Herausgegeben von der Kongregation: Missionäre Söhne des fettigsten Herzens Jesu. Preis ganzjährig: Österreich 2-50 S, Deutschland 2 Mark, Italien 8 Lire, Ungarn 2-50 Pengö, Tschechoslowakei^ čS,^3ngortaiDt|n^25 Dinar, Schweiz 2'50 Franken, Unser HeUiger 58ater PiuZ XI. hat rote schon früher Papst Pius X. der Redaktion, den Abonnenten und Wohltätern den Avofto- Lest 3 März 1936 XXXIX. Jahrgang Die letzten Garben. „Bedenken Sie, Herr Pfarrer, wie beschwerlich der Weg zur Bergkapelle ist. Und bei dieser Hitze! Sie sind von der Krankheit noch nicht genesen." Der Greis lächelte eigensinnig: „Was man aus Liebe tut —!" — „So lassen Sie doch mich die Monstranz tragen und gehen Sie als Hofstaat mit. Was sollen unsere Leute sagen, wenn sie ihren Pastor so geplagt sehen, und sein junger Kaplan geht müßig nebenher!" Der Pfarrer hob drohend den Finger: „Ei, die heilige Habgier sieht ihm aus den Augen! Will feinem alten Pastor die letzten Garben vor der Nase wegbinden? Aber da tut er nicht mit. Er hat nur noch wenig Zeit." Wie müde das klang! Und erschreckend bleich sah der Greis aus. Aber in den grauen Augen lag ein seltsames Leuchten, das ging zehrend über ihn hinweg. Der junge Priester fühlte sich von einem Geheimnis angerührt. Aber das mochte dem Pfarrer wohl allein gehören, und darum fragte er nicht weiter. „Ich wasche meine Hände in Unschuld, wenn es schiefgehen sollte", sagte er kopfschüttelnd und ging. Auf dem Kirchplatz war seine Iungmann-sä)aft beim Ehrenbogenerrichten: er wollte mit dabeisein. Es war fein erster Fronleichnam im Dorfe. Aber er war nicht recht bei der Sache. Immer kann er es sich noch nicht verzeihen, daß er damals in der stür- mischen Märznacht seinen alten Pfarrer zu dem typhuskranken Schulzenknecht gehen ließ. Aber der Greis hatte ihm den Tabernakelschlüssel aus der Hand gerissen und war in die Nacht hinausgestllrmt. Und umsonst. Der fremde Knecht hatte weder von ihm noch von dem lieben Herrgott Notiz genommen. Die Sonne verströmte ihre letzte Innigkeit übers Land. Nach ihrem Abschied leuchtete der westliche Himmel noch nach von ihrem Glanze, wie das Andenken eines guten Menschen. Der alte Pfarrer sah es und seufzte. Ob auch sein Scheiden einmal so friedlich sein wird? Die Wolke, die düstere Wolke, die seit Jahren aus seinem Hirtenwege liegt, wird es ihm einmal bitter machen. Morgen ist sein letzter Tag unter den Seinigen. Er hat es selbst gewollt. Der Hirtenstab wird ihm schwer, in der Hand. Vor einem müden Schäfer zerstreuen sich die Schafe. Die Alten, die das Leben langsamen Schritt gelehrt, halten schon noch ganz mit ihm. Aber viele der Jungen leben von ihm weg in eine neue Zeit. Er versteht ihre Art nicht mehr. Dar-um sollen sie einen anderen Führer haben, der, aus ihrer Mitte und Zeit heraus geboren, neue Wege durch neue Fährnisse und Irrnisse weiß. Er hatte es sich so schön geträumt, in den Sielen zu sterben. Vom Ernteseld in den ewigen Feierabend. Der Himmel will es anders. Das Hochfest der Liebe will er noch unter feinen Schäflein verleben. Und einen letzten Opfergang muß er noch tun für ein paar Irrende unter ihnen. „Er speiste fie mit des Weizens Mark, mit Honig aus dem Felsen sättigte er sie", hat er eben im Offizium gelesen. So wird der Herrgott auch ihm keinen Stein geben statt Brot. Im Dorfe wurden die Laute des Alltags still. Nur aus dem Küstergarten kam noch gedämpftes Singen. Der Iungfrauenchor übt das „Lauda Sion" noch einmal durch für den Segen an der Bergkapelle. Eine Mauerschwalbe strich am Pfarrfenster vorbei. Bon der alten Linde riefelte ein Regen zartgelber Blüten, wenn der Abendwind an ein Zweiglein rührte. Das Rotkehlchen, das fein Nest im Wipfel hütet, begann ein Lied, wie es ihm der Lenz bis heute noch nicht entlockte. Da konnten auch die Glocken nicht schweigen. Jubelnd trugen sie die Kunde über Dorf und Flur und Tal und Berge, daß morgen Fronleichnam fei, der Glorientag des großen Königs. Kleine Mädchen mit zierlichen Körbchen kamen um die Schulmauer auf den Pfarrgarten zu. Da wartete schon Tante Elisabeth an der Obertür. Der Pfarrer sah ihr gutes altes Gesicht aufleuchten, als des Herrgotts kleine Räuberschar über ihre Blumenbeete herfiel. Alles, was da blüht, ob Menschen- oder Gartenröslein, hat in ihrem weiten Iungfernherzen einen Platz. Für die Körblein, die die kleinen Unbände in den Händen halten, zieht sie alle die Tausendschönchen und Vergißmeinnicht und Primelchen. Gestern ist sie gar der Sonne gram gewesen, daß sie ihr die Blumenkindlein zu ungestüm entfaltete. Die Sonne hat es sich zu Herzen genommen und ein Wolkentüchlein vor das Gesicht gezogen, das ihren heißen Atem dämpfte. Ein kleines Mädchen stand allein draußen am Gartenzaun, das Gesichtchen sehnsüchtig an die Latten gepreßt, an der Hand ein leeres Weidenkörbchen. Der Pfarrer fühlte wieder das heimliche Weh in sich aufspringen. Dieselben dunklen Augen, das fremdländisch schwarze Haar ist es wie bei ihrem Großvater, dem Klusenwirt. Er wandte sich mit raschem Entschluß um und wollte noch für ein paar Augenblicke zur Kirche hinauf. Allerdings, die Predigt hatte noch kein Schlußwort. Er weiß noch nicht, was er den Seinigen zum Abschiede sagen soll. Vielleicht gibt es ihm der Heiland ein. wenn der Friede der Nacht über die Erde kommt. Er weiß ja, wie es einem Hirten am Grünüonnerstagabend seines Lebens zumute ist. Mühsam ging er die Treppe hinab. Die Schwäche, die die Krankheit zurückgelassen, wollte immer noch nicht weichen. Das kleine Mädchen zuckte zusammen, als er plötzlich neben ihm stand. Die dunklen Augen sahen erschreckt in sein lächelndes Gesicht. „Du möchtest auch ein paar Blümchen, Kind? Wie heißt du doch noch?" — „Zita." — „Komm, ich gebe dir von meinen Blumen", sagte er freundlich und ging auf das Anemonenbeet vor seinem Fenster zu. Das Mädchen senkte das feine, bräunliche Gesichtchen und sah ihn unter dunklen Brauen her mißtrauisch an: „Ich darf nicht." — „Warum nicht?" — „Großvater schilt." — Der Pfarrer bückte sich und pflückte ein paar weiße Nelken, um sein schmerzliches Betrosfensein nicht zu zeigen. „Herrgott, lass' das Unkraut, das der Feind auf dies junge Erdreich sät, nicht ausgehen." — „Ich darf nichts von dir nehmen. Großvater hat das Bildchen von dir ins Feuer getan.“ Die Blumen fielen auf die Erde. „Willst du mir nicht die Hand geben, Zita?" Scheu streifte die braune Kinderhand die feine und fort war das Mädchen, um die Schule herum. Auf der Weide ihres Großvaters sah er sie Marienröschen ins Körbchen pflücken. Langsam, noch gebückter als sonst, ging er den Pfad zur Kirche hinan, ums Küsterhaus herum, zum hintern Teil des Kirchhofes. Hier schlafen die Alten. Als er vor ein paar Jahrzehnten in dieses Dorf kam, bauten sie noch dem Fronleichnamskönig Triumphbogen. Ihre Grüfte sinken schon allmählich ein; die Blumen des Gedenkens derer, die jetzt in ihren Häusern wohnen, blichen schon spärlicher um die dunklen Kreuze. In der Mitte steht ein altes Kreuz mit einer Bank davor, rundherum ein Kranz von Lebensbäumen. Hier ist fein liebstes Plätzchen. Hier ist er feinen toten Schäflein so nah wie den lebenden. Nur jenes dunkle Grab Stern der Neger 35 Heft 3 an der Kirchhofsmauer, auf dem kein Kreuz von Hoffnung spricht, aus dem kein Blümchen tröstet, aus dem nur Dorn und Nesseln wuchern, das wird ihm immer fern bleiben wie die, die in der ungesegneten Erde darunter liegt. Dieses Grab über der Mauer und das Haus darunter sind die Wolken über seinem sinkenden Leben. Das „Gloria" der Weihnacht, das österliche Alleluja, selbst der Jubel des Fronleichnams haben sie ihm seit Jahren bitter gemacht. Als ein ganz Fremder war Wolf Klüsen vor bald dreißig Jahren nach Wenklau gekommen und hatte das. verwahrloste Gut des Kirchhofbauern übernommen. Woher er kam, was er früher getrieben, keiner erfuhr es. Er war ein finsterer Mann, von selbstbewußter Art. Er verschaffte sich mit dem Ellenbogen Geltung, wo sich ihm die Türen nicht gutwillig öffneten. Kaum ein Jahr und der verkommene Hof stand wie neu unter der Mauer, über die die alten Kirchenlinden ihre Blüten bis in die Stubenfenfter warfen. Der Fremde hatte Geld, das schaffte ihm Freunde. Er wußte viel und hatte fremde Länder bereist, das verhalf ihm zu Ansehen. Als er nach Jahr und Tag einen Ausschank auftat, waren seine Stuben bis in den späten Sonntagabend voll von Gästen. Seine Tochter, die braunäugige Leoni, spielte und sang so bezaubernd zur Laute und zu allen denkbaren Instrumenten, daß alles, was im Dorf und weiter herum jung und lustig war, sich einfand und nicht so rasch wieder an Heimkehr dachte. Bald mußte Klüsen einen Saal anbauen und weiterhin ein Gartenhaus für sommerliche Gäste. Der seltsame Wirt zog alles in seinen Bann, wenn er abends fremde Länder und Menschen in der Phantasie seiner Gäste heraufbeschwor und Leoni die leidenschaftlichen Gesänge und Weisen aufspielte, die sie unter weiß Gott welch fremden Sonnen gelernt haben mochte. Manch leichtem jungem Blut beuchten diese Klänge schöner als die Himmelslieder und Predigten oben in der alten Kirche und kurzweiliaer als das Rufen der Glocken, die ,ut Pflicht und Andacht mahnten. Den Wirt und feine Tochter sah nie einer im Kirchenstubl. An Gönn- und Feiertagen waren nach der Kirchenseite hin die Laden geschlossen. War Erzbischof Lostantini, bei neue Sekretär der Propaganda. Se. Exzellenz Msgr. Celso Costan-tini, Titularerzbischof von Theodosia, hat am 20. Dezember sein neues Amt als Sekretär der Propaganda angetreten. Er wird zugleich Präsident der päpstlichen Werke der Elaubensver-breitung und vom heiligen Apostel Petrus für den einheimischen Klerus. Der Neuernannte hat von 1922 bis 1933 als Apostolischer Delegat in China sich hervorragende Verdienste erworben. Sein Vorgänger am der Propaganda, Kardinal Sakotti, hat bekanntlich am 19. Dezember den Kardinalshut erhalten. aber Hochamt und Vesper aus, strömten die Durstigen, die an Gottes Quellen sich nicht hatten satt trinken mögen, in die hellen Stuben und der Wirt stand abends schmunzelnd vor der vollen Ladenkasse. Er und sein Kind und sein schwarzer S'-amb hielten ihren Gottesdienst in Wald und Heide oder in der Jägerhütte auf dem Höllenstein. Nur die kleine, schmächtige Frau, die kaum einer der Gäste zu Gesicht bekam, stahl sich. wenn Mann und Tochter das ftaus verlassen hatten, dann und wann als 'letzter Kirchengast um die Mauer, kauerte im letzten Kirchenwinkel und war vor betn „Ite, missa est“ wieder fort. Der junge Pfarrer, der nach einem zehnjährigen, aufreibenden Wirken in einer Industriestadt im abgelegenen Bergdorf den Hirtenstab übernommen hatte, erlebte mit bitterem Leid, daß manches feiner jungen Lämmer ihm aus der Hürde brach und in die Netze des Feindes geriet. Er vernahm entsetzt, welch giftigen Samen der Fremde gerade den Jungen, Unerfahrenen, Urteilslosen in die arglosen Seelen säte. Mancher Platz im Sonntagshochamt blieb leer, während in den Stuben unter der Mauer ein gewissenloses Menschenkind ihre betörenden Reize spielen ließ. Da hielt es ihn nicht mehr in untätigem Zuschauen. Solches Unkraut hatte auch einst der strenge Täufer nicht bis zur Ernte wachsen Ein Wandgemälde ams der Kirche Abba Liga-nos in der abestinifchen heiligen 'Stabt Axum. Das Christentum dieser ©toibt geht muf den heiligen Frumentius zurück, der dort als Apostel wirkte -und später der Metropolit der abes-jinischsn Kirche wurde. lasten. Das mußte ausgeristen werden. Pfarrer Golt ging freimütig zu dem Manne und stellte ihm die Gefahr vor, die fein Treiben für seine Schäflein, besonders für die jungen, bedeute. „Hier ist mein Eigentum, da oben das Ihre!" war des Schwarzen Antwort und dazu ein befehlender Wink zur Tür. Was sollte er tun? Müßig zusehen, wie der Wols ihm die Schafe zerriß? Still sein, wenn er an feinen Jugendabenden vor halbleeren Tischen stand und bei den sommerlichen Spielen und Wanderungen die Hälfte seiner einst so frischen jungen Freunde fehlte, während Tanz und Spiel und Lärm bis in die Nacht unter der Kirchenmauer nicht verklangen? Eines Tages blieb auch der Platz seines liebsten Jungen, des Schulzenfranz, am Spielabend im Iugendsaal leer. Der Pfarrer hatte es nicht fasten und nicht glauben mögen, auch dieser treuherzige, urgefunöe junge Mensch sollte dem gefährlichen Zauber erlegen sein? Franz war ihm in letzter Zeit hie und da ausgewichen. Wenn er ihn traf, wurde er verlegen. Er konnte ihm nicht mehr gerade ins Auge sehen. Sein Vater klagte, daß er zerfahren und rechthaberisch sei. Die Schulzenmutter brachte weinend ein Buch, das sie in seiner Lade gefunden. Der Pfarrer schaute hinein und fühlte sich schamrot werden. Er warf es ins Feuer. Die Klusen-tochter forderte es von ihm zurück. Er ließ ihr sagen, daß alle ähnlichen Schundbücher, die ihm in die Finger fielen, unerbittlich denselben Weg gehen würden. Von diesem Tage an spürte er an allen Ecken und Enden die gehässigen Wühlereien der beiden. Einige der jungen Verführten stellten sich offen oder versteckt auf die feindliche Seite. Während der Pfarrei sonntags am Altare und auf der Kanzel stand, faßen sie auf der Kirchhofsmauer unter den Linden, Zigaretten zwischen den Zähnen, bunte Schundhefte in den Händen. Das tat der Schulzenfranz zwar nicht, aber er rückte drinnen in der Kirche immer weiter in heimliche Ecken, wo des Hirten Blick und Wort ihn nicht erreichen konnten. Trotzdem gelang es dem Pfarrer einmal, ihn zu packen. Im Walde war's, beim Holzfällen. Franz wurde wild. als er sich dem Pfarrer ausgeliefert sah, und fef ? :'' Kapellenauto in Südwestafrika. Ein einheimischer Lehrer ans Südwestafrika gibt Buschmännern Christenlehre, indes der Missionär die Vorbereitungen zur hl. Messe trifft. Das Bild stammt aus dem Tsumed-Distrikt des Vikariates Windhoek, wo Miisionäre aus der deutschen Provinz der Oblaten (Hünfeld) an der Arbeit sind. Das Kapellenauto ist hier ein dringendes Bedürfnis, wo 31 Priester, 34 Brüder und 90 Schwestern ein Gebiet von 530.000 qkm, ungefähr der Ausdehnung Frankreichs entsprechend, zu verwalten haben. wollte weg. Aber dann stellte er sich ihm in jäh aufflammendem Trotz: Er sei groß-jährig und wolle nun mal nicht mehr am Gängelbande gehen, stieß er heftig hin, als der Pfarrer ihm freundschaftlich Vorhaltungen machte und ihn vor dem Umgang nnt jenen Menschen warnte. Franz ließ ihn nicht ausreden. Er fei früher ein grüner Junge gewesen. Ihm seien aber mm die Augen aufgegangen, er wolle endlich mal was von feinem Leben haben. Eltern und Geistliche hätten ganz unö gar dein Recht, einem selbständigen jungen Menschen ihre überlebte Moral aufzuzwingen. Wenn er die ganze Woche über wie ein Knecht schufte, wolle er sonntags was anderes als Weihrauch und zahm durchs Feld fpazierengehen. Der Pfarrer sprach vom Leide seiner Mutter um ihn. Da fackelte ein Zug der einstigen Gutheit über das unruhige Gesicht, aber so unglücklich und voll geheimer Qual, daß es den Priester erschütterte. Was durch die jungen Augen geisterte, das war Verzweiflung, die ihre Not hinausschreien wollte und sich doch hinter Trotz verschanzte. Franz wandte sich schroff um und ließ den Pastor stehen. Zwei Tage später war er aus der Heimat verschwunden. Die Schulzenleute brachen fast zusammen unter diesem Schlag. Er kam zu jäh und vernichtend. Nun war das alte Geschlecht dem Verfall geweiht. Kein Zeichen kam von dem Verschwundenen. Er hatte mit findiger Be-dachtsamkeit seine Spur verwischt. Seit dieser Zeit waren auch Leier und Lieder unter der Kirchenmauer stumm. Manchem im Dorfe gingen die Augen auf. Sie erkannten das Unheil, das ihnen ihre Kinder verdarb und ihren Pfarrer zur Erde beugte. Das Klusenhaus wurde langsam öde. Der Wirt stand ingrimmig an halbleeren Tischen. Den Schulzensohn verzieh ihm keiner. Er war einer der Besten im Dorfe gewesen. An einem grauen Herbsttage erfüllte sich auch an dem schwarzen Wirt das Geschick. In der Hinterstube, an der Stelle, wo sie früher ihre Lieder gesungen, lag Leoni morgens tot auf den Dielen. Sie konnte es nicht ertragen, daß der Schulzenerbe, an den sich ihr stolzester Sieg knüpfte, sie mit ihrer Schmach allein gelassen hatte. Sie verlor den Halt unter sich. Und über sich wußte sie keinen. Die kleine vergrämte Frau kauerte ohnmächtig neben ihr, im Tode ihr noch ferner als im Leben. Die 26 Pfund schwere Süßkartoffel. Diese Riesen-kartofsel im Gewicht von 26 Pfund wuchs in einem EinAsborenengarten in der Kenya-Kolonie in Ostasrika. Sie wurde an die Co-nsolata-missionare als Beisteuer gum Missionssonntag abgeliefert. Dörfler sahen am nächsten Morgen schaudernd die frisch aufgewühlte Erde an der Kirchhofsmauer. Sie bekreuzten sich. Wer der Toten in der stürmischen Nacht das un-geweihte Grab geschaufelt hatte, keiner wußte es. Ein Raunen ging, der schwarze Wirt habe es selbst getan. Das arme Weib hätte ihm dazu geleuchtet. Der Klusenwirt wohnte fortan wie ein unheimlicher Geist mit der verhärmten Fkau und einem alten Knecht in dem verfemten Hause. Mancher fand sich zu heimlicher Stunde wieder am Beichtstuhl ein. Nach und nach kamen alle Schäslein wieder zurück. Der Pfarrer erlebte Hictenfreude. Aber dennoch blieb ein zehrendes Leid in seinem Wesen. Hundert heimgekehrte Schafe wogen ihm nicht die irre Seele des schwarzen Wirtes, den verschollenen Schulzensohn und die Tote im Kirchhofswinkel auf. Die Schatten dieser drei machten ihm den hellsten Tag dunkel und vergällten ihm jede Freude. Er betete und opferte und klopfte immer wieder am Klusenhause an, aber es schien, als würde der Haß des schwarzen Wirtes immer unversöhnlicher. Dem Pfarrer maß er die Schuld an der Flucht des Schulzensohnes bei, die seine Tochter in den Tod getrieben hatte. Vor kurzem nun war junges Leben in das düstere Haus gekommen. Die kleine Frau kränkelte und die Witwe eines Sohnes aus erster Ehe zog mit ihrem kleinen Mädchen ein. Aber nun war auch in das Kinderherz schon das Gift des Haftes geträufelt... Stimmen rissen den Pfarrer aus seinem Grübeln. Im Küsterhause übten die jungen Mädchen noch am „Lauda Sion", das sie bei der Bergkapelle singen wollten. Jetzt gingen sie heim. Zwei standen noch beisammen an der Kreuzgcotte, so nahe, daß er sie mit seinem Stock hätte anrühren können. „So schön, rate's morgen wird, war's noch in keinem Jahre", hörte er Küsters Älteste sagen. „Vater meint, es sei doch sein letztes Fest." — „Ich glaub's auch. Sie haben bald kein Röschen in den Gärten gelassen", sagte die Martha vom Wildenbauern. „Unsere Tante Fina hat von ihren Edelstämmchen sonst für niemand ein Röschen übrig, aber für unseren Herrgott Stern der Neger 39 pest 3 ist ihr nichts zu schade. Sie sagen, der Pastor will mit hinauf zur Kapelle. Das ist doch menschenunmöglich. Er geht — und stirbt." „Ja, der Typhus war ihm wie ein Schlag in den Nacken. Und dann um so einen, wie dieser duselige Schulzenknecht. Ausgerichtet hat er doch nichts bei ihm. Das Licht hat der Kerl ausgelöscht und sich das Laken über'n Kopf gezogen. Wäre er besser um die Ecke gegangen!" — „Sag das nicht, Martha. Eine schlechtere Seele als der Schächer wird er wohl auch nicht haben. Aber du sollst seh'n, geht unser Pastor aus seinem Amt, geht's ihm wie Vorstehers Schäfer. Als sie den von seinen Schafen weg in den Ofenstuhl setzten, verlosch er wie ein Licht auf der Funzel. Der Schwarze da unten hat den ersten Nagel in seinen Sarg geschlagen, der Schulzenfranz den zweiten." „Oh, da hinten streicht der unheimliche Mensch wieder herum!" — „Der Schulzen-knecht? Ach, der hat seine Sinne gewiß nicht mehr all bei'nander. Man sollte es mal dem ,Blauen' sagen." — „Lieber nicht", widerriet die sanfte Leni. „Er tut ja niemand was. Gestern, als wir vom üben kamen, saß er neben dem Grab der Schulzenmutter, den Kops auf den Knien. Vielleicht hat er das betn alten Schulzen abgesehen." — „Unser Lorenz sagt, er kaufe von seinem Lohn dem armen Spittelsranz das Zeug. Dieser Tage hat er sogar die Nesseln in der Armsünderecke" — Leni schlug ein Kreuz — „ausgehackt. Spaßiger Kauz! Gute Nacht, Martha! Ich muß mir das weiße Kleid noch richten." Der Lauscher in der Grotte hörte das letzte kaum mehr. Er mußte durch die Buschlücke immer zu der dunklen Gestalt hinsehen, die unter der Sakristeilinde unbeweglich an der Mauer lehnte. Der Mann kam langsam näher, blieb stehen, schlug ein Kreuz, murmelte Brücke int Land der Buschmänner. Eine Hängebrücke, die in der Nordwestecke der südafrikanischen Kapkolonie über den Oranjeflntz führt. Der Strom, der an dieser Stelle vier englische Meilen breit ist und mehrere Inseln bildet, wird durch ein sehr leichtes, bei jedem Schritt schwankendes Brückensystem überspannt. Die Missionare, die -auf der Brücke zu sehen sind, gehören der Gesellschaft der Oblaten vom heiligen Franz von Sales an. halblaut und kauerte sich schließlich an dem Grabe nieder, in dem die alte Schulzen-bäuerin mit ihrem Grame lag. (Schluß folgt!) Der afrikanische Elefant. Von Bruder August Gogol. ^ Der Elefant, das größte und schwerste fälligkeit ist er ein guter Läufer und selbst Säugetier des afrikanischen Festlandes, ec- ein gewandter Kletterer an steilen Berg- reicht eine Schulterhöhe von fast vier hängen. Es wurde beobachtet, wie ein flllch-Metern. Trotz seiner scheinbaren Schwer- tender Elefant mit gewaltigem Krachen un- Versehens in den Bau eines Ameisenbären einbrach und mit dem Vorderteil bis zum Kopfe in den Boden einsank. Er konnte sich aber alsbald wieder freimachen und mit den übrigen Tieren der Herde verschwinden, doch mag er noch tagelang Schmerzen gespürt haben. Der Vorfall hätte leicht mit einem Beinbruch endigen können, doch die Tiere sind so gewandt und behende, daß sie vielen Verletzungen entgehen. Die Vorderfüße haben je vier, die Hinterfüße je drei Hufe. Das Tier tritt mit beiden Füßen derselben Körperhälfte zugleich auf. Im Gehen verursacht der unförmliche Dickhäuter sehr wenig Geräusch; er schreitet wie auf Gummisohlen dahin. Der große Kops wird von kurzem Halse getragen und hat riesige Ohrmuscheln und kleine Augen. Auffällig ist der nach allen Richtungen bewegliche Rüssel, der aus der verlängerten Nase und der Oberlippe besteht. An dem sich verjüngenden Ende befinden sich zwei gegenüberstehende, fingerförmige Fortsätze. Den Rüssel gebraucht der Elefant sowohl zum Atmen wie auch als Greif- und Tastwerkzeug, zum Aufsaugen des Wassers, als Waffe und dergleichen. Das Gebiß ist sehr einfach. Der Elefant besitzt jederfeits oben und unten nur einen sehr großen, zusammengesetzten Mahlzahn mit rautenförmigen Schmelz-leisten auf der Kaufläche, der allmählich abgenützt und sechsmal erneuert wird, überdies ragen aus dem Oberkiefer zwei mächtige Stoßzähne hervor, die das wertvolle Elfenbein liefern. Die Tiere lieben bewal- dete Gegenden in der Nähe von Gewässern und nähren sich von Gras, Laub, Wurzeln und Baumrinde und naschen gern an Früchten und süßen Pflanzen. Infolge der mörderischen Jagd nach Elfenbein sind die Verbreitungsgebiete des Elefanten stark zusammengeschmolzen, doch kommt er immerhin noch im größeren Teile des tropischen Afrika von der Südgrenze der Sahara bis zum Oranjeflutz vor. Schon vor fünfzig Jahren wurde bemerkt, daß zur Gewinnung des Elfenbeins, das damals jährlich in den Handel kam, 65.000 Tiere getötet werden mußten. Obwohl die meisten Regierungen inzwischen scharfe Schutzmaßnahmen ergriffen haben, ist damit zu rechnen, daß in hundert Jahren der Elefant ausgestorben sein wird. Man unterscheidet hartes, weiches und halbhartes Elfenbein. Das weiche kommt aus den trockenen Savannengegenden von Ost-und Südafrika, das harte aus der feuchten Urwaldzone der Guineaküsten und des Kongobeckens; in den übrigen Gegenden mit gemischtem Pslanzeywuchs ist das Elfenbein halbhart. Ein großer Teil des in den Handel gelangenden Elfenbeins wird von alten, lange im Boden ruhenden ober in der Verwahrung von Häuptlingen befindlichen Beständen entnommen. In manchen afrikanischen Ländern fordert die Regierung einen Teil des gefundenen Elfenbeins. Infolgedessen werden tote Elefanten selten zur Anzeige gebracht. Zwei Jägern war es gelungen, ein Elefantenkalb zu fangen. In der folgenden Die JnLmstriesiedlung Novdkap Bet Barberton. Heft 3 Stern bet Neger 41 Nacht wurden sie von der zurückkehrenden Herde überfallen. Der Höllenlärm, den die riesigen, umhertrampelnden Tiere vollführten, wurde auf einmal durch ein donnerndes Krachen übertönt, dem ein markerschütterndes Schmerzensgeheul folgte. Als die Männer, denen es geglückt war, sich unter dem Winde in Sicherheit zu bringen, am Morgen den Ort der Verwüstung besichtigten, fanden sie am Fuße eines Baumstammes den Stoßzahn eines Elefanten liegen, der wohl blutig, aber unzerbrochen und ohne Zweifel als Ganzes aus dem Kopfe des betreffenden Tieres herausgezogen worden war. Aufwärtsblickend bemerkten sie, daß der Baumstamm einen langen Spalt zeigte. Allem Anschein nach war der in der Dunkelheit umherstolpernde Dickhäuter gegen den Baum gerannt und hatte einen Stoßzahn so tief ine. Holz gebohrt, daß er ihn nicht mehr herausziehen konnte, so daß der Baum an ihm die merkwürdige zahnärztliche Tätigkeit ausübte. Kein Wunder, daß er schrie! Groß ist der Schaden, den Elefanten im afrikanischen Walde anrichten. So brechen sie zahllose Äste ab, denn sie sind Feinschmecker und schätzen die jungen Sprossen an den Zweigenden. Den weitaus meisten Schaden aber richten sie aus Übermut und Zerstörungswut an. Sie beugen, knicken und stoßen viele Stämme um, und Bäume bis zu einem Meter Stammesumfang liegen entwurzelt am Boden und verdorren als Zeugen der Stärke dieser Ungetüme. Wo eine Eisenbahnlinie durch die Wildnis geht, macht es durchziehenden Elefanten offenbar ein besonderes Vergnügen, die weiß gestrichenen Pfähle, auf denen Meilenzahlen, Kurvenradien und Steigungsangaben verzeichnet sind, herauszuziehen und zu verschleppen. Wo sich Elefanten aufhalten, findet man gewöhnlich nicht viel anderes Wild. Die großen Tiere wollen nicht durch unruhiges Kleinzeug gestört, nicht durch plötzliches Abspringen einer Antilope erschreckt werden. Naheliegend ist die Frage, was geschieht, wenn die großen Dickhäuter, Elefant und Nashorn, sich begegnen, oder wenn diese mit großen Raubkatzen, Löwen und Antilopen Zusammentreffen. Man kann ruhig behaupten, daß alle diese Tiere äußerst selten zusammenkommen. Gehör und Geruchsinn sind bei allen wilden Tieren so scharf entwickelt, daß die schwächeren den stärkeren beizeiten ausweichen können. Sollte es aber trotzdem zu einem unerwarteten Zusammentreffen kommen, so werden die schwächeren Tiere noch im letzten Augenblick sich „seitwärts in die Büsche schlagen", denn sie weichen einem ungleichen Kampfe stets aus. Schreiber dieses ist dreimal Elefanten in der Wildnis begegnet. Die erste Begegnung ist in Bischof Geyers Werk „Durch Sand, Sumpf und Wald" erwähnt (Seite 152). Wir befanden uns im September 1904 auf dem Missionsdampfer „Redemptor", als wir an einem Morgen ein Rudel von 18 Elefanten auf dem mit hohem Grase bewachsenen Ufer des £as neue Brüderhaus in ©lenromie. pe tzHMI % ■4' ■ H li