Stem Öer Neger Katholische Miffions^Zeitfchrift Herausgegeben von her Kongregation: Missionäre Söhne des heiligsten Herzens Jesu Heft 2 Februar 1938 41. Jahrgang Eine Fahrt nach Steelport. Von P. Johann R i egler, F. 8. C. Unter den verschiedenen Arbeiten des Missionärs besteht eine auch darin, daß er die von der Mission für die Schwarzen errichteten Volksschulen in mehr oder weniger regelmäßigen Zeitabständen besucht. Bei dieser Gelegenheit erteilt er den Kindern Religionsunterricht, den sonst der schwarze Lehrer auf Grund des vom Missionär aufgestellten Lehrplanes jeden Tag selber gibt. Der Unterricht des Missionärs beschränkt sich mangels mehr Zeit hauptsächlich darauf, das bereits Gelernte auszufragen und noch besser zu erklären und die Kinder anzueisern, das in der Schule Gehörte im täglichen Leben praktisch zu verwerten. Zugleich erhält er bei einem solchen Besuch Einblick in den Fortgang der Schule im allgemeinen. Diesmal galt mein Besuch der erst vor kurzer Zeit eröffneten neuen Schule in Steelport, zirka 70 Kilometer von der Hauptstation Maria-Trost entfernt. Als Begleiter hatte ich einen weißen Katholiken aus dem nahe gelegenen Städtchen Lydenburg, einen Irländer, der ein großer Freund unserer Mission ist. Nach Erledigung verschiedener Geschäfte in Lydenburg fuhren wir mit unserem altersschwachen Missionsauto, das schon ganz bedenklich ächzt und stöhnt und lange schon aus Ablösung wartet — es fehlt aber leider noch der Onkel aus Amerika —, endlich los. In friedlichem Durcheinander lagen im Hinterteil des Autos Pickel, Schaufeln, Hacken und Stacheldraht, bestimmt für die Anlegung und Einzäunung eines Gartens rings um die neuerrichtete Schule, ferner mehrere Blechkannen zum Wasserholen und zwei Kisten voll kleiner Eukalyptus- pflanzen, die, wenn einmal groß geworden, der Schule als Schattenspender und Windschutz dienen sollen. In Steelport ist es nämlich heiß, sehr heiß sogar. Als die Brüder das dortige Schulhaus bauten, zeigte das Thermometer im Zelte, das ihnen jährend der Bauzeit als Wohnstätte diente, um die Mittagszeit herum meistens über 40 Grad Celsius, einmal stieg es sogar bis 47 Grad Celsius. Zunächst geht unsere Fahrt ziemlich eben dahin. Wir fuhren vorbei am Gehöfte des Nkulunkulu Nzama (d. i. Gott Nzama), eines Schwarzen, der sich unter seinen Landsleuten als Herrgott ausgab und das arme Volk betörte und aussaugte. Nun ruht er schon über zwei Jahre im kühlen Grabe und seine Anhänger warteten vergebens auf die von ihm prophezeite glorreiche Auferstehung. Nach 17 Kilometer Fahrt erreichten wir Nooit-gedaacht, wo schon 1928 von Maria-Trost aus durch Hochw. P. Zorn eine Missionsschule gegründet wurde. Wir halten und statten dieser Schule einen kurzen Besuch ab. Dem Lehrer übergab ich das schon vorher bei mir bestellte Maismehl, das tägliche Brot der Schwarzen. Dachte ich nun, mein schwer beladenes Auto ein wenig erleichtert zu haben, so hatte ich mich getäuscht. Kaum waren wir in der Richtung nach Steelport losgefahren, da kam schnell noch ein Mädchen dahergerannt, hielt uns an und bat uns, für einen ihrer Verwandten in Steelport Sachen mitzunehmen. Die Schwarzen haben, wie es scheint, einen eigenen Spürsinn und eine besondere Fähigkeit im Ausschnüffeln günstiger Gelegenheiten. Was blieb mir übrig, als wieder anfangen einzuladen. Jetzt aber los, sonst kommen wir zu spät nach Steelport. Aus schlechter, holperiger Straße geht es um mehr als ein Dutzend scharfer Kurven einem Bergsattel zu. Das Auto knirscht auf allen Stockzähnen ob der schlechten Straße, die Seele wird einem fast aus dem Leibe gerüttelt. Längst schon hätte diese Straße in eine Altertumssammlung gehört, doch scheint sie bis jetzt noch keinen Liebhaber gesunden zu haben. Bor einer scharfen Kurve fragt mich mein Begleiter, ob ich diese Stelle kenne. Und wie! Als ob ich diese Stelle jemals vergessen könnte! Hier war es ja, wo vor acht Jahren unser hochwürdigster Apostolischer Präfekt unb ich im Auto fast hundert Meter in die steile Tiefe stürzten, wobei das Auto vollständig zertrümmert wurde, während wir beide wie durch ein Wunder am Leben blieben. So etwas vergißt man nicht mehr! Auf dem Höhensattel angekommen, sieht man, wie sich auf der anderen Seite des Berges die Straße tief drunten in eine enge Schlucht hineinwindet. Fast kommt einem das Gruseln, wenn man das gurrt erstenmal sieht und bedenkt, daß man aus schlechter, steiler und enger Straße, um scharfe Ecken herum, links die hohe Bergwand, rechts den steilen Bergabhang, hinunter muß. Doch es geht. Dem Auto werden Zügel angelegt, daß es nicht allzu toll springt. Die Schlucht selber ist mit Dornbäumen, Euphorbien, Kakteen usw. dicht bewachsen. Dutzende von Assen müssen da drinnen noch hausen. Schon öfters sah ich sie an dieser Stelle vor dem Auto über die Straße springen. Nach einer Fahrt von mehreren Kilometern mündet die Schlucht in ein verhältnismäßig enges, aber sehr fruchtbares Tal ein. An der Hitze spürt man es sogleich, daß man hier schon tiefer ist als in Lydenburg. Eine große Anzahl Buren hat sich hier seit langem niedergelassen und betreibt hauptsächlich Weizenbau. Man sieht aber auch mehrere Orangenplantagen sowie Pawpaws- und Bananenpflanzungen. In diesem Tal habe ich bisher die schönsten Kandelabereuphorbien angetroffen. Schön regelmäßig gebaut, ragen sie wie wuchtige Armleuchter aus hohem Sockel und langem Schaft über das übrige Dorngestrüpp, das auch hier noch viel Raum einnimmt, empor. Wo dieses Tal sich verbreitert, mußten wir nach links abzweigen. Aus sandig-staubigem Boden geht es nun über eine ziemlich ausgedehnte Hochebene. Hier knirscht nicht nur das Auto, sondern fast noch mehr der Sand unter den Autocüdern. Öde und fruchtlos ist die ganze Gegend rings umher, kein Acker, kein Wiesenrasen, der das Auge erfrischen würde. Nur niedriges Dorngestrüpp wuchert auf diesem Boden, mit spärlichem, verdorrtem Gebetsmeinung für Öen Monat Februar: rSJaJj in Jnüien öle Volksgruppe öec sogenannten /Vnbecührbaren^ öie 60 Millionen Menschen umfaßt/ öurch öie christliche Liebestätigkeit zu Christus hingeführt weröe/ Indien zählt 350 Millionen Einwohner. Davon sind 240 Millionen Hindus, 77 Millionen Mohammedaner, die übrigen Religionen, auch das Christentum, zählen nur verhältnismäßig wenige Anhänger. Unter den 240 Millionen Bekennern des Hinduismus gelten 60 Millionen als „Unberiihrbare"; sie bestehen aus zwei Klassen: den niedersten Kasten und Stämmen und aus Leuten, die wegen einer groben Verfehlung gegen die Kastengesetze aus ihrer Kaste ausgestoßen wurden. Die „Unberührbaren" sind für die hohen Kasten ein Gegenstand der Verachtung und' des Abscheus, ihr Anblick, ja selbst ihr Schatten wirkt schon verunreinigend. Diese aus- gestoßenen Volksteile erhoffen sich jetzt eine Verbesserung ihrer Lage entweder vom Islam oder vom Kommunismus. oder vom Evangelium Jesu Christi. Wenn jüt Indien zahlreiche Missionäre, sowohl Priester wie Ordensbrüder und -schwestern, zur Verfügung ständen, wenn die Geldmittel vorhanden wären, um katholische Kirchen und Schulen zu errichten, dann könnten zweifellos sehr viele „Unberuhrbare" für das Christentum gewonnen werden. — Wir sollen nun beten, daß durch die Tätigkeit recht vieler Missionäre zu all diesen enterbten und entrechteten Menschen das ..Licht zur Erleuchtung der Herden" gebracht werde. Götzen in ihrem Schrein. Längs des Weges mm Phong-y nach Than-Laoe in Indochina öefindel sich diese Grotte mit drei bevorzugten Götzen der Gegend. Ein Prie!ster von den Pariser Auswärtigen Missionen betrachtet sie. er berichtet, daß selbst oer Teufel in der ganzen Gegend Verehrung genießt. (Fides-Foto.) Graswuchs. Schade um dieses Land, daß es so unbearbeitet daliegt!, geht es durch meinen Sinn. Mein Begleiter scheint dieselben Gedanken zu haben. Das Kolonialproblem Deutschlands, das gegenwärtig den hiesigen Zeitungen soviel Stoss zu Erörterungen bietet, der Gedanke an das 68-Millionen-Volk, das, auf engem Raum zusammengepfercht, nach neuem Lebensraum und besserer Lebensmöglichkeit ausschaut, muß einen beim Anblick so großer unbenutzter Flächen auf diese Überlegungen bringen. „Was glaubst du, wie diese Gegend wohl nach zehn Jahren ausschauen würde, könnte man sie irgendwie riach Deutschland befördern?", so fragte er mich auf einmal ganz unvermittelt. Ich war ein wenig baff, als er diese Frage an mich stellte, denn sie enthielt in ihrem innersten Kern die Feststellung, daß jeder ehrlich denkende Mensch überzeugt sein muß von der Notwendigkeit, dem deutschen Volk mehr Raum zur Verfügung zu stellen — leider will aber der Egoismus der einzelnen Nationen nicht die notwendigen Konsequenzen ziehen —, diese Frage ließ aber auch durchblicken, welche Achtung und Hochschätzung man vielfach im Ausland vor deutschem Fleiß und deutscher Arbeit hat. Ich muß hier erwähnen, daß gerade in der hiesigen Ge- gend die vorbildliche Arbeit unserer deutschen Missionsbrüder auf den Missionsstationen sehr viel beigetragen hat, die Leute in diesem Urteil zu bestärken. Nachdem ich mich also von der Betroffenheit, die seine Frage in mir verursachte, erholt hatte, sagte ich ihm: „Was, nach zehn Jahren erst, meinst du, würde die Gegend verändert sein? Ich versichere dir, in zwei Jahren schon würdest du sie kaum mehr kennen. Diesen Winter noch würde man sich daranmachen, das Dorngestrüpp auszuroden und das Steingeröll zu entfernen, und nächsten Frühling schon würde, wenn vielleicht auch noch spärlich, neues und besseres Leben diesem jetzt so unfruchtbaren Boden entsprießen unter Mithilfe des europäischen Klimas." Ja, das Herz tut einem oft weh, wenn man hierzulande diese ungeheuren öden Flächen ansehen muß. Was ließe sich daraus nicht alles machen! Freilich darf man nicht vergessen, daß das hiesige Klima, die große Hitze und Trockenheit des Landes, die vielen Schädlinge in Tier- und Pflanzenwelt die Arbeit sehr erschweren und kein geringes Problem in der Kultivierung dieses Landes bilden; aber zäher Fleiß und planmäßiges Vorgehen würden entschieden noch viel aus diesen öden Flächen herausholen, würden sie im Laufe der Zeit umwandeln in fruchtbare Gegenden, die für Tausende und aber Taufende das tägliche Brot spenden würden. Unter solchen Erwägungen verging die Zeit rasch und bald waren wir in der Nähe von Steelport. Steelport ist eigentlich keine Ortschaft nach europäischem Sinn. Nur wenige Häuser sind zu sehen: der Bahnhof (Steelport ist Endpunkt der Eisenbahn), eine Gemischtwarenhandlung, ein Hotel und noch ein halbes Dutzend verstreut liegender Privathäuser. Es ist tatsächlich fast so, wie einmal jemand sagte, man habe in Steelport ein Haus hingebaut, damit die Fremden wenigstens fragen können, wo Steelport, das auf den Landkarten immer ganz bedeutungsvoll eingezeichnet ist, liege. Und trotzdem spielt diese Gegend eine gar wichtige Rolle. Im Schoße der hohen Berge, die das kleine Steslporttal umgeben, liegen reichliche Chromeiseneczlager verborgen. Mit dem Rüstungsfieber in Europa ist auch die Ausbeutung dieser Erzlager gestiegen. Man sagt, daß säst das ganze hier gewonnene Material zu Rüstungszwecken nach Europa wandere. Wie überall in den südafrikanischen Bergwerken, so sind es auch hier in Steelport die Schwarzen, die in harter Arbeit unter Aufsicht einiger Europäer den großen Schatz aus dem Berg- innern herausholen müssen. Wenn die Fahrt dem Ende zugeht und das Auto ins Steelporttal hinunterfährt, dann sieht man schon auf der gegenüberliegenden Talseite eine große Anzahl kleiner, weißgetünchter Hütten, die Wohnungen der schwarzen Bergarbeiter. Wie in Reih und Glied aufgestellte Bienenkörbe schauen sie im Glanz der Sonnenstrahlen aus. Dort in der Nähe ist unsere Schule, dorthin also müssen wir unser Auto lenken. Je näher wir kommen, desto mehr verspüren wir die große Hitze. Wie aus einem Backofen heraus weht uns die heiße Luft entgegen. Aus ungefähr einem halben Kilometer Entfernung leuchtet uns die mächtige Aufschrift der Schule: „St. Dominic's School" grüßend entgegen. Das Schulhaus selber, gebaut von unseren Missionsbrüdern Huber, Stengel und Brand, welch letzterer die Beförderung des nötigen Baumaterials zu besorgen hatte, ist ein solider Ziegelbau mit Wellblechdach und ist ein neuer Zeuge der Tüchtigkeit unserer Brüder. Bei der Schule steht noch ein kleines Nebengebäude mit zwei Zimmerchen, die Lehrerwohnung. Doch was ist das? Vor der Schule steht der schwarze Lehrer und lächelt uns schelmisch entgegen. Ich schaue in die Schule, sie ist leer! „Wo sind denn Verehrung des Bauch-götzen. Mehr wie acht Millionen Indier sind Anhänger irgendwelcher Sonderfvr-men von Stammes-Riten. Das Wild zeigt einige Heiden aus einem Dschun-geldovf an der Kiidwest-Wste in der Nähe von Kali lut bei ihrem Mor-gengebet zu Ganssha, dem Bauchgötzen. (.FidesiFoto.) KM b die Schulkinder?" frage ich ein wenig verlegen. Wollte ich doch meinem Begleiter den großen Zustrom von Kindern zu dieser neuen Schule zeigen, und nun stand das Gebäude leer! „Du willst die Kinder haben?" erwiderte der Lehrer mit der unschuldigsten Miene der Welt, „die habe ich soeben heimgeschickt." Dann lachte ec so selbstbewußt, als ob er eine Heldentat verübt hätte. Ich schaue aus die Uhr, richtig: Zehn Minuten sind wir zu spät daran. Am Morgen, beim Beginn der Arbeitszeit, ist der Schwarze selten pünktlich. Er entschuldigt sein Zuspätkommen mit der Ausrede, er habe keine Uhr und wisse deshalb die Zeit nicht genau. Doch merkwürdig! Am Ende der Arbeitszeit weiß er dis Zeit genau nach dem Stand der Sonne zu schätzen, und da ist er dann äußerst pünktlich. Nur keine Minute zu lange arbeiten, es könnte der Gesundheit schaden, lautet da sein Grundsatz. Was soll aber ich nun machen? Wie mich aus der Verlegenheit meinem Begleiter gegenüber retten? Wie ihm die Begeisterung der kleinen Knirpse für diese neue Schule, von der ich ihm erzählte, als Tatsache und nicht bloß als Hirngespinst meiner Phantasie beweisen? Als ich mich, immer noch hilflos, umdrehe, um einen Ausweg zu finden, da sehe ich auf einmal die ganze Kinderschac heranstürmen. Im letzten Augenblick noch hatten sie mein Auto erspäht, und nun gab es für sie nur eine Parole: „Zurück zur Schule, der Umfun-disi ist gekommen!" Keuchend kamen sie angesaust, gaben zuerst mir die Hand zum Gruß, dann noch meinem Begleiter, machten einen Knix zum Lehrer hin und verschwanden im Schulhaus. Mein Begleiter war sprachlos. Erft als der ganze Rummel vorbei war, rief ec mir zu: „Mensch, was hast du für ein Ansehen bei diesen Schwarzen! Glaubst du, weiße Kinder wären nochmals mit solcher Begeisterung freiwillig zur Schule zurückgekehrt, nachdem sie der Lehrer entlassen?" — „Ja", sagte ich, „würdet ihr die Schwarzen richtiger behandeln, so wären sie auch euch mehr zugetan." Diese Worte galten allerdings nicht so sehr ihm selber als vielmehr der weißen Rasse Südafrikas im allge- Die Natur als Gleichgewichtskünstlerin. Ein Gegenstück zu dem berühmten „Schwiugen-den Felsen van Tandil" in der Nähe von Buenos Aires, balanciert dieser riesige Felsblock in den Hügeln von Zulüland bei Eshowe auf einer Unterlage von kaum 60 Zentimeter Durchmesser. Auf dem Felsen türmen sich noch zwei andere Brocken, von denen der oberste noch eine Aloe trägt. (Fides-Foto.s meinen. Diese wunderbaren Naturkinder hatten mich also wieder einmal richtig aus der Patsche herausgehauen. In der Schule begann nun der Religionsunterricht. Es war wirklich zum Staunen, wieviel der Lehrer diesen Kindern innerhalb der fünf Wochen seit dem Bestehen der Schule schon beigebracht hatte. Nicht nur konnten sie schon das Kreuzzeichen machen, eine gar schwierige Handlung für diese Krausköpfe, die so etwas bisher noch nie sahen, und verschiedene Gebete aufsagen, sie wußten auch schon viele Fragen aus dem Katechismus zu beantworten und einige biblische Geschichten wiederzugeben in ihrer Act und Weise. Als ich einen kleinen Knirps bei der Geschichte von Kain und Abel fragte: „Was hat denn der böse Kain eines Tages zu seinem guten Bruder Abel gesagt?", antwortete er mit wichtigtuender Miene: „Er hat gesagt: .Gehen wir auf die Berge Vieh hüten!"'. Das war so recht aus der Anschauungsweise dieser Iungens heraus. Wie oft wird nicht sein eigener Bruder schon zu ihm gesagt haben: „Komm mit auf die Berge zum Viehhüten." Das Viehweiden ist ja die Hauptbeschäftigung der schwarzen Knaben; mit den Ochsen und Ziegen ihres Vaters sind sie sozusagen verwachsen, kennen jedes Stück schon beim Namen, kaum daß sie ein wenig laufen und sprechen können. Und in dieser Gegend wird das Vieh hauptsächlich auf den Bergen geweidet. Drei Viertelstunden lang dauerte der Unterricht. Nur einmal konnten sie mir eine Frage nicht beantworten, wahrscheinlich habe ich sie zu ungeschickt gestellt, sonst klappte alles. Aufmerksam lauschten sie den Erklärungen, die ich bei den einzelnen Fragen gab. Als ich dann fragte, wer von ihnen am Morgen gebetet habe, hoben drei Viertel der Kinder die Hände hoch, die anderen blickten beschämt zu Boden. Ich wies sie nun darauf hin, daß es sich für ein gutes Kind nicht gezieme, beim Aufwachen am Morgen nur an den Palitshi (Maisbrei) und an die auszuführenden Streiche zu denken, sondern daß wir zuerst an unseren Vater im Himmel denken müßten, um uns seinem Schutz zu empfehlen. Bei der Erklärung, daß nur gute Menschen in den Himmel kommen, fragte ich, ob sie alle gut seien. Verlegenes Achselzucken ging durch die Reihen. Ein kleines Mädchen rettete die Situation. „Wir sind alle gut", erklärte es im Brustton der Überzeugung. Mein Begleiter, der zum erstenmal einem Unterricht in einer Das Rathaus in Durban. (Kongreg.-Archiv.) Schule der Schwarzen beiwohnte, war ganz begeistert. Er staunte über die Fähigkeiten dieser Kinder, über ihren Eifer und ihre Wißbegierde. Die kleinen Krausköpfe hatten fein Herz sozusagen im Sturm genommen und gewonnen. So kam es, daß er am Schluß des Unterrichtes dem Lehrer Geld übergab mit der Weisung, den Kindern dafür Zuckerln zu kaufen als Anerkennung für ihre Leistungen. Mit Jubelgeschrei stürmten sie nun heimzu, um dort diese Frohbotschast zu verkünden. Der Lehrer bekam nun noch Anweisung, wie er mit seinen Schulkindern während der durch den Stundenplan vorgeschriebenen Handarbeitszeit den Garten anzulegen und einzuzäunen habe, wo die Eukalyptuspflanzen zu setzen seien usw. Noch sind der Lehrer und einer seiner Verwandten, der aber gegenwärtig an einer anderen Schule unserer Mission unterrichtet, die einzigen Katholiken aus dieser Gegend. Alle übrigen sind noch Heiden oder gehören irgendeiner Sekte an. Doch besteht Hoffnung auf guten Erfolg. Schon das Interesse der Erwachsenen an dieser Schule läßt darauf schließen, über zwei Jahre lang quälten sie mich mit der Bitte um eine Schule. Immer wieder mußte ich sie vertrösten auf die Zukunft, da ich nicht wußte, woher die Mittel dazu nehmen, überdies waren auch die Brüder immer noch anderswo beschäftigt. Schließlich gelang es uns doch, den Schulbau aufzurichten. Groß waren der Jubel und die Begeisterung am Eröffnungstag. An fünfhundert Schwarze hatten sich versammelt, um der Einmeihungsfeier beizuwohnen. Nicht genug staunen konnten sie über das mit Girlanden und Fahnen geschmückte Schulgebäude. Ganz weit aber öffneten sich Äuge, Mund und Ohren, als die Musikbande von Maria-Trost aus diesem Anlaß mit ihren glänzenden Instrumenten angefahren kam und den ersten Be-grühungsmarsch in den Hellen Sonntagmorgen hinausschmetterte. Mit anständigem Betragen wohnten sie der ersten heiligen Messe bei, von der sie freilich wohl wenig verstanden haben werden; mit gespannter Aufmerksamkeit lauschten sie der Predigt über Sinn und Zweck der katholischen Schule. Nach der Feierlichkeit gab es ein großes Mahl, von den Schwarzen selbst gestiftet und bereitet. Schon am Vortag baumelten an den Dornbäumen rings um die Schule ausgeweidete Schafe und Ziegen, die der Schule wegen ihr Leben lassen mußten, und nun seit dem frühen Morgen in großen Töpfen über dem Feuer schmorten. In einem Zimmer des Nebengebäudes stand eine Doppelreihe bauchiger Töpfe mit srischgebcautem Negerbier, bereit, die von der glühenden Sonne ausgetrockneten Kehlen zu laben. Groß ist auch schon die Zahl der Kinder, die die Schule besuchen, noch mehr werden es nach den Weihnachtsferien fein, da jetzt noch viele Eltern durch die gegenwärtige Weizenernte auf den Feldern der Weihen sehr in Anspruch genommen sind und so die Kinder nicht leicht entbehren können. Außerdem hat sich auch schon eine Schar Erwachsener für den Taufunterricht gemeldet. Noch eine Bitte aber haben diese guten Leute auf ihrem Herzen. Sie möchten gern ein Missionsspital, von Schwestern geleitet. Ob wir ihnen diesen Wunsch je- ' mals werden erfüllen können? Vorläufig läßt die schwindsüchtige Kasse derlei Gedanken gar nicht auskommen. Und doch, wäre es eine große Hilfe für diese armen Menschen, die, 70 Kilometer weit vom nächsten Arzt entfernt, infolge der großen Hitze so vielen Krankheiten ausgesetzt sind. Von der Schule fuhren wir ins Farmhaus, um eine kleine Stärkung einzunehmen, besuchten dann weiter hinten im Tal noch einen Engländer und trafen schließlich nach acht Uhr abends wieder in der Heimat ein, wo es galt, den zerrütteten und geschüttelten Gliedern Ruhe zu gönnen, um sie bereitzumachen für die Arbeiten des kommenden Tages. Südafrikanische Städtebilder. Von Br. A u g u st C a gol. Durban. Obwohl Vasco da Gama am Christfeste 1497 die südöstliche Küste von Südafrika entdeckt hatte, die er zu Ehren der Geburt des Weltheilandes „Natal" nannte, siedelten sich die portugiesischen Entdecker hier nie an. Das Scheitern mehrerer holländischer Schiffe an der Natalküste veranlaßte 1685 die Hollündisch-Dstindische Gesellschaft', von den Eingeborenen die Natalbucht käuflich zu erwerben. Der Nennwert der Kaufsumme war nach heutigem Gelde 33.000 Reichsmark, der tatsächliche Wert der dafür gelieferten Waren betrug den 33. Teil. Bis zum Jahre 1823 benutzten nur wenige Schiffe den Hafen von Natal, um Wasser und Holz einzunehmen. Im genannten Jahre landete der englische Schiffsleutnant Farewell in der Bucht und drang von hier aus zur Erkundung des Landes ins Innere vor. Die Gegend nördlich der Bucht gefiel ihm so gut, daß ec bei der Kapstädter Regierung um das Recht zur Eröffnung einer Handelsniederlassung nachsuchte. Sein Gesuch wurde zwar abfällig beschieden, doch wurde ein gewisser F p n n abgesandt, der mit Tschaka. dem König der Zulu, wegen Überlassung eines Gebietsteiles verhandeln sollte. War das Land vorher dicht bevölkert gewesen mit verschiedenen Bantustämmen, so hatten Tschakas grausame Kriege die Bevölkerung fast ganz ausgerottet, so daß nur wenige überlebende ihr Leben mit Pflanzenwuczeln und gelegentlichem Menschenfleisch fristeten. Reiche Geschenke bewogen den gefürchteten Zulukönig, den Weißen zu gestatten, sich an der Natalbucht niederzulassen. Infolgedessen wurden drei Stationen eröffnet, eine an der Stelle des heutigen Turbaner Marktes, eine an der „Bluff" genannten Landzunge und eine an der Mündung des Umbiloflustes. Diese können als der Beginn der Stadt Durban angesehen werden. Nachdem Tschaka 1828 von seinem Halbbruder D i n g a n a ermordet worden mar, regierte letzterer über das Volk der Zulu. Die Reste der von Tschaka aufgeriebenen Bantustämme sahen sich um Schutz bei den weißen Siedlern an der Natalbucht um. Deshalb sah Dingana die dortigen Europäer nicht mit freundlichen Augen an, doch getraute er sich nicht, ernstlich gegen die Siedlung an der Natalbucht vorzugehen. Im Jahre 1836 zogen viele Bucensami-lien, die mit der britischen Regierung unzufrieden waren, aus der Kapkolonie weg. Eine Abteilung der Buren wandte sich Natal zu. Sie war geführt vom Genevalkommandanten Pieter R e t i e f, einem Manne, der bei allen in hohem Ansehen stand. Reliefs Lieblingsidee war es, einen Hafen an der Küste des Indischen Ozeans zu finden, durch den die Buren ihren Handel betreiben konnten, ohne von den Briten an der Tafelbucht abhängig fein zu müssen. Er ging zunächst zur Natalbucht, wo eine Anzahl englischer Händler und Jäger lebte. Dann suchte er den Zulukönig Dingana auf, begleitet von einem der englischen Händler, der der Zulusprache mächtig war. Der Zulukönig empfing den burischen Generalkommandanten mit großer Freundlichkeit und zeigte sich ihm gegenüber sehr gastfrei. Als Retief ihn um die Erlaubnis ersuchte, sich in Natal niederlassen zu dürfen, versprach ihm Dingana ein großes Stück Land gegen gewisse, leicht zu erfüllende Bedingungen. Reties kehrte frohen Mutes nach Win-burg, wo feine Leute auf ihn warteten, zurück und schilderte die Schönheit und Fruchtbarkeit Natals wie auch die Gewogenheit des Zuluherrschers mit so leuchtenden Farben, daß man beschloß, die gestellten Bedingungen unverzüglich zu erfüllen und nach Natal aufzubrechen, das den Auswanderern wie ein gelobtes Land erschien. In Natal breiteten die Buren sich in kleinen Gruppen über ein weites Gebiet aus. Die Leute waren voll Vertrauen und dachten an keinerlei Gefahren. Gegen Ende Jänner 1838 ging Retief daran, Dingana einen zweiten Besuch abzustatten, um den Vertrag bezüglich des versprochenen Gebietsteiles zum Abschluß zu bringen. Er ritt mit 66 Weißen und 40 farbigen Dienern ab. Wieder empfing ihn Dingana mit großer Freundlichkeit. Der Vertrag war bald zu Papier gebracht und beiderseits angenommen. Nach diesem Schriftstück überließ der Zuluhecrscher den weißen Einwanderern alles Land zwischen dem Tu- Eine alte Befestigung zu Durban. (Kongreg.-Arch-iv.) gela und döm Umzimvubuslusse. Das war am 5. Februar 1838. Am folgenden Morgen stattete Retief mit allen seinen Leuten dem Herrscher der Zulu seinen Abschiedsbesuch ab. Als die Gesellschaft an der Umfriedung ankam, welche die königlichen Hütten ein-schloß, ersuchte die schwarze Leibgarde die weißen Männer, ihre Waffen außen niederzulegen, da niemand bewaffnet in der Gegenwart des Königs erscheinen dürfe. Trotz des unwilligen Gebrummes vieler seiner Begleiter bestand Retief daraus, daß dem Ersuchen der Wachen Folge geleistet werde. Dingana empfing die Weißen aufs freundlichste, ließ Hirsebier herumreichen und unterhielt sich mit dem Generalkommandanten. Plötzlich erhob sich der Zulukönig, gab seinen Kriegern ein Zeichen und rief: „Ergreift fie!" Augenblicklich fielen die schwarzen Krieger über die unbewaffneten Buren her, die sie mit leichter Mühe überwältigten und dann zu einem nahen Hügel schleppten, wo sie ihnen mit Keulen die Hirnschalen einschlugen. Dingana war entschlossen, des weißen Mannes ganz ledig zu werden, da er ihn als eine Gefahr für feine Macht betrachtete. Deshalb sandte er sogleich ein starkes Heer aus zur Vernichtung der übrigen Buren in Natal. Die meisten Lager der nichtsahnenden Einwanderer lagen offen bei, denn die vertrauensseligen Leute hatten es nicht einmal für notwendig erachtet, die gewöhnliche Vorsichtsmaßregel des Auffahrens der Wagen als Schutzwehr zu treffen. Am frühen Morgen des 17. Februar 1838 erreichte die Vorhut des Zuluheeces das erste Lager der Buren, das sie vollständig überrumpelte und unter den ahnungslosen Schläfern ein fürchterliches Blutbad anrichtete. So wäre es den übrigen Lagern ergangen, wenn nicht glücklicherweise ein junger Mann rechtzeitig erwacht wäre, dem es gelang, auf ein ungefatteltes Pferd zu springen und unbeachtet davonzuceiten, so daß er die übrigen Landsleute in Natal warnen konnte. Diese verschanzten in aller Eile ihre Lagerplätze und verteidigten sich gegen die Angriffe der Zulu heldenhaft. Ihre Feuerwaffen richteten große Verluste in den dichten Reihen der angreifenden Schwarzen an. Bei Anbruch der Abenddämmerung traten Dinganas stolze Krieger den Heimweg an, an Zahl sehr vermindert. Die in Winburg gebliebenen Kommandanten Potgi eter und U y s kamen ihren Landsleuten in Natal zu Hilfe. Auch die Engländer an der Natalbucht versprachen Beistand Eifersucht unter den Buren, wer die Führung übernehmen sollte, verhinderte schnelles Handeln. Endlich ging eine Abteilung von 347 Mann unter Führung von Potgieter und Uys gegen Din- Das alte Fort von Erahamstown. (Kongrog.-Archiv.) ganas Dorf ab. Nach fünftägigem Marsche stießen die Buren aus Zulutruppen, von denen sie in einen Hinterhalt gelockt wurden und sich unerwartet von einem großen Zuluheer umzingelt sahen. Ein heftiger Kampf entstand, in dem die Buren namhafte Verluste erlitten, doch gelang es ihnen, sich durchzuschlagen. Die überlebenden kehrten unverrichteter Sache zurück. Wenige Tage später brachen 17 Engländer von Port Natal aus, begleitet von 1500 Schwarzen, von denen eine gute Anzahl mit Feuerwaffen versehen waren. Am 17. April 1838 tras diese Truppe aus ein Zuluregiment, mit dem die Engländer leichtes Spiel zu haben glaubten, als sie sich unerwartet einem starken Heere gegenüber sahen. Eine blutige Schlacht entbrannte am Ufer des Tugela. Dreimal griffen die Zulu die kleine Truppe erfolglos an, beim vierten Vorstoß drangen sie in deren Reihen ein. Mer Engländer und 500 Schwarze entkamen durch die Flucht; alle übrigen, 13 Weiße und 1000 Eingeborene, erlagen den tödlichen Zuluspeeren. Obwohl ihr erster Strafzug gegen Din-gana keinen Erfolg gehabt hatte, verloren die Natalburen den Mut nicht. Ende November 1838 zog Andries Willem Pre-t o r i u s mit 464 Mann gegen den Zulukönig aus. Am Nachmittag des 15. Dezember kamen die ersten Zulutruppen in Sicht. Pretorius schlug sein Lager am Ufer eines kleinen Flusses auf und brachte zwei kleine Feldgeschütze, die er mit sich führte, in günstige Stellung. Früh am Morgen des 16. Dezember begann das 12.000 Mann starke Zuluheec den Angriff auf das Lager der Weißen. Die schwarzen Krieger wurden mit einem Hagel von Geschossen empfangen und zurückgetrieben. Wieder und wieder griffen sie an, doch war es ihnen nicht möglich, den Kampf in den von den Wagen umschlossenen Kreis zu tragen. Plötzlich ließ Pretocius die Wagenburg an einer Stelle öffnen, brach an der Spitze einer starken, berittenen Abteilung aus und griff die Flanke des Zuluheeres an. Nach kurzem Kampfe brach sich der Widerstand der Zulu; sie wandten sich zur Flucht und ließen 3000 Beim indischen Zahnarzt. Der südindische Dentist Mt seine Praxis mitten ans der Strafte aus. Offenbar gehört er nicht zur schmerzlosen Schule. Denn ein Gehilfe muß die Hände des Patienten während der Operation festhalten, teils um ihn am H-ändefuchteln zu hindern, teils um ihm Mur einzuflößen. (Fides-Foto.) Zote und Sterbende auf der Walstatt. Der vorbeifließende Fluß war rot von Blut und trägt seither den Namen Blutfluß. Der Jahrestag der Schlacht am Blutfluß wird alljährlich als „Dingaansdag" von den Buren begangen. Nach der Schlacht zog Pretorias an der Spitze seines kleinen Heeres zum Dorfe Dinganas, das er in Flammen fand, denn der König und sein Volk waren geflohen. Auf dem Hinrichtungshügel fand er die Überreste Piet Retiefs und feiner Gefährten. In einer Tasche Retiefs fand er den wohlerhaltenen, von Dingana mitunter« zeichneten Kaufvertrag. In Kraft dieses Schriftstückes nahmen die Buren Besitz von Natal und gründeten die Hauptstadt Pietermaritzburg, benannt nach Pieter Retief und Gert Maritz. Solange Dingana Herr blieb im Zulu-land, war für den weißen Mann an keinen wirklichen Frieden zu denken. Der Zulukönig hatte sich ein neues Dorf gebaut und wartete auf eine Gelegenheit, einen neuen Vorstoß gegen die Buren zu unternehmen. Indessen geriet er in Streit mit seinem Bruder Panda, der mit einer großen Anzahl von Anhängern nach Natal floh und bei den Buren Hilfe suchte gegen Dingana. Anfänglich trauten diese ihm nicht. Nachdem sie sich aber vergewissert hatten, daß Panda keine hinterlistigen Pläne hege, machten sie gemeinsame Sache mit ihm. Eine Abteilung von Buren und eine ansehnliche Streitmacht von Zulus unter Panda zog aus. Während die Buren wenig eingriffen, gelang es Panda, Dinganas Heer vollständig zu schlagen. Der Zulukönig floh an die Grenze des Swazilandes, wo er bald darauf von Mörderhand fiel. Die Buren erkannten Panda als neuen König der Zulu an, doch forderten sie Abgaben von ihm. Beide Teile lebten hinfort in Frieden miteinander. Die Buren erklärten Natal als ihre Republik und nannten diese „N a t a-iia". Ihre Einfuhrartikel erhielten sie durch Port Natal. Das mißfiel den britischen Kaufleuten von Kapstadt, die befürchteten, der Hafen von Natal könnte das hauptsächlichste Eingangstor für das Innere von Südafrika werden. Bald genug fiel ein Funken ins Pulverfaß. Gewisse Strafverordnungen der Burenregierung gegen Negersippen an der Grenze zwischen Natal und der Kapkolonie veranlaßten den Gouverneur der letzteren, Sir George Napier, zum Einschreiten. Er verstärkte die Truppen an der Grenze unb ließ den Hafen von Natal besetzen. Der Volksrat von Natalia erhob Einspruch, jedoch ohne Erfolg. General-kommunbant Pcetorius sammelte eine Anzahl Farmer und bezog ein Lager in der Nähe von Port Natal, von wo aus er die britischen Truppen aufforderte, unverzüglich abzuziehen. Der englische Befehlshaber, Hauptmann Thomas Smith, stellte sich auf den Standpunkt, die aus der britischen Kapkolonie ausgewanderten Buren hätten keineswegs aufgehört, britische Untertanen zu sein und seien daher nicht zu unabhängigen politischen Maßnahmen berechtigt. Kampf war also unvermeidlich. In einer mondhellen Nacht beschloß Smith, das drei Meilen entfernte Lager der Buren zu überfallen. Allein alle feine Bewegungen wurden von den Buren beobachtet, die die britische Truppe aus ihren Verstecken beschossen und sie in Verwirrung brachten, so daß sie sich in Unordnung zurückziehen mußte. Pretorius verlangte neuerdings den Abzug der britischen Streitkräfte. Hauptmann Smith suchte einen Waffenstillstand von wenigen Tagen nach, der ihm gewährt wurde. Es war ihm gelungen, heimlich einen Boten nach Grahamstown in der Kapkolonie zu senden, der Bericht erstatten und um Entfatztruppen bitten sollte. Nach Ablauf des Waffenstillstandes nahmen die Buren die Beschießung des britischen Lagers auf. Allein die Engländer hatten sich inzwischen so gut eingegraben, daß die Beschießung ihnen wenig schadete. Nach 26tägiger Belagerung kamen am 25. Juni 1842 neue britische Truppen zur See an. Ein englisches Kriegsschiff ecöff-A nete aus weittragenden Geschützen heftiges Feuer auf das Lager der Buren. Als die britischen Truppen landeten, gaben die Buren den weiteren Kampf auf und zerstreuten sich. So wurde Natal britischer Besitz. Nur wenige Buren blieben in Natal wohnen: die meisten von ihnen packten ihre Habfeligkeiten wieder auf die Planwagen und zogen über die Drachenberge ins Innere des Landes. Von nun ab führt die Gründung an der Nätalbucht den Namen Durban, fo geheißen nach dem Gouverneur der Kap- kolonie Sir Benjamin D'Urb an, der dies Amt von 1884 bis 1841 innehatte. Nach dem Abzug der Buren aus Natal ließen sich viele Siedler, vorwiegend Blitzen, in der „Gartenkolonie" nieder, fo daß Natal heute noch vorherrschend britische Bevölkerung hat. Auch die eingeborene Bevölkerung nahm stark zu, hauptsächlich durch Zuwanderung aus dem benachbarten Zululand. Anfänglich wurde Natal als ein Anhängsel der Kapkolonie betrachtet; 1856 erhielt es eine eigene gesetzgebende Körperschaft mit dem Sitze zu Pietermaritzburg. Die Küste des Indischen Ozeans zeigt infolge Erwärmung durch die heiße Mocambique-Strömung warmes Klima und üppigen Pflanzenwuchs. Der fruchtbare Boden eignet sich vorzüglich zum Anbau von Kaffee, Tee, Zuckerrohr, Baumwolle und Südfrüchten. 1860 suchten die Zucker-pflanzer, die mit den eingeborenen Arbeitskräften nicht zufrieden waren, bei der Regierung um die Erlaubnis nach, indische Arbeiter einführen zu dürfen. Die Indier kamen und kehrten nicht mehr in ihre Heimat zurück, wo Armut ihrer harrte. Sie blieben und vermehrten sich so stark, daß den Weißen angst wurde. Die Geister, die sie riefen, wurden sie nicht mehr los. Die Indier, die sich in der vierten Generation befinden und Südafrika zu ihrer Heimat gemacht haben, lassen sich nicht mehr abschütteln. Mehr als die Hälfte von ihnen ist in Südafrika geboren. 1879 erklärte die britische Regierung in Südafrika Krieg an den unruhigen König der Zulu, Ketschwayo. Anfänglich war das Glück den britischen Streitkräften durchaus nicht hold. Erst die Entscheidungsschlacht am 4. Juli brachte ihnen den Sieg; sie vernichtete die Blüte des Zuluheeres und machte den Zuluherrscher zum Gefangenen, der nach Kapstadt verbannt wurde. 1893 erhielt Natal eine eigene verantwortliche Regierung und 1910 wurde es als eine der vier Provinzen in die Union von Südafrika aufgenommen. (Fortsetzung folgt.) Mota Saheb? Von Erlebnis zu Erlebnis im Wunderland Indien. Von Johann Baptist Müller, 8. J. (Fortsetzung.) 10. Trabanten des Todes. Christus, der „Gute Hirt" und das vollkommenste Vorbild aller Seelenhirten, hat sich in seinem öffentlichen Leben ganz besonders mit den Kranken abgegeben und ihnen sein göttlich liebevolles Erbarmen zugewandt. Er yat nicht nur im ganzen Lande gepredigt und die Volksscharen mit seiner Frohbotschach entzückt, sondern er ging auch überall herum, „Wohltaten spendend". Wo immer er sich aufhielt, brachte man von allen Seiten die Kranken herbei. Er hatte für jeden ein tröstendes Wort, legte ihnen einzeln die Hände auf und heilte sie alle. Auch ferne Apostel, seine Sendboten, sollten nach seiner Weisung dasselbe tun. Als er sie zum Predigen ausschickte, gab er ihnen auch den Auftrag und die Gewalt, die Kranken zu heilen. „Curate infirmos" — „Heilet die Kranken!" Diese Sorge für die Kranken hat denn auch die heilige Kirche selbst als ein Erbteil des göttlichen Heilandes übernommen, und zu allen Zeiten, von der Himmelfahrt bis auf den heutigen Tag, ist sie dieser Verpflichtung treu geblieben. Und all ihren Priestern übergibt Gott der Herr den besonderen Beruf, den Kranken recht warme, liebevolle Helfer und Tröster zu sein. Erhalten sie auch nicht die Gewalt, durch Wunder die Krankheiten des Leibes zu heilen, so doch die Macht, die Krankheiten der Seele zu heilen und der Seele das übernatürliche Leben der Gnade zu verschaffen. Außerdem jedoch erhält jeder Priester Gewalt über die Krankheiten und Schwächen des Leibes durch das Sakrament der heiligen Ölung, das nicht bloß die Seele stärkt zum letzten Kampf, sondern auch die Gesundheit des Leibes, wenn es Gottes Wille ist, bewirkt. Weil nun gerade die Kranken und Leidenden unserem göttlichen Meister so sehr am Herzen liegen, so ist, selbstverständlich, jeder gute Priester eifrigst bestrebt, diesen Lieblingen des Heilandes seine ganz besondere Sorgfalt zuzuwenden. An Gelegenheiten hierzu fehlt es ja nirgends. Ganz besonders aber in den fernen Heidenländern, wo mörderisches Klima und ungünstige Ortsverhältnisse ergiebigsten Nährboden für die tückischsten Krankheiten schaffen, eröffnet sich dem Missionar ein reiches Feld für seine Liebestätigkeit an den Kranken. Es fehlt ja leider so oft an Ärzten, Heilmitteln und rechter Pflege. Je bereitwilliger und selbstloser sich da der Missionär der Kranken annimmt, desto mehr zieht * Der Abdruck erfolgt mit Zustimmung des Verlages Herder & Co. in Freiburg (Wreisgau), Baden. er die Herzen der Heiden zum Christentum hin. So war auch ich in meiner Station, die als ungesundes Fieberheim weithin bekannt ist, das ganze Jahr hindurch mit der Sorge für die kleinen und erwachsenen Kranken in Anspruch genommen. Wegen der vollständigen Hilflosigkeit der vielen armen Kranken, die kein Geld hatten, sich von den Eisenbahn-ärzten behandeln zu lassen, sah ich mich genötigt, mir die notwendigsten medizinischen Kenntnisse aus den besten Werken anzueignen und mir eine vollständige homöopathische Apotheke von Europa kommen zu lassen. Damit war ich in der Lage, all den Armen ohne Unterschied der Religion zu helfen. Von weither brachte man die Kranken auf Ochsenkarren herbei. Da gab es Arbeit genug. Malabarische „Sägemühle". Indische Sägeloute beim Zerschneiden von Baumstämmen in einem Dorf an der Südwest-k liste, der sogenannten 'Malabarküste. Das Bild stammt von einem der venetianischen Jesuiten-Missionäre, die sich dort im indischen Dschungel niedergelassen und bereits eine katholische Gemeinde von 13.000 Seelen errichtet haben. (Fides-Foto.) Zudem erschienen jedes Jahr mehr oder minder heftig die gefürchteten Epidemien: Schwarze Pocken, Pest und Cholera, als Trabanten des Lodes in der Station. Da diese Epidemien ziemlich plötzlich auftreten und sich schnell verbreiten, so ist es säst ein Ding der Unmöglichkeit, ihnen Einhalt zu gebieten, besonders was Pest und Cholera angeht. Um dem Weiterumsichgreifen der Schwarzen Polten, wenigstens unter den Eisenbahnangeuell-ten, ihren Angehörigen und Dienern, vorzubeugen, wurden diese zur Impfung ins Hospital eingeladen. Die Eingeborenen hatten eine heillose Angst vor dem Geimpftwerden, weil sie fürchteten, dadurch noch eher von der Krankheit befallen zu werden. Ihre Herrschaften hatten daher die Weisung, ihnen durch ihr Beispiel Mut zu machen. Auch ich mußte mit meinen Dienern zur Impfung gehen. So zogen wir denn eines Morgens zum Hospital. In dem zur Impfung bestimmten Saale hatten sich schon eine Anzahl europäischer und eurasischer Männer und Frauen eingefunden. Die indischen Diener mußten draußen in der Veranda warten. Mit ihren angsterfüllten Blicken stierten sie unverwandt in den Saal hinein, um zu sehen, wie die Geschichte vor sich ging und was für Gesichter ihre Herrschaften bei der Impfung schnitten. Da werden sie auch wohl beim Einsenken der Nadel in Len Arm manch verzogenes Antlitz gesehen haben. Endlich kam auch ich, der Mota Saheb, an die Reihe, und alle Augen waren auf mich gerichtet. Der Chefarzt, ein langer Engländer, rasierte mir die Haare vom Oberarm weg, füllte die Nadel, ergriff fest einen Teil des Oberarmes und setzte die Nadel zum Stiche an. Die Nadel aber ging nicht so leicht hinein wie bei den andern, und der Herr Doktor schaute mich schon groß an. Dann brauchte er etwas mehr Gewalt und machte ein Gesicht dabei wie eine Moskito, wenn sie grimmig ihren Rüssel in die Menschenhaut hineinbohrt. „Aber, Herr Doktor", sagte ich scherzend, „was haben Sie da aber eine schlechte Nadel! Die hat ja, wie es scheint, keine Spitze!" „Was — schlechte Nadel? - keine Spitze?" entgegnete etwas aufgeregt der erschöpfte, schweißtriefende Doktor. „Die Nadel ist gut, ausgezeichnet, spitz genug und hat sich bis jetzt glänzend bewährt. Aber Sie — wer hätte das gedacht! — Sie, Padre-Saheb, ausgerechnet Sie, haben keine Menschenhaut, sondern eine Rhinozeroshaut! Da soll einer durchkommen! Solch ein Fell habe ich noch nie unter meinen Fingern gehabt!" Da mußte er selber lachen, und wir alle im Saale lachten herzlich mit. Wahrscheinlich hat diese laute Heiterkeit im Saale den Eingeborenen draußen auch mehr Mut gemacht. Inwieweit die Impfung genützt hat, läßt sich schwer sagen. Jedenfalls nahm die Epi-deknie der Schwarzen Pocken, ihren gewohnten Verlauf und verlangte viele Opfer. Die unheimliche Zeit aber, in der die drei Epidemien in der Station hausten, werde cch nie vergessen. Da hatte ich keine Zeit, an mich zu deuken, und war Tag und Nacht auf den Beineu. Pest und Cholera verursachten den größten Schrecken unter der Bevölkerung. Die meisten Opfer aber verlangte die Cholera, die immer mitten in der Regenzeit auftrat. Sie erfaßte fast ausschließlich Eingeborene. Diese essen nämlich leidenschaftlich gerne Melonen und Sönnen nicht warten, bis diese reif sind. So verzehren sie in Menge i unreife Melonen und trinken gleich darauf ebenso gierig gelbschlammiges Regenwasser, das aus der Wasserleitung vom Tapti-FIusse her aus den Röhren fließt. Kein Wunder, daß sie dadurch die schwersten Magen- und Darmbeschwerden bekommen und verhältnismäßig rasch der Cholera zum Ovser fallen. Sobald die ersten Todesfälle bekannt werden, erfaßt das Volk eine ungeheure Panik. Alles, was nicht unbedingt in der Station bleiben muß, flüchtet hinaus auf die Felder, wo man sich Zelte aufschlägt und dort verharrt, bis die Epidemie ausgetobt hat. Auf allen Gesichtern sieht man nur Furcht und Schrecken. Jeder ist darauf bedacht, durch schleunigste Flucht sich zu retten. Man hat keine Zeit mehr, stehenzubleiben und zu schwätzen. Bald sind die Straßen und Gäßchen leer. Die meisten Häuser und Läden sind geschlossen und verrammelt. Es ist, als ob man nur das gespensterhafte Vorüberziehen des Todesengels leise verspüre. Ja, der führt jetzt das Zepter und fordert seine Beute. Er holt sie sich aus den kleinen Häuschen im Ort und aus den vom Regen schwer heimgesuchten Lehmhütten ringsherum. Dort liegen ja noch genug verlassene Cholerakranke, vielleicht noch von dem einen oder anderen Angehörigen bedient. Wie reich die Todesernte ist, sieht man an den geschäftigen Kulis, die fast zu jeder Stunde irgendeine Leiche im Eilschritt hinaustragen. Der einzige, den man im weißen Talar im Orte herumeilen, Todesstätten betreten und in die Lehmhütten schlüpfen sieht, ist der katholische Missionspfarrer, der den Kranken noch mit Arzneien zu helfen sucht und. wo keine Rettung mehr möglich ist, ihnen die letzten Tröstungen der Religion spender. Zu diesem kommen angsterfüllt die Angehörigen der Cholerakranken und sagen ihm: „Saheb, komm und sieh du schnell nach unserem Kranken, wir müssen fort, sonst sterben wir auch." Ja, wie schnell es da mit dem Sterben geht, möge ein Beispiel zeigen. Eines Morgens, wie ich mich eben zur heiligen Messe anschickte, wurde ich zu einem jungen kranken Arbeiter gerufen, den man gerade von der Eisenbahn heimgetragen hatte. Schnell lief ich hin, fand ihn aber ,schon bewußtlos, und so gab ich gleich die heilige Ölung. Ich versprach, sofort nach der heiligen Messe wiederzukommen und zu sehen, ob ihm noch zu Helsen sei. AIs ich aver nachher hinkam, ivar er gerade gestorben. Utacti den ersten zwei Versehgängen zu Cholerakranken packte mich ein unheimliches Gruseln. Ich sah nämlich klar, welcher Gefahr ich ausgesetzt war. Ent,cylossen rassle ich mich zusammen und sagte innerlich dem Herrn über Leben und Tod: „ültem lieber Gort, du weiht, im weiten Umkreis bin ich hier der einzige Priester. Ich bin in deiner Hand und bin bereit zu sterben, wenn du es so willst: aber habe doch Erbarmen mit den Kranken und erhalte mich ihnen, damit sie nicht ohne die heiligen Sakramente aus dem Leben scheiden!" Da kam eine wohltuende Zuversicht und Furchtlosigkeit über mich, und alle Beklemmung war verschwunden. Frisch und beherzt ging ich ans Werk und fühlte mich inmitten all der Schrecken der furchtbaren Krankheit und des Sterbens um mich herum wie von einer übernatürlichen Kraft getragen. Nun gab es für mich für gut drei Wochen nichts als Versehen und Beerdigen. Dabei unterließ ich es natürlich nicht, die üblichen Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Bevor ich zu einem Kranken oder Sterbenden ging, sättigte ich ein großes rotes Taschentuch gut mit Phenylsäure und band mir dasselbe vor dem Hineinschlüpfen in eine Hütte fest um Nase und Mund. Das brennende Gefühl, das ich dadurch empfand, versicherte mich: auch der verwegenste Bazillus kommt in diesem Tuch zur Strecke! Also mutig hinein! Die armseligen Lehmhütten der Eingeborenen sind um diese Zeit durch den anhaltenden massigen Regen schon sehr schadhaft geworden, und trotz des dicken Palmblätterdaches tropft es doch bedenklich hinein. Ins Innere der Hütte führt nur ein kleiner, etwas über einen Meter hoher Eingang. Ich drücke die lose angelehnte Türe auf und lasse dieselbe beim Hineinschlüpfen ein wenig aufstehen, um etwas Licht in der Hütte zu haben, denn Fenster gibt es da nicht. Auf der einen Seite der Hütte, wo sonst ein paar zusammengerollte Strohmatten und ein paar Kochtöpfe stehen, liegt der arme verlassene Cholerakranke auf seinem vom Unrat des Erbrechens und Abführens beschmutzten Laken auf dem Boden. Einen Krug mit Wasser hat man ihm neben der Türe zurückgelassen. Sonst ist die Hütte leer. Nein, doch nicht! Wohl sind die eine oder zwei Ziegen oder Schafe und die paar Hühner, die sonst die andere Seite der Hütte beherbergte, fort, aber dafür ist die Hütte voll von Nässe, Schimmel. Schmutz und Tausenden von feisten Schmeißfliegen. Und der kleine Hügel von festgestampftem Ziegenmist in der Mitte ist auch noch geblieben. Ich knie mich also auf das schmutzige Laken neben den armen Kranken, beuge mich über ihn, rufe ihm laut ins Obr und stoße ihn an. um zu sehen, wie es mit ihm steht und ob ihm noch zu helfen sei. Hat er wenigstens noch einiges Bewußtsein, so erwecke ich mit ihm einen Akt der Reue und gebe ihm die letzte Ölung und den apostolischen Segen und bete dann die Sterbegebete. An Beichten und Kommunizieren ist in den meisten Fällen nicht zu denken wegen der schnell eintretenden Bewußtlosigkeit und des Erbrechens. Nach dem Verscheiden des Kranken wickle ich die Leiche in das Laken ein und binde Kor-detu um ggals, Leib und Fuße. Dann yeitzt es eine starke Bambusuange auftreiben und zwei Kulis, um die Leiche zum Friedhof zu tragen. Den Kulis mutz man ein gutes Trinkgeld tBakschiich) versprechen. Nun wird die Leiche mit Stricken an die Stange befestigt, der eine Kuli nimmt das vordere Ende der Stange auf die Schulter und der andere Kuli das hintere. Danach geht es über die nächsten Felder den äußersten Häusern entlang dem Friedhof zu, die Kulis voran und ich hinterdrein. Die Felder sind vom vielen Regen aufgeweicht und zu einem wahren Brei geworden, so daß man bis über die Knöchel hindurchwaten mutz. Wie bedreckt man da bald aussehen muß, kann man sich leicht denken. Ja, wenn man nur bald auf dem Friedhofe anlangte! Aber das hat gute Weile. Den Kulis eilt es ja nicht. Sie sinnen darauf, möglichst viel Bakschisch bei der Geschichte herauszuschlagen. Als ob sie es abgemacht hätten, werfen sie auf einmal die Leiche in den Brei hinein. „Saheb, du mußt uns mehr Bakschisch geben, sonst tragen wir nicht weiter", begehren sie gegen mich auf. — „Gut", sage ich beschwichtigend, „ihr sollt genug kriegen, jetzt nur voran!" Knurrend heben sie die Leiche wieder auf und stapfen langsam weiter. Stun beginnen sie einen Wechselgesang. Der vordere Kuli singt näselnd: „Der Saheb hat 's Geld", und der andere Kuli fällt ein: „Und wir haben die Arbeit!" So trommeln sie es mir in Chor und Gegenchor immer leidenschaftlicher ein: „Der Saheb hat 's Geld — Und wir haben die Arbeit!" Bei solchem tragikomischen Leichenbegängnis weiß man nicht, ob man lachen oder heulen soll! Im strömenden Regen endlich auf dem Friedhof angekommen, sehe ich zu meinem Schrecken, daß noch kein Grab aufgeworfen und keiner von den sechs Kulis zu erspähen ist. die dafür zu sorgen haben, daß wegen der vielen Todesfälle stets ein Grab fertig ist. Wo mögen die wohl stecken? Nach langem Umhergehen und Suchen finde ich sie in der Nachbarschaft unter einem Schuppen um ein kleines Feuerckien herumhocken und in aller Gemütsruhe ihre indischen Zigaretten rauchen. Sie schauen verlegen drein, und auf meine energische Aufforderung, sich schleunigst an die Arbeit zu machen, wenn sie nicht bestraft sein wollen, erheben sie sich mit nicht gerade frommen Seufzern, nehmen ihre Hacken und Schaufeln und ziehen langsam im Gänsemarsch zum Friedhof, wo die Träger neben der Leiche im Regen stehen. — Während nun die Kulis ein Grab auswerfen, das sechs Fuß tief sein muß, stehen wir anderen im strömen- den Regen und warten. Wie langsam schreitet oie arbeit bei dem vielen Gezeter der Kulis voran! Es i|t ja auch sehr mühsam, in dem aufgeweichten Boden zu arbeiten. Jeden Äugenblick muß zudem das hineinlaufende žugali er aus dem Grabe herausgeschöpft werden. Endlich ist das Grab tief genug, aber der untere Teil ist im Dtu wieder voll Wasser, yiun wird die Leiche vorsichtig hineingesenkt, und sie verschwindet sofort im Wasser. Nachdem ich die üblichen Gebete der Kirche gesprochen, wird das Grab zugeworfen. — Wie traurig und erschütternd ist doch solch ein Begräbnis zur Zeit der Cholera! Außer dem Diener der Kirche kein einziger, nicht einmal ein Angehöriger, der dem Toten das Geleite zur letzten Ruhestätte gäbe! — In diesem oder ganz ähnlichem Stile folgen die Versehgänge und Beerdigungen einander während der paar Schreckenswochen. Bis auf die Haut durchnäßt und von unten bis oben bespritzt und bedreckt kam ich gewöhnlich nach solchen Beerdigungen heim. Dort galt es, mich möglichst schnell wieder für einen neuen Gang fertigzumachen. Sofort nahm ich deshalb eine gute Desinfektion vor. wechselte die Kleidung und hing die schmutzigen Stücke in den Regen. Dann wurde zur weiteren Immunisierung ein Gläschen Kognak getrunken, — denn seit uralten Zeiten lautet ein Weisheitsspruch: „Schnaps ist gut gegen Cholera!" — und dazu eine starke Zigarre geraucht. Wenn irgendein Pharisäer hieran Anstoß nimmt, dann soll er einmal hingehen und dieselbe, keineswegs angenehme Arbeit tun und probieren, ob er ohne diese Mittel besser fährt! Die Ärzte der Station ließen sich in der ganzen Zeit bei keinem einzigen Cholera-kranken sehen, und der anglikanische Pastor hatte gleich beim Auftreten der Epidemie Reißaus genommen, um in einer gesunden Gebirgsstation Ferien zu machen. Der große Unterschied Zwischen dem Verhalten des katholischen Priesters und dem des protestantischen Pastors trat da sehr scharf zu Tage und wurde viel besprochen. Gerade in solchen Zeiten der Not und Gefahr werden sonst schier unüberwindliche Vorurteile gegen unsere Religion hinfällig und wird es offenbar, ans welcher Seite die Wahrheit ist! — So weiß die gütige Vorsehung selbst die Trabanten des Todes als mächtige Faktoren des Heiles zu benützen. 11. Der gefürchtete Montag. (Sin Weiser, der alte Seneca, hat einmal gesagt: „Sooft ich bei Menschen gewesen bin, kehrte ich stets weniger als Mensch zurück." — So 'afynliäy könnten auch die Kleidungsstücke, die man dem Dhobie zum Waschen mitgibt, von sich bekennen: „Sooft ich beim Dhobie gewesen bin, bin ich jebeSmal weniger als Hose oder Hemd zurückgekommen." Leider entspricht ein solches Geständnis allzusehr der Wahrheit. . Wenn man alle, die dem Dhobie ihre Wäsche zum Reinigen anvertrauen mußten und noch müssen, als Zeugen dafür anriefe, so würde durch ganz Indien ein millionenstimmiges Klagelied ertönen über das ZerstörungSwerk dieses unheimlichen Wäschers. Mit Furcht und banger Ahnung sieht man daher dem Montag entgegen, an dem der Dhobie gewöhnlich die reine Wäsche zurückbringt. Ruhig und gemessen «legt er die verschiedenen Stücke tadellos glatt und gefaltet vor einen hin. Alles in herrlichster Ordnung. Aber ach! — alles nur lSchein! Denn sobald man die einzelnen 'Stücke entfaltet und untersucht, gewahrt man mit Grausen bei den einen den Anfang, bei den andern Den markierten Fortschritt der Verwüstung. Alle Stücke, ob Handtücher, ob Taschentücher, ob Bettücher, ob Hemden oder Röcke oder Hosen, erscheinen dünner und fadenscheiniger, als da sie in die Wäsche gingen. An Hemden, Röcken und Hosen starren einem fast überall nur halbe Stücke oder nod) kleinere Stücke von Horn- oder Perlmutterknöpfen entgegen. Kragen, Ärmel und Hosenbeinsäume zeigen mächtige Fransen, während die Knopflöcher breitmäulig' wie Hechte gähnen. Hand- uüd Betttücher haben stellenweise Risse, die jedoch kunstvoll mit Stärke zugeglättet sind. Wohl dem, der alles gleich nachsieht und solche 'Stellen' zeitig' entdeckt. Denn einem Herrn, der sich ein wenig verschlafen hat, schnell in eine frisch gewaschene Hose schlüpft und sich beeilt, zur Zeit an seinem Berufs-Posten zu sein, kann e§ passieren, daß er beim Dahinschreiten durch eine geheimnisvolle Öffnung einen ungewohnten Durchzug verspürt, während andere, die hinter ihm hergehen, dieselbe zu ihrem Vergnügen betrachten können. — Das alles durch die Kunst des Dhobie. Und einen solchen Verwüster kostbarer Habe soll man auch noch' bezahlen? — Aber selbstverständlich! — Und dabei soll man noch ruhig Blut bewahren und' der vulkanartig kochenden Entrüstung nicht freien Laus lassen? — Nur ja nicht! — Was hättest du damit gewonnen? Rein gar nichts. Vielmehr sähest du dich genötigt, deine Wäsche selbst zu besorgen, weil kein Dhobie mehr für dich arbeiten wollte. Gegen den Dhobie ist man in Indien ein-fachhin machtlos, man muß sich- in stummer Ergebung seinem Walten fügen. Er bleibt bei seiner brutalen Waschmethode, die er von seinen Vorvätern geerbt, und läßt sich auf keine andere, wenn auch tausendmal bessere, ein. Daran ist nichts zu ändern. Leidet auch die Wäsche dabei, so ist nicht er, der Dhobie, schuld daran, sondern das minderwertige, vergängliche Material, aus dem sie besteht!, Folgen wir dem Dhobie einmal aus seine Waschstätte, Da wird uns alles klar, und wrr brauchen uns nicht mehr über den Zustand der zurückkehrenden Wäsche zu wundern, (Fortsetzung folgt.) ,