©Slovenian Entomological Society, download unter www.biologiezentrum.at LJUBLJANA, JUNIJ 2005 Vol. 13, št. 1: 59-62 XVII. sieec, Radenci, 2001 ÜBER DIE VIELFALT VON CHRYSOLINA PURPURASCENS-FORMEN IN SLOWENIEN (COLEOPTERA: CHRYSOMELIDAE) Horst KIPPENBERG Langer Platz 21, D-91074 Herzogenaurach, e-mail: horst.kippenberg@web.de Abstract - VARIABILITY OF THE CHRYSOLINA PURPURASCENS FORMS IN SLOVENIA (COLEOPTERA: CHRYSOMELIDAE) Chrysolina purpurascens shows various aedeagus types in Slovenia which coexist in some populations. The reason for that unusual diversity can be seen in the existence of sinks, so-called "dolines" Their special climatic situation possibly enabled relict populations to survive warm interglacial periods. Key words: Coleoptera, Chrysomelidae, variability Izvleček - RAZNOLIKOST OBLIK VRSTE CHRYSOLINA PURPURASCENS V SLOVENIJI (COLEOPTERA: CHRYSOMELIDAE) Vrsta Chrysolina purpurascens nastopa v Sloveniji z različnimi oblikami aedeagusa, ki so v nekaterih populacijah zastopane hkrati. Razlog za to nenavadno raznolikost lahko najdemo v prisotnosti vrtač. Njihova posebna klima je morda omogočila preživetje reliktnim populacijam med toplimi medpoledenitvenimi obdobji. Ključne besede: Coleoptera, Chrysomelidae, raznolikost Die Blattkäferart Chrysolina purpurascens (Germar) ist eine Art feucht-kühler Habitate. Sie ist in Mitteleuropa hauptsächlich mit zwei Rassen vertreten (ssp. purpurascens s. str. und ssp. crassimargo Germar), die sich durch die Form ihrer Aedoegus-Spitze unterscheiden. Die Art besiedelt auch weite Teile der Balkanhalbinsel, dort bietet sie jedoch - besonders im westlichen Teil - ein erstaunliches Bild. 59 ©Slovenian Entomological Society, download unter www.biologiezentrum.at LJUBLJANA, JUNIJ 2005 Vol. 13, št. 1: 59-62 XVII. sieec, Radenci, 2001 ÜBER DIE VIELFALT VON CHRYSOLINA PURPURASCENS-FORMEN IN SLOWENIEN (COLEOPTERA: CHRYSOMELIDAE) Horst KIPPENBERG Langer Platz 21, D-91074 Herzogenaurach, e-mail: horst.kippenberg@web.de Abstract - VARIABILITY OF THE CHRYSOLINA PURPURASCENS FORMS IN SLOVENIA (COLEOPTERA: CHRYSOMELIDAE) Chrysolina purpurascens shows various aedeagus types in Slovenia which coexist in some populations. The reason for that unusual diversity can be seen in the existence of sinks, so-called "dolines" Their special climatic situation possibly enabled relict populations to survive warm interglacial periods. Key words: Coleoptera, Chrysomelidae, variability Izvleček - RAZNOLIKOST OBLIK VRSTE CHRYSOLINA PURPURASCENS V SLOVENIJI (COLEOPTERA: CHRYSOMELIDAE) Vrsta Chrysolina purpurascens nastopa v Sloveniji z različnimi oblikami aedeagusa, ki so v nekaterih populacijah zastopane hkrati. Razlog za to nenavadno raznolikost lahko najdemo v prisotnosti vrtač. Njihova posebna klima je morda omogočila preživetje reliktnim populacijam med toplimi medpoledenitvenimi obdobji. Ključne besede: Coleoptera, Chrysomelidae, raznolikost Die Blattkäferart Chrysolina purpurascens (Germar) ist eine Art feucht-kühler Habitate. Sie ist in Mitteleuropa hauptsächlich mit zwei Rassen vertreten (ssp. purpurascens s. str. und ssp. crassimargo Germar), die sich durch die Form ihrer Aedoegus-Spitze unterscheiden. Die Art besiedelt auch weite Teile der Balkanhalbinsel, dort bietet sie jedoch - besonders im westlichen Teil - ein erstaunliches Bild. 59 ©Slovenian Entomological Society, download unter www.biologieAetajölliOmologica slovenica, 13 (1), 2005 Zwar besitzen die in Zentral-Slowenien lebenden C. purpurascens-Exemplare meist ein ziemlich einheitliches äußeres Aussehen, das deutlich von dem der Nominatform in Mitteleuropa abweicht. Sie erhielten deshalb früher üblicherweise den Status einer eigenen Art bzw. geographischen Rasse {hemisphaerica Germar -der Name ist ungültig und durch rufocuprea Suffrian zu ersetzen). Im Laufe der Zeit stellte sich jedoch heraus, daß die Aedoeagus-Spitze der slowenischen Tiere bei ©Slovenian Entomological Society, download unter www.biologieAetajölliOmologica slovenica, 13 (1), 2005 Zwar besitzen die in Zentral-Slowenien lebenden C. purpurascens-Exemplare meist ein ziemlich einheitliches äußeres Aussehen, das deutlich von dem der Nominatform in Mitteleuropa abweicht. Sie erhielten deshalb früher üblicherweise den Status einer eigenen Art bzw. geographischen Rasse {hemisphaerica Germar -der Name ist ungültig und durch rufocuprea Suffrian zu ersetzen). Im Laufe der Zeit stellte sich jedoch heraus, daß die Aedoeagus-Spitze der slowenischen Tiere bei Horst Kippenberg: Über die Vielfalt von Chrysolina purpurascens-Formen in Slowenien (Coleoptera: Chrysomelidae) weitem nicht so einheitlich gebildet ist wie ihr Äußeres. Eine besonders extreme Aedoeagus-Form wurde von Giuseppe Müller entdeckt und als eigene Art beschrieben (fallaciosa Müller). Neue, ausführliche Studien belegen, daß es für C. purpurascens in ZentralSlowenien noch weit mehr verschiedene Aedoeagus-Formen gibt als bisher bekannt. Abb. 1 zeigt einige charakteristische Aedoeagus-Formen slowenischer C. purpurascens -Exemplare. Die Studien belegen aber auch - und das ist das Unerwartete - daß diese Formen nicht brav geographisch lokalisiert sind. Im Gegenteil: sie überlagern sich häufig, das heißt, mehrere unterschiedliche Aedoeagus-Formen können gemeinsam innerhalb einer Population auftreten. Dies konnte inzwischen für einige Lokalitäten Sloweniens nachgewiesen werden. Das sympatrische Vorkommen unterschiedlicher Aedoeagus-Typen deutet normalerweise auf das Zusammenleben spezifisch verschiedener Formen (= Arten) hin. Dies gilt jedoch nicht für die slowenischen C. purpurascens-Formen, denn sie bilden hinsichtlich ihres Aedoeagus offenbar beliebige Übergänge und müssen daher als konspezifisch angesehen werden. Zur Erklärung dieses außergewöhnlichen Befundes kann möglicherweise eine spezielle geologische Struktur Sloweniens herangezogen werden. Es gibt in Slowenien eine beachtliche Anzahl von Dolinen. Diese in der Regel durch Höhleneinstürze entstandenen Erdtrichter zeigen bei entsprechender Größe oft eine beachtliche Temperaturinversion mit Permafrost am Boden. Entlang der Trichterwände bildet sich (in den warmen Monaten) ein ansteigender Temperaturbzw. Klima-Gradient aus mit dazu passender Vegetation. Bei erdgeschichtlichen Wärmeperioden können möglicherweise Arten mit Präferenz für feucht-kühle Biotope (wie C. purpurascens) in derartigen Dolinen eine Zuflucht und eine Überlebenschance finden. Ausgehend von dieser Annahme läßt sich vermuten, daß purpurascens während zwischeneiszeitlicher Wärmeperioden das mittlere Slowenien wegen zu warmen Klimas vielleicht nicht vollständig verlassen mußte (um in höhere Lagen angrenzender Gebirge auszuweichen), sondern daß die Art punktuell (d.h. in Reliktpopulationen) auch in Dolinen überleben konnte. Wenn man nun außerdem berücksichtigt, daß sich körperliche Merkmale gerade in solchen Klein-Populationen relativ leicht verändern können (Inzucht-Effekt), so erhält man ein Modell für das Entstehen vielfältiger (Aedoeagus-)Formen in einem verhältnismäßig begrenzten Gebiet. Die mehrfachen eiszeitlichen und zwischeneiszeitlichen Wanderungen der Pflanzen- und Tierwelt, die auch Slowenien betrafen, sorgten dann noch zusätzlich für eine Durchmischung der überlebenden Formen, wodurch das heutige, verworrene Mosaikbild der purpurascens-Formen zumindest plausibel erscheint. Anmerkung Der hier wiedergegebene Text ist die Kurzfassung eines Referats, das im Mai 2001 im Rahmen der XVII. SIEEC in Radenci / Slowenien vorgetragen wurde. Eine ausführliche Darstellung und Diskussion des Phänomens wurde inzwischen 61 Horst Kippenberg: Über die Vielfalt von Chrysolina purpurascens-Formen in Slowenien (Coleoptera: Chrysomelidae) weitem nicht so einheitlich gebildet ist wie ihr Äußeres. Eine besonders extreme Aedoeagus-Form wurde von Giuseppe Müller entdeckt und als eigene Art beschrieben (fallaciosa Müller). Neue, ausführliche Studien belegen, daß es für C. purpurascens in ZentralSlowenien noch weit mehr verschiedene Aedoeagus-Formen gibt als bisher bekannt. Abb. 1 zeigt einige charakteristische Aedoeagus-Formen slowenischer C. purpurascens -Exemplare. Die Studien belegen aber auch - und das ist das Unerwartete - daß diese Formen nicht brav geographisch lokalisiert sind. Im Gegenteil: sie überlagern sich häufig, das heißt, mehrere unterschiedliche Aedoeagus-Formen können gemeinsam innerhalb einer Population auftreten. Dies konnte inzwischen für einige Lokalitäten Sloweniens nachgewiesen werden. Das sympatrische Vorkommen unterschiedlicher Aedoeagus-Typen deutet normalerweise auf das Zusammenleben spezifisch verschiedener Formen (= Arten) hin. Dies gilt jedoch nicht für die slowenischen C. purpurascens-Formen, denn sie bilden hinsichtlich ihres Aedoeagus offenbar beliebige Übergänge und müssen daher als konspezifisch angesehen werden. Zur Erklärung dieses außergewöhnlichen Befundes kann möglicherweise eine spezielle geologische Struktur Sloweniens herangezogen werden. Es gibt in Slowenien eine beachtliche Anzahl von Dolinen. Diese in der Regel durch Höhleneinstürze entstandenen Erdtrichter zeigen bei entsprechender Größe oft eine beachtliche Temperaturinversion mit Permafrost am Boden. Entlang der Trichterwände bildet sich (in den warmen Monaten) ein ansteigender Temperaturbzw. Klima-Gradient aus mit dazu passender Vegetation. Bei erdgeschichtlichen Wärmeperioden können möglicherweise Arten mit Präferenz für feucht-kühle Biotope (wie C. purpurascens) in derartigen Dolinen eine Zuflucht und eine Überlebenschance finden. Ausgehend von dieser Annahme läßt sich vermuten, daß purpurascens während zwischeneiszeitlicher Wärmeperioden das mittlere Slowenien wegen zu warmen Klimas vielleicht nicht vollständig verlassen mußte (um in höhere Lagen angrenzender Gebirge auszuweichen), sondern daß die Art punktuell (d.h. in Reliktpopulationen) auch in Dolinen überleben konnte. Wenn man nun außerdem berücksichtigt, daß sich körperliche Merkmale gerade in solchen Klein-Populationen relativ leicht verändern können (Inzucht-Effekt), so erhält man ein Modell für das Entstehen vielfältiger (Aedoeagus-)Formen in einem verhältnismäßig begrenzten Gebiet. Die mehrfachen eiszeitlichen und zwischeneiszeitlichen Wanderungen der Pflanzen- und Tierwelt, die auch Slowenien betrafen, sorgten dann noch zusätzlich für eine Durchmischung der überlebenden Formen, wodurch das heutige, verworrene Mosaikbild der purpurascens-Formen zumindest plausibel erscheint. Anmerkung Der hier wiedergegebene Text ist die Kurzfassung eines Referats, das im Mai 2001 im Rahmen der XVII. SIEEC in Radenci / Slowenien vorgetragen wurde. Eine ausführliche Darstellung und Diskussion des Phänomens wurde inzwischen 61 ©Slovenian Entomological Society, download unter www.biologiezentrum.at Acta entomologica slovenica, 13 (1), 2005 publiziert (Kippenberg, 2004). Außerdem wird in Kürze eine Revision aller bekannten Formen von Chrysolina purpurascens veröffentlicht werden. Zusammenfassung Chrysolina purpurascens zeigt in Slowenien eine Vielfalt unterschiedlicher Aedoeagus-Formen, die in einzelnen Populationen auch gemeinsam auftreten können. Die Entstehung dieser ungewöhnlichen Vielfalt könnte auf das Überleben von Restpopulationen in Dolinen während eiszeitlicher Wärmeperioden zurückgehen. Literatur Kippenberg H., 2004: Diversity of aedeagus shape in Slovenian populations of Chrysolina purpurascens (Germar). In: P. Jolivet, J.A. Santiago-Blay, M. Schmitt (eds.): New Developments in the Biology of Chrysomelidae. SPB Academic Publishing bv, The Hague, The Netherlands, pp. 659-665. 68 ©Slovenian Entomological Society, download unter www.biologiezentrum.at Acta entomologica slovenica, 13 (1), 2005 publiziert (Kippenberg, 2004). Außerdem wird in Kürze eine Revision aller bekannten Formen von Chrysolina purpurascens veröffentlicht werden. Zusammenfassung Chrysolina purpurascens zeigt in Slowenien eine Vielfalt unterschiedlicher Aedoeagus-Formen, die in einzelnen Populationen auch gemeinsam auftreten können. Die Entstehung dieser ungewöhnlichen Vielfalt könnte auf das Überleben von Restpopulationen in Dolinen während eiszeitlicher Wärmeperioden zurückgehen. Literatur Kippenberg H., 2004: Diversity of aedeagus shape in Slovenian populations of Chrysolina purpurascens (Germar). In: P. Jolivet, J.A. Santiago-Blay, M. Schmitt (eds.): New Developments in the Biology of Chrysomelidae. SPB Academic Publishing bv, The Hague, The Netherlands, pp. 659-665. 68