic Neugicrdc, ein Erbfehler der Kreter, plagte sie zu wissen, was der Barometer sey. Einer meinte, es ware ein Instrument zum Reisen, um zu erfahren, wohin der Weg gerichtet seyn müsse; wahrscheinlich hatte er etwas ähnliches von der Magnetnadel gehört. Ein zweyter, der schon mehr davon wissen wollte, meinte, es wäre eine Rechnungsmaschine, weil Ziffern darauf ständen; der dritte aber lachte die übrigen aus, indem er sagte: „Er ist ja ein Arzt, sammelt Krauter, folglich ist cs — 4?5 — „ein Arzmyl'nsirument, auf welchem alle Krankheiten ge. „schrieben stehen, und gab demselben sogar den Namen lati-u. „«^ (Arzncytaiisman)." Er fand indeß einigen Widerspruch bey seinen Gesellen. Ich hörte das alles ruhig an und erwiederte auf die Frage, was der Barometer sey, um keinen wettern Argwohn zu veranlassen: Daß ich die Schwere, Leichtigkeit und auch die Güte der Luft damit messc. Triumphirend sagte der Letzte, habe ,'ch cs nicht gesagt: daß dieß Instrument ein Iatro-soph sey? — Nun sollte ich cinem jeden am Barometer die Krankheiten, wie ehedem die Sternkundiger am Himmel die Schicksale, voraussagen. Man muß mit diesen Leuten, wie mit Kindern umgehen, die geringste Zweydeutigkeit in den Aeußerungen veranlaßt die absurdesten Behauptungen bey ihrer den Verstand übergreifenden Einbildungskraft. — Man mag erzählen, was man will, alles verstehen sie falsch. Das Thor war geschlossen, als ich nach Rcttimo kam, ick) ritt daher nach dem Garten einer Vorstadt, Perivolia genannt. Des Morgens wurde ich zu meinem größten Vcr-drussc gewahr, daß einer aus der Familie, woselbst ich über. nachtet hatte — ohne es selbst zn wissen — aussätzig war. Indeß vergaß ich cs sehr bald, und das ist in solchen Fällen das beste, wenn man einige kleine Vorsichten angewendet hat. Aus Rettimo eilte ich nach dem Kloster Arkadi und trug den Barometer, auf dem Maulthierc sitzend, in der Hand. Das Thermometer stand auf 4- 21" an der See: der Barometer dagegen auf 28" 3" 1"" Wiener Maß. In Arkadi änderte er sich die Zeit über, bey zur Besteigung des Ida, um gar nichts, und war 26, »o, » bis 4- 17" im Zimmer, das freye Thermometer aber, 4- »^z. Ich berechnete in der Geschwindigkeit die Höhe des Klosters Ar, kadi über dem Mcerc mit allen nothwendigen Korrektionen, und fand , daß sie 202 Klafter nach Paris. Maß bcttagc. Daher liegt Arkadi ungefähr 200 Toistn über dcm Meere bey Rcttimo. Der Igumcnos des Klosters Arkadi empfing mich mit gewohnter Herzlichkeit. Am andern Morgen war Weinlese, und ich sah im fröhlichen Gewimmel von 4o verschiedenen Arbeitern zu, wie man von den klumpigen Wein« stocken die Trauben abschnitt, und sie nach dem Kloster in Körben auf Maulthieren förderte. Die Muskatcllcrtraube fand ich vortrefflich. I„, Schatten von hohen Pinien und Cyprcjsclt kehrte ich nach dcm Kloster zurück. Die Weintrauben wurden hier sortirt, die besten zum Most für den gekochten Wn'n verwendet. Umcr einem großen Kessel wur< dc ein Feuer gemacht, ein Beutel von Leinwand mit Bim-siein hineingehangen, wozu? wciy ich nicht, und dann mit cincm Löffel abgeschäumt, bis sich reine Faden zogen. Ich lernte erst jetzt die Umgebungen dieses Klosters gmamr ken. ncn, und bewunderte die eigenthümlichen Schönheiten, wodurch sich ein jeder Ort auf dieser Insel so Vortheil-haft auszeichnet; der Ida im Hintergründe hob dic Wirkung dieser Landschaft. Ich setzte mich hin, das Kloster zu zeichnen, wie es Taf. II. abgebildet ist. Ein frugales Abendessen vom echten Arkadi'er begleitet, erhöhte die gute Meinung von der Gute dieses Weines bedeutend, so oasi ich mich bewogen fühlte, ihn dem Tokayer und dcm besten Malaga au die Seite zu sehen, und mir eine Kürbisstasche davon zu meiner Besteigung des Ida erbat. Ich brach da-hin beym Mondschein um 4 Uhr auf. Zwey Jagdhunde folgten uns, bald wurde ich des ersten Hafens ansichtig, der quer über den Weg lief; zum Glück wußte der Caloyer nicht, baß das Unglück bedeute, sonst ware er gewiß um-gckehrt. Der Weg auf den Gipfel des Ida ist von Arkadi aus der bequemste, da man bis ZooToiscn unterhalb dem« selben auf Maulthicrm reiten kann. Wir gingen bis Arava-ucs, cincr a:i cincr Quelle gebauten Mcycrcy, die zum Klo, — 4/7 — sicr gehört, und, nach einem kurzen Frühstück , durch einen trefflichen Eichenwald von der Prinos-Eiche ober Ou«-. eu» cu^c^ei-2, welche nirgend so schlank und kraftig wächst, als eben hl'cr. Die Bauern haben eine der härtesten Arbeiten, weil sie das Holz, welches sie wegen der überaus großen Zähigkeit kaum zu spalten vermögen, zu Scheiten haucu und nicht sagen. Der verkrüppelte Wnchs dieser oft abgetriebenen Stamme, welche einen nenen Stamm an dcn, Stumpft ansetzen, der wieder abgehanen, nun am zweyten Stumpfe einen nenen kräftigen Stammtricb macht, gehört unter die interessanten Erscheinungen der uncrmüdctcn Regeneration eines so harthörigen, so oft mißhandelten Bau-Nies in dem dürrsten felsigen Boden. Endlich hörte alles Gehölze auf, selbst die niedrigen Sträucher verloren sich ganz, und zuletzt stand ein trockner, steiniger, öder Koloß vor uus, welcher immer höhcr geworden zu seyn schien, je höhcr wir stiegen. Ich fragte hier meinen Calo-yer mehrmals nach Traganth, und zeigte ihm die'l< 1^1». ci2) den ^«ti^aws <:reli'cu5, der bis in der Nahe des Gip» fels vorkommt, er behauptete aber standhaft, nichts davon zu wissen; er war doch ein Hirte gewesen, bevor er Caloyer wurde, und Hirtenknaben wissen in ihrer Art sehr viel, oft mehr als Caloycrs, wenn sie dazu krcirt wcrdcn. Er konnte mir aber vom Traganthgummi nichts erzählen, aus der ganz natürlichen Ulsachc, weil dort keines gewonnen werden kann, da es gar nicht vorkommt, die vielen Auflagen von Tourne-forts Reist mög?», erzählen, beschreiben und abbilden, was sie wollen. Von jetzt an war kein Wasser mehr zu finden, und über das Gerölle sich hinüber zn arbeiten, machte warm. Der Caloycr sattelte das Maulthicr ab, band dasselbe mit einem langen Stricke auf einem Grasplatze fest, und verbarg dcn Sattel. Rastlos stiegen wir nun empor, und nach drey vollem Stunden von " bis A Uhr, wurde von mir der Gip- — 4,5 — ftl zuerst triumphirend erstiegen. Dcr Caloyer trug cmen Packt auf dem Nucken. Zuerst suchte ich die Kapelle, die von geschichteten Steinen ohne Mörtel erbaut, mit flachen Steinen gcwölbeartig bedeckt ist; ich schwang mich auf das Gewölbe derselben, und erblickte nach allen Seiten die vor mir ausgebreitet liegende Insel. Mich den frohen Cindrük-ken eines der schönsten Augenblicke meines Lebens überlassend, ganz in die Wonne versunken, daß daselbst dic feurigsten Wünsche der glühendsten Einbildungskraft in der Jugend von dcr Gegenwart im spätern Alter erfüllt, ja sogar über, troffen werden können, und weil das, was der Tränn, versprochen hatte, in Wirklichkeit überging, vcrlor ich das Bewußtseyn meiner Persönlichkeit, indem ich mich ganz der An-schauung dieser Gegenstände hingab. Dic Luft war milde, dcr Sonnenstrahl wärmend, und meine hingestreckte Lage auf dcr gewählten Stelle bequem, als mich plötzlich cm Qualm von dickem Wcihrauchdamps umgab; im ersten Augenblicke wußte ich nicht, woher er kam, allein bald gewahrte ich, baß er durch die Fugen aus dem Innern dcr aus Steinen zusammengesetzten Kapelle drang, dcr Caloyer hatte ein Rauchfaß mitgebracht und fing einen Choral an, ich entfernte mich, und ging an den Rändern des Gipfels von diesem ungeheuern Kolosse herum. Ich erblickte nun das ganze Thal von Mcssarah an der Südseite bis nach Gi-rapctro hin, die Ebene vonKandia, den Berg Ctrongylc, Panorma, bis Ncttlmo nördlich; den Berg Ccdros, das sphakiotische Gebirge, das keulenförmige Cap Malcka, bis an das entfernte Spada und Cap Grabusa westlich, und östlich den hohen Lassitl bis nach Slia. Im nördlichen Horizont erstreckte sick) die Aussicht vom Taygctus oder dem Pen, tedaktylon bey Sparta bis zur Insel Rhodus uud die Küsten Kleinasiens; dazwischen schwammcu Milo, Paros, Nio, Naxos, Amorgos, Santorm und andere Inseln des Archi- <— 4^<) »— pclagus. Ich bemerkte auch vom Gipfel des Ida ans, baßbic Stadt Rettimo mic dee Spitze des Cap Drepanum und jener des Cap Spada in einer schnurgeraden Linie liege, wodurch man die Echtheit jeder Karte dieser Insel, und ihre Richtigkeit sehr leicht erkennen kann. Den Barometer hing ich nun an der Kapelle im Schatten auf, das Thermometer stand am Ende der Beobachtung auf 4- '^° und der Baro-meter auf 20" 9" »1"" Wiener Maß, die Höhe des Ida. Gipfels über dem Meere betragt daher nahe an »20a Toi-sen. Der Caloyer hatte seine vom Igumcnos ihm anbefohlene Andacht beendigt, und setzte sich, um den Vorrath her-vorzulangen, der ihm heraufzutragen so viel Schweiß gekostet hatte. Brot, Käse, Fleisch sogar, und Mchrcrcs andere lächelte ihm aus dem Sack entgegen, endlich langte er treffliche Muskatellcrtraubcn und den goldenen Ar< kadier hervor. Da es uns an Eis gebrach, und wir uns erfrischen wollten, rief er einen Hirtcnburschcn, der unten wci» bete, und dieser brachte ein großes Stück Eis zu uns herauf. Ich schnitzte aus demselben eine Art Becher, und schlürfte den herrlichen Wein, indem ich den Rand der Eis-Schale an den Mund setzte; die Lippe fror mir fast am Rande an, indeß sich aus der Schale in meinen Körper ein Feuer ergoß. Von neuem machte ich nun die Runde, stieg auf die Kapelle, um das ewig unvergeßliche Bild noch einmal zu genießen, und mir die einzelnen Schönheiten desselben desto fester einzuprägen; meine Blicke schweiften nach Gortyna, Gnossus, Eleuthcra und Cydon^'a, und es freute mich jetzt doppelt, durch Beharrlichkeit erreicht zu haben, was mir das Schicksal auf ewig verweigert zu haben schien. — Kaum konnte ich mich von diesem erhabenen Schauspiele trennen. An-» genehm fächelte der Aphyr «nd keine acolischcn Windeknech-te tobten um mich her, rein war der Aether und heiter der ganze Horizont, doch es ftnkte sich die Eonne, der Zeiger 48a an der Taschenuhr wies die 4te Stunde, und der Weg war noch lang. Auf ewig nahm ich nun von diesem Gipscl Abschied , und fing Schillers Hymnus an dic Götter Griechenlands, mit inniger Wchmuth über den Verlust dieses kurzen Vergnügens, in einer bekannten Melodie zu singen an; er erhielt hier einen um so höhen, Werth, als er blos für diese Augenblicke gedichtet zu seyn schien. Es wurde schon Abend, «och ehe wir zu unserm Nossc gelangten, es wieder bcsattcltcn und abwärts eilen konnten; im Wäldchen überfiel uns die Nacht, die niedrigen Aesic hinderten mich auf dem Maulthier zu bleiben, und ich war genöthigt, abzu, steigen, was ich bey Tage nicht nöthig hatte. Ein Wunder war es/ daß ich nicht Arm oder Vein brach, wir verloren zwcymal den Weg und irrten 5 Stunden in der Nacht herum, ehe wir das kleine Gebäude Aravancs erreichten. Ich hatte mir beyde Füsic wund gerieben, und konnte vor Schmerz die ganze Nacht nicht schlafen- Des Morgens eilten wir nach Arkadi, und ruhten von unserer Reise aus. Gegen Abend, nachdem ich meine Effekten zur Abreise auf Morgen cingc. richtet, ersuchte ich den Igumenos oder Abt des Klosters, mir zu sagen, wo sein Culk as (^..n c«1«c23la) siehe, welches Tourncfort im Kloster Assomatos, das drcy'Etun-dcn entfernt liegt, gesehen haben wollte. Er führte mich in sein Gartchm am Abhänge des Felsens und da ich csnirgend gewahr wurde, so ersuchte ich ihn, mir es zu zeigen. Der gute Mann hatte eine zu vortheilhaftc Mcimmg von mir gcfasit, und staunte mich an, als ich ihm versicherte, daß in seinem ganzen Garten kein ^u« c«1uc28ia siehe; — er wies mir nun eine Pflanze, bey welcher wir standen, die cr Culkas nannte, die aber nichts anders war, als--------Uciiancku« wd«'05U5, die Iudcnbirnc. Ich fragte ihn nun genau aus, ob man nicht etwa noch eine Pflanze unter diesem Namen begreife , beschrieb ihm ^rum cola^i» genau, allein cr — 4«,----- wollte sic nicht kennen. NeU^nlllus tuderosu» wirb bey Net« timo m großer Menge unter dem Namen Culcas gebaut, aber das cchtc ^i-nni Q)i^cll8l2, die ägyptische Aronswurz, nur in: Delta. Ich fragte auch den alten Igumcnos von Asso. niatos später in Rcttimo, allein seit 5c> Jahren baute gleich, falls scin Kloster nichts als dic Iudcnbirnen und in derGart< ncrvorstadt Pcrivoli bey Ncttimo trifft man, obwohl der Boden sehr günstig ist, durchaus keine Epur von einem solchen großblättrigen A r u m an. Es muß daher diese von Tourncfort als wildwachsend angegebene Pflanze aus der kretischen Flcra ausgcsm'chcn werben, um so mehr, als sie cbcn so wenig wie das Zuckerrohr, selbst bey dem fleißigsten Anbau fortkommt, und auf tcinc Weise bey einer Elevation von 20u Toiscn über der See vcgctircn kann, da sie im milden egyptischen Klima nur mit Mühe gebaut wird. Tour« ncfort mag wohl durch den Namen getauscht worden seyn, und unter Culcas ^oloc^ia vermuthet haben, da Culca» oder ('^1^5 der knolligen Sonnenblume beygelegt wird. Diese Pflanze darf auf jeden Fall nicht als zur Flora Kretas gehörig aufgenommen werben, wenn sie auch in dem Kloster zn Assomatos, wo sie Tournefort sah, ehedem gepflanzt worden seyn sollte. Des andern Morgens beobachtete ich meinen Barometer bey Lichte, brach noch bey Mondenschcm von Arkadi auf, und nahm herzlichen Abschied; ein Caloyer begleitete mich bis an die betretene Straße. Der Weg wurde rauh, wir konnten nur langsam vorwärts schreiten und der Führer ging dcm Caumrossc nach, welches den Weg' „ie verfehlt. Bald ging die Sonne auf, ich sah zwischen Felsen hervorkommend das herrliche und ftuchtbare Thal von Milopotamo vor mir, und ein ganzes Alphabet von Dörfern zu meinen Füßen. Das erste Dorf, welches ich passirte, hieß wirklich Alpha. Es zeichnete sich durch ei. mn großen Erdbeerbamn, ä'wltng ^„«^o, aus, welchen s:'I^r TI) — 48- — ich nirgend so erwachsen gesehen hatte. Tripodcs, ein Dörfchen nahe bey Alpha, fand ich sehr reihend gelegen, und wegen einiger alterthümlichen Spuren, die daselbst zu sehen sind, sck)eint es mir das alte Tripobes zu seyn, wo Pluto nach Diodors Erzählung geboren worden seyn soll, und dessen Vorhandenseyn man abzuläugnen gesucht hat. Hier kam ich wieder zurFrühlingsfior herab. ^aro!««u» ^IiMu» M., <^uieliicu» PuMum n,. und C variegatum blühten, ^rduws Un«äa hing voller Perlen, seine Blüthe ist den Mayenblümchen, oder dem Oonvl,Uiu»n schr ähnlich und «uch st anziehend, wenn sie gleich den Geruch nicht besitzt. Gegen H Uhr nachmittags kam ich nach Melidoni, und sah meinen lieben Elias wieder, von dem ich eine neue Zeche zu erwarten hatte. Der ehrwürdige Bischof von Melidoni, dem ich meinen Besuch abstattete, zeigte mir einen Mohren, Heiland oder ein Christusbild mit schwarzer Gesichtsfarbe, welches er für eine Kirche bey Assomatos uncntgcldlich mahlte, und zugleich eine Zeichnung des Berges Ida, von seinem Garten aus entworfen. Um Samen zu sammeln, entfernte ich mich auf einen Hügel und fand die vortrefflich blühende und höchst seltene Lu^Koi-Ki» Hpio«, die knollige Wolfsmilch; die Wurzel sieht wie die von Luniuui Luibnca. «wnuin, UNd etwa wie die VoN (^clumen enrupaeum, htM Schweinsbrot, aus. Mau braucht sie getrocknet und zu Pulver gestoßen, als Brechmittel; dieses klarte einen Mißverstand auf, man hatte nämlich behauptet, auf Creta wüchse diclxetiQellalillH, man wußte mir aber damals das Gewächs nicht zu beschreiben. Der Besitzer von Melidoni, der Dzisdar-Asa von Candia, eine erbliche Würde, welche bey dem ältesten Sohne in der Familie bleibt, der bey dem öftern Abgänge des von der Pforte wieder abgerufenen Pascha die Zügel der Regierung ergreift, und sie bis zur Ankunft des neuen Pascha zu führen allein berechtigt ist, befand sich — 483 — gerade hier, und lud den Bischof zu einem Abcndbesuche ein. Wo ich nur hm kam, war auch Jemand krank, eine Hemicranie, welche ihn plagte, ohne Zweifel ein orga. m'scher Fehler, wartete auf mich. — Er wendete indeß bey dem Abendbcsuchc, zu welchem ich mich cinfand, das Gespräch auf Astronomie, und ich hatte das Vergnügen, die belustigenden Vorurtheilc der Türken in widersinnigen Fragen kennen zu lernen, so wie des Bischofs richtige Ansich« ten und Kenntnisse in diesem Fache zu bewundern. Die Türken bestrafte ich für ihre Neugierbe, indem ich nur vom Monde, seiner Bewegung, Entfernung, Beschaffenheit der Oberfläche, stincn Vulkanen, der Höhe der Berge sprach, und das Verhältniß seiner Umlaufszeit zum Sonncnjahre, den Wechsel seines Lichts, seine Wirkung auf das Meer, und so mchrcres andere aus einander setzte, wodurch es mir gelang, bic mir bewußten Vorurthcile ihres Islamismus auf eine passende Art, ohne mir die geringste Anspielung oder Anwendung merken zu lassen, mit ungemcincm Erfolge in ihren lächerlichen Blößen darzustellen. Die Osmancn glauben oft in ihrem lächerlichen Stolze, man reise bloS ihretwegen herum, um sie zu unterhalten, und durch ihre Einladung sich beehrt zu finden, wobey man obendrein den bittern Satzkaffcc herunterzuwürgen, die Tabackspfeife aber, wenn man nicht Aufsehen erregen und hundert Fragen noch weit lästigerer Art veranlassen will, in dcn Mund zn nehmen und zu schmauchen genöthigt ist. Mein Maulthicr fand ich besser genährt, es hatte gearbeitet und sich das Futter ver« dient; als mich Elias fragte, ob ich ihm das Maulthicr verkau» sen wollte, sagte ich ja, und machte ihm bcmcrklich, daß sein Bruder Georgi mich durch den Ankauf der unnöthigen Maulthiere um mehrere hundert Piaster gebracht habe, und ich in den Ankauf dieses blos unter der Bedingung eingewilligt hätte, baß er es mir um denselben Preis von 280. Hb ^ — 48l — Piaster wieder abnehme,. Ich wünschte, er solle mir geschwind das Angebot machen, um die Sache los zu werden. Er bestimmte «5o Piaster, welches ich zufrieden war, aber die 5o angebotenen Piaster sogleich anzunehmen ablehnte. Nun rückte er, was ich vermuthet hatte, mit der Zeche her-aus: Das Maulthicr habe in einem Monat für 5o Piaster Futter verzehrt; obgleich er es zu seinen eignen Feldarbeiten, »mo zum Tragen der jetzt aufgesammelten Oliven verwendet und auf Bezahlung verliehen hatte, so rechnete er doch Pflege und Wartung. Ich ließ mir alles gefallen, und sagte, er sollte mir den Rest nur in Candia geben. Von de» »5o Piastern blieben also blos zoa übrig, um »ao andere hatte er mich in dem Monate, wo cr bey mir war, gebracht. In Candia federte ich ,'hm diesen Rest ab und er hatte die Frechheit, mir 67 Piaster in fremden mir unbekannten Mün« zen zu bringen, sie für »00 zu verrechnen und fortzugehen. Ich war kurz entschlossen, ersuchte den Dzisdar'Aga, diese 67 Piaster in beschnittenen türkischen Dukaten anzunehmen, und mir die »oa Piaster zu verschaffen; dieser beschämte ihn nun wegen seiner Undankbarkeit und Treulosigkeit öffentlich und in Gegenwart des Herrn Laficchelle, der ihm zu Gcmü« the führte, was wir beyde für seinen Bruder Georgi gethan hatten, wofür er sich hatte coelmüthigcr benehmen sollen, zumal da er noch außerdem cinc so gute Behandlung, Be« zahlung und Geschenke erhielt. Das war mein Dank. Ich hatte zwar nicht auf Dank gerechnet, obwohl ich ihm als Diener für einen Monat mehr bezahlte, als er von einem Türken das ganze Jahr erhalten hätte, aber mich für alle die Opfer noch so bevorthcilcn zu wollen, ärgerte mich. Man rechne in der Welt nie auf Dank, und vertraue ja auf die Großmuth der Menschen nicht, suche sich aber vor Undank zu schützen. Ueber Damasia ging nun mein Weg am Berge Strongyle vorüber, welchen man jetzt Stru« — «65 — gula nennt. Damast« mag vielleicht diesen Namen fuhren, weil man ehedem hier einer Nauberrottc habhaft wurde; mitten zwischen den trocknen und abschreckenden Felsen mag es ein guter Haltuugspunkt gewesen seyn. In dem Wirths. hause daselbst wollte man nicht zulassen, daß ich mich auf ein Polster sehte, das dort am Divan lag. Auf meine Frage antwortete der Grieche: „ich bitte Sie, thun Sie es nicht: „es sind zwey Türken aus Canea, wo die Pest herrscht, „hier durchgereist, und wer weiß, ob sie nicht etwas davon „an sich hatten"! „Ich versichere ihm, mein Freund", erwiderte ich ihm, „daß es mich sehr freut gewarnt zu werden, „indeß um ihm eine Probe von meiner Feuersicherheil zu ge-„ben, sehe ich mich auf diesen Sopha". Der Wirth sah mich mit großen Augen an, es schien als glaubte er, ich hatte ein probates Mittel gegen die Pest in der Tasche, wie Brot gegen den Hunger: er machte sein Kompliment, und nann-tc mich bald j^ra» n kllon^g, der gelehrte Herr Arzt, bald Uekim Lazoili, Hofarzt; es freute mich einmal eiucm Un« wissenden imponircn zu können, und einem Ignoranten wenigstens glauben zu machen, daß ich etwas besäße, — der eine Grieche lachte, denn er wußte, daß ich gleichfalls von Canca kam, wo die Pest langst aufgehört hatte. Der Name derPcst im Neugriechischen ist sehr bezeich. ncnd, mau nennt sie 1'anuola von ?"". alles, und Klen, weinen, klagen: gleichsam eine Krankheit, übcr welche alles in Trauer gcrath. Die Pest wird zwar gewöhnlich von sehr schreckhaften Symptomen begleitet, oft nimmt sie aber auch cincn mildcru Charakter an, und vertäust, man möchte sagen, auf eine lustige Art. Dcr Angesteckte ist aufgeweckt, muutcr und roth im Gesichte. Wie ei» halb Betrunkener schwatzt er in einer so fröhlichen Laune, die sich weder durch ei' nen leichten Weinrausch von Champagner, noch mit her entsprechendsten Gabe von Opium oder eines andern angenehmen — 48t) — narkotischen Mittels im mindesien erreichen laßt. Diese frohe Laune kann oft mehrere Tage dauern, und der Kranke tanzt im eigentlichsten Sinne dcm Grabe zu: Eine Aufgewecktheit , welche den Hypochondrien zum Stadtkupido, und eine Matrone zur Aspasia plötzlich umgestalten kann, bc-meistert sich bcs ganzen Nervensystems. Es ist das helle Flimmern und Flackern einer unter dcr Lichtscheerc verlöschen, den Lampe. Manchmal stirbt der Kranke in diesem narko. tischen Stadium, Manchmal geht es in Phrencsie über, noch weit öfter ist es gar nicht da. Ehe man erwarten darf, die Krankheit kennen gelernt zu haben, ist man selbst ein Opfer derselben geworden. Solche Pestkranke werden aber bald wieder schläfrig; rührt man sie an, so fahren sie auf, und sprechen halb im Schlafe, ihr rothes Gesicht wird noch rö< thcr und glühend, ihr Auge glotzt, rollt, ist glasartig und von einer eigenen Mattigkeit- Ein besonderes und wenig geachtetes Kennzeichen bietet daher in der Pest das Auge dar, dessen Muskeln sich auf eine eigene Art bewegen. Wie bey halb Betrunknm, ist der Augapfel etwas wenig einwärts gedreht, die Adnata röthlich, das obere Augcnlicd nur leicht gesenkt und im Auge findet ein eigenes Spiel Statt, — dieß ist aber keine strenge Ncgcl, denn die Pest bindet sich an keine. Daran erkennt man nun schon von weitem jeden Pestkranken, wenn er auch selbst von seiner Ansteckung noch nichts weiß. Ist die Pcstzcit da, so zweifle man, wenn sich das Auge oder gar das physiognomische Aussehen eines Freun» des oder Bekannten auf diese Art verändert haben sollte, keinen Augenblick an seiner Ansteckung, und an der eigenen Gefahr. Sicht man seinen Freund nicht und hört ihn, wahrend einer Pcsiepidemie, nachlaßig sprechen, bemerkt dabey eine gewisse Unbchülflichkeit, ein eigenthümliches Nach. lallen der Zunge, so darf man Argwohn schöpfen, wenn man weiß, daß er nicht im Wirthshausc war. Bedient sich - 4g? - aber derselbe unanständiger Ausdrücke, so glbt dies einen Grund mehr ab. Bey bcm an Ordnung und Sittlichkeit gewöhnten Frauenzimmer gewahrt die Unterlassung derselben cinc sichere Vermuthung: auch Unachtsamkeit auf ihren Bu. sen ist für den Arzt ein pathognomonisches Zeichen. Das Pestgift scheint zwar die natürliche Scham zu tilgen, und ein sehr übles Prognostikon für den sonst gut gelaunten Patienten zu styn, man hüte sich aber ja umgekehrt zu schließen, und es für jeden Fall gelten zu lassen. Die Pest zerstört die ZenFUNgskraft und Fruchtbarkeit, aber nur bey bestimmten Zufällen, welche interessant smb. Ein nicht minder wich« ti'g,es und anfällgliches Zeichen in der Medizin, lmmcr das bemerkenswerthesie, ist der Verlust des Geschmaks. Ein Kranker, er mag durch was immer für eine Affektion bettlägerig oder auch nur unpäßlich geworden zu seyn vorgeben? dem bitter und süß, sauer und herbe einerley zu seyn scheint, insbesondere aber, wenn er die Medizin ohne sie erst schmecken zu wollen, hastig in den Schlund bringt, erweckt zur Zeit einer zu befürchtenden Pcsiepidemie den größten Vervacht — bey schon eingetretener gibt es dem beobachtenden und nicht blos rczeptirendm Arzte Gewißheit. Personen, welche schwarze Galle erbrechen, sterben gewöhnlich binnen 24 bis 4» Stunden, bevor noch Beulen erscheinen, kommen aber diese M' Vorschein, so ,'st es ein besseres Zeichen. Vubo-nen erscheinen den dritten Tag. Sichere Erfahrungen zeigen, daß das Gift im Körper 28 Tage haften tonne, bevor Vie Krankheit beginnt;, keine Contumaz sollte also weniger , als 2» Tage dauern. Beobachtungen in fremden Zonen,, wenn man jenen in unseren Ländern nicht immer Glauben beyMs--sen wollte, belehren uns, daß viele KranklMtcn und Affek» tioncn dem Einflüsse des Mondenwcchscls sehr unterworfen sind. — Merkwürdig ist es, daß drastische Purgirnnttel m der Pest keinen Stuhl bewirken, indeß leichte Eccoprotica, — 48s — als Manna 5 Senna und Tamarinden leicht und sicher wlr< lcn.— An der ersten Brücke imThale vor Candia, nachcincm mühsamen Wege von drey Stunden, erblickte ich ein Schiff, welches, nach dcm Gerüchte in Canca, cine französische Frc-aatte war, die einen Gcucralkommissär am Bord haben sollte, dcm seine Regierung diese Reise aufgetragen hatte, zur Untersuchung der französischen Consulate in der Levante. Es landete aber nicht in Candia, und ich erfuhr spater, daß es den Grafen Fourbin, Generaldirektor der Museen, zu seiner Reise durch die Levante an Bord hatte, den ich auf seiner Reise ans Syrien in Cairo sah, von wo aus der, selbe mit unglaubliche Schnelligkeit nach Obcrcgyptcn ab« g'nz, und eben so schnell von da zurückkehrte. An derselben Brücke stand 3;lccl!.iluni Ravennas, das italiänische Zucker« röhr, in der Blüthe, welches die Türken im November sammeln, und mit zum Schreiben ihrer türkischen Buchstaben verwenden, denn der Gänsekiele bedient sich ihre gelehrte Hand niemals. In Acgyptcn, wo überhaupt die Grasartcn so wie selbst das Stroh etwas holzartig werden, entblößt man diese Rohrartcn von ihren Blattern und Scheiden, laßt sie an der Sonne braun färben, sammelt sie dann vor dcm Verdorren, schneidet die Röhren von Kuic zu Knie, und verkauft es sodann wie unsere Kiele, ,'n Büscheln von spa,!? ncnlangcn Stücken. Mit der größten Bereitwilligkeit nahm mich der französische Consul auf, denn ich hatte meine vorige mir verhaßte Wohnung ausgegeben. Wir rüsteten uns nächstens das Labyrinth zu besehen, da ich nur nach Candia gekommen war, um der Verabredung gemäß m scmcr Gesellschaft dasselbe mit Muße zu untersuchen, damit man bey der Menge von widersprechenden Behauptungen über diesen Gegenstand doch einmal dcm Endresultate naher rückte. Dc Vasse besaß eine Voussolc, welche ich einrichtete, um uns unter — 4l^ — der Erde hilfreiche Dienste zu leisicn. Mclne Phantasie mahlte die Echwicrigkcitcn mit fingerdicken Farben, und meine Besorgnisse, in diesen zahllosen Gangen sich leicht zu verirren, machten mich im Voraus auf Mittel aufmerksam, die möglichen Hindernisse gleich ,'m Anfang zu beseitigen. Die Abreist dahin verzögerte sich jedoch auf mannigfaltige Weise, wozu insbesondere unaufschiebbare Geschäfte des Consulats selbst gehörten. Inzwischen wurde die Zeit angenehm zugebracht, mich unterhielt die Bibliothek des franz. Consuls, auch trug ich meine Karte der Inscl aufs Papier mid bcdaure nur, daß es so selten anging die Ortschaften auf der Reise in den Vrouillon einzutragen, da ich, wenn ich der Durchschnittspunkte wegen die Gipfel der Berge bestieg, oft genöthigt gewesen war ohne Führer zu gehen, weil der Argwohn der Türken und ihr Mißtrauen ohne Gränzen, die Echwatzhaftigkcit der dortigen Einwohner dagegen in« kurabel ist, wodurch mir Vorsicht aufgelegt, die Arbeit aber auch sehr beeinträchtigt wurde. Außerdem ordnete ich noch meine Papiere und war nun froh, mir auf der Reise nach dem Ida und bey seiner Besteigung die Füße blutig gerieben zu haben, well sie mich verhinderten, die zahllosen Höflichkeitsvistten bey den Kranken dieser Stadt zu machen. Jeder derselben war der Meinung, ich wäre nur seinetwegen da; einen guten Rath hätte ich ihnen gern gegeben, aber das Ccrcmoniell war mir zuwider, und daß ich noch obendrein die Zeit damit zubringen sollte, ihre höchst albernen Fragen über andere Gegenstände zu bcant-, Worten, dadurch ihrer Neugicrde zu ftöhucn, und mich noch sehr beehrt zu finden, von den Fettwänsten und Dickköpfcu angehört worden zu seyn. Die emgcborncn Aerzte mußten aber ihren Gebietern willfahren und mich auf alle Weise zu vermögen suchen, Besuckc zu machen, denn Besuche kosteten nichts, als eine Tasse bittern Kaffee und eine angebrannte — Hyo — Tabackspfcife. Ich konnte mich jetzt techt füglich entschul< digen, da ich zu gchcn unvermögend war; denn meine in Geschwüre übergegangenen Wunden, welche ich 3 volle Wochen vergebens behandelte, heilten nicht eher, als bis ich liegen blieb, und sie täglich zwcymat einricb, weil das fortwährende Sitzen die Füße ödematös gemacht hatte. Dieser Zustand wurde so bedeutend verschlimmert, weil ich nicht darauf achtete und kaum angelangt, den 2 Stunden von Candia entfernten Fluß Cassi besuchte, welchen man gemeinhin auch Armiro, Almyron, den Salzfluß zu nennen pflegt. Dieser interessante Fluß entspringt einige hundert Schritte von der See, westlich von Candia unter dem Ge-birgsdorfc Nogdia, treibt, aus der Erde gleichsam her-verkochend und durch ein Wchr gedämmt, 3 bis 4 Mahlgänge , fallt aber bald unter dem Gerinne schon ins Meer. Die Mühlen scheinen nach dem Muster der venetiam'schen gebaut zustyu, und zeichnen sich unter allen, die ich gesehen, am vorzüglichsten aus. Der Scesirand bot mir auf dem Rückwege einige seltene Spat-Pflanzen. Tags darauf ordnete ich meine Gewachst und die übri« gen Sammlungen aus dem östlichen Theile der Insel, miethete ein Boot und ließ es nach Canea über die See schaffen, um es mit meinen übrigen Aequisitionen zu vereinigen. Das Boot kostete nicht mehr als 20 Franken bis Canca, der Schissmann wurde abcr auf der Reist genöthigt 2 Tage im Hafen von Suda zu bleiben, 'wodurch die Furcht, dast meine Sendung bey dem eingetretenen Sturme verunglückt scy, vergrößert wurde, da ich von meinem Gärtner einen Brief erhielt, den er kurz vor der glücklichen Ankunft derselben an mich abgesendet hatte; doch die Beschützerin des Oelbaums erbat sich Schonung für die gesammelten Kranze von ihrem erzürnten Onkel, und der furchtsame Kahn schlüpfte endlich unter Protektion, ohne die in dcr Welt — 4<), — m'chtS gelingen will, wohlhehaltcn in die Mündung des wel> lensichercu Hafens. — Ein armer Mann, der mich in Gira« petro um Medikamente gegen Epilepsie so dringend gebeten hatte, daß ich sie ihm auf keine Weise mehr abschlagen konnte, obwohl ich die Fruchtlosigkeit, ein veraltetes Uebel glücklich behandeln zu können, einsah, kam jetzt wieder, um mich von neuem darum zu ersuchen. Aus Mangel au passenden Medikamenten hatte ich ihm zum Versuche ein neues gegeben und nicht vermuthet, daß es helfen würde. Seit vier Monaten war aber sein zwölfjähriges Uebel siatt 8 mal nur einmal wiedergekommen, und bloß als eine vorübergehende Anwandlung, und hatte endlich ganz aufgehört. Schon l4 Tage waren nach seiner Aussage vorüber, daß das Arzncymittcl verbraucht war und noch hatte sich kein Anfall eingestellt, da es ihm jedoch geschienen, daß es wieder« kehren würde, habc er mich ängstlich im September in Can« dia aufgesucht, mich aber nicht gefunden. Da er erfuhr, ich sey da, hatte er sich wieder herein gebettelt, und bat mich nun auf den Knieen, es ihm zu geben, unser Herr Gott würde es mir lohnen. Elias, der mir eben die 72 oder 76 Piaster in beschnittenen türkischen Goldmünzen überbrachte, und für ion anrechnete, drang darauf, ich möchte das Medikament ihm nicht umsonst geben, der Alte hatte Geld und spiele blos bcn Bettler. Der arme Mann bat mit Thränen, ich sollte das nicht glauben, denn er könne sich nicht einmal ein Maulthicr kaufen. Ueber diesen vollwichtigen Grund musite ich in Beziehung auf Elias unwillkührlich lächeln und bestellte ihn wieder. Hier hatte ich den Dank,— wahrscheinlich dachte Elias aus edlem Eifer für mein Bestes, die fehlenden 26 Piaster durch Erpressung von dem alten Manne mir wieder zu ersetzen. Welches Zartgefühl! Hat man Jemand durch ciuc boshafte und gemciuc Art bevor« theilt, so wirft man ihm ein Geschenk wohlmeinend zu, — 4g2 — welches er gleichwohl zu erringen sich schämen nmst. — Der arme Alte tam wieder, erhielt das Medikament, und eine Flasche mit Salbcyöl, die er mir zum Geschenk brachte, musite ich annehmen, weil er glaubte, daß cs mir gewiß nützen würde. Dieß Geschenk war auch von wescnt« lichcm Nutzen, welches ich jetzt noch nicht einsah. Ich packte es nämlich spater zu meinen Pflanzenkisien und habe Gründe zu vermuthen, baß von dem durchdringenden Geruch und durch seine Verdunstung, denn ich fand die vco stopften Flaschen leer, die Insekten ein volles Jahr ab-gehalten wurden, mcine mühsam gesammelten Pflanzen in dem heißen Mxandrien anzugreifen und zu beschädigen. Wie gut ist cs, einem Bittenden nichts abzuschlagen, und jedes auch noch so unbedeutende Geschenk, wenn cs mit gu< tcm Herzen gegeben wird, anzunehmen. An dieses Mannes Genesung von einem so hartnäckigen Uebel, dessen Kenntniß, Natur und Beschaffenheit noch sehr im Dunkeln liegt, zweifle ich, weil bald nachdem er das Arzncymittel gebraucht, an dem Fuße ein Geschwür aufbrach, welches, wenn es sich ge» schlössen haben wird, höchst wahrscheinlich die Rückkehr der Krankheit zur Folge hat. Den i4 Oktober Nachmittags gegen die fünfte Stunde kam der Missionar Padre Tomaso, oder Kapellan des französischen Consulats, zu mir auf mein Zimmer, und wollte gern wissen, wie man Spiegel verfertige: als ich ihm eine befriedigende Erklärung vom Guß, Schleifen und von der Alnalgamirung derselben zu geben bemüht war, erzitterte das ganze Gebäude und unser Spiegel bcwcgte sich. „Ein Erdbeben, rief der Missionar, „flüchten wir uns in den Garten herunter ins Freye, dcr Etoß kommt wieder"; als er nicht kam, dachten wir, jemand hätte die Thür heftig zugeschlagen, leider erfuhren wir aber bald, dasi zwey Fässer Pulver 6 Cent. an Gewicht in einem.Ma. gazin bey einem Kaufmann mitten in der Ctadt mit l2 Ge« banden und einer Moschee in die Llift geflogen und dabey mehr als 'on Menschen verunglückt waren. Die ganze Stadt kam in Aufruhr, und der türkische Pöbel federte die Köpfe derjenigen, denen das Pulver gehörte. Cine Moschee war sammt dem Minaret vom Pulver der Griechen beschädigt, dieß mußte an ihnen gerochen werden; daß cs ihre Waarenlager vernichtet und sie selbst zumThtil gctödtct hatte, wurde gar nicht beachtet. Domeniko, derUnglücksvogcl, war wieder im Spiele gewesen. Er hatte einen Kaufmann beredet, diese Masse Pulver zn kaufen und es gegen den gewöhnlichen Befehl, nur tlcine Quantitäten in der Stadt zu haben, in das Magazin eines fremden Kaufmanns zu stellend Da das Abladen schr ungeschickt verrichtet worden war, so hatte das beym Fortrollen ausgefallene Pulver von der Straße bis ins Magazin, wo die Fasser standen, eine Zeile gebildet: da nun dic Tüllen mit ihren langen Pfeifen auf allen Straßen rauchen, dcn Taback alle Augenblicke anzün« den und ausklopft«, so entzündete sich dieser Pulvcrsircif — und das ganze Quartier wurde mit Schutt überdeckt. Eine Menge Mcuschen wurden theils lebend theils beschädigt unter dcn Trümmern und Balken hervorgezogen, und 5c» zahlte man an Gctödtctcn. — Em sehr'betriebsamer griechischer Kaufmann Fundakaki, der dem ältesten seiner vicr Söhne dieHandlnng übergeben und dadurch Noch mehr gewonnen hatte, befrachtete jedes Jahr fünf bis sechs Schiffe und erhielt eben so viele, erweckte aber dadurch dcn Neid der türkischen Großen, welche höchstens das Jahr eine Schiffsladung ausrüsteten. Sie beschlossen daher, ihn aus dem Wege zu räumen. Ich muß gestehen, nicht leicht irgendwo einen Mann von der Leutseligkeit, einem so würdevollen Betragen, und cincr diesen Ländern ganz fremd gewordenen Biederkeit gc-sehen zu haben, als dcn ältesten Sohn dieses abgelebten Greises, Sttphanaki; doch eben dieses beförderte seinen uud - 49H - ihren Sturz. Auf Anstiften der Großen wurde bie Menge 'überredet, dem Stephanaki gehöre das Pulver und er müsse sterben. Er entfloh mit seinem alten Vater, warf sich dem Pascha zu Füßen und bat um Rettung und Schutz. Dieser sagte ihm diese zu, und setzte ihn dem Anscheine nach gefangen. Die Gahrung unter der rohen Menge wurde unterhalten, doch getraute sich Niemand gegen den Pascha etwas zu un< ternehmen, da er vor wenigen Monaten durch listige Einleitung den mächtigsten Türken von Candia, Bcdri Effenoi, auf den Befehl des Großhcrrn hatte erdrosseln lassen, und dadurch bedeutend imponirtc, obwohl er nur höchstens i«a Man« Soldaten hatte, denen noch außerdem verschiedene Dienstver» richtungen oblagen. Zum Unglück brachte der Tschau sch, baschi, soviel als Polizeyhauptmann, einen jungen Bur. schen ein, der bereits 6 Mordthaten begangen hatte, durch Geld aber sicts bey den Pascha's losgekauft worden war, da er als Ianitschar in eine der O r t a s, Regimenter, eingeschrieben und von reichen Acltcrn war. Der jetzige Pascha, von seiner Unverbesserlichkeit überzeugt, berief den Divan und ließ vom Kadi und Mufti sein Todcsurtheil unterzeichnen, und wollte ihn nach Art der Mohammedaner des Abends bey dem Signal eines Kanonenschusses im Hafen-Thurm siranguliren lassen. Kaum erfuhren es die Ortas und der gedcmüthigtc Ianitscharen-Aga, als alle Soldaten nach dem Thurme strömten, das Kastell stürmten und den Gefangenen in Tn'umpfe in die Stadt brachten; der Pascha gab auf die Bitten und Vorstellungen des Rathes die gerechte aber trotzige Anwort: Er muß sterben. Jetzt belagerte die freche Truppe die Wohnung des Pascha, der sich verschloß; sie forderten von allen Ianitscha-»cn unterstützt, die Auslieferung der zu ihm geflüchteten drey Kaufleute, den alten Fundakaki einen Greis von 84 Jahren, seinen ältesten Sohn und den Sohn des Kauf- —^ ^c^.i —- manns, in dessen Magazin das Pulver sich entzündet hatte. Der Pascha verweigerte es. Die Menge trieb nun eincn wüthenden Lärm, wollte das Thor erbrechen und feuerte Pistolen und Gewehre ab, bis der Pascha ihnen versprach, diese drey armen Schlachtopfer ihrer Wuth preis zu geben. Um 6 Uhr des Morgens gcricth die ganze Stadt wieder in Bewegung, die Iamtscharen sammelten sich, und man führte die Unglücklichen zum Tode. Der Greis war der einziges welcher Gegenwart des Geistes hatte, sein Sohn und der dritte, ein unschuldiger blühender Jüngling von 22 Jahren, waren dagegen fast leblos und mußten geführt werden. Ersterer soll eine furchtbare Sprache geführt und die graß< lichsien Flüche über sie ausgcsioßen haben. Er kündigte ihnen Gottes Strafgericht, die baldige Auflösung ihres Reiches, und Rache für ihre grenzenlose Barbarey als gewiß an. Er lästerte Mohammed, nannte ihn einen Betrüger, cincn Wahnsinnigen, Verführer, Gotteslästerer und verfluchte ihn. Allein dieß beschleunigte seinen Tod; 'er wurde an dem Vordache seines Kaufmannsgewölbcs zuerst, und dann die beyden andern aufgehangen. Jetzt wurde es ruhig in der Stadt, denn der Neid und die Mißgunst hatten ihren Zweck erreicht. Die unglücklichen Schlachtopfer blie< bcn zur Schau drey volle Tage hangen, bis man sie herabnahm, und sie ihren Verwandten, Brüdern, Gattin« ncn und Müttern übergab. Ihre Familie wurde zu einer großen Geldsumme verurthcilt, welche der Pascha, ungeachtet er sie ,'n seiner Ohnmacht nicht hatte schützen können, sich dennoch zahlen ließ. Ein elender Mensch! Die Ortas zwang er, sich sämmtlich aus der Hauptstadt zu entfernen, das l^te Regiment, welches an dem Aufruhr den meisten Antheil genommen hatte, verwies er in die Festung Spina longa. Ein jeder der Iam'tscharen ging aufs Land zu irgend einem seiner Bekannten; blos dic Kessel, welche, wie in Eu< — ^6 — ropa die Fahnen, Insignien und Ehrenzeichen der Ortas sind, wurden von elnigcn alten Ianitscharen nach Spina longa ins Exilium getragen, und die Rückkehr derselben und des ganzen Regiments einige Wochen darnach bewirkten bey dem Pascha — ^5,oc>«i Piaster, welche man zusammenschoß und ihm zur Versöhnung einhändigte. Hatte er seine Drohung, abzureisen, in Erfüllung gebracht, so würde der Admiral der Flotte, Kapudan Pascha, höchstwahrscheinlich vom Großhcrrn besehligt worden seyn, sie dafür zu züchti-gcn, mehrere zu erdrosseln und ihre Güter einzuziehen. Vom Pascha kamen sie nun leichter los, und erkauften ihre Rück« kehr wohlfeiler; sie wählten von mchrcrn Uebeln das kleinste, und der Pascha profiti'rtc wie ein wahrer Mäckeljude von zwey Seiten. Domcniko, der Leibarzt dcs Pascha, hielt sich 3 Tage über in seinem Hause eingesperrt und zitterte, weil sein Schwager, ein Grieche, der bey ihm verborgen war, eigentlich das Pulver hingeschafft und den größern An< theil daran hatte. Zwar getraute man sich nicht einen Franken anzutasten, doch blieb jeder in dieser Zeit zu Hause. Die Iauitscharcn-Agas pflegen in solchen Fallen den Consulaten den zu befürchtenden Aufruhr anzlldcutc», und die Franken schließen ihre Häuser oder ihr Quartier. Blos in dem Fall, wenn mit einer Nation Krieg geführt wird, reisen die Consuln derselben ftcywillig ab, oder werden gefangen und bewacht, oder auch gezwungen abzureisen. Die Individuen dieser Nation begeben sich dann unter den Schutz des Consillats einer mit den Türken in Frieden lebenden Nation. Dießmal war um so weniger zu befürchten, als Algier und Tunis kurz vorher von England gcdcmüthigt worden waren und die Türken ein gutes Gedächtniß besitzen. — Den dritten Tag gegen Mittag, da schon wieder alles in Ruhe war, beschloß ich, die Unglücklichen zu sehen. Ich konnte, allcr Erzählungen ungeachtet, nicht glauben, daß die mir wohl- bekannten Personen cm Opfer der rohen Volkswuth geworden waren. Ich ging daher mit einem Smyrncr ^ Fr.n,-kenklcidung, der hier anwesend war, nach dem Basar oder Markt?, um mich davon zu überzeugen, und wurde die drey Leichen an dem Balken des Vordaches, in den Lüften schwc-bend und von cincr Menge Menschen umgeben, gewahr. Wir näherten uns, athemlos warf ich einen Blick auf diese jammervolle Scene, die mich furchtbar ergriff, denn darauf war ich nicht gefaßt gewesen, da ich mir es früher nicht so schrecklich vorgestellt hatte. Ich ergriff die Hand meines Begleiters und schlich vorüber, indeß uns ein roher Türke zurief: „So kann es euch gleichfalls ergehen." Empfind« lich bestraft für meinen Unglauben, ging ich auf Umwegen nach Hause. Padrc Tomaso, ein Neapolitaner, welcher sich mit dcm Schisse des Capita« Granotitsch, das mit Waaren des ermordeten Fundakaki beladen war, vermöge eines vom Pascha jüngsihin erhaltenen Vnjurti zur Abreise anschickte, schiffte sich schnell nach Canca ein und entfloh. Des andern Tages, da das Schiff langst fort war besannen sich erst die Türken, daß es diesem Kanfmanne gehört habe, und confiscirt oder als Haft zur Bezahlung der Plackerey hatte zurückbehalten werden können. Padrc Tomaso hatte während des ganzen Aufstandes eine entsetzliche Furcht, welche mit seinem ruhigen Verstände sehr contra« siirte, und den Consul zu manchem Scherz veranlaßte; erst nach mchrcrn Wochen kam er wieder von Canea zurück. Die übrigen Capitäns zur Abfahrt bereit, 1e«!.i, wie man in der Schiffs spräche zu sagen pfiegt, hatten bey diesem Hause zufällig Federungen, und konnten nicht abreisen, da die Brüder große Zahlungen an den Pascha und alle übrigen türkischen Behörden zu leisten hatten, und nicht genug Geld auf-treiben konnten, sie zu befriedigen. Sie mußten trotz allen Bitten dcm Pascha l5ouo Piaster baar, und dcm Cha« Erstcr Theil. I i — 4c>8 — finadar, jcht Chiaja.Vey, dem Ia«utscharcn-Aga und andern einc beynahe gleiche Summe bezahlen, so daß sic sich kaum vor den, Ruin ihres Hauses sichern zu können schienen. Die ganze Erpressung betrug an 25,ooo Piaster, oder eben so viele Franken, und die drey Todtenopfer als Zugabc. Man hatte dem Zundakaki schon seit längerer Zeit ger.i. then, irgend'einc Protektion zu suchen, da man die türkische Politik und ftiuc Lage kannte, allein er stützte sich auf die Gewogenheit einiger Großen, und vernachlässigte seine Sicherheit. Man pflegt indessen sehr selten einen Unterthan vdcr Rajah der Pforte in Protektion zu nehmen, und nur, wenn cr der betreffenden Nation irgend einen besondern und wesentlichen Dienst geleistet hat, ist cr berechtigt, Frankcnklci. duug zu tragen, und wird von ihrem Consul bey den türki» scheu Behörden wie jeder andere Franke vertreten. Dieses würoeihm um so eher gelungen seyn, als man ihm sehr leicht eine Agcntcnsiclle hatte verschaffen können, wodurch cr gewissermaßen selbst eine Consulatpcrson geworden ware, da es in der Levante sehr viele Griechen gibt, welche diese Aus-zcichmmg erhalten, und dabey mit ihrem Leben und ihrer Habe gesichert sind. Fundakaki fehlte auch barm, daß cr nicht in cm Consular entfloh, denn auf jeden Fall ware cr von da auf ein Boot gebracht und nach Canca bey Nacht und Nebel gesendet worden, und dort würde cr von den dasigcn Türken mit Jubel empfangen und — gegen die Türken in Candia in Schutz genommen worden seyn, so veränderlich ist dieses Volk! Man muß also die Lage der Griechen vielmehr bcmitlcidenswerth finden, und die Federungen an sie hcrabsiimmen, welche die Reisenden in der Levante gewöhnlich zu hoch spannen, ohne die Kräfte derselben zu ermessen. Erst jetzt, nachdem die Griechen das Vorurthcil gänzlich widerlegten, beurtheilt man sie anders, früher schalt man sie als unwürdig ihrer Vorfahren, und jeder Reisebcschrtiber glaubte zu einer Parallele berechtigt zu styn. Ich fand sic wohl unterdrückt und gemißhandelt, aber auf keine Art so feige wie den Neapolitaner, denn Poltroucrie, das gewisseste Zeichen der Feigheit, faud ich bey ihnen nicht. — Bey Mißhandlungen blickten sic starr vor sich hin, schwiegen und dnldctcn. Wenn man sie als Skla» vcn nicht loben konnte, so sollte man ihre Fehler wenigstens schonender beurtheilen. Ich finde es übrigens sehr natürlich, daß dem Plutarch nie hat einfallen können, Biogra« phicn von Heloten zn schreiben. Die Hinrichtungen geschehen in der Turkey auf man» m'gfaltigc Art- Wenn der Vcrnrtheilte ein Türke ist und gehangen werden soll, so wird ihm der Knoten an die Gurgel gedreht, wodurch das Gesicht eine Richtung nach oben zu erhalt, als ob es gegen den Himmel gewendet Ware, bey einem Griechen wird aber der Knoten ins Genick gelegt, wodurch er herabzublickcn genöthigt ist, gleichsam als ob cr aufwärts zu blicken nicht würdig ware; dem gc« köpften Türken wirb der abgeschlagene Kopf an den Hals angesetzt, dem Griechen aber zwischen die ausgespritzten Füße gesteckt. Nur Türken pflegt man zn strangulircn, und zwar nach dem Abendgebete; das Signal zur Hinrich« tung mittelst der Schnur ist ein Kanonenschuß; so viel Schüsse fallen, so viele werden erdrosselt. Die Schnur ist ein Vorrecht des Türken, die seidene gehört den Reichen. Wenn man kann, pflegt man sie indesi nicht zu küssen, son« dcrn bedient damit oft den Ueberbringcr selbst. Der Körper des hingerichteten Türken wird wie heilig verehrt, und eben so feycrlich, wie gewöhnlich, zur Erde bestattet. Griechen werden nicht mit der Schnur, sondern mit dem Strick hingerichtet. Verbrecher unter den Türken werden gehangen, nie aber erdrosselt; Erdrosselte sind meistens politische Opfer des Divans oder des Großhcrm. Nur Straßcnrau- I» - — 5ou — bcr Werben gespießt oder gerädert, und am Wippgalgcn aufgehangen; der Verurthciltc wird bey dcn Händen mit dcm Stricke gebunden und emporgehoben, von ocr Höhe auf einen krunlmen eisernen Haken plötzlich herabgelassen, auf welchem er sich rückwärts aufspießt, und auf demselben hängend sein Leben endet. An vielen Orten ist es üblich, über Unzucht betroffene Weiber zu ersaufen; in Jaffa und an einigen Orten Syriens ist dieß nichts seltenes. In Kreta setzt schon der allergeringste Verdacht dcn schrecklichsten Mißhandlungen der Türken aus, und die Wuth gegen — 5u2 —- dcte, welcher mit ungcmcincr Kraft, Entschlossenheit und List sich allcr Aufrührer zu bemächtigen wußte und sic ohnc alle Umstände im Kastell erdrosseln licsi. Die Wege in ganz Candia sind seitdem sehr sicher, und bey mei'.iem cinjähri' gen Aufenthalte daselbst bin ich vor Naubcrn auch nicht ein einzigcsmal gewarnt worden, welches immer ein Beweis dcr größten Sicherheit ist. Dcr Sohn cincs Türken, von dessen Gebäuden ich cincs gemiethet hatte, und welcher mir öfter begegnete, beklagte sich bcy meinem Begleiter, daß das heurige Bairamfcst sehr schlecht und armselig abgclau. ftn sey, indem er sagte: „Stellen Sie sich nur einmal vor, „heuer ist nicht ein einziger Grieche erschossen worden: „ehedem war es besser, da kugelten die Kerle, daß cs eine „Freude anzusehen war." Die alten Spartaner waren jedoch noch schlechter als diese Türken, denn dic Ephorcn ordneten sogar öffentliche Heloten, oder Sklavcnjagdcn an. Junge Spartaner, um sich im Niederstoßen zn üben, er. hielten den geheimen Befehl ,.Kryptcia", sich mit Dolchen zu bewaffnen, auf dem Fcldc und auf dem Lande die Heloten zu jagen und sie damit umzubringen. Die Heloten wurden zwar vor diesem Bairamfeste gewarnt, aber nur, um die spartanische Jugend in dcr List und Gcschicklichkeit, des Feindes habhaft zu werden, um so mehr zn üben; eine Grausamkeit als Folge dcr Lyknrgisehen Gesetzgebung. Ältich dort mußten die Argivcr und die unglücklichen Messender Künste, Handwerke und Feldbau betreiben, uud einen Antheil ihres Erworbenen abgeben, gerade wie es jetzt dic Türken von ihren Heloten, den Griechen, cinfodcrn; so geht die Blutschuld der Vorfahren auf die Nachkom-men über! Dcr Arzt Giovanni kam cincs Tages in das Haus des Consuls, und erzählte: dcr Girapctrite (welcher sich bey Gcorgi's Gcfangeunehmung so thätig bezeugt haitc) bcsindc — 5o3 — sich Hußersi übel, und bäte, ich solle seine Behandlung über« nehmen, denn vom Domcniko verspreche cr sich nichts mehr. Binnen einem Jahre hatte er ihn acht und zwanzig mal salivircn lassen, so daß cr der Sprache bcranbt, Anwartschaft auf die Röhrcnschwindfucht bekam; endlich war cr genöthigt ihm Abends Opium mit Moschus zu geben, Tags darauf aber gab cr ihm cin so heftiges Brechmittel, daß der Hieras in die Hypcrcmcsis verfiel, bis 2 Uhr Nachmittags damit zubrachte, und fast erschöpft den Geist aufgeben wollte. Der brave Giovanni wußte sich zu benehmen, legte ihm kalte nasse Tücher auf die Magcngcgcnd, brachte Luftpulvcr und beseitigte das gefährliche und übermäßige Erbrechen. Dieß bewog ihn, den Giovanni zu ersuchen, in das Haus des französischen Consuls sich zn begeben, und diesen in seinem Namen zu bitten, cr möchte vermitteln, daß ich des Vorhergegangncn nicht gedenkend seine Behandlung übcrnäh-n.e. Kaum hört' ich es, so war mein Groll verflogen, mein Feind bat mich ja um Schonung und Hülfe; ich ergriff,, da keine Zeit zu verlieren war, schweigend den Hut, und wollte gehen, denn cin Doctor „Sangrado" war im Spiele, und da gilt kein Scherz! Mein eben war noch der Missionar Padrc Tomaso anwesend; dieser stand auf, vertrat mir den Weg, und sagte zu mir: „Nicht voa der Stelle, ich werde „diese Angelegenheit besorgen. Geht, sagte cr zu Giovanni, „zu ihm, und richtet ihm von mir aus, daß Herr Sicber „seine Wohnung nicht eher betreten werde, als bis er die widerrechtlich an sich gebrachten 5o Piaster den Brüdern „dcs Georgi zurückgestellt haben wird; dann aber wird Herr „Sicher dnrch die ganze Zeit seiner Anwesenheit uncntgeldlich „ihn besuchen, und sich ein Vergnügen daraus machen, „Schlechtes mit Gutem zu vergelten". Giovanni entfernte sich. „Voi", sprach dcr Kapuziner mit edlem Msiande zu mir; »Voinun guai^to M21 VQ5l.ro Konare." ,.IHr seht nie — 5o4 — ,,aufeure Chre, wäret ihr hingegangen, man hätte euch für „charakterlos gehalten und verspottet, denn Chrisicnlie-„bc kennt man nicht! Ein Arzt muß ehrenvoll gerufen, und „vorhergehende Mißverhältnisse müssen ausgeglichen werden, „sonst glaubt man, er thue auf seine eigene Achtung Verzicht. „Man kann deßhalb immer Nächstenliebe pftegcn, aber von „seiner Ehre muß man auch kein Haarbreit ablassen"! Der Hicras, Bischof von Girapetro, wollte sich indessen zu keiner Ehrcnlcisiung bequemen, und sagte: 5aaa Piaster, aber diese 6o nicht! Ich war nun gebunden und mußte zusehen, daß er immer schlechter ward, bis ich abreiste. Das Merkwürdigsie bey der ganzen Verhandlung war mirDomenikos Verordnung, AbcndsOpl'um mit Moschus und des Morgens ein Brechmittel bis zum Geistaufgcbcn! — Das klingt ungefähr so wie: Aderlaß und Belladonna. DerPadre Tomaso hatte mir tüchtig den Tcrt gelesen, das ist wahr, er hatte aber auch Recht! Ucbcrmaßigc Güte ist gar keine Güte, sondern gränzt nahe an Charakterlosigkeit. Gabe man auch das letzte Hemde her, sie federten noch den letzten Fetzen, der die Scham bedeckt. Als Christ hatte er aber Unrecht, und als Kapuziner hätte er gar nicht so sprechen sollen. Ehre ist ein Phantom und sogar ein Unding; wo es sich auch nur um das Leben eines einzigen Menschen handelt, soll Ehre, in so fern ich den Padre Tomaso recht versiehe, wenn von einer beleidigten Ehre, demnach von gekränkter Eigenliebe, also Rachgieroc die Rede ist, ganzlich schweigen, und das Mitleid walten. Der französische Consul meinte selbst auch, ich sollte abwarten, bis Giovanni wieber kamc; ich wartete, aber er kam nicht wieder. So mußte ich, bey dem bcsicn Willen von der Wclt, wegen elender üa Piaster die mögliche Wiederherstellung eines Kranken unterlassen. Endlich gingen, die Geschäfte zu Ende, und am ersten November brachen wir nach Gortyna auf. ' Der Ariad- — Su5 — ncischc Faden, der so lang war, dass wir die Breite der Insel Kreta damit hatten ausmcsscn,können, lag in mehreren Gewinden in cincm Tornister, dessen zweyter Sack auf der andern Seite des Maulthicres hing und voll von Wachslichtern steckte, die das Gegengewicht ausmachten. Ich setzte mich mitten darauf, ließ die wenigen mir noch übrig gebliebenen Effekten aufschnüren und erwartete ungeduldig den französischen Consul, dessen zärtliche und liebevolle Gemahlin sich selbst auf diese kurze Zeit von ihm nicht trennen konnte. Herr Laflcchelle machte dicsc Lusipartie mit, doch Giovanni, einer der biedersten und unstreitig der gebildetste der Einge-borncn, konnte semeZusagc nicht halten. Gadcm'Aga, der Ianitschar oder die Ehrenwache des Consulats, ritt durch die Stadt voran. Die Blutflecken warcn an den Stellen, wo die drcy Leichname gehangen hatten, noch nicht verwischt, und Schauer ergriff mich bey der Erinnerung ihres schrecklichen Todes; fort eilte ich aus einer Stadt, wo es so schwer hält, ruhig seine Geschäfte zu besorgen, seiner Habe und ftincr Mcnschcnrechte sicher zu seyn. Wo menschenfreundliche Gesetze herrschen, genießt man das vom Schicksal Vergönnte mit ruhiger Behaglichkeit, und kann der Armuth helfen, da man selbst zn verarmen nicht befürchten mußt — Der Weg schlangelte sich das Gcbirg hinan, übcrDaph-ncdcs, Avicnici und andere niedlich gelegene Dörfchen auf dcm Kamme, welcher von dem Ida nach dem Lassitischcn Gebirge zuläuft; kaum hatten wir gegen 3 Uhr Nachmittags die Anhöhe erreicht, so lag auch schon Gortyna's wcitschich, tige Ebene vor uns. Der Herbst hatte sie ihrer Rcitze, aber nicht ihrer Vorzüge beraubt. Dinge, welche der folgende Augenblick wieder gibt, sind nicht verloren! Alle Feldarbeiten ruhten, das sämmtliche Landvolk beschäftigte sich jetzt mit der Olivcitmttc, denn der rauhe Nordwind schüttelte oic Oclbaumc so heftig, daß viclc Acsic abgebrochen umhcr la- 5uti gen. Auf cincm AbHange zog sich nun der Weg nach Agius-Dcca (zehn Heiligen), cincm kleinen Dorfe, welches cms den Ruinen des östlichsten Theils von Gortyna gebaut ist. Links fand der Consul, sogleich beym Eintrittc in dieses Dörfchen, einige Marmorsäulen, welche an einem alten Gc-bände angebracht waren; bey näherer Untersuchung fand sich ein alter Tempel mit cincm antiken Pavimcnt und Säulen, welche einen Estrich trugen, und das Ganze, von dem man anfangs nicht wußte, wozn es diene, klarte sich bald auf, dcnn es war die Kirche dieses Ortes, dcrcn Eingangsthür aus Horden bestand. Die höchste Armuth, gepaart mit dem größten Fleiße, sie zu verdecken, leuchtete aus allen Winkeln hervor; jetzt gewahrten wir zu unserm Erstaunen den armen Papa, welcher diesem nn'tlcidenswcrthcn Zustande des Gebäu« des vollkommen entsprach und derselbe war, dem der Consul eine halbe Stunde früher eine Gabe gereicht hatte, indem sein Anzug dieses rechtfertigte. In der ganzen Christenheit kann es keine so armselig dotirte Kapelle geben, als diese Kirche es war. Ueber die Beschaffenheit, das Al< ter, den Werth der vorhandenen Trümmer im Gespräche begriffen, nahten sich uns einige Türken und sprachen uns griechisch an; da wir im Augenblicke nicht darauf achteten, fanden sie sich zu der Aeusserung bewogen: „Lautci Engländer, „die unsere Sprache nicht verstehen", worüber brav gescherzt wurde. Dcr Angesehenste im Dorfe nahm uns in seine Wohnung stillschweigend auf, überzeugt, dasi er war. ten müsse, bis der Ianitschar angekommen seyn würde, der die Pftrde unterbrachte. Hcrr Laflcchellc brachte ihn m eine noch weit grösicrc Verlegenheit, indem er ihn türkisch anredete, welches er selbst als Türke nicht vollkommen sprach. Endlich wollte sogar jemand in arabischer Sprache sein Urtheil über den Zweck unsereolHicrscyns, und zwar in unserer Gegenwart fällen, wurde aber vom französischen Consul, ci- — bo? — „cm . maligcn Zögling des orientalischen Instituts zu Paris, cines Bessern belehrt. Dieß verschaffte uns cinc um so aus, gezeichnetere Aufnahme und Befriedigung aller unserer Wünsche. Den Abend wurde ausgeruht, einige Gänge »n die Nahe gemacht, und die Trümmer Gortynas in Augenschein genommen. Noch sind viele Mauern siehcn geblieben, welche jetzt Gartenmauern bilden, die bebauten Platze aber sind Ackergründc geworden. Von den Trümmern ist jetzt wenig mehr übrig, nur ein einziges Thor steht noch. Die Säulen aus Granit, Porphyr, Serpentin und Marmor sind von den Türken fortgeschafft worden, und man sieht sie in den Landhäusern der Vornehmen in der Nahe zerstreut zu verschiedenen Zwecken verwendet, selbst die Zieacl werden abgc. brocheu und weggetragen. Platte Steine finden leicht einen Käufer, und selbst viele der Inschriften, welche BelluS, Tolirncfort, Pokokc aufgezeichnet haben, sind nicht mehr. Mau findet noch jetzt Trümmer von dem opalisircndcn antiken Glase, Siegelringe, silberne Münzen von Rhodus, Gnossus, Dclos und Athen, welche nach ihrer Kehrseite leicht zu bc< stimmen sind, dann Stücke von Grünporphyr, rothem ägyp« tischen Porphyr, purliäl, r««»« muicn genannt, und mehrere, andere Steinartcn, welche die Alten zur Vcrziernng ihrer öffentlichen Gebäude mit vielem Klmsiaufwandc kommen liessen; parischcr Marmor ist hier gemein. Die Stadt mag unter dic vorzüglichsten im Alterthume gehört haben; sie war die machtignc der Insel, blicb, so wie Inseln überhaupt, frey von Invasionen größerer verwüstender Armeen, erhielt sich darum länger als andere, und wurde erst durch Metellns zerstört. Indeß sind die Beschreibungen von ihrer ausicrordcntlichen Pracht übertrieben, und der ganzen Anlage uach kann ich den alten Kretern jenen crhabcncn Styl in ihren architektonischen Wcrlcn gar nicht zuschreiben, durch welchen sich dic Ruinen Griechenlands auszcich« — 5c>8 — nen. Die alten Kreter scheinen außer dem berühmten Tem« pel zu Polyren, welchen Herodot und Polybi us st ungcmcin loben, und der eigentlich von den Samicrn und durch gricchischcArchittktcn erbaut wurde, nichts besonderes besessen zu haben. Die Städte scheinen kleiner und in einem minder wcitläuftigen Plane, als das neu erstandene Pompeji gebaut zu seyn. Inseln, welche keine große Gründe und sich weit erstreckende Ländereyen besitzen, können auch keine so beträchtlichen Städte aufnehmen, wodurch das Continent sich so sehr auszeichnet. Vieles von diesen Ruinen fallt in die spätern Jahrhunderte; anßcr dem Bogen, der noch sieht und der Eingang zu einem alten Tempel zu styn scheint, sieht man einige Spuren bon Wasserleitungen. Das Schloß der Gortyncr, mchrcres einzelne Maucrwcrk, dessen Zweck man nicht absieht, und Ucbcrblcibsel der bessern Gebäude von Gortyna sind noch vorhanden. Die Einwohner nennen diesen Ort Chctina, inzwischen sind sie nun auch schon vom echten Namen desselben unterrichtet und nennen es häufiger Gortyna. Es liegt im Thalc, welches man Mcssarah und die Einwohner Mcssaraitcn nennt. Die dortigen Türken haben den Ruf einer vorzüglichen Rohhcit. Unser Wirth hatte in sei-ncm Schlafzimmer, welches an drey Seiten ins Freye ge-baut war, sieben Schießscharten, sogar in den Ecken seines Zimmers trichterförmige Löcher, deren äußere Mündung blos drey Zoll Höhe, dcr Spielraum aber fünf Zoll betragen konnte, um mit dem Rohre seinem Feinde nachzuzielen. Zwey sehr ftsie Thüren dürsten kaum einsprengt werben können. So halten sie sich in ihren Häusern gleichsam vcr« schanzt, und spielen sogar manchmal zum Scherz cmcn Par« tcykricg mit leeren Patronen- Die Griechen sind dort am meisten bedrückt und sehr arm; die Ebene ist aber ungcmein fruchtbar. Leidet die Insel Mangel^an Getreide, so holt man cs aus Mcssarah; wenn dort kcins ist, dann tritt die — 5c,H — Noth erst ein. Hagius Deca ist cm unbedeutender Ort von weuigcn Häusern. Gortyna entstand weit spater als Gnossus, welches von Minos erbaut wurde. Minos baute auch.Phästus, das von den Gortyniern spater zerstört und nach Strabo mit Gortyna vereinigt wurde. Gortyna mag von Gortys dem Sohne des Rhadamauthus herrühren, welcher sie später nach Minos Regierung gründete. Wahrend der Regierung der Könige bis zum Trojanischen Kriege durste sie nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, und Gnossus, weit ansehnlicher, die Residenz der Könige gewesen seyn, allein da nach dcm Tode des Idomcncus, des letzten Königs von Kreta, diese Iuscl in lauter kleine Frcystaaten zerfiel, welche vou eignen Ep hören, hier Kos men genannt, regiert wurden — die indeß wohl auch zu der Könige Zeiten schon vorhanden seyn mochteu — und nur durch das Gesetz des Syncrctismns vereinigt waren, so mag sich damals erst Gortyna zu jener Höhe, uud zu dem großen Ansehen geschwungen, Phästus zerstört, Nhytinm, Bauens, Lcbc-na, Matala und viele andere Städte und Häscn an sich gc, bracht, uud wegen der Fruchtbarkeit der Ebenen auch die mcistcu Einwohner besessen haben; daher ,'hr zunehmender Reichthum und ihre spatere Obergewalt. Hannibal lau» dctc daselbst mit seinen Schätzen, welches ihn der Nachstellungen seiner habsüchtigen Feinde wegen in große Gefahr brachte. Er traute der Redlichkeit der Gortynicr nicht, und entzog sich ihrer Untreue mit List. Die Statuen seiner Laren füllte er mit seinen Schätzen, Gefäße mit Bley hingegen überzog er an der Oberfläche mit Gold und stellte letztere in den Tempel der Diana zur Aufbewahrung hin. Die Kreter dadurch getäuscht, ließen ihn mit sciucu Schätzen fortziehen, und wurden erst später den ihrer Treulosigkeit gespielten Betrug gewahr. 5-0 Als sich Rom das Protektorat über dic erzwungenen Bundsgcnosscn anmaßte, schlichtete der Senat limnche Streitigkeit zwischen den kleinen Freysiaaten durch abgeschickte Legaten, deren Aussprachen man sich unterwars. Noch immer blieb aber Gortyna mit den übrigen Staaten, zwar nicht unabhängig, doch frey. Nach mehrcrn vergeb, lichen Versuchen sic zu erobern, nahm sie endlich Mctcllus ein, verwüstete die Insel und zerstörte ihre meisten Städte, doch blieb sie bis zum Einfall der Saracenen befestigt u:^ bewohnt, indem unter den Städten Kretas allein Gnosis und Gortyna denselben Widerstand leisteten. Beyde Städte müssen indeß nach Erbauung von Chandace, dem jetzigen Candia, vorzüglich deßhalb in Verfall gerathen seyn, weil man der häufig vorfallenden Kriege wegen besonders befestigter Platze bedürfte. Zu den Zeiten der Kreuz, zngc gcricthen sie völlig in Verfall und als die Ve-netiancr die Inscl besetzten, gaben sie ihr eine ihren Vorihei» lc gemäße eigne Verfassung. Der Apostel Paulus setzte zum ersten Vischoffc von Gortyna und der Insel Kreta einen gewissen Titus ein. Der Metropolit oder Erzbischoff von Gottyna nennt sich daher auch Primas von Europa! Die crjbischöfiiche Kirche befindet sich noch hier und ist sehr wohl erhalten; die Einwohner haben sie gewissenhaft verschont, dagegen sind sie mit den heidnischen Ucbcrbleibscln um so barbarischer umge« gangen. Ueberhaupt sind die Städte an der Südseite der Insel besser erhalten, jene der nördlichen beynahe ganz vertilgt, weil die politischen Veränderungen und Kriegsbege« bcnheitcn seit den Zeiten der griechischen Kaiser fast aus-schließlich an der Nordküsic sich zutrugen. — Dcs andern Tages am 2. November beschlossen wir, uns in das Labyrinth zu begeben. Wir gingen längs dein Thale westlich eine kleine Stunde abwärts und wendeten uns 5': i rechts ab in die Höhc; mittcn in dcn Feldern am AbsMqc dcr Hügcl wurden wir cine unbedeutende Ocffnung gewahr, welche halb mit Erde verschüttet und mit Steinen verlegt, in die crsic Höhle des Labyrinths führte, wclchcs auf dcr XIII. Kupscrtafcl dargestellt ist. Eine bedeutende Anzahl von neugierigen Türken folgte uns, keiner aus ihnen wußte aber den innern Eingang in dieselbe, und cs hatte den Anschein, dasi sie andere Zwecke vermutheten, weil sie Wachskerzen, Bindfaden, vorzüglich aber cinc Voussolc gewahr wurden — sic wollten nämlich Antheil an dem zu hebenden Schatze nehmen. Jeder von ihnen verlangte ein Wachslicht. Für meine Leute waren fortwahrend vier Stücke nothwendig, um darin Punkte auszusieckcn, zu figuriren, zu messen uud jeden Pflock mit einer brennenden Kerze zu versehen, um nach dcr Lichtflamme visircn zu können. Die Arbeit schien sich chcr zu vermehren als abzunehmen, und ich könn« tc kaum hosscn vor 2 Tagen fertig zu werden. Ans der Cingangshöhlc geht der Gang links ab, m das sogenannte blinde Labyrinth, so wie cs die Karte ausweiset? man kehrt aus einem jedem dieser Gange auf denselben Ort zurück. Der französische Consul Herr De Vassc benannte alle einzelne Theile des ganzen Labyrinths in seiner Sprache, um die Brauchbarkeit des Planes für jeden Reisenden zu vermehren, und ich bin ihm in die« str Hinsicht gefolgt. Die Emgangsgrottc nannte derselbe: I.ll grotty z,remi(^o; diese hat 2 Abtheilungen und bey « ein niedriges rundes Loch von einem Schuh im Durchmesser, durch w clches man mit vieler Mühe in den ersten Saal des kleinen Labyrinths, la «all« ä'^doicl, gelangt. Gemeiniglich verlaßt man diesen Weg und verfolgt das offene Thor bey d, wcl. chcs 7 Fuß breit in das blinde Labyrinth, uiiöe ll-om^oi»«!?, zu gehen einladet. Bey « kommt man in den cui clo »ar, aus welchem eine jetzt verrollte Oeffnung bey ä zu Tage — 2i3 — ausgehet. Diese »M« ti-nm^e,,»« endigt sich nun in drey Arme, von denen der erstere bcy « schon an dcm Ackcrgrun» de zll Tage anstößt, daher nicht weiter geführt wurde; dic beyden letzten Arme, le» äeux dia«, endigen sich gleichfalls in den Sandsicinfelscn; am rechten sieht man eine Treppe aufwärts steigen, welche wieder den Ackerboden berührt, durch welche Oefflmng, die nun verschüttet ist, wohl ohne Zweifel die Steine herausgeschafft wurden, der zweyte Arm siößt dagegen an den Hauptgaug und seine Bearbeitung wurde eingestellt. Hier bcy l arbeitete man höchst wahr. schcinlich in dieTicfc, denn man findet bisg alles mit Abfallen von Handstlickcn der daselbst bchaueneu Sandstcinquadcm versetzt. Zu bcydcn Seiten der Gänge sieht man Bänke von Bruchsteinen, die man zur Neinhaltung der Bahn auf, schlichtete, die Bahn selbst war für die Arbeiter zum Zu« lind Abfahren nothwendig, und Bclon mag nicht Unrecht haben, wenn er Gleise gesehen haben will. Tournc so r t, der seinem genialen Lanosmannc widerspricht, glanbt sogar, diese natürlichen Gange haben äeg pei-sonne» curieu»^ aus Licbhaberey gangbar, pr.ii.icMe, gemacht, indem sie die cngcu Passagen erweiterten. Diesem jedoch widerspricht die gar keinem Zweifel unterliegende Aushöhlung der Stellen, wo guter Sandstein vorkommt, die regellose Erweiterung der Gange, die von ausgchobncn Quadern unverkennbar zurückgebliebenen Spuren und Einschnitte, und der in allen Merkmalen mit einem jeden Steinbruche und Raubbau übereinkommende Charakter dieser plan - und regellos angelegten Stollen in einem tauben Sandsteingcbirgc. Nachdem man vergeblich den Eingang zum eigentlichen Labyrinth gesucht hat, wird man ihn endlich hoch oben in einer dunkeln Ecke bcy II gewahr. Man sicigt am Gerölle ungefähr 2° empor, schlüpft durch ein regelmäßig ausgemeißeltes Pförtchen und tritt in den Vcrbindungsgang, c^. 1-iäor äe3 conimi,miclli,Ls)N8, hinein. Bald darauf findet man rechts und links 2 gleich grosie Kammern, aus denen Quadersteine ausgeschnitten wurden, wie man cs deutlich sehen kaun. Der Boden selbst ist mit abgesprengten Stücken vom Zuhauen der kubischen Sandsteine bedeckt, so wie man cs jeden Tag bey den Bildhauern und Steinmetzen sehen kann. 8 «st ein Pilaster, welchen man ringsum aus cbcn dem Grunde vom Fclstn absonderte, und ihn zur Stützung des Hangenden stehen ließ; links ab befindet sich ein gewun» dcncs Sackgaßchcn. Dieser Gang krümmt sich nun westlich ab und nimmt bey i den vom kleinen Labyrinth hcrbeygekommcncn Gang, (or. liäai- clu 1»i^ri,illi« 1'elii.) auf. Gemeinschaftlich setzen sich nun beyde fort, trennen sich aber bey K neuerdings von einander, der links abgehende sieht vermittelst der großen Pforte, la ßianäe pmle, bey I mit dem linken Ende des Labyrinths in Verbindung, der rechte läuft mehr gerade aus, geht durch die kleine Pforte, la xetile porte, und nach mehrern Krümmungen setzt er sich endlich bey n» mit dem rechten und vom Ausgange am weitesten entfernten Ende des Labyrinths in Verbindung. Beyde Ausarmungcn, des Labyrinths, die rechte und die linke, stehen von 1 bis m durch einen Verbindungsgang, ^oriiclor ä« 1' union, ,'n Berührung, wodurch man den großen Sandstock von k übcr l, in, n, v bis weiter zurück nach k umgehen kann, und welcher den Namen der großen Insel 1' I»1« ß'i»non äu <^i,ai, das Katzcnloch genannt, wodurch eine Person sehr unbequem hindurch schlüpfen kann und welches noch übcrdicß vier Fuß über dem Erdboden angebracht ist. Durch dieses Loch konnten füglich keine Baumaterialc her. ansgcschafft werden, dagegen findet man rechts in einem kleinen Seitengange eine Treppe, i'e«ca!i«r, vorzugsweise _ 5,5 — so benannt, welche mit mehr Sorgfalt gebaut, zmn Heraus' schassen des Bausteins dicntc, denn das Herausbringen desselben durch den ganzen Gang ware allzumühsam, und den andern daselbst beschäftigten Arbeitern allzuhindcrlich gewesen; durch das Katzcnloch ging es auch gar nicht an. Nach einigen zwanzig Schritten trifft man wieder eine Ver» ticfung in den Sandsteinfclscn, deren Decke von einem frey sichenden Pfeiler unterstützt wird. Diese Kammer erhielt den Namen C>I>2mWe 6e3 cliauvog gouris, die Kammer der Fledcrmäuse. Bey m vorüber trifft man auf eine ohrförmige Fclscnspalte, welche nun den Namen l/ureliis än Dominique, das Ohr des Domen ico, erhielt. — Müde langten wir im saUe äu ^o» an, und kehrten darauf zurück, um das äußerste Ende des Labyrinths i'^o^i, der Tisch genannt, zu besichtigen. An diesem ist es «n< vcrkcnnbar zu sehen, wie die Steinmetzen und Steinbrecher in ihrer Arbeit beschäftigt waren, ja sogar, wie und auf was für eine Art sie dieselbe verrichteten. Ganz und halb< zugehauene Quadersteine, Platten von beträchtlicher Größe liegen noch hie und da zerstreut umher, und ihre Heraus» schaffung mußte auf einem andern Wege Statt haben, welcher jetzt verschüttet ist. Bey dem Ohr des Domcnico, — einer von meinen Herren Gefährten selbst gewählten Benennung zu Ehren des Hrn. Domcnico, welchem alsCiciliancr cicsc Verewigung auf gleiche Weise, wie dem Diouys durch das noch jetzt bcstehcndeOhr zu Syracus, vorzugsweisezucrkanut war, kehrt man zurück, um durch den<'l)l^<.I»i' llo l/union am^ull« äu 5e«i,in und bey den zwey Wan dp fei lern, Ic5 l!e«!x ,ii1loi-5, vorüber in die K a m mcrn der drey Freunde, 1<8 ollümdre« äo» Uui» ami«) zu gelangen. Die erste Kam» lucr ^ ist wegen der mannigfaltigen Vorsprüngc und ihrct Regelmäßigkeit von ungcmcin gefälligem Ansehen. Die Kk 2 — 5.6 — Kammer 5 ist fast genau viereckig und regelmässig ausgemeißelt: die mittlere Kammer 6 dagegen erst aus dem Groben gearbeitet. Der 8aiie luurckve ist sehr geräumig und sehr hoch, ein Beweis, daß das Sandgebirgc sich hier erhebt, und man daher auch weit mehr abzuhauen im Etande war; hier fängt auch dcrSandsiein an, eine größere Härte zu bekommen. Am lielran^kwent, gn der Kaverne g« Iiie^o sieht man den unermüdetenFleiß dieser Steinbrecher, welche mitMei« ßelnund andern uns nicht mehr bekannten Instrumenten, ohne noch die Vortheile des Pulvers zu kennen, so mühsame A» beitcn unternommen hatten, welche in unserm Zeitalter Bewunderung erregen, wo der Bohrer dem Keile mit so über» wiegendem Nutzen vorgezogen wird. I- 5l/ — dem kleinen und großen Labyrinthe ausmacht, und bey i wurde der früher beobachtete Gang verfolgt, nachdem ein jeder Punkt des Labyrinths jenseit K untersucht worden war. Es kamen wieder dieselben Gange zm:i Vorschein, und die Bruchstücke der Quader-Abfälle waren so nahe an einander zu Banken geschichtet, daß kaum ein 2 Fuß breiter Spalt übrig blieb, um durchzukommen. Weiter hin erweiterte sich der Gang und durch eine Ocffmmg gelangten wir in die großen Säle, leg ßranäes »alles, oder.das kleine Labyrinth. Hier wurden ehedem die meisten Bausteine herausgehoben und einige Pilaster zur Stützung der Decke sogar von Quadersteinen erbaut. Aus den geräumigen Sälen gelangt man bey »in mehrere höhlen artige Behältnisse, Ie» caverne» genannt, dann an dem dik-ken Pfeiler, rilaztro lort, vorbey, in den ersten Gaal,i2 ^II« ä'^koi-ä, aus diesem durch die schmale Oeffnung bey a, wo man nur mühsam aufdcm Bauche fortrutschcn kann, wieder m die Eingangshöhlc, 1a promioi-o ßrotte» und kehrt somit von der so beschwerlichen Untersuchung des Labyrinthes au das Tageslicht zurück. Von außen her sieht man eine kleine Grotte, la petite grotte» hsy t, welche gleichfalls zur Gewinnung des Bausteins vor Alters angelegt und erweitert wurde. Der sämmtliche, falschlich mit dem Namen Labyrinth belegte unterirdische Steinbruch, eine Stunde von Gor-tyna, ist daher gegen die Meinung so vieler Schriftsteller kcineswegcs der Ort, wo man sich gefährlich verirren kann; wer diesen Plan zu Hülfe nimmt, bedarf nicht einmal irgend eines Führers und sey im Voraus überzeugt, sich auch ohne Plan nicht verirren zu konneu. Uedcrtricbene Vorstellungen erzeugen Furcht und hemmen die kalte Beurtheilung — cmcS Steinbruchs, von welchem schon Eon n ini, ohne da gcwcseu zu seyn, sehr richtig anführt, daß die unttrirbischen Ctciu- — 5i« — bräche von unermeßlichem Umfange, welche sich unter der Stadt Paris befinden, weit bewundernswürdiger seyn mögen, als jene von Gottyna. Dieser Steinbruch scheint in den spätem Jahrhunderten noch bearbeitet worden zu scyn, denn die alte Mctropolitankirche und andere neuere Gebäude sind alle von eben demselben Sandsteine, von wcl« chem ich zur Ueberzeugung ein Stück aus dem Labyrinthe mitbrachte, um es mit den Quadern genau zu vergleichen. In der ganzen Gegend ist kein offener Steinbruch, als blos dieser. Daß man aber eincn unterirdischen eröffnete, hat zur Ursache, weil Kreta wenig Aecker besitzt, welche man daher lim so mehr schollen mußt^, da sich die besten oberhalb den Gcbirgsartcn der spätern Bildungsperiodc treffen; der Sandstein durch Zerklüftungen, wo Luft, Wasser und Atmosphärilien leicht einwirken konnten, häufig verwittert, und in grosien Strecken, welche alle aufgedeckt werden müßten, als Baustein unbrauchbar ist. Man war daher genöthigt auch etwas entfernt von Gortyna und an etwas steilem Orten, welche ungeachtet der Mcinuug Tourncfort's hier gar nicht so unwegsam sind, einen unterirdischen Steinbruch bey der Eingangsgrottc in 2 anzulegen, wo der mächtigste Sandstcinfiötz zu Tag ausgeht, und ohne die Ackererde abzuräumen, zwischen den Klüfte» dem bessern Baustein nachzuspüren und, wo sich der beste fand, thätiger zu arbeiten, worans sich dann verschiedene Behältnisse formten. Man durchzog nun das Sandstcinfiötz, welches immer mächtiger wurde, mit Stollen, und zuletzt, als Gor-tyua vcrödct war, blieb diese ganze unterirdische Arbeit mit allen Merkmalen eines Steinbruchs liegen. Dasi es, wie Toumcfort meint, durch die alten Kreter, ein gebildetes und den schöncnKüustcn ergebenes Volk, möge crwei-ttttuuddl'c natürliche Vorbildung desselben zur vollkommenen Ausführung benutzt worden seyn, überlasse ich dem kuusigebildc« -- 5lI — ten Architekten sowohl, als dcmMincralogcn undGrognosien zur Beurtheilung. An diesem Steinbruche läßt sich kein Plan und keine Bemühung, durch Ordnung natürliche Anlage zu vervollkommnen und zu irgend einem Zwecke auszubilden, erkennen, und überhaupt zeigt die Figur auch nicht die g» ringste Achnlichkcit mit den bekannten kubischen Zerklüftungen des jüngsten Flötzsandsicins. Zwar heißt es in verschiedenen Werken, daß das Labyrinth vonKrcta,in Urkalk vorhandenst,), dieß aber wahrscheinlich nur deßhalb, weil die Höhle von Antiparos in Urkalk vorkommt, wclchcr vorzüglich dicst groteske Bildung von Höhlen und Klüften begünstigt,— ohne jedoch irgendwo auf Crcta angetroffen zu werden. Merkwürdig ist und bewunderuugswürdig die Eigen« schaft dieses Sandsteines, Zahlen und Buchstaben, kurz eine jede Figur, welche innerhalb des Labyrinths auf cinc Wand desselben mit einem Instrument eingeritzt wird, in einiger Zeit erhoben darzustellen. Die Vertiefung füllt sich mit einer weißen Masse, tritt immer weiter hervor, der Buchstabe oder die Figur erscheint in halberhabcner Arbeit, und der Grund dagegen wie vertieft zurücktretend. Dic< scs scheint von dem Kallmcrgcl, wclchcr dm Sandstein bc? deckt und von dem Wasser aufgelöst wird, dann aber durch die Klüfte des Gesteins hindurchfiltrirt, herzurühren. Die-scs Kalkwasser bleibt in der Spalte, vorzüglich in dem Ritze der Wand, den der Buchstabe bildet, hängen, gerinnt, oder scheidet den Kalkgehalt aus, der sich nach demselben Gesetze, wie die Stalaktiten, doch ungleich schwächer, verdichtet, uud so cutsteht mit der Zeit aus ei «gegraben er, eine her< vorstehende erhabene Schrift. Vorzüglich gerathen ist sie bey der Stiege, bey I<^5 ä«ux dras, wo die Iahrszahl i4<)7. vortrefflich, schr rein geformt und wie aufgetragen schien. Dicsc Schrift machte eine um so herrlichere Wirkung, weil sic auf schmuzig gelben Grunde von vlmdcno wcißcr — Ü2.5 meiner Rede die größte Freude bezeugte, und auch nicht dem geringsten Mißtrauen, so schlau er auch war, Raum ließ. Kaltblütig gab ich ihm den Brief zurück, sagte, er solle ihn aufheben, und ertheilte ihm sogar noch,— un< geachtet ich ersah, daß das Recht nicht auf seiner Seite war, einen guten Rath. — Was wollte er aber auch thun, wenn er gewußt hätte, daß ich ihn für seine Niederträchtigkeit mit einer Lüge bestraft habe? Ich hatte ein unge-meines Vergnügen, diese bey einem Prozesse so gefährliche Waffe in seiner vcrratherischen Hand gelassen und doch unbrauchbar gemacht zu haben. Die Adresse war griechisch geschrieben; ich sah auch, daß er sich ängstlich Mühe gab, mich zu verhindern, sie zu lesen; ich achtete da« her des Argwohns halber nicht darauf, obwohl mir deshalb der Name unbekannt geblieben war, was doch schr wichtig gewesen wäre: denn aus den Umständen zu schlic« ßen, befand er sich ganz gewiß auf der Inscl, aber niemand wollte etwas wissen, und daher blieb es mir ein Räthscl, das sich jetzt für ihn und mich so komisch gelöst hatte. Ich erzählte nun dem Kaufmanne den ganzen Inhalt Wort für Wort, und machte ihn noch obendrein mit den wahrscheinlichen Absichten seines Gegners bekannt, um seinen Rechts« Handel zu fördern; voll Freude sagte er nun, ohne doch den Brief gelesen zu haben: „Ey da muß ich meinem Bruder „sogleich eine Antwortschreiben!" welches ich, da es ihm lakonisch entfuhr, so drollig fand, daß er selbst mit mir dar« über lächeln mußte. Er führte mich nach der frugalen Mahlzeit einige hundert Schritte von seinem Wohnhausc, und siehe da, wir befanden uns unter den Ruinen einer al, ten Stadt, welche nach seiner Angabe Visari geheißen haben soll. Der Umfang war noch gut zu untcrsckcidcn, und gab jenem von Macrodico gar nichts nach. Mir zeigte er auf dcm Tcrrain, wo jetzt überall Acctcr waren, den Grundriß — 526 — eines Tempels, cm Privatbad mit der eingesenkten Wanne, die Rinnen und Zuleitungen des Wassers, Nischen und andere mit vielem Fleiß und Scharfsinn aufgespürte Gegenstände ; die Mauern sind jedoch fast ganz abgetragen. Wenn das Getreide dort sieht, sieht man keine Ueberblcibscl, und ohne einen Führer aus dem Dorfe würde man nichts gewahr. Vergebens fragte ich nach Inschriften, Alterthümern und Münzen, man hatte keine gefunden. Dieses Visa-ri scheint wohl das alte Subritum vorstellen zu können, denn Eleuthera ist ziemlich genau bestimmt, für Lappa oder Lam-pa spricht eine andere Gegend, nur Subritum wird aus dcu alten Klassikern nirgends recht klar, weil es mit andern im Context genannten an keine historischen Momente geknüpft ist. Altcrthumsforscher, denen ihre Wissenschaft alle Mittel an die Hand gibt, und welche Candia überall recht fleißig und forschend bereisen werden, mögen diese Zweifel lösen und berichtigen. — Mein Begleiter zeigte mir den hohen Ida, der sich senkrecht herabzustürzen schien, da ihm hier sein ausgebrei« teter Fuß ganzlich fehlte, daher sein Anblick sehr imposant war. Am schnellsten ließ cr sich von hier aus besteigen; der Kaufmann selbst, war vor kurzem oben gewesen, und ein oder zwey Tage fehlten, so wäre er mit mir auf dem Gipfel des Ida zusammengetroffen. Mich unterhielten die parallelen Schichtungen, welche von geringer Mächtigkeit^«,,!, vollkommen horizontal vom Gipfel bis zu uns herab deutlich zu se« hcn waren. Er zeigte mir das Thal, und ich mußte gestehen, daß, wenn alle Dörfer zusammengeschoben würden — eine artige Stadt daraus entstehen würde. — Die alten Kreter mögen indessen keine Dörfer, sondern wegen der im-merwährcndcn kriegerischen Verhältnisse blos Städte mit Ringmauern gehabt und zerstreute Landhäuser mit den Sklaven besessen haben — sonst, könnte ich mir.keincswegcs — 52/ --- erklären, wie Kreta Helatopolis, „die hunbettsiadtige" hatte hcisicn können, denn damals war dcr Handel noch nicht zu jcucm Grade der Vollkommenheit gelangt/ um auf einer Insel mehr Menschen beherbergen zu können, als sie selbst zu ernähren im Stande war. Wie ungefähr zur Zcit des Fausirechts die Ritter sich feste Schlösser in Deutschland bauten, so siedelten sich die freyen Kreter in festen Schlös» scrn, die sie Städte nannten, an, und beherrschten von da aus, wie jene Ritter, ihre für sie arbeitenden Heloten. Ich schieb von dem Kaufmann, eilte nach Assomatos, und brach des andern Morgens zeitig nach Rcttimo auf. Der Weg ging eine Stunde in der Nähe von Arkadi vor« über, und große Strecken fand ich hier wüste, die höchst wahrscheinlich ehedem bebaut waren. K08H I'uNiniuna 8i)i-engei., welche ich bcyTriest vor »Jahren gesammelt hatte , fand ich hier wieder. Scopoli hatte sie Ko»2 «en^erv^. ?eu» (?) genannt. Auch ^»I'lenlliin allianckun; ni^ruin sah ich hier das erstemal auf Kreta. Auf dem Wege erfuhren wir durch übereinstimmende Aussagen, in Rcttimo herrsche die Pest, nichts dcsio weniger ritten wir dahin. Es hieß, die türkische Amazone, die Rosako, wäre todt, dann noch jemand, und wieder Jemand. Das größte Unglück war aber, daß 3 Schiffe an der Nordküsic gescheitert waren, eins zu Candia, das andere zu Rcttimo, und das dritte später zu Canea. Am 2tcn und 3tcn November, eben als wir das Labyrinth untersuchten, wüthete ein heftiger Sturm, wind an dcr Nordküstc, riß in Candia ein vor dem versandeten Hafen gcankcrtcs Schiff los und schleuderte es an die Felsen. Hoch obcn war die Wohnung dcs Domcniko. Er hörte das entsetzliche Geschrey dcr Schiffsmannschaft, uud rettete durch seine Entschlossenheit zwölf Menschen das Leben. Er stürzte herab, tricb die Ianitscharcu auf, das Ha-fcuchor schnell zu öffncn, jagte die übrigen Schissleutc mit ü.ö Fackeln herbey, und rettete mit eigener Gefahr diese Unglücklichen, deren Schiff am andern Morgen in lauter einzelnen Trümmern daher schwamm. — „Da wir den Domcniko hier „abtreten lassen, freuet cs uns, eine ihm zur Ehre gereichende „That von ihm aufgeführt zu haben, um das übrige mit ,,dcmMantel christlicher Liebe bedecken zu können." — D«s zweyte war bey Rcttimo gestrandet, oder in der Schiffs« spräche, »i K2 invests, cs hat sich bekleidet. — Icr< borsten und lose wurde es im Ganzen versteigert, vom Käufer zerlegt und einzeln wieder verhandelt. Nach solchen Vorfällen pflegen? Kapitäns auf einem Schiffe zu seyn, weil ihn der andere aufnehmen muß, um ihn nach seinem Vatcr-lande zu fördern. Es gibt aber auch Schiffe, wo zwey Kapitäns commandiren, der eine davon heißt: ^iwnn öi Clilninanä«, und der andere ^itano äi LanäierÄ, dicß geschieht aber nur bey Schiffen, welche den Unterthanen der Pforte (Rajas), gehören, und, befreyt von allen Plak-kcrcyen und Avanien, in der Levante ungestört vortheilhaften Handel treiben wollen. Der Grieche verkauft zum Schein das Schiff an einen fränkischen Kaufmann, welcher nun ge< gen Revers als Eigenthümer des Schisses auftritt, und einen fränkischen Kapitän darauf setzt, der alle Papiere unter, schreibt und die öffentlichen Angelegenheiten besorgt. Privat, gcschäfte und das Commando des Schiffes -führt der cigent-liche Besitzer, der Grieche, oder ein anderer türkischer Un. tcrthan. Der erstere heißt nun ('^itano äi Lanäiera, Flaggen-Kapitän; ist der andere, der Besitzer, bloßer Kaufmann, dann führt der Cnpitano 61 Lanäie« zu, gleich auch das Commando. Dieses ist selbst den türkischen Behörden bekannt, allein gegen die Form, welche stets die strengste Legalität hat, läßt sich nicht verstoßen, und der türkische Douanicr runzelt die Stirn, wenn er statt 8 Proc. vom Werthe dcr Waare nur 3 Proccnt begehren darf. — Unglücksfalle ereigne» sich an der Nordküsie von Kreta sehr häufig, daher auch die beyden natürlichen Meerbusen von Suda und Capo Cidero, besonders der erstere, von großer Wichtigkeit sind, denn dort sind die Cchissc vollkommen sicher. Allein wenn oberhalb der Insel Stürme und heftige Winde herrschen, so ist die Südseite derInstl dagegen wind« still, und laufen die Schiffe an der Nordküsie Gefahr, so kommen sie südlich an der Insel gar nicht fort, und brau« chcn oft 20 bis 25 Tage, um ihre Länge zu passiren. Bald erblickte ich die See und siieg die Bergrcihcn ent-lang in das Thal herab. Des Erzählens von Stcrbcfällen in der Pest gab cs gar kein Ende, und in der Stadt war man nicht recht gewiß, ob diese Krankheit da gewesen sey oder nicht. Ein mächtiger Feind setzt alles in Schrecken, wenn er auch nicht da ist. In Rcttimo stieg ich in meinem alten Quartier bey Stchlianaci ab, besuchte den Dascalos Mctaxa, fand eine gute Gelegenheit und schussle meine Es« ,frktcn nach dem Dorfe Gogna oder Gouja, von wo aus ich übcr Caroti und das Gebirge nach dcm Armi'ro gelangte und m .Niochon'o das zweyte Nachtlager hielt; am dritten Tage gegen Mittag den loten November 1817 traf ich wieder in Ca< nca ein. Die Arbeiten wurden nun mit Thätigkeit gefördert, dle gemachten Sammlungen geordnet, Kisten, in welchen böhmisches Glas angekommen war, angekauft, mit Schiffs, thcer ausgcsirichcn, kalfatert, die Pflanzcnpackctc vor« sichtig hineingelegt und dann auf das sorgfältigste verschloss sen. Die übrigen Effekten warca zum augenblicklichen Fort« senden bey einer sich oft plötzlich darbietenden Gelegenheit zurcckt gelegt, und ich erwartete nun ci'nc schickliche Abfchrts. gelegcnhcit nach Alexandrien, denn die kalten unfreundlichen Tage schreckten mich vom langcrn Aufenthalte ab, und ich suchte cin fröhlicheres Land und eine angenehmere ' Iahrszcit. Meine hier übcrsiandcncn Gefahren, die immer» Erster Th«s. L l lehrende Unpäßlichkeit und eine gänzliche Äbfpa'.iliung dlr Kräfte/ welche aus fortwährenden Anstrengungen ohne alle Ruhe entsprang, hatte mich um allen frohen Muth, alle Laune nnd Theilnahme gebracht, alles verdroß mich, nur die Abreise nicht. Einen Spazicrgang machte ich noch auf das Cap Ma« leca» ich übernachtete zn Galangado unglücklicher Weist in ei' nem frisch angeworfenen und über Nacht ganz gesperrten Gemache, woselbst ein Haufe frisch und eben erst gelöschter Kalk aufgeschüttet war, des andern Morgens fühlte ich mich ganzlich abgespannt und entkräftet, ein dumpfer Kopf. schmerz, Schwindel, Mangel an allem Appetit traten ein, doch sirengte ich mich an, dicscr Unpäßlichkeit Meister zu werden, bestieg noch den Berg Skloka, der Charte wegen, die ich zu zeichnen hatte, besuchte auf dem Rückwege das Kloster Trinidad, und kehrte am »8tcn Abends vor Thorschluß nach Canca zurück, wohin uns Sturm, Platzrc« gen und Hagelschlag trieben. Wir traten eben in unsere Stube, als der Sturm das Fenster aufgerissen und über die sammttichcn Papiere den Regen peitschend hincinschleuderte» kaum konnte ich mit aller Kraft das Fenster zumachen, doch brach keine der scheiden wegen Gleichförmigkeit des Gegendrucks. Ich rettete d,V Zeichnungen vollkommen, trocknete meine Schriften, indeß mit nachlassendem Winde der Platzregen anf dem Estrich unserer Terrasse rauschend niederfiel. Cs entwickelte sich nun ein sehr heftiges Tertl'anficberj beym zweyten Anfalle, sechs Stunden vor dem Eintritt nahn, ich ein Brechmittel, wodurch ich ohne bedeutende Anstrengung in einen erquickenden Schweiß fiel. Beym Anfall dclirirtc ich und ging wie wahnsinnig herum, mein Zustaud war höchst qualvoll, da ich wohl wußte, daß ich phantasirtc, und was ich sprach für thöricht erkannte, allein nicht im Stande war, Herr über mich zu seyn. Durch das Brech, mittcl erschüttert, trat das Fieber immer um volle 6 Stun« : ?! ! den früher ein, und milderte ssch in den Anfällen. Cs kamen keine Delirien wieder; hätte ich dieses Vrcchmlttcl nicht zu mir genommen, so hatte mich diese lntermitten» lui-vat, beym zweyten v Hurrah dcr Matrosen flogen die Nu» der, wie die Flößen dcs Delphins vorgreifend, in die Höhe, und das Boot eilte zum Hafen hinaus. Meinen Freunden und Bekannten winkte ich zum nochmaligen Abschied cinLcbc« wohl zn und stand in kurzem auf dem Verdeck. Es wurde Mittag Malten, dann das Schiff scgclftr. tig gemacht. Wir verließen den Meerbusen von Cauca und die Insel S. Thcodoro, gemeinhin C. Odcro genannt, wo zu den Zeiten dcr Venetians cin scsics Kastell prangte, um dic dahin gcfiüchtctcn Schisse zu schützen und aufzunehmen, wcnn die Barbarcskcn und Osmancn sie abhalten sollten, wegen Gefahr in den Haftn von Canca einzulaufen. Die Mannschaft dcs Kastells dieser kleinen Felstninstl fiel als das erste Opfer bey der Eroberung dcr Insel durch die Türken: nachher Canca, dann Ncttimo, am spatesten die Stadt Candia und 2o Jahre darnach erst die drey Insclfesiungcn Suda, Spinalonga und Gradusa. Die letztere erhielten die Türken um cin Faßchcn Zcchincn von, Commandanten dieser Festung. Der Wind erhob sich des andern Tages, als wir längs der Nordküstc hinfuhren, welches mir die Zeichnung ihrcs Langenprofils erleichterte, das auf dcr Karte dieser Insel Taf. XIV. bemerkt ist. Dcr Wind erhob sich aus dcn Archipelagus und wir steuerten bey Santorin vorüber, nm, wie ich nachher erfuhr, einen Matrosen auszusetzen, dcr bey dcr besten Bezahlung dennoch nicht zufrieden war. Dcr Kapitän wollte ihn nicht nach Alexandricn mitnehmen, aus verschiedenen Ursachen, um dic ich mich nicht bekün?« inerte. Die Nacht anf dcn 27. November verstärkte sich dcr Wind, und wir komittn dcn Eingang in dcn Hafcn von — 53/ -^ Nl'o, nach dcm natürlichen Haftn ron Milo der sicherste und bcqucmsic fast im ganzen Archipelagus, niä?t finden. Der Kapitain lavirte äußerst geschickt bis zur Morgenröthe, wo wir sogleich den Eingang wahrnehmen konnten, und getrost einlenkten. Die Insel Nio ist eine artige Insel, und wie allc übrigen im Archipelagus, die Spitze versunkener Berge; riugshcrum steil, felsig und unzugänglich, hat wenig Acker» und Weinbau, und dic Einwohner ernähren sich fast sammt« lich durch Handarbeiten, besonders durch Stricken von Strümpfen, Handschuhen, Nachtmützen und Leibchen von Baumwolle, die sic hier zu diesem Endzweck am häufigsten anbauen, um sich damit in der übrigen Iahrszcit beschäftigen zu können. Es wird hier die braune Baumwolle vom 6n8^i)inin reUZiusnm, cinc Baumwollcnart aus Ostindien, mit Vortheil angebaut und verarbeitet. Kein Haus gibt cs, hinter dessen Fenstern nicht cinc Menge Strickarbeiten zum Verkauf ausgcbotcn hängen; man könnte füglich die besten Strumpfstrickerinncn von hier verschreiben, Kinder, welche kaum die Finger bewegen können, führen die Stricknadeln, und Männer sitzen in beträchtlicher Anzahl neben einander und stricken mit der größten Behendigkeit. Ich kaufte mir eine ganze Quantität dieses hier äußerst billigen Waaren« artikels zu meinem Bedarf für die Fortsetzung der Ncise. Ein Goldarbeiter zeigte mir cine bedeutende Anzahl daselbst gefundener Gemmen und Siegelringe, allein cr war mit dieser Waare überaus theuer, so daß cr nur von reisenden Engländern ein Angebot auf scinc Fodcrungen erwarten konnte. Außerdem ist die Insel Nio dadurch merkwürdig, daß sie der Ctcrbcort Homers ist. Hierüber stritten sich die Städte im Alterthume nicht, wohl aber sircbttn sie nach ocr Ehre zum Geburtsorte dieses berühmten Dichters erhoben zu wcrden: ein Vcwcis, daß die Menschen auch in den al-tenZcittn mehr Eitclkc itf als Liebe für das Vcr« dienst besaßen. — ö3S — Unser Kapitän war auf dieser Insel bekannt, wurde überall bcgrüsit und in die Wohnungen genöthigt. Ein Agent, ein Grieche von sehr einnehmender sanfter Gesichts bildung, sagte, daß er für Imperial i (Oestrcichisch - Kai? scrli'chc) die Geschäfte besorge, nöthigte mich zum Besuch, und bemühte sich uns durch Nachrichten, Mittheilungen und Erzählungen gefällig zu seyn? bey ihm wurde auch der Streit mit unserm Schisssvolk abgethan und ein Matrose verabschiedet, welcher auf der Insel zurückblieb. Der In. Haber des Schisses harte ci'nen Schcinkontrakt mit einem corfiotischcn Kaufmann abgeschlossen, welcher gegen Revers alS legaler Besitzer einen jungen Corfioten zum (^>t»,iu
  • Hlj — die kellte nichts als Brot, ein paar Oliven, trockene sim-. kendc Fische mit etwas saurem Wein ankaufen, und reich werden, da man ihnen außerdem auch nur halb so viel zahlt, als Andern. Es ist daher ganz klar, warum die griechische» Kapitäns die fränkischen Matrosen leicht verabschieden, weil sie fürchten von ihnen ihre Befehle weniger befolgt zu sehen, und eine doppelte Küche führen zu müssen. Sie fasten selbst recht fleißig, um diese Tugend auch bey den übrigen zu erhalten. Die griechischen Matrosen sind abgehärteter, williger und folgsamer auf ihrcn Schissen, und es ist unglaublich, was sie für angestrengte Arbeiten bcy der schlechtesten Kost auszuhalten im Stande sind. Die Abfahrt verzog sich unter immerwährendem Zanke bis zum ersten December, an welchem Tage mich das Fieber gänzlich verließ, nachdem es bey dem nächsten Eintritt hätte eintägig werden sollen. Ich kann für Fieberkranke unter den gegebenen Umstanden empfehlen, bey bewegter See sich auf mehrere Stunden in klcme Kahne zu begeben, welche leicht schaukeln, und so lange herumzufahren bis das Erbrechen kommt, welches bcy allmähligem Erscheinen durch alle Grade von Uebclkcitcn weit vorthcilhafter als das künst< liche Brechmittel zu wirken vermag. Unser Schiff durchstrich den Kanal zwischen Skarvathus undRhodus, kaum warcn noch dicGcbirge vouLasstti und die östliche Küste Kretas zu sehen.— Die Insel Rhoous hat sich stcts durch ihrcn Wohlstand und ihre Macht ausgezeichnet, und ihr ehemaliger blühender Zustand erneuerte sich wieder unter den Iohannitcrn, welche sie als Rhodistr besetzt hielten, bis sie erschöpft, ohne Beystand der übrigen christlichen Mächte, mit dem unerbittlichen Sieger der Osmancn kapitulirten, und später den nackten Felsen von Mclita, jetzt die Insel Malta genannt, vom Kaiser Karl dem V. zum Geschenk cr-hicltcn, welcher unter ihrcn thätigen Händen der bewohntste Punkt von ganz Europa und ein paradiesischer Aufcnt« halt wurde. Mir fiel Schillers Gedicht „der Kampf mit dem Drachen" ein, welches ich auf offener See, der aus den Fluchen cmportauchcndcn Inscl Nhodns gerade gegenüber sitzend, mit unbeschreiblich erquickendem Genusse über« las; noch mehr gefielen mir aber seine „Iohannitcr", die cr in seinem Feuer mächtig anspricht: Herrlich kleidet sie euch, des Kreuzes furchtbare Rüstung, Wenn ihr, Löwen der Schlacht, Mon und Nhodus beschützt, Durch die syrische Wüste den bangen Pilgrim geleitet, Und mit der, Cherubim Schwert sieht vor dem heiligen Grab. Aber ein schönerer Schmuck umgibt euch, die Schürze des Wärters, Wenn ihr, Löwen der Schlacht, Söhne des cdclsml Stamms, Dient an des Kranken Bett, dem Lechzenden Labung bereitet, Und die niedrige Pflicht christlicher Milde vollbringt. Religion des Kreuzes, nur du verknüpftest in Einem Kranze der Demuth und Kraft doppelte Palme zugleich! Wir hatten eine Menge verschiedener Glücksritter an Bord. Alle hatten sich in Nio eingeschifft. Einer wollte beym Pascha von Acgyptcn „Hofdrcchslcr" werden, der an-bcre spckulirte mit einer Kiste voll Strümpfen und Nacht, mutzen, welche cr bey ruhiger See auf den Seilen anband und lüfttte. Einige Paare, die ich von erstem noch zu haben wünschte, waren doppelt so theuer, als sie es kurz vor, her am Lande waren. ^ Ein Dritter sagte, daß seine Vase in Alerandricn gcstorben sey, und cr bis Kairo reisen müsse, um die Erbschaft allda zu heben. Er schien aber selbst, bevor er auf dieRcisc ging, stin Testament gemacht zu haben, und wenn Aegyvten, ein Zufluchtsort aller Lungensüchtigcii, ihn nicht besonders in Schutz nahm, so war zu vermuthen, — 54 l — daß er eln zweytes Testament zu machen genöthigt seyn würde. Die Absichten zu reisen sind sthr verschieden. Nur ein einziger von ihnen sprach: das heilige Land will ich sehen, den Boden küssen, und den Trost suchen, den ich vergebens in meiner Hcimath suchte; er war alt, dürftig und fromm. Auf allen bisherigen Seereisen vom engen adriatischen Golf bis hichcr hatte ich sicts in irgend einer Wcltgegcnd Land bemerkt, jetzt war ich aber mitten im Meere, der Himmel über mir und Wasser unter mir. Der Horizont der See verschmolz des trüben Wetters wegen unvermerkt mit der Atmosphäre und wir schienen in einer Wasscrkugel eingeschlossen zu seyn, die sich mit uns bewegte. Den 4ten December hatten wir den Süd-Westwind, Sirocco, welcher Regen brachte, und uns die Nahe Aegyptcns verrieth. Der Lauf des Schiffes änderte sich alle Augenblicke! der Kapitän mußte laviren, denn der Wind blies uns entgegen. Er hatte auf seiner Seekarte den Lauf des Schisses sicts sehr genau mit Wachsklümpchen angemerkt, und auf meine Frage, wie weit wir von Alcrandricn entfernt waren, immer konsequente Antworten gegeben. Dreymal des Tages ließ er die Palattc ins Meer werfen, den Schiffsfadcn abrollen, bemerkte dicIcit, bis er abgewickelt war, und berechnete daraus sehr fertig die Geschwindigkeit, mit welcher das Schiff sich bewegte, und den Weg, den es in jeder Stunde zurücklegte. Um ihn und seine Geschicklichkeit zu versuchen, berechnete ich selbst die auf der Karte sichtbare, noch übrige Entfernung von Alcxandricn, und ließ seine Arbeiten bis zu dcm Augenblicke nicht aus den Augen, wo wir Alcxan< drien selbst vom Masibaumc erblicken konnten, um den Rest des vorliegenden Weges mit seiner Angabc streng zu vergleichen. Allein mit Verwunderung bemerkte ich, dasi bey allcn den widrigen, abwechselnden und besonders ungleichförmigen Winden cr auch nicht um 5 Seemeilen gt' — ä42 — fehlt hatte, und genau den Ort bezeichnete, wo Alexanorien liegen mußte. Anders ist cs, wer zu Lande Reisen macht, und den Weg öfters wiederholt; auf dem Meere aber gibt es keine Gegenstände, welche er seinem Gedächtnisse anver, trauen kann, und er ist gezwungen, seinen Rechnungen allein zu trauen. Die Fahrt von Rhodus, hatte mir bey dem ruhigen Fortgleiten des Schiffes über die leicht bewegte See hinlängliche Zeit gegönnt, über den gegenwärtigen Zustand, sämtlicher, von den Iohannitern abstammenden Orden nach» zudenken, und einige flüchtige Wünsche in mir entstehen zu lassen. Schillers „Iohanniter" veranlaßten zuerst die Idee, die vorhandenen Abweichungen von ihrem Urstamme — zu ihrer ehemaligen reinen Bestimmung zurückzuführen, und zu versuchen, wie sie dem gegenwärtigen Zwecke unscrer Bedürfnisse mehr anzupassen waren. Die Iohannitcr. hatten den schönen Zweck der damaligen frommen Zeiten, die Pilger durch Wüsten zu geleiten, zu schützen, und die Kranken in den Spitälern zu pflegen, heldcnmüthig erfüllt; cs ware wünschcnswctth, zum Wohl der Menschheit, beydes neuer-, dings vereint zu sehen, den Bedürfnissen und harten Eltt« bchrungcn des Krieges entspräche ein solcher Orden voll» kommen, es würde ein militärisch-ärztlicher scyn, woman verpflichtet wäre, selbst zu fechten und die Verwundeten iu den Spitälern zu pflegen. Es schien mir sehr vorthcilhaft, die vorzügliche Achtung, die man dem Krieger schuldig ist, noch mit der ausgezeichneten Würde eines Arztes im Kriege, welchem die Gesundheit und das Wohl der für das Vaterland streitenden Helden anvertraut ist, angemessen zu vereinigen. Am Tage der Schlacht müsite der Arzt „im vollen Sinne des Worts", die Gefahr mit dem Krieger theilen, und ihm in jeder Noth beyspringcn, oft selbst dcu Degen ziehen, um den Verwundeten und Hülflostu zu v^r. theidigen, den er auch heilen soll. Ist die Schlacht vorüber, wo jeder an diesem heißen Tage Ermüdete sich der Ruhe er« gibt, selbst der Verwundete der Pflege und Wartung gc« meßt, beginnt statt Erholung erst die größte Mühe und Arbeit des Arztes, der, wenn er seine Pflichten treu üben will, der härtesten aller Prüfungen unterworfen ist. Die Krankenhäuser, angefüllt vonHülfsbedürftigcn, gönnen ihm keinen Schlaf und keine Rast, gefährliche Epidemien, wel< chc! sich entwickeln, drohen seinem Leben, und kaum hat er sich Ruhe zu erringen geglaubt, so beginnt ein neuer Kamps, der ihn wieder nicht so selten, als es scheint, den größten Gc< fahren Preis gibt. Es isieinnicht zu unterdrückender Wmisch, nach dem echten Vorbilde der Iohanniter und ihrer erhabenen Bestimmung, durch Vereinigung zweyer getrennten Gegen, stände das Vorhandene zu seiner Bestimmung zurückzufüh-ren, und dem militärischen Arzte jenes Anfthe» und jene Würde zu schenken, deren Ertheilung die Natur der Sache mit sich bringt. Nur durch Versicherung besonderer Ach" tung wird der gebildetste Theil der siudircndcn, sich dieser Bestimmung widmenden Jünglinge bewogen werden, sich die-sen, Zweige der Staatsvcrtheidigung mit aller Kraft zu er< geben, und manche Vorurtheile zu beseitigen, welche dic Gewohnheit, nachzubeten statt zu untersuchen, zu verbreiten pflegt. Auch wird dann manche Klage aufhören, welche man mit Recht zu führen glaubt. Nur der Ehrgeitz, der, wenn er befriedigt wird, alle Opfer willig darbringet, kami allein Alles das leisten, was dem vorliegenden Zwecke inc1i<5i.w und ei» ncn Haufen von Kunstwörtern, deren Gebrauch in der Nau» tik, wegen der Künstlichkcit ein Schiff zu regieren, welches aus so vielen und mannigfaltigen Theilen besteht, nothwendig ist. Ein Lootsc ist bey Alcrandrien sehr nothwendig, besonders im westlichen und neuen Hafen. Eine Reihe von Sand« steinfelsen, welche von der Halbinsel Ras-el-tyn, die zu beyden Seiten sich ausbreitet und daher H Häfen, den alten und den neuen, bildet, westlich bis an die Küste fortlauft, vom Meere zerstört und in Untiefen verwandelt worden ist, hat nur einen einzigen Paß, durch welchen die Lootsen jedes ankommende Schiff, auch wenn dessen Mannschaft schon oft durchpassirt wäre, hindurch leiten müssen. Bey hoher See, wo es den Lootsen unmöglich ist herauszukommen, darf sich auch kein Schiff nähern, denn längs der Küste, hart am Gestade, wo auch ein Durchgang ist, den Weg zu suchen, kann sich in diesem Fall niemand wagen, und das Schiff muß sich von der Küste zn entfernen oder im alten Hafen, der dem Wellenschlag nur bey Nordwinden ausgesetzt isi, eilliulaufen suchen. Die See gmg jetzt gerade so hoch, um noch Boote zu tragen. Man könnte indessen durch zwey