WWW Berausgegeben com UliHionshaus Graz, Paulustorgaife 10. Preis ganzjährig: Öiferreidi 2 S, Deufichland 2 Soldmark, Stallen 8 hire, Cichechoilowakel 10 čK, Sugoilawien 24 Dinar, Ungarn 3 Pengö, Schweiz 2 Franken, Hmerika 2 Saidmark. Der Belüge Vater Plus XI. has der Redaktion, den Hbonnenfen und Wohltäfern den SpoifoliiBien Segen erteilt. Für Wohltäter werden wäthenfiich zwei heilige Meilen gelesen. Mit Empfehlung der hochwürdlglfen Oberhirfen von Mixen, Brünn, Sraz, keitmerifz, hlnz, Olmüfc, Marburg, Crienf, Crieff und Wien. Best 5 Illai 1928. ____XXXL Jahrgang. ffteme ersten afrikanischen Reifen. Von Hochw. P. Johann Riegler, F. S. C. (Fortsetzung.) II. Von Durban nach „Maria-Trost". Mag es einem Vogel auch noch so gut gehen in seinem Käfig, so stimmt er doch einen Freudengesang an, wenn er diesem Gefängnis entrinnen und wieder frei in Wald und Flur herumfliegen kann. So freuten auch wir uns, als wir in Durban der „Toledo", auf der es uns, abgesehen vom Schaukeln, gewiß nicht schlecht ging — die deutschen Schiffe sind ja bekannt und beliebt wegen ihrer Reinlichkeit und guten Verpflegung — Lebewohl sagen konnten. Ein Laienbruder aus Mariannhill holte uns ab. Weil er bei der Zollbehörde als ehrlicher, rechtschaffener Mann bekannt ist, kamen wir daselbst ungeschoren durch. Wären wir regelmäßig angekommen, so hätten wir gleich weiterfahren müssen nach Lydenburg. So aber bekamen wir für die nächsten zwei Tage keinen Anschluß mehr und es blieb nichts übrig, als nach Mariannhill zu fahren und dort zu warten. Der Eisenbahnverkehr ist hier in Südafrika eben noch ein wenig primitiv. Auf sehr vielen Strecken verkehrt nur ein Zug täglich, auf den Nebenstrecken nur einigemal in der Woche. Ungefähr um 8 Uhr waren wir in Mariannhill. Ich war froh, so günstige Gelegenheit zu haben, diese Missionsgründung, von der ich schon so viel gelesen und in Bildern gesehen, nun in Wirklichkeit zu sehen. Gleich ant nächsten Morgen ging's mit Bruder Fridolin auf die Umschau. Wir wanderten von einem Bau zum andern, von Werkstatt zu Werkstatt, von Schule zu Schule. Überall finden wir da nur Schwarze unter der Leitung einiger Brüder an der Arbeit. Doch wie sehr unterscheiden sich diese Schwarzen hier von jenen, die uns in den Hafenstädten begegnet. Sie sind so anständig und nett gekleidet, grüßen so höflich, sind so geschickt in der Ausübung der verschiedensten Arbeiten, daß sich mancher weiße Altersgenosse vor ihnen verstecken muß. Hier kann man so handgreiflich sehen, wie bildungsfähig der Neger ist, welch reiche Früchte die Arbeit an seiner sozialen und religiösen Hebung zeitigt. Noch Schöneres 1 sollte ich nächsten Tag, Sonntag, erleben. Ich durfte nämlich in der Kathedrale von Mariann-hill den Spätgottesdienst halten. Die Kirche war voll von Schwarzen, die meist aus dem nackten Steinboden knieten oder (während der Predigt) saßen, nach Geschlechtern getrennt. Die Mütter hatten ihre Kinder bei sich, das kleinste nach Negersitte am Rücken festgebunden. Bevor noch die heilige Messe begann, wurden die zehn Gebote Gottes nach Art einer Psalmenmelodie angestimmt, die dann von allen weilergesungen wurden, indem Männer und Frauen abwechselten. Wer das zum ersten Male hört, kann sich des tiefen Eindruckes nicht erwehren, den dieses frische, überzeugungsvolle, ich möchte fast sagen begeisterte Singen in der Seele des Zuhörers wachruft. Und hier in „Maria-Trost", wo ich dasselbe vorfand, freue ich mich schon aus jeden Sonntag, um es wieder zu hören. Während der heiligen Messe wurde bald gebetet, bald gesungen. Was an mein Ohr drang, waren aber nicht neue, unbekannte Melodien, sondern alte, liebgewonnene Lieder wie: „Hier liegt vor deiner Majestät...", „Jesu Herz, dich preist mein Glaube . . .", „Es blüht der Blumen eine, auf ewig grüner Au. . ." usw. Man hat eben den Text dieser Lieder ins Zulu übersetzt, die Melodie aber beibehalten. Mitunter stimmten auch die ganz Kleinen auf dem Rücken der Mütter in das Lob Gottes der übrigen ein und ließen ihre Stimme erschallen, natürlich auf ihre Art. Das scheint man aber ganz gewohnt zu sein. Nur wenn so ein kleiner Krauskopf gar zu laut wird, trägt man ihn hinaus ins Freie, wo er dann den Gefühlen und Regungen seines Herzens freien Lauf lassen kann. Bei der heiligen Kommunion nahten sich fast alle dem Tische des Herrn. Welche Freude mag es jedesmal sein für den eucharistischen Heiland, in die Herzen dieser Schwarzen einzukehren, für die er einst mit so viel Liebe gestorben, auf deren Bekehrung er aber so lange warten mußte. Für mich war es natürlich auch eine große Freude, nach meiner Ankunft in Afrika so schnell schon Gelegenheit zu haben, den Schwarzen, die so voll Andacht vor mir knieten, die heilige Kommunion spenden zu dürfen. Ich mußte dabei an den Ausspruch des hl. Paulus denken: „Gott kennt kein Ansehen der Person" (Röm. 2,11, u. Kol. 3, 25). Wie ekelhaft nimmt sich gerade hier an der Kommunionbank, wo der Allerhöchste selbst der armen, ungebildeten Neger sich annimmt, die Handlungsweise der Weißen im Lande aus, die nur mit Verachtung auf den Schwarzen herabschauen und es unter ihrer Würde finden, mit ihm zu verkehren wie mit anderen Menschen, die ihn recht- und schutzlos machen in seinem eigenen Lande. Nach der heiligen Messe war Predigt in Zulu. Hernach folgte eine kleine Pause, während der alle aus der Kirche hinausgingen. Dann war Christenlehre und zum Schluß Segen mit j dem Allerheiligsten. Der ganze Gottesdienst dauerte gut zwei Stunden. Und obwohl es manchen Sonntag noch länger dauert, so kommen sie doch fleißig in die Kirche und halten bis zum Ende aus. Damit alle am ganzen Sonntagsdienst teilnehmen können, viele aber gar weit von der Kirche wohnen, hat man alles auf den Vormittag verlegt. Am Sonntag Nachmittag mußten wir von Mariannhill Abschied nehmen. Es waren wirklich schöne Stunden, die ich dort verlebt, Stunden, die ich wohl nie werde vergessen können. Sie haben mein Herz erfüllt mit neuer Begeisterung für meinen schönen Beruf, haben aufs neue in mir den Vorsatz gefestigt, zu arbeiten und zu opfern für die Bekehrung der armen Neger. In Pinetown, wo wir einstiegen, nahmen wir den letzten Teil unserer weiten Reise, eine vierzigstündige Eisenbahnfahrt, in Angriff. Das Reisen selbst ist hier in Afrika viel angenehmer als in Europa. Auf jenen Strecken, auf denen man nachtsüber fahren muß, haben nämlich alle Waggons Schlasvorrichtungen. Es werden darum auch nur so viel Personen mitgenommen, als solche Vorrichtungen vorhanden sind, und man muß sich daher schon einige Stunden vor Abfahrt des Zuges einen Sitz buchen lassen, sonst kann es passieren, besonders in der Hauptreisezeit, daß man keinen Platz bekommt. Gleich bei unserer Ankunst in Durban waren daher Zeit auch einfiel, daß man bei Nacht schlafen geht, der sich aber besser zu helfen wußte als wir. Ans einmal erhob er sich, begann an den beiden Seitenwänden des Abteils zu schieben und zu ziehen und im Handumdrehen standen vor unseren erstaunten Augen sechs ledergepolsterte Betten fix und fertig da. Nachdem (Phot, von Hochrv. P. I. Lohr, E. 8. C.) für uns beide die Sitze gebucht worden. So weit war alles in Ordnung. Wie wir nun in unser Wagenabteil hineinkamen, sahen wir keinen besonderen Unterschied gegen andere Waggons und ich schaute und schaute, wo denn diese famosen Schlafvorrichtungen seien, konnte aber nichts Rechtes herausbringen. Es wurde allmählich schon spät und ich wäre gerne zu Bett gegangen; doch wie das anstellen, wenn keines da ist. Zum Glück war in unserem Abteil noch ein Engländer, betn es mit der ich dies Wunderding genugsam betrachtet, kletterte ich auf das oberste Bett der einen Seite, Bruder Heinrich kam allmählich ans der anderen Seite hinauf und bald schliefen wir den Schlaf des Gerechten. Am nächsten Tag hatten wir dann Gelegenheit, das Landschaftsbild zu betrachten, das mit dem meiner Heimat, der grünen Steiermark, wohl nicht zu konkurrieren vermag: eine hügelige Weidelandschaft, auf dem das Auge mir sehr selten eine größere Gruppe von Bäumen erblickt. Das ganze Gebiet ist aufgeteilt in Farmen, die alle mit Stacheldraht umgeben sind. Innerhalb weidet das Vieh: Pferde, Rinder, Esel, Schafe, Ziegen und Schweine in bunter Harmonie. Die Rinder, meist ebenso schwarz wie die Eingebornen, fallen einem anfangs auf wegen ihrer außergewöhnlich langen Hörner. Auf jeder Farm stehen zerstreut einige armselige Negerhütten. Hie und da erblickt man auch ein Farmerhaus, umgeben von bebauten Feldern und einigen Bäumen. Die Fluß- und Bachbette, die wir passierten, waren meist vollständig ausgetrocknet. Je höher wir hinaufkamen nach Norden, um so öder wird das Land. Ein Dichter fände hier wohl wenig Anregung und Stoff und seine Erzeugnisse würden vielleicht ebenso trocken ausfallen wie die Gegend hier ist. In Pretoria trafen wir mit Hochwürden P. Brandlmaier zusammen, der erste Bekannte seit unserer Abfahrt von Hamburg. Am zweiten Abend konnten wir uns mit den Schlafvorrichtungeu schon besser helfen. Um 1/210 Uhr vormittags kamen wir nach Lydenburg. So sehr ich auch herumsah, konnte ich doch keinen Mitbruder entdecken unter den Leuten, die auf die Ankömmlinge warteten. Alles unbekannte Gesichter. Da hörte ich, wie Bruder Heinrich hinter mir jemanden begrüßte. Ich drehte mich um und schaute die beiden, mit denen er sprach, eine Weile an. Endlich kam einer von ihnen auf mich zu und fragte mich, ob ich vielleicht der Neuangekommene Pater sei. Als ich es bejahte, stellte er sich vor als P. Zorn. Er war gerade auf einem Ritt nach der Außenschule in Sterkspruit hier vorbeigekommen und in seiner Reiterausrüstung konnte ich thu nicht gleich erkennen. Der zweite im Bunde entpuppte sich als Bruder Schmidt, der mit seinen „Muli" gekommen war, um uns nach „Maria-Trost" zu bringen. Zunächst ging es aber ins Schwesternkonvent, um eine kleine Stärkung einzunehmen. Ich hatte meine liebe Not, die Schwestern, die nur Englisch sprechen, zu verstehen. Mag man auch noch so viel Grammatik studiert haben, man versteht doch anfangs soviel wie nichts, wenn man einen wirklichen Engländer zu hören bekommt. Nach Besichtigung des Konventes ließ die Mutter Oberin ein Auto holen, das uns auf die Farm bringen sollte. P. Weiller, Pfarrer von Lydenburg, begleitete uns. Bevor wir zur Farm kamen, mußte ein Bach überquert werden. In Europa würde man zu diesem Zwecke eine Brücke bauen; hier geht es einfacher. Man fährt auf der einen Seite ins Wasser hinein, auf der anderen wieder hinaus und ist dann drüben. Die Autos hier sind so etivas gewohnt; sie müssen oft noch Schlimmeres mitmachen. Es soll ja gar nicht so selten vorkommen in diesem Lande, daß man so ein vierräderiges Ding per Ochsengespann aus irgendeinem Straßenloch, in das es sich verirrt hat, herausziehen muß. III. Auf der Farm „Maria-Trost". Auf der Farm begrüßte uns als erster P. Berger, der mich gleich in meine Wohnung führte. Gleich am Eingang der Farm steht ein rechteckiger Lehmbau, den ich als einen Schuppen ansah. In Wirklichkeit aber ist es die Wohnung für drei Patres und einem Bruders Jedes der vier Zimmer hat seinen Eingang unmittelbar vom Freien. In das zweite Zimmer führte mich P. Berger hinein. O heilige Armut! Ich wurde während meiner achtjährigen Studienzeit im f.-b. Knabenseminar in Graz gewiß nicht zum Luxus erzogen, noch weniger während meines Noviziates und Scho-lastikates, aber trotzdem war ich beim Anblick dieses Ortes, der nun meine Wohnung sein sollte, ein wenig verduzt. Wenn es dich interessiert, lieber Leser, so will ich es dir sagen, was ich vorfand. Gleich hinter der Tür hängt ein höchst einfacher Kleiderrechen. Dann kommt das Bett, in dem es sich ganz gut ruhen läßt, wenn man spät abends müde zur Ruhe geht, 1 Siehe Bild Seite 73. Stern der Neger 69 Heft 5 obwohl man auch nicht auf Federn schläft. An das Bett reiht sich ein großer, unförmiger, ganz roh gezimmerter Schrank an, der unsere „Kirchenschätze" birgt. Hätte ich in diesen Kasten vor meiner Abreise hineinschauen können, ich wäre nicht fortgegangen, ohne wenigstens etwas zusammenzubringen an Kirchenwäsche u. dgl., damit es nicht gar so armselig aussehe darinnen. Hier gäbe es ein großes Betätigungsfeld für wohltätige Seelen. An der Querseite des Zimmers steht der Tisch. Einen Sessel habe ich erst später aufgetrieben. Eine gewöhnliche Holzkiste, die ihrer Aufschrift nach einst für eine Ölsendung von Europa her gedient hat, ist mein Waschtisch. Hinter dem Bett fand ich noch eine zweite Kiste, die mir das Nachtkästchen ersetzt. Untertags habe ich sie meistens unter das Bett geschoben. Als Wäscheschränke mußten meine Reisekoffer herhalten. Somit wäre ich mit meiner Zimmereinrichtung fertig. Der Fußboden ist ein rohes, unebenes Steinpflaster. Ober mir ist das Strohdach, die Wohnung unzähliger Spinnen und anderer Insekten. Auf den Titel „wasserdicht" erhebt es keinen Anspruch, wie ich beim ersten Regen schon bemerken konnte. Doch wozu hat man denn einen Schirm, respektive bei Nacht die Decken! Die Zimmerdecke hat man sich erspart. Ungefähr 150 Schritte von diesem Hause steht das eigentliche Missionshaus, ein gewöhnliches Farmerhaus, wie man sie hier öfters sieht. Es enthält sechs Räume: Kapelle, Wohnung des hochwürdigsten Monsignore und des hochwürdigen Pater Rektor, Speisesaal, Küche und Besuchszimmer. Es ist zwar ein wenig besser eingerichtet als die vorher beschriebenen Zimmer, aber auch hier sind die „Kistenmöbel" nicht ganz ausgeschaltet. Selbst in der Kapelle steht neben dem Altar solch ein Unding als Ersatz für den Sakristeischrank. Nachmittags führte mich P. Berger auf der Farm herum. Zuerst ging es zur Eingebornen-kirche, deren Entstehungsgeschichte den Lesern ohnehin bekannt ist. Hinter der Kirche steht die zweiklasstge Schule und Schwesternwohnung. Besonders bestaunte ich die Tischlerei und Mühle, die den modernen Anforderungen so ziemlich entsprechen. Eine Anzahl Hütten, die zerstreut herumstehen, dienen teils als Wohnungen der Brüder und schwarzen Kinder, teils als Speicher und Scheunen. Wie ein kleines Paradies inmitten der öden Umgebung sieht sich der von Bruder Kolenz wohlgepflegte Garten an. Alles stand gerade in schönster Blüte, obwohl es noch Winter war. Es gehört überhaupt ein starker Glaube dazu, daß es bei mehr als 30 Grad Celsius Hitze Winter sein soll. Inmitten des Gartens steht der Baum der Versuchung, ein großer Orangenbaum. Sehr schön sehen sich die dunkelgrünen Zitronenbänme mit ihren goldgelben Früchten an. Diese Bäume sind übrigens nebenbei noch höchst interessant. Obwohl nämlich der ganze Baum voll reifer Früchte hängt, so sieht man daneben doch schon eine Menge kleiner, unreifer Orangen, die in einigen Monaten erst reif werden, und zudem steht der Baum in vollster Blüte. Für das Gemüse ist gerade jetzt die beste Zeit, denn im Sommer ist es zu heiß und trocken. Wäre der ganze Grund der Farm so gut und gäbe es hier nur mehr Regen, so ließe sich vieles anfangen. Der übrige Grund ist aber vielfach steinig und unfruchtbar. Zudem tut es hier alles lieber als regnen. Die Weideflächen sind voll von Ameisenhaufen und mancher Besitzer in Europa wäre gewiß froh, stünden auf seiner Wiese die Heuhaufen ebenso groß und dicht als hier diese Ameisenhaufen, die fast so fest sind wie Zement. Kommt aber Regen, dann ziehen die geflügelten Ameisen aus und schwirren in der Luft herum. Während dieser Zeit ist die Luft so voll dieser Tiere, daß es aussieht, als ob die Bienen schwärmten. Noch etwas über das hiesige Marktwesen. Mancher wird sich denken, wenn in der Mission alles so üppig wächst, müssen die Missionäre ja reich werden. Gewiß, hätten wir die Ernteergebnisse in Europa, würde man dafür viel bekommen; so aber ist es anders. Da in der Umgebung verhältnismäßig wenig Weiße leben, ist die Nachfrage nach. Lebensmitteln nicht besonders groß- Die Waren fortschicken, rentiert sich in der Regel nicht, da die Eisenbahn viel zu teuer kommt. Was man schließlich anbringt, ist meist sehr billig. So sagte mir Pater Rektor, daß man z. B. für einen Sack Orangen (100 bis 200 Stück) 1 bis 2 Schilling (= 2 Mark) bekommt. Ähnlich geht es auch bei den übrigen Sachen. Muß man aber selbst etwas kaufen, so ist alles unverschämt teuer. Meine Beschästignng in „Maria-Trost" ist das Lernen der Eingebornensprache. Schon am zweiten Tag nach meiner Ankunft begann die Instruktion, die mir eine Schwester erteilte. Wegen Arbeitsmangel brauchte ich mich durchaus nicht beklagen, denn die Brocken, die sie mir zu kauen vorlegt, lassen sich schon anschauen. Etwas Ungewohntes für uns Weiße sind in der Znlusprache die drei verschiedenen Schnalzlaute, die anfangs keine kleine Schwierigkeit bilden. Mit der Zeit gewöhnt sich die Zunge auch daran. (Fortsetzung folgt.) Termitenbau (geöffnet). (Phot, von Hochw. P. I. Lehr, F. S. C.) 'dp Das Reim der weißen Ameise. SB DO ^ Von Hochw. P. Jakob Lehr, F. S. C. □o =='j Weiße Ameisen! Immer wieder wecken diese Worte eigentümliche Gefühle im Herzen dessen, dem sie einen ihrer vielen Streiche gespielt haben. Jahre sind es her. Ich hatte in der Zeit meiner Verbannung auf der lieblichen, aber seelsorglich nicht anstrengenden Station Assuan Zeit genug, mich mit gelehrten Studien zu befassen. So übersetzte ich auch für einen Freund, der mit ähnlichen Schrullen geplagt war, eine altägyptische Geschichte aus dem hieroglyphischen Urtext. Um die Sache recht gelehrt zu machen, zog ich eine Reihe von Parallelen aus dem Alten Testament. Infolgedessen lag neben dem Buch der Hieroglyphen und meinen Manuskripten auch eine dickleibige Ausgabe der Heiligen Schrift des Alten Bundes. Das Interessanteste, für mich aber das Ärgerlichste an dem ganzen Vorgänge war, daß ich just am Abende, bevor ich. die Produkte meiner Wissenschaft der Post anvertrauen wollte, Bibel, Hieroglyphen und Manuskripte in einen Wandschrank verschloß. Als ich am nächsten Morgen den Knaben rief, um das Paket auf die Post zu tragen, fand sich nichts mehr vor als ein Häuflein klebrigen Drecks. Gerade in jener Nacht hatten die weißen Ameisen ein Querholz, das in der Wand eingemauert war, durchfressen und meine hiero-glyphische Wissenschaft samt Bibel verschluckt. Ich könnte noch manches Bravourstückchen dieser weißen Ameisen erzählen, doch da ich keine Photographie von dem Gesichte habe, das z. B. Bruder Huber machte, als er am Morgen seine Stiefel anziehen wollte und nur noch die eisernen Nägel vorfand nebst Überbleibseln, die die weißen Ameisen durch ihren anderen Mund wieder ausgespien hatten, so möchte ich lieber von ihren guten Eigenschaften etwas sagen. Freilich muß ich da im Zusammenhange mit dem schon Erwähnten einige Worte über ihren Speisezettel vorausschicken. Im großen und ganzen find die weißen Ameisen Vegetarianer. Allein sie sind nicht einseitig eingestellt. Sie sind keine Fanatiker wie viele ihrer menschlichen Kollegen. In der Tat sind sie bereit, wenn nicht alles zu essen, so doch alles zu zerstören, das ihnen unter die Zähne kommt. Sie sind äußerst bescheiden und eifrig darauf bedacht, ja nicht aufzufallen und kein Ärgernis zu geben. Deshalb bohren sie sich in das Innere irgendeines harten Gegenstandes, Granit und Eisen natürlich ausgenommen, überlassen sich dort ihrer Freßwut wie der Wurm im Käse, höhlen den betreffenden Gegenstand fein säuberlich aus, aber vorsichtig genug, die Außenseite, die manchmal nur noch die Dicke eines starken Papieres hat, unangetastet zu lassen. Ein solcher Gegenstand kann ein Stück Möbel sein, das ganz massiv gebaut erscheint. Aber setze dich einmal auf so einen Stuhl oder stelle etwas auf so einen Tisch, und du wirst was erleben. Was nun diese sogenannten weißen Ameisen betrifft, müssen wir uns zunächst vor Augen halten, daß diese Insekten gar keine Ameisen sind. Sie ähneln denselben, gehören aber zu einer ganz andern Ordnung des Tierreiches; wissenschaftlich heißen sie Termiten. Die Termitengesellschaft zerfällt ähnlich wie die Bienen in Männchen, Weibchen und unentwickelte Weibchen. Die letzteren sind die eigentlichen Arbeiter im Termitenheim. Doch ist die Arbeit hübsch verteilt. Die einen haben das Nest zu bauen, die anderen es gegen Angriffe von außen zu verteidigen. In der Anlage des Baues übertreffen diese falschen Ameisen die wirklichen um vieles. Während die wirkliche Ameise immer tiefer hinabkommt, ist der Wahlspruch der falschen: „Excelsior!“ — „Immer höher!" Eine sonst prosaische Landschaft erhält durch die zahlreichen Termitenbauten den Charakter einer Hügellandschaft; denn es gibt Termitenbauten, die 20 Meter im Umfang und 7 bis 10 Meter Höhe erreichen . . . Das Baumaterial ist eine Art roter Erde. So ein Ameisenhaufen fühlt sich von außen hart und fest an wie ein Ziegelstein; in Wirklichkeit läßt sich bei kräftigem Druck Stück für Stück abbröckeln. Der Ameisenbär weiß das wohl, denn er lebt hauptsächlich von den Ameisen, die er ausgräbt. Bei einer Aushilfe kam ich letzthin durch ein Tal, das von tausend und Tausenden von Termitenhügeln übersät war, denen aber der Ameisenbär schon allen einen Besuch abgestattet hatte. Auf der Oberfläche des Termitenhügels bemerkt man zahllose kleine Öffnungen, die Mündungen von ebensovielen Gängen, die in das Innere führen. Dieses selbst stellt die wunderbarste Anlage von Galerien, Hallen, Zellen und Kammern dar, wie sie wohl kaum sonst in der Jnsektenwelt bestehen. Der Bau selbst ragt kuppelartig oder turmgleich in die Höhe. Zu oberst befindet sich ein gut gebauter, leerer Vorraum. Bei gutem Wetter ist dieser Empfangssaal manchmal offen, bei schlechtem wird er geschlossen. Scheint die Sonne darauf, so zieht sich die weiße Ameise in das Innere zurück. Unter dieser Vorhalle befindet sich die Kinderstube, wo die jungen Termiten ausgebrütet und erzogen werden. Unter der Kinderstube ist eine geräumige Halle aufgeführt, deren Decke von Säulen getragen wird. Zu unterst auf dem Boden ist für das königliche Ehepaar, einem Bienenbau ähnlich, ein Palast errichtet. Allerdings ist dieses Schloß zugleich ein Gefängnis, denn die hohen Herrschaften dürfen es nicht verlassen und werden streng bewacht, weil, wie im Bienenstock, auch hier Wohl und Wehe von der Königin abhängt. Rings um dieses Palastgefängnis oder vielmehr um diese Zuchtanstalt sind die Wohnungen der Arbeittermiten eingebaut, die alle wie auch jede übrige Zelle mit der Außenwelt durch Gänge in Verbindung stehen. Vom Boden des Termitenbaues gehen Gänge in die Erde hinunter, die sich nach abwärts zu Höhlen erweitern. Durch diese unterirdischen Höhlen wie durch die Vorhalle an der Spitze wird für gute, gleichmäßige Luft im Innern gesorgt. Männchen und Weibchen tragen zuerst Flügel, die ihnen zur Hochzeitsreise behilflich sind. Kommen sie aber nach der Flittcrzeit nach Hause, so wählen sie sich ein neues Plätzchen zu ihrem Heim. Offenbar lieben sie ihre neue Häuslichkeit so sehr, daß sie dieselbe nicht mehr Vertretung der Staaten beim Vatikan. Vor dem Kriege bestand das diplomatische Korps (die Vertretung der Staaten beim Heiligen Stuhle) nur aus zwei Botschaftern, dem österreichisch-ungarischen und dem verlassen wollen, und deshalb brechen sie sich die Flügel ab. Sie können nun besser daheim herumhantieren. Die Braut fühlt sich ganz als Königin. Ihre einzige Sorge wird darin bestehen, einen großen Termitenstaat ins Leben zu setzen. Tag und Nacht gibt ihr kraftstrotzender Leib Ei um Ei ab. Man behauptet, sie lege innerhalb 24 Stunden bis 80.000 Eier. Das trifft beinahe auf jede Sekunde ein Ei! Die Arbeiterinnen schaffen die Eier hinauf in die Kinderstube, wo die jungen Termiten' unter dem wohltuenden Einfluß der Sonnenwärme bald das Licht der Welt erblicken. Republikaner sind demnach die Termiten nicht. Die Arbeitstermiten füttern das Königspaar, tragen die Eier an die Brutstätte, versorgen die Jungen und halten nebenbei noch andere Männchen und Weibchen in Reserve, damit, falls den hohen Herrschaften da unten im Königspalaste etwas Menschliches passierte, sofort ein neuer König und eine neue Königin eingesetzt werden kann. Will man sich die weißen Ameisen vom Halse halten, so muß man sein Haus mit einem meterbreiten Graben umziehen, der mit Asche ausgefüllt wird. Wie es aber gegen Russen, Schwaben und Wanzen den Beruf der Kammerjäger gibt, so treiben es hierzulande Leute als Spezialität, den weißen Ameisen mit Giftgasen zu Leibe zu rücken. Die zahllosen Galerien und Gänge im Termitenschlosse werden dann mit dem tödlichen Gas vollgepumpt und so dem Zerftörungstrieb seiner Bewohner ein Ende gesetzt. Gegen diesen Gaskrieg hat selbst der Völkerbund nichts einzuwenden. spanischen, sowie aus 14 Gesandten. Heute sind 9 Staaten beim Vatikan durch Botschafter vertreten: Belgien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Deutschland, Frankreich, Peru, Polen und Spanien. Insgesamt 19 Staaten unterhalten 0 0 ö Umschau. 0 0 0 Stern der Neger 73 Heft 5 Gesandte: Argentinien, Österreich, Bayern, Bolivien, Costarica, Großbritannien, Jugoslawien, Lettland, Litauen, San Marino, Monako, Nikaragua, Portugal, Preußen, Rumänien, Tschechoslowakei, Ungarn und Venezuela. Auch die Vertretungen des Vatikans bei den Regierungen der verschiedenen Länder haben an Zahl sehr zugenommen. Vor dem Kriege waren es 28, heute sind deren 50, nämlich 21 Nuntia- Schwarzen zum Empfang der Taufe und zum Eintritt in die Kirche Gottes. Allenthalben ist die Seelenernte reif. In dreizehn Gymnasien, fünf höheren Knaben- und einer höheren Mädchenschule und in fünf Priesterseminarien werden die zukünftigen Führer der werdenden, wachsenden Christengemeinden herangebildet. Ein vielversprechendes Grünen, Blühen fund Reifen überall. Auch in der Heimat geht es Wohnung unserer Patres in „Maria-Trost". (Phot, von Hochro. P. S3 ernt). Zorn, F. 8. 0.) turen, ll Jnternuntiaturen und 18 Delegationen ohne diplomatischen Charakter. Zahl der Missionsgebiete. Zu Beginn des neuen Jahres unterstanden der römischen Propaganda 412 Missionsgebiete, nämlich 1 Patriarchat (Jerusalem), 29 Erzdiözesen, 67 Diözesen, 3 Abbazien, 213 Apostolische Vikariate, 90 Apostolische Präfekturen, 1 Prälatur (Rio Negro) und 8 einfache Missionen („Osservatore Romano“, 6/1928). Von Jahr zu Jahr mehren sich die Neugründungen in der innerafrikanischen Mission. Kirche um Kirche erhebt sich da, wo früher nur Geisterhäuser und Fetischtempel standen. Immer zahlreicher melden sich die heidnischen vorwärts. Die Zahl der Novizen, Seminaristen und Missionsschüler ist größer als je zuvor. Obwohl unglaublich viel geschehen ist, so bleibt doch noch viel mehr zu tun übrig. Die vorhandenen Missionäre genügen ja bald nicht mehr, um die schon bekehrten Neger seelsorglich zu betreuen. Sie werden von der Fülle und Last der Arbeit fast erdrückt. Wie notwendig ist daher das tägliche Gebet um Priester- und Missionsberufe gemäß der Heilandsmahnung: „Bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende!" („Afrikabote", 1/1928.) Die Mission im englisch-ägyptischen Sudan. Der englisch-ägyptische Sudan besitzt eine Ausdehnung von einer Million Quadrat- Meilen. In kirchlicher Hinsicht gliedert sich dieses weite Gebiet in die zwei Apostolischen Vikariate Khartum und Bahr-el-Ghasal, sowie die 1927 neuerrichtete Apostolische Präfektur Bahr-el-Gebel. In Khartum, fünf Tage Bahnfahrt von Alexandrien entfernt, hielten die ersten Glaubensboten am 11. Februar 1848 ihren Einzug. Trotz der ungeheuren Opfer an Personal und Geld blieben die Missionserfolge in dem ganz mohammedanischen Gebiete bislang sehr bescheiden. Das Vikariat zählt heute erst 2796 Katholiken. Von diesen sind 2500 Europäer und nur 300 Eingeborene, die zum größten Teil dem Schillukstamm angehören, in dessen Wohnsitzen drei Missionsstationen bestehen: Lul, Tonga und Detwock. Das Schilluk-volk ist noch immer die große Hoffnung des Vikariates. Langsam, aber stetig gewinnen die christlichen Lehren an Boden. Ganz offen können jetzt die Missionäre von den Glaubenswahrheiten sprechen. Die Zahl der Katechu-menen wächst. Entsprach auch der Missionserfolg im nördlichen Sudan lange nicht den aufgewandten Mühen und Mitteln, so erlangte Khartum doch eine ausschlaggebende Bedeutung für die Entfaltung des Missionswerkes unter den heidnischen Negerstämmen des südlichen Sudan. Von Khartum aus drangen die Glaubenspioniere bis zur Kongo-Wasserscheide und bis zum Albertsee vor. Da sich die Missionsaussichten in jenen Landschaften unvergleichlich günstiger gestalteten, wurden im Laufe der letzten Jahre die südlichen Provinzen kirchlich von Khartum losgelöst und zu selbständigen Missionssprengeln erhoben. So entstand 1913 das Vikariat Bahr-el-Ghasal (Gazellenfluß), zu dem auch das britische Schutzgebiet von Norduganda gehörte. Letzteres bildet seit 1923 die Apostolische Präfektur Äquatorialnil. Sie umfaßte auch das Gebiet von Gondokoro, das aber 1927 unter dem Titel: Apostolische Präfektur Bahr-el-Gebel (Bergfluß) seine kirchliche Selbständigkeit erhielt. Das Vikariat Bahr-el-Ghasal mit dem Hauptort Wau nimmt in den letzten Jahren einen anerkennenswerten Aufschwung. Kürzlich wurde in Wau auf Wunsch der Regierung eine höhere Schule zur Ausbildung von Lehrern und Beamten errichtet. Die Leitung dieses Kollegs liegt in den Händen der Missionäre, die dadurch einen großen Einfluß auf die Gebildeten-schichk der Provinz gewinnen. Insgesamt zählt das Vikariat 3343 Katholiken. Rechnet man dazu die 1013 Neuchristen der Präfektur Bahr-el-Gebel, so ergeben sich für alle drei Missionsspreugel des englisch-ägyptischen Sudan 7152 Katholiken. Das Missionspersonal setzt sich zusammen aus 75 Priestern und Brüdern und 70 Schwestern. Am hoffnungsvollsten und fruchtbarsten entwickelt sich die Missionstätigkeit in der Präfektur Äquatorialnil, die bereits 16.000 lebende Getaufte aufweist, obschon erst im Jahre 1911 von Khartum aus die erste Missionsstation im Bereiche der jetzigen Präfektur gegründet wurde. Sämtliche vier Missionsgebiete unterstehen dem Institut der Söhne des heiligsten Herzens in Verona. Begründer des Veroneser Missionsseminars und zugleich Stifter der Schwesterngenossenschaft „Fromme Mütter der Negerländer" ist Bischof Daniel Comboni, erster Apostolischer Vikar von Zentralasrika. Vor kurzem wurde bei der bischöflichen Kurie in Verona der Seligsprechungsprozeß dieses unermüdlichen und vorbildlichen Glaubensboten eingeleitet. Heft 5 Stern der Neger 75 Oer Seist des Schreckens. Eine Erzählung aus Mittelkamerun von P. Johannes Emonts, S. C. J. (Fortsetzung.) Ein ziemlich breiter Fluß schlängelt sich in vielen Windungen silberhell durch die weite, wie ein Erntefeld wogende Steppe, in der zahlreiche Raphiabestände und hie und da einzelne Baum-gruppen aus dem riesigen Elefantengras emportauchten. Keine menschliche Behausung war dort zu sehen. Kein Weg, kein Pfad schien dort ausgetreten. Kein Rauchwölkchen stieg gegen den friedlich stillen Nachmittagshimmel empor. Kein Mensch durfte sich in dieser Prachtlandschaft seines Lebens freuen, wo doch so viele Menschen glücklich und zufrieden nebeneinander wohnen und reichlichen Lebensunterhalt finden konnten. „Das unselige Heidentum mit seiner grausamen Rache!" seufzte der Pater. Mit seinen unmenschlichen, unvernünftigen und wilden Gebräuchen und Anschauungen machte es eine solche Ansiedlung unmöglich. Wie schön malte sich die Phantasie des Missionärs die Ebene aus. Idyllische Dörfer mit spitzen, runden Grasdächern, von üppigen Mais- und Durrha-felderu umgeben, belebten schon den fruchtbaren Talgrund. Wunderschöne Pläne entwarf er schon. Ach, sie waren zu schön, um bei der Feindschaft der betreffenden Stämme wohl jemals Wirklichkeit werden zu können. Aber es war doch hübsch, davon zu träumen. In der Mitte der Ebene lugte aus zahlreichen Bauten ein Kirchlein hervor und Heller Glockenklang sandte klingende Wellen über die weite Fläche. Von nah und fern aus allen Taldörfern strömten die Schwarzen in Scharen zum Kirchlein herbei, zum Gehöft des Großen Geistes, um hier die heilige Lehre zu empfangen und mildere Sitten zu erlernen. Er selbst stand in der Kirche und sprach in begeisternden Worten von dem, der gesagt hat: „Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, unb' ich will euch erquicken, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen!" Ja, ein Tal des Friedens würde es werden und eine Stätte des Glückes. Christliches Leben und christliche Liebe würden hier blühen . . . Ans seinen Träumereien entriß ihn Kenfui, der mit der einen Hand auf eine fernliegende Stelle in der Ebene hinwies, an welcher er und sein Bruder Lanju damals den Kantschijägern in die Hände gefallen waren. „Vater, wir müssen uns beeilen, denn die Sonne wird bald schlafen gehen. Es wäre gut, wenn wir noch ein gutes Stück Weges in die Ebene hinein zurücklegten, damit wir morgen noch vor Dunkelheit in das Dorf meines Heimatstammes kämen. Der Weg des morgigen Tages ist lang und sehr beschwerlich." Der Pater und auch die Träger waren mit dem Vorschlage einverstanden und so marschierte man noch eine Zeitlang tapfer drauf los. Endlich machte man an einer zur nächtlichen Rast geeigneten Stelle an einer Baumgruppe halt. Zwei Träger reinigten den Platz von Gestrüpp und Gras. Kenfui und der Boy schlugen das kleine Reisezelt des Paters auf. Die übrigen Träger machten sich auf die Suche nach trockenem Holz für das Nachtfeuer. Bald loderte schon ein kleines Feuer, aus dem der schwarze Koch das Abendessen bereitete. Der Sonnenball versank hinter den fernen Bergen und dann lagerte sich in kurzer Zeit die Dunkelheit über die Landschaft. Ein Stern nach dem andern ging am Himmel auf und strahlte in mildem Glanz. Zikaden und andere Tierchen zirpten im hohen Grase. Die Holzsucher kehrten mit schweren Bündeln endlich zurück und berichteten, daß sie in nicht allzugroßer Entfernung etwas hätten aufleuchten sehen wie den Schein eines Nachtseuers, der aber bald wieder verschwunden sei. Kaum hatte Kenfui diese Nachricht vernommen, als er auf einen Baum kletterte und mit lauter, weithin vernehmbarer Stimme allerhand Rufe in der Tschobasprache ausstieß: „Tschobao— o — o! Ao — ao — Tschobao ao! Veuja — ao! Tschobao — o o — ao — Tschobao — ao!" Immer wiederholte er denselben Ruf. Dazwischen forderte er die Träger auf, das Feuer mit Holz und trockenem Gras ordentlich zu schüren, damit es weit durch die dunkle Nacht leuchten konnte. Er vermutete Tschobaleute in der Ebene, die er durch seine wiederholten Rufe nach Stammessitte und durch den Feuerschein auf sich aufmerksam machen wollte. Es erfolgte aber keine Antwort. Von neuem rief Kenfui die Tschobarufe in die Ebene hinaus, indem er die Endsilbe besonders stark betonte und oft wiederholte, um drüben verstanden oder wenigstens gehört zu werden. „Wir haben uns getäuscht, Kenfui", sagte der Missionär. — „Es ist möglich," entgegnete Kensui, „aber die Tschobaleute sind vorsichtig. Sie werden vielleicht Kantschileute hier vermuten, fürchten eine List." So rief er denn noch lauter und eindringlicher als vorher: „Ich bin euer Stammesbruder Kenfui, der vor mehr denn einem Jahr den Kantschi in die Hände fiel und ihre Rache fühlen mußte. Tschobao — o — o — ao!" P. Wildhof versprach sich nichts von den fortwährenden Bemühungen, aber Kenfui ließ nicht nach. Er kannte seine Leute besser. „Tschobao — ao — ao! Fürchtet keine List der Kantschi. So antwortet denn! Tschobao — ao — ao!" Nach vielen erneuten Rufen erfolgte endlich eine Antwort: „Abo — aju — bi — Tschoba — o — o — ao!" — „Abo — aju — bi — Tschoba — o — o — ao!" Der junge Mann war außer sich vor Freude. Er setzte seine seltsamen Rufe fort und von drüben schallte nun jedesmal die Antwort herüber. „Wenn du Kenfui, der Tschobamanu bist, so sage uns, wie der Häuptling der Tschoba heißt." — „Der Häuptling der Tschoba heißt Majita." — „Wie heißt denn der große Stammeszauberer?" — „Sein Name ist Bindabo." — „So sage uns noch die Namen der drei großen Berge jenseits unseres Dorfes!" — „Sie heißen Kembana, Cefna und Narnbia." — „Wenn du Kenfui, unser Stammesbruder, bist, bann sage uns, wie du aus der Hand der Kantschi befreit worden bist? Wir haben dich längst totgeglaubt." —„Ein großer Weißer hat mich befreit." — „Wer ist denn bei dir?" — „Der Weiße, der mich befreit hat, bringt mich in unser Dorf zurück. Es sind noch bei uns Kati, der kleine Diener und fünf Träger der Lasten des Weißen." — „Ist der Weiße gut und hat er einen Donnerstock?" — „Der Weiße ist gut. Er ist mein Freund und will auch euer Freund sein. Er hat einen Donnerstock bei sich; ihr braucht aber keine Angst davor zu haben. Er führt ihn nur bei sich, um Wild damit zu schießen." — „Wir wissen nun, daß du Kenfui bist. Wir kommen." Der helle Widerschein des Feuers, der die Baumkronen rötete und die feurigen Rufe Kenfuis brachten die Tschobaleute immer näher und diente ihnen als Wegweiser. Es mußte für sie außerordentlich beschwerlich sein, sich in der Dunkelheit durch das hohe Steppengras zu winden. Endlich kamen sie an, ermüdet und im Schweiß gebadet. Es waren sechs mit vielen Lanzen bewaffnete, mutig, wild ausschauende Burschen, die sich trotz der Gefahr, von den Kantschi gefangen und der Stammesrache ausgeliefert zu werden, in die gefährliche Gegend zur Jagd hinausgewagt hatten. Im ersten Augenblick erkannten sie Kenfni, der ihnen entgegengegangen war, und der Jubel des Wiedersehens war unbeschreiblich. Als sie auf den Lagerplatz traten, stutzten sie zwar beim Anblick des Weißen, nahmen aber sofort seine Hand an. Alle ihre Zweifel waren plötzlich verschwunden. Unzählige Fragen und Antworten wurden ausgetauscht. Kensui fragte nach Vater und Mutter, nach Brüdern und Schwestern, nach Bekannten und Verwandten, nach diesem und jenem. Die Träger suchten noch neues Brennmaterial für die Nacht. Kati bereitete das Abendessen ans dem qualmenden Feuer, allein es schien ihm nicht wie sonst von der Hand zu gehen, da seine Aufmerksamkeit viel zu viel von dem muntern Gespräche gefesselt war. P. Wildhof saß still vor seinem Zelt und betrachtete schmunzelnd das liebliche Bild, von dem er sich auch während des Essens nicht abwenden konnte. Übrigens mundete es ihn nicht besonders, ein allzu starker Beigeschmack von Rauch hatte dasselbe gewürzt. Kati und die Träger hantierten noch lange am Feuer herum, rupften und brieten den Habicht, den der Pater am Nachmittage erlegt hatte, und rösteten ihre steinharten Maiskolben. Endlich war das Gespräch in einen ruhigeren Gang gekommen und drehte sich nun um Lanju. „Ja, dein Bruder Lanju kehrte plötzlich aus der Gefangenschaft im Kantschidorf zu uns zurück. Das war ein Ereignis für den ganzen Stamm, wie du dir denken kannst," sagte einer der Tschobalente. „Er ist noch heute stolz darauf," fügte ein anderer hinzu. „Er ist der einzige, der lebend der Hand der Stammesfeinde entgehen konnte. Nun aber hat er diese Ehre nicht mehr allein. Du bist nicht nur den Händen der Stammesfeinde entkommen, du hast noch Staunenswerteres erlebt. Du hast, wie jeder sehen kann, die Stammesrache an dir erfahren und bist dennoch entwischt." — „Und nicht nur das! Ja staunet! Gestern und heute noch war ich in Kantschi!" erwiderte Kenfui mutig und stolz. — „Unmöglich!" — „Es ist so. Der Weiße und diese Träger werden es euch bezeugen. Dort hörten wir auch, daß in beiden Stämmen wieder die Stammesrache geübt worden ist." Kenfui erzählte dann von all seinen Erlebnissen in der Mission, von seiner Sehnsucht nach Tschoba und zeigte sich sehr erfreut, seine Stammesbrüder hier in der Ebene getroffen zu haben. Sonst führte jede Begegnung in der Lanju aus der Gefangenschaft heimgekehrt, da nahm er sich vor, deinen vermeintlichen qualvollen Tod zu rächen. Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es ihm mit mehreren kühnen Freunden, in der Ebene einige Feinde zu fangen. Er hat dich nach Stammessitte gerächt. Die Sonne brennt auch auf einen schwarzen Kopf. Utembaebene zu blutigen Kämpfen und zur Stammesrache, diesmal sei es wohl zum ersten Male eine freudige Begegnung gewesen. Die Unterhaltung war dann wieder bei der Stammesrache angelangt. Mit Schaudern hörte der Missionär von seinem Zelte aus, wie sehr diese Unsitte im Empfinden der Schmerzen verankert war. Ec lauschte angestrengt und hörte, wie einer der Tschobaleute erzählte: „Kaum war Du kannst zufrieden sein." Ein anderer fügte schnell hinzu: „Zwar sind auch viermal Leute unseres Stammes gefangen worden und haben die Stammesrache der Kantschi erdulden müssen. Aber du kennst die Tschoba. Jedesmal haben wir es ihnen vergolten. Die Kantschirache muß schrecklich sein. Daß aber die Tschobarache gelinde sei, wirst du nicht behaupten können. Du kennst sie ja von früher her." — „Der Zauberer Bindabo hat sich in letzter Zeit als ein wahrer Meister gezeigt. Immer neue Torturen weiß er zu finden. Wir sind alle stolz auf ihn." — „Ja, die Rachetage waren wirkliche Festtage. Wir haben gesungen, getanzt, getrunken und uns an dem Gewimmer der Kantschi ergötzt. Wie kleine Kinder haben sie geschrien und sich wie ein Wurm gekrümmt, den man auf dem Wege zertritt. Du hättest Respekt bekommen vor unserem Bindabo. Schade, daß du den letzten Rachetag in Tschoba nicht erlebt hast. Bindabo hat wirklich ein unbegreifliches Geschick, mit Nadeln, Messern und Feuer, mit Ruten, Gift und Zangen und hundert anderen Mitteln die Gefangenen zum Tanzen zu zwingen. Höre, was er am letzten Rachetage gemacht hat." — „Ich will nichts davon hören", versetzte Kenfui mit einer abwehrenden Handbewegung. „Ich freue mich, daß ich nicht in Tschoba war. Sag' mir nur, ob die gefangenen Kantschi noch leben." — „Die ersten sind alle gestorben; die zuletzt gefangenen leben noch." — „Wie viele sind's?" — „Vier. Du wirst also das nächste Rachefest vielleicht in wenigen Tagen miterleben können. Da wirst du dich rächen können für das, was du in Kantschi gelitten hast. Wenn mir das passiert wäre, o mit der einen Hand, die mir geblieben, würde ich ..." — „Genug! Ich werde nichts tun." — „Ich verstehe dich nicht." — „Ich bin nicht in meine Heimat zurückgekehrt, um die Rache auszuüben." — „Aber, es ist doch unser Stammesgesetz." — „Das weiß ich und ich hoffe, daß es in Zukunft nicht mehr ausgeübt wird", versetzte Kenfui ruhig. — „Du weißt nicht, was du sagst. Das kannst du nicht meinen. Pfui, wer keinen Stolz und keinen Zorn gegen seinen Feind im Leibe hat!" — „Und doch täuschest du dich. Früher habe ich auch für die Stammesrache gelebt und geeifert, ja sie war leider meine größte Freude." — „ Und heute liebst du sie nicht mehr?" — „Nein, ich verabscheue sie, llenn ich habe sie an meinem eigenen Leibe gespürt. Auch ich habe gejammert -wie ein Kind, mich gewunden wie ein getretener Wurm..." — „Desto mehr solltest du dich rächen." — „Desto eher will ich sie abschaffen." — „Und wenn wir Tschoba sie abschaffen, dann wären wir allein die Opfer der Kantschi." — „Auch bei den Kantschi soll sie abgeschafft werden." — „Ha ha, Kenfui, du bist von Sinnen. Du wolltest bei den Kantschi...?" — „Höret doch nur! Der weiße Vater hat mich gerettet und auf sein Gehöft gebracht. Da habe ich seine Lehre, die Lehre von Liebe kennen gelernt; da habe ich sein Leben gesehen, das nur dem Wohltun gewidmet ist, und seitdem hasse ich das Rachegesühl. Übrigens bin ich nicht allein. Der Weiße will alles aufbieten, um bei uns sowohl als auch bei den Kantschi die Stammesrache auszurotten. Deshalb sind wir eben auf dem Wege nach Tschoba, um Verhandlungen über den Austausch der Gefangenen zu pflegen." — Unbeschreiblich war das Erstaunen der Wilden. Sie schauten sich mit großen Augen an, daß ein Tschobamann sich so feige zeigen konnte. „Kenfui", sagte einer, indem er sich erhob, „wir kennen dich nicht wieder. So hat noch nie ein Tschobamann gesprochen. Du hast die Gemeinschaft mit uns zerrissen. Kommt, Brüder, laßt uns gehen. Kenfui will es ja nicht anders!" Die Tschoba-burschen erhoben sich wirklich. Ihre Augen richteten sich voll Verachtung auf Kenfui und den Weißen, der ihnen den Stammesbruder entfremdet und ihm solch merkwürdige Gedanken in den Kopf gesetzt hatte. Tatsächlich wollten sie in die dunkle Skeppe hinaus. Aber Kenfui hielt sie zurück. „So hört mich denn noch einen Augenblick an. Sagt, ist es etwas Gutes oder Schlechtes, wenn man seine eigenen Stammesbrüder quält, mißhandelt und tötet?" — „Das wäre eine schlechte Tat", entgegneten sie wie aus einem Munde. — „Nun, eine solche Tat beginge ich und wäre kein Tschobamann' wenn ich nicht alles versuchen würde, unsere unglücklichen Stammesbrüder, die in der Gefangenschaft der Kantschi leben, zu retten. Oder soll ich zulassen, daß sie dort von neuem gequält und gemartert werden?" — „Es ist, wie du sagst", sprach nun einer von ihnen kleinlaut. „Du bist doch unser Stammesbruder geblieben, denn du denkst an die gefangenen Tschoba." — „Was würdet ihr tun, wenn ein Tschobakind in den Fluß fiele?" — „Wir würden es mit eigener Lebensgefahr retten", antwortete Burzi, der Anführer. — „Wenn aber dein eigenes Kind zugleich ins Wasser gefallen wäre, was würdest du dann tun?" — „Natürlich zuerst mein eigenes Kind retten und dann mich um die Bergung des andern bemühen." — „Wie Burzi würden wir alle handeln", fügten alle hinzu. — „Ganz recht so", versetzte Kenfui. „So ähnlich verhält es sich mit der Rettung unserer Stammesbrüder aus den Händen der Kantschi. Sie zu retten ist unsere erste Pflicht. Die Pflicht der Stammesrache kommt erst an zweiter Stelle. Wenn ich also nur daran denke, dieser ersten Pflicht vor allem nachzukommen, bin ich dann ein Stammesfeind?" — „Nein, das bist du nicht. Jetzt verstehen wir dich. Du bist ein Tschoba geblieben und deshalb bleiben wir bei dir. Morgen gehen wir nach Tschoba und wollen die Angelegenheit unserem Häuptling Majita überlassen. Der mag entscheiden." So blieben die Tschobaleute und setzten sich wieder ans Feuer, nachdem sie sich auf trockenem Gras ein Lager bereitet hatten. Die Nacht in der Ebene verlief ohne Zwischenfall. Der Missionär schlief im Zelte, während die Schwarzen sich rund um das qualmende Feuer lagerten. Vor der Abreise am anderen Morgen halte P. Wildhof das Glück, eine prachtvolle Antilope zu erlegen, was ihm das Zutrauen und das Wohlwollen der Tschobajäger eintrug. Man begab sich auf den beschwerlichen Weg, oder vielmehr bahnte sich mühselig einen Pfad durch das Gestrüpp und das harte Elefantengras. Aber man kam vorwärts. Gegen Mittag wurde eine kleine Pause gemacht, um dann mit neuer Kraft den langsamen Aufstieg in das Bergland zu machen. Zwei Tschobaleute eilten als Boten voraus, um die Ankunft der Karawane zu melden und ihr einen günstigen Empfang zu bereiten. Die übrigen Tschobaleute trugen abwechselnd mit den Trägern die Lasten des Missionärs. Erst mir anbrechender Dunkelheit erreichte man das Ziel. Ganz Tschoba war auf den Beinen. Die Wiederkehr des längst totgeglaubten Keirfui, die Ankunft eines Weißen, das waren keine alltäglichen Dinge. Einzelne Gruppen von Männern und Knaben kamen den Wanderern entgegen, staunten eine Zeitlang den Weißen an und bemühten sich freudig um den wiedergefundenen Kenfui. Unter Lärm, Musik und Gesang erreichten sie den Hauptplatz. Der Häuptling in seinem ganzen Schmuck, umgeben von seinem ganzen Volke, begrüßte den verstümmelten Stammesbruder und fand auch dankbare, wenn auch etwas schüchtern oder zurückhaltend klingende Worte für den Weißen. Das war P. Wildhof schon recht, denn da er äußerst müde und abgespannt war und etwas wie ein leichtes Fieber verspürte, bat er, sich zurückziehen zu dürfen. Eine gute Hütte wurde ihm angewiesen. Mit einem Dankgebet gegen Gott, der ihn bis jetzt so gnädig geführt, schlief er bald ein und überließ das Volk seinem Freudentaumel. Der Missionär hatte eine ruhige Nacht gehabt. Von den lauten und lärmenden Tanzfreuden der feiernden Tschoba, von dem wüsten Gedröhn der vielen Gongs und Rasseln, von den Flöten und Trompeten, von dem Singen und Johlen hatte er nichts gehört. Die große Müdigkeit der anstrengenden Reise über Berg und Tal hatte ihn in einen tiefen Schlaf versenkt, ans welchem er erst durch die hellen Strahlen der Morgensonne geweckt wurde, die durch die vielen Ritzen der schadhaften Lehmwände eindrangen. Auf dem Platze vor der Hütte auf und ab gehend verrichtete er sein Morgengebet und die Betrachtung und brachte dann auf dem provisorischen Altar seines kleinen Reisetisches unter einem mächtigen Kolabaum die heilige Messe dar, bei welcher Kati wie gewöhnlich den Meßdiener abgab. Das Frühstück bestand aus Maisbrot mit wildem Honig und starkem Kaffee. Im Dorfe war noch alles ruhig. In der Hütte nebenan hockten die schwarzen Träger rund um das kleine Feuer, rieben sich den Schlaf aus den Augen und begannen zu erzählen. Einer von ihnen stopfte ein kleines Pfeifchen, legte eine glühende Kohle darauf und sog mit sichtlichem Wohlbehagen den Tabaksqualm tief in die Lungen hinab, stieß dann langsam nach Negerart den Rauch in dichten Strahlen aus Nase und Mund hervor. Nachdem er sich einige Zeit diesem kostbaren Hochgenuß hingegeben, gab er das Rauchinstrument seinem Nebenmann, der es ebenso machte und dann auch den anderen die Pfeife weitergab. Kenfui lag noch in tiefem Schlaf nebenan auf einem Lager von Bananenblättern in eine Decke eingehüllt und ließ sich durch das immer lauter werdende Gespräch nicht im mindesten stören. Als Held der gestrigen Festfeier hatte er erst spät in der Nacht heimkehren können. Kati, der Boy, waltete seines Amtes als Koch, der nur für sich und die Träger das Frühstück herstellte. Der Duft eines seltsamen Gerichtes stieg P. Wildhof in die Nase. Der Duft war undefinierbar. „Was die sich znrechtkochen!" dachte der Pater. „Wie muß das erst schmecken! Nun, sie müssen selber wissen, was ihnen am besten schmeckt, und ich will ihnen völlige Freiheit im Speisezettel lassen! Sie mögen sich ihre scheußlichen Leckerbissen gut schmecken lassen!" P. Wildhof wollte in seinem bequemen Reiseftuhl sitzend sein Brevier beten, aber vor dem Duft des seltsamen Gerichtes ergriff er die Flucht und machte einen Spaziergang durch das Dorf, das noch immer wie ausgestorben und menschenleer in friedlicher Stille dalag. Männer sah man keine, für sie war es nach der lustig verjubelten Nacht noch zu früh, und es wird gewiß noch lange dauern, ehe sie vom Schlafe erwachen und wieder lebendig werden. Nur an vereinzelten Hütten kniete eine Frau vor ihrem Mahlstein und zerrieb ihren Mais zu Mehl, verschwand aber beim Anblick des Weißen schleunigst in ihrer Hütte. Nach und nach öffneten sich immer mehr Schiebetüren zum Zeichen des neuerwachten Lebens, und so wurde P. Wildhof der Einblick ins Innere der kleinen Behausungen frei. Hie und da brannten bereits die kleinen Hüttenfeuerchen, um die Frauen und Kinder herumhockten, stocherten, kochten und erzählten. Halb neugierig, halb ängstlich schaute man allenthalben dem vorbeigehenden Manne mit den weißen Kleidern, dem großen Hute und dem schwarzen Barte nach. Wo P. Wildhof an eine offene Hütte herantrat, um sich das friedlich stille Bild des heidnischen Familienlebens in der frühen Morgenstunde anzusehen, begegnete er ängstlichen, furchtsamen Blicken. Frauen und Kinder flüchteten sich scheu in die äußersten Ecken und Winkel des kleinen Raumes, und selbst das freundliche Lächeln des Paters vermochte ihnen nicht ihre Ruhe und vorherige Sorglosigkeit wiederzugeben. Der Anblick des weißen Mannes mit dem schwarzen Bart war ihnen so fremd, daß sie in vielen Fällen sogar zitterten und laut aufschrien. Um die furchtsamen Menschen nicht unnötigerweise noch mehr zu ängstigen, unterließ er seine Hüttenbesuche und schlenderte durch das Dorf dahin, hielt aber dabei sorgfältig Ausschau nach rechts und links, damit ihm nichts Sehenswertes entgehe. Die schmalen Dorfpfade wurden zu beiden Seiten in unregelmäßigen Abständen von den Behausungen der Bewohner eingesäumt. Meistens lagen zwei, drei, vier oder mehr größere oder kleinere Hütten zu einem kleinen Gehöft zusammen, sei es, daß der Besitzer mehrere Frauen besaß, sei es, daß eigene Hütten für die Erntevorräte oder für die Ziegen und Schafe vorhanden waren. Hinter jeder Hütte bemerkte man eine kleine Tabakanlage, aus der die Schwarzen ihren Bedarf an Rauchmaterial decken konnten. Daran anschließend war ein kleines Nesselfeld zu sehen, das den Leuten die Nesselfasern zur Herstellung der Lendentücher lieferte. Jeder, selbst der ärmste Tschobamann besaß auch einige Baumwoll-sträucher, die soeben in voller Blüte standen. Jedes freie Plätzchen war aufs beste für allerlei Nutzpflanzen: Mais, Durra, Manjok, Erdnüsse, Paprika und Bananen verwertet. Die Gehöfte der Dorfgroßen, der sogenannten Bigleute, lagen abseits in immergrünen Bananen- oder Plantagenwäldchen versteckt und waren von hohen Bambus- oder Graszäunen umfriedet. Nach der Sturm- oder Tornadoseite hin waren sowohl die Hütten der Dorfbewohner als auch die Gehöfte der Bigleute durch riesige Kolabäume geschützt. P. Wildhof mußte sich gestehen, daß Tschoba ein schönes Dorf sei, zumal es auf einer die Umgebung überragenden Anhöhe lag, von der man an manchen Stellen einen ungehinderten Ausblick in die Berg- und Tallandschaft des Tschobastammes hatte. Endlich entdeckte er auch die drei hohen Berge, deren Namen Kenfui in der Steppe seinen Steppenbrüdern hatte zurufen müssen, damit sie ihn als ihren Stammesbruder erkannten. An einer Stelle stoß ein kleines Bächlein zu Tal, und am Rande lagen ungezählte frische Maiskolben auf dem Boden, von denen manche wegen der Bodenfeuchtigkeit ausgeschlagen waren und grüne Keimlinge emporwachsen ließen. Die vom Felde mit der Maisernte heimkehrenden Dorfbewohner hatten hier dem Fluß- und Wassergeist ihre Dankesgabe niedergelegt. Vorzüglich an den vielen Wegkreuzungen befanden sich kleine Hüttchen, die zum Zweck der Geisterverehrung errichtet und mit den seltsamsten Gegenständen umhangen und umstanden waren. P. Wildhof nahm alles genau in Augenschein, machte kurze Notizen in sein Tagebuch und ging dann auf neue Entdeckungen aus. Die Ausbeute des Morgenspazierganges war keine geringe, und wenn er einmal mit Kenfui oder vielleicht mit dem Häuptling seinen Rundgang wiederholte, würde er manches zu erfragen haben und gewiß noch viel interessantes neues Material für seine Berichte in die Heimat ausfindig machen. Allmählich kam mehr Leben in das friedlich stille Tschobadors und in den Hütten wurde es immer lauter. Kinder eilten mit ihren Kalabassen zum Bach und holte» Wasser. (Fortsetzung folgt.) Eigentümer, Herausgeber und Berleger: Missionshaus der Söhne des heiligsten Herzens Jesu in Graz, Paulustorgaffe 10. — Verantwortlicher Schriftleiter: P. Al. Wilfling, Missionshaus, Graz, Paulustorgaffe 10. — Universitäts-BuchdruckerÄ .Styria" in Graz.