Preis ganzjährig: Österreich 2 S, Deufichland 2 Soldmark, Stallen 8 [dre, Clchechostowafcei 10 čK, 3ugo!lawien 24 Dinar, Ungarn 3 Pengö, Schweiz 2 Franken, Hmerika 2 Soldmark. Der Belüge Vater Plus XI. hat der Redaktion, den Abonnenten und Wohltätern den Apostolischen Segen erteilt. Für Wohltäter werden Wöchentlich zwei heilige Mellen gelelen. mit Empiehlung der hochwürdigsten Oberhlrlen von Brixen, Brünn, Sraz, lieilmerilz, Milz, Olmütz, Marburg, Crlenl, Uriels und Wien. Bett 12. Dezember 1928. XXXI. 3ahrgang. D Was uns das Jahr 1928 gebracht hat. Das Jahr 1928 geht za Ende. Vor unserem geistigen Auge zieht cs noch einmal vorüber mit seinen guten und schlimmen Tagen. „Des Lebens ungemischte Freude ward keinem Sterblichen zuteil." Dies Dichterwort gilt nicht nur vom ganzen Lebenslauf des Menschen, es gilt schon von jedem Lebensjahr; es gilt auch vom Jahr 1928. Ich will unsern lieben Lesern erzählen, was uns das Jahr 1928 an Freud' und Leid gebracht hat. Als frohes Ereignis brachte uns 1928 die langersehnte Niederlassung in Bayern. In Mellatz bei Heimenkirch, nicht weit von Lindau, haben wir ein Bauerngut erworben. Dahin soll unser Noviziat verlegt werden, das sich noch in Milland bei Brixen befindet. Die Grenzverschiebung nach dem Kriege hat uns für die vielen deutschen Berufe diese Verlegung nahegelegt. Mögen sich hochherzige Wohltäter finden, die uns helfen, das Haus einzurichten, denn bis jetzt ist nur ein ganz gewöhnliches Bauernhaus vorhanden. Da die Bayern immer schon bei uns gut vertreten waren, so hoffen wir, daß sie nun den Weg zu uns noch leichter und zahlreicher finden werden. Im April sind drei junge Missionsbrüder in die Mission nach Südafrika abgereist. Auch das war ein freudiges Ereignis trotz des Abschiedsschmerzes, den auch der Missionär fühlt. Mit Freude und Begeisterung zieht der Missionär hinaus in das Land seiner Sehnsucht, um für den Heiland Seelen zu retten, und die Kongregation freut sich, den draußen weilenden Missionären frische Arbeitski äste zuführen zu können. Sie sind alle drei glücklich an ihrem Ziele angelangt. Nach Arbeit haben sie sich auch nicht lange umsehen brauchen, schon längst hat man drüben gewartet auf den ersten Schneider, auf den ersten Schniied und auf einen weiteren Schreiner. Ein hoher Freudentag war für uns der 28. Juni, der uns drei Neupriester schenkte: 1. Hochw. P. Franz Morscher aus Altlag, Jugoslawien, ein Waisenkind, an dem das Missionshaus Vater- und Mutterstelle vertrat. Hochw. P. Dobovšek, Präsekt bei unseren Zöglingen in Graz, war sein Primizprediger. 2. Mein Bruder, Hochw. P. Adolf Stadtmüller aus Altkrautheim, O -A. Künzelsau. Ich hatte das Glück, seine Primizpredigt zu halten und ihm beim ersten 1 heiligen Opfer als Diakon zu dienen. 3. Hochw. P. Josef Würz aus Furth in Wald. Seine Primizpredigt hielt der dortige Religionslehrer, der hochw. Herr Alfons Sigl. In aufrichtigen Dankesworten gedachte sein hochw. Herr Dekan und Stadtpfarer Josef Heigl beim Primizmahl auch unseres Missionshauses in Milland, das dem Hochw. Herrn Primizianten zur zweiten Mutter gewordensei, indem esihmalleSchwierig- denu der Missionär darf kein Pessimist sein. Nur zwei Sachen führe ich an. Ein schlimmer Tag, ein „dies ater“, war für das Missionsseminar in Ellwangen der 27. Juni. Der Morgen dieses Tages sah das schöne, unter so vielen Opfern vor zwei Jahren erst eingerichtete Haus in Rauch und Flammen stehen. War das ein Schrecken I Durch das rechtzeitige Eingreifen der Ellwaugener Feuer- keiten überwinden half, die seinem hohen Ziele entgegenstanden. Ein Freudentag war es auch, als im August fünf wackere Bruderzöglinge vom Josesinum in Schretzheim nach dem schönen Süden abreisten, um in das Noviziat in Milland einzutreten. Freudepochenden Herzens traten ernt J. Oktober, dem Feste der hl. Theresia vom Kinde Jesu, der Patronin der Heidenmission, sechs Novizen an den Altar, um ihr junges Leben ganz Gott dem Herrn zu schenken durch die heiligen Gelübde. Das Jahr 1928 barg viel Freude für uns in seinem Schoß. Aber auch das Leid hat nicht gefehlt. Ich will gar nicht alles aufzählen, wehr konnte wohl die Hauptsache gerettet werden. Aber der Dachstuhl mit allem, was auf dem Dachboden aufbewahrt war, wurde ein Opfer der Flammen. Auch die oberen Wohnräume hatten durch die Nüsse so gelitten, daß sie nicht mehr bewohnbar waren. Ein elfjähriger Junge war der Brandstifter. Er hatte Geld gestohlen und wollte durch den Brand verhindern, daß der Diebstahl ans Tageslicht komme. Glücklicherweise haben wir in der Nähe des Hauses noch ein altes, zum Abbruch verurteiltes Ökonomiegebäude stehen. In diesem wurde ein provisorischer Schlafsaal eingerichtet, so daß der Betrieb ohne Unterbrechung weitergeführt werden konnte. Die göttliche Vorsehung hat uns auch wieder durch guttätige, mitleidige Menschenherzeu geholfen und der heiße Sommer hat selber ein trockenes Dach gebildet, bis das neue oben war. Lieber Leser, wir rechnen auch auf dein Mitleid, wenigstens in der Weise, daß du den „Stern der Neger" auch im neuen Jahre wieder treu behältst Noch ein Ereignis hatte uns in Angst und Sorge versetzt Unser hochwürdigster Generalobere P. Jakob Lehr war schwer krank. Kaum war er von seiner afrikanischen Mission-reise, too er sich von seinem Lungenleiden etwas erholt hatte, zurück, da wars ihn eine schwere Lungenentzündung aufs Krankenlager. Über eine Woche schwebte er zwischen Leben und Tod. Doch Gott der Herr hat unser Gebet erhört. Die Gefahr ging glücklich vorüber. Er ist wieder auf dem Wege der Besserung. Freud' und Leid hat uns also das Jahr 1928 beschert. Auch bei deiner Jahresschau, lieber Leser, wird beides vertreten sein. Vergessen wir nicht, beides kommt vom lieben Gott. Danken wir ihm am Schlüsse des Jahres für alles Gute, das er uns geschenkt hat. Nehmen wir aber auch mit Ergebung in Gottes heiligen Willen an, was es uns an Leid tragen ließ. Es wird uns dann nach dem Apostelwort alles zum Besten gereichen. P. St., F. 8. C. Maria Lourdes! Gar aucsteinmal im „Stern" etwas über Maria Lourdes, wird sich so mancher denken; hab' schon viel darüber gelesen und ge-höit, bin auch schon selber dort gewesen. Freut mich, wenn du mit Interesse weiterliest. Doch heute, mein Lieber, führen dich diese Zeilen üb>r Maria Lourdes nicht in das weltbekannte Heiligtum der Mutter Gottes in Süv-fraukreich — ich bin schon drei Jahre ganz in der Nähe „gesessen",1 durste es aber nicht besuchen —, sondern an ein idyllisches Piätzch n im schönen bayrischen Algäu. . Wenn du auf der Bahnstrecke München — Lindau von München herkommend die Ortschaft Heimenkirch passiert hast, so grüßt gar bald links, etwas erhöht aus Wiesen- und Blättergrün, ein liebliches Kapellchen herunter. Machst du durch das Algäu eine Ferieutour hinunter an das schwäbische Meer, sei es auf Schustersrappen oder Per Rad, oder gar Per Motorrad oder Auto, so führt dich die Straße 1 Anmerkung der Cchriftleitung: Der S.tireiber des Artikels war w chrend des Krieges drei Jahre als Kriegsgefangener in einem Offizierslager nahe bei Lourdes. zwischen Heimenkirch und Opfenbach hart an der obgenannten Kapelle vorbei und du machst vielleicht, wie so viele, zu einem kurzen Besuche Rast. Diese Kapelle, lieber Leser, ist der Unbefleckten von Lourdes geweiht. Dem Heiligtum gegenüber, ebenso hart an der entgegengesetzten, südlichen Straßenseite, liegt ein bescheidenes Hofgut, zu dem die Kapelle gehört. Einstweilen ist es ein Bauernhof wie alle andern auch, der von außen auf keine besonderen Inwohner schließen läßt; und doch macht so mancher ein erstauntes Gesicht, wenn unter der Türe vom Vorraum zur Küche statt einer Bäuerin ein bärtiger oder auch noch bartloser Klosterbruder in schwarzem Talare auftaucht. — Dieses Hofgut mit allem, was drum und dran ist, ist seit April 1928 in den Besitz unserer Missionsgesellschaft übergegangen; es soll ein Missionshaus werden und zum Danke, zur Verehrung und nicht zuletzt zum Schutze des Hauses und zum Segen seiner Entwicklung den Namen „Maria Lourdes" tragen. Der Unbefleckten ist ja in besonderer Weise unsere Kongregation geweiht, ihren mütterlichen Schutz hat sie schon zu wiederholten Malen in der Mission l* und Heimat erfahren und von ihrem Throne in der Kapelle sichert sie uns wieder ihren Segen. Wie sieht es nun in diesem neuen Hause unserer Kongregation aus? Bislang hat sich nicht nach außen, wohl aber im Innern manches geändert. Die Bewohner sind andere geworden. Nicht wie anderswo hausen dort biedere Al-gäuer Bauersleute, sondern regsame, missionsbegeisterte Klosterleute, die sich augenblicklich aus zwei Patres, sechs Laienbrüdern und zwei Brüderkandidaten rekrutieren. Für sie gilt, wie für alle Missionäre, ganz besonders die Losung: „Bete und arbeite." Bete, ziehe dir den Segen Gottes auf dein Tagewerk herab; arbeite unentwegt an deinem seelischen Aufstieg, an deiner eigenen Vervollkommnung. — Arbeite! Ja, arbeiten heißt es für jeden auf seinem Platze, in der Kirche, in den Werkstätten, im Stalle, auf dem Felde, im Walde. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend regen sich die unermüdlich fleißigen Hände. Was einer vielleicht noch nie gearbeitet und getan, hier muß er es lernen; hier muß er vielseitig werden; hier muß die Vielseitigkeit und der Fleiß des einzelnen den Mangel der noch fehlenden Kräfte ersetzen. Ist das Tagewerk vollbracht, so freuen sich alle bei der gemeinschaftlichen Erholung des Schweißes, den die Anstrengung gekostet, der Mühe, die der Tag gebracht hat; sie freuen sich, daß es wieder vorwärts gegangen ist und danken für den Segen, der offensichtlich ihre Arbeit begleitete. Langeweile, lieber Leser, gibt es im Misnonshause „Maria Lourdes" nicht, denn alle arbeiten und suchen das Heim zu bereiten, in das in absehbarer Zeit eine schöne Anzahl zukünftiger Missionäre einziehen soll. Was also soll da in Maria Lourdes in Mellatz werden? Dn hast schon einmal, lieber Leser, durch den „Stern der Neger" einen „Blick in das Reich der Novizen" getan. Damals wandertest du im Geiste hinab in das sonnige Eisacktal südlich des Brenners in die altehrwürdige Bischofsstadt Brixen und von dort hm an die Ostseite des Tales ins Mis- sionshaus nach Milland. Dort ist noch immer dieses „Reich der Novizen"! Den „Reichsangehörigen" selber wird es dort bei dem Untertanenzuwachs zu eng; den außenstehenden Herren bereitet die Erstarkung dieses Reiches beängstigende Sorge. Deshalb griffen wir zum Wanderstab, um neues Land zu suchen. Lange ließ uns unser oberster Herr, der göttliche Missionär, suchen; oftmals ohne Erfolg klopfen und bitten um die Ansiedlungserlaubnis, einmal schon fast Fuß fassen; doch schien es noch nicht das für uns bestimmte Plätzchen zu sein, bis er uns nach Mellatz im bayrischen Algäu wies ins ehemalige, nunmehr nach Heimenkirch verlegte „Herz-Jesu-Heim" — Kinder- und Studentenerholungsheim unter Leitung des hochwürdigen Herrn geistlichen Direktors und Pilgerführers Pabst — ins „Herz-Jesu-Heim", uns Missionäre Söhne des heiligsten Herzens Jesu. Das „Reich der Novizen", unser Noviziat, soll also dort in Maria Lourdes in Mellatz erstehen. Ein blühendes Noviziat soll erstehen, in dem missionsbegeisterte Jünglinge aus allen Winden sich zusammenfinden. Missionsfreudige Studenten, die dort ihre geistliche Schulung erhalten, um dann, getragen von dem ihrem erhabenen Berufe eigenen Geiste, ihre theologischen Studien zu machen und nach der Priesterweihe als allseitig geschulte Kämpen die Frohbotschaft ins Heidenland zu tragen. Opferfreudige und seeleneisrige Laienbrüderkandidaten sollen dort zusammenströmen, die die Welt mit dem Ordensleben vertauschen, sich gerne dem Dienste des Heilandes weihen für die Rettung der unsterblichen Heidenseelen und an Seite des Priestermissionärs als dessen unentbehrliche Mitarbeiter den Heiden den wahren Glauben und Liebe und Freude für Arbeit und christliche Kultur bringen. Junger Leser! Klopft der göttliche Missionär mit seiner Gnade nicht an dein Herz? Fühlst du keine Lust, Missionspriester zu werden, ganz nahe in die Fußstapfen des Guten Hirten zu treten? Willst du nicht die Kenntnis und Fertigkeit in diesem oder jenem Handwerk oder als fleißiger Landmann in den Dienst der schönsten, aussichtsreichsten und lohnendsten Sache stellen? Da kannst du alle deine Fähigkeiten wie nirgends sonst verwerten, du dein Leben der idealsten Sache weihest; es wird dich nicht gereuen. Hilf mit! sagte ich soeben. Dieser Aufruf gilt nicht nur euch, ihr Jungmänner, er gilt jedem Leser und jeder Leserin des „S.ern". da brauchst du keine Arbeitslosigkeit, keine Aussperrung, kein Darben, keine ungewisse Zukunft zu fürchten; da verdingst du dich beim besten Meister, bei einem väterlich besorgten Herrn, beim sichersten und besten Zahler. So komm und hilf mit zum Ausbau des Noviziates in Mellatz; hilf mit, indem Ein neues Noviziat soll erstehen. Weißt du, was es dazu braucht? Du hast vielleicht selber schon ein neues Heim gebaut, dann kannst du dir eine kleine Vorstellung machen; aber auf unsern Fall angewendet, mußt du die Bedürfnisse vervielfachen. Ihr alle, liebe Leser, wißt aber, daß an Gottes Segen alles ge- legen ist; deshalb helft uns in erster Linie beten; schließt in euer tägliches Morgengebet auch Maria Lourdes in Mellatz ein; denn wenn der Herr das Haus nicht Baut, dann arbeiten die Bauleute vergebens. Gebet und Opfer sind die Gaben für die Mission. Deshalb, lieber Leser, nimm es mir nicht übel, wenn ich mich auch noch unter jene stecke, die im Vertrauen auf dein gutes Herz und auf deine Opferfreudigkeit an deine Türe und an ihre eigene leere Tasche klopfen; trotz des vielen Gebens hast du sicher auch noch ein Scherflein für das Missionshaus Mellatz, Post Opfenbach bei Lindau. Deine Missionsliebe ftndet schon Wege, deine Gabe an die richtige Adresse gelangen zu lassen. Wenn gar noch ein eigener Bettelbrief einläuft mit einer blauen Karte, so sei nicht ungehalten und entziehe letztere nicht sogleich ihrer Zweckbestimmung. Auch eine kleine Gabe zeugt von deiner großen Liebe. Du legst deinen Pfennig auf Wucherzinsen an, denn du hast ja das Versprechen jenes, von dem jede gute Gabe kommt: „Gebet, so wird euch gegeben werden." Und wenn du dem Apostel hilfst, erhältst du auch des Apostels Lohn. — HMt einer Zigarette drei oder ^ vier Seelen gewonnen. tv. Von Hochw. P. Ioset Klassert/P. 8. C. JJ Die sonntägliche Abendandacht ist vorüber. Auf dem Kirchplatz bleiben etliche Leute zurück, um ein wenig zu plaudern. Ich geselle mich zu ihnen und gehe auf einen jungen Engländer zu, der mir fremd war und offenbar auf eine Gelegenheit wartete, mich zu sprechen. Nach gegenseitiger Begrüßung sagte er mir, er komme von O., einem Orte, ungefähr vierzehn Kilometer entfernt; es sei heute das erstemal, daß er eine katholische Kirche betrete, der Gottesdienst habe ihm sehr gut gefallen, ob ich ihn in unsere Kirche aufnehmen wolle. Ich erklärte ihm, daß das nicht so schnell gehe, er müsse sich vorher mit der katholischen Lehre und den Pflichten eines Katholiken näher vertraut machen; ich würde ihm einen Katechismus geben, den er sorgfältig durchstudieren solle; wenn er dann von der Wahrheit der katholischen Religion überzeugt sei und bei seinem Vorhaben beharre, würde ich gerne seinem Wunsche willfahren. „Aber, sagen Sie mir, lieber Herr," fuhr ich fort, „was veranlaßt Sie denn, sich unserer Kirche anzuschließen?" — „Ich habe einem Mädchen, das streng katholisch ist, die Ehe versprochen. Ich selbst gehöre der angli- kanischen Kirche an, habe aber nie im Leben meine Religion ausgeübt, tatsächlich kenne ich meine Kirche ebensowenig als die katholische; da aber jeder Mensch eine Religion haben soll, glaube ich, es ist besser, ich folge der Religion meiner zukünftigen Frau." Im weiteren Verlauf des Gespräches ermahnte ich den Mann zum Gebet, zum Studium des Katechismus, den ich ihm brachte, und sagte, es solle mich wirklich freuen, ihn öfter hier zu sehen. * Mehr als 21/2 Jahre sind seither verstrichen. Von dem jungen Mann P., dessen Bekanntschaft ich an jenem Abend gemacht, habe ich nie mehr etwas gesehen, noch gehört. Er mag wohl seinen Plan geändert haben, dachte ich die erste Zeit, denn vorn Wollen bis zum Vollbringen ist ja oft ein langer Weg, namentlich, wenn es sich tun eine Konversion handelt, oder er wird anderswohin verzogen sein, was ja bei der unsteten weißen Bevölkerung hierzulande mir zu oft der Fall ist. In der Nacht vom 19. auf den 20. Juli dieses Jahres begleitete ich Bruder Karl, der wegen verschiedener Schreinerarbeiten längere Zeit in Witbank beschäftigt gewesen und nun nach Lydenburg zurückkehren sollte, auf die Bahnstation. Nachdem ich sein Billet gelöst und sein Gepäck aufgegeben hatte, ließen wir uns auf eine Bank nieder, um die Ankunft des Zuges abzuwarten. Ein Herr erregte unsere Aufmerksamkeit. Pfeifend und singend geht er auf dem Trottoir auf und ab. Aus seinem Verhalten und namentlich aus seinem unsicheren Tritt konnte man erkennen, daß der gute Mann ein oder zwei Glas zuviel getrunken hatte. „Hoffentlich läßt uns der in Ruhe", bemerkte ich eben noch zu meinem Mitbruder, als er auch schon direkt auf uns zukam. „Also aufgepaßt !", sagte ich mir, „solche Leute muß man mit Vorsicht behandeln." — „Möchten Sie mir eine Schachtel Zigaretten verkaufen?" stammelte er. Um Gottes willen! Ich bin doch kein Krämerladen, dachte ich. Doch dem Manne war es Ernst, denn schon hatte er seine Börse geöffnet und hielt mir Half-a-Crown (2i/a Mark) entgegen. „Ich habe zwar keine Zigaretten zu verkaufen," bemerkte ich freundlich, „es macht mir aber viel Vergnügen, Ihnen welche anzubieten. Bitte, bedienen Sie sich." Er entnahm eine Zigarette und ich zündete sie ihm an. Dann schaute er mich verblüfft an. Offenbar hatte er jetzt bemerkt, daß ich Geistlicher sei, und sagte: „Nehnren Sie dieses Geld für Ihre Armenkasse." Als ich das dankend ablehnte, fuhr er fort: „Hochwürden, ich habe Sie schon früher einmal gesprochen, Sie sind doch der katholische Minister? Ach, verzeihen Sie, daß ich Sie um eine Zigarette belästigt habe und daß ich mich Ihnen in diesem Zustande vorstelle." — „Jawohl," erwiderte ich in schonender Weise, „ich bin der katholische Pater, aber es ist mir wirklich nicht erinnerlich, Sie je zuvor gesehen zu haben." — „Ich bin zwar nicht kaiholisch," führte er weiter aus, „aber vor ziemlich langer Zeit kam ich an einem Sonntagabend in Ihren Gottesdienst und bei dieser Gelegenheit teilte ich Ihnen mit, daß ich mit einem katholischen Mädchen verlobt sei." Bei diesen Worten erinnerte ich mich an die eingangs erwähnte Unterredung. „Jenes Mädchen, eine gute Katholikin, habe ich bald darauf tatsächlich geheiratet, zwar nicht in Ihrer Kirche, wie ich anfangs vorhatte, sondern in Johannesburg vor dem Zivilbeamten. Ich habe bereits zwei Kinder. Sie sind noch nicht getauft. Ich muß Ihnen doch einmal meine Frau vorstellen. Wissen Sie, sie ist streng katholisch!" Guter Mann, dachte ich mir unwillkürlich bei diesen Enthüllungen, du hast wohl sonderbare Vorstellungen von der strengen Katholizität deiner Frau, die in Zivilehe lebt und zwei Kinder hat, die sie ohne Taufe heranwachsen läßt. Diese Familie muß so bald als möglich aufgesucht werden, um zu sehen, was sich machen läßt. Ich erkundigte mich näher um seine Wohnung in O. und fragte, ob es ihm lieb sei, wenn ich ihm und seiner Familie gelegentlich einen kleinen Besuch abstatte. „Mein Hans steht Hochwürden zu jeder Zeit offen", war die Antwort. Ich dankte und es würde für mich ein großes Vergnügen sein, ihn in den nächsten Tagen wiederzusehen und seine Familie kennenzulernen. Eben lief der Zug in die Station ein. „Good-bye!" rief ich dem Manne zu, während ich meinem Mitbruder in ein Coups im Lyden-burger Wagen half. Auf dem Heimwege beschäftigte ich mich mit dem Gedanken an dieses merkwürdige Wiederzusammentreffen und ich konnte darin nur eine besondere Fügung der göttlichen Vorsehung erblicken. Dienstag, den 24. Juli, machte ich mich, mein Anliegen dem lieben Gott empfehlend, auf den Weg nach O. Ich klopfte an die Tür des bezeichneten Hauses. Eine junge Frau öffnete mir. „Good Morning, Fächer!" grüßte sie mich freundlich und hieß mich eintreten. „Also ist es doch wahr, was mir mein Mann erzählte, als er neulich von Witbank zurückkehrte. Die Geschichte von der Zigarette schien mir zu abenteuerlich, als daß ich sie glauben konnte..." Mister P. war eben mit einer Arbeit, ungefähr eine Viertelstunde vom Hause entfernt, beschäftigt. Sie sandte nach ihm. Ich benützte die Zwischenzeit, die Seelenverfassung der Frau kennenzulernen, sie zur Rückkehr zu Gott und zur Kirche zu mahnen und zur Besserung ihres Fehltrittes zu bewegen. Sie erklärte mir offen, daß das schon längst ihr sehnlicher Wunsch gewesen, daß sie aber bislang nicht den Mut habe auf- er ein guter Gemahl und ein fürsorglicher Familienvater. Den Katechismus, den ich ihm seinerzeit gegeben, nehme er noch oft zur Hand und noch immer trage er sich mit dem Gedanken zu konvertieren. Inzwischen kam auch Mister P., der sich sehr erfreut über meinen Besuch zeigte. Indem ich das Gespräch wieder auf den eigentlichen Zweck ■ meines Besuches lenkte, fand ich, daß seine Ge- Unser neues Missionshaus in Mellatz mit Kapelle. bringen können, einem Priester vor Gesicht zu treten. Die Eltern seien gegen ihre Heirat mit Mister P. gewesen, weil er Protestant sei; die Sache habe sich aber in der Folge so entwickelt, daß man sie durch die Zivilehe vor eine vollendete Tatsache gestellt habe. Der Mann sei einem kirchlichen Eheschluß nicht abgeneigt gewesen. Auf die Frage, ob er ein Trinker sei, antwortete sie: „Durchaus nicht!" Der Fall am vergangenen Donnerstag sei mehr eine Unvorsichtigkeit gewesen; nach der Versammlung, welcher er da beigewohnt, sei es etwas zu lustig in der Gesellschaft zugegangen. Im übrigen sei neigtheit zur katholischen Kirche mir meine Aufgabe wesentlich erleichterte. Das Ergebnis der Unterredung war, daß am 3. August um 2 Uhr nachmittags die ganze Familie, Vater und Mutter, zur Rektifizierung der Ehe, und die beiden Kinder zur katholischen Taufe zur Kirche kommen werden. Mister und Mistres P. hielten Wort. Am festgesetzten Tage zur bestimmten Stunde erschienen sie in der Kirche samt den notwendigen Zeugen und Paten. Nachdem alles ordnungsgemäß und den kirchlichen Vorschriften entsprechend vollzogen war, lud ich sie zu mir ins Pfarrhaus. Das Glück und die innere Zu- j friedenheit, die sich auf dem Anllitze der Leute ausprägte, kann ich nicht beschreiben. Ich ließ es mir natürlich nicht nehmen, Mister P. eine Zigarette anzubieten. Vergnügt lächelnd nahm er sie an und sagte: „Viel Dank, Hochwürden! Wer hätte jedoch gedacht, daß die Zigarette, um die ich Sie an jenem Abend unter so beschämenden Umständen meinerseits belästigte, die nächste Veranlassung zu so viel Glück und Freude für mich und meine Familie werden sollte? Dem lieben Gott und Hochwürden sei es gedankt!" 's ' 6m Weii)na(±)tsfest an den Ufern des DturL (Aus dem prachtvollen Merkchen „An den Ufern des Jturi" von P. Petrus Maßm ann, 8. C. J. Aachener Mijsionsdruckerei, Aachen.) ^ --------------------------: .... ■ ' —.........................- ....... Die Missionäre lassen es sich angelegen sein, den Tag der Geburt des Erlösers so festlich und feierlich zu begehen, als es die Umstände nur immer erlauben. Ich habe das Glück gehabt, sechsmal nacheinander im dunkeln Kongomald Weihnachten zu feiern. Eine von diesen Weihnachtsfeiern wollen wir im Geiste noch einmal erleben. Der große Zeitpunkt rückte immer näher. Jeden Sonntag nach der heiligen Messe kamen die auswärtigen Christen, welche in ihren leichten Barken stundenweit zum Gottesdienst herbeigerudert waren, zu mir und ließen sich genau vorrechnen, wie viele Wochen es noch bis „Noeli" seien. Andere schickten Boten, um sich über „Noeli" zu erkundigen. Sie wollten das Fest ja nicht versäumen. Nun mußte an die Krippe gedacht werden. Ein schönes farbiges Relief aus Gips besaß ich, doch die Hauptsache, das Jesukind, war in einem Zustande, daß man kaum wagen konnte, es den Blicken der Andächtigen auszusetzen. Es war ein wunderliebtiches Figürchen gewesen, leider waren ihm aber auf der Reise ins Kongoland beide Händchen abgebrochen. Deshalb hatte ich bereits sechs Monate vorher nach Europa geschrieben und um ein neues Jesukind für die Weihnachtskrippe gebeten. Es mußte bald ankommen, sonst würde uns der glänzende Mittelpunkt der ganzen Feier fehlen. Nun noch die Weihnachtslichter. Seit Monaten hatte ich einen kleinen Vorrat an Talgkerzen gesammelt, um sie dem Jesukind in der Weihnacht zu opfern. Und wie ich nun meine wenigen Kerzen zählte und wieder zählte und dabei an die in Lichtmeere versunkenen Altäre und Krippen in den Kirchen Europas zu Weihnachten dachte, da wollte ich beinahe traurig werden ob meiner empfindlichen Armut. . . . Da tauchte mir ein leuchtender Gevanke im Geiste auf: „Ich werde in der Weihnacht eine so kunstvolle Illumination veranstalten, daß deren Anblick die hellste Freude in aller Herzen hineinstrahlen wird", sagte ich laut zu mir selbst. Womit ich das machen werde? Mit Palmöl! Ein prächtiger Einsall! Vor lauter Freude stimmte ich ein deutsches Weihnachtslied an, so daß mein Diener Aloisio ganz verwundert mich fragte, ob ich einen schönen Brief aus der Heimat bekommen hätte. „Einen Brief vom Himmel habe ich bekommen, lieber Junge. Darin steht, daß dieses Jahr bei uns die Weihnacht so schön werden soll, wie die Schwarzen hier noch keine gesehen haben." — „Loooh!" meinte Aloisio, „wie wirst du das denn machen? Ist das Jesukind aus Ulaya (Europa) denn angekommen?" — „Wir werden ein schönes Jesukind haben, Aloisio. Aber jetzt geh und rufe mir die beiden Frauen Mathilde und Sesiya." „Hier sind wir, Pater", meldeten sich bald die Frauen. „Das ist schön. Nun hört. Ich habe für euch beide eine wichtige Arbeit. Schauet hier diese Tasse, aus der ich meinen Kaffee trinke. Solch kleiner Töpfe müßt ihr mir bei den Frauen des Nachbardorfes dreihundert machen lassen. Zwei Tage vor Weihnachten müssen sie in meinem Magazin sein. Habt ihr verstanden?" — „Ja, Pater. Aber was machst du denn mit den vielen Töpfchen?" — „Das ist meine Sache." Sie lachten und gingen. Dann schickte ich ein Dutzend Knaben mit einer Barke nach dem Staalsposten Barumbu und ließ hundert Töpfe Palmöl kaufen. Der Stationschef von Basoko hatte mir deren auch fünfzig versprochen. Von Beginn des Advents an war jeden Sonntag verkündet worden, nach wie vielen Wochen und auf welchen Arbeitstag der letzten Woche das große Fest „Noeli" fallen würde. Einige Auswärtige, die sehr ferne wohnten, hatten sich bereits lange vorher bei mir ein Päckchen Holzstäbchen geholt, welches die Zahl der Wochen bis Weihnachten enthielt. Alle sieben Tage wurde ein Stäbchen fortgeworfen. Mein Verkündigungsbuch führte am letzten Sonntag im Advent folgende Bekanntmachung: „Heute ist der letzte Sonntag im Advent, Mayilio,' d. h. Ankunft. Unser Erlöser Jesus Christus wird mit Feste ,Noeli' zu den Kindern der Kirche kommen, deren Herzen bereit sind, das Jesukind zu empfangen. Wann ist denn ,Sika ya Noeli'? Höret gut und behaltet es im Kopf: am fünften Arbeitstag dieser Woche. Die Nacht vorher, welche Donnerstag abends beginnt, ist die heilige Nacht. Um Mitternacht werden wir die Geburt des göttlichen Jesukindes feiern. Vor Mitternacht wird die Glocke euch zusammenrufen. Dann soll aber niemand laufen, sondern jeder geht sittsam zum Hause Gottes. Die Christen gehen alle hinein und warten still betend auf ihren Plätzen. Die Katechumenen stehen draußen und schauen durch die große Gitterwand hinein, sie machen sonst alles wie die Christen. Die Heiden, deren Namen noch nicht in das Buch der Katechumenen eingeschrieben sind, werden zur Feier der heiligen Messe nicht zugelassen. Die Ordnungsmänner werden darauf achten. So macht denn alles genau wie ihr jetzt gehört h bt, dann werden wir große Freude erleben. Das göttliche Jesukind wird zu uns kommen und die Heiden werden sagen:,Wahrhaftig, der Gott der Christen ist zu ihnen gekommen, er wohnt bei ihnen, ergibt ihnen seine Freude zu kosten.' Und die Guten aus ihnen werden Verlangen empfangen, Kinder der Kirche zu werden." Das Christkind kommt. ^ Die folgenden Tage kamen nach und nach die auswärtigen Christen an. Einzelne Katechisten trafen mit ihren Gruppen ein. Manche brachten Tauschartikel mit, wie getrockneten Fisch, Hühner, Palmöl oder auch Mitako, um nicht ganz auf die Gastfreundschaft anderer angewiesen zu sein Die meisten Knaben hatten allerdings nichts als ihren guten Willen. „Der Pater wird uns was geben", sagten sie. Sie wurden unter Anssicht der Katechisten einige Tage in den Missionsbetrieb eingestellt. Auch für Unterkunft war hinlänglich gesorgt. Das lange Wohnhaus der Knabeu nahm mehr als die doppelte Zahl seiner gewöhnlichen Bewohner auf. Alle Hütten hatten sich in Hotels verwandelt. Niemand brauchte außen zu kampieren. Der letzte Tag war angebrochen. Alle Kräfte wurden angespannt und beim Morgenappell sofort die Arbeitsrollen verteilt. Es wurde überall emsig gearbeitet. Jetzt noch die Krippe. Doch da durchfuhr mich ein jäher Schreck. Das Jesukind! Aus Europa war also keine Hilfe gekommen, und das Kindlein mit den abgebrochenen Händchen war unmöglich zu gebrauchen. Was machen? Sollte die ganze Festfeier, die sonst so glänzend zu werden versprach, an diesem Hauptpunkte scheitern? Das durfte durchaus nicht sein! Ich nahm das liebliche, verstümmelte Figürcheu in meine Hand und sprach: „Gutes Kindlein! Es tut mir herzlich leid, aber es geht nicht anders. Sollen wir der gnadenreichen Feier der Geburt des Herrn nicht verlustig gehen, so mußt du mir gestatten, eine Operation an dir vorzunehmen." Und da es ganz damit einverstanden war, schnitt ich ihm beide Arme bis an die Schultern ab, nahm aus meiner Apotheke einen Streifen Verbandgaze und machte ein allerliebstes Wickelkindchen, so daß nur die Füße und das reizende, schöne Köpfchen herausschauten. Nachdem ich dann mit Hilfe des Sakristans dem Altare sein schönstes Festgewand angelegt hatte, baute ich eine schöne Weihnachtskrippe. Auf der Evangelienseite des Altares wurde vor der Wand aus Flechtwerk und Blättern eine Hüite errichtet, welche den Stall zu Bethlehem möglichst naturgetreu darstellen sollte. Im Hintergründe stand das schöne Relief: Maria, Josef, das Jesukind, Ochs und (Siel; oben schwebte der Engel, über dessen Haupt der Stern glänzte. So waren denn meine schwersten Sorgen behoben und ich konnte in aller Gemütsruhe dem Beichthören obliegen. Das dauerte denn auch den ganzen Tag bis zur Mitternachtsmesse. Es ging aber damit ziemlich schnell, denn dank der Weihnachtsstimmung waren die meisten recht gut vorbereitet. Niemand wollte zurückbleiben. Jeder wollte in der heiligen Nacht kommuniziereu. Vor Einbruch der Nacht machte ich schnell eine letzte Runde. Es war alles in schönster Ordnung. Wie waren die Hütten so nett weiß! Wie war das Dorf so rein, so belebt, so freudig bewegt! Noch nie hatte ich die Mission so be- völkert gesehen. Es herrschte allenthalben lebhafte, doch keine lärmende Unterhaltung. An verschiedenen Stellen wurde laut der freudenreiche Rosenkranz gebetet. Unterdessen hatte die Nacht allmählig alles in dichte Finsternis gehüllt. Kein Windhauch störte die feierliche Stille der Natur. Eine angenehme Kühle hatte allen Schweiß getrocknet. In der Mission wurde es immer stiller. Auch in den Nachbardörfern der Wilden hörte der sonst unaufhörliche Trommeldienst nach und nach auf. Dann und wann noch ein plät- hatten sich müde hingestreckt und waren eingeschlafen. In Finsternis und Nachtruhe lag das Land und die Mission in Basoko; nur an dem kleinen Beichtstuhl brannte still ein schwaches Licht. Gegen Mitternacht wurde es plötzlich in der Kapelle hell: die „Hütte von Bethlehem" erstrahlte im Lichtglanz der Lämpchen und Kerzen. Gleich darauf wurden die Lampions an den Holzsäulen angezündet. Dann trat das Licht aus dem hellschimmernden Heiligtum heraus und in rascher Folge flammte es allenthalben it :v :4 H Eine Schasfarm in Südafrika. schernder Ruderschlag einer späten Barke auf dem dahinfließenden Jturi. Tiefes Schweigen der Natur und der Menschen.. Nur hie und da ein Elefantenschrei im tiefen Walde, der Ruf der Nachienle oder der Trommelschlag eines fernen Dorfes. Und über Dorf und Fluß und Wald blinkten und glänzten vom hohen Himmel die stillen Sterne in die heilige Nacht herunter. Nachdem ich einen Abendimbiß eingenommen, kehrte ich in den Beichtstuhl zurück. Es waren noch eine Menge Leute zu hören, die bereits stundenlang gewartet hatten. Verschiedene waren eingeschlafen. Draußen machtkn die Ordnungsmänner die Runde, ein an Pslanzenfäden hängendes Lämpchen in der Hand schwenkend. Eine Anzahl braver Männer hielt es nicht länger in ihren Hütten zurück, sie saßen und hockten vor der Kapelle und warteten. Andere auf. An beiden Seiten der breiten Allee lief die Lichterreihe der ans Pfählen stehenden Lämpchen weiter, immer weiter bis an den fernen dunklen Akazienweg. Da stand auch schon das Wohnhaus in heller Beleuchtung Die Brüstung der rundumlaufenden Veranda war mit brennenden Lämpchen besetzt. Das Licht griff immer weiter um sich, sowohl im Dorfleil der Knaben als auch in dem der Verheirateten glänzten bereits vor jeder Türe und Hütte auf in die Erde gepflanzten Pfählen unzählige Palmöllichter. Jetzt flammte es auf dem First meines Wohnhauses auf. Lampe an Lampe flackerte lustig nebeneinander. Endlich stand auch das lange Dach der Kapelle lichtergekrönt da. Alles aber überragte das drei Meter hohe Kreuz auf dem Giebeldache der Kapelle. Von unten bis oben, von rechts nach links zitterten helle Licht- zungen gegen den gestirnten Himmel empor. Wie ein mächtiges Feuerzeichen stand es da und warf seinen Schein über die helle Umgebung weithin bis zu den dunklen Schatten des Urwalves. Da ertönte die Glocke und läutete Leben in die herrliche Beleuchtung hinein. In wenigen Minuten strömte es von allen Seiten herbei, vom Staatsposten, aus den Dörfern der Eingeborenen, aus allen Ecken der Mission. Welch ein bewegtes Bid! Wie phantastisch leuchteten die grellen Farben der Gewänder im bunten Durcheinander der Menge, über welche das Licht seinen magischen Glanz ausgoß! Auf dem großen Platze vor dem Gotteshause standen sie in dichtem Gedränge und ei götzten sich halblaut murmelnd an dem prachtvollen Schauspiel des nie Gesehenen. Da füllte sich das arme Gotteshaus mit Christen. Aller Augen richteten sich bald auf die „Hütte von Bethlehem", bald auf den in Kerzen- und Lampenschimmer prangenden, rot und weiß und grün geschmückien Altar. Der große Vorhang der äußeren Gitterwand, welche die Vorhalle von der eigentlichen Kapelle abschloß, ging in die Höhe und gestattete der Menge der draußen stehenden Katechumenen den Einblick ins Heiligtum. Aus hundert Augen blitzten Neugierde, Staunen, freudige Erwartung. Nun ertönte das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht" in der Suahelisprache. Feiertag, heit'ger Tag! Zu Bethlehem bei Nacht Der Heiland, Gottessohn, Erschien als Menscheniohn, Unser Freund zu sein. Unser Freund zu sein. Wie ergreifend klang die gemütvolle deutsche Melodie hier im dunkeln Afrika, gesungen von armen schwarzen Christen! Sprache und Leute waren verschieden, aber auch in diesen Neubekehrten schlug dasselbe Herz. Zur s> Iben Stunde sangen sie es wohl in der Heimat im trauten, weltfernen Dorfkirchlein. Dort hatte der Knabe es einstens gesungen, im Herzen das Glück der Weihnacht! Jetzt stand ich am selbsterrichteten Altar in der schlichten Mtssionskapelle an den Ufern des gewaltigen Jturistromes mitten unter Schwarzen, Missionär und Vater dieses unglücklichen Volkes. Nach dem Evangelium wandte ich mich um und über die hundertköpfige Menge derSchwarzen sah ich eine Reihe We>ßer stehen. Es waren die Beamten des Staatspostens, die, angelockt durch das Licht und noch mehr dem Drange ihres Herzens folgend, zur heiligen Weihnacht erschienen waren. Ich sah in ihnen meine Stammesbrüder. Es waren ihrer nur wenige. Verschiedenen Nationalitäten angehörend, würden wir uns in Europa wohl nie gekannt haben. Hier einte uns derselbe Gedanke, dieselbe Heimatferne. Konnte ich zu diesen Männern anderes reden als vom Glück der heiligen Weihnachtsfreude, das sie einst genossen in der Unschuld der Kindheit; von der glücklichen Heimatsreude, die wir genießen, wenn wir uns als Kinder der einen großen Gottesfamilie der heiligen Kirche fühlen; von der ewigen Heimat, die auch dem irren Waller in Afrikas Wäldern winkt, und von den Wegen, die zur himmlischen Weihnachtsfreude ohne Ende führen; von treuer Erfüllung unserer Pflichten als Menschen und als Christen? In gespanntester Erwartung waren alle Blicke auf den Prediger gerichtet, als ich in der Suaheli-sprache meine Schwarzen anredete: „Meine Kinder! In dieser stillen, heiligen Nacht sollte der Mund schweigen, wo das Licht so laut redet. Seht, Kinder, vor einer halben Stunde war dieses Gotteshaus noch ganz still und in Dunkel gehüllt; jetzt ist es auf einmal vom hellsten Glanze erfüllt. Auch draußen ist alles p10^1(1 hell geworden. Warum ist das geschehen? Weil um diese Mckternachtsstunde das ,Licht der Welt' erschienen ist, das göttliche Kind in der Hütte von Bethlehem, denn von dort ist ja die schöne Erleuchtung ausgegangen Liebe Kinder! Auch eure Seele ist ein Gotteshaus, darin es auf einmal hell geworden ist. ,Jhr wäret einst Finsternis, nun seid ihr Licht im Herrn. So wandelt denn als Kinder des Lichtes? Vor kurzem wäret ihr noch Heiden, da war eure Seele so schwarz wie diese Nacht da draußen. Ihr empfingt die heilige Taufe, da wurde eure Seele wildergeboren im Wasser und im Heiligen Geiste, und sie wurde auf einmal hell und schön, noch heller und schöner als die Hätte von Bethlehem, denn das Jesukind, ,das Licht zur Erleuchtung der Heiden', zog in eure Seele ein und machte euch zu Kindern Gottes. O, danket dafür dem göttlichen Jesukinde und hütet euch wohl, die Augen wieder zu schließen, das Licht in eurer Seele durch eine Sünde wieder auszulöschen. Ihr habt jetzt die Hütte eurer Seele gereinigt durch die heilige Buße, ihr habt sie geschmückt durch die Liebe, denn ihr liebt ja so herzlich das göttliche Kind. In der heiligen Kommunion wird es nun bei euch einkehren, um bei euch zu bleiben und euch ganz froh und glücklich zu machen. O, vertreibet es nicht aus eurer Seele, damit es bei euch bleibe und ihr bei ihm, und ihr ihm helfet, auch bei euren heidnischen Stammesbrüdern einzukehren, die es noch nicht kennen. Dann werdet ihr dereinst zusammen einkehren in das große Gotteshaus dort droben, in das noch viel schönere Licht im Himmelreich." Ich zelebrierte unterdessen die zweite heilige Messe, in welcher alle Christen die heilige Kommunion empfingen. Auch während der Danksagungsgebete, welche alle mir nachsprachen, blieben die Katechumenen draußen knien. Da war endlich der Augenblick gekommen, wo man sich der „Hütte von Bethlehem" nähern konnte. Die Ordnungsmänner hielten das Gedränge ft nt und ließen alle nacheinder zu. Bis zunl Morgen knieten still die Andächtigen da — und schauten und beteten. Inder Mission herrschte Weihnachtsstimmung. Die Weißen gestanden, daß sie noch nie, seit sie in Afrika waren, eine so schöne Weihnacht erlebt hätten. Als sie gingen, war es bereits 4 Uhr geworden. Am Ausgange der Mission blieben sie noch eine Weile stehen und bewunderten zum letzten Male die „herrliche Illumination". Die Schwarzen aber wollten nicht weichen. Sie konnten nicht begreifen, daß die Feier der heiligen Nacht schon zu Ende sei; sie meinten, man müsse die ganze Nacht beten und singen. „Nun, Häuptling, dürfte ich denn etwas Näheres über dieses Gesetz hören?" — „Es besteht neben der Stammesrache noch ein anderes Gesetz. Jeder neue Häuptling muß vor seiner Ernennung dem ganzen Volke schwören, die Blutrache hochzuhalten. Sollte er dieses Gesetz verletzen, so ist jeder Kantschimann berechtigt, den Häuptling heimlich oder öfsentlich, durch Gift oder Lanze ums Leben zu bringen. Jetzt und in alle Zukunft wird kein Häuptling sich diesem Schicksal aussetzen wollen." P. Wildhof überlegte. An diesem Haken hing die Zukunft des Landes. Halt, da kam ihm ein Ausweg: „Häuptling," sagte er bedächtig, „dein Grund Und das taten sie nach Herzenslust, teils in der Kapelle, teils vor derselben, indes die unzähligen Lichtzungen in der stillen Nacht zitterten. Auf dem First des Hauses und der Kapelle saßen noch auf ihrem Posten zwischen den Lämpchen die treuen Wacheknaben zur Verhütung einer Feuersgefahr. Ich rief ihnen zu, die Lichter da droben auszulöschen. In derZeit von einigen Minuten war es oben dunkel und die Knaben knieten endlich auch vor der „Hütte von Bethlehem". Das Lichtkreuz auf der Kapelle aber flackerte ruhig weiter. Endlich ging ich zur Ruhe, um am Tage wieder frisch und guter Dinge zu sein. Nach der dritten Messe, die recht spät gefeiert wurde, war ich den ganzen Tag bei meinen Schwarzen, erzählte ihnen von Weihnachten in Europa, spielte mit ihnen ihre heimatlichen Spiele und was mir aus meinen Jugenderinnernngen an interessanten Spielen noch einfiel, veranstaltete Sacklaufen, Wettlauf mit Hindernissen, Lanzenwerfen, Kletterpartien und Rätsellösen und gestattete ihnen sogar ihre Tänze, Jugendreigen und dergleichen. Als dann am Spätnachmittag noch an jeden von ihnen zwei Tassen Salz, drei Tassen Reis, ein Topf Palmöl und eine Ration Fi'ch verteilt wurde, und nachdem als Schlußakt noch der Weihnachtsbaum mit den kleinen Süßigkeiten verteilt war, da waren alle froh und glücklich, am meisten ich. Das war Weihnachten im kongolesischen Urwald an den Usern des Jturi. ist mehr als stichhaltig. Es geht um dein Leben. Und doch wüßte ich Rat. Doch gestatte mir vorerst noch eine Frage: Wie viele deiner Leute sind noch gegen die Versöhnung?" — „Anfangs waren es deren viele. Allein die freigewordenen Kantschi haben viele für deinen Plan überredet. Es bleiben ihrer nur einzelne. Ich glaube, daß schließlich keiner gegen die Besiedlung der Ebene wäre, wenn das Gesetz der Blutrache nicht bestände-" — „Ich möchte nun einige Fragen an die Bigleute stellen", fuhr der Weiße fort. „Darf ich sie fragen über etwas, was deine Person betrifft?" ■— „Ich habe nichts dagegen. Du stellst nur Fragen, die klug sind." — „So hört beim", wandte P. Wildhof sich an die Bigleute. „Habt ihr den Häuptling gern?" — „Gewiß, sonst hätten wir ihn nicht selbst gewählt. Er ist klug und verständig, gerecht und gütig. Wir können keinen besseren finden!" gaben einzelne.Bigleute zur Antwort. — „Hat der Häuptling Gegner, die lieber einen andern an seiner Stelle wünschten?" — „Das wüßten wir nicht. Er ist damals einstimmig und mit großer Begeisterung gewählt worden, obschon er noch ziemlich jung war." — „Was würden denn die Kantschileute tun, wenn der Häuptling freiwillig sein Amt niederlegte?" Sie staunten über diese Frage und schüttelten den Kopf, „Das wird er nicht tun. Und wenn er es täte, wir würden ihn eindringlichst bitten, das Amt weiterzuführen." — „Hast du gehört, was ich gefragt habe?" — „Wohl habe ich es gehört, aber ich weiß nicht, was du damit willst." — „Du kannst als Häuptling das Gesetz der Stammesfeind-schast nichr aufheben und sollst es nicht. Aber das Volk kann und soll es. Lege, Häuptling, vor dem Volke deine Würde nieder und du bist frei. Dann hindert keine Verfassung mehr dein Volk, das schlechte Gesetz abzuschaffen. Und ist die Versöhnung beschlossen, dann wird man dir von neuem die Häupllingswürde antragen. Daran ist kein Zweifel. Die Bigleute alle haben es gesagt." — „Weißer," rief der Häuptling erstaunt, „wie kommst du auf einen solchen Gedanken? Ja, ich will deinen Rat befolgen: Das Volk kann dann freiwillig die Blutrache abschaffen. Will es mich dann nochmals zum Häuptling, gut. Will es aber einen anderen, dann bleibe ich der erste Bigmann und siedle mich in der Ebene an. Weißer, du bist über alle Maßen klug!" Er drückte dem Pater die Hand und forderte ihn auf, zu ihm auf das Häuptlingsgehöst zu ziehen. Dort wolle er ihm eine bessere Unterkunft anweisen und für seinen Unterhalt sorgen. Gerne ging P. Wildhos auf dieses Angebot ein, da seine Hütte sehr baufällig war. Für den folgenden Nachmittag wurde eine große Volksversammlung anberaumt. Alles verlief reibungslos, wie der Pater es vorausgesagt hatte. Der Häuptling legte sein Amt nieder, denn er dürfe als Häuptling das Gesetz des Volkes nicht abändern. Jetzt sei der Stamm vollständig frei in seinen Entschlüssen. Noch einmal erläuterte P. Wildhof seinen Plan, um den beiden Stämmen eine glückliche Zukunft zu ermöglichen. Er betonte, daß es in vielen Stämmen des schwarzen Landes keine Blutrache mehr gebe. Einstimmig wurde die Versöhnung beschlossen und der Entschluß gefaßt, mit dem Anlegen von Farmen sofort zu beginnen, da ja auch die Tschoba bereits die Friedenshand angeboten hätten. Und dann wurde mit feierlichen Worten der Häuptling gebeten, sein Amt wieder weiterzuführen. Er nahm ruhig die dargebotene Würde wieder an, versprach, seinem Volke ein guter und gerechter Vorgesetzter zu sein, und hielt eine lange Lobrede aus den weißen Mann. Immer wieder wurde er durch Beifall unterbrochen. Spiel und Gesang bei Tanz und Palmwein beschlossen den denkwürdigen Tag. P. Wildhof aber kniete in seiner Hütte nieder und betete dankbar das Tedeum. Und alle ihm erwiesenen Ehren und Lobspiüche legte er zu Füßen seines Kreuzbildes nieder. Am nächsten Morgen sandte er die Tschobaträger mit den befreiten Stammesbrüdern nach Tschoba zurück und ließ mit herzlichen Grüßen den Häuptling und seine Mannen zum großen Versöhnungsfest in die Utemba-ebene entbieten. Der große Tag brach an. Hinter den hohen Bergen am Ostrande der Ebene stieg die Sonne auf und weckte die Schläfer, die sich die schlaftrunkenen Augen rieben und ihr munteres Geplauder begannen. Vom Kantschilager her ertönten endlich laute, langgezogene Rufe der Elfenbeinhörner. Die Hörner der Tschoba gaben bald laute Antwort. Die Zeit zum Beginne der Versammlung war angebrochen. Die beiden Stämme sollten ans dieses verabredete Zeichen hin sich gegenseitig in Sichtweite nähertreten. Die großen Männerscharen setzten sich in Bewegung. An der Spitze der Kantschi marschierte P. Wildhof mit dem Häuptling und den Big-leuten, bei den Tschoba war der Häuptling Majita der Anführer. Endlich standen .sich die beiden bisher feindlichen Stämme gegenüber. P. Wildhof trat in die Mitte, ließ von beiden Seiten Männer antreten, um den Platz, wo er stand, mit Buschmessern zu säubern, und als das geschehen war, rief er die beiden Häuptlinge zu sich. Als sie ankamen, lachte er ihnen herzlich zu, streckte dem einen die rechte, dem anderen die linke Hand entgegen und sagte dann in herzlichem Tone, indem er sie einander vorstellte : „Hier ist der große Häuptling von Tschoba und hier der große Häupcking von Kantschi. Zwei große Männer stehen sich gegenüber, denn sie haben eingesehen, daß die alle Feindschaft ihren Stämmen nur schadet, und heute reichen sie sich die Hand zum Frieden. Wohlan, dieser Schritt sei der Anfang einer friedlichen, glücklichen Entwicklung der beiden Völker!" Die ehemaligen Feinde reichten sich nun die Hand, aber keiner von ihnen fand dabei ein Wort. P. Wildhof verstand ihre Befangenheit und unterhielt sie nun beide so väterlich und herzlich, daß der Bann gebrochen wurde und die beiden Häuptlinge miteinander sprachen. Er selbst wußte durch Fragen und geschickte Wendungen die Unterhaltung in Fluß zu halten. Nun wurden die Bigleute herbeigerufen und auch sie reichten den Häuptlingen und sich untereinander die Friedenshand. Auch hiebei erleichterte die Vermittlung und die gewinnende Liebenswürdigkeit des Weißen den schweren Schritt. Nun hieß es noch, die vielen Tschoba- und Kantschimänner sich näherzubringen. P. Wildhof ließ von beiden Stämmen eine Anzahl Männer zusammenrufen und fragte sie, ob sie sich von jetzt an als Freunde betrachten wollten. Sie stimmten zu und gaben sich die Hand und erwiesen dem fremden Häuptling dieselben Ehrenbezeigungen wie dem eigenen. Die Srammesfeindschaft war beendet. Die beiden Häuptlinge mischten sich nun Arm in Arm unter die Leute und ermunterten durch ihr Beispiel auch die anderen, alle Scheu und Befangenheit abzulegen. Der Pater war glücklich und fast außer sich vor Freude. Einen so schnellen Erfolg hatte er nicht geträumt und heißer Dank gegen Gott erfüllte seine Seele. Aber es blieb ihm keine Zeit, seinen Gedanken und Gefühlen nachzuhängen, denn schon bildete die große Menge auf Aufforderung der Häuptlinge einen geschlossenen Kreis um ihn und die Häuptlinge herum. Der Häuptling von Tschoba begann eine Rede: „Ihr Männer von Kautschi und Tschoba! Heute erlebe ich wohl den schönsten Tag meines Lebens. Was ich niemals geahnt habe und was keiner von euch jemals für möglich gehalten hätte, wird heute Wirklichkeit. Die beiden Stämme, seit uralten Zeiten durch Gewohnheiten und Gesetze getrennt, haben einen Freundschaftsband geschlossen. Die Uiembaebene, so schön, so reich und fruchtbar, die beiden Stämmen Raum und Nahrung und Wohlstand bietet, ist unser. Wer aber hat sie uns geschenkt? Wer hat uns diesen frohen Tag verschafft? Wer hat die Feinde zu Freunden gemacht? Ihr kennt ihn alle, den klugen Weißen mit dem guten Herzen. Ihm verdanken wir die Einsicht und die Anregung, daß Friede und Freundschaft unseren Stämmen mehr nützen, als überlieferte und überholte Gebräuche. Und wenn der heutige Tag der Versöhnung und Freundschaft gewidmet ist, so soll er doch hauptsächlich ein Ehrentag für unseren weißen Freund sein. So möget ihr singen und spielen, tanzen und euch freuen. Das ist unser Dank für ihn. Ich, Majita, der Häuptling von Tschoba, habe gesprochen." Diese Rede gefiel dem ganzen Volke und alle spendeten lauten Beifall. Das veranlaßte den Häuptling der Kantschi zu einer Gegenrede: „Der große Häuptling Majita hat mir die Worte vom Munde genommen. Er hat genau dasselbe gesagt, was ich sagen wollte. Er hat dasselbe gefühlt, was mein Herz fühlt. Ja, dem Weißen verdanken wir alles. Darum soll er von meinen Leuten geehrt werden geradeso, wie man mich, den Häuptling, ehrt. Jeder soll ihn grüßen mit dem Gruße, der dem Häuptling gebührt und ihm gehorchen, wie man mir gehorcht. Wenn im Stamme der Kantschi jemand Häuptling geworden ist, lvird er auf den Schultern starker Männer durch das ganze Dorf getragen. Diese Ehrung soll heute dem weißen Mann zuteil werden. Ihr sollt ihn so durch das ganze Lager tragen, damit jeder sehe, wie wir ihn ehren. Das ist der Dank und das sind die Worte des Häuptlings von Kantschi." Ein noch größerer Beifallssturm als zuvor bei der ersten Rede erhob sich. Das war ein Schauspiel, wie die Schwarzen es liebten. Nach dieser Rede sprach P. Wildhof: „Häuptlinge und Männer von Tschoba und Kantschi! Die beiden Häuptlinge haben schöne und gute Worte gesagt. Worte der Dankbarkeit. Und ihr habt mir eine Ehrung erwiesen, die ich nie vergessen werde. Mein Herz ist voll Freude. Aber ich muß euch eines sagen. Diese Ehre und Dankbarkeit gilt eigentlich nicht mir sondern dem, der es mir ins Herz gegeben, zu euch zu gehen, euch zu versöhnen und glücklich zu machen. Wißt ihr, wen ich meine?" — „Wir wissen's nicht", rief man ihm zu. — „Es ist der Große Geist, den ihr auch ein wenig kennt, der Himmel und Erde und alle Völker gemacht hat. Er hat mich in euer Land geführt. Er hat mir Klugheit und Mut, ein gutes Herz und eine weise Lehre für euch gegeben. Er liebt alle Menschen und will, daß alle Menschen, die Weißen und die Schwarzen, gut leben und einst in den Himmel kommen. Er ist ein Geist der Güte, der keine Feindschaft unter den Menschen duldet, der das Gute belohnt, aber das Böse bestraft. Diesem Großen Geist gebührt alle Ehre und alle Dankbarkeit, die ihr mir erweisel. Von ihm werde ich euch noch viel erzählen, wenn ich übers Jahr zu euch zurückkomme, um bei euch zu wohnen. Ich werde euch dann seine Lehre verkünden, die schön und gut ist unb die Menschen glücklich macht. Dann werde ich nicht mehr der weiße Mann, sondern der Mann Gottes sein. Bis dahin werdet ihr hier in der Ebene eure Farmen angelegt und eure Hütten gebaut haben. So lasset uns denn aus eine frohe Zukunft vertrauen und heute mit festlichem Gepränge den Grundstein dazu legen. Freuet euch an diesem Tage, wie nie zuvor. Das ist der Wunsch eures weißen Freundes." Häuptlinge und Bigleute gaben auf diese Worte dem Weißen die Hand und beglückwunschien ihn zu feiner vortrefflichen Rede. Und dann begann das eigentliche Fest. Der Kreis löste sich in kleinere und größere Gruppen auf, und dem Wunsche des Weißen und der Häuptlinge entsprechend, mischten die Leute der beiden Stämme sich untereinander. Man ließ sich nieder, suchte Brennholz zusammen, legte die Musikinstrumente zurecht. Die Nahrungsmittel wurden hervorgeholt. Man kochte, man erzählte, man aß, man spielte und sang Und die Raphiapalmen lieferten den erfrischenden Palmsaft. Während einige in der Nähe das Jagdglück versuchten, saßen die anderen am qualmenden Feuer und die Pfeife ging von Mund zu Mund. Immer höher stieg die Festesfreude. Die Gongs dröhnten und die Musikinstrumente vollführten einen derartigen Lärm, daß dem Pater das Gehör fast verging. Und doch liebte er diese Negermusik. So mußte es ja sein, wenn Schwarze sich freuen. Überall lärmende und tanzende Gruppen. Die Leute führten sich gegenseitig die Tänze ihres Stammes vor und jeder suchte seine Kunst im hellsten Lichte zu zeigen. Der Höhepunkt des Festes aber war die Ehrung des Paters, die der Kanlschihäuptling vorgeschlagen hatte. Etwa zwei Dutzend starker Burschen stürmten heran, umringten P. Wildhof und hoben ihn samt seinem Lehnstuhl auf eine inzwischen hergestellte Tragbahre, welche die Männer dann geschickt schulterten. Unter Gong- und Rasselbegleitung, johlend, singend, trugen sie ihn durch das ganze Lager. Tschoba- und Kantschileute jubelten ihm zu und erwiesen ihm Häuptlingsehren. Der Pater, der immer wieder glaubte, mit seinem Stuhl herunterzukollern, war königlich froh, als er wieder unter seinem Zeltdache saß, mit den Häuptlingen plaudern und dem frohen Treiben der Menge zuschauen konnte. Bis spät in die Nacht hinein dauerte der Jubel des Festes. Am folgenden Tage fand nach Übereinkunft die Abgrenzung der Ebene statt. Die Tschoba erhielten den westlichen- Teil, die Kantschi den östlichen. Ein großes Zwischengebiet blieb in der Mitte für die neue Mission aufgespart. Sofort begann auf Treiben des Paters der Hüttenbau. Die Häuptlinge gaben ihre Befehle. Tausende Hände regten sich unter der Aussicht des Paters und der Häuptlinge. Am Abend standen sieben Hütten fertig da zum Einzug. Drei standen auf dem Gebiete der Kantschi. Die Tschoba, die zahlreicher als die Kantschi waren, hatten drei Hütten auf ihrem Gebiete gebaut und eine auf dem für die Mission abgegrenzten Teile. Auf den Bauplätzen wimmelte es wie in einem Ameisenhaufen und lauter Freudenjubel mit Musik und Tanz krönte am Abende das vollendete Werk. Der Anfang war gemacht. Weitere Hütten würden bald folgen, denn man hörte schon, wie manche sich ein Plätzchen für ihre Hütten wünschten. Nach einem herzlichen Abschied von den Tschoba und seinem lieben Kenfui, begab sich P. Wildhof am anderen Morgen auf den Heimweg. Die Kantschi nahmen auch Abschied von ihren neuen Freunden und begleiteten den Pater bis ins Dorf. Mit der Beteuerung, bald wiederzukommen und bei ihnen zu bleiben, zog er nun heimwärts. Im Laufe des Jahres erhielt die Mission mehrere neue Missionäre aus Europa. Und ehe das Jahr verflossen war, konnte der tapfere Missionär in die Utembaebene ziehen und dort die neue Mission gründen. Ein großer Teil der beiden Dörfer hatte sich bort bereits angesiedelt. Kenfui und Nongfu hatten segensreich gewirkt und von der früheren Feindschaft der Stämme wurde nicht mehr geredet. Die Furchen waren gezogen, der Same gestreut. Sonnenschein und Regen befruchteten die junge Saat und P. Wildhof sah mit Vertrauen einer reichlichen Ernte entgegen. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Missionshaus der Söhne des heiligsten Herzens Jesu in Graz, Paulustorgaste 10. — Verantwortlicher Schriftleiter: P. Al. Wilsling, Misstonshaus, Graz, Paulustorgaste 10. — Univerfitäts-BuchdruiIerÄ .Styria" in Graz.