Roland Bauer Universität Salzburg* UDK 811.132282.8 die position des rätoromanischen und seine beziehungen zum deutschen, französischen und italienischen 0. VORBEMERKUNG UND WIDMUNG Der vorliegende Beitrag verfolgt den Zweck, die Position des Rätoromanischen1 innerhalb der jeweils benachbarten, durchwegs oberitalienischen Dialektlandschaften näher zu bestimmen und dabei seine innerlinguistischen Beziehungen zu drei großen Sprachsystemen, nämlich zu Deutsch bzw. Germanisch, Französisch bzw. Galloromanisch und Italienisch bzw. Italoromanisch näher herauszuarbeiten. Wir hoffen damit, den bekanntermaßen fein ausgeprägten, kontaktlinguistischen „Geschmack" des Jubilars zu treffen,2 dem wir bereits an dieser Stelle eine möglichst sorgenfreie, gesunde sowie erholsame und zugleich ertragreiche Zukunft wünschen dürfen: Ad multos annos! 1. ZUR METHODE Die Frage nach der Positionierung eines Dialekts inmitten des ihn umgebenden Raums bzw. innerhalb der benachbarten Sprachlandschaft(en) zählt wohl zu den klassischen Problemstellungen der älteren wie der jüngeren Sprachwissenschaft.3 Im Rahmen der dialektometrischen Auswertung des 1998 in vier Karten- und drei Indexbänden publizierten, dolomitenladinischen Sprachatlasses ALD-I4 konnte eine Reihe so genannter Ähnlichkeitsprofile erstellt werden, die es erlauben, die Position aller im Netz des Sprachatlasses selbst vertretenen 217 Ortsmundarten näher zu * Anschrift des Autors: Fachbereich Romanistik, Akademiestrasse 24, A-5020 Salzburg, Österreich. E-Mail: Roland.Bauer@sbg.ac.at 1 Mit Rätoromanisch ist hier immer das terminologisch von Gartner 1883 geprägte Konzept einer das Bünderromanische, das Dolomitenladinische und das Friaulische gleichermaßen umfassenden Sprachfamilie gemeint. Im Italienischen hatte bekanntlich Ascoli (1873: 1) für denselben Geotyp die Bezeichnung ladino („favella ladina o dialetti ladini") vorgeschlagen. 2 Stellvertretend für seine breit gefächerten Arbeiten zur Kontaktlage zwischen Slavia und Romania sei hier auf Skubic 2000 verwiesen. 3 Vgl. dazu z.B. Ascoli, der bereits 1873 die Frage nach der „posizione del gruppo ladino nel sistema generale delle favelle romanze" (536) stellte, oder jüngst Loporcaro, der sich mit der „posizione del dialetto di Luras [...] nel panorama della Sardegna settentrionale" auseinandersetzte (2006: 321). 4 Es handelt sich dabei um ein zunächst (2001-2003) vom Wiener Wissenschaftsfonds (FWF) gefördertes, am Fachbereich Romanistik der Universität Salzburg durchgeführtes und von uns geleitetes Forschungsprojekt (Nr. P14566-G01), zu dem seit dem Jahr 2008 dank Unterstützung des Istitut ladin Micura de Rü (San Martin de Tor/St. Martin in Thurn, Südtirol) ergänzende Projektmodule realisiert werden können. bestimmen. Diese verteilen sich wie folgt auf das rund 24.500 km2 große Untersuchungsgebiet: südöstliches Graubünden (12 Punkte), östliche Lombardei (35 PP.), westliches Trentino und Bozner Unterland (33 PP.), Dolomitenladinien (21 PP.), östliches Trentino (27 PP.), nördliches/alpines Veneto (66 PP.), westliches Friaul (23 PP.) In diesem Zusammenhang wird der die Referenzdialekte umgebende Raum als dreidimensionales System aufgefasst, wobei zwei Dimensionen durch die geographische Lage (i.e. durch die Koordinaten) des jeweiligen Ortes vorgegeben sind, während die dritte Dimension über die dialektometrische Messung interdialektaler Ähnlichkeiten bestimmt wird. Dabei wird jeder unserer (N) Dialekte mit allen übrigen (N-1) Dialekten verglichen, wobei wir vom Prinzip ausgehen, dass zwei Dialekte einander umso ähnlicher sind, je mehr innerlinguistische Merkmale sie miteinander teilen. Die in unserem Fall vorgenommenen Ähnlichkeitsmessungen beruhen (bei rund 850 verwertbaren Originalkarten aus dem ALD-I-) übrigens auf über 4.000 einzelnen Merkmalsauswertungen (bzw. auf den dabei generierten, so genannten Arbeitskarten).5 Da den 217 im ALD-I erfassten Ortsdialekten im Rahmen der dialektometri-schen Analyse auch drei nicht auf Basilekte, sondern auf Akrolekte bezogene Datenserien zur Seite gestellt wurden, ist es uns nun möglich, die Relationen der solcherart abgebildeten Standardsprachen zu den genuinen Ortsmundarten ebenfalls näher unter die (dialektometrische) Lupe zu nehmen. Es handelt sich dabei einerseits um das Standarditalienische und um das Standardfranzösische bzw. um entsprechend in normativen Wörterbüchern des Italienischen und Französischen eruierte, semantisch und/oder etymologisch bzw. onomasiologisch zu den Kartentiteln des ALD-I passende und anhand des beim Sprachatlas verwendeten Transkriptionssystems abgebildete Belege. Andererseits wurden auch Daten aus der noch in den Kinderschuhen steckenden und um eine breitere Akzeptanz ringenden, panladinischen Plansprache Ladin standard oder Ladin dolomitan (LD) in unser Corpus aufgenommen. In letzterem Fall gestaltete sich die Zusammenstellung der benötigten Daten etwas aufwändiger, da die zum LD verfügbaren, lexikographischen Nachschlagewerke nicht alle in den Kartentiteln des ALD-I vorgegebenen signifiés enthielten.6 Insgesamt stützen sich unsere dialektometrischen Analysen auf eine aus 220 Ortsvektoren mal gut 4.000 Arbeitskarten zusammengesetzte und somit aus über 880.000 einzelnen Datenzellen bestehende Matrix. Knapp 20% aller Merkmale betreffen dabei das Lexikon, 13% die Morphosyntax und der Rest (67%) die Phonetik. 5 Zum Aufbau und zur Strukturierung unserer Corpora vgl. im Detail Bauer (2009a: 158-198). Exemplarische Abbildungen von Arbeitskarten finden sich auch in Bauer (2004: 209-210). 6 Zum Standardladinischen liegen derzeit ein Wörterbuch und zwei Indizes vor (vgl. SPELL 2002, 2003a und 2003b). Zum genauen Procedere der Datenaufbereitung zu den drei akrolektalen Punkten vgl. Bauer (2009a: 162-164). 2. RÄTOROMANISCH UND DEUTSCH Die Beziehungen der drei Mitglieder der rätoromanischen Sprachfamilie (Bündnerromanisch, Dolomitenladinisch und Friaulisch) zum Deutschen, das in einigen Teilen der Rätoromania bekanntlich als Dachsprache fungiert, können nur indirekt über unsere dialektometrische Datenbasis eruiert werden, da wir über keinen Messpunkt verfügen, der das deutsche bzw. germanische System direkt repräsentieren könnte. Unser Corpus enthält jedoch rund 150 Arbeitskarten, die über die Präsenz von Germanismen in den 217 romanischen Ortsdialekten des ALD-I Auskunft geben. Dazu zählen, chronologisch gesehen, alte, meist germanischem Superstrateinfluss zuzurechnende Belege wie z.B. grödnerisch r cofn „Blume" aus langobardisch zuppfa „Zopf" (vgl. auch ital. ciuffo), mittelalterliche und moderne, auf Adstratwirkung zurückzuführende Germanismen wie z.B. friaulisch r vinaröl n zu deutsch Fingerhut sowie jüngere Lehnbildungen wie z.B. bündnerromanisch r Mar aintn nach dem deutschen Modell einfrieren.1 In kartographischer Hinsicht kann die relative Präsenz dieser Germanismen im Raum des ladinischen Sprachatlasses anhand einer so genannten Dichtekarte (oder Choroplethensynopse) dargestellt werden.8 Diese basiert auf der Analyse von knapp 150 Originalkarten, auf denen Germanismen gefunden werden konnten. Die tatsächlichen Treffer bewegen sich (bezogen auf den gesamten Beobachtungsraum) zwischen einem Minimum von 0 und einem Maximum von 60. Diese Okkurrenzen werden anhand eines bestimmten, meist an den Polwerten sowie am arithmetischen Mittelwert orientierten Intervallalgorithmus nach dem Sonnenspektrum in sechs verschiedene Farbklassen aufgeteilt, wobei warme Farben (von rot bis gelb) für hohe Germanismenpräsenz, kalte Farben (von grün bis blau) hingegen für geringen Besatz an Germanismen stehen. Gänzliche Absenz von Germanismen wird durch weiße Flächen repräsentiert. Wie auch die in der Folge gezeigten, verfahrenstechnisch bei weitem komplexeren dialektometrischen Ähnlichkeitskarten, operiert die auf Grund einer einfachen Zählmengenrechnung erstellte Dichtekarte mit einem polygonisier-ten Grundnetz, wodurch das flächenhafte Sehen (pseudo-)kontinuierlicher Räume bzw. das Erkennen räumlicher Zusammenhänge erleichtert werden soll.9 Schon auf den ersten Blick kann man unserer Dichtekarte einige grundlegende Informationen entnehmen. So verteilen sich die mit warmen Farben signierten Zonen10 ausschließlich auf die nördliche Peripherie unseres Netzes und somit mehrheitlich auf dolomitenladinisches, bündnerromanisches und friaulisches Sprach- 7 Für weitere Details zu den Germanismen im ALD-I vgl. Bauer (2008) und (2009b) sowie Goebl (1999). 8 Siehe dazu Karte 1. 9 Zur Intervallisierung der Messwerte sowie zu den geometrischen Prinzipien dieser auch Thiessen-Karten genannten Polygonnetze vgl. Bauer (2009a: 102-108). 10 Diese entsprechen den in der Legende von Karte 1 aufgeführten Werteklassen [4], [5] und [6], die auf eine von minimal 11 bis maximal 60 Treffer reichende Germanismenpräsenz verweisen. gebiet, das bekanntlich seit der Zeit der Völkerwanderung mehr oder weniger starkem, germanischem Sprachkontakt ausgesetzt war bzw. heute noch ist. Im Zusammenhang mit der standardsprachlichen Überdachung der Talschaftsdialekte erkennt man auf unserer Dichtekarte ferner eine markante Zweiteilung der Dolomitenladinia, wobei die im Norden gelegenen, vom Deutschen überdachten Varietäten des Gadertals und Grödens auch den höchsten Besatz an Germanismen aufweisen,11 während die südlichen, vom Italienischen überdachten Täler (Buchenstein, Fassa und Ampezzo) mit deutlich geringeren, mitunter bereits unterdurchschnittlichen Werten versehen sind.12 In weiterer Folge zeigt der auf unserer Dichtekarte erkennbare Raumgradient auf, dass die Germanismenpräsenz auch außerhalb der Ladinia kontinuierlich abnimmt, je weiter man sich von der germanisch-romanischen Sprachgrenze entfernt (geordnete Abfolge der Farben gelb-grün-hellblau-dunkelblau). Dies gilt v.a. für die Lombardei, das Trentino und Westfriaul, während die Germanismenpräsenz nahezu abrupt abreißt (Sprung gelb-weiß bzw. orange-blau), sobald man den Dolomitenraum südwärts Richtung alpines Veneto verlässt.13 Eine oberflächliche Betrachtung unserer Dichtekarte könnte dazu verleiten, die ähnliche Einfärbung der rätoromanischen Gebiete auch als interdialektale Ähnlichkeit zu interpretieren. Dies wäre aber insofern voreilig, als die Dichtekarte lediglich über die relative Präsenz von Germanismen im Raum Auskunft gibt, während sie uns nichts über die qualitative Zusammensetzung der jeweiligen Klassen sagen kann (Ascoli sprach in diesem Zusammenhang, allerdings bezogen auf phonetische Merkmale, bekanntlich von „simultanea presenza" und „particolar combinazio-ne", 1876: 387). Wir wollen dies anhand eines konkreten Beispiels veranschaulichen. Bei der Taxierung der ALD-I Karte 552 ilpaiolo „der Kessel" konnten vier verschiedene Germanismen ermittelt werden, nämlich 1. ennebergisch r sé%te n (< tirolerisch secht), gadertalisch r /¿na n (< bairisch pfanna), engadinisch r ¿fna n (< tirolerisch hafn) und bündnerromanisch (Unterengadin, Münstertal) r testn (< tirolerisch testn). Einerseits weisen die betroffenen Dialekte also eine Ähnlichkeit auf, da sie zur Bezeichnung des vorgegebenen signifiés allesamt germanische signifiants verwenden, andererseits verweisen die vier unterschiedlichen signifiants jedoch auch auf entsprechende Unähnlichkeiten. Da sich die Dichtekarte auf eine binäre Merkmalsausprägung stützt (Präsenz vs. Absenz von Germanismen), kann sie nur dem ersten (quantitativen) Aspekt Rechnung tragen, während die qualitativen Unterschiede bezüglich der signifiants nicht abgebildet werden können. 11 Siehe die roten Polygone der Werteklasse [1] mit 41-60 Treffern. 12 Siehe z.B. die grünen Polygone der Werteklasse [3] mit nur mehr 4-10 Treffern. In diese Klasse fallen auch die unterfassanischen Dialekte und das Ampezzanische. 13 Siehe dazu auch die Verteilung der unmittelbar an die alte Grenze der so genannten brixne-risch-tirolischen Ladinia (siehe die regelmäßig im Vorspann der Südtiroler Zeitschrift Ladinia abgedruckte Karte) heranreichenden, weißen Polygone auf Karte 1. Im Rahmen der dialektometrischen Analyse eröffnet sich nun eine Möglichkeit, auch interdialektale Ähnlichkeitsrelationen bezüglich der Germanismen aufzudek-ken. Dies geschieht durch die Anwendung eines Ähnlichkeitsmaßes, wie z.B. des Relativen Identitätswerts (RIW) auf unsere „germanistische" Datenmatrix. Diese setzt sich aus 149 Merkmalsvektoren (Arbeitskarten) und 218 Objektvektoren (Messpunkten, Ortsdialekten) zusammen und enthält demnach 32.482 nominale Einheiten. Bei dieser dialektometrischen Ähnlichkeitsmessung werden alle N (218) Objekte mit den übrigen N-1 (217) Objekten verglichen. Die durch diese Ähnlichkeitsmessung mittels RIW eruierten Werte bewegen sich dabei immer zwischen einem (meist theoretischen) Minimum von 0 (= 0% Ähnlichkeit zwischen zwei verglichenen Dialekten) und einem Maximum von 100 (= 100%ige Ähnlichkeit),14 wobei hohe Ähnlichkeitswerte gemäß unserer Intervallalgorithmen in warm signierte Klassen fallen, während niedrige Werte durch kalte Farben gekennzeichnet werden. Die Ergebnisse unserer dialektometrischen Ähnlichkeitsmessungen können u.a. im Rahmen so genannter Ähnlichkeitskarten oder Ähnlichkeitsprofile visualisiert werden. Auch diese stützen sich (wie schon die Dichtekarte) auf ein polygonisiertes Grundnetz, wobei pro Ähnlichkeitskarte einer der 218 Ortsdialekte als Referenzpunkt gewählt werden muss. Das Polygon dieses Prüfbezugspunktes ist auf den Karten selbst nicht eingefärbt und wird zudem durch einen (schwarzen oder roten) Pfeil gekennzeichnet. Auf Karte 2 ist ein „germanistisches" Ähnlichkeitsprofil aus der Sicht des münstertalerischen Dialekts von Santa Maria (ALD-I: Punkt 11) abgebildet, der gemäß der vor Ort üblichen Form des Subjektspronomens (jau < lat. ego) auch jauer genannt wird.15 Die Verteilung der rot eingefärbten Polygone (Klasse [6]) verweist uns auf die (bezüglich des konkreten Auftretens von Germanismen) dem Münstertalischen ähnlichsten Dialekte, die allesamt im Bereich der Bündnerromania zu liegen kommen und die mit Ähnlichkeitswerten zwischen 85 und knapp 91% ausgestattet sind. Am anderen Pol der Werteskala finden wir 10 Messpunkte mit deutlich geringeren Ähnlichkeitswerten. Es handelt sich dabei um die dolomitenladinischen Dialekte des Gadertals und des Grödnertals, die (wiederum bezüglich des konkreten Auftretens von Germanismen) nur mehr 52 bis knapp 60% der Merkmalsausprägungen mit dem Münstertalischen teilen (blaue Polygone der Werteklasse [1]). In dieser deutlichen Polarisierung zweier rätoromanischer Sprachlandschaften, die auf der Dichtekarte wegen ähnlicher relativer Präsenzen von Germanismen noch gemeinsam klassifiziert wurden, spiegelt sich ganz offensichtlich die unterschiedliche Bewirtschaftung der Germanismen durch die beiden Varietäten wider, die sprachgeschichtlich gesehen u.a. auf den Einfluss der seit dem 6. nachchristlichen Jahrhundert wirkenden Superstrate (Alemannisch in Graubünden, Bajuwarisch in den Dolomiten) zurückzuführen ist. Andererseits kommt dadurch auch die unterschiedliche Wirkkraft des modernen 14 Zur genauen Funktionsweise der verschiedenen dialektometrischen Ähnlichkeitsmaße vgl. Goebl (1984 I: 74-86) und Bauer (2009a: 91-101). 15 Vgl. Bauer (2002: 232). Sprachkontakts zwischen einerseits Bündnerromanisch und Schweizerdeutsch und andererseits Dolomitenladinisch und Deutsch-Tirolerisch zum Ausdruck. Die übrigen Dialekte unseres Beobachtungsraums fallen in die um den Mittelwert gruppierten Klassen [3] (grün) und [4] (gelb), die mit Ähnlichkeitswerten zwischen 67 und 79% ausgestattet sind. Darunter finden sich sämtliche Varietäten des in unserem Raum dominanten lombardo-venedischen Systems sowie die Vertreter der südlichen Dolomitenladinia und Westfriauls, die bereits auf der Dichtekarte als Dialekte mit relativ geringem Germanismenbesatz aufgefallen waren. Ihre gemeinsame dialekto-metrische Klassifikation ist daher v.a. auf die weitgehende Absenz von Germanismen zurückzuführen, die hier als gemeinsame Merkmalsausprägung gewertet wird und die daher zu annähernd gleich hohen Ähnlichkeitswerten führt.16 3. ZUR POSITION DES DOLOMITENLADINISCHEN Die Position des Rätoromanischen innerhalb unseres Beobachtungsraums soll nun ebenfalls anhand eines Ähnlichkeitsprofils dargestellt werden, wobei wir in diesem Zusammenhang auf das Gesamtcorpus mit gut 880.000 Datenzellen zurückgreifen. Als Prüfbezugspunkt fungiert der Kunstpunkt 777, ladin dolomitan (LD), dessen Daten nachträglich in unsere Matrix eingebunden wurden, um dadurch die in Wartestellung befindliche, oft sehr emotional geführte Diskussion um die Weiterentwicklung des LD zu versachlichen und dadurch dem seit einiger Zeit aus inner-ladinischen, sprachpolitischen Gründen zum Stillstand gekommenen Ausbau der Plansprache auf der Basis objektiver Forschungserkenntnisse zu einer Neuorientierung zu verhelfen (Bauer 2009a: 317). Auf Karte 3 ist das Standardladinische durch einen außerhalb des Polygonnetzes platzierten, weißen Kreis gekennzeichnet, auf den durch einen roten Pfeil verwiesen wird. Die größten Affinitäten zeigen sich erwartungsgemäß in der Dolomitenladinia,17 wo im Bereich des oberen Gadertals (Kollfuschg) maximale Ähnlichkeitswerte von 81% erreicht werden. Die zwischen dem Standard und den untergeordneten Dialekten ermittelten Höchstwerte decken sich übrigens recht gut mit Vergleichsergebnissen zum italienischen Nationalatlas AIS. Dort weisen die dem Italienischen ähnlichsten (toskanischen) Dialekte bis zu 84% Standardnähe auf. Bei der dialektometrischen Analyse des französischen Nationalatlasses ALF wurden hingegen deutlich höhere Standardaffinitäten festgestellt. Dort entsprechen 16 Für analoge, i.e. ebenfalls ausschließlich auf einem Germanismen-Corpus basierende Ähnlichkeitsprofile aus der Sicht der Prüfbezugspunkte Müstair (Münstertal), Rina (Gadertal) und Cortina d'Ampezzo (im Gegensatz zur übrigen Dolomitenladinia erst spät, nämlich 1511 zu Tirol und damit in Kontakt mit dem Deutschen gekommen) sowie des akrolektalen Kunstpunkts italiano Standard vgl. Bauer (2009b: 306-309). 17 Siehe die Verteilung der Klassen [5] und [6] auf Karte 3. die Merkmalsausprägungen der Varietäten der Ile de France bis zu 90% jenen der Hochsprache, was auf die weitgehende Entdialektalisierung des nordfranzösischen Zentralraums zurückzuführen ist.18 Dass die unterschiedlichen Nähe- oder Distanzverhältnisse der einzelnen dolo-mitenladinischen Talschaftsidiome zum Neostandard auch maßgeblich von den jeweils berücksichtigten Corpora (Vokalismus vs. Konsonantismus vs. Lexikon vs. Morphosyntax) abhängen, kann hier nicht näher ausgeführt werden. Es sei lediglich angemerkt, dass sich das obere Gadertal bei allen Corpora als besonders standardaffin erweist, während Ampezzo und Unterfassa meist am anderen Ende der Skala zu finden sind. Die niedrigsten Ähnlichkeitswerte fallen bei der Verrechnung eines aus 15 morphosyntaktischen Merkmalen komponierten Corpus an (Unterfassa 32%); bei diesem Teilcorpus ist auch die Spannweite zum Maximalwert (oberes Gadertal 87%) besonders groß.19 Abgesehen von den innerladinischen Relationen verdeutlicht das auf Karte 3 abgebildete Profil v.a. zweierlei, nämlich 1. die klare Antipodenstellung des Standardfranzösischen20 und 2. die ebenfalls deutlich ausgeprägte Distanzierung des Standarditalienischen sowie eines venedischen Subsystems.21 Die an den genannten Vergleichspunkten gemessenen, durchwegs unter der 50%-Marke liegenden Ähnlichkeitswerte verdeutlichen die Zugehörigkeit der betroffenen Idiome zu deutlich verschiedenen Sprachsystemen (hier Ladinisch, dort Französisch bzw. Italienisch). Die rätoromanischen Schwesternidiome des Dolomitenladinischen fallen in Klassen mit durchschnittlichen Ähnlichkeitswerten (Mittelwert 54%), wobei eine graduelle Abnahme der Affinitäten von Ost (Friaulisch, mehrheitlich Klasse [4], gelb) nach West (Bünderromanisch, mehrheitlich Klasse [3], grün) festzustellen ist.22 Schränkt man den Beobachtungsraum auf 22 dolomitenladinische Messpunkte ein, so ergibt sich das auf Karte 4 gezeigte Profil. Dieses stützt sich auch auf eine 18 Zur Dialektometrisierung des AIS vgl. Goebl (2008a: 76; Ähnlichkeitskarte zum Standarditalienischen) und Bauer (2009a: 77-78), zu jener des ALF vgl. Goebl (2009: 56; Ähnlichkeitskarte zum Standardfranzösischen) und Bauer (2009a: 66-73). 19 Für weitere Details vgl. Bauer (2009a: 317-327). 20 Siehe den im Nordwesten, außerhalb des Polygonnetzes platzierten, zur Klasse [1] zählenden Kreis (weiße Schraffur auf dunkelblauem Grund), der mit nur mehr 40% Ähnlichkeit zum Standardladinischen den Minimalwert trägt. 21 Siehe den im Süden, ebenfalls außerhalb des Polygonnetzes platzierten, zur Klasse [2] zählenden Kreis (999, italiano Standard) mit 48% Ähnlichkeit zum Standardladinischen. Siehe ferner die Zone der blau signierten Polygone (Provinzen Vicenza und Treviso) mit Werten zwischen 43 und 49%. 22 Für weitere Ähnlichkeitsprofile vgl. Bauer (2002-2003; zum Gadertalischen), Bauer (2003; zum Übergang zwischen Lombardisch, Trentinisch und Venedisch), Bauer (2004: 218) und Bauer (2007: 68; zum Unterengadinischen), Bauer (2005: 355-356; zum Friaulischen), Bauer (2009c; zum Peri-Ladinischen des Cadore) und Bauer (2009a: 205-333; zum gesamten Untersuchungsgebiet). wesentlich geringere Anzahl an Arbeitskarten (nämlich 2.969), da die Reduzierung auf den ladinischen Netzausschnitt zwangsweise zu einer großen Menge variationsfreier Karten führt, die in unserer Analyse aus einsichtigen Gründen unberücksichtigt bleiben müssen. Die zu Karte 4 passende Datenmatrix enthält somit gut 65.000 Zellen. Als Referenzpunkt wurde wiederum das durch einen weißen Kreis und einen roten Pfeil gekennzeichnete Standardladinische gewählt, um das innerladinische Relationengefüge zwischen den durch unsere Messpunkte repräsentierten Talschaftsidiomen und dem Neostandard besser herausarbeiten zu können. Im Gegensatz zu Karte 3 erkennen wir jetzt auch eine Differenzierung der als besonders standardnah in Erscheinung getretenen, nördlichen Dolomitenladinia in drei Zonen, nämlich 1. oberes Gadertal (Klasse [6], rot, mit Ähnlichkeiten zwischen 70 und 75%), 2. unteres Gadertal mit Enneberg (Klasse [5], orange, 66-70% Ähnlichkeit mit LD) und 3. Grödnertal (Klasse [4], gelb, 61-66%). Die südladinischen Täler fallen hingegen nahezu ausnahmslos in Klassen mit unterdurchschnittlichen Werten, wobei die Vermittlerstellung des Buchensteinischen und (mit Einschränkungen Oberfassas)23 hier genauso in Erscheinung tritt wie die deutliche Antipodenstellung Ampezzos mit bescheidenen 46% Standardnähe.24 4. ZUR POSITION DES ITALIENISCHEN Das auf Karte 5 abgebildete Ähnlichkeitsprofil zum Standarditalienischen, bei dessen Erstellung wieder auf die gesamte Datenmatrix mit gut 880.000 Zellen (220 Messpunkte, 4.017 Arbeitskarten) zurückgegriffen wurde, kann uns über die „italianita" aller in unserem Netz verfügbaren Vergleichspunkte Auskunft geben. Mit der relativ größten Affinität zum Italienischen (68-77%) tritt uns zunächst ein räumlich sehr kompaktes, trentino-venedisches System gegenüber, das in geolinguis-tisch plausibler Weise an den Südtoren der Dolomitenladinia Halt macht und das auch die lombardisierten Dialekte im westlichen Trentino (Val Rendena und Judikarien) ausspart, jedoch die venedisierten Dialekte Westfriauls (Raum Pordenone) mit einbezieht.25 Auch hier bringt ein Blick auf die standarditalienische Ähnlichkeitskarte aus dem AIS (Basis: gut 3.000 Arbeitskarten) interessante Vergleichswerte.26 Das Venedische rangiert dort (übrigens als einzige nördlich des Isoglossenbündels „La 23 Diesbezüglich fällt auf, dass die sechs dort verfügbaren Messpunkte (PP. 93-98) gleich vier verschiedenen Klassen ([1]-[4]) zugeordnet werden, somit bei räumlicher Nähe zueinander große Schwankungen bezüglich der innersprachlichen Nähe zum Standardladinischen (50-62%) aufweisen. 24 Siehe das im Osten des Netzausschnittes platzierte, zu Klasse [1] zählende Polygon mit weißer Schraffur auf dunkelblauem Grund. 25 Siehe die Raumverteilung der roten Polygone der Klassen [5] und [6]. 26 Siehe nochmals Goebl (2008a: 76). Spezia-Rimini"27 gelegene Varietät) mehrheitlich in einer Klasse mit überdurchschnittlicher Standardnähe (65-69%). Die „italianita" bzw. „toscanita" des Venedischen stützt sich dabei, wie uns Versuche mit verschiedenen Teilcorpora zum ALD-I gezeigt haben, weniger auf den Konsonantismus, sondern auf den Vokalismus und v.a. auf das Lexikon, dessen Berücksichtigung (760 Arbeitskarten) im Bereich des Venedischen Spitzenwerte von nahezu 84% erbringt. In den Klassen [3] und [4] mit durchschnittlicher Ähnlichkeit zum Italienischen (54-67%) finden sich auf unserer Karte 5 das Alpin- und das Ostlombardische (inkl. Westtrentinisch), das Ladino-Anaunische von Sulz- und Nonsberg28 sowie die peri-ladinischen Dialekte im Bereich Agordino, Cadore und Comelico, die sich wie ein „italophiler" Korridor zwischen die deutlich „italophoberen" Varietäten des Dolomitenladinischen und des Friaulischen legen.29 Die größte Distanz oder die geringste Nähe zum italiano Standard zeigen schließlich die beiden Sprachtypen Französisch (39%) und Rätoromanisch (38-61%), deren Vertreter zum Großteil in den beiden niedrigsten, blau eingefärbten Klassen zu finden sind. Analog zu einer weiter oben bezüglich der Nähe zum Standardladinischen gemachten Tendenz, ist auch hier eine von Ost (Friaulisch) nach West (Bündnerromanisch) abnehmende Ähnlichkeit der rätoromanischen Dialekte zur Varietät des Prüfbezugspunktes zu bemerken. Mit anderen Worten: Das Friaulische steht sowohl dem Standardladinischen als auch dem Standarditalienischen näher als das Bündnerromanische. Letzteres stellt im Zusammenhang mit der „italianita" unserer Dialekte auch den Antipoden (38% Ähnlichkeit),30 was die Legitimität einer geotypologischen Differenzierung in einerseits Italoromanisch und andererseits Rätoromanisch nochmals deutlich stützt. 5. ZUR POSITION DES FRANZÖSISCHEN Das letzte in diesem Beitrag präsentierte Profil (Karte 6) zeigt interdialektale Ähnlichkeiten aus der Sicht des standardfranzösischen Prüfbezugspunktes. Schon bei 31 der Betrachtung der Spannweite aller gemessenen Ähnlichkeitswerte fällt die offensichtlich gänzlich heterosystemale Stellung des Französischen deutlich ins Auge. So gibt es Dialektgebiete, die nur mehr gut ein Drittel aller Merkmale mit dem Französischen teilen, und selbst die maximale Ähnlichkeit reicht nur knapp über 50% hinaus. Als dem Französischen relativ nahe stehend erweisen sich dabei v.a. die alpinlombardischen Varietäten, in deren Bereich (P. 13, Livigno, oberes Veltlin) mit 50,8% der 27 Die Einführung des Begriffs der „Linie La Spezia-Rimini" geht bekanntlich auf Wartburg 1936 zurück. In Analogie dazu prägte Rohlfs (1944/46: 34) den Begriff der „Linie Rom-Ancona". 28 Vgl. dazu Bauer (2009a: 265-269). 29 Zur Rolle dieses Raums als „Aufmarschgebiet" des Italienischen vgl. besonders Bauer (2009c). 30 Siehe das im Nordwesten des Netzes zu findende, zu Klasse [1] zählende Polygon des Messpunkts 10, Tschierv (Münstertal) mit weißer Schraffur auf dunkelblauem Grund. 31 Siehe dazu Legende und Histogramm von Karte 6. größte Nähewert anfällt,32 sowie das Ostlombardische der Provinzen Bergamo und Brescia. Im Vergleich dazu weisen die Vertreter des Rätoromanischen eine schon deutlich geringere Affinität auf, wobei die relativ größte Galloromanität (bis 43%) beim Dolomitenladinischen (Buchenstein, Gröden, Fassa), die niedrigsten Werte (37%) und somit die relativ größte Distanz hingegen beim Nordwestfriaulischen Karniens zu finden sind. Zieht man das gesamte Untersuchungsnetz in Betracht, so erweisen sich die - wie wir weiter oben gesehen haben - besonders stark vom Italienischen beeinflussten Dialekte der Provinz Vicenza als jene mit dem geringsten Naheverhältnis zum Französischen. Der niedrigste Ähnlichkeitswert wird dabei mit gut 34% in Bassano del Grappa verzeichnet. Das Standarditalienische und das Standardladinische (39-40%) selbst bewegen sich im Mittelfeld und treten dabei bezüglich der gesamten Häufigkeitsverteilung nicht sonderlich in Erscheinung. Die beiden akrolektalen Vergleichspunkte passen also, aus der Sicht des Französischen, besser ins Gesamtbild (i.e. in unseren Raumausschnitt) als dies aus der Sicht des Italienischen (Karte 5) der Fall war. Dort waren ja Ladinisch und Französisch als besonders divergent in Erscheinung getreten. Diese unterschiedliche Klassifikation hängt v.a. damit zusammen, dass wir es hier (bei gleichen reziproken Ähnlichkeitswerten) mit unterschiedlichen Häufigkeitsverteilungen, unterschiedlichen Spannweiten und infolge dessen auch mit unterschiedlichen Intervallbildungen zu tun haben, wodurch relative Ähnlichkeiten von beispielsweise 40% einmal (Karte 5) in die blaue Klasse [1], ein anderes Mal (Karte 6) jedoch in die grüne Klasse [3] fallen können. Natürlich hängen die Ähnlichkeitsrelationen auch bezüglich des Französischen merklich vom jeweils berücksichtigten Corpus ab. Bei ausschließlicher Verrechnung des Lexikons zeigt sich nämlich eine völlig unterschiedliche Profilierung des Gesamtraums, wobei das Italienische mit knapp 72% Ähnlichkeit als dem Französischen besonders nahe stehend auftritt, was wohl als panromanischer Wortschatzsockel im Sinne eines Romania continua-Effekts gelesen werden kann, während für das Dolomitenladinische das Gegenteil gilt, da dort mit rund 46% die niedrigsten aller lexikalischen Ähnlichkeiten gemessen werden. Berücksichtigt man hingegen nur die Phonetik, so kehrt sich das Bild. Dann tritt nämlich das nördliche Dolomitenladinische (v.a. das Grödnerische) mit den relativ höchsten Ähnlichkeitswerten (47%) in Erscheinung, während das Venedische und das Italienische (30-33%) am untersten Ende der Skala zu finden sind.33 32 Siehe das im Nordwesten des Netzes platzierte, zu Klasse [6] zählende Polygon mit weißer Schraffur auf rotem Grund. Bei der dialektometrischen Auswertung des AIS zeigen die alpinlombardischen Dialekte übrigens durchaus vergleichbare Werte, nämlich rund 52% Ähnlichkeit zum Französischen (vgl. Goebl 2008a: 76). 33 Siehe dazu verschiedene Karten und Kommentare in Bauer (2009a: 223-232). 6. SCHLUSSWORT Die zuletzt angesprochene Abhängigkeit unserer Ergebnisse von verschiedenen innerlinguistischen Corpora hat in der jüngeren Entwicklung der Dialektometrie34 dazu geführt, Korrelationen zwischen verschiedenen Häufigkeitsverteilungen zu berücksichtigen und auf eigenen Karten zu visualisieren.35 Unsere corpusspezifi-schen Korrelationskarten verraten dabei, welche Sprachräume diesbezüglich besonders sensibel sind bzw. in welchen Gegenden die Wahl verschiedener Corpora keinerlei Auswirkungen auf die klassifikatorischen Resultate hat. Letzteres gilt im Netz des dolomitenladinischen Sprachatlasses (ALD-I) v.a. für den trentino-venedischen Zentralraum, wo sehr hohe Korrelationen vorherrschen, wo also weitgehende Corpusunabhängigkeit gegeben ist. Diese Gegenden weisen übrigens auch eine besonders hohe Stimmigkeit zwischen räumlicher Nähe und sprachlicher Ähnlichkeit auf, weshalb sie aus historischer Sicht als jene Zonen interpretiert werden können, „in denen die Sprachgeschichte im Sinne eines Gleichschritts bzw. einer Konvergenz zwischen sprachlicher Nähe und räumlicher Entfernung offensichtlich harmonisch verlaufen ist" (Bauer 2009a: 148). Im Nordwesten Friauls sowie im (Ampezzo mit dem Cadore verbindenden) Boitetal, in Ampezzo selbst und im oberen Fassatal hingegen hat die Wahl eines bestimmten Teilcorpus mitunter maßgeblichen Einfluss auf die dialektometrischen Raumgliederungen, und zwar insofern, als dort v.a. konsonantisch und morphosyntak-tisch geprägte Teilcorpora vom Gesamtcorpus deutlich abweichende Raumstrukturen ergeben. Die genannten Gebiete gehören auch zu jenen, durchwegs südlich der rätoromanischen Teilgebiete und nördlich des großen lombardo-venedischen Hauptsystems befindlichen Pufferzonen, in denen es im Laufe der Sprachgeschichte zu einem Bruch der ursprünglich wohl überall vorhandenen Harmonie zwischen Sprache und Naturraum gekommen sein muss, wodurch sich heute gänzlich unterschiedliche Geotypen in unmittelbarer Nachbarschaft finden können. Die größten Abschottungen trennen dabei das Bündnerromanische vom Alpinlombardischen, wobei die dialektometrischen Kartierungen erstmals gezeigt haben, dass die dort erkennbare Isoglossenbündelung in ihrer diskriminatorischen Mächtigkeit sogar jene der „Linie La Spezia-Rimini" übertrifft! 34 Damit ist hier v.a. die in Salzburg betriebene Dialektometrie gemeint, die sich seit dem Jahr 1999 eines von E. Haimerl (Seattle) entwickelten Programmpakets namens Visual DialectoMetry (VDM) bedient. Die in diesem Beitrag veröffentlichten Karten wurden mit Version 1.9.3 (November 2009) erstellt. 35 Zur so genannten korrelativen Dialektometrie vgl. Bauer (2007: 73-79), Bauer (2009a: 334340) und Goebl (2008b: passim). Bibliographie Ais = Jaberg, Karl/Jakob Jud (Hgg.) (1928-1940) sprach- und sachatlas Italiens und der südschweiz. 8 voll. Zofingen: Ringier. [Neudruck (1971), Nendeln: Kraus]. Ald-I = Goebl, Hans/Roland BAUER/Edgar Haimerl (Hgg.) 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VENETO di Vicenza ■ confine di Stato ■ limite provinciale limite regionale prov. di Venezia Legende [1] ■ > 1 - 2 n = 58 [2]| > 2 - 4 n = 38 ■ > 4 - 10 n = 49 [4] > 10 - 16 n = 11 [5] L > 16 - 41 n = 13 |6 ■ > 41 - 60 n = 13 Netz 217 Ortsdialekte aus dem ALD-I Corpus 149 analysierte ALD-I-Karten Algorithmus MedMw mit sechs Farbklassen weiße Polygone färbige Polygone blaue Polygone rote Polygone 35 Dialekte ohne Germanismen 182 Dialekte mit Germanismen 58 Dialekte mit 1-2 Germanismen 13 Dialekte mit 42-60 Germanismen Karte 1: Dichtekarte der Germanismen im Beobachtungsraum des ALD-I fec. SOBOTA, conc. BAUER s.d. 2008 © RB 1/2010 VORARLBERG M-I VENETO OSTTIROL prov. di Brescia Legende MinMwMax 6-fach, RIW, [1] - > 52,38 - 59,51 n = 10 [2] > 59,51 - 66,64 n = 1 [3] > 66,64 - ■ 73,77 n = 86 [4] > 73,77 - 79,36 n = 109 [5] > 79,36 - 84,95 n = 1 [6] > 84,95 - 90,54 n = 10 Summe = 217 Histogramm der Ähnlichkeitsverteilung MinMwMax 12-fach, RIW,,, 107 1 Gaußsche Normalverteilung y 52 58 64 70 76 82 88 i i l Min = 52,38 Mw = 73,77 Max = 90,54 (Minimum) (Mittelwert) (Maximum) Prüfbezugspunkt Messmoment Datenmatrix In tervallis ierung Maximum Minimum P. 11, S. Maria (weißes Polygon und schwarzer Pfeil I) Relativer Identitätswert, RIW^^ N = 218 Punkte, p = 149 Karten mit Germanismen MinMwMax mit 6 Intervallen (6 Farben) P. 6, Lavin (Engadin) (weiße Schraffur auf rotem Grund) P. 82, Rina (Gadertal) (weiße Schraffur auf blauem Grund) Karte 2: Ähnlichkeitsprofil zum Prüfbezugspunkt ALD-I 11, Santa Maria, Münstertal (Graubünden), auf Basis des Germanismen-Corpus VORARLBERG Engiadin' Ota prov. di Udine prov. di Brescia Legende MinMwMax 6-fach, RIW, Histogramm der Ähnlichkeitsverteilung MinMwMax 12-fach, RIW„„„, [1] - > 40,18 - 44,84 n = 4 [2] > 44,84 - 49,49 n = 42 [3] > 49,49 - 54,15 n = 101 [4] > 54,15 - 63,23 n = 53 [5] > 63,23 - ■ 72,30 n = 8 [6] > 72,30 - 81,38 n = 11 Summe = 219 55 Gaußsche Normalverteilung / 40 46 52 58 i l Min = 40,18 Mw = 54,15 (Minimum) (Mittelwert) Max = 81,38 (Maximum) Prüfbezugspunkt P. 777, ladin dolomitan (weißes Kreissymbol und roter Pfeil +) Messmoment Relativer Identitätswert, RIW 777 k Datenmatrix N = 220 Punkte, p = 4.017 Arbeitskarten (Gesamtcorpus) Intervallisierung MinMwMax mit 6 Intervallen (6 Farben) Maximum P. 89, Calfosch/Kollfuschg (weiße Schraffur auf rotem Grund) Minimum P. 888, français standard (weiße Schraffur auf blauem Grund) Karte 3 : Ähnlichkeitsprofil zum Prüfbezugspunkt 777, ladin dolomitan, auf Basis des Gesamtcorpus 64 70 76 Val Badia prov. di Bulsan/Bozen/Bolzano Ladinia (sec. ALD-I) prov. di Trent/Trento prov. di Co! Belun/Belluno limite linguistico periferico della Ladinia brissino-tirolese limite provinciale limite regionale carta di THIESSEN /HAAG / VORONOI fec. SOBOTA 21 punti ALD-I, 1 punto artificiale (LD) conc. BAUER 40 lati di poligono a.d. 2009 Legende MMinMwMaxX 6-fach, nach RIW [1] > 46,05 - 51,30 n = 5 [2] > 51,30 - 56,54 n = 1 [3] > 56,54 -61,79 n = 3 [4] >61,79 -66,13 n = 4 [5] > 66,13 - 70,47 n = 4 [6] > 70,47 - 74,80 n = 4 Summe: 21 Histogramm der Ähnlichkeitsverteilung MMinMwMaxX 12-fach, nach RIW7„k Gaußsche Normalverteilung 3 \ Prüfbezugspunkt Messmoment Datenmatrix Intervallisierung Maximum Minimum i i Min = 46,05 Mw = 61,79 Max = 74,80 (Minimum) (Mittelwert) (Maximum) P. 777, ladin dolomitan (weißes Kreissymbol und roter Pfeil I) Relativer Identitätswert, RIW777 k N = 22 Punkte, p = 2.969 Arbeitskarten (Gesamtcorpus) MinMwMax mit 6 Intervallen (6 Farben) P. 89, Calfosch/Kollfuschg (weiße Schraffur auf rotem Grund) P. 92, Cortina d'Ampezzo (weiße Schraffur auf blauem Grund) Karte 4: Ähnlichkeitsprofil zum Prüfbezugspunkt 777, ladin dolomitan, auf Basis des Gesamtcorpus (Teilnetz Dolomitenladinien) 0 5 10 km © RB 1/2010 4 Legende MinMwMax 6-fach, RIW„, ® Histogramm der Ähnlichkeitsverteilung MinMwMax 12-fach, RIWn [1] - > 38,77 - 46,77 n = 26 [2] > 46,77 - ■ 54,77 n = 13 [3] > 54,77 - ■ 62,78 n = 53 [4] > 62,78 - 67,48 n = 36 [5] > 67,48 - ■ 72,17 n = 50 [6] > 72,17 - 76,87 n = 41 Summe = 219 Gaußsche Normalverteilung \ 999,k 35 15 38 44 i Min = 38,77 (Minimum) 50 56 68 74 62 i i Mw = 62,78 Max = 76,87 (Mittelwert) (Maximum) Prüfbezugspunkt P. 999, italiano standard (weißes Kreissymbol und roter Pfeil I) Messmoment Relativer Identitätswert, RIW999 k Datenmatrix N = 220 Punkte, p = 4.017 Arbeitskarten (Gesamtcorpus) Intervallisierung MinMwMax mit 6 Intervallen (6 Farben) Maximum P. 172, Valli del Pasubio (weiße Schraffur auf rotem Grund) Minimum P. 10, Tschierv (weiße Schraffur auf blauem Grund) Karte 5: Ähnlichkeitsprofil zum Prüfbezugspunkt 999, italiano standard, auf Basis des Gesamtcorpus prov. di Bergamo prov. di Brescia prov. di Venezia LOMBARDIA 50 km ■ confine di Stato • limite regionale Legende MinMwMax 6-fach, RIW„ Histogramm der Ähnlichkeitsverteilung MinMwMax 12-fach, RIW„ [1] [2] [3] [4] [5] [6] > 34,67 - 36,84 n = 10 > 36,84 - 39,01 n = 36 > 39,01 - 41,18 n = 85 > 41,18 - 44,40 n = 54 > 44,40 - 47,61 n = 26 > 47,61 - 50,82 n = 8 Summe = 219 47 M 8,k Gaußsche Normalverteilung s* 20 34 36 38 i Min = 34,67 (Minimum) 40 42 i Mw = 41,18 (Mittelwert) i Max = 50,82 (Maximum) Prüfbezugspunkt P. 888, français standard (weißes Kreissymbol und roter Pfeil Messmoment Relativer Identitätswert, RLW^k Datenmatrix N = 220 Punkte, p = 4.017 Arbeitskarten (Gesamtcorpus) Intervallisierung MinMwMax mit 6 Intervallen (6 Farben) Maximum P. 13, Livigno (weiße Schraffur auf rotem Grund) Minimum P. 183, Bassano (weiße Schraffur auf blauem Grund) Karte 6: Ähnlichkeitsprofil zum Prüfbezugspunkt 888, français standard, auf Basis des Gesamtcorpus fec. SOBOTA, conc. BAUER s.d. 2008 © rb 1/2010 38 44 48 Zusammenfassung DIE POSITION DES RÄTOROMANISCHEN UND SEINE BEZIEHUNGEN ZUM DEUTSCHEN, FRANZÖSISCHEN UND ITALIENISCHEN Die Dialektometrie (DM) ist eine induktive Methode, die es erlaubt, in Massendaten versteckte Oberflächenmuster und Tiefenstrukturen zu entdecken und mittels multipler, computergestützter Visualisierungen sicht- und damit auch interpretierbar zu machen. So bietet die DM u.a. eine Reihe von Möglichkeiten, Relationen zwischen den untersuchten Objekten (das sind in der Regel alle in einem Sprachatlas datenseitig abgebildeten Dialekte) aufzudecken und kartographisch in verschiedenster Form zu modellieren, um solcherart u.a. die Position einzelner Dialekte bzw. Geotypen im gesamten Beobachtungsraum näher bestimmen zu können. In diesem Zusammenhang hat es sich als durchaus nützlich erwiesen, zusätzliche Vergleichspunkte mit akro-lektalen, also auf Standard- bzw. Hochsprachen bezogene Datenserien einzubauen. Im vorliegenden Fall konnten solcherart wechselseitige, je nach innerlinguistischer Ausrichtung der gewählten Corpora unterschiedlich ausgerichtete Einflüsse der Großsprachen Französisch und Italienisch auf die oberitalienische Dialektlandschaft sowie auf die drei Mitglieder der Sprachfamilie Rätoromanisch (nach Gartner 1883) bzw. ladino (nach Ascoli 1873) aufgezeigt werden. Dem Sprachkontakt aller genannten Idiome mit dem Deutschen konnte hingegen sowohl über die Visualisierung der relativen Präsenz von Germanismen mittels einer Dichtekarte als auch über eine gesonderte dialektometrische Ähnlichkeitskartierung nachgegangen werden, wobei interessante Einblicke in die von verschiedenen Substrat- und Adstratwirkungen abhängige, z.T. deutlich divergente Bewirtschaftung der rätoromanischen Teilräume gewonnen werden konnten. Povzetek POLOŽAJ RETOROMANŠČINE IN NJENO RAZMERJE DO NEMŠČINE, FRANCOŠČINE IN ITALIJANŠČINE Dialektometrija je induktivna metoda, ki omogoča, da v množici prikritih podatkov odkrijemo površinske vzorce in globinske strukture, ki s pomočjo različnih, računalniško podprtih vizualizacij postanejo oprijemljiv predmet razlage. Ta metoda ponuja med drugim vrsto možnosti, da prepoznavamo odnose med proučevanimi predmeti (to so praviloma vsa narečja, podatki o katerih so zajeti v jezikovnem atlasu) in jih kartografsko predstavimo v najrazličnejših oblikah, in sicer na ta način, da nato med drugim lahko natančneje določimo položaj posameznih narečij oz. geotipov v okviru celotnega opazovanega področja. Pri tem se je izkazalo za zelo koristno, da se dodatne točke primerjave povežejo z akrolektalnimi podatki, t. j. tistimi, ki se nanašajo na standarni oz. knjižni jezik. V našem primeru je bilo tako mogoče pokazati na medsebojne, od vsakokratne jezikovne sestave izbranih korpusov odvisne vplive med francoščino in italijanščino kot velikima jezikoma na eni strani ter med zgor-njeitalijanskimi narečji in tremi različicami retoromanske jezikovne družine (Gartner 1883) oz. ladin-ščino (po Ascoliju 1873) na drugi strani. Poleg tega pa smo lahko z vizualizacijo sorazmerne prisotnosti germanizmov s pomočjo karte razširjenosti in razporeditve in s posebnim dialektometričnim kartiranjem podobnosti pobliže raziskali značilnosti jezikovnega stika vseh omenjenih variant z nemščino, pri čemer je bilo mogoče priti do zanimivih spoznanj o deloma specifičnih razmerah na reto-romanskem podpodročju, ki so odvisne od delovanja substrata in adstrata.