JAGDFREUDEN IN DEN GEFILDEN CELEIAS E r n a D ie z Universität, Graz Unter dem Titel »Norische Jagdreliefs« hat A. Schober in Band 37-1948 der O sten. Jahreshefte1 zwei Jagdbilder unserer Provinz publiziert und ihnen eine eingehende Inter­ pretation angedeihen lassen. Eine im höchsten Maße sachkundige auch, war doch Schober begeisterter W eidmann von Jugend an und überdies auch erfahrener Kynologe und Züchter von Jagdhunden.2 Deshalb interessierten ihn auf diesen Bildern, die nicht die Jagd selbst, sondern eher den Aufbruch oder den Beginn der Jagd wiedergeben, besonders die dar­ gestellten Hunderassen. D as eine dieser Reliefs im südlichen Landbezirk von Flavia Solva3 zeigt, in vorzüglichem Erhaltungszustand, zwei junge M änner in der kniefreien Tunika m it halblangen Ärmeln und darüber das an der rechten Schulter geknüpfte Sagum. D er vorangehende hat eben zwei gleichartige mittelgroße H unde m it rauhem Fell und kurzer Rute geschnallt (los­ gelassen); sie sind im Absprung begriffen und geben mit geöffneten Schnauzen offensichtlich Laut. D er zweite junge M ann führt an der Leine einen großen, sehr schlanken glatthaarigen H und m it schmalem Kopf, tief angesetzter mächtiger Brust, hochgezogenen Weichen, muskulösen Hinterläufen und aufwärts gekrümmter Rute. Bauart, Fell und alle anderen Rassemerkmale der Tiere sind so genau wiedergegeben, daß Schober, gestützt auch auf die ausgedehnten und ergiebigen literarischen Quellen,4 sie eindeutig als die typischen Vertreter der beiden Hauptgruppen der canes venatici identifizieren konnte: D ie kleinen zottigen Hunde sind die Stöber, die auf die Fährte des Wildes gesetzt wurden, der schnelle W indhund leichten Schlages ist der Hetzhund.6 Das zweite von A. Schober besprochene Jagdrelief stammt aus dem Stadtgebiet von Flavia Solva6 und schmückte einst ein ähnlich stattliches Grabm onum ent wie das erst­ genannte, ist aber nur als Fragm ent7 und an der Oberfläche empfindlich beschädigt auf uns gekommen. Der schlechte Erhaltungszustand ist sehr bedauerlich, denn die dar­ gestellte Szene ist interessant und aufschlußreich. W ährend auf dem Reliefbild im Solvenser Landbezirk die beiden M änner mit ihren H unden vor neutralem Hintergrund aufziehen, ist der H undeführer hier bereits in das Jagdgelände eingedrungen, in einen Wald, der durch einen Baum mit schiefem Stamm und knorrigem Geäst angedeutet ist.8 Im H inter­ grund links sieht m an noch ein Stück des großmaschigen Netzes, das aufgestellt wurde, dam it sich das von den H unden aufgescheuchte W ild (besonders Rot-, aber auch Schwarz­ wild) darin verfing. Im Vordergrund der Jäger, der mit beiden H änden den Hund an der Leine hält und ihm in ausgreifendem Schritt unm ittelbar folgt. Bis zur festhaltenden rechten H and des Mannes ist die Leine gespannt, denn der Hund drängt, von der Koppel gelassen zu werden. Der K opf des Hundes ist weggebrochen; aufgrund seines kräftigen Körperbaues und weil er, an der langen Leine befestigt, vor dem Jäger das Terrain absucht, erkannte Schober in ihm den »Segusier«,9 einen auf die Arbeit am Leitseil spezialisierten schweren gallischen Spürhund, der in einigen Rassen bis heute weiterlebt. Ein drittes norisches Jagdrelief, in der engeren Heimat Schobers — in Windisch-Lands- berg-Podčetrtek geboren, besuchte er das Untergymnasium in Cilli-Celje — war seiner Aufmerksamkeit entgangen und soll hier ergänzend nachgetragen werden. Standort dieses Reliefbildes (Abb. I)10 ist seit Menschengedenken Tüffer-Lasko im südlichen Territorium von Celeia. A. v. Muchar, Benediktiner von Admont, Professor an der Universität Graz, beschreibt in dem i. J. 1844 erschienenen I. Band seiner Geschichte des Herzogthums Steiermark1 1 das Bild folgendermaßen: »Ein M ann in der Toga, welcher an einem Bande einen zottichten H und (einen Bären?) leitet, an dessen Vordertheile ein krummer Baum­ stamm emporsteht, der sich oben in eine Sternblume endet. Vielleicht eine sinnbildliche Bezeichnung der urältesten Auffindung und der W irkungen der warmen Heilquellen bei Tüffer, — welche bei organischen Erschlaffungen wieder neue Lebenskraft und Thätigkeit ertheilen«. Wieso ein M ann m it einem H und oder Bären »am Bande«, daneben ein Baum mit Blume, als Sinnbild der Auffindung beziehungsweise der heilkräftigen Wirkung der Thermalquellen, die Tüffer-Lasko zu einem vielbesuchten Kurort machen, aufzufassen wäre, bleibt freilich unerklärt. In dem 1868—93 erschienenen umfassenden Werk über die seinerzeitige Diözese Lavant1 2 führt der Domkapitular I. Orožen in der Einleitung des Abschnittes »Hauptpfarre St. Martin in Tüffer«1 3 als Zeugen vorchristlicher Kultur des Gebietes, die »plastischen Funde« aus der Röm erzeit1 4 an, darunter auch unseren Relief­ stein, »darstellend einen M ann in einem hemdartigen Kleide, welcher ein einem Eber ähnliches Tier am Bande h ält...«, und vermerkt dazu, daß dieser Stein, früher am Karner (St. Johannes-Kapelle) angebracht, seit 1839 am Kaplangebäude eingemauert ist. Ebenda, an der Nordseite der Kaplanei (Aškerčev trg 2) befindet er sich heute noch, etwa in der M itte der Fassade,1 6 in einer Höhe von ca. 1,50 m über dem Boden in die M auer eingelassen. D ie Abmessungen des Reliefsteines — sein Material ist der mittelkörnige Bacherer M arm or — betragen: H = 0,78 m (ohne Rahmen 0,67 m), Br = 0,58 (0,40 m). Das Bild wird von einem sehr breiten, mehrfach profilierten und tiefgekehlten Rahmen eingefaßt. Oben ist der Stein abgebrochen, es fehlt nicht nur der Rahmenabschluß, der Bruch greift vielmehr in einer Bogenlinie nach links in die Relieffläche hinein und reicht bis an den Scheitel der dargestellten Figur. Der Bildgrund ist zu einer flachen Nische vertieft.1 6 Auf einem niedrigen, vorspringenden Podium steht in Frontalansicht ein im Schreiten innehaltender M ann, das entlastete rechte Bein etwas zur Seite gesetzt. Sein ziemlich großer K opf wird von der Kappe der Haare und dem vor den Ohren ansetzenden kurzen Backen- und K innbart eng umschlossen. Die Stirn erscheint gefurcht, die weitgeöffneten Augen graviert; Nase, M undpartie und die linke Wange sind arg bestoßen und verscheuert. Bekleidet ist der M ann mit der bis über die Knie geschürzten, um die Hüften bauschig übergezogenen langärmeligen Tunika und dem an der rechten Schulter mittels einer Scheibenfibel befestigten Wetterkragen, dem Sagum, dessen Vorderteil er über die linke Schulter in den Rücken geworfen hat. Die linke Hand greift m it gestrecktem Zeigefinger in die vor der Brust bogenförmig drapierten Falten des Sagums. Der rechte Arm des Mannes ist gesenkt, im Ellbogen angehoben, die Hand hält eine weite Schlinge der noch nicht ganz entrollten Hundeleine, deren leicht gewelltes Ende am linken Bildrand herabhängt. Das an der Leine geführte Tier, das nur auf den allerersten Blick vielleicht »einem Eber ähnlich« (Orožen) erscheinen mag, ist kein Bär (Muchar), sondern ganz unzweifelhaft ein Hund. Ein Hund derselben Rasse wie die beiden abspringenden Hunde auf dem Bild im Landbezirk don Flavia Solva, der ein Vorfahre unserer Bracke sein dürfte. Der getreue G efährte und unentbehrliche Gehilfe des Jägers ist sichtlich mit Sorgfalt und Liebe abge­ bildet. Das dichte zottige Fell des mittelgroßen Hundes mit der kurzen Rute, die Fahne an den Läufen, die G angart und Bewegung des Tieres sind treffend beobachtet und wieder­ gegeben. Um seinen Hals liegt ein breites Band. M it tiefem Kopf, die Ohren zurückgelegt, macht er sich daran, m it seiner feinen N ase1 7 die Spur und Fährte des Wildes aufzunehmen und zu verfolgen. Der Beginn der Fährtensuche ist in unserem Bild festgehalten. Hinter dem naturalistisch dargestellten H und gibt rechtsein reizvoll stilisiertes Bäumchen eine landschaftliche Szenerie an. Der in seinem unteren Teil kräftige Stamm wächst bis zu halber Höhe schief nach rechts hin, sodann m it einem scharfen Knick nach links, wo er an den Ellbogen des Hundeführers reicht, verjüngt sich und steigt in sanfter Biegung in die Höhe. Statt einer Laubkrone trägt der Stamm eine in Draufsicht gegebene vielblät­ trige Sternblume mit dickem Blütenpölsterchen.1 8 Durch dieses Bäumchen, das die gleiche Größe hat wie die menschliche Gestalt, wird das Bild nach rechts hin in gefälliger Weise abgeschlossen und die K om position ausgewogen. Über der Sternblüte ist eine annähernd rhomboide Erhöhung stehengeblieben, von der eine Linie nach rechts an die Rahmenleiste stößt, während die Fortsetzung nach links weggebrochen ist. Man möchte in dieser Erhöhung, deren Oberfläche völlig abgeschlagen ist, den Rest des ornam entalen Bildabschlusses in Form einer flachen Sattelspirale sehen, einer Spielart des sog. norisch-pannonischen Volutenornaments, das sich gerade auch im südöstlichen Bereich Norikum s gtößter Beliebtheit erfreute.1 9 D er links oben erhalten gebliebene Rest einer Reliefierung, eine tiefer in die Bildfläche hereingreifende rundliche Erhöhung, stimmt allerdings nicht zu einer solchen Bildbekrönung. Die Frage, was über dem M ann und dem Baum noch dargestellt war, muß daher offenbleiben.2 0 Das an sich anspruchslose und doch recht ansprechende Reliefbild, das, von guter Plastizität, nach dem Kopftypus des M annes kaum vor dem 3. Jh. zu datieren ist, gehörte — wie die beiden in Flavia Solva — zur dekorativen Ausstattung eines Grabmonuments. Und das Bildthema ist gewiß nicht ohne Bezug auf den Bestatteten. Dargestellt ist zwar nicht der G rab- und Jagdherr selbst, sondern ein M ann aus seinem Gefolge,2 1 der bei der Jagd als H undeführer fungierte und den H und auf die Fährte setzte. Er kündet von der Freude seines Herren am edlen Weidwerk, dem dieser in den anmutigen Gefilden Celeias, in dem waldreichen Gebiet um Tüffei-Laäko ausgiebig huldigen konnte. 1 S. 121 ff., Abb. 29 u. 30. 2 Vgl. E . D ie z, Arnold Schober (1886—1959) in: Schild von Steier 9 (1959—61) S. 8. 3 In Gamlitz bei Ehrenhausen (BH Leibnitz) an der Kirche. H = 0,88 m, Br = 1,22 m. Abb. auch A. Schober, Die Römerzeit in Österreich2 (1955) Taf. 25, Abb. 68. 4 Schriften über die Jagdkunst (Cynegetica), in denen jeweils entsprechend ausführlich über die verwendeten Hunderassen, deren Abrichtung, Zucht etc. gehandelt wird, sind uns ganz oder teilweise erhalten von Xenophon (oder Pseudo- Xenophon. Zur Echtheitsfrage: H. R. Breiten­ bach, RE IXA [1967] Sp. 1913 ff.), Grattius (augusteische Zeit) Arrian (2. Jh.), Oppian (Anfang 3. Jh.), Nemesianus (ausgehendes 3. Jh.). Daneben ist die reiche bildliche Über­ lieferung — vor allem aus römischer Zeit — von größter Bedeutung, die mit der lite­ rarischen allerdings nicht ohneweiters in Ein­ klang gebracht werden kann. Vgl. das um­ fangreiche Werk von J. A y m a r d, Essai sur les chasses romaines des origines à la fin du siècle des Antonins (Cynegetica) (Paris 1951). Den Hunderassen ist darin ein eigenes Kapitel (II/l.X II., S. 235 ff.) gewidmet. Siehe auch Kapitel XIII, S. 275 ff. 5 Vgl. auch Schober, Römerzeit, S. 132. 6 Schober, ÖJh a. O. S. 127 f. Abb. 30. D ie z, Die röm. Steindenkmäler auf Schloß Seggau bei Leibnitz2 (1959) S. 51 Nr. 86. 7 H = 0,84 m, ursprünglich ca. 0,90 m; unten ist der gekehlte Rahmen erhalten, oben nur eine Leiste davon. Br. des Fragments = 0,65 m. 8 Im verlorenen linken Teil der Bildkompo­ sition möchte ich einen zweiten Baum annehmen. Möglicherweise war auch sonstiges land­ schaftliches Beiwerk (Gestrüpp oder ähnliches) angegeben, das aber wegen der starken Be­ schädigung nicht mehr ausnehmbar ist. 9 Vgl. A ymard a. O. S. 267 f. 1 0 Für die Photographie danke ich Herrn P. Felix Vongrey. 1 1 S. 437 c). Zeichnung: Taf. XVIII. 26/2. — Muchar führt — außer drei Inschriftsteinen — noch ein zweites Relief und zwei Löwen in Tüffer an. Der in Hochrelief gearbeitete Löwe an der Kirche (in einer Nische an der SW-Wand der südlichen Seitenkapelle = Franz Xaveri- Kapelle), nach Muchar (a. O. b) »zuverlässig ein Werk alter Kunst«, ist nicht antik. 1 2 I. O r o žen, Das Bisthum und die Diözese Lavant, I.—VIII. 1 3 A. O. IV. 2 (1881. Das Dekanat Tüffer S. 3 f. Unser Relief S. 3. 1 4 S. 4 ff. auch die »Römischen Inschrift­ steine«. Die ■ — wie Orožen (S. 4) ausdrücklich betont, von ihm selbst am 26. Sept. 1856 in der Rückwand der Mensa des Rosenkranzaltars (im südlichen Seitenschiff der Pfarrkirche) entdeckte — Inschrift (= CIL III 5152) befindet sich heute noch an dieser Stelle (V. H offiller- B. Saria, Antike Inschriften aus Jugoslavien 1 . (1938, Neudruck 1970) S. 20: »verschol­ len«), 1 6 Rechts von der Tür, zu der mehrere Stufen hinaufführen, zwischen dem zweiten und dritten Fenster. 1 0 Bis ca. 6 cm tief. 1 7 Die sagacitas narium ist die hervor­ ragendste Eigenschaft dieser Hunde. Vgl. Cie. nat. deor. 2, 158 u. a. 1 8 Ein ähnliches Sternblumen-Bäumchen auf einem schmalen (H = 0,21 m) Tierfries in Flavia Solva (D iez a. O. S. 36 Nr. 45). 1 9 Vgl. D iez in: Le rayonnement des civi­ lisations greque et romaine sur les cultures périphérique (Paris 1965) S. 208, Taf. 28, 2. — In der Zeichnung bei Muchar a. O. (Anm. 11) ist das Bild — ausgehend von der rechts an die Rahmenleiste stoßende Linie — mit einer Zickzackleiste abgeschlossen. 2 0 Der Verputz ist über dem in die Mauer eingelassenen Stein bogenförmig ausgespart. 2 1 Ähnlich wie der auf vielen Grabdenk­ mälern dargestellte schreibende oder die Schrift­ rolle haltende Librarius zur Dienerschaft der wohlhabenden Häuser gehörte (vgl. D iez, Schild von Steier 2 [1953] S. 123 ff. und in: Le rayonnement... [Anm. 19] S. 209). LOVSKE RADOSTI NA CELEJANSKIH POLJANAH Povzetek Dvema noriškima lovskima reliefoma, ki ju je objavil A. Schober v Österr. Jahreshefte 37/1948 pod naslovom »Norische Jagdreliefs«, dodaja avtorica tretjega, ki ga je A. Schober spregledal. Relief, ki ga navajata že Muchar v Geschichte des Herzogthums Steiermark Bd. 1 in Orožen v Das Bisthum und die Diözese Lavant T. 4, je iz Laškega, kjer je vzidan v kaplaniji (Ašker­ čev trg 2). Predstavlja lovsko sceno v naravi, in sicer moža, oblečenega v tuniko in sagum, ki drži na vrvi psa, nekakega predhodnika današnjega braka (Muchar je mislil, da bi utegnil biti tudi medved, Orožen pa govori o živali, podobni merjascu). Relief je gotovo del nagrobnega spomenika bogatega gospoda, prijatelja lova. Zaradi oblike moške glave bi relief težko datirali pred 3. stoletie. 1 Lovski relief iz Laškega. — Jagdrelief aus Laško (Tiiffer)