1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 9 RAZPRAVE IN ^LANKI Essays and Articles Stefan Weppelmann, Berlin DREI NEUE TAFELN VON SPINELLO ARETINO* “Tanto inclinato da natura all’essere pittore, che quasi senza maestro, essendo ancor fanciullo, seppe quello che molti esercitati sotto la disciplina d’ottimi maestri non sanno“, urteilte Vasari1 über den aus Arezzo stammenden Maler Spinello di Luca (1350 ca. - 1410). Durch dieses Paradigma vom naturbegabten Künstler3 umging er die Frage nach den künstlerischen Voraussetzungen Spinellos, denn diese konnte er aus der Aretiner Trecentomalerei nicht ableiten. Auch die nachfolgende Forschung beurteilte die stilistische Entwicklung Spinellos weniger im Kontext der Geburtsstadt des Malers als vielmehr in Relation zu anderen toskanischen Zentren.4 Dies änderte sich erst in * Für die Hilfe und Unterstützung meiner Arbeit möchte ich Miklös Boskovits, Angelo Tartuferi und Everett Fahy herzlich danken. 1 Giorgio Vasari, Le Vite de’ piü eccellenti pittori, scultori e architettori, Scritte da M. Giorgio Vasari etc., Firenze 1568 (ed. Gaetano Milanesi), I, Firenze 1878, p. 677. 2 Die wichtigsten Forschungsbeiträge zu Spinello sind: Luciano Bellosi, Da Spinello Aretino a Lorenzo Monaco, Paragone, XVI/187, 1965, pp. 18-43; Miklös Boskovits, Pittura Fiorentina alla vigilia del Rinascimento, Firenze 1975, pp. 141-147 und pp. 430-442 (Werkverzeichnis); Angelo Tartuferi, Spinello Aretino in San Michele Visdomini a Firenze (e alcu-ne osservazioni su Lorenzo di Niccolö), Paragone, XXXIV/395, 1983, pp. 3-18; idem, in: Sumptuosa tabula picta, Pittori a Lucca tra gotico e rinascimento (Lucca, Museo Nazionale di Villa Guinigi, 28. 3.-5. 7. 1998, ed. Maria Teresa Filieri), Livorno 1998, pp. 132-146. 3 Vasari charakterisierte die Lebensbeschreibung Spinellos mehrfach durch die gleichen Topoi, die auch die Vita Giottos prägen. Zu diesen Parallelen zählt der Mythos vom künstlerischen Genie, vom Maler, der bereits in frühester Kindheit Fähigkeiten besaß, mit denen er erfahrene Meister übertraf. Vgl. dazu Vasaris Ausführungen in der Vita Giottos (Vasari 1568, cit. n. 1, p. 370). 4 Crowe und Cavalcaselle sahen Spinello als Nachfolger des Jacopo del Casentino und des Bernardo Daddi (Giovanni Battista Cavalcaselle -Joseph A. Crowe, A new History of Painting in Italy, II, London 1864, p. 6). Nach Vitzthum ist das Schaffen Spinellos mit der Kunst des Andrea 9 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 10 RAZPRAVE 1. Spinello Aretino, Verkündigung, Arezzo, San Domenico jüngster Zeit dank einer gründlicheren Erforschung der Werkstatt des Andrea di Nerio, der als wichtigster, zwischen 1330 und 1370 in Arezzo aktiver Maler erkannt wurde. Verbunden mit der Erschließung seines Orcagna verbunden - eine Ansicht, die bis in die 1970er Jahre die favorisierte Richtung aller Bemühung um Anhaltspunkte für eine Bestimmung der stilistischen Eigenheiten des Malers blieb (vgl. Georg Vitzthum, Un ciclo di affreschi di Spinello Aretino perduto, L’Arte, IX, 1906, pp. 199-203). Andere Autoren unterstrichen den entschiedenen Rückbezug Spinellos auf Giotto (vgl. beispielsweise Millard Meiss, Painting in Florence and Siena after the Black Death, Princeton 1951, bes. p. 57 oder Pietro Toesca, Il Trecento, Torino 1951, pp. 649-654). Bellosi sprach dagegen die Bedeutung der Bologneser Malerei für die Evolution Spinellos an (Bellosi 1965, cit. n. 2, pp. 18-43, bes. pp. 21 ss.). Schließlich schlug Calderoni Masetti eine Prägung des jungen Spinello durch die Luccheser und Pisaner Malerei vor (vgl. Anna Rosa Calderoni Masetti, Spinello Aretino giovane, Firenze 1973 (Raccolta pisana di saggi e studi, 35), passim. 10 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 11 RAZPRAVE 2. Andrea di Nerio, Verkündigung, Arezzo, Diözesanmuseum (Euvres ist eine präzisere Darstellung der Aretiner Malerei des 14. Jahrhunderts ermöglicht worden. Dabei zeigte sich, dass das Schaffen Spinellos eine starke Prägung durch die Werkstatt Andreas erfuhr.5 5 Die wichtigsten neueren Präzisionen zur Kunst Andreas gaben unlängst Roberto Bartalini (I Tarlati, il „Maestro del Vescovado“ e la pittu-ra aretina della prima metä del Trecento, Prospettiva, 83-84, 1996-97, pp. 30-56) und Miklös Boskovits (Marginalia su Buffalmacco e sulla pit-tura aretina del primo Trecento, Arte Cristiana, LXXXVI/786, 1998, pp. 165-176). Für eine Abgrenzung der frühen Aretiner Werke Spinellos vom Schaffen Andreas vgl. Stefan Weppelmann, Andrea di Nerio o Spinello Aretino?, Nuovi Studi, IV/7, 1999, pp. 5-16 (hier auch ein Verzeichnis der Werke Andreas, pp. 15-16: Die Auflistung ist um eine Tafel der Slg. des Palazzo Venezia, Rom, zu ergänzen, auf die mich Andera De Marchi aufmerksam machte. Sie zeigt die Madonna mit Kind und die hll. Chri-stophorus, Kosmas und Damian. Dieses Werk ist derzeit irrtümlich Cri-stoforo da Bologna zugeschrieben). 11 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 12 RAZPRAVE Spinellos Verkündigung in der rechten Chorflankenkapelle von San Domenico in Arezzo (Abb. 1) dokumentiert exemplarisch die Relation beider Maler. Im Grundaufbau des architektonischen Rahmens, in der Haltung Mariens und in den physiognomischen Typen der Figuren ist das Fresko einem von Andrea signierten Tafelwerk gleichen Sujets verpflichtet (Arezzo, Diözesanmuseum, Abb. 2). Doch Spinellos Figuren fehlt jene Gefühlsregung, die der Begegnung der Gestalten bei Andrea innewohnt. Stattdessen sind sie spannungsvoller und direkter aufeinander bezogen, besonders in der massiven Körperlichkeit und entschlossenen Bewegung des Engels kommt dies zum Ausdruck. Das Zusammenspiel von Anatomie und Gewandung ist bei Spinello plastischer ausformuliert, und in der stärkeren Betonung der Verkürzungen des architektonischen Rahmens liegt eine Steigerung der tiefenräumlichen Wirkung. Diese Tendenzen setzte Spinello, der seine Auftraggeber zeitlebens in der gesamten Toskana fand, in seinen späteren Werken fort. Im reiferen Schaffen des Malers sind die architektonischen Kulissen elaborierter. Zugleich ist Spinellos Malerei jetzt von einer rascheren Ausführung geprägt, wie es beispielsweise in dem Freskenzyklus mit der Geschichte der hl. Katharina zu sehen ist, der Anfang der 1390er Jahre entstand (Antella, Oratorium, Abb. 3).7 Der Künstler trug die Farbe pastos auf, setzte dunkle Konturlinien zur Betonung von Gewandfalten und Figurenumrissen ein und kontrastierte Licht und Schatten ohne sorgsame Modulation, was vor allem für die Gesichter zutrifft (Abb. 4). Bei den 1408 gegen Ende seines Schaffens ausgeführten Fresken im Sieneser Rathaus, die in sechzehn Episoden den Konflikt zwischen Papst Alexander III. und Kaiser Friedrich Barbarossa zeigen,8 ist diese Vergröberung so weit fortgeschritten, dass Hände oder Gesichtszüge geradezu skizzenhaft wirken (Abb. 5). 6 Vgl. zu dem Fresko Anna Maria Maetzke, in: Arte nell’Aretino - Arezzo, Recuperi e Restauri dal 1968 al 1974 (Arezzo, Basilica di San Francesco, 1974-1975, edd. L. G. Boccia - C. Corsi - A. M. Maetzke - A. Secchi), Firenze 1974, p. 65, cat. 18 und Boskovits, cit. n. 2, pp. 142 u. 431 sowie Weppelmann, cit. n. 5, p. 10. 7 Zu dem Zyklus siehe den anlässlich der Restaurierung des Oratoriums veröffentlichten Sammelband L’Oratorio di Santa Caterina, Osservazioni storico-critiche in occasione del restauro (ed. Maurizio de Vita), Firenze 1998, darin bes. den Aufsatz von Miklös Boskovits, I Pittori dell’oratorio di Santa Caterina, pp. 47-50. 8 Vgl. Margaret Tavenner Rajam, The fresco cycle by Spinello Aretino in 12 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 13 RAZPRAVE Diese Charakteristika gelten auch für die späten Tafelwerke Spinellos, etwa für die nach 1400 datierbare Marienkrönung des Pisaner Museums (Abb. 6).9 Auch drei Szenen der Passion Christi (Abb. 7-11), die hier erstmals vorgestellt werden,10 gehören dieser letzten Schaffensphase des Malers an. Die ursprüngliche Herkunft der Fragmente ist unbekannt. Die Szenen der Fußwaschung (20.5 x 35.5 cm) und der Herabkunft des hl. Geistes (20.5 x 35.9) befinden sich derzeit auf dem Florentiner Kunstmarkt (Galerie Moretti). Das Teilstück mit dem Gebet am Ölberg (20.2 x 32.3) stammt aus einer Privatsammlung in Koblenz. Es wurde Anfang 2002 über die Münchener Galerie Riedl an einen Privatsammler in Landshut verkauft. Die Fußwaschung (Abb. 7) ist in einem kastenartigen, niedrigen Raum angelegt, der nach vorn zum Betrachter geöffnet ist. Christus, der eine rosafarbene Tunika trägt, kniet im rechten Vordergrund. Er ist über die Wasserschale gebeugt und ergreift den Fuß Petri, um die Waschung vorzunehmen. Der Jünger trägt einen leuchtend gelben Mantel und sitzt auf einer flachen Bank am rechten Bildrand. Die übrigen Apostel sind in zwei Reihen bogenförmig in die Raumtiefe gestaffelt. Beide Gruppen werden im Hintergrund durch die Figur des Johannes, der ein grünes Untergewand mit rotem Mantel trägt, zusammengeschlossen, so dass sich eine zum Betrachter geöffnete, halbkreisförmige Disposition der Apostel ergibt. Beim Gebet am Ölberg (Abb. 8-10) kniet Christus, bekleidet mit roter Tunika und dunklem Mantel, im Mittelgrund. Er wird von einem Felsen hinterfangen, der auf den Ölberg verweist und wendet sich betend einem Engel zu. Dieser schwebt aus der rechten oberen Bildecke zu ihm herab und reicht den Kelch. Links hocken drei schlafende Jünger am Boden. Das Pfingst-wunder (Abb. 11) findet in einem niedrigen Innenraum statt, von dem the Sala di Balia, Siena: Imagery of pope and emperor, Univ. Diss., Univ. of Michigan 1977 (UMI, Ann Arbor); Edna Carter Southard, The Frescoes in Siena’s Palazzo Pubblico, 1289-1539., Studies in Imagery and Relations to other communal Palaces in Tuscany, Univ. Diss., New York Univ., New York/London 1979, pp. 372-391 und Stefan Weppelmann, Spinello Aretino’s Canonization of Thomas Becket and Trecento Drawing Practice, Master Drawings, XLI/1, 2003, pp. 3-13. 9 Vgl. Boskovlts, cit. n. 2, p. 440 und Tartuferi, cit. n. 2, p. 17, n. 33. 10 Auf das Gebet am Ölberg wurde ich durch Everett Fahy aufmerksam. Angelo Tartuferi wies mich auf die beiden anderen Teilstücke hin. 13 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 14 RAZPRAVE 3. Spinello Aretino, Die hl. Katharina im Disput mit den Weisen des Kaisers Maxen-tius, Florenz (Antella), Oratorium der hl. Katharina 4. Spinello Aretino, Die Weisen im Disput mit der hl. Katharina, Detail (vgl. Abb. 3), Florenz (Antella), Oratorium der hl. Ka-4 tharina 14 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 15 RAZPRAVE 5. Spinello Aretino, Streit zwischen Papst Alexander III. und Kaiser Friedrich Barbarossa, Siena, Palazzo Pubblico nur die mit einem Stoff dekorierte Rückwand sichtbar ist. Maria, über deren Aureole sich das Zentrum des auf die Jünger herabreichenden Strahlenbündels befindet, sitzt in der Bildmitte. Auf beiden Seiten ist sie von den Aposteln gerahmt, die auf Bänken Platz nehmen. Alle drei Tafeln sind stark beschädigt. Sie wurden grob aus ihren ursprünglichen Rahmungen entfernt, wobei allseitig ca. 1 cm der Bildplatten verloren ging. Die Darstellung des Gebets am Ölberg wurde neu eingefasst. Teils ist noch die für Spinellos Werke typische Randpun-zierung sichtbar (Gebet am Ölberg, Pfingstwunder).11 Der Malgrund ist jeweils sehr stark abgerieben. Stellenweise sind große Fehlstellen vorhanden, die bei allen drei Stücken mit einem aus der Farbpalette der 11 Eine solche Punzierung findet sich an den Predellensektionen der beiden Altarwerke, die Spinello 1383-85 für den Olivetanerorden ausführte (siehe zu den Teilstücken in Parma die Abbildungen bei Luisa Fornari Schianchi, La Galleria Nazionale di Parma, Parma 1983, pp. 38-39). Vgl. auch die kleine Tafel des Art Museums in Springfield (Mass.), dazu Marvin J. Eisenberg, An altarpiece by Spinello Aretino, Art Quarterly, XXVI, 1963, pp. 298-307, oder das Predellenstück einer Kreuzigung Christi (veröffentlicht von Boskovits, cit. n. 2, p. 442, fig. 552). 15 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 16 RAZPRAVE 6. Spinello Aretino, Marienkrönung, Pisa, Museum von San Matteo 7. Spinello Aretino, Fußwaschung, Florenz, Privatsammlung 16 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 17 RAZPRAVE 8. Spinello Aretino, Gebet am Ölberg, Landshut, Privatsammlung 9. Spinello Aretino, Drei schlafende Apostel, Detail (vgl. Abb. 8), Landshut, Privatsammlung 10. Spinello Aretino, Christus empfängt den Kelch von einem Engel, Detail (vgl. Abb. 8), Landshut, Privatsammlung 17 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 18 RAZPRAVE 11. Spinello Aretino, Herabkunft des hl. Geistes auf Maria und die Apostel, Florenz, Privatsammlung 12. Spinello Aretino, Gebet am Ölberg, Rückseite (vgl. Abb. 8), Landshut, Privat-sammlung 18 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 19 RAZPRAVE jeweiligen Tafel ermittelten Mittelton geschlossen wurden (Strichelung). Die Darstellung mit dem Gebet am Ölberg trägt auf der Rückseite mit breitem rotem Aufstrich den Vermerk „No. 549“ (Abb. 12). Das Gebet am Ölberg wurde 2001 von Cornelia Syre (Alte Pinakothek, München) begutachtet und dem „Umkreis des Spinello Are-tino“ zuerkannt. Everett Fahy (Metropolitan Museum, New York) bestätigte diese Ansicht nachfolgend, hielt aber für denkbar, dass es sich um ein eigenhändiges Werk Spinellos handelt. Vom Doerner Institut, München, wurde eine Datierung um circa 1390/1400 vorgeschlagen. Nach Auskunft der Galerie Riedl (April 2002) wurde das Täfelchen als „Florentiner Meister der Jahre um 1390 (Umkreis des Spinello Aretino)“ verkauft. Auch Angelo Tartuferi, der die anderen beiden Teilstücke (bei Moretti) in Augenschein nahm, hielt diese für Werke des Spinello-Um-kreises. Nach Ansicht von Miklös Boskovits handelt es sich bei allen drei Fragmenten um eigenhändige Arbeiten Spinellos.12 Die Zusammengehörigkeit der Tafeln steht durch die Identität der Maße und Pun-zierungen sowie durch ihre ikonographische Verbindung außer Frage. An Spinellos Autorschaft ist nicht zu zweifeln - insbesondere ein Blick auf die Anlage der Gesichter in den für Spinello dokumentierten Sieneser Fresken kann die Zuschreibung nachhaltig erhärten. Beispielsweise ist dort das Gesicht eines Kardinals (Detail aus der Darstellung des päpstlichen Triumphzugs, Abb. 13) wie bei den Figuren im Pfingst-wunder (Abb. 11) von groben Konturen untergliedert, die Augenhöhlen und Lippenwölbungen sind durch flächige Schatten akzentuiert, ansonsten sind die Züge aber kaum weiter ausdifferenziert. Die ursprüngliche Herkunft der drei Fragmente ist unbekannt. Sie können derzeit mit keinem anderen Tafelwerk Spinellos verbunden werden. Das Format und die längsgerichtete Holzmaserung der Bildträger (Abb. 12) legen nahe, dass es sich um Teilstücke einer Predella handelt. Angesichts der erhaltenen Szenen umfasste diese vermutlich fünf, vielleicht sogar sieben Kompartimente, so dass folgende Disposition rekonstruierbar ist: Im Zentrum der Szenenabfolge dürfte die Kreuzigung Christi gestanden haben. Dieser gingen Fußwaschung und Gebet am Ölberg voraus. Eine derartige Sequenz macht auch das 12 Sowohl Tartuferi als auch Boskovits teilten mir ihre Ansicht mündlich mit (2002). 19 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 20 RAZPRAVE 13. Spinello Aretino, Kopf eines Kardinals, Detail aus der Darstellung der triumphalen Rückkehr Alexanders des III. nach Rom, Siena, Palazzo Pubblico Vorhandensein einer Abendmahlsdarstellung wahrscheinlich. Durch das Pfingstwunder würde die Narration fortgesetzt. Darauf müssten Auferstehung und Himmelfahrt Christi folgen. Für die ikonographi-schen und formalen Grundzüge der Kompositionen beschritt Spinello, wie es für die meisten seiner Werke gilt, kein Neuland. Vielmehr bediente er sich der in der toskanischen Kunst etablierten Schemata.13 13 Die Fußwaschung wurde in der Trecentomalerei eher selten dargestellt und kommt nur im Zusammenhang mit Passionszyklen bzw. Darstellungen der Vita Christi vor. Für eine ausführliche Studie der Darstellung des Themas von den Ursprüngen in der byzantinischen Kunst bis zu Duccios Version bei der Maestä des Sieneser Domes siehe Evelyn Sandberg-Vävalä La Croce dipinta italiana e l’iconografia della passione, I, Verona 1929, pp. 218-224. Der wichtigste, zu Beginn des Trecento die toskanische Malerei prägende Prototyp für diese Szene ist Giottos Darstellung in der Cappella Scrovegni, Padua (vgl. Giovanni Previtali, Giotto e la sua botte-ga, Milano 1967, 3. überarbeitete Aufl. bearbeitet von A. Conti, Milano 1993, tab. LIII). Diese Komposition, bei der Christus rechts im Vordergrund kniet und das Bein des vor ihm sitzenden Petrus am Fußknöchel ergreift, wird in der toskanischen Malerei zur kanonischen Formulierung des Themas. Auch beim Gebet am Ölberg bildet sich ein fester Kompositionskern heraus. Für die Genese der Ikonographie siehe ebenfalls die 20 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 21 RAZPRAVE zitierte Arbeit von Sandberg-Vaval`a, pp. 225-230. Christus kniet in der Regel am oberen rechten Bildrand, während ihm der herabfahrende Engel den Becher reicht (eine Ausnahme bildet die Szene in der Collegiata von San Gimignano. Hier kniet Christus, der Leserichtung des Zyklus folgend, im linken oberen Bereich des Kompartiments). Je nach Format wird die Komposition um mindestens drei, meist aber mehrere schlafende Jünger und um Felsformationen bereichert. Im Blick auf Spinellos Predellenteilstück siehe besonders die Szene unter den Passionsdarstellungen eines jüngst aufgetauchten Retabels von Tommaso del Mazza, die im Bildaufbau gut mit Spinellos Wiedergabe des Sujets vergleichbar ist (Vincenzo Buonocore, Una tavoletta inedita di Tommaso del Mazza proveniente dall’Etruria Pittrice del marchese Alfonso Tacoli-Ca-nacci, Arte Cristiana, XC/813, 2002, pp. 423-438, figg. 1 u. 4). Wegen der besonderen Verbindung zur Eucharistiefeier ist die Agonie im Garten später auch als eigenständiges Bildwerk gebräuchlich (dazu besonders das Altarblatt des Lorenzo Monaco in der Florentiner Accademia, vgl. Marvin Eisenberg, Lorenzo Monaco, Princeton 1989, tab. 7). Eine wandlungsfähigere Darstellungstradition besaß die Ausgießung des hl. Geistes (vgl. auch hier Sandberg-Vaval`a 1929, pp. 375-381). Auch diese Episode wurde bes. durch Giottos Fresken in Assisi (San Francesco, Oberkirche, Innenfassade) und Padua (Scrovegni) vorgegeben. Mit diesen Beispielen verbunden sind die Szene des Taddeo Gaddi aus der Reihe seiner Täfelchen von Santa Croce, Florenz (Andrew Ladis, Taddeo Gaddi - Critical reappraisal and catalogue raisonné, Columbia/London 1982, p. 126, fig. 6b-13), das verlorene Fresko des Maso di Banco von Sant’Agostino, Florenz (Eugenia Laura Levi, Ricostruzione di un affresco perduto di Maso di Banco, Rivista d’Arte, XXVI, 1950, pp. 193-197) und die Darstellung in der Cappella degli Spagnoli, Santa Maria Novella, Florenz, von Andrea da Firenze (Richard Offner, Corpus of Florentine Painting, sec. IV, vol. VI (Andrea Bonaiuti), part 2, New York 1979, pp. 58-59 u. tab. VI2). Zu der Tafel von Jacopo di Cione, die Teil des Polyptychons von San Pier Maggiore (Florenz) war, vgl. den Katalog Art in the Making, National Gallery, Courtauld Institute of Art, London 1989 (ohne Autorenangabe). Bei den genannten Darstellungen findet der Empfang des hl. Geistes in einer zum Betrachter geöffneten Loggia statt, in der die Apostel zu beiden Seiten der Madonna sitzen. Orcagnas Pfingstaltar der Florentiner Accademia (Gert Kreytenberg, Andrea Orcagna - Andrea di Cione, ein universeller Künstler der Gotik in Florenz, Mainz 2000, tabb. 44 und 45) begründete einen zweiten Typus, bei dem die Apostel die Madonna kreisförmig umgeben. Zu einer ähnlichen Komposition gehörte Spinellos Fragment in Allentown. Vgl. auch die Studie von Christa Gardner-von Teuffel (Ikonographie und Archäologie: Das Pfingst-Tripty-chon in der Florentiner Akademie an seinem ursprünglichen Aufstellungsort, Zeitschrift für Kunstgeschichte, XLI, 1978, pp. 16-40), die im Zusammenhang mit Orcagnas Altarwerk die Beispiele weiterer, allesamt späterer Pfingstdarstellungen in der Malerei des Trecento zusammenfassend aufzeigt. 21 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 22 RAZPRAVE ' " ¦. ¦ ¦ ." ¦'¦ 14. Andrea di Nerio, Fußwaschung, zuletzt (1984) Sotheby’s, London Auch Andrea di Nerio stellte die Fußwaschung (Abb. 14) und das Gebet am Ölberg (Abb. 15) als Teile einer Passionsbildfolge dar.14 Auf diesen Tafeln finden sich die Haltungsmotive und die Anlage großer, die Körper zusammenfassender und tief verschatteter Faltenzüge vorgegeben, wie sie auch bei Spinello zu finden sind. Den ruhigen und distanzierten, zugleich aber emotional involviert wirkenden Figuren Andreas stehen auf den Predellen Spinellos massivere und monumentaler wirkende Apostel gegenüber, die direkt im Vordergrund des Bildraumes agieren und diesen dominieren. Vor allem die krafvollen Bewegungen, mit der die Gestalten bei Spinello agieren, 14 Die Fußwaschung wurde am 6. 7. 1984 bei Christie’s in London verkauft (Lot. 50), das Gebet am Ölberg befand sich zuletzt (vor 1985) in Florentiner Privatbesitz. Vgl. zur Rekonstruktion des gesamten Retabels, bei dem Passionsszenen mit dem Marienleben kombiniert sind, Miklös Bos-kovits, The Martello Collection, Paintings, Drawings and Miniatures from the XIVth to the XVIIIth Centuries, Firenze 1985, pp. 17-22, cat. 2. 22 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 23 RAZPRAVE 15. Andrea di Nerio, Gebet am Ölberg, zuletzt (vor 1985), Florenz, Privatsammlung sind Beleg für die unterschiedliche Intention beider Künstler: Entschlossen ergreift Christus den Fuß des energisch protestierenden Petrus und schaut den Apostel dabei an (Abb. 7); in der Ölbergszene wird er durch die Ansprache des Engels regelrecht getroffen, so dass er den Kopf ruckartig in den Nacken wirft und die Hände, zwar betend, aber zugleich wie abwehrend erhebt (Abb. 8, 10). Solche dramatischen Akzente sind bei Andrea di Nerio nicht anzutreffen. Die Höhepunkte der Handlung trug der ältere Maler geradezu verhalten vor, wobei er zugleich der Darstellung von Verwunderung oder Schlaftrunkenheit der Apostel größere Aufmerksamkeit widmete. Spinellos Predellentafeln (Abb. 7-11) zeigen, dass er sich nicht nur während seines frühen Schaffens in Arezzo (1370er Jahre), sondern zeitlebens einer Formensprache bediente, die durch die Werkstatt Andreas geprägt wurde. Doch je weiter die eigene Stilentwicklung fortschritt, desto prononcier-ter wird der Kontrast zur Bildsprache Andreas. Diese Divergenzen manifestieren sich besonders in einer grundsätzlich anderen Auffas- 23 1 raz - weppelmann 9-24 03/11/2003 12:04 Page 24 RAZPRAVE sung der Relation von Figur und Raum: Sie gründet bei Andrea in der Tradition Giottos und in der Malerei des frühen Trecento, bei Spinello weist sie bereits auf Masaccio voraus. 75(450)”13”:929 Spinello Aretino izvirno znanstveno delo - original scientific paper TRI NOVE TABLE SPINELLA ARETINA Slikar Spinello di Luca, imenovan Spinello Aretino (Arezzo, ok. 1346-1410), je deloval v najpomembnejših umetnostnih središèih Toskane. Poznamo ga predvsem po obsežnih stenskih ciklih v zakristiji cerkve San Miniato al Monte v Firencah (1387), v pizanskem Camposanto (1391) in v Palazzo Pubblico v Sieni (1408). Vendar so se ohranile tudi številne tabelne slike, ki nam ponujajo vpogled v slikarjev umetniški razvoj. Med njimi so tudi tri še ne objavljene majhnega formata, ki jih predstavlja ta prispevek. Po vsej verjetnosti izvirajo s predele nekega veèjega poliptiha in kažejo vpliv aretinske-ga slikarstva 14. stoletja, ki je sooblikoval slikarja skozi vse življenje. Postaviti jih je mogoèe v zadnje slikarjevo ustvarjalno obdobje. Slike na eni strani razkrivajo umetnikove pripovedne sposobnosti, na drugi pa se v njihovi kompozicijski zasnovi že slutijo napovedi zgodnjerenesanènih novosti, ki jih povezujemo z Masacciom. Slikovno gradivo: 1. Spinello Aretino, Oznanjenje, Arezzo, San Domenico 2. Andrea di Nerio, Oznanjenje, Arezzo, Diözesanmuseum 3. Spinello Aretino, Disput sv. Katarine s filozofi cesarja Maksencija, Firence (Antella), Oratorij sv. Katarine 4. Spinello Aretino, kot sl. 3, izrez 5. Spinello Aretino, Spor papeža Aleksandra III. s cesarjem Friderikom Barbarosso, Siena, Palazzo Pubblico 6. Spinello Aretino, Marijino kronanje, Pisa, Museo di San Matteo 7. Spinello Aretino, Umivanje nog, Firence, zasebna zbirka 8. Spinello Aretino, Molitev na Oljski gori, Landshut, zasebna zbirka 9. Spinello Aretino, Speèi apostoli, kot sl. 8, izrez 10. Spinello Aretino, Kristus prevzema kelih trpljenja, kot sl. 8, izrez 11. Spinello Aretino, Prihod sv. Duha, Firence, zasebna zbirka 12. Spinello Aretino, Molitev na Oljski gori, kot sl. 8, hrbtna stran 13. Spinello Aretino, Glava kardinala, detajl freske Slovesna vrnitev Aleksandra III v Rim, Siena, Palazzo Pubblico 14. Andrea di Nerio, Umivanje nog, nazadnje (1984) Sotheby’s, London 15. Andrea di Nerio, Molitev na Oljski gori, nazadnje (pred 1985) Firence, zasebna zbirka 24